{"text":"Es kam ein Soldat die Landstraße dahermarschiert: Eins, zwei! Eins, zwei! Er","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"hatte seinen Tornister auf dem Rücken und einen Säbel an der Seite, denn er","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"war im Kriege gewesen und wollte nun heim. Da traf er eine alte Hexe auf dem","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Wege. Sie war garstig, ihre Unterlippe hing ihr bis auf die Brust hinab. Sie","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"sagte: \"Guten Abend, Soldat! Was für einen schönen Säbel du hast und was für","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"einen großen Tornister! Du bist ein richtiger Soldat! Nun sollst du soviel Geld","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"bekommen, wie du haben willst!\"","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Schönen Dank, alte Hexe!\" sagte der Soldat.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Kannst du den großen Baum sehen?\" sagte die Hexe, und zeigte auf einen Baum,","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"der an der Seite stand. \"Er ist innen ganz hohl! Dort sollst du hinaufklettern","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"bis zur Spitze; dann siehst du ein Loch, durch welches du dich hinabgleiten","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"lassen und tief in den Baum hinunterkommen kannst! Ich werde dir einen Strick um","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"den Leib binden, damit ich dich wieder heraufziehen kann, wenn du mich rufst!\"","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Was soll ich denn unten im Baum?\" fragte der Soldat.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Geld holen!\" sagte die Hexe. \"Du mußt wissen, wenn du auf dem Grund des","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Baumes ankommst, so bist du in einem großen Gage; da ist es ganz hell, denn","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"es brennen über hundert Lampen dort. Dann siehst du drei Türen. Du kannst sie","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"aufschließen, der Schlüssel steckt darin. Gehst du in die erste Kammer hinein,","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"so siehst du mitten auf dem Fußboden eine große Kiste, auf der ein Hund sitzt;","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"er hat ein paar Augen so groß wie ein paar Teetassen, doch darum sollst du dich","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"nicht kümmern! Ich gebe dir meine blaugewürfelte Schürze, die kannst du auf dem","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Fußboden ausbreiten; geh dann rasch hin und nimm den Hund, setze ihn auf meine","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Schürze, schließ die Kiste auf und nimm soviel Geld wie du willst; es ist lauter","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Kupfer. Wenn du aber lieber Silber haben willst, mußt du in das nächste Zimmer","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"geben; doch dort sitzt ein Hund, der hat ein Paar Augen, so groß wie ein Paar","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Mühlräder; aber darum brauchst du dich nicht kümmern, setz ihn auf meine Schürze","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"und nimm dir von dem Gelde! Willst du hingegen Gold haben, so kannst du auch","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"das bekommen, und zwar soviel, wie du tragen magst, wenn du in die dritte Kammer","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"hineingehst. Aber der Hund, der hier auf der Geldkiste sitzt, der hat zwei","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Augen, jedes so groß, wie der Runde Turm in Kopenhagen. Das ist ein gewaltiger","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Hund, kannst du glauben! Aber darum sollst du dich gar nicht kümmern! Setze ihn","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"nur auf meine Schürze, dann tut er dir nichts, und nimm dir aus der Kiste so","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"viel Gold du willst!\"","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Das ist gar nicht so dumm!\" sagte der Soldat. \"Aber was soll ich dir geben, du","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"alte Hexe? Denn etwas willst du wohl auch haben, denke ich!\"","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Nein,\" sagte die Hexe, \"nicht einen einzigen Schilling will ich haben! Für mich","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"sollst du nur ein altes Feuerzeug nehmen, das meine Großmutter vergaß, als sie","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"das letzte Mal unten war!\"","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Na, dann leg mir den Strick um den Leib!\" sagte der Soldat.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Hier ist er,\" sagte die Hexe, \"und hier ist meine blaugewürfelte Schürze.\"","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"So kletterte der Soldat nun den Baum hinauf, ließ sich durch das Loch","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"hinuntergleiten und stand unten, wie die Hexe es gesagt hatte, in dem großen","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Gange, wo die vielen hundert Lampen brannten.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Nun schloß er die erste Tür auf. Uh! da saß der Hund mit den Augen, so groß wie","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Teetassen und glotzte ihn an.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Du bist mir ja ein netter Kerl!\" sagte der Soldat, setzte ihn auf die Schürze","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"der Hexe und nahm so viel Kupferschillinge, wie in seine Taschen hineingehen","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"wollten, schloß dann die Kiste, setzte den Hund wieder darauf und ging in","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"das andere Zimmer. Hei! da saß der Hund mit den Augen so groß wie ein Paar","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Mühlräder.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Du solltest mich nicht so lange ansehen!\" sagte der Soldat, \"Du könntest","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Augenschmerzen bekommen!\" und dann setzte er den Hund auf die Schürze der Hexe.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Doch als er das viele Silbergeld in der Kiste sah, warf er alles Kupfergeld","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"fort, was er hatte und füllte seine Taschen und den Tornister mit dem lauteren","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Silber. Nun ging er in die dritte Kammer! Nein, war das scheußlich! Der Hund","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"darin hatte wirklich zwei Augen so groß wie der Runde Turm und die rollten im","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Kopfe herum gerade wie Mühlräder!","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Guten Abend!\" sagte der Soldat und griff an die Mütze, denn solch einen Hund","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"hatte er niemals vorher gesehen; aber als er ihn ein Weilchen angesehen hatte,","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"dachte er, nun genügt es eigentlich, hob ihn auf den Fußboden herunter und","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"schloß die Kiste auf. Nein, Gott bewahre, was war das für eine Menge Gold,","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"ganz Kopenhagen konnte er dafür kaufen und die Zuckerferkel der Kuchenfrauen,","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"alle Zinnsoldaten, Peitschen und Schaukelpferde in der ganzen Welt! Ja, da war","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"wirklich einmal Geld! - Nun warf der Soldat alle die Silberschillinge, mit denen","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"er seine Taschen und den Tornister gefüllt hatte, fort und nahm Gold dafür. Ja,","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"alle Taschen, der Tornister, die Mütze und die Stiefel wurden gefüllt, so daß er","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"kaum laufen konnte. Nun hatte er Geld! Den Hund setzte er wieder auf die Kiste,","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"schlug die Türe zu und rief dann durch den Baum hinauf: \"Zieh mich nun hinauf,","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"alte Hexe!\"","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Hast du das Feuerzeug mit?\" fragte die Hexe.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Wahrhaftig!\" sagte der Soldat, \"das habe ich reinweg vergessen,\" und er ging","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"und nahm es. Die Hexe zog ihn herauf, und da stand er wieder auf der Landstraße","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"mit seinen Taschen, Stiefeln, dem Tornister und der Mütze voll Geld.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Was willst du eigentlich mit dem Feuerzeug?\" fragte der Soldat.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Das geht dich nichts an!\" sagte die Hexe, \"Du hast ja nun Geld bekommen, gib","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"mir nur das Feuerzeug!\"","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Schnickschnack!\" sagte der Soldat, \"willst du mir wohl gleich sagen, was du","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"damit willst, oder ich ziehe meinen Säbel und haue dir den Kopf ab!\"","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Nein!\" sagte die Hexe.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Da schlug ihr der Soldat den Kopf ab. Nun lag sie da! Aber er band all sein Geld","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"in ihre Schürze, nahm sie wie ein Bündel auf den Rücken, steckte das Feuerzeug","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"in die Tasche und ging geradeaus in die Stadt.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Das war eine prächtige Stadt und in dem prächtigsten Wirtshaus kehrte er ein und","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"verlangte die allerbesten Zimmer und seine Leibgerichte, denn nun war er reich,","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"da er soviel Geld hatte.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Dem Diener, der seine Stiefel putzen sollte, schienen es eigentlich recht","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"jämmerliche, alte Stiefel zu sein, für einen so reichen Herrn, aber er hatte","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"sich noch keine neuen gekauft; am nächsten Tage kaufte er sich Stiefel, mit","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"denen er sich sehen lassen konnte, und die schönsten Kleider! Nun war der","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Soldat ein vornehmer Herr geworden, und man erzählte ihm von all den prächtigen","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Dingen in der Stadt, und von ihrem Könige und was seine Tochter für eine hübsche","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Prinzessin war.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Wo kann man sie zu sehen bekommen?\" fragte der Soldat.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Man kann sie überhaupt nicht zu sehen bekommen!\" sagte man ihm, \"sie wohnt","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"in einem großen kupfernen Schlosse mit vielen, vielen Mauern und Türmen","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"herum! Niemand außer dem König darf aus – oder eingehen bei ihr, denn es ist","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"geweissagt, daß sie sich mit einem ganz gewöhnlichen Soldaten verheiraten wird,","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"und das kann der König nicht zugeben.\"","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Ich möchte sie wohl sehen!\" dachte der Soldat, aber dazu konnte er ja eben","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"keine Erlaubnis bekommen.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Nun lebte er lustig darauf los, ging ins Theater, fuhr in des Königs Garten","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"und gab den Armen viel Geld, und das war wohlgetan; er wußte noch aus alten","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Tagen, wie schlimm es war, nicht einen Schilling zu besitzen! Er war nun reich,","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"hatte schöne Kleider und bekam viele Freunde, die alle sagten, er wäre ein","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"feiner Kerl, ein richtiger Kavalier und das konnte der Soldat wohl leiden.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Aber da er jeden Tag Geld ausgab und nie etwas hereinbekam, so hatte er zuletzt","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"nicht mehr als zwei Schillinge übrig und mußte aus den schönen Zimmern, wo er","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"gewohnt hatte, fortziehen in eine winzig kleine Kammer hinein ganz oben unter","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"dem Drache, mußte selbst seine Stiefel bürsten und sie mit einer Stopfnadel","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"zusammennähen, und keiner von seinen Freunden kam zu ihm, denn es waren so viele","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Treppen zu steigen.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Es war ein ganz dunkler Abend, und er konnte sich nicht einmal ein Licht","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"kaufen; aber da fiel ihm ein, daß in dem Feuerzeug, das er aus dem hohlen Baum","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"mitgebracht hatte, in welchen ihm die Hexe hinuntergeholfen hatte, ein kleiner","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Lichtstumpf gewesen war. Er holte das Feuerzeug und den Stumpf hervor, aber","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"eben, als er Feuer schlug und die Funken aus dem Stein stoben, sprang die Türe","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"auf, und der Hund, der Augen hatte so groß wie ein paar Teetassen, und den er","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"unten unter dem Baume gesehen hatte, stand vor ihm und sagte: \"Was befiehlt mein","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Herr?\"","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Was ist denn das!\" sagte der Soldat, \"das wäre ja ein lustiges Feuerzeug, wenn","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"ich so bekommen kann, was ich haben will. Schaff mir etwas Geld!\" sagte er zu","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"dem Hund, und wupp, war der fort und wieder da und hielt einen großen Beutel","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"voll Geld in seinem Maule.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Nun wußte der Soldat, was für ein prächtiges Feuerzeug das war. Schlug er","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"einmal, so kam der Hund, der auf der Kiste mit Kupfergeld saß, schlug er","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"zweimal, so kam der, der das Silbergeld hatte, und schlug er dreimal, so kam","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"der, der das Gold hatte. Nun zog der Soldat wieder hinunter in die hübschen","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Zimmer und ging in den guten Kleidern einher, und da kannten ihn gleich alle","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"seine Freunde wieder; sie hielten so sehr viel von ihm.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Da dachte er einst: Es ist doch merkwürdig, daß man die Prinzessin nicht zu","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"sehen bekommen darf. Sie soll so wunderschön sein, sagen alle; aber was kann das","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"helfen, wenn sie immer in dem großen Kupferschloß mit den vielen Türmen sitzen","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"muß. Kann ich sie denn gar nicht zu sehen bekommen? Wo ist denn mein Feuerzeug","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"und nun schlug er Feuer und wupp, kam der Hund mit den Augen, so groß wie","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Teetassen.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Es ist freilich mitten in der Nacht,\" sagte der Soldat, \"aber ich möchte so","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"herzlich gern die Prinzessin sehen, nur einen kleinen Augenblick!\"","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Der Hund war stracks aus der Tür und ehe der Soldat es gedacht, sah er ihn mit","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"der Prinzessin wieder. Sie saß und schlief auf dem Rücken des Hundes und war","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"so schön, daß jedermann sehen konnte, daß es eine wirkliche Prinzessin war; der","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Soldat konnte nicht anders, er mußte sie küssen, denn er war eben ein richtiger","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Soldat.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Der Hund lief nun mit der Prinzessin wieder zurück, aber als am Morgen der König","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"und die Königin Tee tranken, sagte die Prinzessin, sie habe heute Nacht einen","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"so wunderlichen Traum geträumt von einem Hunde und einem Soldaten. Sie hätte auf","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"dem Hunde geritten, und der Soldat hätte sie geküßt.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Das wäre ja eine schöne Geschichte!\" sagte die Königin.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Nun sollte eine von den alten Hofdamen die nächste Nacht am Bette der Prinzessin","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"wachen, um zu sehen, ob es wirklich ein Traum war, oder was es sonst sein","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"könnte.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Der Soldat hatte schreckliche Sehnsucht danach, die wunderschöne Prinzessin","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"wiederzusehen, und so kam denn der Hund in der Nacht, nahm sie und lief was","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"er konnte, doch die alte Hofdame zog Wasserstiefel an und lief ebenso schnell","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"hinterdrein. Als sie nun sah, daß sie in einem großen Hause verschwanden, dachte","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"sie: nun weiß ich, wo es ist, und malte mit einem Stück Kreide ein großes Kreuz","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"auf die Tür. Dann ging sie nach Hause und legte sich wieder hin, und der Hund","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"kam auch wieder mit der Prinzessin; als er aber sah, daß ein großes Kreuz auf","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"die Tür gemalt war, wo der Soldat wohnte, nahm er auch ein Stück Kreide und","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"machte Kreuze auf alle Türen in der ganzen Stadt, und das war klug getan, denn","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"nun konnte ja die Hofdame nicht die richtige Tür finden, wenn an allen Kreuze","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"waren.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Morgens früh kam der König und die Königin, die alte Hofdame und alle Offiziere,","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"um zu sehen, wo die Prinzessin gewesen war.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Da ist es!\" sagte der König, als er die erste Tür mit einem Kreuze sah.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Nein, dort ist es, mein lieber Mann!\" sagte die Königin, als sie die zweite Tür","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"mit dem Kreuze sah.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Aber hier ist eins und dort ist auch eins\" riefen alle; wohin sie sahen, waren","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Kreuze auf den Türen. Da mußten sie einsehen, daß ihnen das Suchen nichts helfen","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"würde.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Doch die Königin war eine sehr kluge Frau, die mehr konnte, als bloß in der","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Kutsche fahren. Sie nahm ihre große goldene Schere, schnitt ein großes Stück","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Seidenzeug in Stücke und nähte einen kleinen niedlichen Beutel; den füllte sie","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"mit feiner Buchweizengrütze, band ihn der Prinzessin auf den Rücken und als das","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"getan war, schnitt sie ein kleines Loch in den Beutel, so daß die Grütze den","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"ganzen Weg bestreuen mußte, den die Prinzessin nahm.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"In der Nacht kam nun der Hund wieder, nahm die Prinzessin auf seinen Rücken und","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"lief mit ihr zu dem Soldaten hin, der sie so lieb hatte und so gerne ein Prinz","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"gewesen wäre, um sie zur Frau zu bekommen.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Der Hund merkte gar nicht, wie die Grütze den ganzen Weg entlang vom Schlosse","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"bis zum Fenster des Soldaten streute, wo er die Mauer mit der Prinzessin","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"hinauflief. Am Morgen konnten der König und die Königin genau sehen, wo ihre","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Tochter gewesen war, und da nahmen sie den Soldaten und warfen ihn in den","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Kerker.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Da saß er nun. Hu, wie dunkel und langweilig das war, und überdies sagte man","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"zu ihm: \"Morgen wirst du gehängt.\" Das war nicht eben angenehm zu hören, und","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"sein Feuerzeug hatte er zuhause im Wirtshause vergessen. Am Morgen konnte er","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"durch die eisernen Stangen vor dem kleinen Fenster sehen, wie das Volk aus","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"der Stadt eilte, um ihn hängen zu sehen. Er hörte die Trommeln und sah die","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Soldaten marschieren. Alle Leute waren unterwegs; da war auch ein Schusterjunge","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"mit Schurzfell und Pantoffeln, der lief so im Galopp, daß sein einer Pantoffel","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"abflog und gerade gegen die Mauer, wo der Soldat saß und zwischen den","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Eisenstangen herausguckte.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"He, Schusterjunge! Du brauchst nicht solche Eile zu haben. Es wird doch nichts","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"daraus, ehe ich komme! Aber willst du nicht hinlaufen, wo ich gewohnt habe und","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"mir mein Feuerzeug holen? Dann sollst du vier Schillinge haben! Aber du mußt","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Beine machen!\" Der Schusterjunge wollte gern die vier Schillinge haben, lief","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"pfeilgeschwind fort nach dem Feuerzeug, gab es dem Soldaten, und ja, nun werden","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"wir hören!","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Draußen vor der Stadt war ein großer Galgen gemauert. Rundum standen Soldaten","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"und viele hunderttausend Menschen. Der König und die Königin saßen auf einem","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"prächtigen Thron, den Richtern und dem ganzen Rate gegenüber.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Der Soldat stand schon oben auf der Leiter, aber als sie ihm den Strick um den","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Hals legen wollten, sagte er, daß doch stets einem armen Sünder, bevor er seine","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Strafe erleide, ein unschuldiger Wunsch gewährt werde. Er wolle so gern noch","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"eine Pfeife Tabak rauchen, es sei ja die letzte Pfeife, die er in dieser Welt","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"bekäme.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Das mochte der König nun nicht abschlagen, und so nahm der Soldat sein Feuerzeug","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"und schlug Feuer, eins, zwei, drei! und alle Hunde standen da, der mit den Augen","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"so groß wie Teetassen, der mit den Augen so groß wie ein Paar Mühlräder und der,","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"der Augen hatte so groß wie der Runde Turm.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Helft mir nun, daß ich nicht gehängt werde!\" sagte der Soldat, und die Hunde","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"fuhren auf die Richter und den ganzen Rat los, nahmen den einen bei den Beinen,","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"den andern bei der Nase und warfen sie weit in die Luft, so daß sie beim","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Herunterfallen ganz in Stücke zerschlagen wurden.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"\"Ich will nicht!\" sagte der König, aber der größte Hund nahm beide, ihn und die","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Königin, und warf sie allen anderen nach. Da erschraken die Soldaten, und alles","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Volk rief: \"Lieber Soldat, du sollst unser König sein und die schöne Prinzessin","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"haben!\"","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Dann setzten sie den Soldaten in des Königs Kutsche, und alle drei Hunde tanzten","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"voran und riefen \"Hurra!\" und die Jungen pfiffen auf den Fingern, und die","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"Soldaten präsentierten das Gewehr. Die Prinzessin kam aus dem kupfernen Schlosse","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"heraus und wurde Königin, und das gefiel ihr ausgezeichnet! Die Hochzeit dauerte","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"acht Tage, und die Hunde saßen mit am Tische und machten große Augen.","book":"Das Feuerzeug"} {"text":"In einem Dorfe wohnten zwei Leute, die beide denselben Namen hatten. Beide","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"hießen Klaus, aber der eine besaß vier Pferde und der andere nur ein einziges.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Um sie nun voneinander unterscheiden zu können, nannte man den, der vier Pferde","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"besaß, den großen Klaus, und den, der nur ein einziges hatte, den kleinen","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Klaus. Nun wollen wir hören, wie es den beiden erging, denn es ist eine wahre","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Geschichte.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Die ganze Woche hindurch mußte der kleine Klaus für den großen Klaus pflügen und","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"ihm sein einziges Pferd leihen, dann half der große Klaus ihm wieder mit allen","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"seinen vieren, aber nur einmal wöchentlich, und das war des Sonntags. Hussa,","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"wie klatschte der kleine Klaus mit seiner Peitsche über alle fünf Pferde! Sie","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"waren ja nun so gut wie sein an dem einen Tage. Die Sonne schien herrlich, und","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"alle Glocken im Kirchturm läuteten zur Kirche, die Leute waren alle geputzt und","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"gingen mit dem Gesangbuch unter dem Arme, den Prediger zu hören, und sie sahen","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"den kleinen Klaus, der mit fünf Pferden pflügte, und er war so vergnügt, daß er","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"wieder mit der Peitsche klatschte und rief: \"Hü, alle meine Pferde!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"So mußt du nicht sprechen,\" sagte der große Klaus, \"das eine Pferd ist ja nur","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"dein!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Aber als wieder jemand vorbeiging, vergaß der kleine Klaus, daß er es nicht","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"sagen sollte, und da rief er: \"Hü, alle meine Pferde!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Nun ersuche ich dich amtlich, dies zu unterlassen,\" sagte der große Klaus;","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"denn sagst du es noch einmal, so schlage ich dein Pferd vor den Kopf, daß es","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"auf der Stelle tot ist.\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ich will es wahrlich nicht mehr sagen!\" sagte der kleine Klaus. Aber als da","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Leute vorbeikamen und ihm guten Tag zunickten, wurde er sehr erfreut und dachte,","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"es sehe doch recht gut aus, daß er fünf Pferde habe, sein Feld zu pflügen, und","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"da klatschte er mit der Peitsche und rief: \"Hü, alle meine Pferde!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ich werde deine Pferde hüten!\" sagte der große Klaus, nahm einen Hammer und","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"schlug des kleinen Klaus einziges Pferd vor den Kopf, daß es umfiel und tot war.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ach nun habe ich gar kein Pferd mehr!\" sagte der kleine Klaus und fing an zu","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"weinen. Später zog er dem Pferde die Haut ab und ließ sie gut im Winde trocknen,","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"steckte sie dann in einen Sack, den er auf die Schulter warf, und machte sich","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"nach der Stadt auf den Weg, um seine Pferdehaut zu verkaufen.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Er hatte einen sehr weiten Weg zu gehen, mußte durch einen großen, dunklen Wald,","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"und nun wurde es gewaltig schlechtes Wetter. Er verirrte sich gänzlich, und ehe","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"er wieder auf den rechten Weg kam, war es Abend und allzu weit, um zur Stadt","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"oder wieder nach Hause zu gelangen, bevor es Nacht wurde.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Dicht am Wege lag ein großer Bauernhof; die Fensterladen waren draußen vor den","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Fenstern geschlossen, aber das Licht konnte doch darüber hinausscheinen. \"Da","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"werde ich wohl Erlaubnis erhalten können, die Nacht über zu bleiben,\" dachte der","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"kleine Klaus und klopfte an.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Die Bauersfrau machte auf; als sie aber hörte, was er wollte, sagte sie, er","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"solle weitergehen, ihr Mann sei nicht zu Hause, und sie nehme keine Fremden","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"herein.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Nun, so muß ich draußen liegenbleiben,\" sagte der kleine Klaus, und die","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Bauersfrau schlug ihm die Tür vor der Nase zu.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Dicht daneben stand ein großer Heuschober, und zwischen diesem und dem Wohnhaus","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"war ein kleiner Geräteschuppen mit einem flachen Strohdache gebaut.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Da oben kann ich liegen,\" sagte der kleine Klaus, als er das Dach erblickte;","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"das ist ja ein herrliches Bett. Der Storch fliegt wohl nicht herunter und beißt","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"mich in die Beine.\" Denn ein Storch hatte sein Nest auf dem Dache.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Nun kroch der kleine Klaus auf den Schuppen hinauf, streckte sich hin und drehte","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"sich, um recht gut zu liegen. Die hölzernen Laden vor den Fenstern schlossen","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"oben nicht zu, und so konnte er gerade in die Stube hineinblicken.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Da war ein großer Tisch gedeckt, mit Wein und Braten und einem herrlichen","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Fisch darauf; die Bauersfrau und der Küster saßen bei Tische und sonst niemand","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"anders, sie schenkte ihm ein, und er gabelte in den Fisch, denn das war sein","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Leibgericht.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Wer doch etwas davon abbekommen könnte!\" dachte der kleine Klaus und streckte","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"den Kopf gerade gegen das Fenster. Einen herrlichen Kuchen sah er auch im Zimmer","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"stehen! Ja, das war ein Fest!","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Nun hörte er jemand von der Landstraße her gegen das Haus reiten; das war der","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Mann der Bauersfrau, der nach Hause kam.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Das war ein ganz guter Mann, aber er hatte die wunderliche Eigenheit, daß er es","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"nie ertragen konnte, einen Küster zu sehen; kam ihm ein Küster vor die Augen,","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"so wurde er ganz rasend. Deshalb war es auch, daß der Küster zu seiner Frau","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"hineingegangen war, um ihr guten Tag zu sagen, weil er wußte, daß der Mann nicht","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"zu Hause sei, und die gute Frau setzte ihm dafür das herrlichste Essen vor.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Als sie nun den Mann kommen hörten, erschraken sie sehr, und die Frau bat den","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Küster, in eine große, leere Kiste hineinzukriechen, denn er wußte ja, daß der","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"arme Mann es nicht ertragen konnte, einen Küster zu sehen. Die Frau versteckte","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"geschwind all das herrliche Essen und den Wein in ihrem Backofen, denn hätte der","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Mann das zu sehen bekommen, so hätte er sicher gefragt, was es zu bedeuten habe.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ach ja!\" seufzte der kleine Klaus oben auf seinem Schuppen, als er all das","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Essen verschwinden sah.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ist jemand dort oben?\" fragte der Bauer und sah nach dem kleinen Klaus hinauf.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Warum liegst du dort? Komm lieber mit in die Stube.\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Nun erzählte der kleine Klaus, wie er sich verirrt habe, und bat, daß er die","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Nacht über bleiben dürfe.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ja freilich,\" sagte der Bauer, \"aber wir müssen zuerst etwas zu leben haben!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Die Frau empfing beide sehr freundlich, deckte einen langen Tisch und gab","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"ihnen eine große Schüssel voll Grütze. Der Bauer war hungrig und aß mit rechtem","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Appetit, aber der kleine Klaus konnte nicht unterlassen, an den herrlichen","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Braten, Fisch und Kuchen, die er im Ofen wußte, zu denken.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Unter den Tisch zu seinen Füßen hatte er den Sack mit der Pferdehaut gelegt, die","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"er in der Stadt hatte verkaufen wollen. Die Grütze wollte ihm nicht schmecken,","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"da trat er auf seinen Sack, und die trockene Haut im Sacke knarrte laut.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"St!\" sagte der kleine Klaus zu seinem Sacke, trat aber zu gleicher Zeit wieder","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"darauf; da knarrte es weit lauter als zuvor.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ei, was hast du in deinem Sacke?\" fragte der Bauer darauf.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Oh, es ist ein Zauberer,\" sagte der kleine Klaus; \"er sagt, wir sollen doch","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"keine Grütze essen, er habe den ganzen Ofen voll Braten, Fische und Kuchen","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"gehext.\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ei der tausend!\" sagte der Bauer und machte schnell den Ofen auf, wo er all die","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"prächtigen, leckeren Speisen erblickte, die nach seiner Meinung der Zauberer im","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Sack für sie gehext hatte. Die Frau durfte nichts sagen, sondern setzte sogleich","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"die Speisen auf den Tisch, und so aßen beide vom Fische, vom Braten und von dem","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Kuchen. Nun trat der kleine Klaus wieder auf seinen Sack, daß die Haut knarrte.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Was sagt er jetzt?\" fragte der Bauer.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Er sagt,\" erwiderte der kleine Klaus, \"daß er auch drei Flaschen Wein für uns","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"gehext hat; sie stehen dort in der Ecke beim Ofen!\" Nun mußte die Frau den Wein","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"hervorholen, den sie verborgen hatte, und der Bauer trank und wurde lustig.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Einen solchen Zauberer, wie der kleine Klaus im Sacke hatte, hätte er gar zu","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"gern gehabt.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Kann er auch den Teufel hervorhexen?\" fragte der Bauer. \"Ich möchte ihn wohl","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"sehen, denn nun bin ich lustig!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ja,\" sagte der kleine Klaus, \"mein Zauberer kann alles, was ich verlange. Nicht","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"wahr, du?\" fragte er und trat auf den Sack, daß es knarrte. \"Hörst du? Er sagt","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"ja! Aber der Teufel sieht häßlich aus, wir wollen ihn lieber nicht sehen!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Oh, mir ist gar nicht bange; wie mag er wohl aussehen?\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ja, er wird sich ganz leibhaftig als ein Küster zeigen!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Hu!\" sagte der Bauer, \"das ist häßlich! Ihr müßt wissen, ich kann nicht","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"ertragen, einen Küster zu sehen! Aber es macht nichts, ich weiß ja, daß es der","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Teufel ist, so werde ich mich wohl leichter darein finden! Nun habe ich Mut,","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"aber er darf mir nicht zu nahe kommen.\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ich werde meinen Zauberer fragen,\" sagte der kleine Klaus, trat auf den Sack","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"und hielt sein Ohr hin.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Was sagt er?\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Er sagt, Ihr könnt hingehen und die Kiste aufmachen, die dort in der Ecke","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"steht, so werdet Ihr den Teufel sehen, wie er darin kauert; aber Ihr müßt den","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Deckel halten, daß er nicht entwischt.\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Wollt Ihr mir helfen, ihn zu halten?\" bat der Bauer und ging zu der Kiste hin,","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"wo die Frau den Küster verborgen hatte, der darin saß und sich sehr fürchtete.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Der Bauer öffnete den Deckel ein wenig und sah unter ihn hinein. \"Hu!\" schrie","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"er und sprang zurück. \"Ja, nun habe ich ihn gesehen, er sah ganz aus wie unser","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Küster! Das war schrecklich!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Darauf mußte getrunken werden, und so tranken sie denn noch lange in die Nacht","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"hinein.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Den Zauberer mußt du mir verkaufen,\" sagte der Bauer; \"verlange dafür, was du","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"willst! Ja, ich gebe dir gleich einen ganzen Scheffel Geld!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Nein, das kann ich nicht!\" sagte der kleine Klaus. \"Bedenke doch, wieviel","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Nutzen ich von diesem Zauberer haben kann.\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ach, ich möchte ihn sehr gern haben,\" sagte der Bauer und fuhr fort zu bitten.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ja,\" sagte der kleine Klaus zuletzt, \"da du so gut gewesen bist, mir diese","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Nacht Obdach zu gewähren, so mag es sein. Du sollst den Zauberer für einen","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Scheffel Geld haben, aber ich will den Scheffel gehäuft voll haben.\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Das sollst du bekommen,\" sagte der Bauer, \"aber die Kiste dort mußt du mit dir","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"nehmen; ich will sie nicht eine Stunde länger im Hause behalten; man kann nicht","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"wissen, vielleicht sitzt er noch darin.\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Der kleine Klaus gab dem Bauer seinen Sack mit der trocknen Haut darin und bekam","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"einen ganzen Scheffel Geld, gehäuft gemessen, dafür. Der Bauer schenkte ihm","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"sogar noch einen großen Karren, um das Geld und die Kiste darauf fortzufahren.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Lebe wohl!\" sagte der kleine Klaus. Dann fuhr er mit seinem Gelde und der","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"großen Kiste, worin noch der Küster saß, davon.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Auf der andem Seite des Waldes war ein großer, tiefer Fluß; das Wasser floß so","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"reißend darin, daß man kaum gegen den Strom anschwimmen konnte; man hatte eine","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"große, neue Brücke darüber geschlagen; der kleine Klaus hielt mitten auf ihr an","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"und sagte ganz laut, damit der Küster in der Kiste es hören könne:","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Was soll ich doch mit der dummen Kiste machen? Sie ist so schwer, als ob Steine","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"drin wären! Ich werde nur müde davon, sie weiterzufahren; ich will sie in den","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Fluß werfen; schwimmt sie zu mir nach Hause, so ist es gut, wo nicht, so hat es","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"auch nichts zu sagen.\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Darauf faßte er die Kiste mit der einen Hand an und hob sie ein wenig auf,","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"gerade als ob er sie in das Wasser werfen wollte.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Nein, laß das sein!\" rief der Küster innerhalb der Kiste. \"Laß mich erst","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"heraus!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Hu!\" sagte der kleine Klaus und tat, als fürchte er sich. \"Er sitzt noch darin!","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Da muß ich ihn geschwind in den Fluß werfen, damit er ertrinkt!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"O nein, o nein!\" sagte der Küster; \"ich will dir einen ganzen Scheffel Geld","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"geben, wenn du mich gehen läßt!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ja, das ist etwas anderes!\" sagte der kleine Klaus und machte die Kiste auf.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Der Küster kroch schnell heraus, stieß die leere Kiste in das Wasser hinaus und","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"ging nach seinem Hause, wo der kleine Klaus einen ganzen Scheffel Geld bekam;","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"einen hatte er von dem Bauer erhalten, nun hatte er also seinen ganzen Karren","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"voll Geld.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Sieh, das Pferd erhielt ich ganz gut bezahlt!\" sagte er zu sich selbst, als","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"er zu Hause in seiner eigenen Stube war und alles Geld auf einen Berg mitten in","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"der Stube ausschüttete. \"Das wird den großen Klaus ärgern, wenn er erfährt, wie","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"reich ich durch ein einziges Pferd geworden bin; aber ich will es ihm doch licht","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"geradeheraus sagen!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Nun sandte er einen Knaben zum großen Klaus hin, um sich ein Scheffelmaß zu","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"leihen.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Was mag er wohl damit machen wollen?\" dachte der große Klaus und schmierte Teer","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"auf den Boden, damit von dem, was gemessen wurde, etwas daran hängen bleiben","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"könnte. Und so kam es auch; denn als er das Scheffelmaß zurückerhielt, hingen","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"drei Taler daran.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Was ist das?\" sagte der große Klaus und lief sogleich zu dem kleinen. \"Wo hast","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"du all das Geld bekommen?\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Oh, das ist für meine Pferdehaut! Ich verkaufte sie gestern abend.\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Das war wahrlich gut bezahlt!\" sagte der große Klaus, lief geschwind nach","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Hause, nahm eine Axt und schlug alle seine vier Pferde vor den Kopf, zog ihnen","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"die Haut ab und fuhr mit diesen Häuten zur Stadt.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Häute! Häute! Wer will Häute kaufen?\" rief er durch die Straßen.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Alle Schuhmacher und Gerber kamen gelaufen und fragten, was er dafür haben","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"wolle.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Einen Scheffel Geld für jede,\" sagte der große Klaus.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Bist du toll?\" riefen alle. \"Glaubst du, wir haben das Geld scheffelweise?\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Häute! Häute! Wer will Häute kaufen?\" rief er wieder, aber allen denen, die ihn","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"fragten, was die Häute kosten sollten erwiderte er: \"Einen Scheffel Geld.\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Er will uns foppen,\" sagten alle, und da nahmen die Schuhmacher ihre","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Spannriemen und die Gerber ihre Schurzfelle und fingen an, auf den großen Klaus","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"loszuprügeln.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Häute! Häute!\" riefen sie ihm nach; \"ja, wir wollen dir die Haut gerben! Hinaus","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"aus der Stadt mit ihm!\" riefen sie, und der große Klaus mußte laufen, was er nur","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"konnte. So war er noch nie durchgeprügelt worden.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Na,\" sagte er, als er nach Hause kam, \"dafür soll der kleine Klaus bestraft","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"werden! Ich will ihn totschlagen!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Zu Hause beim kleinen Klaus war die alte Großmutter gestorben; sie war freilich","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"recht böse und schlimm gegen ihn gewesen, aber er war doch betrübt, nahm die","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"tote Frau und legte sie in sein warmes Bett, um zu sehen, ob sie nicht zum Leben","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"zurückkehren werde. Da sollte sie die ganze Nacht liegen, er selbst wollte im","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Winkel sitzen und auf einem Stuhle schlafen; das hatte er schon früher getan.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Als er in da in der Nacht saß, ging die Tür auf, und der große Klaus kam mit","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"einer Axt herein; er wußte wohl, wo des kleinen Klaus Bett stand, ging gerade","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"darauf los und schlug nun die alte Großmutter vor den Kopf, denn er glaubte, daß","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"der kleine Klaus dort in seinem Bett liege.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Sieh,\" sagte er, \"nun sollst du mich nicht mehr zum besten haben!\" Und dann","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"ging er wieder nach Hause.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Das ist doch ein recht böser Mann!\" sagte der kleine Klaus; \"da wollte er mich","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"totschlagen! Es war doch gut für die alte Mutter, daß sie schon tot war, sonst","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"hätte er ihr das Leben genommen!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Nun legte er der alten Großmutter Sonntagskleider an, lieh sich von dem Nachbar","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"ein Pferd, spannte es vor den Wagen und setzte die alte Großmutter auf den","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"hintersten Sitz, so daß sie nicht hinausfallen konnte, wenn er fuhr, und so","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"rollten sie von dannen durch den Wald. Als die Sonne aufging, waren sie vor","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"einem großen Wirtshause, da hielt der kleine Klaus an und ging hinein, um etwas","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"zu genießen.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Der Wirt hatte sehr viel Geld, er war auch ein recht guter, aber hitziger Mann,","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"als wären Pfeffer und Tabak in ihm.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Guten Morgen!\" sagte er zum kleinen Klaus. \"Du bist heute früh ins Zeug","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"gekommen!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ja,\" sagte der kleine Klaus, \"ich will mit meiner Großmutter zur Stadt; sie","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"sitzt draußen auf dem Wagen, ich kann sie nicht in die Stube hereinbringen.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Wollt Ihr der Alten nicht ein Glas Kümmel geben? Aber Ihr müßt recht laut","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"sprechen, denn sie hört nicht gut.\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ja, das will ich tun!\" sagte der Wirt und schenkte ein großes Glas Kümmel ein,","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"mit dem er zur toten Großmutter hinausging, die in dem Wagen aufrecht gesetzt","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"war.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Hier ist ein Glas Kümmel von Ihrem Sohne!\" sagte der Wirt, aber die tote Frau","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"erwiderte kein Wort, sondern saß ganz still und teilnahmslos, als ob sie alles","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"nichts anginge.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Hört Ihr nicht?\" rief der Wirt, so laut er konnte. \"Hier ist ein Glas Kümmel","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"von Ihrem Sohne!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Noch einmal rief er und dann noch einmal, aber da sie sich durchaus nicht","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"rührte, wurde er ärgerlich und warf ihr das Glas in das Gesicht, so daß ihr","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"der Kümmel gerade über die Nase lief und sie hintenüber fiel, denn sie war nur","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"aufgesetzt und nicht festgebunden.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Heda!\" rief der kleine Klaus, sprang zur Tür heraus und packte den Wirt an der","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Brust, \"da hast du meine Großmutter erschlagen! Siehst du, da ist ein großes","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Loch in ihrer Stirn!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Oh, das ist ein Unglück!\" rief der Wirt und schlug die Hände über dem Kopfe","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"zusammen; \"das kommt alles von meiner Heftigkeit! Lieber, kleiner Klaus,","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"ich will dir einen Scheffel Geld geben und deine Großmutter begraben lassen,","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"als wäre es meine eigene, aber schweige nur still, sonst wird mir der Kopf","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"abgeschlagen, und das wäre mir unangenehm.\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"So bekam der kleine Klaus einen ganzen Scheffel Geld, und der Wirt begrub die","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"alte Großmutter so, als ob es seine eigene gewesen wäre.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Als nun der kleine Klaus wieder mit dem vielen Gelde nach Hause kam, schickte er","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"gleich seinen Knaben hinüber zum großen Klaus, um ihn bitten zu lassen, ihm ein","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Scheffelmaß zu leihen.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Was ist das?\" sagte der große Klaus. \"Habe ich ihn nicht totgeschlagen? Da muß","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"ich selbst nachsehen!\" Und so ging er selbst mit dem Scheffelmaß zum kleinen","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Klaus.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Wo hast du doch all das Geld bekommen?\" fragte er und riß die Augen auf, als er","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"alles das erblickte, was noch hinzugekommen war.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Du hast meine Großmutter, aber nicht mich erschlagen!\" sagte der kleine Klaus.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Die habe ich nun verkauft und einen Scheffel Geld dafür bekommen!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Das ist wahrlich gut bezahlt!\" sagte der große Klaus, eilte nach Hause, nahm","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"eine Axt und schlug seine alte Großmutter tot, legte sie auf den Wagen, fuhr mit","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"ihr zur Stadt, wo der Apotheker wohnte, und fragte, ob er einen toten Menschen","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"kaufen wollte.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Wer ist es, und woher habt Ihr ihn?\" fragte der Apotheker.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Es ist meine Großmutter!\" sagte der große Klaus. \"Ich habe sie totgeschlagen,","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"um einen Scheffel Geld dafür zu bekommen!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Gott bewahre uns!\" sagte der Apotheker. \"Ihr redet irre! Sagt doch nicht","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"dergleichen, sonst könnt Ihr den Kopf verlieren!\" Und nun sagte er ihm gehörig,","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"was das für eine böse Tat sei, die er begangen habe und was für ein schlechter","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Mensch er sei und daß er bestraft werden müsse. Da erschrak der große Klaus","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"so sehr, daß er von der Apotheke gerade in den Wagen sprang und auf die Pferde","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"schlug und nach Hause fuhr; aber der Apotheker und alle Leute glaubten, er sei","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"verrückt, und deshalb ließen sie ihn fahren, wohin er wollte.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Das sollst du mir bezahlen!\" sagte der große Klaus, als er draußen auf der","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Landstraße war, \"ja, ich will dich bestrafen, kleiner Klaus!\" Sobald er nach","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Hause kam, nahm er den größten Sack, den er finden konnte, ging hinüber zum","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"kleinen Klaus und sagte: \"Nun hast du mich wieder gefoppt; erst schlug ich","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"meine Pferde tot, dann meine alte Großmutter; das ist alles deine Schuld; aber","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"du sollst mich nie mehr foppen!\" Da packte er den kleinen Klaus um den Leib und","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"steckte ihn in seinen Sack, nahm ihn so auf seinen Rücken und rief ihm zu: \"Nun","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"gehe ich und ertränke dich!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Es war ein weiter Weg, den er zu gehen hatte, bevor er zu dem Flusse kam, und","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"der kleine Klaus war nicht leicht zu tragen. Der Weg ging dicht bei der Kirche","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"vorbei; die Orgel ertönte, und die Leute sangen schön darinnen. Da setzte der","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"große Klaus seinen Sack mit dem kleinen Klaus darin dicht bei der Kirchtür","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"nieder und dachte, es könne wohl ganz gut sein, hineinzugehen und einen Psalm","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"zu hören, ehe er weitergehe; der kleine Klaus konnte ja nicht herauskommen, und","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"alle Leute waren in der Kirche. So ging er denn hinein.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ach Gott, ach Gott!\" seufzte der kleine Klaus im Sack und drehte und wandte","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"sich, aber es war ihm nicht möglich, das Band aufzulösen. Da kam ein alter,","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"alter Viehtreiber daher, mit schneeweißem Haar und einem großen Stab in der","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Hand; er trieb eine ganze Herde Kühe und Stiere vor sich her, die liefen an den","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Sack, in dem der kleine Klaus saß, so daß er umgeworfen wurde.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ach Gott!\" seufzte der kleine Klaus, \"ich bin noch so jung und soll schon ins","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Himmelreich!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Und ich Armer,\" sagte der Viehtreiber, \"ich bin schon so alt und kann noch","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"immer nicht dahin kommen!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Mache den Sack auf!\" rief der kleine Klaus. \"Krieche statt meiner hinein, so","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"kommst du sogleich ins Himmelreich!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ja, das will ich herzlich gern,\" sagte der Viehtreiber und band den Sack auf,","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"aus dem der kleine Klaus sogleich heraussprang.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Willst du nun auf das Vieh achtgeben?\" fragte der alte Mann. Dann kroch er in","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"den Sack hinein, der kleine Klaus band den Sack wieder zu und zog dann mit allen","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Kühen und Stieren seines Weges.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Bald darauf kam der große Klaus aus der Kirche. Er nahm seinen Sack wieder auf","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"den Rücken, obgleich es ihm schien, als sei der leichter geworden, denn der","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"alte Viehtreiber war nur halb so schwer wie der kleine Klaus. \"Wie leicht ist er","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"doch zu tragen geworden! Ja, das kommt daher, daß ich einen Psalm gehört habe!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"So ging er nach dem Flusse, der tief und groß war, warf den Sack mit dem alten","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Viehtreiber ins Wasser und rief hintendrein, denn er glaubte ja, daß es der","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"kleine Klaus sei: \"Sieh, nun sollst du mich nicht mehr foppen!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Darauf ging er nach Hause; aber als er an die Stelle kam, wo die Wege sich","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"kreuzten, begegnete er ganz unerwartet dem kleinen Klaus, der all sein Vieh","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"dahertrieb.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Was ist das?\" fragte der große Klaus. \"Habe ich dich nicht vor kurzer Zeit","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"ertränkt?\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ja,\" sagte der kleine Klaus, \"du warfst mich ja vor einer halben Stunde in den","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Fluß hinunter!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Aber wo hast du all das herrliche Vieh bekommen?\" fragte der große Klaus.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Das ist Seevieh!\" sagte der kleine Klaus. \"Ich will dir die Geschichte erzählen","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"und dir Dank sagen, daß du mich ertränktest, denn nun bin ich reich! Mir war","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"bange, als ich im Sacke steckte, und der Wind pfiff mir um die Ohren, als du","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"mich von der Brücke hinunter in das kalte Wasser warfst. Ich sank sogleich zu","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Boden, aber ich stieß mich nicht, denn da unten wächst das schönste, weiche","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Gras. Darauf fiel ich, und sogleich wurde der Sack geöffnet, und das lieblichste","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Mädchen, in schneeweißen Kleidern und mit einem grünen Kranz um das Haar, nahm","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"mich bei der Hand und sagte: 'Bist du da, kleiner Klaus? Da hast du zuerst","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"einiges Vieh; eine Meile weiter auf dem Wege steht noch eine ganze Herde, die","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"ich dir schenken will!' Nun sah ich, daß der Fluß eine große Landstraße für das","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Meervolk bildete. Unten auf dem Grunde gingen und fuhren sie gerade von der See","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"her und ganz hinein in das Land, bis wo der Fluß endet. Da waren die schönsten","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Blumen und das frischeste Gras; die Fische schossen mir an den Ohren vorüber,","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"geradeso wie hier die Vögel in der Luft. Was gab es da für hübsche Leute, und","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"was war da für Vieh, das an den Gräben und Wällen weidete!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Aber warum bist du gleich wieder zu uns heraufgekommen?\" fragte der große","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Klaus. \"Das hätte ich bestimmt nicht getan, wenn es so schön dort unten ist.\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ja,\" sagte der kleine Klaus, \"das ist gerade klug von mir gehandelt. Du hörst","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"ja wohl, daß ich dir erzähle: Die Seejungfrau sagte mir, eine Meile weiter","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"auf dem Wege – und mit dem Wege meinte sie ja den Fluß, denn sie kann nirgends","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Anders hinkommen – stehe noch eine ganze Herde Vieh für mich. Aber ich weiß, was","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"der Fluß für Krümmungen macht, bald hier, bald dort, das ist ein weiter Umweg.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Nein, so macht man es kürzer ab, wenn man hier auf das Land kommt und treibt","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"querüber wieder zum Flusse; dabei spare ich eine halbe Meile und komme schneller","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"zu meinem Vieh!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Oh, du bist ein glücklicher Mann!\" sagte der große Klaus. \"Glaubst du, daß ich","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"auch Seevieh erhielte, wenn ich einmal tief bis auf den Grund des Flusses käme?\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ja, das denke ich wohl,\" sagte der kleine Klaus, \"aber ich kann dich nicht","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"im Sacke zum Flusse tragen, du bist mir zu schwer! Willst du selbst dahingehen","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"und dann in den Sack kriechen, so werde ich dich mit dem größten Vergnügen","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"hineinwerfen.\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ich danke dir,\" sagte der große Klaus. \"Aber erhalte ich kein Seevieh, wenn","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"ich hinunterkomme, so glaube mir, werde ich dich so prügeln, wie du noch nie","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"geprügelt worden bist.\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Oh nein, mache es nicht so schlimm!\" Und da gingen sie zum Flusse hin. Als das","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Vieh Wasser erblickte, lief es, so schnell es nur konnte, durstig hinunter zum","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Trinken.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Sieh, wie es sich sputet!\" sagte der kleine Klaus. \"Es verlangt danach, wieder","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"auf den Grund zu kommen!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ja, hilf mir nur erst,\" sagte der große Klaus, \"sonst bekommst du Prügel!\"","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Und so kroch er in den großen Sack, der quer über dem Rücken eines der Stiere","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"gelegen hatte. \"Lege einen Stein hinein, ich fürchte, daß ich sonst nicht","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"untersinke,\" sagte der große Klaus.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Es geht schon!\" sagte der kleine Klaus, legte aber doch einen großen Stein in","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"den Sack, knüpfte das Band fest zu, und dann stieß er daran. Plumps! Da lag der","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"große Klaus in dem Flusse und sank sogleich hinunter auf den Grund.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"\"Ich fürchte, er wird das Vieh nicht finden! Aber er zwang mich ja dazu!\" sagte","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"der kleine Klaus und trieb dann heim mit dem, was er hatte.","book":"Der kleine Klaus und der große Klaus"} {"text":"Es war einmal ein Prinz, der wollte eine Prinzessin heiraten. Aber das sollte","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"eine wirkliche Prinzessin sein. Da reiste er in der ganzen Welt herum, um eine","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"solche zu finden, aber überall fehlte etwas. Prinzessinnen gab es genug, aber","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"ob es wirkliche Prinzessinnen waren, konnte er nie herausfinden. Immer war da","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"etwas, was nicht ganz in Ordnung war. Da kam er wieder nach Hause und war ganz","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"traurig, denn er wollte doch gern eine wirkliche Prinzessin haben.","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"Eines Abends zog ein furchtbares Wetter auf; es blitzte und donnerte, der Regen","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"stürzte herab, und es war ganz entsetzlich. Da klopfte es an das Stadttor, und","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"der alte König ging hin, um aufzumachen.","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"Es war eine Prinzessin, die draußen vor dem Tor stand. Aber wie sah sie vom","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"Regen und dem bösen Wetter aus! Das Wasser lief ihr von den Haaren und Kleidern","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"herab, lief in die Schnäbel der Schuhe hinein und zum Absatz wieder hinaus. Sie","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"sagte, daß sie eine wirkliche Prinzessin wäre.","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"'Ja, das werden wir schon erfahren!' dachte die alte Königin, aber sie sagte","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"nichts, ging in die Schlafkammer hinein, nahm alles Bettzeug ab und legte eine","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"Erbse auf den Boden der Bettstelle. Dann nahm sie zwanzig Matratzen, legte sie","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"auf die Erbse und dann noch zwanzig Eiderdaunendecken oben auf die Matratzen.","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"Hier sollte nun die Prinzessin die ganze Nacht über liegen.","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"Am Morgen wurde sie gefragt, wie sie gesehlafen hätte.","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"\"Oh, entsetzlich schlecht!\" sagte die Prinzessin. \"Ich habe fast die ganze Nacht","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"kein Auge geschlossen! Gott weiß, was in meinem Bett gewesen ist. Ich habe auf","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"etwas Hartem gelegen, so daß ich am ganzen Körper ganz braun und blau bin! Es","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"ist ganz entsetzlich!\"","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"Daran konnte man sehen, daß sie eine wirkliche Prinzessin war, da sie durch die","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"zwanzig Matratzen und die zwanzig Eiderdaunendecken die Erbse gespürt hatte. So","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"feinfühlig konnte niemand sein außer einer echten Prinzessin.","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"Da nahm sie der Prinz zur Frau, denn nun wußte er, daß er eine wirkliche","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"Prinzessin gefunden hatte. Und die Erbse kam auf die Kunstkammer, wo sie noch zu","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"sehen ist, wenn sie niemand gestohlen hat.","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"Seht, das war eine wirkliche Geschichte!","book":"Die Prinzessin auf der Erbse"} {"text":"\"Meine armen Blumen sind ganz verwelkt!\" sagte die kleine Ida. \"Sie waren so","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"schön gestern abend, und nun hängen alle Blätter vertrocknet! Warum tun sie","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"das?\" fragte sie den Studenten, der im Sofa saß; denn auf seine Meinung gab sie","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"etwas. Er kannte die allerherrlichsten Geschichten und schnitt so lustige Bilder","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"aus: Herzen mit kleinen Dämchen darin, die tanzten, Blumen und große Schlösser,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"deren Türen man aufmachen konnte; es war ein lustiger Student! \"Warum sehen die","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Blumen heute so traurig aus?\" fragte sie ihn wieder und zeigte ihm einen großen","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Strauß, der ganz verwelkt war.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Ja, weißt du, was ihnen fehlt?\" sagte der Student, \"die Blumen sind heute nacht","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"zum Ball gewesen, darum lassen sie die Köpfe hängen!\"","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Aber die Blumen können doch nicht tanzen!\" sagte die kleine Ida.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Aber ja,\" sagte der Student, \"wenn es dunkel wird und wir anderen schlafen,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"dann springen sie lustig umher; fast jede Nacht halten sie Ball!\"","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Können Kinder nicht mit auf den Ball kommen?\"","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Ja,\" sagte der Student, \"ganz kleine Gänseblümchen und Maiglöckchen!\"","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Wo tanzen die schönsten Blumen?\" fragte die kleine Ida. \"Bist du nicht oft vor","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"dem Tore bei dem großen Schloß gewesen, wo der König im Sommer wohnt und der","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"prächtige Garten mit den vielen Blumen ist! Du hast ja die Schwäne gesehen, die","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"zu dir heranschwimmen, wenn du ihnen Brotkrumen geben willst. Dort draußen ist","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"wirklich Ball, das kannst du glauben!\"","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Ich war erst gestern mit meiner Mutter draußen im Garten!\" sagte Ida, \"aber","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"alle Blätter waren schon von den Bäumen herunter, und es waren gar keine Blumen","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"mehr da! Wo sind sie? Im Sommer sah ich so viele!\"","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Sie sind drinnen im Schloß!\" sagte der Student. \"Du mußt wissen, sobald der","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"König und alle Hofleute hierher in die Stadt ziehen, laufen die Blumen gleich","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"vom Garten in das Schloß und sind lustig. Das solltest du sehen! Die zwei","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"allerschönsten Rosen setzen sich auf den Thron, und dann sind sie König und","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Königin. All die roten Hahnenkämme stellen sich an den Seiten auf und stehen","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"und verbeugen sich. Das sind die Kammerjunker.– Dann kommen die niedlichsten","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Blumen, und dann ist großer Ball. Die blauen Veilchen stellen kleine Seekadetten","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"vor; sie tanzen mit Hyazinthen und Krokus, die sie Fräulein nennen! Die Tulpen","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"und die großen gelben Lilien sind die alten Damen, die auf passen, daß hübsch","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"getanzt wird, und daß es ordentlich zugeht!\"","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Aber,\" fragte die kleine Ida, \"ist Niemand da, der den Blumen etwas tut, weil","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"sie auf des Königs Schlosse tanzen?\"","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Es weiß eigentlich Niemand etwas davon!\" sagte der Student. Nachts kommt","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"freilich zuweilen der alte Schloßverwalter, der da draußen aufpassen soll;","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"er hat immer ein großes Bund Schlüssel bei sich. Sobald die Blumen nun die","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Schlüssel rasseln hören, sind sie ganz stille, verstecken sich hinter den langen","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Gardinen und stecken den Kopf heraus. Ich rieche genau, daß hier Blumen im Saal","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"sind! sagt der alte Schloßverwalter, aber er kann sie nicht sehen.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"..","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Doch, natürlich!\" sagte der Student, \"denke nur daran, wenn du wieder heraus","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"kommst, daß du durch die Fenster hineinguckst, dann wirst du sie schon sehen.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Ich habe es heute auch getan; da lag eine lange, gelbe Osterblume im Sofa und","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"streckte sich, das war eine Hofdame!\"","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Können auch die Blumen aus dem Botanischen Garten da heraus kommen? Können sie","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"den weiten Weg machen?\"","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Ja freilich!\" sagte der Student, \"denn wenn sie wollen, können sie auch","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"fliegen. Du hast doch gewiß die schönen Schmetterlinge gesehen, die roten,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"gelben und weißen, die fast wie Blumen aussehen. Und das sind sie auch gewesen.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Sie sind von ihrem Stengel hoch in die Luft hinauf gesprungen und haben mit","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"den Blättern geschlagen, als ob es kleine Flügel wären, und dann flogen sie","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"wirklich, und da sie sich gut aufführen, durften sie auch am Tage fliegen,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"brauchten nicht wieder nach Hause und auf ihrem Stengel stillzusitzen, und so","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"wurden die Blätter zuletzt zu wirklichen Flügeln. Das hast du ja selbst gesehen!","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Es kann übrigens gut möglich sein, daß die Blumen aus dem Botanischen Garten","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"noch nie auf des Königs Schlosse gewesen sind oder auch nur wissen, daß es dort","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"nachts so lustig hergeht. Deshalb will ich dir etwas sagen – der botanische","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Professor, der hier nebenan wohnt, du kennst ihn doch, wird nicht wenig erstaunt","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"sein! Wenn du in seinen Garten gehst, sollst du einer von den Blumen erzählen,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"daß großer Ball dort draußen auf dem Schlosse ist, dann sagt sie es allen den","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"anderen weiter, und dann fliegen sie von dannen. Kommt nun der Professor in","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"den Garten hinaus, so ist da nicht eine einzige Blume, und er kann gar nicht","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"verstehen, wo sie geblieben sind.\"","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Aber wie kann die Blume es den anderen erzählen? Blumen können doch nicht","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"sprechen!\"","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Nein, das können sie freilich nicht!\" antwortete der Student: \"aber sie machen","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"sich Zeichen! Hast du nicht schon gesehen, wie die Blumen nicken und all ihre","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"grünen Blätter bewegen, wenn es ein wenig weht? Das ist ebenso deutlich, als ob","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"sie sprächen!\"","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Kann der Professor denn ihre Zeichensprache verstehen?\" fragte Ida.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Ja, gewiß! Eines Morgens kam er in seinen Garten hinunter und sah, wie eine","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"große Brennessel einer wunderschönen roten Nelke mit den Blättern Zeichen gab;","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"sie sagte: Du bist so hübsch, und ich habe dich so lieb! Aber so etwas konnte","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"der Professor nicht ausstehen, und er schlug schnell der Brennessel über die","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Blätter, denn das sind ihre Finger, aber da brannte er sich, und seit der Zeit","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"mag er keine Brennessel mehr anrühren.\"","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Das war drollig!\" sagte die kleine Ida und lachte.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Wie kann man einem Kinde so etwas einreden!\" sagt der langweilige Kanzleirat,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"der zu Besuch gekommen war und im Sofa saß; er konnte den Studenten gar nicht","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"leiden und brummte immer, wenn er ihn die komischen bunten Bilder ausschneiden","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"sah: bald war es ein Mann, der am Galgen hing und ein Herz in der Hand hielt,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"denn er war ein Herzensdieb, bald war es eine alte Hexe, die auf einem Besen","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"ritt und ihren Mann auf der Nase trug; das konnte der Kanzleirat nicht leiden,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"und dann sagte er, wie eben jetzt: \"Wie kann man einem Kinde so etwas einreden!","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Das ist dumme Phantasterei!\"","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Aber der kleinen Ida schien es so hübsch, was der Student von ihren Blumen","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"erzählte, daß sie immer wieder daran denken mußte. Die Blumen ließen die Köpfe","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"hängen, denn sie waren müde, weil sie die ganze Nacht getanzt hatten; sie waren","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"gewiß krank. Da ging sie mit ihnen zu all den anderen Spielsachen, die auf","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"einem niedlichen Tischchen standen, und das ganze Schubfach war voller Putz. Im","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Puppenbett lag ihre Puppe Sophie und schlief, aber die kleine Ida sagte zu ihr:","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Du mußt nun aufstehen Sophie, und für heute Nacht mit dem Schubfach als Lager","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"vorlieb nehmen. Die armen Blumen sind krank, und da müssen sie in deinem Bett","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"liegen, vielleicht werden sie dann gesund!\" Und sie nahm die Puppe heraus, aber","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"die sah ganz mürrisch aus und sagte nicht ein einziges Wort, denn sie war böse,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"daß sie nicht ihr Bett behalten sollte.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Nun legte Ida die Blumen in das Puppenbett, zog die kleine Decke ganz weit über","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"sie und sagte, nun sollten sie hübsch stille liegen, sie wollte Tee für sie","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"kochen, daß sie wieder gesund würden und morgen wieder aufstehen könnten. Und","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"sie zog die Gardinen dicht um das kleine Bett herum, damit die Sonne ihnen nicht","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"in die Augen scheinen konnte.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Den ganzen Abend über mußte sie daran denken, was der Student ihr erzählt hatte.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Und als sie nun selbst zu Bett mußte, schlich sie sich erst noch hinter die","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Gardinen, die vor den Fenstern herunterhingen, wo die herrlichen Blumen ihrer","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Mutter, Tulpen und Hyazinthen, standen, und sie flüsterte ihnen ganz leise zu:","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"ich weiß es ja, Ihr sollt heute nacht zum Ball!\" Aber die Blumen taten, als ob","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"sie nichts verständen und rührten kein Blatt, aber die kleine Ida wußte doch,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"was sie wußte.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Als sie im Bett war, lag sie noch lange und dachte, wie hübsch es sein müßte,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"die prächtigen Blumen draußen auf des Königs Schloß tanzen zu sehen. \"Ob meine","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Blumen wirklich mit dabei waren?\" Aber da schlief sie schon. In der Nacht","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"erwachte sie wieder, sie hatte von den Blumen und dem Studenten geträumt, den","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"der Kanzleirat ausgescholten hatte, weil er ihr etwas hatte einreden wollen. Es","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"war ganz still in der Schlafkammer, in der Ida lag. Die Nachtlampe brannte auf","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"dem Tisch, und Vater und Mutter schliefen.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Ob meine Blumen jetzt noch in Sophies Bett liegen?\" sagte sie bei sich selbst,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"wie gern ich das doch wüßte!\" Sie richtete sich ein wenig empor und sah auf","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"die Tür, die einen Spalt offen stand. Drinnen lagen die Blumen und all ihr","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Spielzeug;. Sie lauschte, und auf einmal kam es ihr vor, als ob sie drinnen in","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"der Stube auf dem Klavier spielen hörte, aber ganz leise und so niedlich, wie","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"sie es niemals früher gehört hatte.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Nun tanzen gewiß alle Blumen da drinnen!\" sagte sie, \"ach Gott, wie gern möchte","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"ich das sehen!\" Aber sie getraute sich nicht, aufzustehen, denn damit weckte sie","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"den Vater und die Mutter. \"Wenn sie doch nur hier herein kommen wollten!\" sagte","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"sie; aber die Blumen kamen nicht, und die Musik spielte immer weiter so hübsch,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"daß sie es nicht mehr aushalten konnte, denn es war gar zu schön. Sie kroch aus","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"ihrem kleinen Bett, ging ganz leise zur Tür hin und guckte in die Stube hinein.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Nein, war das hübsch, was sie zu sehen bekam!","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Es brannte gar keine Nachtlampe drinnen, aber trotzdem war es ganz hell,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"der Mond schien durch das Fenster mitten auf den Fußboden! Es war gleichsam","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"tageshell. Alle Hyazinthen und Tulpen standen in zwei langen Reihen auf dem","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Boden. Gar keine einzige war mehr am Fenster, da standen leere Töpfe. Unten","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"am Boden tanzten die Blumen so niedlich um einander herum, machten ordentlich","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Kette und hielten einander an den langen grünen Blättern, wenn sie sich","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"herumschwenkten. Aber dort am Klavier saß eine große gelbe Lilie, die die kleine","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Ida bestimmt schon im Sommer gesehen hatte, denn sie erinnerte sich genau, daß","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"der Student gesagt hatte: \"sieht sie nicht genau wie Fräulein Line aus?\" aber","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"da hatten sie ihn alle ausgelacht. Nun jedoch schien es der kleinen Ida auch,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"daß die lange gelbe Blume dem Fräulein gleiche. Sie hatte auch dieselbe Art zu","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"spielen, bald legte sie ihr langgezogenes gelbes Gesicht auf die eine Seite,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"bald auf die andere und nickte den Takt zu der herrlichen Musik. Keiner bemerkte","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"die kleine lda. Nun sah sie einen großen blauen Krokus mitten auf den Tisch","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"hüpfen, auf dem die Spielsachen standen, gerade auf das Puppenbett zugehen und","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"die Gardinen beiseite ziehen. Da lagen die kranken Blumen, sie richteten sich","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"aber gleich auf und nickten zu den anderen hinunter, daß sie auch mittanzen","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"wollten. Der alte Mann von der Räucherdose, dem die Unterlippe abgebrochen war,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"stand auf und verneigte sich vor den schönen Blumen. Sie sahen gar nicht mehr","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"krank aus, sondern hüpften zu den anderen hinunter und waren recht munter.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Es war gerade, als ob etwas vom Tische herunter fiele. Ida sah dahin: es war die","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Fastnachtsrute, die herunter sprang. Es schien, daß sie auch mit zu den Blumen","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"gehörte. Sie sah auch sehr hübsch aus, und oben mitten in ihrer Spitze thronte","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"eine kleine Wachspuppe, die just denselben breiten Hut auf dem Kopfe trug,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"wie ihn der Kanzleirat hatte. Die Fastnachtsrute hüpfte auf ihren drei roten","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Holzbeinen mitten zwischen die Blumen und stampfte ganz laut, denn es wurde","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Mazurka getanzt, und den Tanz konnten die anderen Blumen nicht so gut, weil sie","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"zu leicht waren und nicht aufstampfen konnten.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Die Wachspuppe auf der Fastnachtsrute wurde mit einem Male groß und lang,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"kreiselte über den Papierblumen rund herum und rief ganz laut: \"Wie kann man","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"dem Kind so etwas einreden! Das ist dumme Phantasterei!\" und dabei glich die","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Wachspuppe ganz genau dem Kanzleirat mit dem breiten Hut und sah ebenso gelb und","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"verdrießlich aus; aber die Papierblumen schlugen ihm um die dünnen Beine, und","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"da kroch er wieder in sich zusammen und wurde eine ganz kleine Wachspuppe. Das","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"war zu drollig anzusehen! Die kleine Ida konnte das Lachen nicht verbeißen. Die","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Fastnachtsrute tanzte weiter, und der Kanzleirat mußte mittanzen, es half ihm","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"nichts, ob er sich groß und lang machte, oder die kleine gelbe Wachspuppe mit","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"dem großen schwarzen Hut blieb. Da baten die anderen Blumen für ihn, vor allem","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"die, die im Puppenbett gelegen hatten, und dann ließ ihn die Fastnachtsrute","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"in Ruh. Im selben Augenblick klopfte es ganz stark von innen aus dem Kasten,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"wo Idas Puppe, Sophie, zusammen mit vielen anderen Spielsachen lag; das","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Räuchermännlein lief bis an die Tischkante, legte sich lang auf den Bauch und","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"zog den Kasten ein wenig auf. Da richtete sich Sophie in die Höhe und sah sich","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"ganz verwundert um. \"Hier scheint Ball zu sein!\" sagte sie, \"warum hat mir das","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"niemand gesagt!\"","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Willst du mit mir tanzen?\" sagte das Räuchermännlein.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Ja, du scheinst mir der Richtige zum Tanzen!\" sagte sie und wandte ihm den","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Rücken zu. Dann setzte sie sich auf den Kasten und dachte, daß schon eine von","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"den Blumen kommen würde, um sie aufzufordern, aber es kam keine. Da hustete sie","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"hm, hm, hm! aber es wollte trotzdem keine kommen. Das Räuchermännlein tanzte","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"ganz allein und gar nicht schlecht!","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Weil nun keine der Blumen Sophie zu sehen schien, ließ sie sich vom Kasten","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"gerade auf den Fußboden fallen, so daß es einen großen Lärm machte. Die Blumen","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"kamen auch von allen Seiten herbeigelaufen und fragten sie, ob sie sich auch","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"nicht weh getan hätte und alle waren nett zu ihr, ganz besonders die Blumen,","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"die in ihrem Bett gelegen hatten; aber sie hatte sich gar nichts getan, und Idas","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Blumen bedankten sich für das schöne Bett und waren sehr lieb zu ihr. Sie nahmen","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"sie mit hin zu der Stelle, wo der Mond auf den Fußboden schien und tanzten mit","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"ihr, und alle anderen Blumen schlossen einen Kreis rings um sie. Nun war Sophie","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"vergnügt! sie sagte, die anderen dürften gern ihr Bett behalten, und es mache","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"ihr gar nichts aus, in der Schublade zu liegen.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Aber die Blumen sagten: \"Allerschönsten Dank dafür! aber wir leben nicht mehr","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"lange. Morgen sind wir tot; aber sage doch der kleinen Ida, daß sie uns draußen","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"im Garten begräbt, wo der Kanarienvogel liegt, dann wachsen wir im Sommer wieder","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"aus der Erde und sind noch viel schöner!\"","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Nein, Ihr sollt nicht sterben!\" sagte Sophie und küßte die Blumen; da ging","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"die Saaltür auf, und eine ganze Schar herrlicher Blumen kam tanzend herein. Ida","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"konnte gar nicht begreifen, von wo sie gekommen waren. Es konnten nur die Blumen","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"draußen von des Königs Schloß sein. Als erste kamen zwei prächtige Rosen, die","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"hatten kleine Goldkronen auf. Das war ein König und eine Königin, dann kamen","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"die reizendsten Levkojen und Nelken und grüßten nach allen Seiten. Sie hatten","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Musik bei sich. Große Mohnblumen und Päonien bliesen auf Erbsenschoten, daß sie","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"schon einen ganz roten Kopf bekommen hatten. Die blauen Glockenblumen und die","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"kleinen weißen Schneeglöckchen klingelten, gerade als ob sie Schellen trügen.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Das war eine lustige Musik. Dann kamen noch viele andere Blumen, und sie tanzten","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"allesamt, die blauen Veilchen und die roten Tausendschönchen, die Gänseblumen","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"und Maiglöckchen. Und alle Blumen küßten einander, das war ein allerliebster","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Anblick!","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Zuletzt sagten die Blumen einander gute Nacht, und auch die kleine Ida schlich","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"sich in ihr Bett, wo sie träumte von allem, was sie gesehen hatte.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Als sie am nächsten Morgen aufstand, ging sie geschwind zu dem kleinen Tisch","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"hin, um zu sehen, ob die Blumen noch da waren. Sie zog die Gardinen vor dem","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"kleinen Bett beiseite, ja, da lagen sie alle, aber sie waren ganz verwelkt, viel","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"mehr als gestern. Sophie lag im Kasten, wo sie sie hingelegt hatte und sah sehr","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"verschlafen aus.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"\"Weißt du noch, was du mir sagen solltest?\" sagte die kleine Ida, aber Sophie","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"sah ganz dumm aus und sagte kein einziges Wort. \"Das ist nicht schön von dir,\"","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"sagte Ida, \"und sie haben doch alle mit dir getanzt.\" Dann nahm sie eine kleine","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Pappschachtel, worauf niedliche Vögel gemalt waren, machte sie auf und legte die","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"toten Blumen hinein. \"Das soll Euer hübscher Sarg sein,\" sagte sie, \"und wenn","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"nachher die norwegischen Vettern kommen, dann sollen sie bei Eurem Begräbnis","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"draußen im Garten dabei sein, und im Sommer könnt Ihr wieder aus der Erde","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"herauskommen und noch viel schöner werden!\"","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Die norwegischen Vettern waren zwei frische Jungen. Sie hießen Jonas und","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Adolf. Ihr Vater hatte ihnen zwei neue Flitzbogen geschenkt, und die hatten sie","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"mitgebracht, um sie Ida zu zeigen. Sie erzählte ihnen von den armen Blumen, die","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"nun tot waren, und dann durften sie sie begraben. Beide Knaben gingen voran, die","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Flitzbogen geschultert, und die kleine Ida folgte mit den toten Blumen in der","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"hübschen Schachtel. Draußen im Garten wurde ein kleines Grab gegraben. Ida küßte","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"erst die Blumen, setzte sie dann mit der Schachtel in die Erde, und Adolf und","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Jonas schossen mit den Flitzbogen über das Grab, denn sie hatten keine Gewehre","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"oder Kanonen.","book":"Die Blumen der kleinen Ida"} {"text":"Es war einmal eine Frau, die sich sehr nach einem kleinen Kinde sehnte, aber","book":"Däumelinchen"} {"text":"sie wußte nicht, woher sie es nehmen sollte. Da ging sie zu einer alten Hexe und","book":"Däumelinchen"} {"text":"sagte zu ihr: \"Ich möchte herzlich gern ein kleines Kind haben, willst du mir","book":"Däumelinchen"} {"text":"nicht sagen, woher ich das bekommen kann?\"","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Ja, damit wollen wir schon fertig werden!\" sagte die Hexe. \"Da hast du ein","book":"Däumelinchen"} {"text":"Gerstenkorn; das ist gar nicht von der Art, wie sie auf dem Felde des Landmanns","book":"Däumelinchen"} {"text":"wachsen oder wie sie die Hühner zu fressen bekommen; lege das in einen","book":"Däumelinchen"} {"text":"Blumentopf, so wirst du etwas zu sehen bekommen!\"","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Ich danke dir!\" sagte die Frau und gab der Hexe fünf Groschen, ging dann","book":"Däumelinchen"} {"text":"nach Hause, pflanzte das Gerstenkorn, und sogleich wuchs da eine herrliche,","book":"Däumelinchen"} {"text":"große Blume; sie sah aus wie eine Tulpe, aber die Blätter schlossen sich fest","book":"Däumelinchen"} {"text":"zusammen, gerade als ob sie noch in der Knospe wären.","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Das ist eine niedliche Blume!\" sagte die Frau und küßte sie auf die roten und","book":"Däumelinchen"} {"text":"gelben Blätter, aber gerade wie sie darauf küßte, öffnete sich die Blume mit","book":"Däumelinchen"} {"text":"einem Knall. Es war eine wirkliche Tulpe, wie man nun sehen konnte, aber mitten","book":"Däumelinchen"} {"text":"in der Blume saß auf dem grünen Samengriffel ein ganz kleines Mädchen, fein","book":"Däumelinchen"} {"text":"und niedlich, es war nicht über einen Daumen breit und lang, deswegen wurde es","book":"Däumelinchen"} {"text":"Däumelinchen genannt.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Eine niedliche, lackierte Walnußschale bekam Däumelinchen zur Wiege,","book":"Däumelinchen"} {"text":"Veilchenblätter waren ihre Matratze und ein Rosenblatt ihr Deckbett. Da schlief","book":"Däumelinchen"} {"text":"sie bei Nacht, aber am Tage spielte sie auf dem Tisch, wo die Frau einen Teller","book":"Däumelinchen"} {"text":"hingestellt, um den sie einen ganzen Kranz von Blumen gelegt hatte, deren","book":"Däumelinchen"} {"text":"Stengel im Wasser standen. Hier schwamm ein großes Tulpenblatt, und auf diesem","book":"Däumelinchen"} {"text":"konnte Däumelinchen sitzen und von der einen Seite des Tellers nach der anderen","book":"Däumelinchen"} {"text":"fahren; sie hatte zwei weiße Pferdehaare zum Rudern. Das sah ganz allerliebst","book":"Däumelinchen"} {"text":"aus. Sie konnte auch singen, und so fein und niedlich, wie man es nie gehört","book":"Däumelinchen"} {"text":"hatte.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Einmal nachts, als sie in ihrem schönen Bette lag, kam eine Kröte durch eine","book":"Däumelinchen"} {"text":"zerbrochene Scheibe des Fensters hereingehüpft. Die Kröte war häßlich, groß","book":"Däumelinchen"} {"text":"und naß, sie hüpfte gerade auf den Tisch herunter, auf dem Däumelinchen lag und","book":"Däumelinchen"} {"text":"unter dem roten Rosenblatt schlief.","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Das wäre eine schöne Frau für meinen Sohn!\" sagte die Kröte, und da nahm sie","book":"Däumelinchen"} {"text":"die Walnußschale, worin Däumelinchen schlief, und hüpfte mit ihr durch die","book":"Däumelinchen"} {"text":"zerbrochene Scheibe fort, in den Garten hinunter.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Da floß ein großer, breiter Fluß; aber gerade am Ufer war es sumpfig und","book":"Däumelinchen"} {"text":"morastig; hier wohnte die Kröte mit ihrem Sohne. Hu, der war häßlich und garstig","book":"Däumelinchen"} {"text":"und glich ganz seiner Mutter. \"Koax, koax, brekkerekekex!\" Das war alles, was er","book":"Däumelinchen"} {"text":"sagen konnte, als er das niedliche kleine Mädchen in der Walnußschale erblickte.","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Sprich nicht so laut, denn sonst erwacht sie!\" sagte die alte Kröte. \"Sie","book":"Däumelinchen"} {"text":"könnte uns noch entlaufen, denn sie ist so leicht wie ein Schwanenflaum! Wir","book":"Däumelinchen"} {"text":"wollen sie auf eins der breiten Seerosenblätter in den Fluß hinaussetzen, das","book":"Däumelinchen"} {"text":"ist für sie, die so leicht und klein ist, gerade wie eine Insel; da kann sie","book":"Däumelinchen"} {"text":"nicht davonlaufen, während wir die Staatsstube unten unter dem Morast, wo ihr","book":"Däumelinchen"} {"text":"wohnen und hausen sollt, instand setzen.\"","book":"Däumelinchen"} {"text":"Draußen in dem Flusse wuchsen viele Seerosen mit den breiten, grünen Blättern,","book":"Däumelinchen"} {"text":"die aussehen, als schwämmen sie oben auf dem Wasser. Das am weitesten","book":"Däumelinchen"} {"text":"hinausliegende Blatt war auch das allergrößte; dahin schwamm die alte Kröte und","book":"Däumelinchen"} {"text":"setzte die Walnußschale mit Däumelinchen darauf.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Das kleine Wesen erwachte frühmorgens, und da es sah, wo es war, fing es recht","book":"Däumelinchen"} {"text":"bitterlich an zu weinen; denn es war Wasser zu allen Seiten des großen, grünen","book":"Däumelinchen"} {"text":"Blattes, und es konnte gar nicht an Land kommen.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Die alte Kröte saß unten im Morast und putzte ihre Stube mit Schilf und gelben","book":"Däumelinchen"} {"text":"Blumen aus – es sollte da recht hübsch für die neue Schwiegertochter werden.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Dann schwamm sie mit dem häßlichen Sohne zu dem Blatte, wo Däumelinchen stand.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Sie wollten ihr hübsches Bett holen, das sollte in das Brautgemach gestellt","book":"Däumelinchen"} {"text":"werden, bevor sie es selbst betrat. Die alte Kröte verneigte sich tief im Wasser","book":"Däumelinchen"} {"text":"vor ihr und sagte: \"Hier siehst du meinen Sohn; er wird dein Mann sein, und ihr","book":"Däumelinchen"} {"text":"werdet recht prächtig unten im Morast wohnen!\"","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Koax, koax, brekkerekekex!\" war alles, was der Sohn sagen konnte.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Dann nahmen sie das niedliche, kleine Bett und schwammen damit fort; aber","book":"Däumelinchen"} {"text":"Däumelinchen saß ganz allein und weinte auf dem grünen Blatte, denn sie mochte","book":"Däumelinchen"} {"text":"nicht bei der garstigen Kröte wohnen oder ihren häßlichen Sohn zum Manne","book":"Däumelinchen"} {"text":"haben. Die kleinen Fische, die unten im Wasser schwammen, hatten die Kröte wohl","book":"Däumelinchen"} {"text":"gesehen, und sie hatten auch gehört, was sie gesagt hatte; deshalb streckten sie","book":"Däumelinchen"} {"text":"die Köpfe hervor, sie wollten doch das kleine Mädchen sehen. Sie fanden es sehr","book":"Däumelinchen"} {"text":"niedlich und bedauerten, daß es zur häßlichen Kröte hinunter sollte. Nein, das","book":"Däumelinchen"} {"text":"durfte nie geschehen! Sie versammelten sich unten im Wasser rings um den grünen","book":"Däumelinchen"} {"text":"Stengel, der das Blatt hielt, nagten mit den Zähnen den Stiel ab, und da schwamm","book":"Däumelinchen"} {"text":"das Blatt den Fluß hinab mit Däumelinchen davon, weit weg, wo die Kröte sie","book":"Däumelinchen"} {"text":"nicht erreichen konnte.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Däumelinchen segelte an vielen Städten vorbei, und die kleinen Vögel saßen in","book":"Däumelinchen"} {"text":"den Büschen, sahen sie und sangen: \"Welch liebliches, kleines Mädchen!\" Das","book":"Däumelinchen"} {"text":"Blatt schwamm mit ihr immer weiter und weiter fort; so reiste Däumelinchen außer","book":"Däumelinchen"} {"text":"Landes.","book":"Däumelinchen"} {"text":"images/hcaev005_02.jpg","book":"Däumelinchen"} {"text":"Ein niedlicher, weißer Schmetterling umflatterte sie stets und ließ sich zuletzt","book":"Däumelinchen"} {"text":"auf das Blatt nieder, denn Däumelinchen gefiel ihm. Sie war sehr erfreut; denn","book":"Däumelinchen"} {"text":"nun konnte die Kröte sie nicht erreichen, und es war so schön, wo sie fuhr; die","book":"Däumelinchen"} {"text":"Sonne schien aufs Wasser, das wie lauteres Gold glänzte. Sie nahm ihren Gürtel,","book":"Däumelinchen"} {"text":"band das eine Ende um den Schmetterling, das andere Ende des Bandes befestigte","book":"Däumelinchen"} {"text":"sie am Blatte; das glitt nun viel schneller davon und sie mit, denn sie stand ja","book":"Däumelinchen"} {"text":"darauf.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Da kam ein großer Maikäfer angeflogen, der erblickte sie, schlug augenblicklich","book":"Däumelinchen"} {"text":"seine Klauen um ihren schlanken Leib und flog mit ihr auf einen Baum. Das grüne","book":"Däumelinchen"} {"text":"Blatt schwamm den Fluß hinab und der Schmetterling mit, denn er war an das Blatt","book":"Däumelinchen"} {"text":"gebunden und konnte nicht loskommen.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Wie war das arme Däumelinchen erschrocken, als der Maikäfer mit ihr auf den","book":"Däumelinchen"} {"text":"Baum flog! Aber hauptsächlich war sie des schönen, weißen Schmetterlings wegen","book":"Däumelinchen"} {"text":"betrübt, den sie an das Blatt festgebunden hatte. Wenn er sich nicht befreien","book":"Däumelinchen"} {"text":"konnte, mußte er ja verhungern! Darum kümmerte sich der Maikäfer nicht. Fr","book":"Däumelinchen"} {"text":"setzte sich mit ihr auf das größte grüne Blatt des Baumes, gab ihr das Süße","book":"Däumelinchen"} {"text":"der Blumen zu essen und sagte, daß sie niedlich sei, obgleich sie einem","book":"Däumelinchen"} {"text":"Maikäfer durchaus nicht gleiche. Später kamen alle die anderen Maikäfer, die","book":"Däumelinchen"} {"text":"im Baume wohnten, und besuchten sie; sie betrachteten Däumelinchen, und die","book":"Däumelinchen"} {"text":"Maikäferfräulein rümpften die Fühlhörner und sagten: \"Sie hat doch nicht mehr","book":"Däumelinchen"} {"text":"als zwei Beine; das sieht erbärmlich aus.\" – \"Sie hat keine Fühlhörner!\" sagte","book":"Däumelinchen"} {"text":"eine andere. \"Sie ist so schlank in der Mitte; pfui, sie sieht wie ein Mensch","book":"Däumelinchen"} {"text":"aus! Wie häßlich sie ist!\" sagten alle Maikäferinnen, und doch war Däumelinchen","book":"Däumelinchen"} {"text":"so niedlich. Das erkannte auch der Maikäfer, der sie geraubt hatte, aber als","book":"Däumelinchen"} {"text":"alle anderen sagten, sie sei häßlich, so glaubte er es zuletzt auch und wollte","book":"Däumelinchen"} {"text":"sie gar nicht haben; sie konnte gehen, wohin sie wollte. Sie flogen mit ihr","book":"Däumelinchen"} {"text":"den Baum hinab und setzten sie auf ein Gänseblümchen; da weinte sie, weil sie","book":"Däumelinchen"} {"text":"so häßlich sei, daß die Maikäfer sie nicht haben wollten, und doch war sie","book":"Däumelinchen"} {"text":"das Lieblichste, das man sich denken konnte, so fein und klar wie das schönste","book":"Däumelinchen"} {"text":"Rosenblatt.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Den ganzen Sommer über lebte das arme Däumelinchen ganz allein in dem großen","book":"Däumelinchen"} {"text":"Walde. Sie flocht sich ein Bett aus Grashalmen und hing es unter einem","book":"Däumelinchen"} {"text":"Klettenblatte auf, so war sie vor dem Regen geschätzt, sie pflückte das Süße der","book":"Däumelinchen"} {"text":"Blumen zur Speise und trank vom Tau, der jeden Morgen auf den Blättern lag. So","book":"Däumelinchen"} {"text":"vergingen Sommer und Herbst. Aber nun kam der Winter, der kalte, lange Winter.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Alle Vögel, die so schön vor ihr gesungen hatten, flogen davon, Bäume und Blumen","book":"Däumelinchen"} {"text":"verdorrten; das große Klettenblatt, unter dem sie gewohnt hatte, schrumpfte","book":"Däumelinchen"} {"text":"zusammen, und es blieb nichts als ein gelber, verwelkter Stengel zurück.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Däumelinchen fror schrecklich, denn ihre Kleider waren entzwei, und sie war","book":"Däumelinchen"} {"text":"selbst so fein und klein, sie mußte erfrieren. Es fing an zu schneien, und jede","book":"Däumelinchen"} {"text":"Schneeflocke, die auf sie fiel, war, als wenn man auf uns eine ganze Schaufel","book":"Däumelinchen"} {"text":"voll wirft, denn wir sind groß, und sie war nur einen halben Finger lang. Da","book":"Däumelinchen"} {"text":"hüllte sie sich in ein verdorrtes Blatt ein, aber das wollte nicht wärmen; sie","book":"Däumelinchen"} {"text":"zitterte vor Kälte.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Dicht vor dem Walde, wohin sie nun gekommen war, lag ein großes Kornfeld. Das","book":"Däumelinchen"} {"text":"Korn war schon lange abgeschnitten, nur die nackten, trockenen Stoppeln standen","book":"Däumelinchen"} {"text":"aus der gefrorenen Erde hervor. Sie waren gerade wie ein ganzer Wald für sie","book":"Däumelinchen"} {"text":"zu durchwandern, und sie zitterte vor Kälte! Da gelangte sie vor die Tür der","book":"Däumelinchen"} {"text":"Feldmaus, die ein kleines Loch unter den Kornstoppeln hatte. Da wohnte die","book":"Däumelinchen"} {"text":"Feldmaus warm und gut, hatte die ganze Stube voll Korn, eine herrliche Küche und","book":"Däumelinchen"} {"text":"Speisekammer. Das arme Däumelinchen stellte sich in die Tür, gerade wie jedes","book":"Däumelinchen"} {"text":"andere arme Bettelmädchen, und bat um ein kleines Stück von einem Gerstenkorn,","book":"Däumelinchen"} {"text":"denn sie hatte seit zwei Tagen nicht das mindeste zu essen gehabt.","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Du kleines Wesen!\" sagte die Feldmaus, denn im Grunde war es eine gute alte","book":"Däumelinchen"} {"text":"Feldmaus, \"komm herein in meine warme Stube und iß mit mir!\"","book":"Däumelinchen"} {"text":"Da ihr nun Däumelinchen gefiel, sagte sie: \"Du kannst den Winter über bei mir","book":"Däumelinchen"} {"text":"bleiben, aber du mußt meine Stube sauber und rein halten und mir Geschichten","book":"Däumelinchen"} {"text":"erzählen, denn die liebe ich sehr.\" Däumelinchen tat, was die gute alte Feldmaus","book":"Däumelinchen"} {"text":"verlangte, und hatte es über die lange Winterzeit hinweg außerordentlich gut.","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Nun werden wir bald Besuch erhalten!\" sagte die Feldmaus. \"Mein Nachbar pflegt","book":"Däumelinchen"} {"text":"mich wöchentlich einmal zu besuchen. Er steht sich noch besser als ich, hat","book":"Däumelinchen"} {"text":"große Säle und trägt einen schönen, schwarzen Samtpelz! Wenn du den zum Manne","book":"Däumelinchen"} {"text":"bekommen könntest, so wärest du gut versorgt; aber er kann nicht sehen. Du","book":"Däumelinchen"} {"text":"mußt ihm, wenn er unser Gast ist, die niedlichsten Geschichten erzählen, die du","book":"Däumelinchen"} {"text":"weißt!\"","book":"Däumelinchen"} {"text":"Aber darum kümmerte sich Däumelinchen nicht, sie mochte den Nachbar gar nicht","book":"Däumelinchen"} {"text":"haben, denn er war ein Maulwurf. Er kam und stattete den Besuch in seinem","book":"Däumelinchen"} {"text":"schwarzen Samtpelz ab. Er sei reich und gelehrt, sägte die Feldmaus; seine","book":"Däumelinchen"} {"text":"Wohnung war auch zwanzigmal größer als die der Feldmaus. Gelehrsamkeit besaß","book":"Däumelinchen"} {"text":"er, aber die Sonne und die schönen Blumen mochte er gar nicht leiden, von beiden","book":"Däumelinchen"} {"text":"sprach er schlecht, denn er hatte sie noch nie gesehen. Däumelinchen mußte","book":"Däumelinchen"} {"text":"singen, und sie sang: \"Maikäfer flieg!\" und: \"Wer will unter die Soldaten.\"","book":"Däumelinchen"} {"text":"Da wurde der Maulwurf der schönen Stimme wegen in sie verliebt, aber er sagte","book":"Däumelinchen"} {"text":"nichts, er war ein besonnener Mann.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Er hatte sich vor kurzem einen langen Gang durch die Erde von seinem bis zu","book":"Däumelinchen"} {"text":"ihrem Hause gegraben; in diesem erhielten die Feldmaus und Däumelinchen die","book":"Däumelinchen"} {"text":"Erlaubnis, zu spazieren, soviel sie wollten. Aber er bat sie, sich nicht vor","book":"Däumelinchen"} {"text":"dem toten Vogel zu fürchten, der in dem Gange liege. Es war ein ganzer Vogel mit","book":"Däumelinchen"} {"text":"Federn und Schnabel, der sicher erst kürzlich gestorben und nun begraben war,","book":"Däumelinchen"} {"text":"gerade da, wo er seinen Gang gemacht hatte.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Der Maulwurf nahm nun ein Stück faules Holz ins Maul, denn das schimmert ja wie","book":"Däumelinchen"} {"text":"Feuer im Dunkeln, ging voran und leuchtete ihnen in dem langen, dunklen Gange.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Als sie dahin kamen, wo der tote Vogel lag, stemmte der Maulwurf seine breite","book":"Däumelinchen"} {"text":"Nase gegen die Decke und stieß die Erde auf, so daß es ein großes Loch gab","book":"Däumelinchen"} {"text":"und das Licht hindurchscheinen konnte. Mitten auf dem Fußboden lag eine tote","book":"Däumelinchen"} {"text":"Schwalbe, die schönen Flügel fest an die Seite gedrückt, die Füße und den Kopf","book":"Däumelinchen"} {"text":"unter die Federn gezogen; der arme Vogel war sicher vor Kälte gestorben. Das","book":"Däumelinchen"} {"text":"tat Däumelinchen leid, sie hielt viel von allen kleinen Vögeln, sie hatten ja","book":"Däumelinchen"} {"text":"den ganzen Sommer so schön vor ihr gesungen und gezwitschert. Aber der Maulwurf","book":"Däumelinchen"} {"text":"stieß ihn mit seinen kurzen Beinen und sagte: \"Nun pfeift er nicht mehr! Es muß","book":"Däumelinchen"} {"text":"doch erbärmlich sein, als kleiner Vogel geboren zu werden! Gott sei Dank, daß","book":"Däumelinchen"} {"text":"keins von meinen Kindern das wird; ein solcher Vogel hat ja außer seinem Quivit","book":"Däumelinchen"} {"text":"nichts und muß im Winter verhungern!\"","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Ja, das mögt Ihr als vernünftiger Mann wohl sagen,\" erwiderte die Feldmaus.","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Was hat der Vogel für all sein Quivit, wenn der Winter kommt? Er muß hungern","book":"Däumelinchen"} {"text":"und frieren; doch das soll wohl ganz besonders vornehm sein!\"","book":"Däumelinchen"} {"text":"Däumelinchen sagte gar nichts; aber als die beiden andern dem Vogel den","book":"Däumelinchen"} {"text":"Rücken wandten, neigte sie sich herab, schob die Federn beiseite, die den Kopf","book":"Däumelinchen"} {"text":"bedeckten, und küßte ihn auf die geschlossenen Augen. 'Vielleicht war er es, der","book":"Däumelinchen"} {"text":"so hübsch vor mir im Sommer sang', dachte sie. 'Wieviel Freude hat er mir nicht","book":"Däumelinchen"} {"text":"gemacht, der liebe, schöne Vogel'","book":"Däumelinchen"} {"text":"Der Maulwurf stopfte nun das Loch zu, durch das der Tag hereinschien, und","book":"Däumelinchen"} {"text":"begleitete dann die Damen nach Hause. Aber nachts konnte Däumelinchen gar nicht","book":"Däumelinchen"} {"text":"schlafen. Da stand sie von ihrem Bette auf und flocht von Heu einen großen,","book":"Däumelinchen"} {"text":"schönen Teppich. Den trug sie zu dem Vogel, breitete ihn über ihn und legte","book":"Däumelinchen"} {"text":"weiche Baumwolle, die sie in der Stube der Feldmaus gefunden hatte, an seine","book":"Däumelinchen"} {"text":"Seiten, damit er in der kalten Erde warm liegen möge.","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Lebe wohl, du schöner, kleiner Vogel!\" sagte sie. \"Lebe wohl und habe Dank für","book":"Däumelinchen"} {"text":"deinen herrlichen Gesang im Sommer, als alle Bäume grün waren und die Sonne warm","book":"Däumelinchen"} {"text":"auf uns herabschien!\" Dann legte sie ihr Haupt an des Vogels Brust, erschrak","book":"Däumelinchen"} {"text":"aber zugleich, denn es war gerade, als ob drinnen etwas klopfte. Das war des","book":"Däumelinchen"} {"text":"Vogels Herz. Der Vogel war nicht tot, er lag nur betäubt da, war nun erwärmt","book":"Däumelinchen"} {"text":"worden und bekam wieder Leben.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Im Herbst fliegen alle Schwalben nach den warmen Ländern fort; aber ist da eine,","book":"Däumelinchen"} {"text":"die sich verspätet, so friert sie so, daß sie wie tot niederfällt und liegen","book":"Däumelinchen"} {"text":"bleibt, wo sie hinfällt. Und der kalte Schnee bedeckt sie.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Däumelinchen zitterte heftig, so war sie erschrocken, denn der Vogel war","book":"Däumelinchen"} {"text":"ja groß, sehr groß gegen sie; aber sie faßte doch Mut, legte die Baumwolle","book":"Däumelinchen"} {"text":"dichter um die arme Schwalbe und holte ein Krauseminzeblatt, das sie selbst zum","book":"Däumelinchen"} {"text":"Deckblatt gehabt hatte, und legte es ganz behutsam über den Kopf des Vogels.","book":"Däumelinchen"} {"text":"In der nächsten Nacht schlich sie sich wieder zu ihm, und da war er nun","book":"Däumelinchen"} {"text":"lebendig, aber ganz matt. Er konnte nur einen Augenblick seine Augen öffnen und","book":"Däumelinchen"} {"text":"Däumelinchen ansehen, die mit einem Stück faulen Holzes in der Hand, denn eine","book":"Däumelinchen"} {"text":"andere Laterne hatte sie nicht, vor ihm stand.","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Ich danke dir, du niedliches, kleines Kind!\" sagte die kranke Schwalbe zu ihr.","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Ich bin herrlich erwärmt worden; bald erhalte ich meine Kräfte zurück und kann","book":"Däumelinchen"} {"text":"dann wieder draußen in dem warmen Sonnenschein herumfliegen!\"","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Oh,\" sagte Däumelinchen, \"es ist kalt draußen, es schneit und friert! Bleib in","book":"Däumelinchen"} {"text":"deinem warmen Bette, ich werde dich schon pflegen!\"","book":"Däumelinchen"} {"text":"Dann brachte sie der Schwalbe Wasser in einem Blumenblatt, und diese trank und","book":"Däumelinchen"} {"text":"erzählte ihr, wie sie ihren einen Flügel an einem Dornbusch gerissen und deshalb","book":"Däumelinchen"} {"text":"nicht so schnell habe fliegen können wie die andern Schwalben, die fortgezogen","book":"Däumelinchen"} {"text":"seien, weit fort nach den warmen Ländern. So sei sie zuletzt zur Erde gef allen.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Mehr wußte sie nicht, und auch nicht, wie sie hierhergekommen war.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Den ganzen Winter blieb sie nun da unten, Däumelinchen pflegte sie und hatte","book":"Däumelinchen"} {"text":"sie lieb, weder der Maulwurf noch die Feldmaus erfuhren etwas davon, denn sie","book":"Däumelinchen"} {"text":"mochten die arme Schwalbe nicht leiden.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Sobald das Frühjahr kam und die Sonne die Erde erwärmte, sagte die Schwalbe","book":"Däumelinchen"} {"text":"Däumelinchen, die das Loch öffnete, das der Maulwurf oben gemacht hatte,","book":"Däumelinchen"} {"text":"Lebewohl. Die Sonne schien herrlich zu ihnen herein, und die Schwalbe fragte,","book":"Däumelinchen"} {"text":"ob sie mitkommen wolle, sie könnte auf ihrem Rücken sitzen, sie wollten weit in","book":"Däumelinchen"} {"text":"den grünen Wald hineinfliegen. Aber Däumelinchen wußte, daß es die alte Feldmaus","book":"Däumelinchen"} {"text":"betrüben würde, wenn sie sie verließ.","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Nein, ich kann nicht!\" sagte Däumelinchen. \"Lebe wohl, lebe wohl, du gutes,","book":"Däumelinchen"} {"text":"niedliches Mädchen!\" sagte die Schwalbe und flog hinaus in den Sonnenschein.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Däumelinchen sah ihr nach, und das Wasser trat ihr in die Augen, denn sie war","book":"Däumelinchen"} {"text":"der armen Schwalbe von Herzen gut.","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Quivit, quivit!\" sang der Vogel und flog in den grünen Wald.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Däumelinchen war recht betrübt. Sie erhielt gar keine Erlaubnis, in den warmen","book":"Däumelinchen"} {"text":"Sonnenschein hinauszugehen. Das Korn, das auf dem Felde über dem Hause der","book":"Däumelinchen"} {"text":"Feldmaus gesät war, wuchs auch hoch in die Luft empor; das war ein ganz dichter","book":"Däumelinchen"} {"text":"Wald für das arme, kleine Mädchen.","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Nun sollst du im Sommer deine Aussteuer nähen!\" sagte die Feldmaus zu ihr;","book":"Däumelinchen"} {"text":"denn der Nachbar, der langweilige Maulwurf in dem schwarzen Samtpelze, hatte um","book":"Däumelinchen"} {"text":"sie gefreit. \"Du mußt sowohl Wollen – wie Leinenzeug haben, denn es darf dir an","book":"Däumelinchen"} {"text":"nichts fehlen, wenn du des Maulwurfs Frau wirst!\"","book":"Däumelinchen"} {"text":"Däumelinchen mußte auf der Spindel spinnen, und die Feldmaus mietete vier","book":"Däumelinchen"} {"text":"Raupen, die Tag und Nacht für sie webten. Jeden Abend besuchte sie der Maulwurf","book":"Däumelinchen"} {"text":"und sprach dann immer davon, daß, wenn der Sommer zu Ende gehe, die Sonne","book":"Däumelinchen"} {"text":"lange nicht so warm scheinen werde, sie brenne da jetzt die Erde fest wie einen","book":"Däumelinchen"} {"text":"Stein; ja, wenn der Sommer vorbei sei, dann wolle er mit Däumelinchen Hochzeit","book":"Däumelinchen"} {"text":"halten. Aber sie war gar nicht erfreut darüber, denn sie mochte den langweiligen","book":"Däumelinchen"} {"text":"Maulwurf nicht leiden. Jeden Morgen, wenn die Sonne aufging, und jeden Abend,","book":"Däumelinchen"} {"text":"wenn sie unterging, stahl sie sich zur Tür hinaus, und wenn dann der Wind die","book":"Däumelinchen"} {"text":"Kornähren trennte, so daß sie den blauen Himmel erblicken konnte, dachte sie","book":"Däumelinchen"} {"text":"daran, wie hell und schön es hier draußen sei, und wünschte sehnlichste die","book":"Däumelinchen"} {"text":"liebe Schwalbe wiederzusehen. Aber die kam nicht wieder; sie war gewiß weit weg","book":"Däumelinchen"} {"text":"in den schönen grünen Wald gezogen.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Als es nun Herbst wurde, hatte Däumelinchen ihre ganze Aussteuer fertig.","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"In vier Wochen sollst du Hochzeit halten!\" sagte die Feldmaus. Aber","book":"Däumelinchen"} {"text":"Däumelinchen weinte und sagte, sie wolle den langweiligen Maulwurf nicht haben.","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Schnickschnack!\" sagte die Feldmaus. \"Werde nicht widerspenstig, denn sonst","book":"Däumelinchen"} {"text":"werde ich dich mit meinen weißen Zähnen beißen! Es ist ja ein schöner Mann, den","book":"Däumelinchen"} {"text":"du bekommst, und das darfst du nicht vergessen. Die Königin selbst hat keinen","book":"Däumelinchen"} {"text":"solchen schwarzen Samtpelz! Er hat Küche und Keller voll. Danke du Gott für","book":"Däumelinchen"} {"text":"ihn!\"","book":"Däumelinchen"} {"text":"Nun sollten sie Hochzeit haben. Der Maulwurf war schon gekommen, Däumelinchen","book":"Däumelinchen"} {"text":"zu holen; sie sollte bei ihm wohnen, tief unter der Erde, nie an die warme Sonne","book":"Däumelinchen"} {"text":"herauskommen, denn die mochte er nicht leiden. Das arme Kind war sehr betrübt;","book":"Däumelinchen"} {"text":"sie sollte nun der schönen Sonne Lebewohl sagen, die sie doch bei der Feldmaus","book":"Däumelinchen"} {"text":"hatte von der Türe aus sehen dürfen.","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Lebe wohl, du helle Sonne!\" sagte sie, streckte die Arme hoch empor und ging","book":"Däumelinchen"} {"text":"auch eine kleine Strecke weiter vor dem Hause der Feldmaus; denn nun war das","book":"Däumelinchen"} {"text":"Korn geerntet, und hier standen nur die trockenen Stoppeln. \"Lebe wohl, lebe","book":"Däumelinchen"} {"text":"wohl!\" sagte sie und schlang ihre Arme um eine kleine rote Blume, die da stand.","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Grüße die kleine Schwalbe von mir, wenn du sie zu sehen bekommst!\"","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Quivit, quivit!\" ertönte es plötzlich über ihrem Kopfe, sie sah empor, es war","book":"Däumelinchen"} {"text":"die kleine Schwalbe, die gerade vorbeikam. Sobald sie Däumelinchen erblickte,","book":"Däumelinchen"} {"text":"wurde sie sehr erfreut; diese erzählte ihr, wie ungern sie den häßlichen","book":"Däumelinchen"} {"text":"Maulwurf zum Manne haben wolle und daß sie dann tief unter der Erde wohnen","book":"Däumelinchen"} {"text":"solle, wo nie die Sonne scheine. Sie konnte sich nicht enthalten, dabei zu","book":"Däumelinchen"} {"text":"weinen.","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Nun kommt der kalte Winter,\" sagte die kleine Schwalbe; \" ich fliege weit","book":"Däumelinchen"} {"text":"fort nach den warmen Ländern, willst du mit mir kommen? Du kannst auf meinem","book":"Däumelinchen"} {"text":"Rücken sitzen! Binde dich nur mit deinem Gürtel fest, dann fliegen wir von dem","book":"Däumelinchen"} {"text":"häßlichen Maulwurf und seiner dunkeln Stube fort, weit über die Berge, nach den","book":"Däumelinchen"} {"text":"warmen Ländern, wo die Sonne schöner scheint als hier, wo es immer Sommer ist","book":"Däumelinchen"} {"text":"und herrliche Blumen gibt. Fliege nur mit, du liebes, kleines Däumelinchen, die","book":"Däumelinchen"} {"text":"mein Leben gerettet hat, als ich wie tot in dem dunkeln Erdkeller lag!\"","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Ja, ich werde mit dir kommen!\" sagte Däumelinchen und setzte sich auf des","book":"Däumelinchen"} {"text":"Vogels Rücken, mit den Füßen auf seinen entfalteten Schwingen. Sie band ihren","book":"Däumelinchen"} {"text":"Gürtel an einer der stärksten Federn fest, und da flog die Schwalbe hoch in die","book":"Däumelinchen"} {"text":"Luft hinauf, über Wald und über See, hoch über die großen Berge, wo immer Schnee","book":"Däumelinchen"} {"text":"liegt. Däumelinchen fror in der kalten Luft, aber darin verkroch sie sich unter","book":"Däumelinchen"} {"text":"des Vogels warme Federn und streckte nur den kleinen Kopf hervor, um all die","book":"Däumelinchen"} {"text":"Schönheiten unter sich zu bewundern.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Da kamen sie denn nach den warmen Ländern. Dort schien die Sonne weit klarer","book":"Däumelinchen"} {"text":"als hier, der Himmel war zweimal so hoch, und an Gräben und Hecken wuchsen die","book":"Däumelinchen"} {"text":"schönsten grünen und blauen Weintrauben. In den Wäldern hingen Zitronen und","book":"Däumelinchen"} {"text":"Apfelsinen, hier duftete es von Myrten und Krauseminze, auf den Landstraßen","book":"Däumelinchen"} {"text":"liefen die niedlichsten Kinder und spielten mit großen, bunten Schmetterlingen.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Aber die Schwalbe flog noch weiter fort, und es wurde schöner und schöner.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Unter den herrlichsten grünen Bäumen an dem blauen See stand ein blendend weißes","book":"Däumelinchen"} {"text":"Marmorschloß aus alten Zeiten. Weinreben rankten sich um die hohen Säulen empor;","book":"Däumelinchen"} {"text":"ganz oben waren viele Schwalbennester, und in einem wohnte die Schwalbe, die","book":"Däumelinchen"} {"text":"Däumelinchen trug.","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Hier ist mein Haus!\" sagte die Schwalbe. \"Aber willst du dir nun selbst eine","book":"Däumelinchen"} {"text":"der prächtigsten Blumen, die da unten wachsen, aussuchen, dann will ich dich","book":"Däumelinchen"} {"text":"hineinsetzen, und du sollst es so gut und schön haben, wie du es nur wünschest!\"","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Das ist herrlich!\" sagte Däumelinchen und klatschte erfreut in die kleinen","book":"Däumelinchen"} {"text":"Hände.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Da lag eine große, weiße Marmorsäule, die zu Boden gefallen und in drei Stücke","book":"Däumelinchen"} {"text":"gesprungen war, aber zwischen diesen wuchsen die schönsten großen, weißen","book":"Däumelinchen"} {"text":"Blumen. Die Schwalbe flog mit Däumelinchen hinunter und setzte sie auf eins der","book":"Däumelinchen"} {"text":"breiten Blätter. Aber wie erstaunte diese! Da saß ein kleiner Mann mitten in der","book":"Däumelinchen"} {"text":"Blume, so weiß und durchsichtig, als wäre er von Glas; die niedlichste Goldkrone","book":"Däumelinchen"} {"text":"trug er auf dem Kopfe und die herrlichsten, klaren Flügel an den Schultern, er","book":"Däumelinchen"} {"text":"selbst war nicht größer als Däumelinchen. Es war der Blumenelf. In jeder Blume","book":"Däumelinchen"} {"text":"wohnte so ein kleiner Mann oder eine Frau, aber dieser war der König – über","book":"Däumelinchen"} {"text":"alle.","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Gott, wie ist er schön!\" flüsterte Däumelinchen der Schwalbe zu. Der kleine","book":"Däumelinchen"} {"text":"Prinz erschrak sehr über die Schwalbe, denn sie war gegen ihn, der so klein","book":"Däumelinchen"} {"text":"und fein war, ein Riesenvogel; aber als er Däumelinchen erblickte, wurde er","book":"Däumelinchen"} {"text":"hocherfreut; sie war das schönste Mädchen, das er je gesehen hatte. Deswegen","book":"Däumelinchen"} {"text":"nahm er seine Goldkrone vom Haupte und setzte sie ihr auf, fragte, wie sie heiße","book":"Däumelinchen"} {"text":"und ob sie seine Frau werden wolle, dann solle sie Königin über alle Blumen","book":"Däumelinchen"} {"text":"werden! Ja, das war wahrlich ein anderer Mann als der Sohn der Kröte und der","book":"Däumelinchen"} {"text":"Maulwurf mit dem schwarzen Samtpelze. Sie sagte deshalb ja zu dem herrlichen","book":"Däumelinchen"} {"text":"Prinzen, und von jeder Blume kam eine Dame oder ein Herr, so niedlich, daß","book":"Däumelinchen"} {"text":"es eine Lust war; jeder brachte Däumelinchen ein Geschenk, aber das beste von","book":"Däumelinchen"} {"text":"allen waren ein Paar schöne Flügel von einer großen, weißen Fliege; sie wurden","book":"Däumelinchen"} {"text":"Däumelinchen am Rücken befestigt, und nun konnte sie auch von Blume zu Blume","book":"Däumelinchen"} {"text":"fliegen. Da gab es viel Freude, und die Schwalbe saß oben in ihrem Neste und","book":"Däumelinchen"} {"text":"sang ihnen vor, so gut sie konnte; aber im Herzen war sie doch betrübt, denn","book":"Däumelinchen"} {"text":"sie war Däumelinchen gut und wäre gerne immer mit ihr zusammen geblieben. Am","book":"Däumelinchen"} {"text":"liebsten hätte sie sich daher nie von ihr trennen mögen.","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Du sollst nicht Däumelinchen heißen!\" sagte der Blumenelf zu ihr. \"Das ist ein","book":"Däumelinchen"} {"text":"häßlicher Name, und du bist schön. Wir wollen dich von nun an Maja nennen.\"","book":"Däumelinchen"} {"text":"\"Lebe wohl, lebe wohl!\" sagte die kleine Schwalbe und flog wieder fort von den","book":"Däumelinchen"} {"text":"warmen Ländern, weit weg, nach Deutschland zurück; dort hatte sie ein kleines","book":"Däumelinchen"} {"text":"Nest über dem Fenster, wo der Mann wohnt, der Märchen erzählen kann, vor ihm","book":"Däumelinchen"} {"text":"sang sie \"Quivit, quivit!\"","book":"Däumelinchen"} {"text":"Daher wissen wir die ganze Geschichte.","book":"Däumelinchen"} {"text":"Es war einmal ein alter Dichter, ein richtiger guter, alter Dichter. Eines","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"abends, als er zu Hause saß, zog ein schreckliches Unwetter draußen herauf.","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"Der Regen strömte hernieder, aber der alte Dichter saß warm und gut an seinem","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"Kachelofen, wo das Feuer brannte und die Äpfel brutzelten.","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"\"An den Armen, die in diesem Wetter draußen sind, bleibt kein Faden trocken!\"","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"sagte er, denn er war ein guter Dichter.","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"\"O, mach mir auf! Mich friert, und ich bin ganz naß!\" rief ein kleines Kind","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"draußen. Es weinte und klopfte an die Tür, während der Regen strömte und der","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"Sturm an allen Fenstern rüttelte.","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"\"Du armer Kleiner!\" sagte der alte Dichter und ging, um die Tür zu öffnen. Da","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"stand ein kleiner Knabe; er war ganz nackend, und das Wasser triefte aus seinen","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"langen, gelben Haaren. Er zitterte vor Kälte, und wäre er nicht hereingekommen,","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"hätte er sicherlich in dem bösen Wetter umkommen müssen.","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"\"Du armer Kleiner!\" sagte der alte Dichter und nahm ihn bei der Hand. \"Komm","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"nur zu mir, ich werde dich schon wärmen! Wein und einen Apfel sollst du auch","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"bekommen, denn du bist ein prächtiger Junge!\"","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"Das war er auch wirklich! Seine Augen sahen wie zwei klare Sterne aus, und ob","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"auch das Wasser aus deinen gelben Haaren floß, ringelten sie sich doch. Er sah","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"wie ein kleines Engelskind aus, war aber bleich vor Kälte und zitterte über den","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"ganzen Körper. In der Hand hatte er einen herrlichen Flitzbogen, aber der war","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"ganz vom Regen verdorben; alle Farben von den schönen Pfeilen liefen ineinander","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"bei dem nassen Wetter.","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"Der alte Dichter setzte sich an den Kachelofen, nahm den kleinen Knaben auf","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"den Schoß, drückte das Wasser aus seinem Haar, wärmte seine Hände in seinen","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"und kochte ihm süßen Wein. Da kam er wieder zu sich, sprang auf den Fußboden","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"hinunter und tanzte um den alten Dichter herum.","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"\"Du bist ein lustiger Knabe!\" sagte der Alte. \"Wie heißt du?\"","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"\"Ich heiße Amor!\" antwortete er, \"kennst du mich nicht? Da liegt mein","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"Flitzbogen! Mit dem schieße ich, mußt du wissen! Sieh, nun wird es gut Wetter","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"draußen. Der Mond scheint!\"","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"\"Aber dein Flitzbogen ist verdorben!\" sagte der alte Dichter.","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"\"Das wäre schlimm!\" sagte der kleine Knabe, nahm ihn auf und betrachtete ihn.","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"\"O, der ist schon wieder trocken, der hat keinen Schaden gelitten! Die Sehne","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"sitzt ganz stramm! Nun werde ich ihn probieren!\" Dann spannte er ihn, legte","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"einen Pfeil auf, zielte und schoß dem guten, alten Dichter mitten ins Herz. \"Da","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"kannst du sehen, daß mein Bogen nicht verdorben war\" sagte er, lachte ganz laut","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"und lief davon. Der unartige Knabe! So auf den alten Dichter zu schießen, der","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"ihn in seine warme Stube genommen hatte, so gut zu ihm gewesen war und ihm den","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"herrlichsten Wein und die besten Äpfel gegeben hatte.","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"Der gute Dichter lag auf dem Fußboden und weinte. Er war wirklich gerade ins","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"Herz getroffen, und so sagte er: \"Pfui! Ist der Amor ein unartiger Knabe! Das","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"will ich allen guten Kindern erzählen, damit sich in acht nehmen können und nie","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"mit ihm spielen, sonst spielt er ihnen übel mit!\"","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"Alle guten Kinder, Mädchen und Knaben, denen er es erzählte, nehmen sich gar","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"sehr in acht vor dem schlimmen Amor, aber er läßt sie doch an seinem Narrenseil","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"tanzen, denn er ist ein durchtriebener Schelm! Wenn die Studenten von den","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"Vorlesungen kommen, läuft er neben ihnen in einem schwarzen Rock mit einem Buch","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"unter dem Arm. Sie erkennen ihn nicht, gehen mit ihm Hand in Hand und glauben,","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"daß er auch ein Student sei, aber dann sticht er ihnen einen Pfeil in die Brust.","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"Wenn die Mädchen vom Prediger kommen, oder wenn sie im Kirchengange stehen, so","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"ist er auch hinter ihnen. Ja, zu allen Zeiten ist er hinter den Leuten her! Er","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"sitzt in dem großen Kronenleuchter im Theater und brennt lichertloh, und die","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"Leute glauben, es sei eine Lampe, aber später merken sie etwas ganz anderes.","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"Er läuft in des Königs Garten umher und auf den Wällen! Ja, er hat sogar einmal","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"deinen Vater und deine Mutter mitten ins Herz geschossen! Frag sie nur danach,","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"dann wirst du schon hören, was sie sagen. Ja, er ist ein schlimmer Knabe, dieser","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"Amor. Du solltest lieber nichts mit ihm zu tun haben! Er ist hinter allen her.","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"Denke nur einmal, er schoß sogar einmal mit einem Pfeil auf die alte Großmutter;","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"aber das ist lange her, seit es geschah, doch vergißt sie es nie. Pfui, der","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"schlimme Amor! Aber nun kennst du ihn und weißt, was für ein unartiger Knabe er","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"ist.","book":"Der unartige Knabe"} {"text":"Der arme Johannes war tief betrübt, denn sein Vater war sehr krank und hatte nur","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"noch Stunden zu leben. Niemand außer den beiden war in der kleinen Stube. Die","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Lampe auf dem Tisch war dem Erlöschen nahe, und es war schon später Abend.–","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Du warst mir ein guter Sohn, Johannes!\" sagte der kranke Vater, \"der liebe Gott","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"wird dir schon weiterhelfen im Leben!\" Und er sah mit ernsten, milden Augen auf","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ihn, holte noch einmal tief Luft und starb; es war gerade, als ob er schliefe.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Aber Johannes weinte, denn nun hatte er niemanden in der ganzen Welt, weder","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Vater noch Mutter, weder Schwester noch Bruder mehr. Der arme Johannes! Er lag","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"vor dem Bette auf seinen Knien und küßte des toten Vaters Hand und weinte viel","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"salzige Tränen; aber zuletzt schlossen sich seine Augen, und er schlief ein, den","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Kopf auf der harten Bettkante.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Da träumte er einen sonderbaren Traum, er sah, wie Sonne und Mond sich vor ihm","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"neigten, und er sah seinen Vater frisch und gesund wieder und hörte ihn lachen,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"wie er immer gelacht hatte, wenn er recht froh war. Ein liebliches Mädchen,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"mit goldener Krone auf dem langen, schönen Haar, reichte Johannes die Hand,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und sein Vater sagte, \"siehst du, was für eine Braut du bekommen hast? Sie","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ist die Schönste in der ganzen Welt!\" Da erwachte er, und all das Schöne war","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"verschwunden, sein Vater lag tot und kalt im Bette, und niemand war bei ihm; der","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"arme Johannes!","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Die Woche darauf wurde der Tote begraben; Johannes ging dicht hinter dem Sarge.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Niemals sollte er den guten Vater wiedersehen, der ihn so liebgehabt hatte;","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"er hörte, wie sie Erde auf den Sarg warfen, sah noch die letzte Ecke davon,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"aber mit der nächsten Schaufel Erde, die hinunter geworfen wurde, war auch sie","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"verschwunden; da war es ihm, als sollte sein Herz zerbrechen, so traurig war","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"er. Dann wurde noch ein Psalm gesungen. Der klang so schön, daß die Tränen in","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Johannes Augen kamen, er weinte, und das tat ihm wohl in seinem Schmerz. Die","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Sonne schien freundlich auf die grünen Bäume, gerade, als wollte sie sagen:","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Wie schön blau der Himmel ist. Dort oben ist nun dein Vater und bittet den","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"lieben Gott, daß es dir all Wohlergehen möge!","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Ich will immer gut sein!\" sagte Johannes, \"dann komme ich auch zu meinem","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Vater in den Himmel, und was wird das für eine Freude sein, wenn wir einander","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"wiedersehen! Wieviel werde ich ihm da zu erzählen haben, und was wird er mir","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"alles zeigen. Und wieviel Herrliches wird er mich lehren im Himmel, gerade, wie","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"er es auf Erden tat. Ach, wird das eine Freude sein!\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Johannes sah das so deutlich vor sich, daß er lächelte, während die Tränen ihm","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"noch über die Backen liefen. Die kleinen Vögel saßen oben in den Kastanienbäumen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und zwitscherten \"quivit, quivit!.\" Sie waren so fröhlich, obgleich sie ja","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"bei einem Begräbnis waren, aber sie wußten wohl, daß der tote Mann oben im","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Himmel war und Flügel hatte, weit schöner und größer als die ihren, daß er","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"nun glücklich war, weil er hier auf Erden gut gewesen war, und darüber waren","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sie fröhlich. Johannes sah, wie sie von dem grünen Baum fort in die Welt","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"hinaus flogen und bekam Lust, mitzufliegen. Aber erst schnitzte er ein großes","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"hölzernes Kreuz, um es auf seines Vaters Grab zu setzen, und als er es am Abend","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"hinaustrug, war das Grab mit Sand und Blumen geschmückt. Das hatten fremde","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Menschen getan, denn sie hatten den lieben Vater, der nun tot war, auch gern","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"gehabt.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Zeitig am nächsten Morgen packte Johannes sein kleines Bündel zusammen und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"verwahrte in seinem Gürtel sein ganzes Erbteil, das aus 50 Reichstalern und ein","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"paar Silberschillingen bestand. Damit wollte er in die Welt hinaus wandern. Aber","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"erst ging er auf den Kirchhof zu seines Vaters Grab, sprach ein Vaterunser und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sagte: \"Leb wohl, du lieber Vater! Ich will immer ein guter Mensch sein. Bitte","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"beim lieben Gott für mich, daß es mir gut gehen möge!\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Draußen auf dem Felde, wo Johannes ging, standen alle Blumen frisch und schön","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"in dem warmen Sonnenschein, und sie nickten im Winde, als wollten sie sagen:","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Willkommen im Grünen! Ist es hier nicht schön?\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Aber Johannes wandte sich noch einmal zurück, um die alte Kirche zu sehen, wo","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"er als kleines Kind getauft worden war, wo er jeden Sonntag mit seinem alten","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Vater gewesen war und fromme Lieder gesungen hatte. Da sah er hoch oben in einem","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"der Turmlöcher den guten kleinen Kirchen-Kobold stehen mit seinem roten spitzen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Hutlein; er schirmte sein Gesicht mit dem gebeugten Arm, da ihm sonst die Sonne","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"in die Augen stach. Johannes nickte ihm Lebewohl zu, und der kleine Kobold","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"schwang sein rotes Hütlein, legte die Hand aufs Herz und warf viele Kußhände, um","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"zu zeigen, wieviel Gutes er ihm wünsche und daß er recht glücklich reisen möge.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Johannes dachte daran, wieviel Schönes er nun in der großen, prächtigen Welt","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"zu sehen bekommen werde und ging weiter und weiter, so weit, wie er nie zuvor","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"gekommen war; er kannte weder die Städte, durch die er kam, noch die Menschen,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"die er traf. Nun war er in der Fremde.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Die erste Nacht mußte er sich auf einen Heuschober auf dem Felde schlafen legen,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ein anderes Bett hatte er nicht. Aber das war gerade schön, meinte er, der König","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"konnte es nicht besser haben. Das ganze Feld mit dem Bach, dem Heuschober und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"dem blauen Himmel darüber, das war doch eine schöne Schlafkammer. Das grüne Gras","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"mit den kleinen roten und weißen Blumen war der Teppich, die Hollunderbüsche","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und wilden Rosenhecken waren Blumensträuße, und als Waschschüssel hatte er den","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ganzen Bach mit seinem klaren, frischen Wasser, wo das Schilf sich neigte und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ihm guten Morgen und guten Abend bot. Der Mond war eine große Nachtlampe hoch","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"oben unter der blauen Decke, und der konnte auch wenigstens die Gardinen nicht","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"in Brand stecken. Johannes konnte ganz beruhigt schlafen, und das tat er auch","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und erwachte erst wieder, als die Sonne aufging und all die kleinen Vögel rings","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"umher ihr \"Guten Morgen, guten Morgen! Bist du noch nicht auf?\" sangen.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Die Glocken läuteten zur Kirche; es war Sonntag; die Leute gingen, um die","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Predigt zu hören und Johannes folgte ihnen, sang die Lieder mit und hörte Gottes","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Wort, und es war ihm, als wäre er in seiner eigenen Kirche, wo er getauft war","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und mit seinem Vater gesungen hatte.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Draußen auf dem Kirchhofe waren so viele Gräber, und auf einigen wuchs hohes","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Gras. Da dachte Johannes an seines Vaters Grab, das auch einmal so aussehen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"würde wie diese, nun er es nicht besorgen und schmücken konnte. Deshalb setzte","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"er sich nieder und riß das Gras ab, richtete die Holzkreuze auf, die umgefallen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"waren, und legte die Kränze, die der Wind von den Gräbern gerissen hatte, wieder","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"an ihre Stelle, während er dachte, vielleicht tut jemand das gleiche an meines","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Vaters Grab, nun ich es nicht tun kann!","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Draußen vor der Kirchhofstür stand ein alter Bettler und stüzte sich auf seine","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Krücke. Johannes gab ihm die Silberschillinge, die er besaß und ging dann","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"glücklich und froh weiter in die weite Welt hinaus.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Gegen Abend wurde es schrecklich schlechtes Wetter. Johannes beeilte sich, um","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"unter Dach und Fach zu kommen, aber es wurde rasch finstere Nacht; da erreichte","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"er endlich eine kleine Kirche, die ganz einsam auf einem Hügel lag, die Tür","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"stand zum Glück nur an gelehnt, und er schlüpfte hinein; hier wollte er bleiben,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"bis sich das schlechte Wetter gelegt hatte.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Hier will ich mich in eine Ecke setzen!\" sagte er, \"ich bin so müde und könnte","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"wohl ein wenig Ruhe gebrauchen,\" dann setzte er sich nieder, faltete seine Hände","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und betete sein Abendgebet, und ehe er es wußte, schlief und träumte er, während","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"es draußen blitzte und donnerte.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Als er wieder erwachte, war es tiefe Nacht, aber das böse Wetter war","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"vorübergezogen, und der Mond schien zu den Fenstern zu ihm herein. Mitten in","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"der Kirche stand ein offener Sarg mit einem toten Mann darin, denn er war noch","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"nicht begraben. Johannes fürchtete sich nicht, denn er hatte ein gutes Gewissen,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und er wußte wohl, daß die Toten niemandem etwas zuleide tun; die lebenden bösen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Leute sind es, die einem Böses zufügen. Zwei solcher lebenden Bösewichte standen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"dicht bei dem toten Mann, den man hier in die Kirche gesetzt hatte, bevor er","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"beerdigt werden sollte; sie wollten ihm etwas Böses tun, ihn nicht in seinem","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Sarge liegen lassen, sondern ihn vor die Kirchentür werfen, den armen toten","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Mann.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Warum wollt Ihr das tun?\" fragte Johannes, \"das ist böse und schlecht, laßt ihn","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ruhen in Jesu Namen!\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Ach, Schnickschnack!\" sagten die beiden häßlichen Menschen, \"er hat uns an der","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Nase herumgeführt! Er schuldete uns Geld und konnte es nicht wiedergeben; nun","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ist er obendrein gestorben und wir bekommen keinen Schilling. Darum wollen wir","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"uns nun rächen, er soll wie ein Hund draußen vor der Kirchentür liegen!\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Ich habe nicht mehr als fünfzig Reichstaler!\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sagte Johannes, \"das ist mein ganzes Erbteil, aber das will ich Euch gerne","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"geben, wenn Ihr mir ehrlich versprechen wollt, den armen toten Mann in Frieden","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ruhen zu lassen. Ich werde schon ohne das Geld durchkommen; ich habe gesunde,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"starke Glieder, und der liebe Gott wird mir schon helfen.\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Ja,\" sagten die häßlichen Menschen, \"wenn du wirklich seine Schuld bezahlen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"willst, werden wir ihm gewiß nichts tun, darauf kannst du dich verlassen!\" und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"so nahmen sie das Geld, das ihnen Johannes gab, lachten ganz laut über seine","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Gutmütigkeit und gingen ihrer Wege; aber Johannes legte die Leiche wieder im","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Sarge zurecht, faltete ihr die Hände, nahm Abschied und ging zufriedenen Gemütes","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"durch den großen Wald.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Ringsumher, wo der Mond durch die Bäume scheinen konnte, sah er die niedlichen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"kleinen Elfen lustig spielen; sie ließen sich nicht stören, sie wußten wohl,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"daß er ein guter, unschuldiger Mensch war, denn nur die bösen Menschen dürfen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"die Elfen nicht sehen. Einige von ihnen waren nicht größer als ein Finger,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und ihre langen blonden Haare hatten sie mit einem Goldkamm aufgesteckt; sie","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"schaukelten zwei und zwei auf den großen Tautropfen, die auf den Blättern und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"dem hohen Grase lagen. Manchmal rollte ein Tautropfen hinab, dann fielen sie","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"hinunter zwischen die langen Grashalme, und es gab Lachen und Lärmen unter","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"dem kleinen Volke. Es war ein gar niedlicher Anblick! Sie sangen, und Johannes","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"erkannte deutlich all die hübschen Weisen, die er als kleiner Knabe gelernt","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"hatte. Große bunte Spinnen mit silbernen Kronen auf dem Kopfe mußten von der","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"einen Hecke zu der anderen lange Hängebrücken und Paläste spinnen, die, als der","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"feine Tau darauf fiel, wie scheinendes Glas im klaren Mondenschein schimmerten.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"So währte es fort, bis die Sonne aufging. Dann krochen die kleinen Elfen in die","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Blumenknospen, und der Wind führte ihre Brücken und Schlösser mit sich fort, daß","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sie in der Luft dahin segelten, wie große Spinneweben.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Johannes war gerade aus dem Walde herausgekommen, als eine starke Männerstimme","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"hinter ihm rief: \"Holla, Kamerad! wohin geht die Reise?\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"In die weite Welt hinaus!\" sagte Johannes. \"Ich habe weder Vater noch Mutter,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"bin ein armer Bursche, aber der liebe Gott wird mir schon helfen!\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Ich will auch in die weite Welt hinaus!\" sagte der fremde Mann. \"Wollen wir","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"zwei uns zusammentun?\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Jawohl!\" sagte Johannes, und so gingen sie zusammen weiter. Bald wurden sie","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"gute Freunde, denn sie waren beide gute Menschen. Aber Johannes merkte wohl,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"daß der Fremde viel klüger war als er; er hatte fast die ganze Welt gesehen und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"wußte von allem Möglichen zu erzählen. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"als sie sich unter einen großen Baum setzten, um ihr Frühstück zu verzehren. Da","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"kam eine alte Frau des Weges. Oh, wie alt und krumm sie war. Sie stützte sich","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"auf einen Krückstock und trug ein Bündel Brennholz auf dem Rücken, das sie sich","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"im Walde zusammengelesen hatte. Ihre Schürze war aufgerafft, und Johannes sah,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"daß drei große Ruten von Farnkraut und Weidenzweigen daraus hervorsahen. Als sie","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"nun ganz nahe herangekommen war, glitt ihr Fuß aus, sie fiel um und gab einen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"lauten Schrei von sich, denn sie hatte ihr Bein gebrochen, die arme, alte Frau.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Johannes sagte sogleich, daß sie sie nach Hause in ihre Wohnung tragen wollten,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"aber der Fremde öffnete sein Ränzel, holte ein Krüglein daraus hervor und sagte,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"daß er hier eine Salbe habe, die sogleich ihr Bein wieder heil und gesund machen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"könne, so daß sie allein heimgehen könne und zwar, als ob sie niemals ihr Bein","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"gebrochen habe. Aber dafür wolle er auch, daß sie ihm die drei Ruten schenke,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"die sie in ihrer Schürze habe.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Das ist gut bezahlt!\" sagte die Alte und nickte ganz wunderlich mit dem Kopfe;","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sie wollte nicht so gerne ihre Ruten hergeben. Aber es war auch kein Vergnügen,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"mit gebrochenem Bein dazuliegen. So gab sie ihm denn die Ruten, und kaum hatte","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"er ihr das Bein mit der Salbe eingerieben, als sich die alte Mutter auch schon","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"aufrichtete und viel besser lief als zuvor. Das hatte die Salbe getan. Aber die","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"war auch in keiner Apotheke zu haben.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Was willst du mit den Ruten?\" fragte Johannes nun seinen Reisekameraden.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Das sind drei schöne Kräuterbesen!\" sagte er, \"auf so etwas bin ich ganz","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"versessen; denn ich bin ein komischer Kerl!\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"So gingen sie noch ein gutes Stück weiter.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Sieh' was da heraufziet!\" sagte Johannes, und zeigte geradeaus; \"das sind ja","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"schrecklich dicke Wolken!.\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Nein,\" sagte der Reisekamerad, \"das sind keine Wolken, das sind Berge. Die","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"herrlichen großen Berge, wo man über die Wolken hinaus in die frische Luft","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"kommt! Glaube mir, das ist prächtig! Morgen werden wir gewiß dort sein!\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Aber es war nicht so nahe, wie es aussah; sie mußten noch einen ganzen Tag","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"wandern, bevor sie zu den Bergen kamen, wo die schwarzen Wälder gegen den Himmel","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"emporstrebten und wo es Felsen gab, groß wie eine ganze Stadt. Das würde einige","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Anstrengung kosten, da hinüber zu kommen, deshalb gingen auch Johannes und der","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Reisekamerad vorher in ein Wirtshaus, um sich gut auszuruhen und Kräfte zum","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"morgigen Marsch zu sammeln.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Unten in der großen Schankstube im Wirtshaus waren viele Menschen versammelt,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"denn da war ein Mann, der ein Puppenspiel aufführte; er hatte gerade sein","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"kleines Theater aufgebaut, und die Leute saßen rings umher, um die Komödie zu","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sehen. Aber in der vordersten Reihe hatte ein alter dicker Schlächter seinen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Platz, und zwar den allerbesten. Sein großer Bullenbeißer – hu, wie grimmig","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"glotzte der umher! – saß neben ihm und machte große Augen, gerade wie alle die","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"anderen.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Nun begann das Stück, und es war ein hübsches Stück, mit einem König und einer","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Königin; die saßen auf einem prächtigen Thron, hatten goldene Kronen auf dem","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Haupte und lange Schleppen an den Kleidern, denn sie konnten sich das leisten.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Die niedlichsten Holzpuppen mit Glasaugen und großen Knebelbärten standen an","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"allen Türen und machten sie auf und zu, damit frische Luft in die Zimmer kommen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"konnte. Es war tatsächlich ein schönes Stück und gar nicht traurig, aber, gerade","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"als die Königin sich erhob und über den Fußboden hinging, so – ja Gott mag","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"wissen, was der große Bullenbeißer dachte, aber, da der Schlächter ihn nicht","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"festhielt, setzte er mit einem Sprung ins Theater, packte die Königin mitten um","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ihren zarten Leib– \"knickl knack!\" sagte es. Es war schrecklich!","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Der arme Mann, dem die Puppen gehörten, war ganz erschreckt und betrübt über","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"seine Königin, denn sie war die allerhübscheste Puppe, die er besaß, und nun","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"hatte der häßliche Bullenbeißer ihr den Kopf abgebissen. Als nun die Leute alle","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"gegangen waren, sagte der Fremde, der mit Johannes gekommen war, daß er die","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Puppe schon wieder instand setzen wolle; und so zog er sein Krüglein hervor","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und schmierte die Puppe mit der Salbe, mit der er der armen alten Frau geholfen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"hatte, als sie das Bein gebrochen hatte. Sobald die Puppe geschmiert war, war","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sie gleich wieder ganz, ja, sie konnte sogar allein alle ihre Glieder bewegen,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"man brauchte sie gar nicht mehr an Schnüren zu ziehen. Die Puppe war wie ein","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"lebender Mensch, nur daß sie nicht sprechen konnte. Der Mann, dem das kleine","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Puppentheater gehörte, wurde ganz froh; nun brauchte er die Puppe gar nicht mehr","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"zu halten, die konnte ja von selbst tanzen. Das konnte keine von den anderen.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Als es Nacht geworden war, und alle Leute im Wirtshause zu Bett gegangen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"waren, da fing es auf einmal an, tief zu seufzen, und es hörte gar nicht auf zu","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"seufzen, bis alle aufstanden, um zu sehen, wer das sein könne. Der Puppenspieler","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ging zu seinem kleinen Theater, denn von dort kam das Seufzen. Alle Holzpuppen,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"der König und seine Trabanten, lagen durcheinander, und sie waren es, die so","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"jämmerlich seufzten und mit ihren großen Glasaugen starrten, denn sie wollten","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"so gerne ebenso wie die Königin ein bißchen geschmiert werden, damit sie sich","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"auch von selbst bewegen konnten. Die Königin warf sich auf ihre Kniee nieder,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sie hielt ihre herrliche Goldkrone hoch, und bat: \"Nimm mir diese, aber schmiere","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"meinen Gemahl und meine Hofleute!\" Da konnte der arme Mann, dem das Theater","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und alle die Puppen gehörten, nicht anders, er mußte weinen, denn es tat ihm so","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"leid für sie; er versprach dem Reisekamerad sogleich, ihm alles Geld zu geben,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"das er am nächsten Abend für sein Spiel bekommen würde, wenn er nur vier, fünf","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"von seinen schönsten Puppen schmieren wollte. Aber der Reisekamerad sagte, daß","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"er nichts weiter verlange, als den großen Säbel, den der andere an seiner Seite","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"trug, und als er ihn erhielt, schmierte er sechs Puppen, die sogleich tanzen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"konnten und zwar so niedlich, daß alle Mädchen, die lebendigen Menschenmädchen,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"die zusahen, mittanzen mußten. Der Kutscher und das Küchenmädchen tanzten,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"der Kellner und das Stubenmädchen, alle Gäste, und auch die Feuerschaufel und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"die Feuerzange, aber diese beiden fielen gleich um, als sie die ersten Sprünge","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"machten – ja, das war eine lustige Nacht.– Am nächsten Morgen gingen Johannes","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und sein Reisekamerad fort von ihnen allen zu den hohen Bergen hinauf und durch","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"die großen Tannenwälder. Sie kamen so hoch hinauf, daß die Kirchtürme tief unter","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ihnen zuletzt wie kleine rote Beeren in all dem Grünen da unten aussahen, und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sie konnten weit ins Land hinaussehen, viele, viele Meilen, wohin sie noch nie","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"gekommen waren! – Soviel Schönes von der herrlichen Welt hatte Johannes nie","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"vorher auf einmal erblickt, und die Sonne schien so warm durch die frische,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"blaue Luft, und er hörte zwischen den Bergen die Jäger das Waldhorn blasen, das","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"klang so schön und wohltönend, daß ihm das Wasser vor Freude in die Augen stieg,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und er mußte sagen: \"Du guter, lieber Gott! Ich möchte dich küssen, weil du so","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"gut zu uns allen bist und uns all die Herrlichkeit, die in der Welt ist, gegeben","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"hast!\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Der Reisekamerad stand auch mit gefalteten Händen und sah hinaus über die Wälder","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und Städte in den warmen Sonnenschein. Da erklang es auf einmal wunderbar süß","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"über ihren Häuptern. Sie blickten empor: ein großer, weißer Schwan schwebte in","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"der Luft; der war so schön und sang, wie sie niemals vorher einen Vogel hatten","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"singen hören. Aber der Gesang wurde schwächer und schwächer; er beugte sein","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Haupt, der schöne Vogel, und sank ganz langsam zu ihren Füßen nieder, wo er tot","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"liegen blieb.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Zwei so prächtige Flügel,\" sagte der Reisekamerad, \"so weiß und groß, wie","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sie der Vogel hier hat, sind Geld wert. Die will ich mitnehmen! Siehst du nun,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"wie gut es war, daß ich den Säbel bekam!\" und so hieb er mit einem Schlage die","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"beiden Flügel des toten Schwanes ab und nahm sie mit.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Sie reisten nun viele, viele Meilen weiter über die Berge, bis sie zuletzt","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"eine große Stadt vor sich sahen mit über hundert Türmen, die wie Silber im","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Sonnenschein glänzten. Mitten in der Stadt war ein prächtiges Marmorschloß, das","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"war gedeckt mit reinem Golde, und hier wohnte der König.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Johannes und der Reisekamerad wollten nicht gleich in die Stadt hineingehen,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sondern blieben in einem Wirtshause draußen vor dem Tore, um sich","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"zurechtzumachen, denn sie wollten hübsch aussehen, wenn sie durch die Straßen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"kamen. Der Wirt erzählte ihnen, daß der König so ein guter Mann wäre, der","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"keinem Menschen etwas zuleide tun könne, aber seine Tochter, ja, Gott bewahre","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"uns, das wäre eine böse Prinzessin. An Schönheit besäße sie zwar genug, niemand","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"könne so hübsch und liebreizend sein, wie sie, aber was hülfe das, sie wäre","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"eine schlimme, böse Hexe, die Schuld daran trüge, daß soviele prächtige Prinzen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ihr Leben verloren hatten. Allen Menschen hätte sie gestattet, sich um sie zu","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"bewerben. Jeder könnte kommen, ob er ein Prinz oder Bettler wäre, wäre ihr ganz","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"einerlei, er sollte nur drei Dinge erraten, die sie ihn fragte, könnte er das,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"so wolle sie sich mit ihm verheiraten, und er sollte König über das ganze Land","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sein, wenn ihr Vater stürbe. Könnte er aber die drei Dinge nicht erraten, so","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ließe sie ihn hängen oder ihm den Hals abschlagen, so schlimm und böse wäre die","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"schöne Prinzessin. Ihr Vater, der alte König, wäre tief betrübt darüber, aber","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"er könnte es ihr nicht verbieten so böse zu sein, denn er hätte einmal gesagt,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"er wolle nie auch nur das geringste mit ihren Freiern zu tun haben, sie könne","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"selbst tun und lassen, was sie wolle.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Jedesmal, wenn nun ein Prinz komme und raten solle, um die Prinzessin zu","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"erringen, so könne er sich nicht aus der Schlinge ziehen, und dann würde er","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"gehängt oder geköpft; er wäre ja beizeiten gewarnt worden und hätte das Freien","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"lassen können. Der alte König wäre so betrübt über all das Leid und Elend, daß","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"er in jedem Jahre einen ganzen Tag lang mit allen seinen Soldaten auf den Knien","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"liege und bete, daß die Prinzessin gut werden möge, aber das wollte sie gar","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"nicht. Die alten Weiber, die Branntwein tränken, färbten ihn ganz schwarz, bevor","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sie ihn tränken, so traurig wären sie, mehr könnten sie doch nicht tun.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Die häßliche Prinzessin!\" sagte Johannes, \"sie sollte wirklich die Rute","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"fühlen, das könnte ihr nur gut tun. Wäre ich nur der alte König, sie sollte mir","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"windelweich geklopft werden!\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"In demselben Augenblick hörten sie draußen das Volk Hurra rufen. Die Prinzessin","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"kam vorbei, und sie war wirklich so wunderschön, daß alle Leute vergaßen,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"wie schlecht sie war, darum riefen sie Hurra. Zwölf schöne Jungfrauen, alle","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"in weißen seidenen Kleidern und mit einer goldenen Tulpe in der Hand, ritten","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"auf kohlschwarzen Pferden ihr zur Seite; die Prinzessin selbst hatte ein","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"schneeweißes Pferd, geschmückt mit Diamanten und Rubinen, ihr Reitkleid war aus","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"purem Golde, und die Peitsche, die sie in der Hand trug, sah aus, als sei sie","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ein Sonnenstrahl. Die goldene Krone auf ihrem Haupte schimmerte gerade wie die","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"kleinen Sterne oben am Himmel, und der Mantel war aus über tausend prächtigen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Schmetterlingsflügeln zusammengenäht; aber sie selbst war noch schöner als alle","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ihre Kleider.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Als Johannes sie erblickte, ward sein Antlitz so rot, wie von Blut übergossen,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und er konnte kaum ein einziges Wort sagen. Die Prinzessin sah ja ganz genau","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"aus, wie das wunderschöne Mädchen mit der goldenen Krone, von der er in der","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Nacht, als sein Vater gestorben war, geträumt hatte. Er fand sie so liebreizend,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"daß er nicht anders konnte, er mußte sie lieben. Das sei bestimmt nicht wahr,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sagte er, daß sie eine böse Hexe sein könne, die die Leute hängen oder köpfen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ließ, wenn sie nicht erraten konnten, was sie von ihnen verlangte.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Es steht ja jedem frei, sich um sie zu bewerben, auch dem elendsten Bettler.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Ich will auch auf das Schloß gehen, ich kann es nicht lassen!\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Alle sagten sie, er solle das nicht tun, es würde ihm bestimmt so ergehen, wie","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"allen anderen. Auch der Reisekamerad riet ihm davon ab, aber Johannes meinte,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"es würde schon alles gut gehen, und er bürstete seine Schuhe und seine Kleider,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"wusch Gesicht und Hände, kämmte sein schönes blondes Haar und ging dann ganz","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"allein in die Stadt hinein auf das Schloß.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"hcaev007_02.jpg","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Herein!\" sagte der alte König, als Johannes an die Türe klopfte. Johannes","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"öffnete, und der alte König, im Schlafrock und gestickten Pantoffeln, kam ihm","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"entgegen. Die Goldkrone hatte er auf dem Kopf, das Zepter in der einen Hand","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und den Reichsapfel in der anderen. \"Warte ein bißchen!\" sagte er, und nahm den","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Apfel unter den Arm, damit er Johannes die Hand reichen konnte. Aber kaum hörte","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"er, daß Johannes ein Freier war, fing er so bitterlich an zu weinen, daß sowohl","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Zepter wie Reichsapfel auf die Erde fielen und er die Augen an seinem Schlafrock","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"trocknen mußte. Der arme, alte König!","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Laß es sein!\" sagte er, \"es ergeht dir übel, wie allen den anderen auch. Du","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"wirst es ja sehen!\" Dann führte er Johannes in den Lustgarten der Prinzessin","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"hinaus. Dort sah es schrecklich aus! Oben in jedem Baume hingen drei, vier","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Königssöhne, die um die Prinzessin gefreit hatten, die Dinge, die ihnen die","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Prinzessin aufgegeben hatte, aber nicht hatten erraten können. Jedesmal, wenn","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"der Wind wehte, klapperten die Gebeine, so daß die kleinen Vögel erschraken","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und niemals mehr in den Garten zu kommen wagten; alle Blumen waren mit","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Menschenknochen aufgebunden, und in den Blumentöpfen standen Totenköpfe und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"grinsten. Das war ein seltsamer Garten für eine Prinzessin.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Da kannst du selbst sehen!\" sagte der alte König, \"es wird dir ergehen, wie","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"allen den anderen, die du hier siehst, darum laß es lieber sein. Du machst mich","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"wirklich unglücklich, denn so etwas geht mir sehr nahe!\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Johannes küßte dem guten, alten König die Hand und sagte, es werde schon alles","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"glücken, denn er liebe die schöne Prinzessin so sehr.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Da kam die Prinzessin selbst mit allen ihren Damen in den Schloßhof geritten;","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sie gingen zu ihr hinaus und sagten guten Tag. Sie war so lieblich und reichte","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Johannes die Hand, und er konnte sie noch besser leiden, als zuvor. Sie","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"konnte doch unmöglich eine so grausame und böse Hexe sein, wie die Leute ihr","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"nachsagten! Dann gingen sie in den Saal hinauf, und die kleinen Edelknaben","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"präsentierten Eingezuckertes und Pfeffernüsse, aber der alte König war so","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"betrübt, daß er gar nichts essen konnte; die Pfeffernüsse waren ihm auch zu","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"hart.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Es wurde nun bestimmt, daß Johannes am nächsten Morgen wieder auf das Schloß","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"kommen sollte, dann sollten die Richter und der ganze Rat versammelt sein und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"hören, wie er mit dem Raten fertig würde. Käme er gut davon, so sollte er noch","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"zweimal wiederkommen, aber bisher habe es noch niemand gegeben, der die erste","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Frage richtig geraten hätte, und so mußten sie ihr Leben lassen.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Johannes war gar nicht besorgt darum, wie es ihm ergehen würde; er war ganz","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"vergnügt, dachte nur an die schöne Prinzessin und glaubte ganz fest, daß der","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"liebe Gott ihm schon beistehen werde, aber wie, das wußte er freilich nicht","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und wollte auch lieber gar nicht daran denken. Er tanzte fast die Landstraße","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"entlang, als er zum Wirtshause zurückging, wo der Reisekamerad auf ihn wartete.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Johannes konnte nicht aufhören zu erzählen, wie lieb und nett die Prinzessin","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"zu ihm gewesen wäre, und wie wunderschön sie sei; er sehnte bereits heftig","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"den nächsten Tag herbei, wo er auf das Schloß sollte, um es mit dem Raten zu","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"versuchen.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Aber der Reisekamerad schüttelte mit dem Kopfe und war ganz betrübt. \"Ich habe","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"dich so lieb!\" sagte er, \"wir hätten noch lange zusammenbleiben können, und nun","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"soll ich dich schon verlieren! Du armer, lieber Johannes, ich könnte weinen,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"aber ich will am letzten Abend, den wir vielleicht zusammen sind, deine Freude","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"nicht stören. Wir wollen lustig sein, recht lustig, morgen, wenn du fort bist,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"werde ich noch genug weinen können!\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Alle Leute in der Stadt hatten sofort erfahren, daß ein neuer Freier für die","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Prinzessin sich eingefunden habe, und es herrschte darob große Betrübnis. Das","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Theater wurde geschlossen, alle Kuchenfrauen banden schwarzen Flor um ihre","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Zuckerferkel, und der König und die Priester lagen in der Kirche auf den Knien.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Alle Welt trauerte, denn es konnte Johannes ja nicht besser gehen, als es allen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"anderen Freiem ergangen war.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Gegen Abend bereitete der Reisekamerad eine große Flasche Punsch und sagte zu","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Johannes: \"Nun wollen wir recht lustig sein und auf das Wohl der Prinzessin","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"trinken.\" Als aber Johannes zwei Glas getrunken hatte, wurde er so schläfrig,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"daß es ihm nicht mehr möglich war, die Augen offen zu halten, er fiel in tiefen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Schlaf. Der Reisekamerad hob ihn ganz sachte vom Stuhle auf und legte ihn ins","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Bett, und als es dann finstere Nacht geworden war, nahm er die beiden großen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Schwingen, die er dem Schwan abgehauen hatte, band sie fest an seine Schultern;","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"die größte Rute, die er von der alten Frau bekommen hatte, die gefallen war und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"das Bein gebrochen hatte, steckte er in seine Tasche, schloß das Fenster auf und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"flog über die Stadt gerade in das Schloß, wo er sich in eine Ecke dicht unter","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"das Fenster setzte, wo die Prinzessin ihre Schlafkammer hatte.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Es war ganz totenstill in der ganzen Stadt; nun schlug die Uhr dreiviertelzwölf.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Das Fenster ging auf, und die Prinzessin flog in einem großen, weißen Mantel und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"mit langen, schwarzen Flügeln über die Stadt hin, hinaus zu einem großen Berge.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Aber der Reisekamerad machte sich unsichtbar, so daß sie ihn nicht sehen konnte,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"flog hinter ihr her und peitschte die Prinzessin mit seiner Rute, so daß tüchtig","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Blut floß, wo er hinschlug. Hu! war das eine Fahrt durch die Luft! Der Wind","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"fing sich in ihrem Mantel, so daß er sich nach allen Seiten ausbreitete wie ein","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"großes Schiffssegel, und der Mond schien durch den Mantel hindurch.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Wie es hagelt! Wie es hagelt!\" sagte die Prinzessin bei jedem Rutenschlag, und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"das geschah ihr recht. Endlich langte sie draußen bei dem Berge an und pochte.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Es tönte wie Donnnerrollen, als der Berg sich öffnete. Die Prinzessin ging","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"hinein und der Reisekamerad ging ihr nach, denn niemand konnte ihn sehen, er","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"war unsichtbar. Es ging durch einen großen, langen Gang, in dem die Wände ganz","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"absonderlich schimmerten. Es waren über tausend glühende Spinnen, die die Mauer","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"auf und nieder liefen und wie Feuer leuchteten. Nun kamen sie in einen großen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Saal, aus Gold und Silber erbaut. Blumen, groß wie Sonnenblumen, rot und blau,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"schimmerten von den Wänden. Aber niemand konnte die Blumen pflücken, denn die","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Stiele waren häßliche, giftige Schlangen, und die Blumen waren Feuer, das ihnen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"aus dem Rachen flammte. Die ganze Decke war mit leuchtenden Johanniswürmchen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und himmelblauen Fledermäusen bedeckt, die mit ihren dünnen Flügeln schlugen;","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"es sah ganz wundersam aus. Mitten auf dem Fußboden stand ein Thron, der","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"von vier Pferdegerippen getragen wurde, die Zaumzeug aus roten Feuerspinnen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"hatten. Der Thron selbst war aus milchweißem Glas, und die Sitzkissen waren","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"kleine, schwarze Mäuse, die einander in den Schwanz bissen. Oben darüber war","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ein Dach aus rosenroten Spinnenweben, besetzt mit den niedlichsten kleinen,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"grünen Fliegen, die wie Edelsteine schimmerten. Mitten auf dem Thron saß ein","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"alter Zauberer, mit einer Krone auf dem häßlichen Kopf und einem Zepter in der","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Hand. Er küßte die Prinzessin auf die Stirn, ließ sie an seiner Seite auf dem","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"kostbaren Thron sitzen, und nun begann die Musik. Große schwarze Heuschrecken","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"spielten Mundharmonika, und die Eule schlug sich auf den Bauch, denn sie hatte","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"keine Trommel. Es war ein komisches Konzert. Kleine, schwarze Kobolde mit einem","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Irrlicht auf der Kappe, tanzten im Saal herum. Niemand konnte den Reisekameraden","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sehen. Er hatte sich gerade hinter den Thron gestellt und sah und hörte alles,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"was vorging. Die Hofleute, die nun auch hereinkamen, waren sehr schön und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"vornehm, aber wer genau hinsah, merkte wohl, wie es mit ihnen bestellt war. Sie","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"waren nichts anderes, als Besenstiele mit Kohlköpfen darauf, in die der Zauberer","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Leben gehext, und denen er gestickte Kleider gegeben hatte. Aber das war ja auch","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"gleich, sie wurden nur zum Staat gebraucht.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Nachdem nun etwas getanzt worden war, erzählte die Prinzessin dem Zauberer, daß","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sich ein neuer Freier eingefunden habe und fragte deshalb, woran sie wohl denken","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sollte, um ihn am anderen Morgen danach zu fragen, wenn er ins Schloß käme.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Höre,\" sagte der Zauberer, \"nun will ich dir etwas sagen! Du mußt etwas recht","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"leichtes nehmen, denn darauf kommt er sicher nicht. Denk an deinen einen Schuh.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Das rät er nicht. Laß ihm dann den Kopf abschlagen; aber vergiß nicht, wenn du","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"morgen wieder zu mir heraus kommst, mir seine Augen mitzubringen, denn die will","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ich essen!\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Die Prinzessin verneigte sich ganz tief und sagte, sie wolle die Augen nicht","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"vergessen. Der Zauberer schloß nun den Berg auf, und sie flog wieder nach Hause,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"aber der Reisekamerad folgte ihr nach und prügelte sie so heftig mit der Rute,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"daß sie tief über das starke Hagelwetter seufzte und sich beeilte, was sie","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"nur konnte, um wieder durch das Fenster in ihre Schlafkammer zu kommen. Der","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Reisekamerad flog wieder zurück zu dem Wirtshause, wo Johannes noch schlief,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"löste seine Flügel ab und legte sich dann auch auf das Bett, denn er durfte wohl","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"müde sein.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Es war ganz zeitig am Morgen, als Johannes erwachte. Der Reisekamerad stand","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ebenfalls auf und erzählte, daß er heute Nacht einen ganz wunderlichen Traum","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"geträumt habe von der Prinzessin und ihrem Schuh und er bat ihn daher, doch ja","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"zu fragen, ob die Prinzessin nicht an ihren einen Schuh gedacht habe! Denn das","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"war es ja, was er von dem Zauberer in dem Berge gehört hatte, aber er wollte","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Johannes nichts davon erzählen. So bat er Johannes nur, zu fragen, ob sie an","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ihren einen Schuh gedacht habe.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Ich kann gerade so gut das wie etwas anderes fragen,\" sagte Johannes. \"Es","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"kann doch vielleicht ganz richtig sein, was du geträumt hast, denn ich vertraue","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"allezeit auf den lieben Gott, der wird mir schon helfen! Aber ich will dir doch","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"lebewohl sagen, denn rate ich falsch, so bekomme ich dich nie mehr zu sehen!\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Dann küßten sie einander, und Johannes ging in die Stadt hinein auf das Schloß.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Der ganze Saal war voll von Menschen; die Richter saßen in ihren Lehnstühlen und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"hatten Eiderdaunenkissen unter dem Kopfe, denn sie hatten soviel zu denken. Der","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"alte König stand auf und trocknete seine Augen mit einem weißen Taschentuch. Nun","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"trat die Prinzessin ein. Sie war noch viel schöner als gestern und grüßte alle","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"gar lieblich, aber Johannes gab sie die Hand und sagte: \"Guten Morgen, du!\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Nun sollte Johannes erraten, an was sie gedacht hatte. Gott, wie sah sie ihn so","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"freundlich an! Aber kaum hörte sie ihn das eine Wort: \"Schuh\" aussprechen, da","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ward sie kreideweiß im Gesicht und zitterte am ganzen Körper, aber das konnte","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ihr nichts helfen, denn er hatte richtig geraten!","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Heil wie wurde der alte König da froh! Er schlug Purzelbäume, daß es ein","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Vergnügen war, und alle Leute klatschten in die Hände für ihn und Johannes, der","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"nun das erste Mal richtig geraten hatte.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Der Reisekamerad war auch sehr froh, als er erfuhr, wie gut es abgelaufen war;","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"aber Johann faltete seine Hände und dankte dem lieben Gott, der ihm sicherlich","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"auch die beiden anderen Male helfen würde. Am nächsten Tage schon sollte wieder","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"geraten werden.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Der Abend verging ebenso wie der gestrige. Als Johannes schlief, flog der","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Reisekamerad hinter der Prinzessin her zum Berge hinaus und prügelte sie noch","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"stärker, als das vorige Mal, denn nun hatte er zwei Ruten genommen. Niemand","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"bekam ihn zu sehen, und er hörte alles. Die Prinzessin wollte an ihren Handschuh","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"denken, und er erzählte das Johannes, als ob es ein Traum gewesen sei. Nun","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"konnte Johannes wohl richtig raten, und im Schlosse herrschte eitel Freude. Der","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ganze Hof schlug Purzelbäume, wie man es vom Könige das erste Mal gesehen hatte;","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"aber die Prinzessin lag auf dem Sofa und mochte nicht ein einziges Wort sagen. –","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Nun kam es darauf an, ob Johannes auch das dritte Mal richtig raten konnte. Ging","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"es gut ab, so sollte er ja die schöne Prinzessin haben und das ganze Königreich","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"erben, wenn der alte König starb. Riet er verkehrt, so sollte er sein Leben","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"lassen und der Zauberer würde seine schönen blauen Augen essen.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Am Abend vorher ging Johannes zeitig zu Bett, sprach sein Abendgebet und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"schlief dann ganz ruhig; aber der Reisekamerad band seine Flügel an den Rücken,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"schnallte den Säbel an die Seite, nahm alle drei Ruten mit und flog dann zum","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Schlosse.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Es war stockfinstere Nacht, und es stürmte, daß die Dachziegel von den Häusern","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"flogen, und die Bäume im Garten wo die Gerippe hingen, schwankten wie Schilf im","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Winde. Es blitzte jeden Augenblick, und der Donner grollte, als ob es nur ein","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"einziger Schlag sei, die ganze Nacht hindurch. Nun schlug das Fenster auf, und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"die Prinzessin flog heraus. Sie war so bleich wie der Tod, aber sie lachte des","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"bösen Wetters, ihr schien es noch nicht wild genug; ihr weißer Mantel wirbelte","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"durch die Luft wie ein großes Schiffssegel, aber der Reisekamerad peitschte","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sie mit seinen drei Ruten, daß das Blut auf die Erde niedertröpfelte, und sie","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"zuletzt kaum mehr weiter fliegen konnte. Endlich langte sie doch beim Berge an.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Es hagelt und stürmt,\" sagte sie, \"noch nie bin ich bei solchem Wetter aus","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"gewesen.\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Man kann auch des Guten zuviel bekommen!\" sagte der Zauberer. Nun erzählte","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sie ihm, daß Johannes auch das zweite Mal richtig geraten habe; täte er morgen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"dasselbe, so habe er gewonnen und sie könne niemals wieder zu dem Berge heraus","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"kommen, und auch nie wieder ihre Zauberkünste üben, wie bisher; darüber sei sie","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ganz betrübt.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"Er soll es nicht raten können!\" sagte der Zauberer, \"ich werde schon etwas","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"herausfinden, worauf er nie verfallen wird! Oder aber er müßte ein größerer","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Zauberer sein als ich. Und nun wollen wir lustig sein.\" Damit nahm er die","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Prinzessin bei beiden Händen und sie tanzten zwischen allen den kleinen Kobolden","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und Irrlichtern, die im Saale waren, herum; die roten Spinnen sprangen an den","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Wänden ebenso lustig auf und nieder, es sah aus, als ob Feuerblumen sprühten.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Die Eulen schlugen die Trommel, die Heimchen zirpten, und die schwarzen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Heuschrecken bliesen die Harmonika. Es war ein lustiger Ball. –","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Als sie nun genug getanzt hatten, mußte die Prinzessin nach Hause denn sonst","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"konnte sie im Schlosse vermißt werden. Der Zauberer sagte, daß er sie auf dem","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Wege begleiten wolle, dann könnten sie wenigstens noch so lange zusammen sein.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Dann flogen sie in dem bösen Wetter davon, und der Reisekamerad zerschlug seine","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"drei Ruten, auf ihrem Rücken. Nie war der Zauberer in solch einem Hagelwetter","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ausgewesen. Vor dem Schlosse draußen sagte er der Prinzessin Lebewohl und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"flüsterte ihr dabei zu: \"Denk an meinen Kopf!\" Aber der Reisekamerad hörte","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"es doch, und in demselben Augenblick, als die Prinzessin durch das Fenster","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"in ihre Schlafkammer schlüpfte und der Zauberer wieder umkehren wollte, griff","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"er ihn an seinem langen, schwarzen Barte und hieb ihm mit dem Säbel seinen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"garstigen Zaubererkopf bis zu den Schultern herunter ab, so daß der Zauberer","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ihn nicht einmal selbst zu sehen bekam. Den Körper warf er hinaus in die See","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"zu den Fischen, aber den Kopf tauchte er nur in das Wasser und band ihn dann in","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sein seidenes Taschentuch, nahm ihn mit sich heim ins Wirtshaus und legte sich","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"schlafen.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Am nächsten Morgen gab er Johannes das Taschentuch, sagte aber, daß er es nicht","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"eher aufknüpfen dürfe, bevor die Prinzessin fragte, woran sie gedacht habe.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Es waren so viele Menschen in dem großen Saale auf dem Schloß, daß sie so dicht","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"standen wie Radieschen, die zum Bündel gebunden sind. Der Rat saß in seinen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Stühlen mit den weichen Kopfkissen, und der alte König hatte neue Kleider an,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"die goldene Krone und das Zepter waren poliert, alles war feiertäglich; aber die","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Prinzessin war sehr bleich und hatte ein kohlschwarzes Kleid an, als ob sie zum","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Begräbnis gehen sollte.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"hcaev007_03.jpg","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"An was habe ich gedacht?\" sagte sie zu Johannes, und sogleich band er","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"das Taschentuch auf, war aber selbst erschrocken, als er das scheußliche","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Zaubererhaupt erblickte. Ein kalter Schauder überlief alle die Menschen im","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Saal, denn es war entsetzlich anzusehen. Aber die Prinzessin saß gerade wie ein","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Steinbild und konnte kein einziges Wort hervorbringen. Zuletzt erhob sie sich","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und reichte Johannes die Hand, denn er hatte ja richtig geraten. Sie wandte den","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Blick ab und seufzte ganz laut: \"Nun bist du mein Herr! Heute abend wollen wir","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Hochzeit halten!\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"\"So gefällt es mir!\" sagte der alte König, \"und so wollen wir es halten!\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Alle Leute riefen Hurra, die Wachtparade machte Musik in den Straßen, die","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Glocken läuteten, und die Kuchenfrauen nahmen den schwarzen Flor von ihren","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Zuckerferkeln, denn nun herrschte Freude! Drei ganze gebratene Ochsen, mit Enten","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und Hühnern gefüllt, wurden mitten auf den Markt gesetzt, und ein jeder konnte","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"sich ein Stück abschneiden. In den Springbrunnen sprudelte der herrlichste Wein,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und kaufte man einen Schillingskringel beim Bäcker, so bekam man sechs große","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Pfannkuchen als Zugabe und noch dazu mit Rosinen darin.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Am Abend war die ganze Stadt illuminiert, die Soldaten schossen mit Kanonen und","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"die Knaben mit Knallerbsen, und auf dem Schlosse wurde gegessen und getrunken,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"angestoßen und gesprungen, all die vornehmen Herren und schönen Fräulein tanzten","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"miteinander, und man konnte weit hinaus hören, wie sie sangen:\"Hier sind viele","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"hübsche Mädchen,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Die ein Tänzchen haben wolle.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Küß mich! Dreh dich wie ein Rädchen,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Schmuckes Mädchen! Nur nicht schmollen!","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Dreh dich um mich, wie die Sonn um die Welt","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"und bis von den Schühlein die Sohle fällt!\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Aber die Prinzessin war ja noch eine Hexe und hatte Johannes gar nicht lieb.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Das überlegte der Reisekamerad, und darum gab er Johannes drei Federn aus den","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Schwanenflügeln und eine kleine Flasche mit einigen Tropfen darin, und sagte","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"zu Ihm, er solle vor das Brautbett ein großes Faß, mit Wasser gefüllt, setzen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"lassen, und wenn dann die Prinzessin in das Bett steigen wolle, so solle er ihr","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"einen kleinen Stoß geben, daß sie in das Wasser hinunterfalle, wo er sie dreimal","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"untertauchen solle, nachdem er zuvor die Federn und die Tropfen hineingetan","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"hätte, dann würde sie von dem Zauber befreit werden und ihn recht lieb haben.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Johannes tat alles, was der Reisekamerad ihm geraten hatte; die Prinzessin","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"schrie ganz laut, als er sie unter das Wasser tauchte und zappelte ihm unter den","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Händen als ein großer, kohlschwarzer Schwan mit funkelnden Augen. Als sie das","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"zweite Mal aus dem Wasser hervorkam, war der Schwan weiß bis auf einen einzigen","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"schwarzen Ring um den Hals. Johannes betete fromm zu Gott und ließ das Wasser","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"zum dritten Male über dem Vogel zusammenschlagen, und im selben Augenblick","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"verwandelte er sich in die schönste Prinzessin. Sie war noch liebreizender als","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"zuvor und dankte ihm mit Tränen in den schönen Augen, daß er den Zauber von ihr","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"genommen habe.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Am nächsten Morgen kam der alte König mit seinem ganzen Hofstaat, und da gab es","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"ein Gratulieren bis lang in den Tag hinein. Zu allererst kam der Reisekamerad,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"er hatte den Stock in der Hand und das Ränzel auf dem Rücken. Johannes küßte ihn","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"immer wieder und sagte, er dürfe nicht fortreisen, er solle doch bleiben, denn","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"er wäre ja die Ursache seines ganzen Glückes. Aber der Reisekamerad schüttelte","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"den Kopf und sagte mild und freundlich: \"Nein, nun ist meine Zeit um. Ich habe","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"nur meine Schuld bezahlt. Kannst du dich noch an den toten Mann erinnern, dem","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"schlechte Menschen Böses zufügen wollten? Du gabst alles, was dein war, dahin,","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"damit er Ruhe in seinem Grabe haben konnte. Der Tote bin ich!\"","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Im demselben Augenblicke war er verschwunden.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Die Hochzeit währte einen ganzen Monat lang. Johannes und die Prinzessin liebten","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"einander innig, und der alte König erlebte noch viele frohe Tage und ließ ihre","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"kleinen Kinder auf seinen Knien reiten und mit seinem Zepter spielen. Johannes","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"aber wurde König über das ganze Reich.","book":"Der Reisekamerad"} {"text":"Weit draußen im Meere ist das Wasser so blau wie die Blütenblätter der schönsten","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Kornblume, und so klar wie das reinste Glas, aber es ist dort sehr tief, tiefer","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"als irgendein Ankertau reicht, viele Kirchtürme müßten aufeinandergestellt","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"werden, um vom Grunde bis über das Wasser zu reicher. Dort unten wohnt das","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Meervolk.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Nun muß man nicht etwa glauben, daß dort nur der nackte, weiße Sandboden sei!","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Nein, da wachsen die wundersamsten Bäume und Pflanzen, deren Stiele und Blätter","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"so geschmeidig sind, daß sie sich bei der geringsten Bewegung des Wassers","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"rühren, als ob sie lebend wären. Alle Fische, klein und groß, schlüpfen zwischen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"den Zweigen hindurch, gerade wie hier oben die Vögel in der Luft. An der","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"allertiefsten Stelle liegt des Meerkönigs Schloß. Die Mauern sind aus Korallen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und die langen spitzen Fenster von allerklarstem Bernstein. Das Dach aber","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"besteht aus Muschelschalen, die sich öffnen und schließen, je nachdem das Wasser","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"strömt; das sieht prächtig aus, denn in jeder liegen strahlende Perlen, eine","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"einzige davon würde der Stolz einer Königskrone sein.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Der Meerkönig dort unten war seit vielen Jahren Witwer, aber seine alte Mutter","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"besorgte sein Haus. Sie war eine kluge Frau, doch recht stolz auf ihren Adel","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"deshalb trug sie zwölf Austern auf dem Schwanze während die anderen Vornehmen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"nur sechs tragen durften. – Sonst verdiente sie großes Lob, besonders weil","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie die kleinen Meerprinzessinnen, ihre Enkelinnen, so liebte. Das waren sechs","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"prächtige Kinder, aber die jüngste war die schönste von allen. Ihre Haut war so","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"klar und zart wie ein Rosenblatt, ihre Augen so blau wie die tiefste See, aber","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ebenso wie alle die anderen hatte sie keine Füße. Ihr Körper endete in einem","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Fischschwanz.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Den lieben langen Tag durften sie unten im Schlosse, wo lebendige Blumen aus","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"den Wänden wuchsen, spielen. Die großen Bernsteinfenster wurden aufgemacht,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und dann schwammen die Fische zu ihnen herein, gerade wie bei uns die Schwalben","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"hereinfliegen wenn wir die Fenster aufmachen. Aber die Fische schwammen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"geradeswegs auf die kleinen Prinzessinnen zu, fraßen aus ihren Händen und ließen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sich streicheln.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Draußen vor dem Schlosse war ein großer Garten mit feuerroten und dunkelblauen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Bäumen, die Früchte strahlten wie Gold und die Blumen wie brennendes Feuer,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"indem sie fortwährend Stengel und Blätter bewegten. Der Boden selbst war der","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"feinste Sand aber blau wie Schwefelflamme. Über dem Ganzen dort unten lag ein","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"seltsamer blauer Schein, man hätte eher glauben mögen, daß man hoch oben in","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"der Luft stände und nur Himmel über und unter sich sähe, als daß man auf dem","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Meeresgrunde sei. Bei Windstille konnte man die Sonne sehen, sie erschien wie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"eine Purpurblume aus deren Kelche alles Licht strömte.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Jede der kleinen Prinzessinnen hatte ihren kleinen Fleck im Garten, wo sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"graben und pflanzen konnte, ganz wie sie wollte. Eine gab ihrem Blumenbeet","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die Gestalt eines Walfisches, einer anderen erschien es hübscher, daß das ihre","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"einem Meerweiblein glich, aber die Jüngste machte ihr Beet ganz rund wie die","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Sonne und hatte nur Blumen darauf, die so rot wie diese leuchteten. Sie war ein","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"seltsames Kind, still und nachdenklich, und während die anderen Schwestern sich","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"mit den merkwürdigsten Sachen, die aus gestrandeten Schiffen genommen waren,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"putzten, wollte sie nur, außer ihren rosenroten Blumen, die der Sonne dort oben","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"glichen, ein schönes Marmorbild haben. Es war ein herrlicher Knabe, aus weißem,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"klarem Stein gehauen, der beim Stranden auf den Meeresboden gesunken war. Sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"pflanzte neben dem Bilde eine rosenrote Trauerweide, die prächtig wuchs und mit","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ihren frischen Zweigen darüber hing bis auf den blauen Sandboden hinab, wo der","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Schatten sich violett färbte und gleich den Zweigen in sanfter Bewegung war; es","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sah aus, als ob die Spitze und die Wurzeln miteinander spielten, als ob sie sich","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"küssen wollten.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Sie kannte keine größere Freude, als von der Menschenwelt über ihr zu hören,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die alte Großmutter mußte ihr alles erzählen, was sie wußte von den Schiffen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und Städten, Menschen und Tieren. Ganz besonders wunderbar und herrlich erschien","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"es ihr, daß oben auf der Erde die Blumen dufteten, denn das taten sie auf dem","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Meeresboden nicht, und daß die Wälder grün waren und die Fische, die man dort","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"auf den Zweigen sieht, so laut und lieblich singen konnten, daß es eine Lust","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"war. Es waren die kleinen Vögel, die die Grobmutter Fische nannte, denn sonst","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"hätten es die Kinder nicht verstehen können, da sie nie einen Vogel gesehen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"hatten.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Wenn Ihr Euer fünfzehntes Jahr erreicht habt,\" sagte die Grobmutter, \"so werdet","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Ihr Erlaubnis bekommen, aus dem Meere emporzutauchen, im Mondschein auf den","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Klippen zu sitzen und die großen Schiffe vorbeisegeln zu sehen, auch die Wälder","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und Städte sollt Ihr dann sehen!\" Im nächsten Jahre wurde die eine von den","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Schwestern fünfzehn Jahre, aber die anderen, die eine war immer ein Jahr jünger","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"als die andere, die Jüngste mußte also noch fünf lange Jahre warten, bevor sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"vom Meeresgrund aufsteigen und sehen konnte, wie es bei uns aussieht. Aber die","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"eine versprach der anderen zu erzählen, was sie gesehen und am ersten Tage am","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"schönsten gefunden hätte denn ihre Grobmutter erzählte ihnen nicht genug, da war","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"noch so vieles, worüber sie Bescheid wissen mußten.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Keine war so sehnsuchtsvoll, wie die Jüngste, gerade sie, die am längsten Zeit","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"zu warten hatte und die so still und gedankenvoll war. Manche Nacht stand sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"am offenen Fenster und sah hinauf durch das dunkelblaue Wasser, wo die Fische","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"mit ihren Flossen und Schwänzen einherruderten. Mond und Sterne konnte sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sehen; zwar leuchteten sie nur ganz bleich, aber durch das Wasser sahen sie viel","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"größer aus, als für unsere Augen; glitt es dann gleich einer schwarzen Wolke","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"unter ihnen dahin, so wußte sie, daß es entweder ein Walfisch war, der über","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ihr schwamm, oder auch ein Schiff mit vielen Menschen; die dachten gewiß nicht","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"daran, daß eine liebliche kleine Seejungfer unten stand und ihre weißen Hände","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"gegen den Kiel emporstrecken.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Nun war die älteste Prinzessin fünfzehn Jahre alt und durfte zur","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Meeresoberfläche aufsteigen.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Als sie zurückkam, wußte sie hundert Dinge zu erzählen, das herrlichste jedoch,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sagte sie, wäre, im Mondschein auf einer Sandbank in der ruhigen See zu liegen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und zu der großen Stadt dicht bei der Küste hinüberzuschauen, wo die Lichter","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"blinkten wie hundert Sterne, die Musik und den Lärm und die Geräusche der Wagen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und Menschen zu hören, die vielen Kirchtürme und Giebel zu sehen und zu hören,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"wie die Glocken läuten. – Und die Jüngste sehnte sich immer mehr nach diesem","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"allen, gerade weil sie noch nicht hinauf durfte.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"O, wie horchte sie auf, und wenn sie dann abends am offenen Fenster stand und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"durch das dunkelblaue Wasser hinaufsah, dachte sie an die große Stadt mit all","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ihrem Lärm und Geräusch, und dann vermeinte sie, die Kirchenglocken bis zu sich","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"herunter läuten zu hören.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Ein Jahr danach bekam die zweite Schwester Erlaubnis, durch das Wasser","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"aufzusteigen und zu schwimmen, wohin sie wollte. Sie tauchte auf, gerade als die","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Sonne unterging, und dieser Anblick erschien ihr das schönste. Der ganze Himmel","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"habe wie Gold ausgesehen, sagte sie, und die Wolken – Ja, deren Herrlichkeit","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"konnte sie nicht genug beschreiben! Rot und violett waren sie über ihr","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"dahingesegelt, aber weit hurtiger als sie flog, wie ein langer weißer Schleiers","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ein Schwarm wilder Schwäne über das Wasser hin, wo die Sonne stand. Sie schwamm","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ihr entgegen, aber sie sank, und der Rosenschimmer erlosch auf der Meeresfläche","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und den Wolken.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Im Jahre darauf kam die dritte Schwester hinauf. Sie war die dreisteste von","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"allen. Darum schwamm sie einen breiten Fluß hinauf, der in das Meer mündete.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Herrliche grüne Hügel mit Weinreben sah sie, und Schlösser und Bauernhöfe","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"schauten zwischen den prächtigen Wäldern hervor, sie hörte, wie alle Vögel","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sangen, und die Sonne schien so warm, daß sie untertauchen mußte, um im","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Wasser ihr brennendes Antlitz zu kühlen. In einer kleinen Bucht traf sie eine","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Schar kleiner Menschenkinder, ganz nackend liefen sie im Wasser umher und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"plätscherten, sie wollte mit ihnen spielen, aber sie waren erschreckt davon","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"gelaufen, und ein kleines schwarzes Tier war gekommen – das war ein Hund, aber","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie hatte nie zuvor einen Hund gesehen –, der bellte sie so schrecklich an,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"daß sie es mit der Angst bekam und schnell in die offene See zu kommen suchte.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Aber niemals konnte sie die prächtigen Wälder vergessen, und die grünen Hügel","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und die niedlichen Kinder, die im Wasser schwimmen konnten, obwohl sie keinen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Fischschwanz hatten.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Die vierte Schwester war nicht so dreist, sie blieb draußen mitten im wilden","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Meer und erzählte, daß gerade das das Herrlichste gewesen wäre: Man sehe","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"viele Meilen weit umher, und der Himmel stände über einem wie eine große","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Glasglocke. Schiffe hätte sie gesehen, aber weit in der Ferne, sie sähen aus wie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Strandmöven; die lustigen Delfine hätten Purzelbäume geschlagen, und die großen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Walfische hätten aus ihren Nasenlöchern Wasser hoch in die Luft gespritzt, so","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"daß es wie hundert Springbrunnen ringsumher ausgesehen habe. –","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Nun kam die Reihe an die fünfte Schwester; ihr Geburtstag fiel gerade in den","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Winter, und darum sah sie, was die anderen das erste Mal nicht gesehen hatten.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Das Meer nahm sich ganz grün aus, und ringsum schwammen große Eisberge. Jeder","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sähe aus, wie eine Perle, sagte sie, und doch sei er größer als die Kirchtürme,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die die Menschen bauten. In den seltsamsten Gestalten zeigten sie sich und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"funkelten wie Diamanten. Sie hatte sich auf einen der größten gesetzt, und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"alle Segler kreuzten erschrocken in großem Bogen dort vorbei, wo sie saß und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ihre Haare im Winde fliegen ließ. Aber gegen Abend überzog sich der Himmel mit","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"schwarzen Wolken, es blitzte und donnerte, während die schwarze See die großen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Eisblöcke hoch emporhob und sie in rotem Lichte erglänzen ließ. Auf allen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Schiffen nahm man die Segel herein, und überall herrschte Angst und Grauen,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie aber saß ruhig auf ihrem schwimmenden Eisberg und sah die blauen Blitze","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"im Zickzack in die schimmernde See herniederschlagen. Das erste Mal, wenn eine","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"der Schwestern über das Wasser emporkam, war jede entzückt über all das Neue","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und Schöne, was sie sah, aber da sie nun als erwachsene Mädchen emporsteigen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"durften, wann sie wollten, wurde es ihnen gleichgültig, sie sehnten sich wieder","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"nach Hause zurück, und nach eines Monats Verlauf sagten sie, daß es doch unten","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"bei ihnen am allerschönsten sei, man sei da so hübsch zu Hause.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"In mancher Abendstunde faßten sich die fünf Schwestern an den Händen und stiegen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"in einer Reihe über das Wasser hinauf. Herrliche Stimmen hatten sie, schöner","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"als irgendein Mensch, und wenn dann ein Sturm heraufzog, so daß sie annehmen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"konnten, daß Schiffe untergehen würden, so schwammen sie vor den Schiffen her","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und sangen so wundersam, wie schön es auf dem Meeresgrunde sei, und sie baten","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die Schiffer, sich nicht zu fürchten vor dem Untergehn, aber diese konnten","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die Worte nicht verstehen und glaubten, es wäre der Sturm. Und sie bekamen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die Herrlichkeiten da unten auch nicht zu sehen, denn wenn das Schiff sank,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ertranken die Menschen und kamen nur als Tote zu des Meerkönigs Schloß.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Wenn die Schwestern so Arm in Arm am Abend durch die See hinaufstiegen, dann","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"stand die kleine Schwester ganz allein und sah ihnen nach, und es war ihr, als","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ob sie weinen müßte, aber Seejungfern haben keine Tränen und leiden darum viel","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"schwerer.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Ach, wäre ich doch fünfzehn Jahre!\" sagte sie, \"ich weiß, daß ich die Welt da","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"oben und die Menschen, die dort bauen und wohnen, recht in mein Herz schließen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"werde!\"","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Endlich war sie fünfzehn Jahre alt.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Sieh, nun bist du erwachsen,\" sagte ihre Grobmutter die alte Königin-Witwe.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Komm nun und lasse dich von mir schmücken wie deine anderen Schwestern!\" Und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie setzte ihr einen Kranz von weißen Lilien ins Haar, aber jedes Blumenblatt","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"war eine halbe Perle: und dann ließ die Alte acht große Austern sich im Schwanze","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"der Prinzessin festklemmen, um ihren hohen Stand zu zeigen.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Das tut so weh!\" sagte die kleine Seejungfer.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Ja, Adel hat seinen Zwang!\" sagte die Alte.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Ach, sie würde so gerne die ganze Pracht abgeschüttelt und den schweren Kranz","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"weggelegt haben, ihre roten Blumen im Garten kleideten sie viel besser, aber","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"das nutzte nun nichts mehr. \"Lebewohl,\" sagte sie und stieg leicht und klar,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"gleich einer Blase, im Wasser empor. Die Sonne war gerade untergegangen, als","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie ihr Haupt aus dem Wasser erhob, aber alle Wolken leuchteten noch wie Rosen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und Gold, und mitten in der zartroten Luft strahlte der Abendstern so licht und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"klar. Die Luft war mild und frisch und das Meer windstill. Da lag ein großes","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Schiff mit drei Masten. Nur ein einziges Segel war aufgezogen, denn nicht ein","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Lüftchen rührte sich und rings im Tauwerk und auf den Stangen saßen Matrosen.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Da war Musik und Gesang, und als es abends dunkelte, wurden hunderte von bunten","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Lichtern angezündet; und es sah aus, als ob die Flaggen aller Nationen in der","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Luft wehten. Die kleine Seejungfer schwamm bis dicht an das Kajütenfenster,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und jedesmal, wenn das Wasser sie emporhob, konnte sie durch die spiegelklaren","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Scheiben sehen, wie viele geputzte Menschen drinnen standen, aber der schönste","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"war doch der junge Prinz mit den großen schwarzen Augen. Er war gewiß nicht viel","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"über sechzehn Jahre; es war sein Geburtstag, und darum herrschte all die Pracht.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Die Matrosen tanzten auf dem Deck, und als der junge Prinz heraustrat, stiegen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"über hundert Raketen in die Luft empor, die leuchteten wie der klare Tag, so daß","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die kleine Seejungfer ganz erschreckt ins Wasser niedertauchte, aber sie steckte","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"den Kopf bald wieder hervor und da war es, als ob alle Sterne des Himmels auf","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie herniederfielen. Niemals hatte sie solche Feuerkünste gesehen. Große Sonnen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"drehten sich sprühend herum, Feuerfische schwangen sich in die blaue Luft, und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"alles spiegelte sich in der klaren, stillen See. Auf dem Schiffe selbst war","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"es so hell, daß man jedes kleine Tau sehen konnte, wieviel genauer noch die","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Menschen. Ach, wie schön war doch der junge Prinz, und er drückte den Leuten die","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Hand und lächelte, während die Musik in die herrliche Nacht hinausklang.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Es wurde spät, aber die kleine Seejungfer konnte die Augen nicht von dem Schiffe","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und von dem schönen Prinzen wegwenden. Die bunten Lichter wurden gelöscht,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Raketen stiegen nicht mehr empor, und auch keine Kanonenschüsse ertönten mehr,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"aber tief unten im Meere summte und brummte es. Sie saß inzwischen und ließ","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sich vom Wasser auf und nieder schaukeln, so daß sie in die Kajüte hineinsehen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"konnte; aber jetzt bekam das Schiff stärkere Fahrt, ein Segel nach dem anderen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"breitete sich aus, die Wogen gingen höher, große Wolken zogen herauf, es blitzte","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"in der Ferne. Ein schreckliches Unwetter war im Anzuge, deshalb nahmen die","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Matrosen die Segel ein. Das große Schiff schaukelte in fliegender Fahrt auf","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"der wilden See. Die Wogen stiegen auf wie große, schwarze Berge, die sich über","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die Masten wälzen wollten, aber das Schiff tauchte wie ein Schwan zwischen den","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"hohen Wogen nieder und ließ sich wieder emportragen auf die aufgetürmten Wasser.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Der kleinen Seejungfer schien es eine recht lustige Fahrt zu sein, aber den","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Seeleuten erschien es ganz und gar nicht so. Das Schiff knackte und krachte,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die dicken Planken bogen sich bei den starken Stößen, mit denen sich die See","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"gegen das Schiff warf, der Mast brach mitten durch, als ob er ein Rohr wäre,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und das Schiff schlingerte auf die Seite, während das Wasser in den Raum drang.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Nun sah die kleine Seejungfer, daß sie in Gefahr waren. Sie mußte sich selbst","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"in acht nehmen, vor den Balken und Schiffstrümmern, die auf dem Wasser trieben.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Einen Augenblick war es so kohlschwarze Finsternis, daß sie nicht das mindeste","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"gewahren konnte, aber wenn es dann blitzte, wurde es wieder so hell, daß sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"alle auf dem Schiffe erkennen konnte; jeder tummelte sich, so gut er konnte.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Besonders suchte sie nach dem jungen Prinzen, und sie sah ihn, als das Schiff","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"verschwand, in das tiefe Meer versinken. Zuerst war sie sehr froh darüber, denn","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"nun kam er ja zu ihr herunter, aber dann erinnerte sie sich, daß Menschen nicht","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"unter dem Wasser leben können, daß er also nur als Toter hinunter zu ihres","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Vaters Schloß gelangen konnte. Nein, sterben durfte er nicht; deshalb schwamm","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie hin zwischen die Balken und Planken, die auf dem Meere trieben, und vergaß","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ganz daß sie von ihnen hätte zermalmt werden können. Sie tauchte tief unter das","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Wasser, stieg wieder empor zwischen den Wogen und gelangte so zuletzt zu dem","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"jungen Prinzen hin, der kaum mehr in der stürmischen See schwimmen konnte, seine","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Arme und Beine begannen zu ermatten, die schönen Augen schlossen sich, und er","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"wäre gestorben, wenn nicht die kleine Seejungfer dazu gekommen wäre. Sie hielt","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"seinen Kopf über Wasser und ließ sich so von den Wogen mit ihm treiben, wohin","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie wollten.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Am Morgen war das Unwetter vorüber, vom Schiffe war nicht ein Span mehr zu","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sehen, die Sonne stieg rot empor und glänzte über dem Wasser, und es war gerade,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"als ob des Prinzen Wangen Leben dadurch erhielten, aber die Augen blieben","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"geschlossen. Die Seejungfer küßte seine hohe, schöne Stirn und strich sein","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"nasses Haar zurück, sie dachte, daß er dem Marmorbilde unten in ihrem kleinen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Garten gliche, und sie küßte ihn wieder und wünschte, daß er doch leben möchte.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Nun sah sie vor sich das feste Land, hohe blaue Berge, auf deren Gipfel der","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"weiße Schnee schimmerte, als ob Schwäne dort oben lägen. Unten an der Küste","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"waren herrliche grüne Wälder, und vorn lag eine Kirche oder ein Kloster, das","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"wußte sie nicht recht, aber ein Gebäude war es. Zitronen- und Apfelsinenbäume","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"wuchsen dort im Garten, und vor den Toren standen große Palmenbäume. Die See","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"bildete hier eine kleine Bucht, da war es ganz still, aber sehr tief. Bis dicht","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"zu den Klippen, wo der feine, weiße Sand angespült lag, schwamm sie mit dem","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"schönen Prinzen, legte ihn in den Sand, und sorgte besonders dafür, daß der Kopf","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"hoch im warmen Sonnenschein lag.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Nun läuteten die Glocken in dem großen weißen Gebäude, und es kamen viele junge","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Mädchen durch den Garten. Da schwamm die kleine Seejungfer etwas weiter hinaus","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"hinter ein paar große Felsen, die aus dem Meere aufragten, bedeckte ihre Brust","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und ihr Haar mit Meerschaum, so daß niemand ihr kleines Antlitz sehen konnte,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und dann paßte sie auf, wer zu dem armen Prinzen kommen würde.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Es dauerte nicht lange, bis ein junges Mädchen dahin kam. Sie schien sehr","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"erschrocken, aber nur einen Augenblick, dann holte sie mehrere Leute herbei, und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die Seejungfer sah, daß der Prinz wieder zu sich kam und alle anlächelte, aber","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"hinaus zu ihr lächelte er nicht, er wußte ja auch nicht, daß sie ihn gerettet","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"hatte; sie wurde sehr traurig, und als er in das große Gebäude geführt wurde,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"tauchte sie betrübt ins Wasser hinab und kehrte heim zu ihres Vaters Schloß.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Immer war sie still und gedankenvoll gewesen, aber nun wurde sie es noch weit","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"mehr. Die Schwestern fragten sie, was sie das erste Mal dort oben gesehen habe,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"aber sie erzählte nichts.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Manchen Abend und Morgen stieg sie auf zu der Stelle, wo sie den Prinzen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"verlassen hatte. Sie sah des Gartens Früchte reifen und gepflückt werden, sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sah den Schnee auf den hohen Bergen schmelzen, aber den Prinzen sah sie nicht,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und deshalb kehrte sie immer betrübter heim. Es war ihr einziger Trost, in dem","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"kleinen Garten zu sitzen und ihre Arme um das schöne Marmorbild, das dem Prinzen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"glich, zu schlingen, aber ihre Blumen pflegte sie nicht, sie wuchsen wie in","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"einer Wildnis über die Gänge hinaus und flochten ihre langen Stiele und Blätter","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"in die Zweige der Bäume, so daß es dort ganz dunkel war.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Zuletzt konnte sie es nicht länger aushalten und sagte es einer von ihren","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Schwestern, und so bekamen es schnell all die anderen zu wissen, aber nicht","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"mehr als sie und noch ein paar Seejungfern, die es niemand weitersagten, als","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ihren allernächsten Freundinnen. Eine von diesen wußte, wer der Prinz war, sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"hatte auch das Fest auf dem Schiffe gesehen und wußte, woher er war und wo sein","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Königreich lag.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Komm, Schwesterchen\" sagten die anderen Prinzessinnen, und Arm in Arm stiegen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie in einer langen Reihe aus dem Meere empor, dorthin, wo sie des Prinzen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Schloß wußten.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Dies war aus einer hellgelb glänzenden Steinart aufgeführt, mit großen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Marmortreppen, von denen eine gerade bis zum Meere hinunter führte. Prächtige","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"vergoldete Kuppeln erhoben sich über dem Dache, und zwischen den Säulen, die","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"das ganze Gebäude umkleideten, standen Marmorbilder, die sahen aus, als ob","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie Leben hätten. Durch das klare Glas in den hohen Fenstern konnte man in","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die prächtigsten Gemächer hineinsehen, wo kostbare Seidengardinen und Teppiche","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"hingen und die Wände mit großen Gemälden geschmückt waren, so daß es ein wahres","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Vergnügen war, alles anzusehen. Mitten in dem größten Saal plätscherte ein","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"großer Springbrunnen, seine Strahlen sprangen hoch auf gegen die Glaskuppel","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"in der Decke, wo hindurch die Sonne auf das Wasser und die herrlichen Pflanzen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"schien, die in dem großen Marmorbecken wuchsen.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Nun wußte sie, wo er wohnte, und so brachte sie manchen Abend und manche Nacht","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"dort auf dem Wasser zu. Sie schwamm dem Lande weit näher, als es eine der","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"anderen je gewagt hatte, ja sie drang bis weit in den schmalen Kanal unter dem","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"prächtigen Marmoraltan ein, der einen langen Schatten über das Wasser warf.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Hier saß sie und sah auf den jungen Prinzen, der sich ganz allein in dem klaren","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Mondschein glaubte.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"An manchem Abend sah sie ihn mit Musik und wehenden Flaggen in seinem prächtigen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Boot davonsegeln. Sie lugte zwischen dem grünen Schilfe hervor, und wenn der","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Wind mit ihrem langen silberweißen Schleier spielte und jemand das sah, dachte","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"er, es sei ein Schwan, der seine Flügel höbe.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Sie hörte in mancher Nacht, wenn die Fischer mit Fackeln auf dem Meer lagen,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"daß viel Gutes von dem jungen Prinzen berichtet wurde, und da freute sie sich,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"daß sie ihn gerettet hatte, als er halbtot auf den Wogen trieb, und sie dachte","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"daran, wie fest sein Haupt an ihrer Brust geruht hatte, und wie innig sie ihn","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"da geküßt hatte. Aber er wußte nichts davon und konnte nicht einmal von ihr","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"träumen.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Mehr und mehr kam sie dazu, die Menschen zu lieben, und mehr und mehr wünschte","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie, zu ihnen hinaufsteigen zu können, denn die Menschenwelt erschien ihr weit","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"größer als die ihre. Sie konnten zu Schiff über die Meere fliegen, auf die hohen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Berge weit über den Wolken steigen, und ihre Länder erstreckten sich mit Wäldern","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und Feldern weiter, als sie blicken konnte. Da war so vieles, was sie gern","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"wissen wollte, aber die Schwestern konnten ihr auf viele Fragen keine Antwort","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"geben, deshalb fragte sie die alte Großmutter, denn diese kannte die höhere","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Welt, wie sie sehr richtig die Länder oberhalb des Meeres nannte, recht gut.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Wenn die Menschen nicht ertrinken,\" fragte die kleine Seejungfer, \"können sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"dann ewig leben? Sterben sie nicht, wie wir hier unten im Meere?\"","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Ja,\" sagte die Alte, \"sie müssen auch sterben, und ihre Lebenszeit ist sogar","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"noch kürzer als die unsere. Wir können dreihundert Jahre alt werden, aber","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"wenn wir dann aufgehört haben, zu sein, so werden wir in Schaum auf dem Wasser","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"verwandelt und haben nicht einmal ein Grab hier unten zwischen unseren Lieben.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Wir haben keine unsterbliche Seele; wir erhalten nie wieder Leben. Wir sind","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"gleich dem grünen Schilfe, ist es einmal abgeschnitten, so kann es nie wieder","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"grünen. Die Menschen dagegen haben eine Seele, die ewig lebt, die lebt, auch","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"wenn der Körper zu Erde zerfallen ist. Sie steigt auf in der klaren Luft und zu","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"all den schimmernden Sternen empor! Gerade wie wir aus dem Meere auftauchen und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die Länder der Menschen sehen, so tauchen sie zu unbekannten, herrlichen Orten","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"empor, die wir niemals erblicken werden.\"","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Warum bekamen wir keine unsterbliche Seele?\" sagte die kleine Seejungfer","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"betrübt, \"ich wollte alle meine hundert Jahre, die ich zu leben habe, dafür","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"hingeben, einen Tag ein Mensch zu sein und Teil zu haben an der himmlischen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Welt!\"","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"So etwas mußt du nicht denken!\" sagte die Alte, \"wir sind viel glücklicher und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"besser daran, als die Menschen dort oben!\"","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Ich muß also sterben und als Schaum auf dem Meere treiben, und darf nicht mehr","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"der Wellen Musik hören, die herrlichen Blumen und die rote Sonne sehen. Kann ich","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"denn gar nichts tun, um eine unsterbliche Seele zu gewinnen?\" –","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Nein,\" sagte die Alte. \"Nur wenn ein Mensch dich so lieb gewinnt, daß du für","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ihn mehr wirst, als Vater und Mutter, wenn er mit allen seinen Gedanken und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"seiner Liebe an dir hinge und den Priester deine rechte Hand in seine legen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ließe mit dem Gelübde der Treue hier und für alle Ewigkeit, dann würde seine","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Seele in deinen Körper überfließen und du bekämest auch Teil an dem Glücke der","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Menschen. Er gäbe dir eine Seele und behielte doch die eigene. Aber das kann","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"niemals geschehen! Was hier im Meere gerade als schön gilt, dein Fischschwanz,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"das finden sie häßlich oben auf der Erde, sie verstehen es eben nicht besser.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Man muß dort zwei plumpe Säulen haben, die sie Beine nennen, um schön zu sein!\"","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Da seufzte die kleine Seejungfer und sah betrübt auf ihren Fischschwanz.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Laß uns fröhlich sein,\" sagte die Alte, \"hüpfen und springen wollen wir in","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"den dreihundert Jahren, die wir zu leben haben, das ist eine ganz schöne Zeit.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Später kann man sich um so sorgenloser in seinem Grabe ausruhen. Heute abend","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"haben wir Hofball!\"","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Das war eine Pracht, wie man sie auf der Erde nie sehen konnte. Wände und Decke","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"in dem großen Tanzsaal waren aus dickem, aber klarem Glase. Mehrere hundert","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"riesige Muschelschalen, rosenrote und grasgrüne, standen in Reihen an jeder","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Seite mit einem blau brennenden Feuer, das den ganzen Saal erleuchtete und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"durch die Wände hinausschien, so daß die See draußen ebenfalls hell erleuchtet","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"war. Man konnte all die unzähligen Fische sehen, große und kleine, die gegen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die Glasmauern schwammen. Bei einigen schimmerten die Schuppen purpurrot, bei","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"anderen wie Silber und Gold. Mitten im Saale floß ein breiter Strom, und auf","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"diesem tanzten die Meermänner und Meerweiblein zu ihrem eigenen herrlichen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Gesang. So süßklingende Stimmen gibt es bei den Menschen auf der Erde nicht.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Die kleine Seejungfer sang am schönsten von allen, und alle klatschten ihr","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"zu, und einen Augenblick lang fühlte sie Freude im Herzen, denn sie wußte, daß","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie die schönste Stimme von allen im Wasser und auf der Erde hatte! Aber bald","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"dachte sie doch wieder an die Welt über sich; sie konnte den schönen Prinzen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"nicht vergessen und auch nicht ihren Kummer darüber, daß sie nicht, wie er, eine","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"unsterbliche Seele besaß.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Deshalb schlich sie sich aus ihres Vaters Schloß, und während alle drinnen sich","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"bei Gesang und Fröhlichkeit vergnügten, saß sie betrübt in ihrem kleinen Garten.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Da hörte sie das Waldhorn durch das Wasser hinunter erklingen, und sie dachte:","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Nun fährt er gewiß dort oben, er, den ich lieber habe, als Vater und Mutter,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"er, an dem meine Gedanken hängen und in dessen Hand ich meines Lebens Glück","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"legen möchte. Alles will ich wagen um ihn und um eine unsterbliche Seele zu","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"gewinnen! Während meine Schwestern dort drinnen in meines Vaters Schloß tanzen,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"will ich zur Meerhexe gehen, vor der ich mich immer so gefürchtet habe. Aber sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"kann vielleicht raten und helfen!\"","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Nun ging die kleine Seejungfer aus ihrem Garten hinaus zu dem brausenden","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Malstrom, hinter dem die Hexe wohnte. Diesen Weg war sie nie zuvor gegangen,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"da wuchsen keine Blumen, kein Seegras, nur der nackte graue Sandboden streckte","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sich gegen den Malstrom, wo das Wasser wie brausende Mühlenräder im Kreise","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"wirbelte und alles, was es erfaßte, mit sich in die Tiefe riß. Mitten zwischen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"diesen zermalmenden Wirbeln mußte sie dahingehen, um in das Reich der Meerhexe","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"zu gelangen. Dann gab es eine ganze Strecke keinen anderen Weg, als über","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"heißsprudelnden Schlamm, den die Hexe ihr Torfmoor nannte. Dahinter lag ihr Haus","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"mitten in einem seltsamen Walde. Alle Bäume und Büsche waren Polypen, halb Tier,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"halb Pflanze, sie sahen aus, wie hundertköpfige Schlangen, die aus der Erde","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"wuchsen; alle Zweige waren lange schleimige Arme mit Fingern wie geschmeidige","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Würmer, und Glied für Glied bewegten sie sich von der Wurzel bis zur äußersten","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Spitze. Alles was in ihre Greifnähe kam im Meer, umschnürten sie fest und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ließen es nicht wieder los. Die kleine Seejungfer blieb ganz erschrocken draußen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"stehen, ihr Herz klopfte vor Angst, fast wäre sie wieder umgekehrt, aber da","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"dachte sie an den Prinzen und an die Menschenseele, und das machte ihr Mut. Ihr","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"langes, wehendes Haar band sie fest um den Kopf, so daß die Polypen sie nicht","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"daran ergreifen könnten, beide Hände legte sie über der Brust zusammen und schoß","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"von dannen, schnell wie nur ein Fisch durchs Wasser schießen kann, mitten hinein","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"zwischen die häßlichen Polypen, die ihre geschmeidigen Arme und Finger nach","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ihr ausstreckten. Sie sah, wie jeder von ihnen etwas, was er aufgegriffen hatte","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"mit hundert kleinen Armen festhielt wie mit starken Eisenbanden. Menschen, die","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"in der See umgekommen waren und tief heruntergesunken waren, sahen als weiße","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Gerippe aus dem Armen der Polypen hervor. Steuerruder und Kisten hielten sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"fest, Skelette von Landtieren und eine kleine Meerjungfer, die sie gefangen und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"erstickt hatten, – das erschien ihr fast als das Schrecklichtse.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Nun gelangte sie an einen großen, mit Schleim bedeckten Platz im Walde, wo","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"große, fette Wasserschlangen sich wälzten und ihre häßlichen, weißgelben Bäuche","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"zeigten. Mitten auf dem Platze war ein Haus errichtet aus ertrunkener Menschen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"weißen Gebeinen. Da saß die Meerhexe und ließ eine Kröte von ihrem Munde essen,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"gerade wie Menschen einen kleinen Kanarienvogel Zucker picken lassen. Die","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"häßlichen, fetten Wasserschlangen nannte sie ihre kleinen Küchlein und ließ sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sich auf ihrer großen, schwammigen Brust wälzen.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Ich weiß schon, was du willst!\" sagte die Meerhexe, \"das ist zwar dumm von","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"dir, aber du sollst trotzdem deinen Willen haben, denn er wird dich ins Unglück","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"stürzen, meine schöne Prinzessin. Du willst gern deinen Fischschwanz los sein","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und dafür zwei Stümpfe haben, um darauf zu gehen, ebenso wie die Menschen, damit","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"der junge Prinz sich in dich verlieben soll und du ihn und eine unsterbliche","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Seele bekommen kannst!\" Gleichzeitig lachte die Hexe so laut und scheußlich, daß","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die Kröte und die Schlangen zur Erde fielen und sich dort wälzten. \"Du kommst","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"gerade zur rechten Zeit\" sagte die Hexe, \"morgen, wenn die Sonne aufgeht, könnte","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ich dir nicht mehr helfen, bevor wieder ein Jahr um wäre. Ich will dir einen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Trunk bereiten, mit dem sollst du, bevor die Sonne aufgeht, ans Land schwimmen,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"dich ans Ufer setzen und ihn trinken, dann verschwindet dein Schwanz und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"schrumpft zusammen zu dem, was die Menschen hübsche Beine nennen, aber es tut","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"weh, es wird sein als ob ein scharfes Schwert durch dich hindurch ginge. Alle,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die dich sehen, werden sagen, du seiest das liebreizendste Menschenkind, das","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie je gesehen hätten! Du behältst deinen schwebenden Gang, keine Tänzerin wird","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"schweben können, wie du, aber jeder Schritt, den du tust, wird sein, als ob du","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"auf scharfe Messer trätest, so daß dein Blut fließen muß. Willst du alles dies","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"erleiden, so werde ich dir helfen!\"","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Ja!\" sagte die kleine Seejungfer mit bebender Stimme und dachte an den Prinzen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und die unsterbliche Seele.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Bedenke aber,\" sagte die Hexe, \"hast du erst menschliche Gestalt bekommen,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"so kannst du nie wieder eine Seejungfer werden! Niemals wieder kannst du durch","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"das Wasser zu deinen Schwestern niedersteigen und zu deines Vaters Schloß. Und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"wenn du die Liebe des Prinzen nicht eringst, so daß er um deinetwillen Vater","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und Mutter vergißt, mit allen seinen Gedanken nur an dir hängt und den Priester","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"eure Hände ineinander legen läßt, so daß Ihr Mann und Frau werdet, so bekommst","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"du keine unsterbliche Seele! Am ersten Morgen, nachdem er sich mit einer anderen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"vermählt hat, muß dein Herz brechen, und du wirst zu Schaum auf dem Wasser.\"","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Ich will es!\" sagte die kleine Seejungfer und war bleich wie der Tod.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Aber mich mußt du auch bezahlen!\" sagte die Hexe, \"und es ist nicht wenig,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"was ich verlange. Du hast die herrlichste Stimme von allen hier unten auf dem","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Meeresgrunde, damit willst du ihn bezaubern, hast du dir wohl gedacht, aber","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die Stimme mußt du mir geben. Das beste, was du besitzest, will ich für meinen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"kostbaren Trank haben! Ich muß ja mein eigenes Blut für dich darein mischen,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"damit der Trank scharf werde, wie ein zweischneidiges Schwert!\"","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Aber wenn du mir meine Stimme nimmst,\" sagte die kleine Seejungfer, \"was","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"behalte ich dann übrig?\"","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Deine schöne Gestalt,\" sagte die Hexe, \"Deinen schwebenden Gang und deine","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sprechenden Augen, damit kannst du schon ein Menschenherz betören. Na, hast du","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"den Mut schon verloren? Streck deine kleine Zunge hervor, dann schneide ich sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ab, zur Bezahlung, und du bekommst dafür den kräftigen Trank!\"","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Es geschehe!\" sagte die kleine Seejungfer, und die Hexe setzte ihren Kessel","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"auf, um den Zaubertrank zu kochen. \"Reinlichkeit ist ein gutes Ding!\" sagte sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und scheuerte den Kessel mit Schlangen ab, die sie zu einem Knoten band. Nun","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ritzte sie sich selbst in die Brust und ließ ihr schwarzes Blut hineintropfen.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Der Dampf nahm die seltsamsten Gestalten an, so daß einem angst und bange","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"wurde. Jeden Augenblick tat die Hexe neue Sachen in den Kessel, und als es recht","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"kochte, war es, als ob ein Krokodil weint. Zuletzt war der Trank fertig, er sah","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"aus, wie das klarste Wasser.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Da hast du ihn!\" sagte die Hexe und schnitt der kleinen Seejungfer die Zunge","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ab. Nun war sie stumm und konnte weder singen noch sprechen.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Sobald du von den Polypen ergriffen wirst, wenn du durch meinen Wald zurück","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"gehst,\" sagte die Hexe, \"so wirf nur einen einzigen Tropfen von diesem Trank auf","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie, dann springen ihre Arme und Finger in tausend Stücke!\" Aber das brauchte","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die kleine Seejungfer gar nicht. Die Polypen zogen sich erschreckt vor ihr","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"zurück, als sie den leuchtenden Trank sahen, der in ihrer Hand glänzte, gerade","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"als ob sie einen funkelnden Stern hielte. So kam sie bald durch den Wald, das","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Moor und den brausenden Malstrom.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Sie konnte ihres Vaters Schloß sehen; die Lichter in dem großen Tanzsaal waren","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"gelöscht, sie schliefen gewiß alle darinnen, aber sie wagte doch nicht noch","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"einmal hinzugehen, nun sie stumm geworden war und sie auf immer verlassen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"wollte. Es war, als ob ihr Herz vor Kummer zerspringen wollte. Sie schlich sich","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"in den Garten, nahm eine Blume von jeder Schwester Beet, warf tausend Kußhände","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"zum Schlosse hin und stieg durch die dunkelblaue See empor.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als sie des Prinzen Schloß erblickte","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und die prächtige Marmortreppe emporstieg. Der Mond schien wundersam klar.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Die kleine Seejungfer trank den brennend scharfen Trank und es war ihr, als ob","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ein zweischneidiges Schwert durch ihre feinen Glieder ging. Sie wurde darüber","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ohnmächtig und lag wie tot da. Als die Sonne über die See schien, erwachte sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und fühlte einen schneidenden Schmerz, aber gerade vor ihr stand der schöne,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"junge Prinz. Er heftete seine kohlschwarzen Augen auf sie, so daß sie die","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ihren niederschlug, und nun sah sie, daß ihr Fischschwanz fort war und sie die","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"niedlichsten kleinen, weißen Füßchen hatte, die nur ein Mädchen haben kann.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Aber sie war ganz nackend, darum hüllte sie sich in ihr langes, dichtes Haar.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Der Prinz fragte, wer sie wäre und wie sie hierhergekommen sei, und sie sah","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ihn mild aber doch so traurig mit ihren dunkelblauen Augen an; sprechen konnte","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie ja nicht. Da nahm er sie bei der Hand und führte sie in das Schloß. Jeder","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Schritt, den sie tat, war, wie die Hexe es ihr vorausgesagt hatte, als ob sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"auf spitzige Nadeln und scharfe Messer träte, aber das erduldete sie gerne; an","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"des Prinzen Hand stieg sie so leicht wie eine Seifenblase empor, und er und alle","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Anderen verwunderten sich über ihren anmutig dahinschwebenden Gang.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Mit köstlichen Kleidern aus Seide und Musselin wurde sie nun bekleidet. Sie war","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die Schönste im Schlosse, aber sie war stumm, konnte weder singen noch sprechen.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Wunderschöne Sklavinnen, gekleidet in Seide und Gold, traten hervor und sangen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"vor dem Prinzen und seinen königlichen Eltern. Eine von ihnen sang schöner als","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die anderen, und der Prinz klatschte in die Hände und lächelte ihr zu. Da ward","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die kleine Seejungfer traurig, sie wußte, daß sie selbst weit schöner gesungen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"hatte! und sie dachte, \"o, wüßte er nur, daß ich, um in seiner Nähe zu sein,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"meine Stimme für alle Ewigkeit hingegeben habe!\"","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Nun tanzten die Sklavinnen lieblich schwebende Tänze zu der herrlichsten Musik.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Da hob die kleine Seejungfer ihre schönen, weißen Arme, erhob sich auf den","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Zehenspitzen und schwebte über den Boden hin, und sie tanzte, wie noch keine","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"getanzt hatte. Bei jeder Bewegung offenbarte sich ihre Schönheit anmutiger, und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ihre Augen sprachen tiefer zum Herzen, als der Gesang der Sklavinnen.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Alle waren entzückt, besonders aber der Prinz, der sie sein kleines Findelkind","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"nannte, und sie tanzte fort und fort, ob auch bei jedem Male, wenn ihr Fuß","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die Erde berührte, sie einen Schmerz fühlte, als ob sie auf scharfe Messer","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"träte. Der Prinz sagte, daß sie immer bei ihm bleiben müsse, und sie bekam die","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Erlaubnis, vor seiner Tür auf einem samtenen Kissen zu schlafen.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Er ließ ihr eine Knabentracht nähen, damit sie ihm auch zu Pferde folgen könne.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Sie ritten durch die duftenden Wälder, wo die Zweige an ihre Schultern schlugen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und die kleinen Vögel unter den frischen Blättern sangen. Sie kletterte mit","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"dem Prinzen die hohen Berge hinauf, und obgleich ihre feinen Füße bluteten, daß","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"selbst die anderen es sahen, lachte sie dessen und folgte ihm doch, bis sie die","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Wolken unter sich dahinsegeln sahen, wie einen Schwarm Vögel, der nach fremden","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Ländern zog.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Daheim auf des Prinzen Schloß, wenn nachts die anderen schliefen, ging sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die breite Marmortreppe hinab; es kühlte ihre brennenden Füße, im kalten","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Meereswasser zu stehen, und dann dachte sie derer unten in der Tiefe.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Eines Nachts kamen ihre Schwestern Arm in Arm, sie sangen so traurig, während","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie über das Wasser dahinschwammen, und sie winkte ihnen zu, und sie erkannten","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie und erzählten, wie traurig sie alle um sie seien. Sie besuchten sie von nun","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"an jede Nacht. Und in einer Nacht sah sie weit draußen die alte Grobmutter die","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"seit vielen Jahren nicht mehr über dem Wasser gewesen war, und den Meerkönig mit","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"seiner Krone auf dem Haupte. Sie streckten die Arme nach ihr aus, aber wagten","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sich nicht so nahe ans Land, wie die Schwestern.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Tag für Tag wurde sie dem Prinzen lieber, er hatte sie lieb, wie man ein gutes","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und liebes Kind gern hat, aber sie zu seiner Königin zu machen, kam ihm nicht","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"in den Sinn. Und sie mußte doch seine Frau werden, sonst erhielt sie keine","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"unsterbliche Seele und mußte an seinem Hochzeitsmorgen zu Schaum vergehen.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Hast du mich nicht am liebsten von allen?\" schienen der kleinen Seejungfer","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Augen zu fragen, wenn er sie in seine Arme nahm und sie auf die schöne Stirn","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"küßte.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Ja, du bist mir die Liebste,\" sagte der Prinz, \"denn du hast das beste Herz von","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"allen, du bist mir am meisten ergeben, und du gleichst einem jungen Mädchen, das","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ich einmal sah aber gewiß nie wieder finden werde. Ich war auf einem Schiffe,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"das unterging. Die Wogen trieben mich bei einem heiligen Tempel an das Land,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"wo mehrere junge Mädchen die Tempeldienste verrichteten. Die Jüngste fand mich","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"am Meeresufer und rettete mir das Leben. Ich sah sie nur zwei Mal. Sie ist","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die einzige in dieser Welt, die ich lieben könnte, aber du gleichst ihr, du","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"verdrängst fast ihr Bild in meiner Seele. Sie gehört dem heiligen Tempel an,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und deshalb hat mein Glücksengel dich mir gesendet. Nie wollen wir uns trennen!\"","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"– \"Ach, er weiß nicht, daß ich sein Leben gerettet habe!\" dachte die kleine","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Seejungfer, \"ich trug ihn über das Meer zu dem Walde, wo der Tempel stand; ich","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"saß hinter dem Schaum und paßte auf, ob Menschen kommen würden; ich sah das","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"schöne Mädchen, das er mehr liebt, als mich!\" Und die Seejungfer seufzte tief,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"denn weinen konnte sie nicht. \"Das Mädchen gehört dem heiligen Tempel an, hat","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"er gesagt; sie kommt nie in die Welt hinaus, sie begegnen einander nicht mehr;","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ich bin bei ihm, sehe ihn jeden Tag. Ich will ihn pflegen, ihn lieben, ihm mein","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Leben opfern!\"","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Aber nun sollte der Prinz sich verheiraten mit des Nachbarkönigs schöner","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Tochter, erzählte man. Deshalb rüstete er auch ein so prächtiges Schiff aus. Der","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Prinz reist, um des Nachbarkönigs Länder kennen zu lernen, hieß es allerdings,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"aber es geschah im Grunde genommen, um des Nachbarkönigs Tochter kennen zu","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"lernen. Ein großes Gefolge sollte ihn begleiten. Aber die kleine Seejungfer","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"schüttelte das Haupt und lächelte. Sie kannte die Gedanken des Prinzen weit","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"besser, als alle anderen. \"Ich soll reisen!\" hatte er ihr gesagt, \"ich soll","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die schöne Prinzessin sehen, meine Eltern verlangen das. Aber zwingen wollen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie mich nicht, sie als meine Braut heimzuführen. Ich kann sie ja nicht lieben!","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Sie gleicht nicht dem schönen Mädchen im Tempel, der du gleich siehst. Sollte","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ich einmal eine Braut wählen, so würdest eher du es werden, du, mein stummes","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Findelkind mit den sprechenden Augen!\" und er küßte ihren roten Mund, spielte","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"mit ihren langen Haaren und legte sein Haupt an ihr Herz, das von Menschenglück","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und einer unsterblichen Seele träumte.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Du hast doch keine Furcht vor dem Meere, mein stummes Kind!\" sagte er, als sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"auf dem prächtigen Schiffe standen, das ihn in des Nachbarkönigs Land führen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sollte. Und er erzählte ihr von Sturm und Windstille, von seltsamen Fischen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"in der Tiefe, und was der Taucher dort gesehen hatte. Sie lächelte bei seiner","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Erzählung, sie wußte ja besser als nur irgend ein Mensch im Meere bescheid.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"In der mondklaren Nacht, als alle schliefen außer dem Steuermann, der am Ruder","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"saß, saß sie an der Brüstung des Schiffes und starrte durch das klare Wasser","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"hinab, und sie vermeinte, ihres Vaters Schloß zu sehen. Oben darauf stand ihre","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"alte Großmutter mit der Silberkrone auf dem Haupte und starrte durch die wilde","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Strömung zu des Schiffes Kiel hinauf. Da kamen ihre Schwestern über das Wasser","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"empor, und sie schauten sie traurig an und rangen ihre weißen Hände. Sie winkte","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ihnen zu, lächelte und wollte erzählen, daß sie glücklich sei und es ihr gut","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"gehe, aber der Schiffsjunge näherte sich ihr, und die Schwestern tauchten hinab,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"so daß er glaubte, das Weiße, das er gesehen, sei Meeresschaum.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Am nächsten Morgen fuhr das Schiff in den Hafen bei des Nachbarkönigs prächtiger","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Stadt ein. Alle Kirchenglocken erklangen, und von den hohen Türmen wurden die","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Posaunen geblasen, während die Soldaten mit wehenden Fahnen und blinkenden","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Bajonetten dastanden. Jeder Tag brachte ein neues Fest. Bälle und Gesellschaften","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"folgten einander, aber die Prinzessin war nicht da. Sie war weit entfernt von","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"hier in einem heiligen Tempel erzogen worden, sagte man. Dort lehre man sie alle","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"königlichen Tugenden. Endlich traf sie ein.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Die kleine Seejungfer stand begierig, ihre Schönheit zu sehen, und sie mußte","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"anerkennen, eine lieblichere Erscheinung hat sie nie gesehen. Die Haut war","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"so fein und zart, und hinter den langen schwarzen Wimpern lächelte ein Paar","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"dunkelblauer, treuer Augen.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Du bist es!\" sagte der Prinz, \"Du, die mich rettete, als ich wie tot an der","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Küste lag!\" und er schloß die errötende Braut in seine Arme. \"O, ich bin allzu","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"glücklich!\" sagte er zu der kleinen Seejungfer. \"Das allerhöchste, auf was","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ich nie zu hoffen wagte, ist mir in Erfüllung gegangen. Du wirst dich mit mir","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"über mein Glück freuen, denn du meinst es von allen am besten mit mir!\" Und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die kleine Seejungfer küßte seine Hand, und sie fühlte fast ihr Herz brechen.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Sein Hochzeitsmorgen sollte ihr ja den Tod bringen und sie zu Meeresschaum","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"verwandeln.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Alle Kirchenglocken läuteten, Herolde ritten in den Straßen umher und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"verkündeten die Verlobung. Auf allen Altaren brannten duftende Öle in kostbaren","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Silberlampen. Die Priester schwangen die Räucherfässer, und Braut und Bräutigam","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"reichten einander die Hand und nahmen den Segen des Bischofs entgegen. Die","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"kleine Seejungfer stand in Gold und Seide gekleidet und hielt die Schleppe der","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Braut, aber ihre Ohren hörten nichts von der festlichen Musik, ihre Augen sahen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"nicht die heilige Zeremonie. Sie dachte an ihre Todesnacht und an alles, was sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"in dieser Welt verlor.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Noch am selben Abend gingen Braut und Bräutigam an Bord des Schiffes. Die","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Kanonen donnerten, alle Flaggen wehten, und inmitten des Schiffes war ein","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"königliches Zelt aus Gold und Purpur mit herrlichen Kissen errichtet. Dort","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sollte das Brautpaar in der kühlen, stillen Nacht schlafen.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Die Segel bauschten sich im Winde, und das Schiff glitt leicht und ohne große","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Bewegung über die klare See.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Als es dunkelte, wurden bunte Lampen entzündet, und die Seeleute tanzten lustige","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Tänze auf dem Deck. Die kleine Seejungfer mußte des ersten Abends gedenken,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"da sie aus dem Meere auftauchte und dieselbe Pracht und Freude mit angesehen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"hatte. Und sie wirbelte mit im Tanze, schwebte, wie die Schwalbe schwebt, wenn","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie verfolgt wird, und alle jubelten ihr Bewunderung zu, denn noch nie hatte","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie so wundersam getanzt; es schnitt wie mit scharfen Messern in ihre zarten","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Füße, aber sie fühlte es nicht, denn weit mehr schmerzte ihr Herz. Sie wußte, an","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"diesem Abend sah sie ihn zum letzten Male, ihn, um dessen willen sie die Heimat","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"verlassen hatte, für den sie ihre herrliche Stimme hingegeben hatte, und für","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"den sie täglich unendliche Qualen erlitten hatte, ohne daß er es auch nur ahnte.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Es war die letzte Nacht, daß sie dieselbe Luft mit ihm atmete, das tiefe Meer","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und den blauen Sternenhimmel erblickte. Ewige Nacht ohne Gedanken und Träume","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"wartete ihrer, die eine Seele nicht hatte und sie nimmermehr gewinnen konnte.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Und ringsum war Lust und Fröhlichkeit auf dem Schiffe bis weit über Mitternacht","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"hinaus. Sie lächelte und tanzte mit Todesgedanken im Herzen. Der Prinz küßte","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"seine schöne Braut, und sie spielte mit seinem schwarzen Haar, und Arm in Arm","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"gingen sie zur Ruhe in das prächtige Zelt.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Es wurde ruhig und still auf dem Schiffe, nur der Steuermann stand am Ruder.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Die kleine Seejungfer legte ihre weißen Arme auf die Schiffsbrüstung und sah","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"nach Osten der Morgenröte entgegen. Der erste Sonnenstrahl, wußte sie, würde","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie töten. Da sah sie ihre Schwestern aus dem Meere aufsteigen, sie waren bleich","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"wie sie selbst; ihre langen schönen Haare wehten nicht mehr im Winde. Sie waren","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"abgeschnitten.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Wir haben sie der Hexe gegeben, damit sie dir Hilfe bringen sollte und du","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"nicht in dieser Nacht sterben mußt! Sie hat uns ein Messer gegeben. Hier ist es!","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Siehst du, wie scharf es ist? Bevor die Sonne aufgeht, mußt du es dem Prinzen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"ins Herz stoßen, und wenn sein warmes Blut über deine Füße spritzt, wachsen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sie zu einem Fischschwanz zusammen und du wirst wieder eine Seejungfer, kannst","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"zu uns ins Wasser herniedersteigen und noch dreihundert Jahre leben, ehe du zu","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"totem, kaltem Meeresschaum wirst. Beeile dich! Er oder du mußt sterben, bevor","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"die Sonne aufgeht. Unsere alte Großmutter trauert so sehr, daß ihr weißes Haar","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"abgefallen ist, wie das unsere von der Schere der Hexe. Töte den Prinzen und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"komm zurück! Beeile dich! Siehst du den roten Streifen am Himmel. In wenigen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Minuten steigt die Sonne empor, und dann mußt du sterben!\" und sie stießen einen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"tiefen Seufzer aus und versanken in den Wogen.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Die kleine Seejungfer zog den purpurnen Teppich vor dem Zelte fort, und sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"sah die schöne Braut, ihr Haupt an der Brust des Prinzen gebettet, ruhen. Da","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"beugte sie sich nieder, küßte ihn auf seine schöne Stirn, sah zum Himmel auf,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"wo die Morgenröte mehr und mehr aufleuchtete, sah auf das scharfe Messer und","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"heftete die Augen wieder auf den Prinzen, der im Traume den Namen seiner Braut","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"flüsterte. Sie nur lebte in seinen Gedanken, und das Messer zitterte in der Hand","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"der Seejungfer, – dann aber schleuderte sie es weit hinaus in die Wogen. Sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"glänzten rot, und wo es hinfiel, sah es aus, als ob Blutstropfen aus dem Wasser","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"aufquollen. Noch einmal sah sie mit halbgebrochenem Auge auf den Prinzen, dann","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"stürzte sie sich vom Schiffe ins Meer hinab und fühlte, wie ihre Glieder sich in","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Schaum auflösten.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Nun stieg die Sonne aus dem Meere empor. Ihre Strahlen fielen so mild und warm","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"auf den todeskalten Meeresschaum, und die kleine Seejungfer fühlte den Tod","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"nicht. Sie sah die klare Sonne, und über ihr schwebten hunderte von herrlichen,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"durchsichtigen Geschöpfen. Durch sie hindurch konnte sie des Schiffes weiße","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Segel sehen und des Himmels rote Wolken, ihre Stimmen waren wie Musik, aber so","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"geisterhaft, daß kein menschliches Ohr sie vernehmen konnte, ebenso wie kein","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"menschliches Auge sie wahrnehmen konnte. Ohne Flügel schwebten sie durch ihre","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"eigene Leichtigkeit in der Luft dahin. Die kleine Seejungfer sah, daß sie einen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Körper hatte, wie diese Wesen, der sich mehr und mehr aus dem Schaume erhob.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Zu wem komme ich?\" fragte sie, und ihre Stimme klang wie die der anderen Wesen,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"so geisterhaft zart, daß keine irdische Musik es wiederzugeben vermag.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Zu den Töchtern der Luft!\" antworteten die anderen. \"Seejungfrauen haben keine","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"unsterbliche Seele und können nie eine erringen, es sei denn, daß sie die Liebe","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"eines Menschen gewinnen! Von einer fremden Macht hängt ihr ewiges Dasein ab.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Die Töchter der Luft haben auch keine unsterbliche Seele, aber sie können sich","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"durch gute Taten selbst eine schaffen. Wir fliegen zu den warmen Ländern, wo die","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"schwüle Pestluft die Menschen tötet; dort fächeln wir Kühlung. Wir verbreiten","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"den Duft der Blumen durch die Lüfte und senden Erquickung und Heilung. Wenn","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"wir dreihundert Jahre lang danach gestrebt haben, alles Gute zu tun, was wir","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"vermögen, so erhalten wir eine unsterbliche Seele und nehmen teil an der ewigen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Glückseligkeit der Menschen. Du arme, kleine Seejungfer hast von ganzem Herzen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"dasselbe erstrebt, wie wir. Du hast gelitten und geduldet, hast dich nun zur","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Welt der Luftigeister erhoben und kannst jetzt selbst durch gute Werke dir eine","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"unsterbliche Seele schaffen nach dreihundert Jahren.\"","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Und die kleine Seejungfer hob ihre durchsichtigen Arme empor zu Gottes Sonne,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"und zum ersten Male fühlte sie Tränen in ihre Augen steigen. – Auf dem Schiffe","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"erwachte wieder Geräusch und Leben, sie sah den Prinzen mit seiner schönen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Braut nach ihr suchen, wehmütig starrten sie in den wogenden Schaum, als ob sie","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"wüßten, daß sie sich in die Wogen gestürzt hatte. Unsichtbar küßte sie die Stirn","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"der Braut, lächelte dem Prinzen zu und stieg dann mit den anderen Kindern der","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Luft zu der rosenroten Wolke hinauf, die über ihnen dahinsegelte.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"In dreihundert Jahren schweben wir so in Gottes Reich\"","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"\"Auch noch frühzeitiger können wir dorthin gelangen!\" flüsterte eine der eine","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"der Lufttöchter ihr zu. \"Unsichtbar schweben wir in die Häuser der Menschen,","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"wo Kinder sind, und um jeden Tag, an dem wir ein gutes Kind finden, das seinen","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Eltern Freude macht und ihre Liebe verdient, verkürzt Gott unsere Prüfungszeit.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Das Kind weiß nicht, wann wir in die Stube fliegen, und wenn wir vor Freude","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"über ein Kind lächeln, so wird uns ein Jahr von den dreihundert geschenkt. Aber","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"wenn wir ein unartiges und böses Kind sehen, dann müssen wir Tränen des Kummers","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"vergießen, und jede Träne legt unsere Prüfungszeit einen Tag hinzu.","book":"Die kleine Seejungfer"} {"text":"Vor vielen Jahren lebte ein Kaiser, der so ungeheuer viel auf neue Kleider","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"hielt, daß er all sein Geld dafür ausgab, um recht geputzt zu sein. Er kümmerte","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"sich nicht um seine Soldaten, kümmerte sich nicht um Theater und liebte es","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"nicht, in den Wald zu fahren, außer um seine neuen Kleider zu zeigen. Er hatte","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"einen Rock für jede Stunde des Tages, und ebenso wie man von einem König sagte,","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"er ist im Rat, so sagte man hier immer: \"Der Kaiser ist in der Garderobe!\"","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"In der großen Stadt, in der er wohnte, ging es sehr munter her. An jedem Tag","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"kamen viele Fremde an, und eines Tages kamen auch zwei Betrüger, die gaben sich","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"für Weber aus und sagten, daß sie das schönste Zeug, was man sich denken könne,","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"zu weben verstanden. Die Farben und das Muster seien nicht allein ungewöhnlich","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"schön, sondern die Kleider, die von dem Zeuge genäht würden, sollten die","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"wunderbare Eigenschaft besitzen, daß sie für jeden Menschen unsichtbar seien,","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"der nicht für sein Amt tauge oder der unverzeihlich dumm sei.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"'Das wären ja prächtige Kleider', dachte der Kaiser; wenn ich solche hätte,","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"könnte ich ja dahinterkommen, welche Männer in meinem Reiche zu dem Amte, das","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"sie haben, nicht taugen, ich könnte die Klugen von den Dummen unterscheiden! Ja,","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"das Zeug muß sogleich für mich gewebt werden!' Er gab den beiden Betrügern viel","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Handgeld, damit sie ihre Arbeit beginnen sollten.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Sie stellten auch zwei Webstühle auf, taten, als ob sie arbeiteten, aber sie","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"hatten nicht das geringste auf dem Stuhle. Trotzdem verlangten sie die feinste","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Seide und das prächtigste Gold, das steckten sie aber in ihre eigene Tasche und","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"arbeiteten an den leeren Stühlen bis spät in die Nacht hinein.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"'Nun möchte ich doch wissen, wie weit sie mit dem Zeuge sind!' dachte der","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Kaiser, aber es war ihm beklommen zumute, wenn er daran dachte, daß keiner,","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"der dumm sei oder schlecht zu seinem Amte tauge, es sehen könne. Er glaubte","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"zwar, daß er für sich selbst nichts zu fürchten brauche, aber er wollte doch","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"erst einen andern senden, um zu sehen, wie es damit stehe. Alle Menschen in","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"der ganzen Stadt wußten, welche besondere Kraft das Zeug habe, und alle waren","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"begierig zu sehen, wie schlecht oder dumm ihr Nachbar sei.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"'Ich will meinen alten, ehrlichen Minister zu den Webern senden', dachte der","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Kaiser, er kann am besten beurteilen, wie der Stoff sich ausnimmt, denn er hat","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Verstand, und keiner versieht sein Amt besser als er!'","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Nun ging der alte, gute Minister in den Saal hinein, wo die zwei Betrüger saßen","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"und an den leeren Webstühlen arbeiteten. 'Gott behüte uns!' dachte der alte","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Minister und riß die Augen auf. 'Ich kann ja nichts erblicken!' Aber das sagte","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"er nicht.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Beide Betrüger baten ihn näher zu treten und fragten, ob es nicht ein hübsches","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Muster und schöne Farben seien. Dann zeigten sie auf den leeren Stuhl, und der","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"arme, alte Minister fuhr fort, die Augen aufzureißen, aber er konnte nichts","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"sehen, denn es war nichts da. 'Herr Gott', dachte er, sollte ich dumm sein?","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Das habe ich nie geglaubt, und das darf kein Mensch wissen! Sollte ich nicht zu","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"meinem Amte taugen? Nein, es geht nicht an, daß ich erzähle, ich könne das Zeug","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"nicht sehen!'","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"\"Nun, Sie sagen nichts dazu?\" fragte der eine von den Webern.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"\"Oh, es ist niedlich, ganz allerliebst!\" antwortete der alte Minister und sah","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"durch seine Brille. \"Dieses Muster und diese Farben! - Ja, ich werde dem Kaiser","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"sagen, daß es mir sehr gefällt!\"","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"\"Nun, das freut uns!\" sagten beide Weber, und darauf benannten sie die Farben","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"mit Namen und erklärten das seltsame Muster. Der alte Minister merkte gut auf,","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"damit er dasselbe sagen könne, wenn er zum Kaiser zurückkomme, und das tat er","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"auch.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Nun verlangten die Betrüger mehr Geld, mehr Seide und mehr Gold zum Weben. Sie","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"steckten alles in ihre eigenen Taschen, auf den Webstuhl kam kein Faden, aber","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"sie fuhren fort, wie bisher an den leeren Stühlen zu arbeiten.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Der Kaiser sandte bald wieder einen anderen tüchtigen Staatsmann hin, um zu","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"sehen, wie es mit dem Weben stehe und ob das Zeug bald fertig sei; es ging ihm","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"aber gerade wie dem ersten, er guckte und guckte; weil aber außer dem Webstuhl","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"nichts da war, so konnte er nichts sehen.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"\"Ist das nicht ein ganz besonders prächtiges und hübsches Stück Zeug?\" fragten","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"die beiden Betrüger und zeigten und erklärten das prächtige Muster, das gar","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"nicht da war.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"'Dumm bin ich nicht', dachte der Mann; es ist also mein gutes Amt, zu dem ich","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"nicht tauge! Das wäre seltsam genug, aber das muß man sich nicht merken lassen!'","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Daher lobte er das Zeug, das er nicht sah, und versicherte ihnen seine Freude","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"über die schönen Farben und das herrliche Muster. \"Ja, es ist ganz allerliebst!\"","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"sagte er zum Kaiser.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Alle Menschen in der Stadt sprachen von dem prächtigen Zeuge. Nun wollte der","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Kaiser es selbst sehen, während es noch auf dem Webstuhl sei. Mit einer ganzen","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Schar auserwählter Männer, unter denen auch die beiden ehrlichen Staatsmänner","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"waren, die schon früher dagewesen, ging er zu den beiden listigen Betrügern hin,","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"die nun aus allen Kräften webten, aber ohne Faser oder Faden.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"\"Ja, ist das nicht prächtig?\" sagten die beiden ehrlichen Staatsmänner. \"Wollen","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Eure Majestät sehen, welches Muster, welche Farben?\" und dann zeigten sie auf","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"den leeren Webstuhl, denn sie glaubten, daß die andern das Zeug wohl sehen","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"könnten.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"'Was!' dachte der Kaiser; ich sehe gar nichts! Das ist ja erschrecklich! Bin","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"ich dumm? Tauge ich nicht dazu, Kaiser zu sein? Das wäre das Schrecklichste,","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"was mir begegnen könnte.' \"Oh, es ist sehr hübsch,\" sagte er; \"es hat meinen","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"allerhöchsten Beifall!\" und er nickte zufrieden und betrachtete den leeren","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Webstuhl; er wollte nicht sagen, daß er nichts sehen könne. Das ganze Gefolge,","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"was er mit sich hatte, sah und sah, aber es bekam nicht mehr heraus als alle","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"die andern, aber sie sagten gleich wie der Kaiser: \"Oh, das ist hübsch!\" und sie","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"rieten ihm, diese neuen prächtigen Kleider das erste Mal bei dem großen Feste,","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"das bevorstand, zu tragen.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"\"Es ist herrlich, niedlich, ausgezeichnet!\" ging es von Mund zu Mund, und man","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"schien allerseits innig erfreut darüber. Der Kaiser verlieh jedem der Betrüger","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"ein Ritterkreuz, um es in das Knopfloch zu hängen, und den Titel Hofweber.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Die ganze Nacht vor dem Morgen, an dem das Fest stattfinden sollte, waren die","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Betrüger auf und hatten sechzehn Lichte angezündet, damit man sie auch recht","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"gut bei ihrer Arbeit beobachten konnte. Die Leute konnten sehen, daß sie stark","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"beschäftigt waren, des Kaisers neue Kleider fertigzumachen. Sie taten, als","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"ob sie das Zeug aus dem Webstuhl nähmen, sie schnitten in die Luft mit großen","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Scheren, sie nähten mit Nähnadeln ohne Faden und sagten zuletzt: \"Sieh, nun sind","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"die Kleider fertig!\"","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Der Kaiser mit seinen vornehmsten Beamten kam selbst, und beide Betrüger hoben","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"den einen Arm in die Höhe, gerade, als ob sie etwas hielten, und sagten: \"Seht,","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"hier sind die Beinkleider, hier ist das Kleid, hier ist der Mantel!\" und so","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"weiter. \"Es ist so leicht wie Spinnwebe; man sollte glauben, man habe nichts auf","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"dem Körper, aber das ist gerade die Schönheit dabei!\"","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"\"Ja!\" sagten alle Beamten, aber sie konnten nichts sehen, denn es war nichts da.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"\"Belieben Eure Kaiserliche Majestät Ihre Kleider abzulegen,\" sagten die","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Betrüger, \"so wollen wir Ihnen die neuen hier vor dem großen Spiegel anziehen!\"","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Der Kaiser legte seine Kleider ab, und die Betrüger stellten sich, als ob sie","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"ihm ein jedes Stück der neuen Kleider anzogen, die fertig genäht sein sollten,","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"und der Kaiser wendete und drehte sich vor dem Spiegel.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"\"Ei, wie gut sie kleiden, wie herrlich sie sitzen!\" sagten alle. \"Welches","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Muster, welche Farben! Das ist ein kostbarer Anzug!\" -","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"\"Draußen stehen sie mit dem Thronhimmel, der über Eurer Majestät getragen werden","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"soll!\" meldete der Oberzeremonienmeister.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"\"Seht, ich bin ja fertig!\" sagte der Kaiser. \"Sitzt es nicht gut?\" und dann","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"wendete er sich nochmals zu dem Spiegel; denn es sollte scheinen, als ob er","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"seine Kleider recht betrachte.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Die Kammerherren, die das Recht hatten, die Schleppe zu tragen, griffen mit","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"den Händen gegen den Fußboden, als ob sie die Schleppe aufhöben, sie gingen und","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"taten, als hielten sie etwas in der Luft; sie wagten es nicht, es sich merken zu","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"lassen, daß sie nichts sehen konnten.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"So ging der Kaiser unter dem prächtigen Thronhimmel, und alle Menschen auf","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"der Straße und in den Fenstern sprachen: \"Wie sind des Kaisers neue Kleider","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"unvergleichlich! Welche Schleppe er am Kleide hat! Wie schön sie sitzt!\" Keiner","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"wollte es sich merken lassen, daß er nichts sah; denn dann hätte er ja nicht","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"zu seinem Amte getaugt oder wäre sehr dumm gewesen. Keine Kleider des Kaisers","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"hatten solches Glück gemacht wie diese.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"\"Aber er hat ja gar nichts an!\" sagte endlich ein kleines Kind. \"Hört die Stimme","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"der Unschuld!\" sagte der Vater; und der eine zischelte dem andern zu, was das","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Kind gesagt hatte.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"\"Aber er hat ja gar nichts an!\" rief zuletzt das ganze Volk. Das ergriff den","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"Kaiser, denn das Volk schien ihm recht zu haben, aber er dachte bei sich: 'Nun","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"muß ich aushalten.' Und die Kammerherren gingen und trugen die Schleppe, die gar","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"nicht da war.","book":"Des Kaisers neue Kleider"} {"text":"1. Ein Anfang.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Es war einmal in Kopenhagen in einem der Häuser in der Nähe vom Königsneumarkt","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"eine große Gesellschaft eingeladen, denn das muß zwischendurch auch einmal sein,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"dann ist es abgemacht, und man kann auch wieder eingeladen werden. Die eine","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Hälfte der Gesellschaft saß schon an den Spieltischen, und die andere Hälfte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"wartete ab, was sich entwickeln würde, denn die Hausfrau hatte gesagt: \"Nun,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"was tun wir jetzt!\" Soweit war man nun, und die Unterhaltung ging ziemlich","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"lebhaft. Unter anderem kam auch die Rede auf das Mittelalter. Einzelne sahen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"es für weit schöner an als die Jetztzeit, ja, Justizrat Knap verteidigte diese","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Meinung so eifrig, daß die Frau des Hauses es sofort mit ihm hielt, und beide","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"eiferten nun gegen Oerstedts Artikel im Almanach über alte und neue Zeit, worin","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"unserem Zeitalter im wesentlichen der Vorrang eingeräumt wird. Justizrat Knap","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"betrachtete die Zeit des dänischen Königs Hans als die hervorragendste und","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"glücklichste.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Während dieses Wortkampfes für und wider, der kaum einen Augenblick aussetzte,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"als die Zeitung ankam, aber in der auch weiter nichts Lesenswertes stand, wollen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"wir in das Vorzimmer hinausgehen, wo Mäntel, Stöcke, Regenschirme und Galoschen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ihren Platz hatten. Hier saßen zwei Mädchen, eine Junge und eine alt. Man","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"glaubte, sie seien gekommen, um ihre Herrschaft heimzugeleiten, irgendein altes","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Fräulein oder eine Witwe; sah man sie aber genauer an, so bemerkte man bald, daß","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"sie keine gewöhnlichen Dienstmädchen waren; dazu waren ihre Hände zu fein, ihre","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Haltung und die Art, sich zu bewegen, zu königlich, und auch die Kleider hatten","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"einen ganz eigentümlich freien Schnitt. Es waren zwei Feen, die jüngere war wohl","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"nicht das Glück selbst, aber eins der Kammermädchen ihrer Kammerjungfern, die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"die geringeren Gaben des Glückes verteilen, die ältere sah tiefernst aus. Es war","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"die Trauer. Sie besorgt immer in höchsteigener Person ihre Angelegenheiten; dann","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"weiß sie, daß sie wohl ausgeführt werden.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Sei erzählten einander, wo sie heute gewesen waren. Das Laufmädchen des Glückes","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"hatte nur einige unbedeutende Sachen besorgt, sie hatte, wie sie sagte, einen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"neuen Hut vor dem Regen bewahrt, einem ehrlichen Manne einen Gruß von einer","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"vornehmen Null verschafft und ähnliches, aber was nun noch übrig war, war etwas","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ganz Ungewöhnliches.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Ich muß doch erzählen,\" sagte sie, \"daß heute mein Geburtstag ist und dem zu","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Ehren sind mir ein Paar Galoschen anvertraut worden, die ich der Menschheit","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"bringen soll. Diese Galoschen haben die Eigenschaft, daß jeder, der sie anzieht,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"sogleich an die Stelle oder in die Zeit versetzt wird, wo er am liebsten sein","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"möchte. Jeder Wunsch in Hinsicht auf Zeit oder Ort wird augenblicklich erfüllt,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"und die Menschheit wird endlich einmal glücklich sein hinieden!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Ja, das glaubst du!\" sagte die Trauer, \"sie wird unglücklich werden und den","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Augenblick segnen, wo sie die Galoschen wieder los wird!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Wo denkst du hin!\" sagte die andere. \"Nun stelle ich sie hier an die Tür, einer","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"irrt sich beim Zugreifen und wird der Glückliche!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Sieh, das war ihr Gespräch!","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"2. Wie es dem Justizrat erging.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Es war spät. Justizrat Knap, noch ganz vertieft in König Hans Zeit, wollte nach","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Hause, und nun war es ihm beschieden, daß er an Stelle seiner Galoschen die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"des Glückes bekam, als er nun auf die Oststraße hinaustrat; jedoch durch der","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Galoschen Zauberkraft war er in die Zeit des Königs Hans zurückversetzt, und","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"deshalb setzte er seinen Fuß mitten in Schlamm und Morast auf der Straße, da es","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"in jenen Zeiten noch keine gepflasterten Wege gab.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Es ist ja fürchterlich, wie schmutzig es hier ist!\" sagte der Justizrat. \"Der","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ganze Bürgersteig ist weg, und alle Laternen sind aus!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Der Mond war noch nicht aufgegangen und die Luft überdies ziemlich neblig, so","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"daß alles ringsum im Dunkel verschwamm. An der nächsten Ecke hing jedoch eine","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Laterne vor einem Madonnenbilde, aber diese Beleuchtung war so gut wie keine, er","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"bemerkte sie erst, als er gerade darunter stand und seine Augen auf das gemalte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Bild mit Mutter und Kind fielen.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Das ist wahrscheinlich,\" dachte er, \"eine Kunsthandlung, wo vergessen worden","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ist, das Schild hereinzunehmen!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Ein paar Menschen, in der damaligen Tracht, gingen an ihm vorbei.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Wie sahen die denn aus! Sie kamen wahrscheinlich von einem Maskenfest!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Da erklangen mit einem Male Trommeln und Pfeifen, und Fackeln leuchteten auf.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Der Justizrat blieb stehen und sah nun einen wunderlichen Zug vorbeiziehen.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Voran ging ein ganzer Trupp Trommelschläger die ihr Instrument recht artig","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"bearbeiteten, ihnen folgten Trabanten mit Bogen und Armbrüsten. Der Vornehmste","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"im Zuge war ein geistlicher Herr. Erstaunt fragte der Justizrat, was das zu","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"bedeuten habe und wer jener Mann wäre.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Das ist der Bischof von Seeland!\" antwortete man ihm.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Herrgott! was fällt denn dem Bischof ein?\" seufzte der Justizrat und schüttelte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"mit dem Kopfe. Der Bischof konnte es doch nicht gut sein. Darüber nachgrübelnd","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"und nicht rechts, nicht links blickend ging der Justizrat durch die Oststraße","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"über den Hohenbrückenplatz. Die Brücke zum Schloßplatz war nicht zu finden. Er","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"sah undeutlich ein seichtes Flußufer und stieß hier endlich auf zwei Männer, die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ein Boot bei sich hatten.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Will der Herr nach dem Holm übergesetzt werden?\" fragten sie.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Nach dem Holm hinüber?\" sagte der Justizrat, der ja nicht wußte, in welchem","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Zeitalter er herumwanderte. \"Ich will nach Christianshafen hinaus in die kleine","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Torfgasse!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Die Männer sahen ihn an.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Sagt mir doch, wo die Brücke ist!\" sagte er. \"Es ist schändlich, daß hier keine","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Laternen angezündet sind, und dann ist es ein Schmutz hier, als ob man im Sumpf","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"watete!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Je länger er mit den Bootsmännern sprach, um so unverständlicher wurden sie ihm.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Ich kann euer Bornholmisch nicht verstehen!\" sagte er zuletzt wütend und wandte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ihnen den Rücken. Die Brücke konnte er nicht finden; ein Geländer war auch","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"nicht da! \"Es ist ein Skandal, wie es hier aussieht!\" sagte er. Niemals hatte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"er sein Zeitalter elender gefunden, als an diesem Abend. \"Ich glaube, ich werde","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"eine Droschke nehmen müssen!\" dachte er, aber wo eine hernehmen? Zu sehen war","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"jedenfalls keine. \"Ich werde zum Königsneumarkt zurückgehen müssen, dort halten","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"wohl Wagen, sonst komme ich nie nach Christianshafen hinaus!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Nun ging er die Oststraße zurück und war fast an ihrem Ende, als der Mond","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"hervorkam.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Herr Gott, was ist denn hier für ein Gerüst aufgestellt worden!\" sagte er, als","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"er das Osttor sah, das zu jener Zeit die Oststraße abschloß.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Endlich fand er doch eine kleine Pforte, und durch diese kam er bei unserem","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Neumarkt heraus, das war damals ein großer Wiesengrund; einzelnes Gesträuch","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"wuchs wild durcheinander, und quer über die Wiese ging ein breiter Kanal oder","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Strom. Einige verwahrloste Holzbuden für die holländischen Schiffer, nach","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"welchen der Ort den Namen \"Hollandsau\" trug, lagen auf dem gegenüberliegenden","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Ufer.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Entweder sehe ich eine Fata Morgana, wie man es nennt, oder ich bin betrunken!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"jammerte der Justizrat. \"Was ist das nur! Was ist das nur!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Er kehrte wieder zurück in dem festen Glauben daß er krank sei; als er in die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Straße einbog, sah er sich die Häuser etwas genauer an. Die meisten waren aus","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Fachwerk, und viele hatten nur ein Strohdach.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Nein, es geht mir doch gar nicht gut!\" seufzte er, \"und ich habe doch nur ein","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Glas Punsch getrunken aber ich kann ihn nicht vertragen! Und es war auch ganz","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"und gar verkehrt, uns Punsch und warmen Lachs zu geben. Das werde ich der Dame","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"auch einmal sagen. Ob ich zurückgehen und sie wissen lassen sollte, was das bei","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"mir für Folgen hat. Aber das ist auch peinlich und wer weiß, ob sie überhaupt","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"noch auf sind!\" Er suchte nach dem Hause, konnte es aber nirgends finden.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Es ist doch schrecklich! Ich kann die Oststraße nicht wiedererkennen! Nicht","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ein Laden ist da. Alte, elende Hütten sehe ich, als ob ich in Roskilde oder","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Ringstedt wäre! Ach, ich bin krank. Es nutzt nichts, sich zu genieren. Aber wo","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"in aller Welt ist doch das Haus, aus dem ich eben fortging. Es ist nicht mehr","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"dasselbe. Aber dort drinnen sind wenigstens noch Leute wach. Ach, ich bin ganz","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"bestimmt krank!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Nun stieß er auf eine halboffene Türe, durch deren Spalt Licht fiel. Es war","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"eine der Herbergen der damaligen Zeit, eine Art Bierhaus. Die Stube hatte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"das Aussehen einer holsteinischen Diele. Eine ganze Menge guter Bürger,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"bestehend aus Schiffern, kopenhagener Patriziern und ein paar Gelehrten saßen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"hier in Gespräche vertieft bei ihren Krügen und gaben nur wenig acht auf den","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Eintretenden.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Verzeihung!\" sagte der Justizrat zu der Wirtin, die ihm entgegenkam, \"mir","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ist plötzlich unwohl geworden! Wollen Sie mir nicht eine Droschke nach","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Christianshavn hinaus holen lassen?\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Die Frau sah ihn an und schüttelte den Kopf; darauf sprach sie ihn in deutscher","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Sprache an. Der Justizrat nahm an, daß sie der dänischen Zunge nicht mächtig","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"sei und brachte daher seinen Wunsch auf deutsch vor; dies, wie auch seine Tracht","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"bestärkten die Frau darin, daß sie einen Ausländer vor sich habe; daß er sich","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"krank fühle, begriff sie schnell und gab ihm deshalb einen Krug Wasser, das","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"freilich abgestanden schmeckte, obgleich es aus dem Brunnen war.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Der Justizrat stützte seinen Kopf in die Hand, holte tief Luft und grübelte über","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"all das Seltsame rundum.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Ist das 'Der Tag' von heute abend?\" fragte er, nur um etwas zu sagen, als er","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"die Frau ein großes Stück Papier weglegen sah.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Sie verstand nicht, was er meinte, reichte ihm aber das Blatt. Es war ein","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Holzschnitt, der eine Lufterscheinung, die sich in der Stadt Köln gezeigt hatte,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"darstellte.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Das ist sehr alt!\" sagte der Justizrat und wurde ganz aufgeräumt bei dem","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Gedanken, daß er ein so altes Stück entdeckt habe. \"Wie sind Sie zu diesem","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"seltenen Blatte gekommen? Das ist sehr interessant, obgleich es eine Fabel","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ist. Man erklärt sich dergleichen Lufterscheinungen als Nordlichter. Aber","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"wahrscheinlich werden sie durch Elektrizität hervorgerufen!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Diejenigen, die in der Nähe saßen und seine Rede gehört hatten, sahen verwundert","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"zu ihm auf, und einer von ihnen erhob sich, lüftete ehrerbietig den Hut und","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"sagte mit der ernsthaftesten Miene: \"Ihr seid gewiß ein hochgelehrter Herr,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Monsieur!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"O nein,\" erwiderte der Justizrat, \"ich kann nur von diesem und jenen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"mitsprechen, wie es ja ein jeder können sollte!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Bescheidenheit ist eine schöne Tugend!\" sagte der Mann. \"Im übrigen muß ich","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"zu Eurer Rede sagen, daß ich anderer Meinung bin, doch will ich hier gern mein","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Urteil zurückhalten!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Darf ich nicht fragen, mit wem ich das Vergnügen habe, zu sprechen?\" fragte der","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Justizrat.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Ich bin Baccalaureus der Heiligen Schrift!\" antwortete der Mann.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Diese Antwort war dem Justizrat genug. Der Titel entsprach hier der Tracht; es","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ist sicher, so dachte er, ein alter Landschulmeister, so ein sonderlicher Kauz","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"wie man sie noch ab und zu in Jütland da oben antrifft.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Hier ist wohl nicht eigentlich der rechte Ort zu Gesprächen,\" begann der","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Mann, \"doch bitte ich euch, euch zum Sprechen zu verstehen. Ihr seid gewiß sehr","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"belesen in den Alten!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"O ja, einigergmaßen!\" antwortete der Justizrat, \"ich lese gern alte,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"nützliche Schriften, aber ich habe auch viel für die neueren übrig, nur nicht","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"für die Alltagsgeschichten, die erleben wir genug in der Wirklichkeit!\" -","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Alltagsgeschichten?\" fragte unser Baccalureus.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Ja, ich meine diese neuen Romane, die man jetzt hat.\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"O,\" lächelte der Mann, \"sie enthalten doch viel Geist und werden auch bei Hofe","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"gelesen; der König liebt besonders den Roman von Herrn Ivent und Herrn Gaudian,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"der von König Artus und den Rittern seiner Tafelrunde handelt. Er hat darüber","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"mit seinen hohen Herren gescherzt!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Ja, den habe ich noch nicht gelesen!\" sagte der Justizrat, \"das muß etwas ganz","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"neues sein, das Heiberg herausgegeben hat!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Nein,\" antwortete der Mann, \"der ist nicht bei Heiberg herausgekommen, sondern","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"bei Gottfried von Gehmen!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"So ist das der Verfasser?\" fragte der Justizrat. \"Das ist ein sehr alter Name.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Das ist ja der erste Buchdrucker, den es in Dänemark gab.\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Ja, das ist unser erster Buchdrucker!\" sagte der Mann. Bis dahin ging alles","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"gut; nun sprach einer der guten Bürgersleute von der schrecklichen Pestilenz,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"die vor ein paar Jahren geherrscht habe, und meinte damit die vom Jahre 1484.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Der Justizrat nahm an, daß von der Cholera die Rede sei, und so ging der","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Diskurs recht gut vonstatten. Der Freibeuterkrieg von 1490 lag nahe, daß er","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"berührt werden mußte. Die englischen Freibeuter hätten die Schiffe von der Reede","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"genommen, meinten sie, und der Justizrat, der sich so recht in die Begebenheiten","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"von 1801 hineingelebt hatte, stimmte vortrefflich gegen die Engländer mit","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ein. Die übrige Unterhaltung dagegen lief nicht so gut ab. Jeden Augenblick","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"schulmeisterten sie sich gegenseitig. Der gute Baccalaureus war doch allzu","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"unwissend, und ihm erschienen des Justizrats einfachste Bemerkungen zu dreist","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"und fantastisch. Sie sahen einander scharf an, und wurde es gar zu arg, so","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"sprach der Baccalaureus Latein, weil er glaubte, so besser verstanden zu werden,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"aber es half nicht viel.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Wie geht es euch!\" fragte die Wirtin und zog den Justizrat am Ärmel; da kehrte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"seine Besinnung zurück, denn beim Gespräche hatte er alles vergessen, was","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"vorausgegangen war.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Herrgott, wo bin ich?\" fragte er, und es schwindelte ihm, während er es","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"bedachte.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Klaret wollen wir trinken! Met und Bremer Bier!\" rief einer der Gäste, \"und Ihr","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"sollt mithalten!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Zwei Mädchen kamen herein. Die eine hatte eine zwiefarbene Haube. Sie schenkten","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ein und neigten sich zu ihm. Dem Justizrat lief es eiskalt über den Rücken.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Was ist das nur! Was ist das nur!\" sagte er, aber er mußte mit ihnen trinken.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Sie ergriffen ganz artig Besitz von dem guten Mann, und er war aufs höchste","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"verzweifelt. Als dann einer sagte, er sei betrunken, zweifelte er durchaus nicht","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"an des Mannes Wort und bat ihn nur, ihm doch ein Droschke herbeizuschaffen. Da","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"glaubten sie, er rede moskowitisch.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Niemals war er in so roher und beschränkter Gesellschaft gewesen. \"Man könnte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"fast glauben, das Land sei zum Heidentum zurückgekehrt,\" meinte er, \"dies ist","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"der schrecklichste Augenblick meines Lebens!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Aber gleichzeitig kam ihm der Gedanke, sich unter den Tisch zu bücken, zur","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Tür hinzukriechen und zu sehen, wie er hinausschlüpfen könne. Aber als er am","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Ausgange war, merkten die anderen, was er vorhatte; sie ergriffen ihn bei den","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Beinen, und da, zu seinem größten Glück, gingen die Galoschen ab – und mit","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"diesen der ganze Zauber.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Der Justizrat sah ganz deutlich eine helle Laterne vor sich brennen, und hinter","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"dieser lag ein großes Haus, er erkannte es ebenso wie die Nachbarhäuser. Es war","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"die Oststraße, wie wir sie alle kennen. Er selbst lag mit den Beinen gegen eine","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Tür, und geradeüber saß der Wächter und schlief.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Du mein Schöpfer, habe ich hier auf der Straße gelegen und geträumt!\" sagte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"er. \"Ja, das ist die Oststraße! Wie prächtig hell und bekannt! Es ist doch","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"schrecklich, wie das Glas Punsch auf mich gewirkt haben muß!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Zwei Minuten später saß er in einer Droschke, die mit ihm nach Christianshafen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"fuhr. Er dachte an all die Angst und Not, die er überstanden hatte, und pries","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"aus ganzem Herzen die glückliche Wirklichkeit, unsere Zeit, die mit all ihren","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Mängeln doch weit angenehmer war, als die, in der er sich kürzlich befunden","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"hatte. Und es war vernünftig von dem Justizrat gedacht!","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"3. Des Wächters Abenteuer.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Da liegen wahrhaftig ein Paar Galoschen!\" sagte der Wächter. \"Die gehören","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"sicher dem Leutnant, der hier oben wohnt. Sie liegen gerade bei der Tür!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Gern hätte der ehrliche Mann geläutet und sie abgeliefert, denn es war noch","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Licht, aber er wollte die anderen Leute im Hause nicht werken und deshalb ließ","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"er es sein.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Das muß schön warm sein, so ein paar Dinger anzuhaben!\" sagte er. \"Sie sind so","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"weich im Leder!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Sie paßten gerade an seine Füße. \"Wie merkwürdig ist doch die Welt eingerichtet.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Nun könnte er sich da oben in sein gutes Bett legen, aber nein, er tut es nicht.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Auf und ab trabt er auf dem Fußboden! Das ist ein glücklicher Mensch! Er hat","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"weder Frau noch Kind. Jeden Abend ist er in Gesellschaft. Ach, wäre ich doch er,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ja, dann wäre ich ein glücklicher Mann!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Als er seinen Wunsch aussprach, wirkten die Galoschen, die er angezogen hatte,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"und der Wächter ging in des Leutnants ganze Person und Denkweise über.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Da stand er oben im Zimmer und hielt ein kleines rosenrotes Papier zwischen den","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Fingern, worauf ein Gedicht stand, ein Gedicht von dem Herrn Leutnant selbst;","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"denn wer wäre nicht einmal in seinem Leben in der Stimmung zum Dichten gewesen,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"und schreibt man dann seine Gedanken nieder, dann hat man die Verse! Hier stand","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"geschrieben:","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Ach wär' ich reich! dacht ich manch liebes Mal,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Als ich kaum einen halben Meter groß.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Ach wär' ich reich! So würd' ich General","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Bekäme Säbel, Uniform und Roß.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Bald kommt die Zeit, da werd' ich General","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Doch eh ich reich, bin sicher längst ich tot –","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"O Herr, mein Gott!","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Jung, lebensfroh, saß ich zur Abendstund,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"und, da ich reich an Märchen und Geschichten,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"küßt' mich die Siebenjährige auf den Mund.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"An Geld gehört' ich zu den armen Wichten.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Die Kleine fragte doch nur nach Geschichten.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Da war ich reich! Doch nicht an Golde rot –","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"O Herr, mein Gott!","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Ach, wär' ich reich! so fleht' mein ganz Gemüt.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Sie, die so schön, so klug, so herzensgut –","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"das Mägdlein ist zur Jungfrau aufgeblüht.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Verstünd' sie doch das Flehn in meinem Blut!","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Sie tät es sicher, wär' sie mir noch gut.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Doch, da ich arm, verschweig ich meine Not –","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"O Herr, mein Gott!","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Ja, solche Verse schreibt man, wenn man verliebt ist, aber ein besonnener Mann","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"läßt sie nicht drucken. Leutnant, Liebe und Armut, das ist ein Dreieck, oder","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"auch, das ist die Hälfte des zerbrochenen Glückswürfels. Das fühlte der Leutnant","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"auch, und darum legte er sein Haupt gegen den Fensterrahmen und seufzte ganz","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"tief:","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Der armselige Wächter auf der Straße draußen ist weit besser daran als ich! Er","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"kennt nicht, was ich Mangel nenne. Er hat ein Heim, Frau und Kinder, die mit ihm","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"im Kummer weinen und sich mit seiner Freude freuen! O, ich wäre glücklicher, als","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ich bin, könnte ich seine Person und Denkweise annehmen, denn er ist glücklicher","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"als ich!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"In demselben Augenblick war der Wächter wieder Wächter, denn durch die Galoschen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"des Glückes war er der Leutnant geworden; aber, wie man sieht, fühlte er sich","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"noch viel weniger zufrieden und wollte doch lieber das sein, was er eigentlich","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"war. Also der Wächter war wieder Wächter.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Das war ein häßlicher Traum!\" sagte er, \"aber merkwürdig genug. Mir war, als","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"sei ich der Leutnant da oben, und das war durchaus kein Vergnügen. Ich entbehrte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Mutter und die Kleinen, die immer bereit sind, mir die Augen herauszuküssen!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Da saß er nun wieder und nickte. Der Traum wollte ihm nicht recht aus dem Sinn,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"und die Galoschen saßen immer noch an seinen Füßen. Eine Sternschnuppe fiel","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"leuchtend vom Himmel.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Weg ist sie nun!\" sagte er, \"aber es sind immer noch genug da! Mich gelüstete","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"es wohl, mir die Dinger ein bißchen näher anzusehen, besonders den Mond, denn","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"der verschwindet einem doch nicht unter den Händen. Wenn wir sterben, sagte der","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Student, für den meine Frau wäscht, fliegen wir von dem einen zum anderen. Das","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ist zwar eine Lüge, könnte aber ganz hübsch sein. Wenn ich den kleinen Sprung da","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"hinauf machen könnte, so könnte meinetwegen der Körper gern hier auf der Treppe","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"liegen bleiben!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Seht, es gibt nun gewisse Dinge auf Erden, die mit Vorsicht zu genießen sind,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ganz besonders aber soll man acht geben, wenn man die Galoschen des Glückes an","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"den Füßen hat. . . Hört nur, wie es dem Wächter erging.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Was uns Menschen angeht, so kennen wir ja fast alle die Geschwindigkeit,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"die durch den Dampf erzeugt werden kann. Wir haben es entweder auf den","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Eisenbahnen oder mit den Schiffen über das Meer erprobt, doch ist dieser Flug","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"wie die Wanderung des Faultieres oder der Gang der Schnecke, gemessen an der","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Schnelligkeit des Lichts. Es fliegt neunzehnmillionenmal schneller als der","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"beste Wettläufer. Und doch ist die Elektrizität noch schneller. Der Tod ist","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ein elektrischer Stoß in unser Herz; auf den Schwingen der Elektrizität fliegt","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"die befreite Seele. Acht Minuten und wenige Sekunden braucht das Sonnenlicht zu","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"einer Reise von über zwanzig Millionen Meilen. Mit der Eilpost der Elektrizität","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"braucht die Seele noch weniger Minuten, um denselben Flug zu machen. Der Raum","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"zwischen den Weltkörpern ist für sie nicht größer, als für uns der Raum zwischen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"den Häusern unserer Freunde in ein und derselben Stadt, selbst wenn diese","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ziemlich nahe beieinander liegen sollten. Indessen kostet uns dieser elektrische","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Herzstoß den Gebrauch unserer Glieder hier auf der Erde, falls wir nicht, wie","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"der Wächter hier, die Galoschen des Glücks anhaben.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"In wenigen Sekunden war der Wächter die 52 000 Meilen zum Mond hinauf gefahren,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"der, wie man weiß, aus einem viel leichteren Stoff geschaffen ist als unsere","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Erde und weich wie frischgefallener Schnee. Er befand sich auf einem der","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"unzählbar vielen Ringberge, die wir aus Dr. Mädlers großer Mondkarte kennen.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Denn die kennst du doch? Innerhalb fiel der Ringberg steil ab in einen Kessel,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"der sich eine ganze dänische Meile weit hinzog. Dort unten lag eine Stadt, die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"aussah, wie wenn man Eiweiß in ein Glas Wasser schlägt, ebenso weich und mit","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ähnlich gekuppelten Türmen und segelförmigen Altanen, durchsichtig und fließend","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"in der dünnen Luft. Unsere Erde schwebte gleich einer großen feuerroten Kugel","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"über seinem Haupt.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Da gab es viele Geschöpfe, die wir sicher mit \"Menschen\" bezeichnen würden, aber","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"sie sahen ganz anders aus, als wir, sie hatten auch eine Sprache; aber niemand","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"kann ja verlangen, daß des Wächters Seele sie verstehen konnte. Trotzdem konnte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"sie es.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Des Wächters Seele verstand die Sprache der Mondbewohner sehr gut. Sie","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"disputierten über unsere Erde und bezweifelten, daß sie bewohnt wäre, die Luft","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"müsse dort viel zu dick sein, als daß irgendein vernünftiges Mondgeschöpf darin","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"leben könnte. Sie glauben daß der Mond allein lebende Wesen beherberge.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Aber wenden wir uns wieder herab in die Oststraße und sehen wir, wie es dem","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Körper des Wächters erging.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Leblos saß er auf der Treppe, der Spieß war ihm aus der Hand gefallen, und die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Augen blickten zum Monde hinauf zu der ehrlichen Seele, die da oben spazierte.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Was ist die Uhr, Wächter?\" fragte ein Vorbeigehender. Aber wer nicht","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"antwortete, war der Wächter. Da gab ihm der Mann einen sachten Nasenstüber.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Aber nun war es aus mit dem Gleichgewicht. Da lag der Körper, so lang er war,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"der Mensch war tot. Der, der ihm den Nasenstüber verabreicht hatte, erschrak","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"von Herzen. Der Wächter war tot, und tot blieb er auch. Es wurde gemeldet und","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"besprochen, und in der Morgenstunde trug man den Körper aufs Hospital hinaus.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Das konnte ja ein netter Spaß für die Seele werden, wenn sie zurückkehrte und","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"aller Wahrscheinlichkeit nach den Körper in der Oststraße suchen ging und ihn","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"nicht fand. Zuerst würde sie sicherlich auf die Polizei laufen, damit von dort","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"aus unter den verlorenen Sachen nachgesucht würde, und zuletzt nach dem Hospital","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"hinaus; doch wir können uns damit trösten, daß die Seele am klügsten tut, wenn","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"sie auf eigene Faust handelt. Der Körper macht sie nur dumm.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Wie gesagt, des Wächters Körper kam aufs Hospital und wurde dort in die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Reinigungskammer gebracht. Das erste, was man dort tat, war natürlich, die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Galoschen auszuziehen, und da mußte die Seele zurück. Sie schlug sogleich","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"die Richtung nach dem Körper ein, und mit einemmal kam Leben in den Mann.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Er versicherte, daß dies die schrecklichste Nacht in seinem gewesen sei, und","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"dies nicht für einen Taler noch einmal durchmachen wolle, aber nun war es ja","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"überstanden.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Am selben Tage wurde er wieder entlassen, aber die Galoschen blieben im","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Hospital.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"4. Ein Hauptmoment. Eine Deklamationsnummer.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Eine höchst ungewöhnliche Reise.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Ein jeder Kopenhagener weiß, wie der Eingang zum Friedrichshospital aussieht,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"aber da wahrscheinlich auch einige Nicht-Kopenhagener diese Geschichte lesen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"werden, müssen wir eine kurze Beschreibung geben.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Das Hospital ist von der Straße durch ein ziemlich hohes Gitter getrennt,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"in welchem die dicken Eisenstangen so weit voneinander abstehen, daß, wie","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"erzählt wird, sich sehr dünne Leute hindurch geklemmt haben und auf diesem","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Wege ihre kleinen Visiten abgemacht haben. Der Körperteil, der am schwierigsten","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"hinauszupraktizieren war, war der Kopf. Hier, wie überall in der Welt, waren","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"also die kleinen Köpfe die glücklichsten. Das wird als Einleitung genügen.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Einer der Jungen Hülfsärzte, von dem man nur in körperlicher Hinsicht behaupten","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"konnte, daß er einen großen Kopf habe, hatte gerade an diesem Abend Wache.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Es war strömender Regen, doch ungeachtet dieser beiden Hindernisse mußte er","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"hinaus, nur auf eine Viertelstunde, aber es war nichts so Wichtiges, daß es dem","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Pförtner gemeldet werden mußte, wenn man durch die Eisenstangen hinausschlüpfen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"konnte. Da standen die Galoschen, die der Wächter vergessen hatte. Es kam ihm","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"nicht in den Sinn, daß es die des Glückes sein könnten. Aber in diesem Wetter","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"waren sie gut zu gebrauchen; er zog sie an. Nun kam es darauf an, ob er sich","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"hindurchklemmen konnte, er hatte es früher nie versucht. Da stand er nun.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Gotte gebe, daß ich erst den Kopf draußen habe!,\" sagte er und sogleich,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"obgleich er sehr dick und groß war, glitt er leicht und glücklich hindurch,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"das mußten die Galoschen verstehen; aber nun sollte der Körper auch hinaus, der","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"stand noch drinnen.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Ach Gott, ich bin zu dick!\" sagte er, \"ich habe geglaubt, der Kopf sei das","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"schlimmste! Ich komme nicht hindurch.\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Nun wollte er schnell den Kopf zurückziehen, aber das ging nicht. Den Hals","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"konnte er zwar bequem bewegen, aber das war auch alles. Das erste Gefühl","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"war, daß er sich ärgerte, das zweite, daß seine Laune unter Null fiel. Die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Galoschen des Glückes hatten ihn in die unangenehmste Lage gebracht, und","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"unglücklicherweise verfiel er nicht auf den Gedanken, sich frei zu wünschen,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"nein, er handelte und kam daher nicht von der Stelle. Der Regen strömte nieder,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"nicht ein Mensch war auf der Straße zu sehen. Die Torglocke konnte er nicht","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"erreichen. Wie sollte er nur loskommen! Er sah voraus, daß er bis zum Morgen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"hier stehen könne. Dann mußte man erst nach einem Schmied senden, damit die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Eisenstangen durchgefeilt werden könnten. Aber das ging auch nicht so geschwind.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Die ganze Knabenschule gerade gegenüber würde auf die Beine kommen; alle","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Krankenhausinsassen würden zusammen laufen, um ihn am Pranger zu sehen. Er","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"würde eine ganz andere Attraktion abgeben, als die Riesenagave im vorigen Jahr.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Ach je, das Blut steigt mir zu Kopfe rein zum irrsinnig werden! Ja, ich werde","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"verrückt! Ach wäre ich doch erst wieder heraus, dann ginge es wohl vorüber!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Seht, hätte er das ein wenig früher gesagt! Augenblicklich, der Gedanke war kaum","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ausgesprochen, so war sein Kopf auch schon frei, und er stürzte nun hinein, ganz","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"verstört über den Schreck, den ihm die Galoschen des Glückes gebracht hatten.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Nun brauchen wir nicht etwa zu glauben, daß das Ganze hiermit vorüber sei, nein,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"es kommt noch schlimmer.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Die Nacht und der folgende Tag vergingen, und die Galoschen wurden nicht","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"abgeholt.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Am Abend sollte eine Vorstellung in einem kleinen Theater stattfinden. Das","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Haus war gepfropft voll. Unter anderen Darbietungen wurde auch ein Gedicht","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"vorgetragen; \"Tante's Brille\" hieß es und handelte von einer Brille, durch","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"die gesehen die Menschheit offen wie ein Kartenspiel vor einem lag, so daß man","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"aus dessen Blättern und Figuren die nächste Zukunft mit ihren Geschehnissen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"voraussehen konnte.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Das Gedicht wurde meisterlich vorgetragen und der Deklamator machte großes Glück","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"damit. Unter den Zuschauern war auch der junge Hülfsarzt vom Hospital, der sein","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Abenteuer von der letzten Nacht bereits vergessen zu haben schien. Er hatte die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Galoschen an, denn sie waren immer noch nicht abgeholt worden, und die Straßen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"waren schmutzig, sodaß sie ihm gute Dienste leisten konnten.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Das Gedicht gefiel ihm. Die Idee, solche Brille zu besitzen, beschäftigte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ihn sehr. Vielleicht konnte man, wenn man sie richtig gebrauchte, den Leuten","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"auch ins Herz hinein schauen. Er hätte das interessanter gefunden, als in die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"nächste Zukunft schauen zu können; denn das bekommt man ja nach und nach doch","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"zu er fahren. Dagegen, wie es in den Herzen der Anderen aussieht, erfährt man","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"niemals. \"Ich denke mir nun die ganze Reihe von Herren und Damen auf der ersten","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Bank – könnte man ihnen gerade ins Herz hineinsehen, ja dann müßte doch eine","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Öffnung dazu da sein, so eine Art Laden. Ei, wie würden meine Augen im Laden","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"umherschweifen! Bei dieser Dame dort würde ich sicher einen großen Modehandel","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"finden! Bei dieser hier ist wohl der Laden leer, doch könnte eine Säuberung","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"nichts schaden. Aber es würden wohl auch solide Läden zu finden sein!\" - \"Ach","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ja,\" seufzte er, \"ich weiß wohl einen solchen Laden, in dem alles solide ist,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"aber es ist schon ein Gehülfe drinnen, das ist das einzige Üble an dem ganzen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Laden! Aus dem einen oder anderen würde wohl auch gerufen: 'Bitte sehr, treten","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Sie nur ein!' Ja, ich möchte wohl gern hinein, könnte man nur wie ein netter","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"kleiner Gedanke durch die Herzen wandern!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Seht, das genügte wieder für die Galoschen. Der ganze Hülfsarzt schrumpfte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"zusammen, und eine höchst ungewöhnliche Reise begann mitten durch die Herzen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"der ersten Reihe der Zuschauer. Das erste Herz, durch das er kam, gehörte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"einer Dame; aber augenblicklich glaubte er in ein orthopädisches Institut","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"gekommen zu sein, wo der Arzt den Menschen Knoten wegmassiert, und Gipsabgüsse","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"von verwachsenen Gliedern an den Wänden hängen, doch war der Unterschied der,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"daß in einem solchen Institut die Abgüsse genommen werden, wenn die Patienten","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"hinkommen, aber hier im Herzen wurden sie genommen und aufbewahrt, wenn","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"die guten Leute hinausgegangen waren. Es waren Abgüsse von körperlichen und","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"geistigen Fehlern der Freundinnen, die hier aufbewahrt wurden.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Schnell war er bereits in einem anderen weiblichen Herzen, aber es erschien","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ihm wie eine große heilige Kirche. Der Unschuld weiße Taube flatterte um","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"den Hochaltar, wie gerne wäre er in die Knie gesunken, aber fort mußte er,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ins nächste Herz hinein; aber er hörte noch die Orgeltöne und fühlte, daß","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"er selbst ein neuer und besserer Mensch geworden und nicht unwürdig war, ein","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"neues Heiligtum zu betreten. Das zeigte ihm eine ärmliche Dachkammer mit einer","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"kranken Mutter darin. Aber durch die offenen Fenster strahlte Gottes warme","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Sonne, herrliche Rosen nickten aus dem kleinen Blumenkasten auf dem Dache, und","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"zwei himmelblaue Vögel sangen von kindlichen Freuden, während die kranke Mutter","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Gottes Segen auf die Tochter herabflehte.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Nun kroch er auf Händen und Füßen durch einen überfüllten Schlächterladen. Da","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"war Fleisch und immer nur Fleisch, worauf er auch stieß; es war das Herz eines","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"reichen, geachteten Mannes, dessen Name allgemein bekannt war. Nun war er im","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Herzen seiner Gemahlin. Das war ein alter, verfallener Taubenschlag. Das Bild","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"des Mannes wurde nur als Wetterhahn gebraucht, der mit den Türen in Verbindung","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"stand, und so öffneten und schlossen sie sich, je nachdem der Mann sich drehte.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Darauf kam er in ein Spiegelkabinett, wie das, was wir im Rosenborg- Schloß","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"haben. Aber die Spiegel Vergrößerten in unglaublichem Maße. Mitten auf dem","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Fußboden saß, wie ein Dalai-Lama, das unbedeutende Ich dieser Person in","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"erstaunter Bewunderung seiner eigenen Größe.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Hierauf glaubte er sich in einer engen Nadelbüchse eingeschlossen, die voller","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"spitziger Nadeln war. \"Das ist bestimmt das Herz einer alten unverheirateten","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Jungfrau!\" mußte er denken, aber das war nicht der Fall; es war ein ganz junger","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Militär mit mehreren Orden, ein Mann der, wie man zu sagen pflegt, Geist und","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Herz just auf dem rechten Fleck hat.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Ganz betäubt kam der arme Sünder von Hülfsarzt aus dem letzten Herzen in","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"der Reihe. Er vermochte kaum, seine Gedanken zu ordnen und dachte, daß seine","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"allzufeurige Phantasie mit ihm durchgegangen sei.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Herr Gott,\" seufzte er, \"ich habe bestimmt Anlage dazu,` den Verstand zu","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"verlieren. Hier drinnen ist es auch unverzeihlich heiß! Das Blut steigt mir zu","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Kopf!\" Und nun erinnerte er sich plötzlich der großen Begebenheit von gestern","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Nacht, wie er mit dem Kopfe zwischen den Eisenstangen vor dem Hospital fest","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"gesessen hatte. \"Dabei habe ich mir sicherlich etwas geholt!\" meinte er. \"Ich","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"muß bei Zeiten etwas dagegen tun. Russisches Bad würde vielleicht gut tun. Wenn","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ich nur erst auf dem obersten Brett läge!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Und da lag er auf dem obersten Brett im Dampfbad, aber er lag da mit allen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Kleidern, mit Stiefeln und Galoschen. Die heißen Wassertropfen von der Decke","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"tröpfelten ihm ins Gesicht.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Hu!\" schrie er und fuhr hinab, um ein Sturzbad zu nehmen. Der Aufwärter gab","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"auch einen lauten Schrei von sich, als er den völlig bekleideten Menschen hier","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"drinnen entdeckte.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Der Hülfsarzt hatte indessen gerade noch soviel Fassung, um ihm zuzuflüstern:","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Es war wegen einer Wette!\" Das erste jedoch, was er tat, als er auf sein","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"eigenes Zimmer kam, war, sich ein großes spanisches Zugpflaster auf den Nacken","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"und eins unten auf den Rücken zu legen, damit die Verrücktheit herausgezogen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"würde.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Am nächsten Morgen hatte er einen blutigen Rücken, das war alles, was er durch","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"die Galoschen des Glückes gewonnen hatte.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"5. Die Verwandlung des Schreibers.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Der Wächter, den wir sicher noch nicht vergessen haben, gedachte mittlerweile","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"der Galoschen, die er gefunden und mit nach dem Hospital hinausgebracht hatte.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Er holte sie ab, aber da weder der Leutnant, noch irgend ein anderer in der","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Straße sich zu ihnen bekennen wollte, wurden sie auf der Polizei abgeliefert.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Sie sehen genau wie meine Galoschen aus!,\" sagte einer der Herren Schreiber,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"indem er den Fund betrachtete und sie an die Seite der seinigen stellte. \"Da","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"gehört mehr als ein Schuhmacherauge dazu, um sie auseinander zu halten!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Herr Schreiber!\" rief ein Diener, der mit einigen Papieren hereintrat.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Der Schreiber wandte sich um und sprach mit dem Manne. Aber als das erledigt","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"war, und er auf die Galoschen sah, befand er sich sehr im Ungewissen, ob die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"zur Linken oder zur Rechten es waren, die ihm gehörten. \"Es müssen die sein,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"die naß sind,\" dachte er, aber das war gerade fehlgeraten, denn es waren die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"des Glückes; aber warum sollte die Polizei sich nicht auch einmal irrem Er zog","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"sie an, steckte einige Papiere in die Tasche, andere nahm er unter den Arm,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"denn sie sollten zuhause durchgelesen und abgeschrieben werden; aber da es","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"gerade Sonntagvormittag und das Wetter gut war, dachte er: \"ein Spaziergang nach","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Friedrichsburg würde mir gut tun!\" und so ging er dorthin.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Niemand konnte ruhiger und fleißiger sein, als dieser junge Mann. Wir gönnen ihm","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"diesen kleinen Spaziergang von Herzen, denn er würde ihm gewiß wohltun nach dem","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"vielen Sitzen. Anfangs ging er dahin, ohne an etwas zu denken; daher hatten die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Galoschen keine Gelegenheit, ihre Zauberkraft zu beweisen.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"In der Allee traf er einen Bekannten, einen jungen Dichter, der ihm erzählte,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"daß er am nächsten Tage seine Sommerreise beginnen werde.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Nun, soll es schon wieder fortgehen\" sagte der Schreiber. \"Sie sind doch ein","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"glücklicher, freier Mensch. Sie können fliegen, wohin Sie wollen, wir anderen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"haben eine Kette am Fuße!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Aber sie sitzt am Brotbaum fest!\" antwortete der Dichter. \"Sie brauchen nicht","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"für den kommenden Tag zu sorgen, und wenn Sie alt sind, bekommen Sie Pension!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Sie haben es doch am besten!\" sagte der Schreiber, \"dazusitzen und zu dichten","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ist doch ein Vergnügen! Alle Welt sagt Ihnen Angenehmes, und Sie sind Ihr","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"eigener Herr! ja, Sie sollten es nur einmal probieren, im Gericht zu sitzen bei","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"den langweiligen Sachen!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Der Dichter schüttelte mit dem Kopfe, und der Schreiber schüttelte auch mit dem","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Kopfe. Jeder blieb bei seiner Meinung und dann schieden sie voneinander.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Es ist doch ein Völkchen für sich, diese Dichter!\" sagte der Schreiber. \"Ich","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"möchte wohl einmal versuchen, in solche Natur hineinzuschlüpfen, selbst ein","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Dichter zu werden. Ich glaube bestimmt, daß ich nicht solche Klagelieder wie die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"anderen schreiben würde! – Das ist so recht ein Frühlingstag für einen Dichter!","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Die Luft ist ungewöhnlich klar, die Wolken so schön, und es duftet nach all dem","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Grünen! Ja, viele Jahre lang habe ich das nicht so stark gefehlt, wie in diesem","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Augenblick.\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Wir merken schon, daß er ein Dichter geworden war. Es fiel zwar nicht jedem","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"sogleich in die Augen, denn es ist eine törichte Vorstellung, sich einen Dichter","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"anders als andere Menschen zu denken, in denen weit mehr poetische Natur stecken","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"kann, als in manchem anerkannten Dichter. Der Unterschied zeigt sich nur in dem","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"besseren geistigen Gedächtnis des Dichters, mit dem er die Gedanken und Gefühle","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"bewahren kann, bis sie klar und deutlich in Worte gefaßt dastehen. Das können","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"die anderen nicht. Aber von einer Alltagsnatur in eine begabte sich zu wandeln,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ist immer ein Übergang, und den hatte der Kopist nun überstanden.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Der herrliche Duft!\" sagte er, \"wie erinnert er mich an die Veilchen bei Tante","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Lene! Ja, damals war ich noch ein kleiner Knabe! Herrgott, wie lange ist das","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"her, daß ich daran gedacht habe! Das gute, alte Mädchen, sie wohnte da um die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Börse herum. Immer hatte sie einen Zweig oder ein paar grüne Schößlinge im","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Wasser stehen, der Winter mochte noch so strenge sein. Die Veilchen dufteten,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"während ich die angewärmten Kupferschillinge gegen die gefrorenen Scheiben","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"preßte und Gucklöcher machte. Das gab einen hübschen Blick. Draußen im Kanal","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"lagen die Schiffe eingefroren und von der ganzen Mannschaft verlassen. Eine","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"schreiende Krähe war die einzige Besatzung. Aber wenn das Frühjahr herangeweht","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"kam, dann wurde es dort lebendig. Unter Gesang und Hurrarufen sägte man das","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Eis entzwei. Die Schiffe wurden geteert und aufgetakelt, und dann fuhren sie","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"nach fremden Ländern. Ich bin hier geblieben, und muß hier bleiben, immer in","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"der Polizeistube sitzen und zusehen, wie die Anderen Pässe ins Ausland nehmen;","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"das ist mein Los! Ach, ja!\" seufzte er tief, aber plötzlich blieb er stehen.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Herrgott, was ist denn nur mit mir los? So etwas habe ich doch niemals früher","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"gedacht oder gefühlt! Es muß die Frühjahrsluft sein. Das ist zugleich bedrückend","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"und angenehm!\" Er griff in die Tasche nach seinen Papieren. \"Die werden mich","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"schon auf andere Gedanken bringen!\" sagte er und ließ die Augen über das erste","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Blatt schweifen.. \"Frau Sigbrith, Tragödie in fünf Akten,\" las er, \"was ist denn","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"das! das ist ja meine eigene Handschrift! Habe ich die Tragödie geschrieben?\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Die Verschwörung auf dem Wall oder der Bußtag, Singspiel.\" – Aber wo kommt denn","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"das her? Man muß es mir in die Tasche geschoben haben; hier ist ein Brief?\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Der war von der Theater-Direktion. Die Stücke waren abgelehnt, und der Brief","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"selbst war nicht gerade höflich abgefaßt. \"Hm, hm\" sagte der Schreiber und","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"setzte sich auf eine Bank nieder. Seine Gedanken waren angeregt und sein Herz","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"weich gestimmt. Unwillkürlich pflückte er eine Blume ab. Es war ein einfaches","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"kleines Gänseblümchen. Was die Botaniker uns erst in vielen Vorlesungen erklären","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"können, verkündete es in einer Minute. Es erzählte das Märchen seiner Geburt,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"von der Kraft des Sonnenlichtes, das die feinen Blättchen ausbreitete und sie","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"zu duften zwang. Und er dachte an den Lebenskampf, der gleichfalls die Gefühle","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"in uns erweckt. Luft und Licht buhlten um die Blume, aber das Licht war der","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Begünstigtere. Nach dem Lichte wendete sie sich und verschwand es, so rollte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"sie ihre Blätter zusammen und schlummerte in den Armen der Luft ein. \"Es ist das","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Licht, das mich verschönt!\" sagte die Blume. \"Aber die Luft läßt dich atmen!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"flüsterte des Dichters Stimme.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Dicht daneben stand ein Knabe und schlug mit seinem Stock in einen sumpfigen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Graben. Die Wassertropfen spritzten bis in die grünen Zweige hinauf, und der","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Schreiber dachte an die Millionen unsichtbarer Tiere, die mit den Tropfen in","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"eine Höhe geschleudert wurden, die ihnen im Verhältnis zu ihrer Größe ungefähr","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"so erscheinen mochte, wie es für uns wäre, wenn wir hoch über die Wolken hinaus","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"gewirbelt würden. Während der Schreiber hierüber und über die ganze Veränderung,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"die mit ihm vorgegangen war, nachdachte, lächelte er: \"Ich schlafe und träume!","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Merkwürdig ist es gleichwohl, wie lebenswahr man träumen kann und doch dabei","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"selbst wissen, daß es nur ein Traum ist. Wenn ich ihn mir doch morgen beim","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Erwachen noch ins Gedächtnis zurückrufen könnte. Mir scheint nämlich, daß ich","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ganz ungewöhnlich gut aufgelegt bin. Ich habe einen klaren Überblick über alle","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Dinge, fühle mich so empfänglich für alles, aber ich bin sicher, wenn ich morgen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"wirklich etwas davon behalten haben sollte, so ist es verworrenes Zeug. So ist","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"es mir bisher immer ergangen! Es geht mit allem dem Klugen und Prächtigen, das","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"man im Traume hört oder sagt wie mit dem Golde der Unterirdischen: wenn man es","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"bekommt, ist es Pracht und Herrlichkeit, aber bei Lichte besehen sind es nur","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Steine und trockene Blätter.\" - \"Ach,\" seufzte er ganz wehmütig und sah auf die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"singenden Vögel, die so fröhlich von Zweig zu Zweig hüpften, \"sie haben es viel","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"besser als ich! Fliegen, das ist eine herrliche Kunst, glücklich der, dem sie","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"angeboren ist! Ja, wenn ich mich in etwas verwandeln könnte, so möchte ich so","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"eine kleine Lerche sein!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Sogleich entfalteten sich seine Rockschöße und Ärmel als Flügel, die Kleider","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"wurden zu Federn und die Galoschen zu Krallen. Er merkte es recht gut und","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"lachte innerlich: \"So, nun weiß ich doch wenigstens, daß ich träume, aber","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"so etwas närrisches ist mir bisher noch nicht vorgekommen!\" Und dann flog er","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"hinauf in die grünen Zweige und sang. Aber das war gar nicht mehr poetisch,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"denn die Dichternatur war fort. Die Galoschen konnten, wie jeder, der seine","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Sache gründlich macht, nur ein Ding auf einmal ausführen. Er wollte ein Dichter","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"werden. Das war er geworden. Nun wollte er kleiner Vogel sein, aber indem er es","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"wurde, verlor er die vorigen Eigenschaften.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Das ist ja recht niedlich!\" sagte er, \"am Tage sitze ich auf der Polizei","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"zwischen den trockensten Abhandlungen, und nachts im Traum kann ich als","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Lerche im Friedrichsberg-Garten herumfliegen. Daraus ließe sich wirklich ein","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Theaterstück machen!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Nun flog er in das Gras hinunter, drehte den Kopf nach allen Seiten und pickte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"mit dem Schnabel in die geschmeidigen Grashalme, die im Verhältnis zu seiner","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"jetzigen Größe, ihm lang wie die Palmen Afrikas erschienen.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Das dauerte einen Augenblick, und dann wurde es kohlschwarze Nacht um ihn her.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Ein, wie es ihm vorkam, ungeheurer Gegenstand wurde ihm über den Kopf geworfen.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Es war eine große Mütze, die ein Knabe über den Vogel geworfen hatte. Eine Hand","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"faßte hinein und griff den Schreiber um Rücken und Flügel, daß er vor Schmerz","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"piepte. Im ersten Schrecken schrie er laut: \"Du unverschämter Bengel! Ich bin","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Schreiber bei der Polizei!\" Aber für den Knaben klang es nur wie ein \"Piep","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Piep\"! Er gab dem Vogel eins auf den Schnabel und wanderte davon.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"In der Allee begegnete er zwei Schülern aus dem Gymnasium. Die kauften den Vogel","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"für acht Schillinge, und so kam der Schreiber nach Kopenhagen zu einer Familie","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"in der Gotenstraße.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Es ist gut, daß ich nur träume!\" sagte der Schreiber, \"sonst würde mir die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Galle überlaufen! Erst war ich ein Dichter und jetzt eine Lerche! Es ist sicher","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"die Dichternatur, die mir zu diesem Lerchendasein verholfen hat. Aber das ist","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ein jämmerlich Ding, besonders, wenn man diesen Jungen in die Hände fällt! Ich","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"möchte wissen, wie das noch ablaufen wird?\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Die Knaben brachten ihn in ein gut ausgestattetes Zimmer. Eine dicke, lächelnde","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Frau kam ihnen entgegen, aber erfreut war sie nicht gerade, daß der gewöhnliche","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Feldvogel, wie sie die Lerche nannte, mit hereinkam. Doch für heute wollte sie","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"nichts sagen, und sie durften ihn in das leere Bauer setzen, das beim Fenster","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"stand!","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Vielleicht macht es Papchen Spaß!\" fügte sie hinzu und lachte zu einem","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"großen grünen Papagei hinüber, der vornehm in seinem Ringe in einem prächtigen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Messingbauer schaukelte. \"Es ist Papchens Geburtstag,\" sagte sie ein wenig","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"kindisch, \"da kommt der kleine Feldvogel gratulieren!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Papchen antwortete nicht ein einziges Wort, sondern schaukelte vornehm auf und","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ab. Dagegen begann ein hübscher Kanarienvogel, der im letzten Sommer aus seiner","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"warmen, duftenden Heimat hierher gebracht worden war, laut zu singen.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Schreihals!\" sagte die Frau und warf ein weißes Taschentuch über das Bauer.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Piep, piep!\" seufzte er, \"das schreckliche Schneewetter!\" und mit diesem","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Seufzer verstummte er.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Der Schreiber, oder wie die Frau sagte, der Feldvogel, kam in ein kleines Bauer","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"dicht neben den Kanarienvogel und nicht weit entfernt von dem Papagei. Die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"einzige Redensart, die Papchen hervorschnattern konnte, und die zuzeiten recht","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"komisch klang, war: \"nein, nun laßt uns Menschen sein!\" Alles übrige, was er","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"schnatterte, war ebenso unverständlich wie des Kanarienvogels Gezwitscher, aber","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"nicht für den Schreiber, der ja selbst ein Vogel war. Er verstand die Kameraden","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ausgezeichnet.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Ich flog unter der grünen Palme und dem blühenden Mandelbaum!\" sang der","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Kanarienvogel, \"ich flog mit meinen Brüdern und Schwestern hin, über die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"prächtigen Blumen und den glasklaren See, auf dessen Grunde sich Pflanzen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"wiegten. Ich sah auch viele herrliche Papageien, die die schönsten Geschichten","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"erzählten, lang und viel!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Das waren wilde Vögel,\" erwiderte der Papagei, \"sie waren ohne Bildung. Nein,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"laßt uns nun Menschen sein! – Warum lachst du nicht? Wenn die Frau und alle die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Gäste darüber lachen können, so kannst du es auch. Es ist ein großer Mangel,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"wenn man keinen Sinn für Humor hat. Nein, laßt uns nun Menschen sein!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"O denkst du noch der schönen Mädchen, die unter dem ausgespannten Zelt bei","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"den blühenden Bäumen tanzten!? Gedenkst du der süßen Früchte und des kühlenden","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Saftes in den wild wachsenden Kräutern?\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"O ja,\" sagte der Papagei, \"aber hier habe ich es viel besser! Ich habe gutes","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Essen und individuelle Behandlung. Ich weiß, ich bin ein guter Kopf, und mehr","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"verlange ich nicht. Laßt uns nun Menschen sein! Du bist eine Dichterseele, wie","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"sie es nennen; ich habe gründliche Kenntnisse und Witz. Du hast Genie aber keine","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Besonnenheit. Du versteigst dich zu den höchsten Tönen und darum decken Sie dich","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"zu. Mir bieten sie das nicht! nein! denn ich habe sie mehr gekostet! Ich halte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"sie mit meinem Schnabel in Schach und kann einen Witz! Witz! Witz! machen, nein,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"nun laßt uns Menschen sein!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"O, mein warmes, blühendes Vaterland!\" sang der Kanarienvogel. \"Ich will von","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"deinen dunkel grünenden Bäumen singen, von deinen stillen Meeresbuchten, wo","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"die Zweige den klaren Wasserspiegel küssen, singen von dem Jubel aller meiner","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"schimmernden Brüder und Schwestern, wo der Wüste Pflanzenquellen wachsen!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Hör doch auf mit den Jammertönen!\" sagte der Papagei. Sage doch etwas,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"worüber man lachen kann! Lachen ist das Kennzeichen des erhabensten geistigen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Standpunktes. Sieh, ob ein Pferd oder ein Hund lachen kann! Nein, weinen können","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"sie, aber das Lachen ist nur den Menschen gegeben. \"Ho ho ho!\" lachte Papchen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"und fügte seinen Witz hinzu: \"Nun laßt uns Menschen sein!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Du kleiner grauer Vogel,\" sagte der Kanarienvogel, \"Du bist auch ein","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Gefangener! Es ist sicherlich kalt in deinen Wäldern, aber dort ist doch","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Freiheit. Fliege hinaus! – Sie haben vergessen, dich Einzuschließen; das oberste","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Fenster steht offen. Fliege! Fliege!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Und das tat der Schreiber. Husch! war er aus dem Bauer. In diesem Augenblick","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"knarrte die halboffene Tür, die ins Nebenzimmer führte und geschmeidig, mit","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"grünen, funkelnden Augen schlich die Hauskatze herein und machte auf ihn Jagd.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Der Kanarienvogel flatterte in dem Bauer und der Papagei schlug mit den Flügeln","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"und rief: \"Nun laßt uns Menschen sein!\" Der Schreiber fühlte den tödlichsten","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Schreck und flog durch das Fenster davon über Häuser und Straßen. Zuletzt mußte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"er sich ein wenig ausruhen. Das gegenüberliegende Haus erschien ihm heimisch.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Ein Fenster stand offen, er flog hinein, es war sein eigenes Zimmer; er setzte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"sich auf den Tisch.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Nun laßt uns Menschen sein!\" sagte er gedankenlos, wie er es von dem Papagei","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"gehört hatte, und im selben Augenblick war er wieder Schreiber, aber er saß auf","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"dem Tische.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Gott bewahre!\" sagte er, wie bin ich denn hier hinauf gekommen und in Schlaf","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"gefallen! Das war ein recht unruhiger Traum. Nichts wie dummes Zeug war die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ganze Geschichte!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"6. Das Das Beste, was die Galoschen brachten.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Zeitig morgens am folgenden Tage, als der Schreiber noch im Bette lag, klopfte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"es an seine Tür; es war sein Nachbar aus derselben Etage, ein Student, der","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Pastor werden wollte. Er trat ein.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Leihe mir deine Galoschen,\" sagte er, \"es ist so naß im Garten, aber die Sonne","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"scheint herrlich, ich möchte eine Pfeife Tabak da unten rauchen.\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Er zog die Galoschen an und war bald unten im Garten, der einen Pflaumenbaum","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"und einen Birnenbaum enthielt. Selbst ein so kleiner Garten, wie dieser, gilt in","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Kopenhagen für eine große Herrlichkeit.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Der Student wanderte im Gange auf und ab. Es war erst sechs Uhr. Draußen von der","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Straße erklang ein Posthorn.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"O, reisen! reisen!\" rief er laut, \"das ist doch das größte Glück in der Welt!","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Das ist meiner Wünsche höchstes Ziel! Das würde die Unruhe, die mich quält,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"stillen. Aber weit fort müßte es sein! Ich möchte die herrliche Schweiz sehen,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"nach. Italien fahren und – \" Es war gut, daß die Galoschen sofort wirkten, sonst","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"würde er allzu weit herumgekommen sein sowohl für seinen Geschmack als auch für","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"den unseren. Er reiste; er war mitten in der Schweiz aber mit acht Anderen in","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"einer Postkutsche zusammengepackt. Er hatte Kopfschmerzen, einen steifen Nacken,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"und das Blut machte seine Beine schwer und geschwollen, so daß ihn die Stiefel","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"zwickten. Er schwebte in einem Zustande zwischen Wachen und Schlafen. In seiner","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"rechten Tasche hatte er einen Kreditbrief, in der linken seinen Paß, und in","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"einem kleinen Lederbeutel auf der Brust waren einige Goldstücke eingenäht. Jeder","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Traum endete damit, das eines oder das andere dieser Kostbarkeiten verloren","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"sei. Deshalb fuhr er jeden Augenblick empor, und die erste Bewegung, die seine","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Hand machte, war ein Dreieck von rechts nach links und zur Brust hinauf, um","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"zu fühlen, ob sie noch da waren oder nicht. Regenschirme, Stöcke und Hüte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"schaukelten im Netz über seinem Kopfe und verhinderten so ziemlich die Aussicht,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"die großartig war. Er schielte danach, während sein Herz sang, was ein Dichter,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"den wir kennen, auch schon gesungen hat, als er in der Schweiz war, er hat es","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"aber bis jetzt nicht drucken lassen:","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Ja, hier ist es schön und klar und still!","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Sieh den Montblanc, mein Lieber, und schweige.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Wenn nur das Kleingeld ausreichen will,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Aber das geht gar bald auf die Neige!","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Groß, ernst und düster war die Natur rings um ihn. Die Tannenwälder erschienen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"wie Heidekraut auf den hohen Felsen, deren Spitzen sich im Wolkenschleier","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"verbergen. Nun begann es zu schneien und der kalte Wind blies.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Hu!\" seufzte er, \"wären wir nur erst auf der anderen Seite der Alpen, dann wäre","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"es Sommer und ich bekäme das Geld auf meinen Kreditbrief. Die Angst, die ich","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"deswegen ausstehe, macht, daß ich die Schweiz nicht genießen kann, ach, wäre ich","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"doch auf der anderen Seite!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Und da war er auf der anderen Seite. Weit unten in Italien war er, zwischen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Florenz und Rom. Der Trasimener See lag in der Abendbeleuchtung wie flammendes","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Gold zwischen den blauen Bergen; hier, wo Hannibal den Flaminius schlug, hielten","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"nun Weinranken sich friedlich an den grünen Händen. Anmutige halbnackte Kinder","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"bewachten eine Herde kohlschwarzer Schweine; unter einer Gruppe duftender","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Lorbeerbäume am Wege. Verstünden wir, dies mit Worten zu malen, so würden alle","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Jubeln: \"Herrliches Italien!\" Aber weder der Theolog noch auch nur ein einziger","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"von seinen Reisegenossen im Wagen sagte etwas ähnliches.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Zu Hunderten flogen giftige Fliegen und Mücken zu ihnen hinein, vergebens","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"schlugen sie mit Myrthenzweigen um sich; die Fliegen stachen doch. Kein","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Mensch im ganzen Wagen, dessen Gesicht nicht geschwollen und blutig von den","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Stichen war! Die armen Pferde sahen wie Kadaver aus. Die Fliegen saßen in","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"großen Klumpen auf ihnen, und es half nur für Augenblicke, wenn der Kutscher","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"herunterstieg und die Tiere abschabte. Nun ging die Sonne unter. Ein kurzer,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"aber eisiger Kälteschauer ging durch die ganze Natur. Das war nicht behaglich.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Aber ringsum verdämmerten die Berge und Wolken in der seltsamsten grünen Farbe,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"so klar, so schmelzend ja, geht nur selbst hin und schaut; das ist besser, als","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Beschreibungen darüber zu lesen! Es war ein unvergleichliches Schauspiel. Die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Reisenden fanden das auch – aber der Magen war leer, die Glieder matt, alle","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Sehnsucht des Herzens gipfelte in dem Nachtlager. Aber wie würde das ausfallen?","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Man hielt viel eifriger danach Ausschau als nach der schönen Natur.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Der Weg führte durch einen Olivenwald, es war, als führe man daheim zwischen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"knotigen Weiden. Hier lag das einsame Wirtshaus. Ein halb Dutzend bettelnder","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Krüppel hatte sich davor gelagert. Der gesündeste unter ihnen sah aus wie \"des","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Hungers ältester Sohn, der seine Volljährigkeit erreicht hat,\" um mit Marryat","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"zu sprechen. Die anderen waren entweder blind, hatten vertrocknete Beine und","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"krochen auf den Händen, oder hatten abgezehrte Arme mit fingerlosen Händen. Das","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"nackte Elend grinste überall aus den Lumpen hervor. \"Erbarmen, gnädige Herren,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"habt Erbarmen!\" seufzten sie und entblößten ihre kranken Glieder. Die Wirtin","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"selbst mit bloßen Füßen, ungekämmtem Haar und in einer schmutzigen Bluse empfing","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"die Gäste. Die Türen waren mit Bindfaden zusammengebunden. Der Fußboden in den","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Zimmern wies einen halbaufgerissenen Belag von Mauersteinen auf; Fledermäuse","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"flatterten unter der Decke hin, und der Gestank hier drinnen -","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Machen Sie lieber den Tisch im Stall zurecht!\" sagte einer der Reisenden, \"da","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"unten weiß man wenigstens, was man einatmet!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Die Fenster wurden geöffnet, daß ein wenig frische Luft hereinkommen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"konnte, aber geschwinder als diese drangen die vertrockneten Arme ein und","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"das unaufhörliche Gejammer: \"Habt Erbarmen, gnädige Herren!\" An den Wänden","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"standen viele Inschriften, und die Hälfte davon war gegen das \"Schöne Italien\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"gerichtet.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Das Essen wurde aufgetragen; es gab eine Suppe aus Wasser, mit Pfeffer und","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"ranzigem Öl gewürzt, das auch in der gleichen Güte beim Salat wieder erschien;","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"verdorbene Eier und gebratene Hahnenkämme bildeten den Höhepunkt der Mahlzeit;","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"selbst der Wein hatte einen Beigeschmack, es war eine wahre Medizin.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Zur Nacht wurden die Koffer gegen die Tür gestellt und einer der Reisenden hielt","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Wacht, während die anderen schliefen. Der Theolog war der Wachthabende. O, wie","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"schwül war es hier drinnen! Die Hitze drückte, die Mücken summten und stachen,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"und die Krüppel jammerten im Schlaf.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Ja, Reisen ist schon recht gut!\" seufzte der Student, \"wenn man nur keinen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Körper hätte. Könnte dieser ruhen, und der Geist indessen fliegen! Wohin ich","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"komme, findet sich ein Mangel, der das Herz bedrückt. Nach etwas Besserem, als","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"dem Augenblicklichen, sehne ich mich, ja, nach etwas Besserem, dem Besten, aber","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"wo und was ist das? Im Grunde weiß ich wohl, was ich will: ich will zu einem","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"glücklichen Ziel, dem glücklichsten von allen!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Und, wie das Wort ausgesprochen war, war er in seinem Heim. Die langen, weißen","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Gardinen hingen vor den Fenstern herab, und mitten auf dem Fußboden stand","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"der schwarze Sarg. In diesem lag er im stillen Todesschlafe. Sein Wunsch war","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"erfüllt, der Körper ruhte, der Geist reiste. \"Preise niemand glücklich vor","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"seinem Tode,\" Solons Wort, hier bewies es wieder einmal seine Gültigkeit.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Jede Leiche ist der Unsterblichkeit Sphinx; auch die Sphinx hier in dem","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"schwarzen Sarge gab keine Antwort auf das, was der Lebende zwei Tage vorher","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"niedergeschrieben hatte","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Du starker Tod, Dein Schweigen wecket Grauen;","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Des Kirchhofs Gräber zeigen Deine Spur.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Soll meinem Geiste keine Hoffnung blauen?","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Blüh ich als Gras im Todesgarten nur?","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Dein größtes Leiden hat die Welt doch nie erblickt.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Der, der Du gleich Dir bliebst zum letzten ohne Arg.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Im Leben werd Dein Herz von manchem mehr bedrückt,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Als von der Erde, die man wirft auf Deinen Sarg!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Zwei Gestalten bewegten sich im Zimmer. Wir kennen sie beide: Es waren die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Trauer und die Abgesandte des Glückes. Sie beugten sich über den Toten.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Siehst du,\" sagte die Trauer, \"welches Glück brachten deine Galoschen wohl der","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Menschheit?\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"Sie brachten wenigstens dem, der hier schläft, ein dauerndes Gut!\" antwortete","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"die Freude.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"\"O nein!\" sagte die Trauer, \"selbst ging er fort, er wurde nicht abgerufen!","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Seine geistige Kraft hier war nicht stark genug, um die Schätze dort zu heben,","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"die er nach seiner Bestimmung heben soll! Ich will ihm eine Wohltat erweisen!\"","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Und sie zog die Galoschen von seinen Füßen; da war der Todesschlaf zu Ende","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"und der Wiederbelebte erhob sich. Die Trauer verschwand, mit ihr aber auch die","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Galoschen; sie hat sie gewiß als ihr Eigentum betrachtet.","book":"Die Galoschen des Glücks"} {"text":"Nun höre einmal!–","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Draußen auf dem Lande, dicht am Wege, lag ein Landhaus; du hast es gewiß selbst","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"schon einmal gesehen! Davor liegt ein kleines Gärtchen mit Blumen und einem","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Zaun, der gestrichen ist. Dicht dabei am Graben, mitten in dem herrlichen grünen","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Grase, wuchs ein kleines Gänseblümchen. Die Sonne schien ebenso warm und schön","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"darauf herab, wie auf die großen, reichen Prachtblumen im Garten, und deshalb","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"wuchs es von Stunde zu Stunde. Eines Morgens stand es entfaltet da mit seinen","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"kleinen, weißen Blättern, die wie Strahlen rings um die kleine gelbe Sonne in","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"der Mitte sitzen. Es dachte gar nicht daran, daß kein Mensch es dort im Grase","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"sah und daß es nur ein armes, verachtetes Blümchen sei: nein, es war froh","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"und wandte sich der warmen Sonne entgegen, sah zu ihr auf und horchte auf die","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Lerche, die in den Lüften sang.","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Das kleine Gänseblümchen war so glücklich, als ob ein großer Festtag sei, und","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"doch war es nur ein Montag. Alle Kinder waren in der Schule; während sie auf","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"ihren Bänken saßen und lernten, saß es auf seinen kleinen grünen Stiel und","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"lernte auch von der warmen Sonne und allem ringsumher, wie gut Gott ist, und es","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"erschien ihm recht, daß die kleine Lerche so deutlich und schön alles sang, was","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"es selbst im Stillen fühlte. Und das Gänseblümchen sah mit einer Art Ehrfurcht","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"zu dem glücklichen Vogel empor, der singen und fliegen konnte, aber es war gar","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"nicht betrübt darüber, daß es selbst das nicht konnte. \"Ich sehe und höre ja!\"","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"dachte es. \"Die Sonne bescheint mich und der Wind küßt mich! Ach, wie reich bin","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"ich doch beschenkt!\"","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Innerhalb des Zaunes standen so viele steife, vornehme Blumen; je weniger Duft","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"sie hatten, um so hochmütiger erhoben sie ihr Haupt. Die Bauernrosen bliesen","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"sich auf, um größer als die Rosen zu sein, aber die Größe macht es nicht! Die","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Tulpen hatten die allerschönsten Farben; das wußten sie wohl und hielten sich","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"kerzengerade, damit man sie noch besser sehen konnte. Sie beachteten das junge","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Gänseblümchen da draußen gar nicht, aber dies sah desto mehr nach ihnen und","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"dachte: \"Wie reich und schön sie sind! Ja, zu ihnen fliegt gewiß der prächtige","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Vogel herunter und besucht sie! Gott sei Dank!, daß ich so dicht dabei stehe,","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"da kann ich doch den Staat mit ansehen!\" Und gerade, wie es das dachte,","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"\"quirrevit!\" da kam die Lerche herabgeflogen, aber nicht zu den Bauernrosen und","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Tulpen, nein, nieder ins Gras zu dem armen Gänseblümchen. Das erschrak so vor","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"lauter Freude, daß es gar nicht wußte, was es denken sollte.","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Der kleine Vogel tanzte rings um das Gänseblümchen herum und sang: \"Nein, wie","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"ist doch das Gras so weich! Und sieh, welch eine süße kleine Blume mit Gold im","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Herzen und Silber im Kleid!\" Der gelbe Punkt in dem Gänseblümchen sah ja auch","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"aus wie Gold, und die kleinen Blätter ringsherum glänzten silberweiß.","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Wie glücklich das kleine Gänseblümchen war, nein, das kann niemand begreifen!","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Der Vogel küßte es mit seinem Schnabel, sang ihm etwas vor und flog dann wieder","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"in die blaue Luft empor. Es dauerte bestimmt eine ganze halbe Stunde, bevor das","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Blümchen wieder zu sich kam. Halb verschämt und doch innerlich beglückt sah es","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"zu den anderen Blumen im Garten hinüber. Sie hatten gesehen, welche Ehre und","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Glückseligkeit ihm widerfahren war, sie mußten ja begreifen, welche Freude das","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"war. Aber die Tulpen standen noch einmal so steif wie vorher und waren ganz","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"spitz im Gesicht und sehr rot, denn sie hatten sich geärgert. Die Bauernrosen","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"waren ganz dickköpfig, buh, es war doch gut, daß sie nicht sprechen konnten,","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"sonst hätte das Gänseblümchen eine ordentliche Predigt bekommen. Die arme,","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"kleine Blume konnte wohl sehen, daß sie nicht guter Laune waren, und das tat ihr","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"von Herzen leid.","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Im selbes Augenblick kam ein Mädchen mit einem großen, glänzend scharfen Messer","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"in den Garten. Sie ging gerade auf die Tulpen zu und schnitt eine nach der","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"anderen ab. \"Ach!\" seufzte das kleine Gänseblümchen, \"das ist doch schrecklich!","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"nun ist es vorbei mit ihnen!\" Dann ging das Mädchen mit den Tulpen fort. Das","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Gänseblümchen war froh, daß es draußen im Grase stand und eine kleine ärmliche","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Blume war.","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Es fühlte sich so recht dankbar, und als die Sonne unterging, faltete es seine","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Blätter, schlief ein und träumte die ganze Nacht von der Sonne und dem kleinen","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Vogel.","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Am nächsten Morgen, als die Blume glücklich wieder all ihre weißen Blättchen","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"wie kleine Arme dem Licht und der Luft entgegenstreckte, erkannte sie des Vogels","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Stimme, aber was er sang, klang so traurig. Ja, die arme Lerche hatte guten","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Grund dazu, sie war gefangen worden und saß nun in einem Bauer dicht an dem","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"offenen Fenster. Sie sang davon, frei und glücklich umherzufliegen, sang von","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"dem jungen, grünen Korn auf den Feldern und von den herrlichen Reisen, die sie","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"auf ihren Schwingen hoch in die Luft hinauf machen konnte. Der arme Vogel war in","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"keiner glücklichen Stimmung. Gefangen saß er im Käfig.","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Das kleine Gänseblümchen wollte ihm so gerne helfen, aber wie sollte sie das","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"anfangen, ja, es war schwer, ein Mittel zu finden. Es vergaß fast, wie schön","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"alles rundumher stand, wie warm die Sonne schien und wie schön seine eigenen","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Blätter aussahen. Ach, sie konnte nur an den armen Vogel denken, für den sie","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"doch gar nichts tun konnte.","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Zu gleicher Zeit kamen zwei kleine Knaben aus dem Garten; der eine hatte ein","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Messer in der Hand, ebenso groß und scharf wie das, mit dem das Mädchen die","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Tulpen abgeschnitten hatte. Sie gingen gerade auf das kleine Gänseblümchen zu,","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"das gar nicht begreifen konnte, was sie wollten.","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"\"Hier können wir uns einen prächtigen Rasenfleck für die Lerche","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"herausschneiden!\" sagte der eine Knabe und begann ein Viereck tief um das","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Gänseblümchen herum herauszuschneiden, so daß es mitten in den Rasenfleck zu","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"stehen kam.","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"\"Reiß die Blume ab!\" sagte der andere Knabe und das Gänseblümchen zitterte","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"ordentlich vor Angst, denn abgerissen werden, hieß ja das Leben verlieren, und","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"nun wollte sie so gern leben, da sie doch mit dem Rasenfleck in das Bauer zu der","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"gefangenen Lerche kommen sollte.","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"\"Nein, laß sie sitzen!\" sagte der andere Knabe, \"sie putzt so hübsch!\" und so","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"blieb sie stehen und kam mit in das Bauer zu der Lerche.","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Aber der arme Vogel klagte laut über die verlorene Freiheit und schlug mit den","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Flügeln gegen den Eisendraht des Käfigs; das kleine Gänseblümchen konnte nicht","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"sprechen, konnte nicht ein tröstendes Wort sagen, wie gerne sie es auch wollte.","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"So verging der ganze Vormittag.","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"\"Hier ist kein Wasser!\" sagte die gefangene Lerche,\" sie sind alle fortgegangen","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"und haben vergessen, mir einen Tropfen zu trinken zu geben! Mein Hals ist","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"trocken und brennend! Es ist, als ob Feuer und Eis in mir wären und die Luft","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"ist so schwer! Ach, ich muß sterben, muß fort von dem warmen Sonnenschein,","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"dem frischen Grün, von all der Herrlichkeit, die Gott geschaffen hat!\" und sie","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"bohrte ihren Schnabel in den kühlen Rasenfleck, um sich dadurch ein wenig zu","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"erfrischen; da fielen ihre Augen auf das Gänseblümchen; der Vogel nickte ihm zu,","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"küßte es mit dem Schnabel und sagte: \"Du mußt auch hier drinnen verwelken, du","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"arme, kleine Blume! Dich und den kleinen, grünen Rasenfleck hat man mir für die","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"ganze Welt gegeben, die ich draußen hatte! Jeder kleine Grashalm soll für mich","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"ein grüner Baum sein, jedes von deinen weißen Blättchen eine duftende Blume!","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Ach, Ihr erzählt mir nur, wieviel ich verloren habe!\"","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"\"Wer ihn doch trösten könnte!\" dachte das Gänseblümchen, aber es konnte kein","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Blatt bewegen; doch der Duft, der aus den feinen Blättchen strömte, war weit","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"stärker, als man ihn sonst bei dieser Blume findet. Das merkte der Vogel auch,","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"und obgleich er vor Durst verschmachtete und in seiner Pein die grünen Grashalme","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"abriß, berührte er doch das Blümchen nicht.","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Es wurde Abend, und noch immer kam niemand und brachte dem armen Vogel einen","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Tropfen Wasser; da streckte er seine hübschen Flügel aus, schüttelte sie","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"krampfhaft, sein Gesang war ein wehmütiges Piepiep; das kleine Köpfchen neigte","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"sich der Blume entgegen, und des Vogels Herz brach vor Durst und Sehnsucht.","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Da konnte das Blümchen nicht mehr, wie am Abend vorher, seine Blätter","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"zusammenfalten und schlafen, sie hingen krank und traurig zur Erde nieder.","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Erst am nächsten Morgen kamen die Knaben, und als sie den Vogel tot sahen,","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"weinten sie. Sie weinten viele Tränen und gruben ihm ein niedliches Grab, das","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"mit Blumenblättern geschmückt wurde. Des Vogels Leiche kam in eine schöne, rote","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Schachtel; königlich sollte er begraben werden, der arme Vogel! Als er lebte und","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"sang, vergaßen sie ihn, ließen ihn im Bauer sitzen und Durst leiden, nun bekam","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"er Pracht und viele Tränen.","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Aber der Rasenfleck mit dem Gänseblümchen wurde auf die Landstraße in den Staub","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"geworfen. Niemand dachte an sie, die doch am meisten für den kleinen Vogel","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"gefühlt hatte und ihn so gerne getröstet hätte!","book":"Das Gänseblumchen"} {"text":"Es waren einmal fünfundzwanzig Zinnsoldaten, die waren alle Brüder, denn sie","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"waren aus einem alten zinnernen Löffel gemacht worden. Das Gewehr hielten sie im","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Arm und das Gesicht geradeaus; rot und blau, überaus herrlich war die Uniform;","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"das allererste, was sie in dieser Welt hörten, als der Deckel von der Schachtel","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"genommen wurde, in der sie lagen, war das Wort \"Zinnsoldaten!\" Das rief ein","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"kleiner Knabe und klatschte in die Hände; er hatte sie erhalten, denn es war","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"sein Geburtstag, und er stellte sie nun auf dem Tische auf. Der eine Soldat","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"glich dem andern leibhaft, nur ein einziger war etwas anders; er hatte nur ein","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Bein, denn er war zuletzt gegossen worden, und da war nicht mehr Zinn genug da;","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"doch stand er ebenso fest auf seinem einen Bein wie die andern auf ihren zweien,","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"und gerade er war es, der sich bemerkbar machte.","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Auf dem Tisch, auf dem sie aufgestellt wurden, stand vieles andere Spielzeug;","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"aber das, was am meisten in die Augen fiel, war ein niedliches Schloß von","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Papier; durch die kleinen Fenster konnte man gerade in die Säle hineinsehen.","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Draußen vor ihm standen kleine Bäume rings um einem kleinen Spiegel, der wie ein","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"kleiner See aussehen sollte. Schwäne von Wachs schwammen darauf und spiegelten","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"sich. Das war alles niedlich, aber das niedlichste war doch ein kleines","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Mädchen, das mitten in der offenen Schloßtür stand; sie war auch aus Papier","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"ausgeschnitten, aber sie hatte ein schönes Kleid und ein kleines, schmales,","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"blaues Band über den Schultern, gerade wie ein Schärpe; mitten in diesem saß ein","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"glänzender Stern, gerade so groß wir ihr Gesicht. Das kleine Mädchen streckte","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"seine beiden Arme aus, denn es war eine Tänzerin, und dann hob es das eine Bein","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"so hoch empor, daß der Zinnsoldat es durchaus nicht finden konnte und glaubte,","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"daß es gerade wie er nur ein Bein habe.","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"'Das wäre eine Frau für mich', dachte er, 'aber sie ist etwas vornehm, sie wohnt","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"in einem Schlosse, ich habe nur eine Schachtel, und da sind wir fünfundzwanzig","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"darin, das ist kein Ort für sie, doch ich muß suchen, Bekanntschaft mit","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"ihr anzuknüpfen!' Und dann legte er sich, so lang er war, hinter eine","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Schnupftabaksdose, die auf dem Tische stand. Da konnte er recht die kleine,","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"feine Dame betrachten, die fortfuhr auf einem Bein zu stehen, ohne umzufallen.","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Als es Abend wurde, kamen alle die andern Zinnsoldaten in ihre Schachtel, und","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"die Leute im Hause gingen zu Bette. Nun fing das Spielzeug an zu spielen, sowohl","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"'Es kommt Besuch!' als auch 'Krieg führen' und 'Ball geben'; die Zinnsoldaten","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"rasselten in der Schachtel, denn sie wollten mit dabei sein, aber sie konnten","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"den Deckel nicht aufheben. Der Nußknacker schoß Purzelbäume, und der Griffel","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"belustigte sich auf der Tafel; es war ein Lärm, daß der Kanarienvogel davon","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"erwachte und anfing mitzusprechen, und zwar in Versen. Die beiden einzigen, die","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"sich nicht von der Stelle bewegten, waren der Zinnsoldat und die Tänzerin; sie","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"hielt sich gerade auf der Zehenspitze und beide Arme ausgestreckt; er war ebenso","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"standhaft auf seinem einen Bein; seine Augen wandte er keinen Augenblick von ihr","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"weg.","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Nun schlug die Uhr zwölf, und klatsch, da sprang der Deckel von der","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Schnupftabaksdose auf, aber da war kein Tabak darin, nein, sondern ein kleiner,","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"schwarzer Kobold. Das war ein Kunststück!","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"\"Zinnsoldat\" sagte der Kobold, \"halte deine Augen im Zaum!\"","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Aber der Zinnsoldat tat, als ob er es nicht hörte.","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"\"Ja, warte nur bis morgen!\" sagte der Kobold.","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Als es nun Morgen wurde und die Kinder aufstanden, wurde der Zinnsoldat in das","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Fenster gestellt, und war es nun der Kobold oder der Zugwind, auf einmal flog","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"das Fenster zu, und der Soldat stürzte drei Stockwerke tief hinunter. Das war","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"eine erschreckliche Fahrt. Er streckte das Bein gerade in die Höhe und blieb auf","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"der Helmspitze mit dem Bajonett abwärts zwischen den Pflastersteinen stecken.","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Das Dienstmädchen und der kleine Knabe kamen sogleich hinunter, um zu suchen;","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"aber obgleich sie nahe daran waren, auf ihn zu treten, so konnten sie ihn doch","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"nicht erblicken. Hätte der Zinnsoldat gerufen: \"Hier bin ich!,\" so hätten sie","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"ihn wohl gefunden, aber er fand es nicht passend, laut zu schreien, weil er in","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Uniform war.","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Nun fing es an zu regnen; die Tropfen fielen immer dichter, es ward ein","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"ordentlicher Platzregen; als der zu Ende war, kamen zwei Straßenjungen vorbei.","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"\"Sieh du!\" sagte der eine, \"da liegt ein Zinnsoldat! Der soll hinaus und","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"segeln!\"","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Sie machten ein Boot aus einer Zeitung, setzten den Soldaten mitten hinein,","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"und nun segelte er den Rinnstein hinunter; beide Knaben liefen nebenher und","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"klatschten in die Hände. Was schlugen da für Wellen in dem Rinnstein, und","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"welcher Strom war da! Ja, der Regen hatte aber auch geströmt. Das Papierboot","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"schaukelte auf und nieder, mitunter drehte es sich so geschwind, daß der","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Zinnsoldat bebte; aber er blieb standhaft, verzog keine Miene, sah geradeaus und","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"hielt das Gewehr im Arm.","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Mit einem Male trieb das Boot unter eine lange Rinnsteinbrücke; da wurde es","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"gerade so dunkel, als wäre er in seiner Schachtel.","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"'Wohin mag ich nun kommen?' dachte er. 'Ja, Ja, das ist des Kobolds Schuld! Ach,","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"säße doch das kleine Mädchen hier im Boote, da könnte es meinetwegen noch einmal","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"so dunkel sein!'","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Da kam plötzlich eine große Wasserratte, die unter der Rinnsteinbrücke wohnte.","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"\"Hast du einen Paß?\" fragte die Ratte. \"Her mit dem Passe!\"","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Aber der Zinnsoldat schwieg still und hielt das Gewehr noch fester. Das Boot","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"fuhr davon und die Ratte hinterher. Hu, wie fletschte sie die Zähne und rief den","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Holzspänen und dem Stroh zu:","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"\"Halt auf! Halt auf! Er hat keinen Zoll bezahlt; er hat den Paß nicht gezeigt!\"","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Aber die Strömung wurde stärker und stärker! Der Zinnsoldat konnte schon da,","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"wo das Brett aufhörte, den hellen Tag erblicken, aber er hörte auch einen","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"brausenden Ton, der wohl einen tapfern Mann erschrecken konnte. Denkt nur, der","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Rinnstein stürzte, wo die Brücke endete, geradehinaus in einen großen Kanal;","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"das würde für den armen Zinnsoldaten ebenso gefährlich gewesen sein wie für uns,","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"einen großen Wasserfall hinunterzufahren!","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Nun war er schon so nahe dabei, daß er nicht mehr anhalten konnte. Das Boot","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"fuhr hinaus, der Zinnsoldat hielt sich so steif, wie er konnte; niemand sollte","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"ihm nachsagen, daß er mit den Augen blinke. Das Boot schnurrte drei-, viermal","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"herum und war bis zum Rande mit Wasser gefüllt, es mußte sinken. Der Zinnsoldat","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"stand bis zum Halse im Wasser, und tiefer und tiefer sank das Boot, mehr und","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"mehr löste das Papier sich auf; nun ging das Wasser über des Soldaten Kopf.","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Da dachte er an die kleine, niedliche Tänzerin, die er nie mehr zu Gesicht","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"bekommen sollte, und es klang vor des Zinnsoldaten Ohren das Lied:'Fahre, fahre","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Kriegsmann!","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Den Tod mußt du erleiden!'","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Nun ging das Papier entzwei, und der Zinnsoldat stürzte hindurch, wurde aber","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"augenblicklich von einem großen Fisch verschlungen.","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Wie war es dunkel da drinnen! Da war es noch schlimmer als unter der","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Rinnsteinbrücke, und dann war es so sehr eng; aber der Zinnsoldat war standhaft","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"und lag, so lang er war, mit dem Gewehr im Arm.","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Der Fisch fuhr umher, er machte die allerschrecklichsten Bewegungen; endlich","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"wurde er ganz still, es fuhr wie ein Blitzstrahl durch ihn hin. Das Licht","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"schien ganz klar, und jemand rief laut: \"Der Zinnsoldat!\" Der Fisch war gefangen","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"worden, auf den Markt gebracht, verkauft und in die Küche hinaufgekommen, wo","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"die Köchin ihn mit einem großen Messer aufschnitt. Sie nahm mit zwei Fingern","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"den Soldaten mitten um den Leib und trug ihn in die Stube hinein, wo alle den","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"merkwürdigen Mann sehen wollten, der im Magen eines Fisches herumgereist war;","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"aber der Zinnsoldat war gar nicht stolz. Sie stellten ihn auf den Tisch und","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"da - wie sonderbar kann es doch in der Welt zugehen! Der Zinnsoldat war in","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"derselben Stube, in der er früher gewesen war, er sah dieselben Kinder, und das","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"gleiche Spielzeug stand auf dem Tische, das herrliche Schloß mit der niedlichen,","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"kleinen Tänzerin. Die hielt sich noch auf dem einen Bein und hatte das andere","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"hoch in der Luft, sie war auch standhaft. Das rührte den Zinnsoldaten, er war","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"nahe daran, Zinn zu weinen, aber es schickte sich nicht. Er sah sie an, aber sie","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"sagten gar nichts.","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Da nahm der eine der kleinen Knaben den Soldaten und warf ihn gerade in den","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Ofen, obwohl er gar keinen Grund dafür hatte; es war sicher der Kobold in der","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Dose, der schuld daran war.","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Der Zinnsoldat stand ganz beleuchtet da und fühlte eine Hitze, die erschrecklich","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"war; aber ob sie von dem wirklichen Feuer oder von der Liebe herrührte, das","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"wußte er nicht. Die Farben waren ganz von ihm abgegangen - ob das auf der Reise","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"geschehen oder ob der Kummer daran schuld war, konnte niemand sagen. Er sah","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"das kleine Mädchen an, sie blickte ihn an, und er fühlte, daß er schmelze, aber","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"noch stand er standhaft mit dem Gewehre im Arm. Da ging eine Tür auf, der Wind","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"ergriff die Tänzerin, und sie flog, einer Sylphide gleich, gerade in den Ofen","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"zum Zinnsoldaten, loderte in Flammen auf und war verschwunden. Da schmolz der","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Zinnsoldat zu einem Klumpen, und als das Mädchen am folgenden Tage die Asche","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"herausnahm, fand sie ihn als ein kleines Zinnherz; von der Tänzerin hingegen war","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"nur der Stern noch da, und der war kohlschwarz gebrannt.","book":"Der standhafte Zinnsoldat"} {"text":"Weit von hier, dort, wo die Schwalben hinfliegen, wenn wir Winter haben, wohnte","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"ein König der elf Söhne und eine Tochter Elisa hatte. Die elf Brüder waren","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Prinzen und gingen mit dem Stern auf der Brust und dem Säbel an der Seite in","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"die Schule. Sie schrieben mit Diamantgriffeln auf Goldtafeln und lernten ebenso","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"gut auswendig, wie sie lasen; man konnte gleich hören, daß sie Prinzen waren.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Die Schwester Elisa saß auf einem kleinen Schemel von Spiegelglas und hatte ein","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Bilderbuch, welches für das halbe Königreich erkauft war.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Oh, die Kinder hatten es so gut; aber so sollte es nicht immer bleiben!","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Ihr Vater, welcher König über das ganze Land war, verheiratete sich mit einer","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"bösen Königin, die den armen Kindern gar nicht gut war. Schon am ersten Tag","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"konnten sie es merken. Auf dem ganzen Schloß war große Pracht, und da spielten","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"die Kinder \"Es kommt Besuch,\" aber statt daß sie, wie sonst, allen Kuchen und","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"alle gebratenen Äpfel erhielten, die nur zu haben waren, gab sie ihnen bloß Sand","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"in einer Teetasse und sagte, sie möchten tun, als ob etwas darin sei.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Die Woche darauf brachte sie die kleine Schwester Elisa auf das Land zu einem","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Bauernpaar, und lange währte es nicht, da redete sie dem König so viel von den","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"armen Prinzen vor, daß er sich gar nicht mehr um sie kümmerte.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Fliegt hinaus in die Welt und ernährt euch selbst!\" sagte die böse Königin.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Fliegt wie die großen Vögel ohne Stimme!\" Aber sie konnte es doch nicht so","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"schlimm machen, wie sie gern wollte; sie wurden elf herrliche wilde Schwäne. Mit","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"einem sonderbaren Schrei flogen sie aus den Schloßfenstern hinaus über den Park","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"und den Wald dahin.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Es war noch ganz früh am Morgen, als sie da vorbeikamen, wo die Schwester Elisa","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"in der Stube des Landmannes lag und schlief. Hier schwebten sie über dem Dach,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"drehten ihre langen Hälse und schlugen dann mit den Flügeln, aber niemand hörte","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"oder sah es. Sie mußten wieder weiter, hoch gegen die Wolken empor, hinaus in","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"die weiter Welt. Da flogen sie hin zu einem großen dunklen Wald, der sich bis an","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"den Strand erstreckte.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Die arme, kleine Elisa stand in der Stube des Landmannes und spielte mit einem","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"grünen Blatt; anderes Spielzeug hatte sie nicht. Und sie stach ein Loch in das","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Blatt, sah hindurch und gegen die Sonne empor, und da war es, als sähe sie ihrer","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Brüder klare Augen. Jedesmal, wenn die warmen Sonnenstrahlen auf ihre Wangen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"schienen, gedachte sie aller ihrer Küsse.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Ein Tag verging ebenso wie der andere. Strich der Wind durch die großen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Rosenhecken draußen vor dem Haus, so flüsterte er den Rosen zu: \"Wer kann","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"schönen sein als Ihr?\" Aber die Rosen schüttelten das Haupt und sangen:","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Elisa ist es!\" Und saß die alte Frau am Sonntag vor der Tür und las in ihrem","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Gesangbuch so wendete der Wind die Blätter um und sagte zum Buch: \"Wer kann","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"frömmer sein als du?\" - \"Elisa ist es!\" sagte das Gesangbuch. Und es war die","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"reine Wahrheit, was die Rosen und das Gesangbuch sagten.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Als sie fünfzehn Jahre alt war, sollte sie nach Hause. Und als die Königin sah,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"wie schön sie war, wurde sie ihr gram und voll Haß. Gern hätte sie sie in einen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"wilden Schwan verwandelt wie die Brüder, aber das wagte sie nicht gleich, weil","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"ja der König seine Tochter sehen wollte.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Frühmorgens ging die Königin in das Bad, welches von Marmor erbaut und mit","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"weichen Kissen und den prächtigsten Decken geschmückt war. Und sie nahm drei","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Kröten, küßte sie und sagte zu der einen: \"Setze dich auf Elisas Kopf, wenn sie","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"in das Bad kommt, damit sie dumm wird wie du!\" - \"Setze dich auf ihre Stirn,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"damit sie häßlich wird wie du, so daß ihr Vater sie nicht kennt!\" - \"Ruhe an","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"ihrem Herzen,\" flüsterte sie der dritten zu; \"laß sie einen bösen Sinn erhalten,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"damit sie Schmerzen davon hat!\" Dann setzte sie die Kröten in das klare Wasser,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"welches sogleich eine grüne Farbe erhielt, rief Elisa, zog sie aus und ließ sie","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"in das Wasser hinabsteigen. Und indem Elisa untertauchte, setzte sich die eine","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Kröte ihr in das Haar, die andere auf ihre Stirn und die dritte auf die Brust.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Aber sie schien es gar nicht zu merken. Sobald sie sich emporrichtete, schwammen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"drei rote Mohnblumen auf dem Wasser. Wären die Tiere nicht giftig gewesen und","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"von der Hexe geküßt worden, so wären sie in rote Rosen verwandelt. Aber Blumen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"wurden sie doch, weil sie auf ihrem Haupt und an ihrem Herzen geruht hatten. Sie","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"war zu fromm und unschuldig, als daß die Zauberei Macht über sie haben konnte!","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Als die böse Königin das sah, rieb sie Elisa mit Walnußsaft ein, so daß sie ganz","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"schwarzbraun wurde, bestrich ihr das hübsche Antlitz mit einer stinkenden Salbe","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"und ließ das herrliche Haar sich verwirren. Es war unmöglich, die schöne Elisa","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"wiederzuerkennen.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Als sie der Vater sah, erschrak er sehr und sagte, es sei nicht seine Tochter.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Niemand, außer dem Kettenhund und den Schwalben, wollte sie erkennen; aber das","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"waren arme Tiere, die nichts zu sagen hatten.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Da weinte die arme Elisa und dachte an ihre elf Brüder, die alle weg waren.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Betrübt stahl sie sich aus dem Schloß und ging den ganzen Tag über Feld und","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Moor bis in den großen Wald hinein. Sie wußte gar nicht, wohin sie wollte, aber","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"die fühlte sich so betrübt und sehnte sich nach ihren Brüdern. Die waren sicher","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"auch, gleich ihr, in die Welt hinausgejagt, die wollte sie suchen und finden.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Nur kurze Zeit war sie im Wald gewesen, da brach die Nacht an. Sie kam ganz vom","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Weg und Steg ab, darum legte sie sich auf das weiche Moos nieder, betete ihr","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Abendgebet und lehnte ihr Haupt an einen Baumstumpf. Es war da so still, die","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Luft so mild, und ringsumher im Gras und im Moos leuchteten, einem grünen Feuer","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"gleich, Hunderte von Johanneswürmchen. Als sie einen der Zweige leise mit der","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Hand berührte, fielen die leuchtenden Käfer wie Sternschnuppen zu ihr nieder.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Die ganze Nacht träumte sie von ihren Brüdern. Sie spielten wieder als Kinder,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"schrieben mit dem Diamantgriffel auf die Goldtafel und betrachteten das","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"herrliche Bilderbuch, welches das halbe Reich gekostet hatte. Aber auf die","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Tafel schrieben sie nicht, wie früher, Nullen und Striche, sondern die mutigen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Taten, die sie vollführt, alles, was sie erlebt und gesehen hatten. Und im","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Bilderbuch war alles lebendig, die Vögel sangen, und die Menschen gingen aus","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"dem Buch heraus und sprachen mit Elisa und ihren Brüdern. Aber wenn diese das","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Blatt umwendeten, sprangen sie gleich wieder zurück, damit keine Unordnung","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"hineinkomme.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Als sie erwachte, stand die Sonne schon hoch. Sie konnte sie freilich nicht","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"sehen, die hohen Bäume breiteten ihre Zweige dicht und fest über sie aus.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Aber die Strahlen spielten dort oben gerade wie ein wehender Goldflor. Da war","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"ein Duft von Grünem, und die Vögel setzten sich fast auf ihre Schultern. Sie","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"hörte Wasser plätschern. Das waren viele große Quellen, die alle in einen See","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"ausliefen, in dem der herrlichste Sandhoden war. Freilich wuchsen dort dichte","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Büsche ringsumher, aber an einer Stelle hatten die Hirsche eine große Lichtung","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"gemacht, und hier ging Elisa zum Wasser hin. Dies war so klar, daß man, wenn","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"der Wind nicht die Zweige und Büsche berührte, so daß sie sich bewegten, hätte","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"glauben können, sie seine auf dem Boden abgemalt, so deutlich spiegelte sich","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"dort jedes Blatt, sowohl das, welches von der Sonne beschienen, als das, welches","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"im Schatten war.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Sobald Elisa ihr eigenes Gesicht erblickte, erschrak sie, so braun und häßlich","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"war es. Doch als sie ihre kleine Hand benetzte und Augen und Stirne rieb,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"glänzte die weiße Haut wieder vor. Da entkleidete sie sich und ging in das","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"frische Wasser hinein. Ein schöneres Königskind, als sie war, wurde in dieser","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Welt nicht gefunden.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Als sie sich wieder angekleidet und ihr langes Haar geflochten hatte, ging","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"sie zur sprudelnden Quelle, trank aus der hohlen Hand und wanderte tief in den","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Wald hinein, ohne selbst zu wissen, wohin. Sie dachte an ihre Brüder, dachte","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"an den lieben Gott, der sie sicher nicht verlassen würde. Gott ließ die wilden","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Waldäpfel wachsen, um die Hungrigen zu sättigen. Er zeigte ihr einen solchen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Raum, die Zweige bogen sich unter der Last der Früchte. Hier hielt sie ihre","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Mittagsmahlzeit, setzte Stützen unter die Zweige und ging dann in den dunkelsten","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Teil des Waldes hinein. Da war es so still, daß sie ihre eigenen Fußtritte hörte","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"sowie jedes kleinste vertrocknete Blatt, welches sich unter ihrem Fuße bog.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Nicht ein Vogel war da zu sehen, nicht ein Sonnenstrahl konnte durch die großen,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"dunklen Baumzweige dringen. Die hohen Stämme standen so nahe beisammen, daß es,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"wenn sie vor sich in sah, ganz so schien, als ob ein Balkengitter dicht beim","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"andern sie umschlösse. Oh, hier war eine Einsamkeit, wie sie solche früher nie","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"gekannt!","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Die Nacht wurde ganz dunkel. Nicht ein einziger kleiner Johanniswurm leuchtete","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"aus dem Moos. Betrübt legte sie sich nieder, um zu schlafen. Da schien es ihr,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"als ob die Baumzweige über ihr sich zur Seite bewegten und der liebe Gott mit","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"milden Augen auf sie niederblickte, und kleine Engel sahen über seinem Kopf und","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"unter seinen Armen hervor.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Als sie am Morgen erwachte, wußte sie nicht, ob sie es geträumt hatte oder ob es","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"wirklich so gewesen.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Sie ging einige Schritte vorwärts, da begegneten sie einer alten Frau mit Beeren","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"in ihrem Korb. Die Alte gab ihr einige davon. Elisa frage, ob sie nicht elf","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Prinzen durch den Wald habe reiten sehen.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Nein!\" sagte die Alte; \"aber ich sah gestern elf Schwäne mit Goldkronen auf dem","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Haupt den Fluß hier nahebei hinabschwimmen!\"","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Und sie führte Elisa ein Stück weiter vor zu einem Abhang. Am Fuße desselben","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"schlängelte sich ein Flüßchen. Die Bäume an seinen Ufern streckten ihre langen,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"blattreichen Zweige einander entgegen, und wo sie ihrem natürlichen Wuchse nach,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"nicht zusammenreichen konnten, da waren die Wurzel aus der Erde losgerissen und","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"hingen, mit den Zweigen ineinander geflochten, über das Wasser hinaus.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Elisa sagte der Alten Lebewohl und ging das Flüßchen entlang, bis wo dieses ins","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"große, offene Meer hinausfloß.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Das ganze herrliche Meer lag vor dem jungen Mädchen, aber nicht ein Segel zeigte","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"sich darauf, nicht ein Boot war da zu sehen. Wie sollte sie nun dort weiter fort","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"kommen? Sie betrachtete die unzähligen kleinen Steine am Ufer, das Wasser hatte","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"sie alle rund geschliffen. Glas, Eisen, Seine, alles, was da zusammengespült","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"lag, hatte seine Form durch das Wasser bekommen, welches doch viel weicher war","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"als ihre feine Hand. \"Das rollt unermüdlich fort, und so ebnet sich das Harte.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Ich will ebenso unermüdlich sein. Dank für eure Lehre, ihr klaren, rollenden","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Wogen; einst, das sagte mir mein Herz, werdet ihr mich zu meinen lieben Brüdern","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"tragen!\"","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Auf dem angespülten Seegras lagen elf weiße Schwanenfedern! Sie sammelte sie","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"zu einem Strauß. Es lagen Wassertropfen darauf - ob es Tau oder Tränen waren,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"konnte man nicht sehen. Einsam war es dort am Strand, aber sie fühlte es nicht,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"denn das Meer bot eine dauernde Abwechslung, ja mehr in nur wenigen Stunden,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"als die Landseen in einem ganzen Jahr aufweisen können. Kam eine große,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"schwarze Wolke, so war das, als ob die See sagen wollte: \"Ich kann auch finster","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"aussehen.\" Und dann blies der Wind, und die Wogen kehrten das Weiße nach außen.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Schienen aber die Wolken rot und schliefen die Winde, so war das Meer einem","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Rosenblatt gleich; bald wurde es grün, bald weiß. Aber wie still es auch ruhte,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"am Ufer war doch eine leise Bewegung, das Wasser hob sich schwach wie die Brust","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"eines schlafenden Kindes.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Als die Sonne unterzugehen im Begriff war, sah Elisa elf wilde Schwäne mit","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Goldkronen auf dem Kopf dem Lande zufliegen. Sie schwebten einer hinter dem","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"anderen, es sah aus wie ein langes, weißes Band. Da stieg Elisa den Abhang","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"hinauf und verbarg sich hinter einem Busch. Die Schwäne ließen sich nahe bei ihr","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"nieder und schlugen mit ihren großen, weißen Schwingen.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Sobald die Sonne hinter dem Wasser war, fielen plötzlich die Schwanengefieder,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"und elf schöne Prinzen, ihre Brüder, standen da. Sie stieß einen lauten Schrei","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"aus; obwohl sie sich sehr verändert hatte, wußte sie doch, daß sie es waren,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"fühlte sie, daß sie es sein müßten. Und sie sprang in ihre Arme und nannte","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"sie bei Namen. Und die Prinzen fühlten sich so glücklich, als sie ihre kleine","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Schwester sahen, und erkannten sie, die nun groß und schön war. Sie lachten und","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"weinten, und bald hatten sie verstanden, wie böse ihre Stiefmutter gegen sie","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"alle gewesen war.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Wir Brüder,\" sagte der älteste, \"fliegen als wilde Schwäne, solange die Sonne","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"am Himmel steht; sobald sie untergegangen ist, erhalten wir unsere menschliche","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Gestalt wieder. Deshalb müssen wir immer aufpassen, beim Sonnenuntergang eine","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Ruhestätte für die Füße zu haben, denn fliegen wir um diese Zeit gegen die","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Wolken empor, so müssen wir als Menschen in die Tiefe hinunterstürzen. Hier","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"wohnen wir nicht; es liegt ein ebenso schönes Land wie dieses jenseits der","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"See. Aber der Weg dahin ist weit. Wir müssen über das große Meer, und es findet","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"sich keine Insel auf unserm Wege, wo wir übernachten könnten; nur eine einsame,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"kleine Klippe ragt in der Mitte hervor, sie ist nicht größer, als daß wir dicht","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"nebeneinander darauf ruhen können. Ist die See stark bewegt, so spritzt das","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Wasser hoch über uns; aber doch danken wir Gott für sie. Da übernachten wir","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"in unserer Menschengestalt; ohne diese könnten wir nie unser liebes Vaterland","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"besuchen, denn zwei der längsten Tage des Jahres brauchen wir für unseren Flug.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Nur einmal im Jahr ist es uns vergönnt, unsere Heimat zu besuchen. Elf Tage","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"dürfen wir hier bleiben und über den großen Wald hinfliegen, von wo wir das","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Schloß, in dem wir geboren wurden und wo unser Vater wohnt, erblicken und den","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"hohen Kirchturm sehen können, wo die Mutter begraben ist. Hier kommt es uns","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"vor, als seien Bäume und Büsche mit uns verwandt; hier laufen die wilden Pferde","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"über die Steppen hin, wie wir es in unserer Kindheit gesehen; hier singt der","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Kohlenbrenner die alten Lieder, nach denen wir als Kinder tanzten; hier ist","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"unser Vaterland; hierher fühlen wir uns gezogen, und hier haben wir dich, du","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"liebe, kleine Schwester, gefunden! Zwei Tage können wir noch hier bleiben, dann","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"müssen wir fort über das Meer, nach einem herrlichen Land, welches aber nicht","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"unser Vaterland ist! Wie bringen wir dich fort? Wir haben weder Schiff noch","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Boot!\"","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Auf welche Art kann ich euch erlösen?\" fragte die Schwester.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Und sie unterhielten sich fast die ganze Nacht, es wurde nur einige Stunden","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"geschlummert.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Elisa erwachte von dem Rauschen der Schwanenflügel, welche über ihr sausten,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"die Brüder waren wieder verwandelt. Und sie flogen in großen Kreisen und zuletzt","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"weit weg, aber der eine von ihnen, der jüngste, blieb zurück. Und der Schwan","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"legte den Kopf in ihren Schoß, und sie streichelte seine Flügel, den ganzen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Tag waren sie beisammen. Gegen Abend kamen die andern zurück, und als die Sonne","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"untergegangen war, standen sie in natürlicher Gestalt da.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Morgen fliegen wir von hier weg und können vor Ablauf eines ganzen Jahres nicht","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"zurückkehren. Aber dich können wir nicht so verlassen! Hast du Mut, mitzukommen?","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Mein Arm ist stark genug, dich durch den Wald zu tragen. Sollten wir da nicht","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"alle so starke Flügel haben, um mit dir über das Meer zu fliegen?\"","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Ja, nehmt mich mit!\" sagte Elisa.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Die ganze Nacht brachten sie damit zu, aus der geschmeidigen Weidenrinde und","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"dem zähen Schild ein Netz zu flechten, und das wurde groß und fest. Auf dieses","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Netz legte sich Elisa, und als die Sonne hervortrat und die Brüder in wilde","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Schwäne verwandelt wurden, ergriffen sie das Netz mit ihren Schnäbeln und flogen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"mit ihrer lieben Schwester, die noch schlief, hoch gegen die Wolken empor. Die","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Sonnenstrahlen fielen ihr gerade auf das Antlitz, deshalb flog einer der Schwäne","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"über ihrem Kopf, damit seine breiten Schwingen sie beschatten konnten.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Sie waren weit vom Land entfernt, als Elisa erwachte. Sie glaubte noch zu","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"träumen, so sonderbar kam es ihr vor, hoch durch die Luft über das Meer getragen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"zu werden. An ihrer Seite lag ein Zweig mit herrlichen reifen Beeren und ein","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Bündel wohnschmeckender Wurzeln, die hatte der jüngste der Brüder gesammelt und","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"ihr hingelegt. Sie lächelte ihn dankbar an, denn sie erkannte ihn, er war es,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"der über ihr folg und sie mit den Schwingen beschattete.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Sie waren so hoch, daß das größte Schiff, welches sie unter sich erblickten,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"eine weiße Möwe zu sein schien, die auf dem Wasser lag. Eine große Wolke stand","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"hinter ihnen, das war ein ganzer Berg. Und auf diesem sah Elisa ihren eigenen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Schatten und den der elf Schwäne, so riesengroß flogen sie dahin. Das war ein","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Gemälde, prächtiger, als sie früher je eins gesehen. Doch als die Sonne höher","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"stieg und die Wolke weiter zurückblieb, verschwand das schwebende Schattenbild.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Den ganzen Tag flogen sie fort, gleich einem sausenden Pfeil durch die Luft;","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"aber es ging doch langsamer als sonst, denn jetzt hatten sie die Schwester","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"zu tragen. Es zog ein böses Wetter auf, der Abend brach herein. Ängstlich","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"sah Elisa die Sonne sinken, und noch war die einsame Klippe im Meere nicht zu","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"erblicken. Es kam ihr vor, als machten die Schwäne stärkere Schläge mit den","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Flügeln. Ach, sie war Schuld daran, daß sie nicht rasch genug fortkamen. Wenn","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"die Sonne untergegangen war, so mußten sie Menschen werden, in das Meer stürzen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"und ertrinken. Da betete sie aus dem Innersten des Herzens ein Gebet zum lieben","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Gott; aber noch erblickte sie keine Klippe. Die schwarze Wolke kam näher, die","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"starken Windstöße verkündeten einen Sturm. Die Wolken standen in einer einzigen,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"großen, drohenden Welle da, welche fast wie Blei vorwärts schoß, Blitz leuchtete","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"auf Blitz.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Jetzt war die Sonne gerade am Rande des Meeres. Elisas Herz bebte. Da schossen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"die Schwäne hinab, so schnell, daß sie zu fallen glaubte. Aber nun schwebten sie","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"wieder. Die Sonne war halb unter dem Wasser, da erblickte sie erst die kleine","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Klippe unter sich. Sie sah nicht größer aus, als ob es ein Seehund sei, der","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"den Kopf aus de Wasser streckte. Die Sonne sank so schnell, jetzt erschien sie","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"nur noch wie ein Stern. Da berührte ihr Fuß den festen Grund! Die Sonne erlosch","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"gleich dem letzten Funken im brennenden Papier. Arm in Arm sah sie die Brüder","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"um sich stehen; aber mehr Platz, als gerade für diese und sie war auch nicht da.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Die See schlug gegen die Klippe und ging wie Staubregen über sie hin. Der Himmel","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"leuchtete in einem fortwährenden Feuer, und Schlag auf Schlag rollte der Donner.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Aber Schwester und Brüder faßten sich an den Händen und sangen Psalmen, aus","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"denen sie Trost und Mut schöpften.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"In der Morgendämmerung war die Luft rein und still, Sobald die Sonne emporstieg,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"flogen die Schwäne mit Elisa von der Insel fort. Das Meer ging noch hoch;","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"es sah aus, wie sie hoch in der Luft waren, als ob der weiße Schaum auf der","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"schwarzgrünen See Millionen Schwäne seien, die auf dem Wasser schwammen.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Als die Sonne höher stieg, sah Elisa vor sich, halb in der Luft schwimmend,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"ein Bergland mit glänzenden Eismassen auf den Felsen. Und mitten darauf erhob","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"sich ein meilenlanges Schloß mir einem kühnen Säulengang über dem andern; unten","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"wogten Palmenwälder und Prachtblumen, so groß wie Mühlräder. Sie fragte, ob das","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"das Land sei, wo sie hin wollten; aber die Schwäne schüttelten mit dem Kopf,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"denn das, was sie sah, war der Fata Morgana herrliches, allzeit wechselndes","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Wolkenschloß, in das durften sie keinen Menschen hineinbringen. Elisa starrte","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"es an, da stützten Berge, Wälder und Schloß zusammen, und zwanzig stolze","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Kirchen, alle einander gleich, mit hohen Türmen und spitzen Fenstern standen vor","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"ihnen. Sie glaubte die Orgeln ertönen zu hören, aber es war das Meer, welches","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"sie hörte. Nun war sie den Kirchen ganz nahe, da wurden sie zu einer ganzen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Flotte, die unter ihr dahinsegelte; doch als sie hinunterblickte, waren es nur","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Meernebel, die über dem Wasser hinglitten. So hatte sie eine ewige Abwechslung","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"vor den Augen, und dann sah sie das wirkliche Land, zu dem hin sie wollten.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Dort erhoben sich die herrlichsten blauen Berge mit Zedernwäldern, Städten und","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Schlössern. Lange bevor die Sonne unterging, saß sie auf dem Felsen vor einer","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"großen Höhle, die mit feinen grünen Schlingpflanzen bewachsen war, es sah aus,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"als seien es gestickte Teppiche.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Nun wollen wir sehen, was du diese Nacht hier träumst,\" sagte der jüngste","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Bruder und zeigte ihr die Schlafkammer.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Gebe der Himmel, daß ich träumen möge, wie ich euch erretten kann!\" sagte sie.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Und dieser Gedanke beschäftigte sie lebhaft. Sie betete recht inbrünstig zu Gott","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"um seine Hilfe, ja, selbst im Schlafe fuhr sie fort zu beten. Da kam es ihr vor,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"als ob sie hoch in die Luft fliege, zu der Fata Morgana Wolkenschloß. Und die","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Fee kam ihr entgegen, so schön und glänzend; und doch glich sie ganz der alten","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Frau, die ihr Beeren im Walde gegeben und ihr von den Schwänen mit Goldkronen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"auf dem Kopfe erzählt hatte.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Deine Brüder können erlöst werden!\" sagte sie; \"Aber hast du Mut und Ausdauer?","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Wohl ist das Wasser weicher als deine feinen Hände, und doch formt es die","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Steine um; aber es fühlt nicht die Schmerzen, die deine Finger fühlen werden,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"es hat kein Herz, leidet nicht die Angst und Qual, die du aushalten mußt. Siehst","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"du die Brennessel, die ich in meiner Hand halte? Von derselben Art wachsen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"viele rings um die Höhle, wo du schläfst; nur die dort und die, welche auf des","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Kirchhofs Gräbern wachsen, sind tauglich, merke dir das. Die mußt du pflücken,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"obgleich sie deine Hand voll Blasen brennen werden. Brich die Nesseln mit deinen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Füßen, so erhältst du einen Flachs; aus diesem mußt du elf Panzerhemden mit","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"langen Ärmeln flechten und binden. Wirf diese über die elf Schwäne, so ist der","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Zauber gelöst. Aber bedenke wohl, daß du von dem Augenblick, wo du diese Arbeit","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"beginnst, bis zu dem, wo sie vollendet ist, wenn auch Jahre darüber vergehen,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"nicht sprechen darfst. Das erste Wort, welches du sprichst, geht als tötender","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Dolch in deiner Brüder Herz! An deiner Zunge hängt ihr Leben. Merke dir das","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"alles.\"","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Und sie berührte zugleich ihre Hand mit der Nessel. Es war einem brennenden","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Feuer gleich; Elisa erwachte dadurch. Es war heller Tag, und dicht daneben, wo","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"sie geschlafen hatte, lagt eine Nessel wie die, welche sie im Traum gesehen. Da","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"fiel sie auf ihre Knie, dankte dem lieben Gott und ging aus der Höhle hinaus, um","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"ihre Arbeit zu beginnen.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Mit den feinen Händen griff sie hinunter in die häßlichen Nesseln, diese waren","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"wie Feuer. Große Blasen brannten sie an ihren Händen und Armen; aber gern wollte","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"sie es leiden, konnte sie nur die lieben Brüder befreien. Sie brach jede Nessel","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"mit ihren bloßen Füßen und flocht den grünen Flachs.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Als die Sonne untergegangen war, kamen die Brüder, und sie erschraken, sie so","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"stumm zu finden. Sie glaubten, es sei ein neuer Zauber der bösen Stiefmutter.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Aber als sie ihre Hände erblickten, begriffen sie, was sie ihrethalben tat. Und","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"der jüngste Bruder weinte, und wohin seine Tränen fielen, da fühlte sie keine","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Schmerzen, da verschwanden die brennenden Blasen.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Die Nacht brachte sie bei ihrer Arbeit zu, denn sie hatte keine Ruhe, bevor sie","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"die lieben Brüder erlöst hätte. Den ganzen folgenden Tag, während die Schwäne","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"fort waren, saß sie in ihrer Einsamkeit; aber noch nie war die Zeit ihr so","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"schnell entflohen. Ein Panzerhemd war schon fertig, nun fing sie das zweite an.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Da ertönte ein Jagdhorn zwischen den Bergen; sie wurde von Furcht ergriffen. Der","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Ton kam immer näher, sie hörte Hunde bellen; erschrocken floh sie in die Höhle,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"band die Nesseln, die sie gesammelt und gehechelt hatte, in ein Bund zusammen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"und setzte sich drauf.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Sogleich kam ein großer Hund aus der Schlucht hervorgesprungen, und gleich","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"darauf wieder einer und noch einer; sie bellten laut, liefen zurück und kamen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"wieder vor. Es währte nur wenige Minuten, so standen alle Jäger vor der Höhle,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"und der schönste unter ihnen war der König des Landes. Er trat auf Elisa zu, nie","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"hatte er ein schöneres Mädchen gesehen.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Wie bist du hierher gekommen, du herrliches Kind?\" frage er. Elisa schüttelte","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"den Kopf, sie durfte ja nicht sprechen; es galt ihrer Brüder Erlösung und Leben.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Und sie verbarg ihre Hände unter der Schürze, damit der König nicht sehen solle,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"was sie leiden mußte.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Kommt mit mir!\" sagte er, \"hier darfst du nicht bleiben. Bist du so gut, wie","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"du schön bist, so will ich dich in Seide und Samt kleiden, die Goldkrone dir auf","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"das Haupt setzen, und du sollst in meinem reichsten Schloß wohnen und hausen!\"","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Und dann hob er sie auf sein Pferd. Sie weinte und rang die Hände, aber der","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"König sagte: \"Ich will nur dein Glück! Einst wirst du mir dafür danken.\" Und","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"dann jagte er fort durch die Berge und hielt sie vorn auf dem Pferd, und die","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Jäger jagten hinterher.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Als die Sonne unterging, lag die schöne Königsstadt mit Kirchen und Kuppeln vor","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"ihnen. Und der König führte sie in das Schloß, wo große Springbrunnen in den","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"hohen Marmorsälen plätscherten, wo Wände und Decken mit Gemälden prangten. Aber","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"sie hatte keine Augen dafür, sie weinte und trauerte. Willig ließ sie sich von","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"den Frauen königliche Kleider anlegen, Perlen in ihre Haar flechten und feine","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Handschuhe über die verbrannten Finger ziehen.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Als sie in ihrer Pracht dastand, war sie so blendend schön, daß der Hof sich","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"noch tiefer verneigte. Und der König erkor sie zu seiner Braut, obgleich der","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Erzbischof den Kopf schüttelte und flüsterte, daß das schöne Waldmädchen ganz","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"sicher eine Hexe sein, sie blende die Augen und betöre das Herz des Königs.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Aber der König hörte nicht darauf, ließ die Musik ertönen, die köstlichsten","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Gerichte auftragen und die lieblichsten Mädchen um sie tanzen. Und sie wurde","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"durch duftende Gärten in prächtige Säle hineingeführt, aber nicht ein Lächeln","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"kam auf ihre Lippen oder sprach aus ihren Augen. Wie ein Bild der Trauer stand","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"sie da. Dann öffnete der König eine kleine Kammer dicht daneben, wo sie schlafen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"sollte; die war mit köstlichen grünen Teppichen geschmückt und glich ganz der","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Höhle, in der sie gewesen war. Auf dem Fußboden lag das Bund Flachs, welches","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"sie aus den Nesseln gesponnen hatte, und unter der Decke hing das Panzerhemd,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"welches fertig gestrickt war. Alles dieses hatte ein Jäger als Kuriosität","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"mitgenommen.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Hier kannst du dich in deine frühere Heimat zurückträumen!\" sagte der König.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Hier ist die Arbeit, die dich dort beschäftigte. Jetzt, mitten in all deiner","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Pracht, wird es dich erfreuen, an jene Zeit zurückzudenken.\"","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Als Elisa das sah, was ihrem Herzen so nahe lag, spielte ein Lächeln um ihren","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Mund, und das Blut kehrte in ihre Wangen zurück. Sie dachte an die Erlösung","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"ihrer Brüder, küßte des Königs Hand; und er drückte sie an sein Herz und ließ","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"durch alle Kirchenglocken das Hochzeitsfest verkünden. Das schöne, stumme","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Mädchen aus dem Walde ward des Landes Königin.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Da flüsterte der Erzbischof böse Worte in des Königs Ohren, aber sie drangen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"nicht bis zu seinem Herzen. Die Hochzeit sollte stattfinden; der Erzbischof","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"selbst mußte ihr die Krone auf das Haupt setzen, und er drückte mit bösem","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Sinn den engen Ring fest auf ihre Stirn nieder, so daß es schmerzte. Doch ein","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"schwererer Ring lag um ihr Herz, die Trauer um ihre Brüder. Sie fühlte nicht","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"die körperlichen Leiden. Ihr Mund war stumm, ein einziges Wort würde ja ihren","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Brüdern das Leben kosten. Aber in ihren Augen sprach sich innige Liebe zu dem","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"guten, schönen König aus, der alles tat, um sie zu erfreuen. Von ganzem Herzen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"gewann sie ihn von Tag zu Tag lieber; oh, daß sie nur sich ihm vertrauen und","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"ihre Leiden klagen dürfte! Doch stumm mußte sie sein, stumm mußte sie ihr Werk","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"vollbringen. Deshalb schlich sie sich des Nachts von seiner Seite, ging in die","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"kleine ´Kammer, welche wie die Höhle geschmückt war, und strickte ein Panzerhemd","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"nach dem andern fertig. Aber als sie das siebente begann, hatte sie keinen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Flachs mehr.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Auf dem Kirchhof, das wußte sie, wuchsen Nesseln, die sie brauchen konnte; aber","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"die mußte sie selber pflücken. Wie sollte sie da hinaus gelangen!","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Oh, was ist der Schmerz in meinen Fingern gegen die Qual, die mein Herz","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"erduldet!\" dachte sie. \"Ich muß es wagen! Der Herr wird seine Hand nicht von","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"mir nehmen!\" Mit einer Herzensangst, als sei es eine böse Tat, die sie vorhabe,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"schlich sie sich in der mondhellen Nacht in den Garten hinunter und ging durch","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"die Alleen und durch die einsamen Straßen zum Kirchhof hinaus. Da sah sie auf","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"einem der breitesten Grabsteine einen Kreis Lamien sitzen. Diese häßlichen Hexen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"nahmen ihre Lumpen ab, als ob sie sich baden wollten, und dann gruben sie mit","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"den langen, mageren Fingern die frischen Gräber auf, holten Leichen heraus und","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"aßen ihr Fleisch. Elisa mußte nahe an ihnen vorbei, und sie hefteten ihre bösen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Blicke auf sie; aber sie betete still, sammelte die brennenden Nesseln und trug","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"sie zu dem Schlosse heim.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Nur ein einziger Mensch hatte sie gesehen: der Erzbischof. Er war munter, wenn","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"die andern schliefen. Nun hatte er doch recht mit seiner Meinung, daß es mit der","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Königin nicht sei, wie es sein sollte; sie sei eine Hexe, deshalb habe sie den","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"König und das ganze Volk betört.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Im Beichtstuhl sagte er dem König, was er gesehen hatte und was er","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"fürchtete. Und als die harten Worte seiner Zunge entströmten, schüttelten die","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Heiligenbilder die Köpfe, als wenn sie sagten wollten: \"Es ist nicht so! Elisa","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"ist unschuldig!\" Aber der Erzbischof legte es anders aus, er meinte, daß sie","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"gegen sie zeugten, daß sie über ihre Sünden die Köpfe schüttelten. Da rollten","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"zwei schwere Tränen über des Königs Wangen herab. Er ging nach Hause mit Zweifel","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"in seinem Herzen und stellte sich, als ob er in der Nacht schlafe. Aber es kam","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"kein ruhiger Schlaf in seine Augen, er merkte, wie Elisa aufstand. Jede Nacht","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"wiederholte sie dieses, und jedesmal folgte er ihr sacht nach und sah, wie sie","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"in ihrer Kammer verschwand.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Tag für Tag wurde seine Miene finsterer; Elisa sah es, begriff aber nicht,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"weshalb. Allein es ängstigte sie, und was litt sie nicht im Herzen für die","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Brüder. Auf den königlichen Staat und Purpur flossen ihre heißen Tränen; die","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"lagen da wie schimmernde Diamanten, und alle, welche die reiche Pracht sahen,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"wünschten Königin zu sein. Inzwischen war sie bald mit ihrer Arbeit fertig, nur","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"ein Panzerhemd fehlte noch. Aber Flachs hatte sie auch nicht mehr, nicht eine","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"einzige Nessel. Einmal, nur dieses letzte Mal mußte sie deshalb zum Kirchhof und","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"einige Handvoll pflücken. Sie dachte mit Angst an diese einsame Wanderung und an","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"die schrecklichen Lamien; aber ihr Wille stand fest sowie ihr Vertrauen auf den","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Herrn.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Elisa ging, aber der König und der Erzbischof folgten ihr. Sie sahen sie bei der","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Gitterpforte zum Kirchhof hinein verschwinden, und als sie sich näherten, saßen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"die Lamien auf dem Grabstein, wie Elisa sie gesehen hatte. Und der König wendete","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"sich ab, denn unter ihnen dachte er sich die, deren Haupt noch diesen Abend an","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"seiner Brust geruht hatte.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Das Volk muß sie verurteilen!\" sagte er. Und das Volk verurteilte sie, in den","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"roten Flammen verbrannt zu werden.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Aus den prächtigen Königssälen wurde sie in ein dunkles, feuchtes Loch geführt,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"wo der Wind durch das Gitter hineinpfiff. Statt Samt und Seide gab man ihr das","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Bund Nesseln, welches sie gesammelt hatte, darauf konnte sie ihr Haupt legen.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Die harten, brennenden Panzerhemden, die sie gestrickt hatte, sollten ihre","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Decken sein. Aber nichts Lieberes hätte man ihr geben können; sie nahm wieder","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"ihre Arbeit vor und betete zu ihrem Gott. Draußen sangen die Straßenbuben","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Spottlieder auf sie; keine Seele tröstete sie mit einem freundlichen Wort.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Da schwirrte gegen Abend dicht am Gitter ein Schwanenflügel. Das war der jüngste","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"der Brüder. Er hatte die Schwester gefunden, und sie schluchzte laut vor Freude,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"obgleich sie wußte, daß die kommende Nacht wahrscheinlich die letzte sein würde,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"die sie zu leben hatte. Aber nun war ja auch die Arbeit fast beendigt, und ihre","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Brüder waren hier.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Der Erzbischof kam nun, um in der letzten Stunde bei ihr zu sein, das hatte","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"er dem König versprochen. Aber sie schüttelte das Haupt und bat mit Blicken","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"und Mienen, er möge gehen. In dieser Nacht mußte sie ja ihre Arbeit vollenden,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"sonst war alles unnütz, alles, Schmerz, Tränen und die schlaflosen Nächte. Der","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Erzbischof entfernte sich mit bösen Worten gegen sie, aber die arme Elisa wußte,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"daß sie unschuldig war, und fuhr in ihrer Arbeit fort.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Die kleinen Mäuse liefen auf dem Fußboden, sie schleppten Nesseln zu ihren Füßen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"hin, um doch etwas zu helfen. Und die Drossel setzte sich an das Gitter des","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Fensters und sang die ganze Nacht so munter, wie sie konnte, damit Elisa nicht","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"den Mut verlieren möchte.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Es dämmerte noch, erst nach einer Stunde ging die Sonne auf. Da standen die","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"elf Brüder an der Pforte des Schlosses und verlangten, vor den König geführt zu","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"werden. Das könne nicht geschehen, wurde geantwortet, es sei ja noch Nacht; der","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"König schlafe und dürfe nicht geweckt werden. Sie baten, sie drohten, die Wache","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"kam, ja selbst der König trat heraus und fragte, was das bedeute. Da ging gerade","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"die Sonne auf, und nun waren keine Brüder zu sehen; aber über das Schloß flogen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"elf wilde Schwäne hin.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Aus dem Stadttor strömte das ganze Volk; es wollte die Hexe verbrennen sehen.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Ein alter Gaul zog den Karren, auf dem sie saß. Man hatte ihr einen Kittel von","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"grobem Sackleinen angezogen; ihr herrliches Haar hing aufgelöst um das schöne","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Haupt; ihre Wangen waren totenbleich, ihre Lippen bewegten sich leise, während","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"die Finger den grünen Flachs zurichteten. Selbst auf dem Weg zu ihrem Tode","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"unterbrach sie die angefangene Arbeit nicht. Die zehn Panzerhemden lagen zu","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"ihren Füßen, an dem elften arbeitete sie. Der Pöbel verhöhnte sie.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Sieh die rote Hexe, wie sie murmelt! Kein Gesangbuch hat sie in der Hand, nein,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"mit ihrer häßlichen Gaukelei sitzt sie da. Reißt sie ihr in tausend Stücke!\"","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Und sie drangen alle auf sie ein und wollten die Panzerhemden zerreißen. Da","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"kamen elf wilde Schwäne geflogen, die setzten sich rings um sie auf den Karren","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"und schlugen mit ihren großen Schwingen. Nun wich der Haufe erschrocken zur","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Seite.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Das ist ein Zeichen des Himmels! Sie ist sicher unschuldig!\" flüsterten viele.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Aber sie wagten nicht, es laut zu sagen.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Jetzt ergriff der Henker sie bei der Hand. Da warf sie hastig die elf","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Panzerhemden über die Schwäne. Und sogleich standen elf schöne Prinzen da. Aber","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"der jüngste hatte einen Schwanenflügel statt des einen Armes, denn es fehlte ein","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Ärmel in seinem Panzerhemd; den hatte sie nicht fertig gebracht.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Jetzt darf ich sprechen!\" sagte sie. \"Ich bin unschuldig!\"","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Und das Volk, welches sah, was geschehen war, neigte sich vor ihr wie vor einer","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Heiligen. Aber sie sank wie leblos in der Brüder Arme, so hatten Spannung, Angst","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"und Schmerz auf sie gewirkt.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"\"Ja, unschuldig ist sie,\" sagte der älteste Bruder, und nun erzählte er alles,","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"was geschehen war. Und während er sprach, verbreitete sich ein Duft wie von","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Millionen Rosen, denn jedes Stück Brennholz im Scheiterhaufen hatte Wurzel","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"geschlagen und trieb Zweige. Es stand eine duftende Hecke da, hoch und groß mit","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"roten Rosen; ganz oben saß eine Blume, weiß und glänzend, sie leuchtete wie ein","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Stern. Die pflückte der König und steckte sie an Elisas Brust. Da erwachte sie","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"mit Frieden und Glückseligkeit im Herzen.","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Und alle Kirchenglocken läuteten von selbst, und die Vögel kamen in großen","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Zügen. Es wurde ein Hochzeitszug zurück zum Schloß, wie ihn noch kein König","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"gesehen hatte!","book":"Die wilden Schwäne"} {"text":"Mitten in einem Garten wuchs ein Rosenstock, der war ganz voller Rosen; und","book":"Der Rosenelf"} {"text":"in einer derselben, der schönsten von allen, wohnte ein Elf. Der war so winzig","book":"Der Rosenelf"} {"text":"klein, daß kein menschliches Auge ihn erblicken konnte. Hinter jedem Blatt","book":"Der Rosenelf"} {"text":"in der Rose hatte er eine Schlafkammer. Er war so wohlgebildet und schön, wie","book":"Der Rosenelf"} {"text":"nur ein Kind sein kann, und hatte Flügel von den Schultern hinunter bis zu den","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Füßen. Oh, welcher Duft war in seinen Zimmern und wie schön und klar waren die","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Wände; es waren ja die blaßroten Rosenblätter.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Den ganzen Tag erfreute er sich im warmen Sonnenschein, flog von Blume zu Blume,","book":"Der Rosenelf"} {"text":"tanzte auf den Flügeln des fliegenden Schmetterlings und maß, wie viele Schritte","book":"Der Rosenelf"} {"text":"er zu gehen habe, um über alle Landstraßen und Stege zu gelangen, welche auf","book":"Der Rosenelf"} {"text":"einem einzigen Lindenblatt sind. Was wir die Adern im Blatt nennen, hielt er","book":"Der Rosenelf"} {"text":"für Landstraßen und Stege. Ja, das waren meilenlange Wege für ihn! Ehe er damit","book":"Der Rosenelf"} {"text":"fertig wurde, ging die Sonne unter. Er hatte auch so spät damit angefangen!","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Es wurde sehr kalt, der Tau fiel, und der Wind wehte. Nun war es das beste,","book":"Der Rosenelf"} {"text":"nach Hause zu kommen. Er tummelte sich, was er konnte, aber die Rose hatte sich","book":"Der Rosenelf"} {"text":"geschlossen, er konnte nicht hineingelangen. Keine einzige Rose stand geöffnet.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Der arme kleine Elf erschrak sehr. Er war früher nie des Nachts ausgeblieben,","book":"Der Rosenelf"} {"text":"hatte immer so süß hinter den warmen Rosenblättern geschlummert. Oh, das wird","book":"Der Rosenelf"} {"text":"sicher sein Tod sein!","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Am andern Ende des Gartens, das wußte er, befand sich eine Laube mit schönem","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Jelängerjelieber. Die Blüten sahen wie große bemalte Hörner aus, in eine","book":"Der Rosenelf"} {"text":"derselben wollte er hinabsteigen und bis morgen schlafen.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Er flog dahin. Still! Es waren zwei Menschen darin, ein junger hübscher Mann und","book":"Der Rosenelf"} {"text":"ein schönes Mädchen. Sie saßen nebeneinander und wünschten, daß sie sich nie zu","book":"Der Rosenelf"} {"text":"trennen brauchten. Sie waren einander so gut, weit mehr noch, als das beste Kind","book":"Der Rosenelf"} {"text":"seiner Mutter oder seinem Vater sein kann.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"\"Dennoch müssen wir uns trennen!\" sagte der junge Mann. \"Dein Bruder mag uns","book":"Der Rosenelf"} {"text":"nicht leiden, deshalb sendet er mich mit einem Auftrag so weit fort über Berge","book":"Der Rosenelf"} {"text":"und Seen! Lebe wohl, meine süße Braut, denn das bist du doch!\"","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Und dann küßten sie sich, und das junge Mädchen weinte und gab ihm eine Rose.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Aber bevor sie ihm dieselbe reichte, drückte sie einen Kuß so fest und innig","book":"Der Rosenelf"} {"text":"drauf, daß die Blume sich öffnete. Da flog der kleine Elf in diese hinein und","book":"Der Rosenelf"} {"text":"lehnte sein Haupt gegen die feinen, duftenden Wände. Hier konnte er gut hören,","book":"Der Rosenelf"} {"text":"daß Lebewohl gesagt wurde. Lebe wohl! Und er fühlte, daß die Rose ihren Platz an","book":"Der Rosenelf"} {"text":"des jungen Mannes Brust erhielt. Oh, wie schlug doch das Herz darin! Der kleine","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Elf konnte gar nicht einschlafen, so pochte es.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Aber nicht lange ruhte die Rose ungestört an der Brust. Der Mann nahm sie","book":"Der Rosenelf"} {"text":"hervor, und während er einsam durch den dunklen Wald ging, küßte er die Blume;","book":"Der Rosenelf"} {"text":"oh, so oft und so heftig, daß der kleine Elf fast erdrückt wurde. Er konnte","book":"Der Rosenelf"} {"text":"durch das Blatt fühlen, wie die Lippen des Mannes brannten, und die Rose selbst","book":"Der Rosenelf"} {"text":"hatte sich wie bei der stärksten Mittagssonne geöffnet.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Da kam ein anderer Mann, finster und böse; er war des hübschen Mädchens","book":"Der Rosenelf"} {"text":"schlechter Bruder. Der zog ein scharfes Messer hervor, und während jener die","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Rose küßte, stach der schlechte Mann ihn tot, schnitt seinen Kopf ab und begrub","book":"Der Rosenelf"} {"text":"ihn mit dem Körper in der weichen Erde unter dem Lindenbaum.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"\"Nun ist er vergessen und fort!\" dachte der schlechte Bruder, \"er kommt nie","book":"Der Rosenelf"} {"text":"wieder zurück. Eine lange Reise sollte er machen, über Berge und Seen. Da kam","book":"Der Rosenelf"} {"text":"man leicht das Leben verlieren, und das hat er verloren. Er kommt nicht mehr","book":"Der Rosenelf"} {"text":"zurück, und mich darf meine Schwester nicht nach ihm fragen:\"","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Dann scharrte er mit dem Fuß verdorrte Blätter über die lockere Erde und ging","book":"Der Rosenelf"} {"text":"wieder in der dunklen Nacht nach Hause. Aber er ging nicht allein, wie er","book":"Der Rosenelf"} {"text":"glaubte, der kleine Elf begleitete ihn. Der saß in einem zusammengerollten","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Lindenblatt, welches dem bösen Mann, als er grub, in die Haare gefallen war.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Der Hut war nun darauf gesetzt; es war so dunkel darin, und der Elf zitterte vor","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Schreck und Zorn über die schlechte Tat.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"In der Morgenstunde kam der böse Mann nach Hause. Er nahm seinen Hut ab und","book":"Der Rosenelf"} {"text":"ging in der Schwester Schlafkammer hinein. Da lag das schöne, blühende Mädchen","book":"Der Rosenelf"} {"text":"und träumte von ihm, dem sie so gut war und von dem sie nun glaubte, daß er","book":"Der Rosenelf"} {"text":"über Berge und durch Wälder ginge. Und der böse Bruder neigte sich über sie und","book":"Der Rosenelf"} {"text":"lachte häßlich, wie nur der Teufel lachen kann. Da fiel das trockene Blatt aus","book":"Der Rosenelf"} {"text":"seinem Haar auf die Bettdecke nieder, aber er bemerkte es nicht und ging hinaus,","book":"Der Rosenelf"} {"text":"um in der Morgenstunde selbst ein wenig zu schlafen. Aber der Elf schlüpfte","book":"Der Rosenelf"} {"text":"aus dem verwelkten Blatt, setzt sich in das Ohr des schlafenden Mädchens und","book":"Der Rosenelf"} {"text":"erzählte ihr, wie in einem Traum, den schrecklichen Mord; beschieb ihr den Ort,","book":"Der Rosenelf"} {"text":"wo der Bruder ihn erschlagen und seine Leiche verscharrt hatte, erzählte von","book":"Der Rosenelf"} {"text":"dem blühenden Lindenbaum dicht dabei und sagte: \"Damit du nicht glaubst, daß es","book":"Der Rosenelf"} {"text":"nur ein Traum ist, was ich dir erzählt habe, wirst du auf deinem Bett ein welkes","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Blatt finden!\"","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Und das fand sie, als sie erwachte. Oh, welche bitteren Tränen weinte sie! Und","book":"Der Rosenelf"} {"text":"niemandem durfte sie ihren Schmerz anvertrauen. Das Fenster stand den ganzen Tag","book":"Der Rosenelf"} {"text":"offen. Der kleine Elf konnte leicht zu den Rosen und all den übrigen Blumen in","book":"Der Rosenelf"} {"text":"den Garten hinausgelangen. Aber er mochte es nicht über sein Herz bringen die","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Betrübte zu verlassen. Im Fenster stand ein Strauch mit Monatsrosen. In eine der","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Blumen setzte er sich und betrachtete das arme Mädchen. Ihr Bruder kam oft in","book":"Der Rosenelf"} {"text":"die Kammer hinein. Er war so heiter und doch so schlecht, sie aber durfte kein","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Wort über ihren Herzenskummer sagen.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Sobald es Nacht wurde, schlich sie sich aus dem Hause, ging im Walde zu der","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Stelle, wo der Lindenbaum stand, nahm die Blätter von der Erde, grub dieselbe","book":"Der Rosenelf"} {"text":"auf und fand auch den, der erschlagen worden war. Oh, wie weinte sie und bat den","book":"Der Rosenelf"} {"text":"lieben Gott, daß auch sie bald sterben möge!","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Gerne hätte sie die Leiche mit sich nach Hause genommen, aber das konnte sie","book":"Der Rosenelf"} {"text":"nicht. Da nahm sie das bleiche Haupt mit den geschlossenen Augen, küßte den","book":"Der Rosenelf"} {"text":"kalten Mund und schüttelte die Erde aus seinem schönen Haar. \"Das will ich","book":"Der Rosenelf"} {"text":"behalten!\" sagte sie. Und als sie die Erde und die toten Blätter auf den Körper","book":"Der Rosenelf"} {"text":"gelegt hatte, nahm sie den Kopf und einen kleinen Zweig von dem Jasminstrauch,","book":"Der Rosenelf"} {"text":"der im Walde blühte, wo er begraben war, mit sich nach Hause.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Sobald sie in ihre Stube kam, holte sie sich den größten Blumentopf, der zu","book":"Der Rosenelf"} {"text":"finden war. In diesen legte sie des Toten Kopf, schüttete Erde darauf und","book":"Der Rosenelf"} {"text":"pflanzte dann den Jasminzweig in den Topf.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"\"Lebe wohl! Lebe wohl!\" flüsterte der kleine Elf. Er konnte es nicht länger","book":"Der Rosenelf"} {"text":"ertragen, all diesen Schmerz zu sehen, und flog deshalb hinaus zu seiner Rose","book":"Der Rosenelf"} {"text":"im Garten. Aber die war abgeblüht, es hingen nur einige bleiche Blätter an der","book":"Der Rosenelf"} {"text":"grünen Hagebutte.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"\"Ach wie bald ist es doch mit all dem Schönen und Guten vorbei!\" seufzte der","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Elf. Zuletzt fand er wieder eine Rose, die wurde zu seinem Haus; hinter ihren","book":"Der Rosenelf"} {"text":"feinen und duftenden Blättern konnte er hausen und wohnen.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Jeden Morgen flog er zum Fenster des armen Mädchens, und da stand sie immer","book":"Der Rosenelf"} {"text":"bei dem Blumentopf und weinte. Die bitteren Tränen fielen auf den Jasminzweig,","book":"Der Rosenelf"} {"text":"und mit jedem Tag, an welchem sie bleicher wurde, stand der Zweig frischer und","book":"Der Rosenelf"} {"text":"grüner da. Ein Schößling trieb nach dem anderen hervor, kleine weiße Knospen","book":"Der Rosenelf"} {"text":"blühten auf, und die küßte sie. Aber der böse Bruder schalt sie und fragte, ob","book":"Der Rosenelf"} {"text":"sie närrisch geworden sei? Er konnte es nicht leiden und nicht begreifen, daß","book":"Der Rosenelf"} {"text":"sie immer über dem Blumentopf weinte. Er wußte ja nicht, welche Augen darin","book":"Der Rosenelf"} {"text":"geschlossen und welche roten Lippen zu Ende geworden waren. Und sie lehnte","book":"Der Rosenelf"} {"text":"ihr Haupt gegen den Blumentopf, und der kleine Elf von der Rose fand sie dort","book":"Der Rosenelf"} {"text":"schlummernd. Da setzte er sich in ihr Ohr, erzählte von dem Abend in der Laube,","book":"Der Rosenelf"} {"text":"vom Duft der Rose und der Elfen Liebe. Wie träumte sie so süß, und während sie","book":"Der Rosenelf"} {"text":"träumte, entschwand das Leben. Sie war eines stillen Todes gestorben, sie war","book":"Der Rosenelf"} {"text":"bei ihn, den sie liebte, im Himmel.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Und die Jasminblume öffnete ihre großen, weißen Glocken; sie dufteten so","book":"Der Rosenelf"} {"text":"eigentümlich süß, anders konnten sie nicht über die Toten weinen.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Aber der böse Bruder betrachtete den schön blühenden Strauch, nahm ihn als ein","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Erbgut zu sich und setze ihn in seine Schlafstube dicht an sein Bett, denn er","book":"Der Rosenelf"} {"text":"war herrlich anzuschauen, und der Duft war gar süß und lieblich. Der kleine","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Rosenelf folgte mit, flog von Blume zu Blume - in jeder wohnte ja eine kleine","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Seele - und erzählte von dem ermordeten jungen Mann, dessen Haupt nun Erde unter","book":"Der Rosenelf"} {"text":"der Erde war, erzählte von dem bösen Bruder und der armen Schwester.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"\"Wir wissen es!\" sagte eine jede Seele in den Blumen, \"wir wissen es! Sind wir","book":"Der Rosenelf"} {"text":"nicht aus des Erschlagenen Augen und Lippen entsprossen? Wir wissen es! Wir","book":"Der Rosenelf"} {"text":"wissen es!\" Und dann nickten sie so sonderbar mit dem Kopfe.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Der Rosenelf konnte es gar nicht begreifen, wie sie so ruhig sein könnten.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Und er flog hinaus zu den Bienen, die Honig sammelten, und erzählte ihnen die","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Geschichte von dem bösen Bruder. Und die Bienen sagten es ihrer Königin und","book":"Der Rosenelf"} {"text":"diese befahl, daß sie alle am nächsten Morgen den Mörder umbringen sollten.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Aber die Nacht vorher - es war die erste Nacht, welche auf den Tod der Schwester","book":"Der Rosenelf"} {"text":"folgte -, als der Bruder in seinem Bette dicht neben dem duftenden Jasminstrauch","book":"Der Rosenelf"} {"text":"schlief, öffnete sich jeder Blumenkelch, und unsichtbar, aber mit giftigen","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Spießen, stiegen die Blumenseelen heraus und setzten sich in sein Ohr und","book":"Der Rosenelf"} {"text":"erzählten im böse Träume, flogen alsdann über seine Lippen und stachen seine","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Zunge mit giftigen Spießen. \"Nun haben wir den Toten gerächt!\" sagten sie und","book":"Der Rosenelf"} {"text":"flogen in des Jasmins weiße Glocken zurück.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Als es Morgen war und das Fenster der Schlafkammer plötzlich aufgerissen wurde,","book":"Der Rosenelf"} {"text":"fuhr der Rosenelf mit der Bienenkönigin und dem ganzen Bienenschwarm hinein, um","book":"Der Rosenelf"} {"text":"ihn zu töten.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Aber er war schon tot. Es standen Leute rings um das Bett und sagten: \"Der","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Jasminduft hat ihn getötet.\"","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Da verstand der Rosenelf der Blumen Rache, und er erzählte es der Königin der","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Bienen, und sie summte mit ihrem ganzen Schwarm um den Blumentopf. Die Bienen","book":"Der Rosenelf"} {"text":"waren nicht zu verjagen. Da nahm ein Mann den Blumentopf fort, und eine der","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Bienen stach seine Hand, so daß er den Topf fallen und zerbrechen ließ.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Da sahen sie den bleichen Totenschädel, und sie wußten, daß der Tote im Bett ein","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Mörder war.","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Und die Bienenkönigin summte in der Luft und sang von der Rache der Blumen und","book":"Der Rosenelf"} {"text":"von dem Rosenelf und daß hinter dem geringsten Blatte einer wohnt, der das Böse","book":"Der Rosenelf"} {"text":"erzählen und rächen kann!","book":"Der Rosenelf"} {"text":"Es war einmal ein Königssohn; niemand hatte so viele und schöne Bücher wie er.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Alles, was in dieser Welt geschehen, konnte er darin lesen und die Abbildungen","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"in prächtigen Kupferstichen betrachten. Über jedes Volk und jedes Land konnte er","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Auskunft erhalten; aber wo der Garten den Paradieses zu finden sei, davon stand","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"kein Wort darin; und der, gerade der war es, an welchen er am meisten dachte.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Seine Großmutter hatte ihm erzählt, als er noch ganz klein war, aber anfangen","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"sollte in die Schule zu gehen, daß alle Blumen im Garten des Paradieses aus dem","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"süßesten Kuchen und die Staubfäden aus feinstem Weine wären; auf der anderen","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"stehe Geschichte, auf der anderen Geographie oder das Einmaleins; man brauche","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"nur Kuchen zu essen, so könne man seine Aufgaben, und je mehr man speise, um so","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"mehr Geschichte, Geographie und Rechnen lerne man.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Das glaubte er damals. Aber schon als er ein größerer Knabe wurde, mehr lernte","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"und klüger war, begriff er wohl, daß eine ganz andere Herrlichkeit im Garten des","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Paradieses vorhanden sein müsse.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Oh, weshalb pflückte doch Eva vom Baum der Erkenntnis? Weshalb speiste Adam von","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"der verbotenen Frucht? Das sollte ich gewesen sein, so wäre es nicht geschehen!","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Nie wäre die Sünde in die Welt gekommen!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Das sagte er damals, und das sagte er noch, als er siebzehn Jahre alt war. Der","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Garten des Paradieses erfüllte alle seine Sinne. Eines Tages ging er im Wald","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"spazieren; er ging allein, denn das war sein größtes Vergnügen.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Der Abend brach an, die Wolken zogen sich zusammen; es fiel ein Regen, als","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"ob der ganze Himmel eine einzige Schleuse sei, aus der Wasser stürze. Es war","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"so dunkel, wie es sonst des Nachts nur im tiefsten Brunnen ist. Bald glitt er","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"in dem nassen Gras aus, bald fiel er über die glatten Steine, welche aus dem","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Felsengrund hervorragten. Alles triefte von Wasser; es war nicht ein trockener","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Faden an dem armen Prinzen. Er mußte über große Steinblöcke klettern, wo das","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Wasser aus dem hohen Moos quoll. Fast war er nahe daran, ohnmächtig zu werden.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Da hörte er ein sonderbares Brausen, und vor sich sah er eine große erleuchtete","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Höhle. Mitten in derselben brannte ein solches Feuer, daß man einen Hirsch daran","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"braten konnte. Und das geschah auch. Der prächtigste Hirsch mit seinem hohen","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Geweih war auf einen Spieß gesteckt und wurde langsam zwischen zwei abgehauenen","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Fichtenstämmen herumgedreht. Eine ältliche Frau, groß und stark, als sei sie","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"eine verkleidete Mannsperson, saß am Feuer und warf ein Stück Holz nach dem","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"anderen hinein.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Komm nur näher!\" sagte sie; \"setze dich an das Feuer, damit deine Kleiner","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"trocknen.\" - \"Hier zieht es sehr!\" sagte der Prinz und setzte sich auf den","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Fußboden nieder. \"Das wird noch ärger werden, wenn meine Söhne nach Hause","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"kommen!\" erwiderte die Frau. \"Du bist hier in der Höhle der Winde. Meine Söhne","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"sind die vier Winde der Welt; kannst du das verstehen?\" - \"Wo sind deine Söhne?\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"fragte der Prinz. \"Ja, es ist schwer zu antworten, wenn man dumm gefragt wird!,\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"sagte die Frau. \"Meine Söhne treiben es auf eigene Faust: sie spielen Federball","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"mit den Wolken dort oben im Königssaal!\" Und dabei zeigte sie in die Höhe","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"hinaus. \"Ach so!\" sagte der Prinz. \"Ihr sprecht übrigens ziemlich barsch und","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"seid nicht so mild wie die Frauenzimmer, die ich sonst um mich habe!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Ja, die haben wohl nichts anderes zu tun! Ich muß hart sein, wenn ich meinen","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Knaben den Respekt erhalten will; aber das kann ich, obgleich sie Trotzköpfe","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"sind. Siehst du die vier Säcke hier an der Wand hängen? Vor denen fürchten sie","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"sich ebenso wie du früher vor der Rute hinterm Spiegel. Ich kann die Knaben","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"zusammenbiegen, sag' ich dir und dann stecke ich sie in den Sack; da machen wir","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"keine Umstände! Da sitzen sie und dürfen nicht eher wieder umherstreifen, bis","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"ich es für gut erachte. Aber da haben wir den einen!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Es war der Nordwind, der mit einer eisigen Kälte hereintrat; große Hagelkörner","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"hüpften auf den Fußboden hin, und Schneeflocken stöberten umher. Er war in","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Bärenfell-Beinkleidern und Jacke; eine Mütze von Seehundsfell ging bis über die","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Ohren; lange Eiszapfen hingen ihm am Barte; und ein Hagelkorn nach dem anderen","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"glitt ihm vom Kragen der Jacke herunter.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Gehen sie nicht gleich an das Feuer!\" sagte der Prinz. \"Sie könnten sonst","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"leicht Gesicht und Hände erfrieren!\" - \"Erfrieren?\" sagte der Nordwind und","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"lachte laut auf. \"Kälte? Das ist gerade mein größtes Vergnügen! Was bist du","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"übrigens für ein Schneiderlein? Wie kommst du in die Höhle der Winde?\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Er ist mein Gast,\" sagte die Alte; \"und bist du mit dieser Erklärung nicht","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"zufrieden, so kannst du in den Sack kommen! Verstehst du mich?\" Sieh, das half,","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"und der Nordwind erzählte, wo er herkam und fast einen ganzen Monat gewesen ist.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Vom Polarmeer komme ich,\" sagte er; \"ich bin auf dem Bären- Eiland mit den","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"russischen Walroß-Jägern gewesen. Ich saß und schlief auf dem Steuer, als sie","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"vom Nordkap wegsegelten; weil ich mitunter erwachte, flog mir der Sturmvogel um","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"die Beine. Das ist ein komischer Vogel! Der macht einen raschen Schlag mit den","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Flügeln, hält sie darauf unbeweglich ausgestreckt und hat dann Fahrt genug.\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Mache es nur nicht so weitschweifig!\" sagte die Mutter der Winde. \"Du kamst","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"also auf das Bären-Eiland?\" - \"Dort ist es schön! Da ist ein Fußboden zum","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Tanzen, flach wie ein Teller! Halbaufgetauter Schnee mit ein wenig Moos, scharfe","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Steine und Gerippe von Walrossen und Eisbären lagen umher sowie auch Riesenarme","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"und -beine mit verschimmeltem Grün. Man möchte glauben, daß die Sonne nie","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"daraufgeschienen hätte. Ich blies ein wenig in den Nebel, damit man die Schuppen","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"sehen konnte. Das war ein Haus, von Wrackholz erbaut und mit Walroßhäuten","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"überzogen; die Fleischseite war nach außen gekehrt; sie war voller Rot und Grün;","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"auf dem Dach saß ein lebendiger Eisbär und brummte. Ich ging zu dem Strand, sah","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"nach den Vogelnestern, erblickte die nackten Jungen, die schrieen und sperrten","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"den Schnabel auf; da blies ich in die tausend Kehlen hinab, und sie lernten","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"den Schnabel zu schließen. Weiterhin wälzten sich die Walrosse wie lebendige","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Eingeweide oder Riesenmaden mit Schweineköpfen und ellenlangen Zähnen!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Du erzählst gut, mein Sohn!\" sagte die Mutter. \"Das Wasser läuft mir im","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Munde zusammen, wenn ich dich anhöre!\" - \"Dann ging das Jagen an! die Harpune","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"wurde in die Brust des Walrosses gestoßen, so daß der dampfende Blutstrahl,","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"einem Springbrunnen gleich, über das Eis spritzte. Da gedachte ich auch meines","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Spieles! Ich blies auf und ließ meine Segler, die turmhohlen Eisberge, die","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Boote einklemmen. Hui! Wie man pfiff und wie man schrie; aber ich pfiff lauter!","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Die toten Walroßkörper, Kisten und Tauwerk mußten sie auf das Eis auswerden;","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"ich schüttelte die Schneeflocken über sie und ließ sie in den eingeklemmten","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Fahrzeugen mit ihrem Fang nach Süden treiben, um dort Salzwasser zu kosten. Sie","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"kommen nie mehr auf das Bären- Eiland!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"So hast du ja Böses getan!\" sagte die Mutter der Winde. \"Was ich Gutes getan","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"habe, mögen die anderen erzählen!\" sagte er. \"Aber da haben wir meinen Bruder","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"aus dem Westen; ihn mag ich von allen am besten leiden; er schmeckt nach der See","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"und führt eine herrliche Kälte mit sich!\" - \"Ist das der kleine Zephyr?\" frage","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"der Prinz.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Jawohl ist das Zephyr!\" sagte die Alte. \"Aber er ist doch nicht klein. Vor","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Jahren war es ein hübscher Knabe, aber das ist nun vorbei!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Er sah aus wie ein wilder Mann, aber er hatte einen Fallhut auf, um nicht","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"zu Schaden zu kommen. In der Hand hielt er eine Mahagonikeule, in den","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"amerikanischen Mahagoniwäldern gehauen. Das war gar nichts Geringes! \"Wo","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"kommst du her?\" fragte die Mutter. \"Aus den Waldwüsten,\" sagte er, \"wo die","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Wasserschlange in dem nassen Grase liegt und die Menschen unnötig zu sein","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"scheinen!\" - \"Was triebst du dort?\" - \"Ich sah in den tiefsten Fluß, sah, wie","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"er von den Felsen herabstürzte, Staub wurde und gegen die Wolken flog, um den","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Regenbogen zu tragen. Ich sah den wilden Büffel im Flusse schwimmen, aber der","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Strom riß ihn mit sich fort. Er trieb mit dem Schwarm wilder Enten, welche in","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"die Höhe flogen, wo das Wasser stürzte. Der Büffel mußte hinunter; das gefiel","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"mir, und ich blies einen Sturm, daß uralte Bäume splitterten und zu Spänen","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"wurden.\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Und weiter hast du nichts getan?\" fragte die Alte. \"Ich habe in den Savannen","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Purzelbäume geschossen; ich habe die wilden Pferde gestreichelt und Kokosnüsse","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"geschüttelt. Ja, ja, ich habe Geschichten zu erzählen! Aber man muß nicht alles","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"sagen, was man weiß. Das weißt du wohl, Alte!\" und er küßte seine Mutter so, daß","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"sie fast hintenüber gefallen wäre. Es war ein schrecklich wilder Bube! Nun kam","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"der Südwind mit einem Turban und einem fliegenden Beduinen-Mantel.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Hier ist es recht kalt, hier draußen!\" sagte er und warf noch Holz ins Feuer.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Man merkt, daß der Nordwind zuerst gekommen ist!\" - \"Es ist hier so heiß, daß","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"man einen Eisbär braten kann!\" sagte der Nordwind. \"Du bist selbst ein Eisbär!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"antwortete der Südwind. \"Wollt ihr in den Sack gesteckt werden?\" fragte die","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Alte. \"Setz dich auf den Stein dort und erzähle, wo du gewesen bist.\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"In Afrika, Mutter!\" erwiderte er. \"Ich war mit den Hottentotten auf der","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Löwenjagd im Lande der Kaffern. Da wächst Gras in den Ebenen, grün wie","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"eine Olive. Da lief der Strauß mit mir um die Wette; aber ich bin doch noch","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"schneller. Ich kam nach der Wüste zu dem gelben Sand; da sieht es aus wie auf","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"dem Grund des Meeres. Ich traf eine Karawane; sie schlachteten ihr letztes","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Kamel, um Trinkwasser zu erhalten; aber es war nur wenig, was sie bekamen.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Die Sonne brannte von oben und der Sand von unten. Die ausgedehnte Wüste hatte","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"keine Grenze. Da wälzte ich mich in dem feinen losen Sand und wirbelte ihn zu","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"großen Säulen auf. Das war ein Tanz! Du hättest sehen sollen, wie mutlos das","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Dromedar dastand und der Kaufmann den Kaftan über den Kopf zog. Er warf sich","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"vor mir nieder, wie vor Allah, seinem Gott. Nun sind sie begraben; es steht eine","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Pyramide von Sand über ihnen allen. Wenn ich die einmal fortblase, dann wird","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"die Sonne die weißen Knochen bleichen; da können die Reisenden sehen, daß dort","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"früher Menschen gewesen sind. Sonst wird man das in der Wüste nicht glauben.\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Du hast also nur Böses getan!\" sagte die Mutter. \"Marsch in den Sack!\" und","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"ehe er es sich versah, hatte sie den Südwind um den Leib gefaßt und in den Sack","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"gesteckt. Er wälzte sich umher auf dem Fußboden, aber sie setzte sich darauf,","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"und da mußte er ruhig liegen.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Das sind muntere Knaben, die du hast!\" sagte der Prinz. \"Jawohl,\" antwortete","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"sie, \"und ich weiß sie zu züchtigen! Da haben wir den vierten!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Das war der Ostwind, der war wie ein Chinese gekleidet. \"Ach! kommst du","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"von jener Gegend?\" sagte die Mutter. \"Ich glaubte, du wärest im Garten des","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Paradieses gewesen.\" - \"Dahin fliege ich erst morgen!\" sagte der Ostwind.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Morgen sind es hundert Jahre, seitdem ich dort war! Ich komme jetzt aus","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"China, wo ich um den Porzellanturm tanzte, daß alle Glocken klingelten. Auf","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"der Straße bekamen die Beamten Prügel, das Bambusrohr wurde auf ihren Schultern","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"zerschlagen, und das waren Leute vom ersten bis zum neunten Grade. Sie schrieen:","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"'Vielen Dank, mein väterlicher Wohltäter!' Aber es kam ihnen nicht vom Herzen,","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"und ich klingelte mit den Glocken und sang: Tsing, tsang, tsu!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Du bist mutwillig!\" sagte die Alte. \"Es ist gut, daß du morgen in den Garten","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"des Paradieses kommst; das trägt immer zu deiner Bildung bei. Trinke dann","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"tüchtig aus der Weisheitsquelle und bringe eine kleine Flasche voll für mich mit","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"nach Hause!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Das werde ich tun!\" sagte der Ostwind. \"Aber weshalb hast du meinen Bruder","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"vom Süden in den Sack gesteckt? Heraus mit ihn! Er soll mir vom Vogel Phönix","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"erzählen; von ihm will die Prinzessin im Garten des Paradieses stets hören, wenn","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"ich jedes hundertste Jahr meinen Besuch abstatte. Mache den Sack auf, dann bist","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"du meine süßeste Mutter, und ich schenke dir zwei Taschen voll Tee, so grün und","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"frisch, wie ich ihn an Ort und Stelle gepflückt habe!\" - \"Nun, des Tees wegen","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"und weil du mein Herzensjunge bist, will ich den Sack öffnen!\" Das tat sie, und","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"der Südwind kroch heraus; aber er sah ganz niedergeschlagen aus, weil der fremde","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Prinz es gesehen hatte.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Da hast du ein Palmblatt für die Prinzessin!\" sage der Südwind. \"Dieses Blatt","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"hat der Vogel Phönix, der einzige, der in der Welt war, mir gegeben! Er hat mit","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"seinem Schnabel seine ganze Lebensgeschichte, die hundert Jahre, die er lebte,","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"hineingeritzt. Nun kann sie es selbst lesen, wie der Vogel Phönix sein Nest in","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Brand steckte und darin saß und verbrannte, gleich der Frau eines Hindu. Wie","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"knisterten doch die trockenen Zweige! Es war ein Rauch und ein Dampf! Zuletzt","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"schoß alles in Flammen auf; der alte Vogel Phönix wurde zu Asche; aber ein Ei","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"lag glühend rot im Feuer; es barst mit einem großen Knall und das Junge flog","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"heraus; nun regiert es über alle Vögel und ist der einzige Vogel Phönix in der","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Welt. Er hat in das Palmblatt, welches ich dir gab, ein Loch gebissen. Das ist","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"sein Gruß an die Prinzessin!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Laßt uns etwas essen!,\" sagte die Mutter der Winde. Und nun setzten sie sich","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"alle zusammen, um von dem gebratenen Hirsch zu speisen; der junge Prinz saß zur","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Seite des Ostwindes; deshalb wurden sie bald gute Freunde.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Höre, sage mir einmal,\" sagte der Prinz, \"was ist das für eine Prinzessin, von","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"der hier so viel die Rede ist, und wo liegt der Garten des Paradieses?\" - \"Ho,","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"ho!\" sagte der Ostwind; \"willst du dahin? Ja, dann fliege morgen mit mir! Aber","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"das muß ich dir übrigens sagen; dort ist kein Mensch seit Adams und Evas Zeit","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"gewesen. Die kennst du ja wohl aus deiner biblischen Geschichte?\" - \"Jawohl!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"sagte der Prinz.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Damals, als sie verjagt wurden, versank der Garten des Paradieses in die","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Erde; aber er behielt seinen warmen Sonnenschein, seine milde Luft und all","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"seine Herrlichkeit. Die Feenkönigin wohnt darin; da liegt die Insel der","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Glückseligkeit, wohin der Tod nie kommt, wo es herrlich ist! Setze dich morgen","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"auf meinen Rücken, dann werde ich dich mitnehmen; ich denke, es wird sich wohl","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"machen lassen. Aber nun höre auf zu fragen, denn ich will schlafen!\" Und dann","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"schliefen sie allesamt.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"In früher Morgenstunde erwachte der Prinz und war nicht wenig erstaunt, sich","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"schon hoch über den Wolken zu finden. Er saß auf dem Rücken des Ostwindes, der","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"ihn noch treulich hielt; sie waren so hoch in der Luft, daß Wälder und Felder,","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Flüsse und Seen sich wie auf einer bunten Landkarte ausnahmen.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Guten Morgen!\" sagte der Ostwind. \"Du könntest übrigens füglich noch ein","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"bißchen schlafen, denn es ist nicht viel auf dem flachen Land unter uns zu","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"sehen, ausgenommen du hättest Lust, die Kirchen zu zählen! Die stehen gleich","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Kreidepunkten auf dem grünen Brett.\" Das waren Felder und Wiesen, was er das","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"grüne Brett nannte. \"Es war unartig, daß ich deiner Mutter und deinen Brüdern","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"nicht Lebewohl gesagt habe!\" meinte der Prinz.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Wenn man schläft, ist man entschuldigt!\" sagte der Ostwind. Und darauf flogen","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"sie noch rascher von dannen. Man konnte es in den Gipfeln der Bäume hören, denn","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"wenn sie darüber hinfuhren, rauschten alle Zweige und Blätter; man konnte es auf","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"dem Meer und auf den Seen hören, denn wo sie flogen, stiegen die Wogen höher,","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"und die großen Schiffe neigten sich tief in das Wasser, gleich schwimmenden","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Schwänen.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Gegen Abend, als es dunkel wurde, sahen die großen Städte ergötzlich aus; die","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Lichter brannten dort unten, bald hier, bald da; es war gerade, wie wenn man ein","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Stück Papier angebrannt hat und alle die kleinen Feuerfunken sieht, die einer","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"nach dem andern verschwinden. Und der Prinz klatschte in die Hände; aber der","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Ostwind bat ihn, das zu unterlassen und sich lieber festzuhalten; sonst könne er","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"leicht hinunterfallen und an einer Kirchturmspitze hängenbleiben.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Der Adler in den dunklen Wäldern flog zwar leicht, doch der Ostwind flog noch","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"leichter. Der Kosak auf seinem kleinen Pferde jagte schnell über die Ebenen","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"dahin, doch der Prinz jagte noch schneller.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Jetzt kannst du den Himalaja sehen!\" sagte der Ostwind. \"Das ist der höchste","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Berg in Asien; nun werden wir bald zu dem Garten des Paradieses gelangen!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Dann wendeten sie sich mehr südlich, und bald duftete es dort von Gewürzen und","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Blumen. Feigen und Granatäpfel wuchsen wild und die wilde Weinranke hatte blaue","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"und rote Trauben. Hier ließen sich beide nieder uns streckten sich in das weiche","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Gras, wo die Blumen dem Winde zunickten, als wollten sie sagen: \"Willkommen!\" -","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Sind wir im Garten des Paradieses?\" fragte der Prinz.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Nein, bewahre!\" erwiderte der Ostwind. \"Aber wir werden bald dorthin kommen.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Siehst du die Felsenmauer dort und die weite Höhle, wo die Weinranken gleich","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"einer großen, grünen Gardine hängen? Da hindurch werden wir hineingelangen!","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Wickle dich in deinen Mantel; hier brennt die Sonne, aber einen Schritt weiter,","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"und es ist eisig kalt. Der Vogel, welcher an der Höhle vorbeistreift, hat den","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"einen Flügel draußen in dem warmen Sommer und den anderen drinnen in dem kalten","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Winter!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"So! Das ist also der Weg zum Garten des Paradiese?\" fragte der Prinz. Nun","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"gingen sie in die Höhle hinein. Hu, wie war es dort eisig kalt! Aber es währte","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"nicht lange. Der Ostwind breitete seine Flügel aus, und sie leuchteten gleich","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"dem hellsten Feuer. Oh, welche Höhle! Die großen Steinblöcke, von denen das","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Wasser träufelte, hingen über ihnen in den wunderlichsten Gestalten; bald","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"war es so eng, daß sie auf Händen und Füßen kriechen mußten, bald so hoch und","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"ausgedehnt wie in der freien Luft. Es sah aus wie Grabkapellen mit stummen","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Orgelpfeifen und versteinerten Orgeln.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Wir gehen wohl den Weg des Todes zum Garten des Paradieses?\" fragte der Prinz.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Aber der Ostwind antwortete keine Silbe, zeigte nur vorwärts, und das schönste","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"blaue Licht strahlte ihnen entgegen. Die Steinblöcke über ihnen wurden mehr","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"und mehr ein Nebel, der zuletzt wie eine weiße Wolke im Mondschein aussah. Nun","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"waren sie in herrlich milder Luft, so frisch wie auf den Bergen, so duftend","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"wie bei den Rosen des Tales. Da strömte ein Fluß so klar wie die Luft selbst;","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"und die Fische waren wie Silber und Gold, purpurrote Aale, die bei jeder","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Bewegung blaue Feuerfunken sprühten, spielten unten im Wasser; und die breiten","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Nixenblumenblätter hatten des Regenbogens Farben; die Blume selbst war eine","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"rotgelb brennende Flamme, der das Wasser Nahrung gab, gleichwie das Öl die Lampe","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"beständig im Brennen erhält; eine feste Brücke von Marmor, aber so künstlich und","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"fein ausgeschnitten, als sei sie von Spitzen und Glasperlen gemacht, führte über","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"das Wasser zur Insel der Glückseligkeit, wo der Garten des Paradieses blühte.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Der Ostwind nahm den Prinzen auf seine Arme und trug ihn hinüber. Da sangen die","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Blumen und Blätter die schönsten Lieder aus seiner Kindheit, aber so überaus","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"lieblich, wie keine menschliche Stimme singen kann.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Waren es Palmbäume oder riesengroße Wasserpflanzen, die hier wuchsen? So saftige","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"und große Bäume hatte der Prinz früher nie gesehen; in langen Girlanden hingen","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"da die wunderlichsten Schlingpflanzen, wie man sie nur mit Farben und Gold auf","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"dem Rande alter Heiligenbücher, oder durch die Anfangsbuchstaben geschlungen,","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"abgebildet findet. Das waren die seltsamsten Zusammensetzungen von Vögeln,","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Blumen und Schnörkeln. Dicht daneben im Grase stand ein Schwarm Pfaue mit","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"entfalteten, strahlenden Schweifen. Ja, das war wirklich so! Als aber der Prinz","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"daran rührte, merkte er, daß es keine Tiere, sondern Pflanzen waren; es waren","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"die großen Kletten, die hier wie die Blüten des Olivenbaumes dufteten; und der","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Löwe und der Tiger waren zahm. Die wilde Waldtaube glänzte wie die schönste","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Perle und schlug mit ihren Flügeln den Löwen an die Mähne; und die Antilope,","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"die sonst so scheu ist, stand daneben und nickte mit dem Kopfe, als ob sie auch","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"mitspielen wollte.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Nun kam die Fee des Paradieses; ihre Kleider strahlten wie die Sonne, und","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"ihr Antlitz war heiter wie das einer frohen Mutter, wenn sie recht glücklich","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"über ihr Kind ist. Sie war jung und schön, und die hübschesten Mädchen, jede","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"mit einem leuchtenden Stern im Haar, folgten ihr. Der Ostwind gab ihr das","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"beschriebene Blatt vom Vogel Phönix, und ihre Augen funkelten vor Freude. Sie","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"nahm den Prinzen bei der Hand und führte ihn in ihr Schloß hinein, wo die Wände","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Farben hatten wie das prächtigste Tulpenblatt, wenn es gegen die Sonne gehalten","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"wird. Die Decke selbst war eine große strahlende Blume, und je mehr man zu","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"derselben hinaufsah, desto tiefer erschien ihr Kelch. Der Prinz trat an das","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Fenster und blickte durch eine der Scheiben. Da sah er den Baum der Erkenntnis","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"mit der Schlange, und Adam und Eva standen dicht dabei.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Sind die nicht verjagt?\" fragte er. Und die Fee lächelte und erklärte ihm, daß","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"die Zeit auf jeder Scheibe ihr Bild eingebrannt habe, aber nicht, wie man es zu","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"sehen gewohnt, nein, es war Leben darin; die Blätter der Bäume bewegten sich;","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"die Menschen kamen und gingen wie in einem Spiegelbild. Und er sah durch eine","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"andere Scheibe, und da war Jakobs Traum, wo die Leiter gerade bis in den Himmel","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"reichte, und die Engel mit großen Schwingen schwebten auf und nieder. Ja, alles,","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"was in dieser Welt geschehen war, lebte und bewegte sich in den Glasscheiben -","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"so kunstvolle Gemälde konnte nur die Zeit einbrennen.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Die Fee lächelte und führte ihn in einen großen, hohen Saal, dessen Wände","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"transparent erschienen. Hier waren Porträts, das eine Gesicht immer schöner als","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"das andere. Man sah Millionen Glücklicher, die lächelten und sangen, so daß es","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"in eine Melodie zusammenfloß: die allerobersten waren so klein, daß sie kleiner","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"erschienen als die kleinste Rosenknospe, wenn sie wie ein Punkt auf das Papier","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"gezeichnet wird. Und mitten im Saal stand ein großer Baum mit hängenden, üppigen","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Zweigen; goldene Äpfel, große und kleine, hingen wie Apfelsinen zwischen den","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"grünen Blättern. Das war der Baum der Erkenntnis, von dessen Frucht Adam und Eva","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"gegessen hatten. Von jedem Blatt tröpfelte ein glänzender, roter Tautropfen: es","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"war, als ob der Baum blutige Tränen weine.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Laß uns nun in das Boot steigen!\" sagte die Fee; \"da wollen wir Erfrischungen","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"auf dem schwellenden Wasser genießen! Das Boot schaukelt und kommt nicht von","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"der Stelle, aber alle Länder der Welt gleiten an unsern Augen vorüber.\" Und es","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"war wunderbar anzusehen, wie sich die ganze Küste bewegte. Da kamen die hohen","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"schneebedeckten Alpen mit Wolken und schwarzen Tannen; das Horn erklang so tief","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"wehmütig, und der Hirte jodelte so hübsch im Tal. Dann bogen die Bananenbäume","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"ihre langen, hängenden Zweige über das Boot nieder; kohlschwarze Schwäne","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"schwammen auf dem Wasser, und die seltsamsten Tiere und Blumen zeigten sich","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"am Ufer; das war Neu-Holland, der fünfte Weltteil, der, mit einer Aussicht auf","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"die blauen Berge, vorbeiglitt. Man hörte den Gesang der Priester und sah den","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Tanz der Wilden zum Schall der Trommeln und der knöchernen Trompeten. Ägyptens","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Pyramiden, die bis in die Wolken ragten, umgestürzte Säulen und Sphinxe, halb","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"im Sand begraben, segelten ebenfalls vorbei. Die Nordlichter leuchteten über","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"ausgebrannten Vulkanen des Nordens; es war ein Feuerwerk, das niemand nachmachen","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"konnte. Der Prinz war ganz glücklich; ja, er sah noch hundertmal mehr, als was","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"wir hier erzählen.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Und ich kann immer hier bleiben?\" fragte er. \"Das kommt auf dich selber an!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"erwiderte die Fee. \"Wenn du nicht, wie Adam, dich gelüsten läßt, das Verbotene","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"zu tun, so kannst du immer hier bleiben!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Ich werde die Äpfel auf dem Erkenntnisbaum nicht anrühren!\" sagte der Prinz.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Hier sind ja Tausende von Früchten ebenso schön wie die!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Prüfe dich selbst, und bist du nicht stark genug, so gehe mit dem Ostwind,","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"der dich herbrachte. Er fliegt nun zurück und läßt sich vor hundert Jahren hier","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"nicht wieder blicken; die Zeit wird an diesem Ort für dich vergehen, als wären","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"es nur hundert Stunden, aber es ist eine lange Zeit für die Versuchung der","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Sünde. Jeden Abend, wenn ich von dir gehe, muß ich dir zurufen: Komm mit! Ich","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"muß dir mit der Hand winken - aber bleibe zurück! Gehe nicht mit, denn sonst","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"wird mit jedem Schritt deine Sehnsucht größer werden. Du kommst dann in den","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Saal, wo der Baum der Erkenntnis wächst; ich schlafe unter seinen duftenden,","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"hängenden Zweigen; du wirst dich über mich beugen, und ich muß lächeln; drückst","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"du aber einen Kuß auf meinen Mund, so sinkt das Paradies tief in die Erde, und","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"es ist für dich verloren. Der wüste scharfer Wind wird dich umsausen, der kalte","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Regen von deinem Haupte träufeln. Kummer und Drangsal wird dein Erbteil sein.\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Ich bleibe hier!\" sagte der Prinz. Und der Ostwind küßte ihn auf die Stirn und","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"sagte: \"Sei stark, dann treffen wir uns hier nach hundert Jahren wieder! Lebe","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"wohl! Lebe wohl!\" Und der Ostwind breitete seine großen Flügel aus, sie glänzten","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"wie das Wetterleuchten in der Erntezeit oder wie das Nordlicht im kalten Winter.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Lebe wohl! Lebe wohl!\" ertönte es von Blumen und Bäumen. Störche und Pelikane","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"zogen wie flatternde Bänder in Reihen und geleiteten ihn bis zur Grenze des","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Gartens.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Nun beginnen wir unsere Tänze!\" sagte die Fee. \"Zum Schluß, wenn ich mit dir","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"tanze, wirst du, während die Sonne sinkt, sehen, daß ich dir winke; du wirst","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"mich dir zurufen hören: Komm mit! Aber tue es nicht! Hundert Jahre lang muß ich","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"es jeden Abend wiederholen; jedesmal, wenn die Zeit vorbei ist, gewinnst du mehr","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Kraft; zuletzt denkst du gar nicht mehr daran. Heute abend ist es zum erstenmal;","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"nun habe ich dich gewarnt!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Und die Fee führte ihn in einen großen Saal von weißen durchsichtigen Lilien;","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"die gelben Staubfäden in jeder Blume bildeten eine kleine Goldharfe, die mit","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Saitenlaut und Flötenton erklang. Die schönsten Mädchen, schwebend und schlank,","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"in wogenden Flor gekleidet, so daß man die reizenden Glieder sah, schwebten im","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Tanze und sangen, wie herrlich es sei, zu leben, und daß sie nie sterben würden","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"und daß der Garten des Paradieses ewig blühen werde.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Und die Sonne ging unter; der ganze Himmel wurde ein Gold, welches den Lilien","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"den Schein der herrlichsten Rosen gab; und der Prinz trank von dem schäumenden","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Wein, welchen die Mädchen ihm reichten, und fühlte eine Glückseligkeit wie nie","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"zuvor. Er sah, wie der Hintergrund des Saales sich öffnete, und der Baum der","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Erkenntnis stand in einem Glanz, der seine Augen blendete. Der Gesang dort war","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"weich und lieblich wie seiner Mutter Stimme, und es war, als ob sie sänge: \"Mein","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Kind! mein geliebtes Kind!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Da winkte die Fee und rief so liebevoll: \"Komm mit! Komm mit!\" Und er stürzte","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"ihr entgegen, vergaß sein Versprechen, vergaß es schon den ersten Abend, und","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"sie winkte und lächelte. Der Duft, der würzige Duft ringsumher wurde stärker;","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"die Harfen ertönten weit lieblicher, und es war, als ob die Millionen lächelnder","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Köpfe im Saal, wo der Baum wuchs, nickten und sängen: \"Alles muß man kennen! Der","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Mensch ist der Herr der Erde.\" Und es waren keine blutigen Tränen mehr, welche","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"von den Blättern des Erkenntnisbaumes fielen: es waren rote, funkelnde Sterne,","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"die er zu erblicken glaubte. \"Komm mit, komm mit!\" lauteten die bebenden Töne,","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"und bei jedem Schritt brannten des Prinzen Wangen heißer, bewegte sein Blut sich","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"rascher. \"Ich muß!\" sagte er. \"Es ist ja keine Sünde, kann keine sein! Weshalb","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"nicht der Schönheit und der Freude folgen? Ich will sie schlafen sehen; es ist","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"ja nichts verloren, wenn ich es nur unterlasse, sie zu küssen; und Küssen werde","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"ich sie nicht; ich bin stark, ich habe einen festen Willen!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Und die Fee warf ihre strahlenden Kleider ab, bog die Zweige zurück, und nach","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"einem Augenblick war sie darin verborgen.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Noch habe ich nicht gesündigt,\" sagte der Prinz, \"und will es auch nicht!\" Und","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"dann bog er die Zweige zur Seite: da schlief sie bereits, schön wie nur die Fee","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"im Garten des Paradieses sein kann. Sie lächelte im Traum, er bog sich über sie","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"nieder und sah zwischen ihren Augenlidern Tränen schimmern!","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Weinst du über mich?\" flüsterte er. \"Weine nicht, du herrliches Weib! Nun","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"begreife ich erst des Paradieses Glück! Es durchströmt mein Blut, meine","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Gedanken; die Kraft des Cherubs und des ewigen Lebens fühle ich in meinem","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"irdischen Körper! Möge es ewig Nacht für mich werden: eine Minute wie diese ist","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Reichtum genug!\" Und er küßte die Tränen aus ihren Augen: sein Mund berührte den","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"ihrigen.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Da krachte ein Donnerschlag, so tief und schrecklich, wie niemand ihn je","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"gehört. Und alles stürzte zusammen: die schöne Fee, das blühende Paradies -","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"sie sanken tiefer und tiefer. Der Prinz sah es in die schwarze Nacht versinken;","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"wie ein kleiner leuchtender Stern strahlte es aus weiter Ferne; Todeskälte","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"durchschauerte seinen Körper; er schloß seine Augen und lag lange wie tot.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Der kalte Regen fiel ihm in das Gesicht, der scharfe Wind blies um sein Haupt;","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"da kehrten seine Sinne zurück. \"Was habe ich getan!\" seufzte er. \"Ich habe","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"gesündigt wie Adam - gesündigt, so daß das Paradies tief versunken ist!\" Und er","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"öffnete seine Augen, den Stern in der Ferne, den Stern, der wie das gesunkene","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Paradies funkelte, sah er noch - es war der Morgenstern am Himmel.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Er erhob sich und war in dem großen Wald dicht bei der Höhle der Winde; und die","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Mutter der Winde saß an seiner Seite; sie sah böse aus und erhob ihren Arm in","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"die Luft. \"Schon den ersten Abend!\" sagte sie. \"Das dachte ich wohl! Ja wärest","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"du mein Sohn, so müßtest du in den Sack!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"\"Da soll er hinein!\" sagte der Tod. Das war ein starker, alter Mann mit einer","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Sense in der Hand und mit großen schwarzen Schwingen. \"In den Sarg soll er legt","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"werden; aber jetzt noch nicht; ich zeichne ihn nur auf, lasse ihn dann noch eine","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Weile in der Welt umherwandern, seine Sünde sühnen, gut und besser werden. Ich","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"komme aber einmal. Wenn er es gerade am wenigsten erwartet, stecke ich ihn in","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"den schwarzen Sarg, setze ihn auf meinen Kopf und fliege gegen den Stern empor.","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Auch dort blüht des Paradieses Garten, und ist er gut und fromm, so wird er","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"hineintreten; sind aber seine Gedanken böse und ist das Herz noch voller Sünde,","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"so sinkt er mit dem Sarge tiefer, als das Paradies gesunken, und nur jedes","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"tausendste Jahr hole ich ihn wieder, damit er noch tiefer sinke oder auf den","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Stern gelange, den funkelnden Stern dort oben!\"","book":"Der Garten des Paradieses"} {"text":"Es war einmal ein Kaufmann, der war so reich, daß er die ganze Straße und fast","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"noch eine kleine Gasse mit Silbergeld pflastern konnte; aber das tat er nicht,","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"er wußte sein Geld anders anzuwenden, und gab er einen Groschen aus, so bekam er","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"einen Taler wieder, ein so kluger Kaufmann war er – bis er starb.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Der Sohn bekam nun all dieses Geld, und er lebte lustig, ging jeden Tag einem","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"anderen Vergnügen nach, machte Papierdrachen von Talerscheinen und warf in das","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Wasser mit Goldstücken anstatt mit einem Steine. So konnte das Geld wohl zu Ende","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"gehen. Zuletzt besaß er nicht mehr als vier Groschen und hatte keine anderen","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Kleider als ein Paar Schuhe und einen alten Schlafrock. Nun kümmerten sich","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"seine Freunde nicht mehr um ihn, da sie ja nicht zusammen auf die Straße gehen","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"konnten; aber einer von ihnen, der gutmütig war, sandte ihm einen alten Koffer","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"mit der Bemerkung: \"Packe ein!\" Ja, das war nun ganz gut, aber er hatte nichts","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"einzupacken, darum setzte er sich selbst in den Koffer.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Das war ein merkwürdiger Koffer. Sobald man an das Schloß drückte, konnte der","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Koffer fliegen. Das tat nun der Mann, und sogleich flog er mit dem Koffer durch","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"den Schornstein hoch über die Wolken hinauf, weiter und weiter fort; sooft aber","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"der Boden ein wenig krachte, war er sehr in Angst, daß der Koffer in Stücke","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"gehe, denn alsdann hätte er einen ganz tüchtigen Luftsprung gemacht. So kam","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"er nach dem Lande der Türken. Den Koffer verbarg er im Walde unter verdorrten","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Blättern und ging dann in die Stadt hinein; das konnte er auch recht gut,","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"denn bei den Türken gingen ja alle so wie er in Schlafrock und Pantoffeln. Da","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"begegnete er einer Amme mit einem kleinen Kinde. \"Höre du, Türkenamme,\" fragte","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"er, \"was ist das für ein großes Schloß hier dicht bei der Stadt, wo die Fenster","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"so hoch sitzen?\"","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"\"Da wohnt die Tochter des Königs!\" erwiderte die Frau. \"Es ist prophezeit, daß","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"sie über einen Geliebten sehr unglücklich werden würde, und deshalb darf niemand","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"zu ihr kommen, wenn nicht der König und die Königin mit dabei sind!\"","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"\"Ich danke!\" sagte der Kaufmannssohn, ging hinaus in den Wald, setzte sich in","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"seinen Koffer, flog auf das Dach des Schlosses und kroch durch das Fenster zur","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Prinzessin.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Sie lag auf dem Sofa und schlief; sie war so schön, daß der Kaufmannssohn sie","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"küssen mußte; sie erwachte und erschrak gewaltig, aber er sagte, er sei der","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Türkengott, der durch die Luft zu ihr heruntergekommen sei, und das gefiel ihr.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"So saßen sie beieinander, und er erzählte ihr Geschichten von ihren Augen;","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"das waren die herrlichsten, dunklen Seen, und da schwammen die Gedanken gleich","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Meerweibchen; und er erzählte von ihrer Stirn, die war ein Schneeberg mit den","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"prächtigsten Sälen und Bildern; und er erzählte vom Storch, der die lieblichen,","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"kleinen Kinder bringt.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Ja, das waren schöne Geschichten! Dann freite er um die Prinzessin, und sie","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"sagte sogleich ja!","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"\"Aber Sie müssen am Sonnabend herkommen,\" sagte sie, \"da sind der König und","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"die Königin bei mir zum Tee! Sie werden sehr stolz darauf sein, daß ich den","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Türkengott bekomme, aber sehen Sie zu, daß Sie ein recht hübsches Märchen","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"wissen, denn das lieben meine Eltern ganz außerordentlich; meine Mutter will es","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"erbaulich und vornehm und mein Vater belustigend haben, so daß man lachen kann!\"","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"\"Ja, ich bringe keine andere Brautgabe als ein Märchen!\" sagte er, und so","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"schieden sie, aber die Prinzessin gab ihm einen Säbel, der war mit Goldstocken","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"besetzt, und die konnte er gerade gebrauchen.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Nun flog er fort, kaufte sich einen neuen Schlafrock und saß dann draußen im","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Walde und dichtete ein Märchen; das sollte bis zu Sonnabend fertig sein, und das","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"ist nicht leicht.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Es wurde fertig, und da war es Sonnabend.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Der König, die Königin und der ganze Hof warteten mit dem Tee bei der","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Prinzessin. Der Kaufmannssohn wurde freundlich empfangen.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"\"Wollen Sie uns nun ein Märchen erzählen,\" sagte die Königin, \"eins, das","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"tiefsinnig und belehrend ist?\"","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"\"Aber worüber man, auch wenn es viel Weisheit enthält, doch noch lachen kann!\"","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"sagte der König.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"\"Jawohl!\" erwiderte er und erzählte; da muß man nun gut aufpassen.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"\"Es war einmal ein Bund Streichhölzer, die waren außerordentlich stolz auf","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"ihre hohe Herkunft; ihr Stammbaum, das heißt, die große Fichte, wovon sie jedes","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"ein kleines Hölzchen waren, war ein großer, alter Baum im Walde gewesen. Die","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Streichhölzer lagen nun in der Mitte zwischen einem alten Feuerzeuge und einem","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"alten, eisernen Topfe, und diesem erzählten sie von ihrer Jugend. 'Ja, als wir","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"noch im Baum waren', sagten sie, 'da waren wir wirklich auf einem grünen Zweig!","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Jeden Morgen und Abend gab es Diamanttee, das war der Tau. Den ganzen Tag hatten","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"wir Sonnenschein, wenn die Sonne da war, und alle die kleinen Vögel mußten uns","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Geschichten erzählen. Wir konnten wohl merken, daß wir auch reich waren, denn","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"die Laubbäume waren nur im Sommer bekleidet, aber unsere Familie hatte Mittel","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"zu grünen Kleidern sowohl im Sommer als im Winter. Doch da kam der Holzhauer,","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"und unsere Familie wurde zersplittert; der Stammherr erhielt Platz als Hauptmast","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"auf einem prächtigen Schiffe, das die Welt umsegeln konnte, wenn es wollte,","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"die anderen Zweige kamen nach anderen Orten, und wir haben nun das Amt, der","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Menge das Licht anzuzünden; deshalb sind wir vornehmen Leute hier in die Küche","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"gekommen.'","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"'Mein Schicksal gestaltete sich auf eine andere Weise!' sagte der Eisentopf,","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"an dessen Seite die Streichhölzer lagen. 'Vom Anfang an, seit ich in die Welt","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"kam, bin ich vielmal gescheuert und gewärmt worden; ich sorge für das Dauerhafte","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"und bin der Erste hier im Hause. Meine einzige Freude ist, nach Tische rein","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"und sauber auf meinem Platze zu liegen und ein vernünftiges Gespräch mit den","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Kameraden zu führen. Wenn ich den Wassereimer ausnehme, der hin und wieder","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"einmal zum Hof hinunterkommt, so leben wir immer innerhalb der Türen. Unser","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"einziger Neuigkeitsbote ist der Marktkorb, aber der spricht zu unruhig über","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"die Regierung und das Volk. Ja, neulich war da ein alter Topf, der vor Schreck","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"darüber niederfiel und sich in Stücke schlug; der war gut gesinnt, sage ich","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"euch!' – 'Nun sprichst du zuviel!' fiel das Feuerzeug ein, und der Stahl schlug","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"gegen den Feuerstein, daß es sprühte. 'Wollen wir uns nicht einen lustigen Abend","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"machen?'","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"'Ja, laßt uns davon sprechen, wer der vornehmste ist!' sagten die Streichhölzer.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"'Nein, ich liebe es nicht, von mir selbst zu reden', wendete der Tontopf","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"bescheiden ein. 'Laßt uns eine Abendunterhaltung veranstalten. Ich werde","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"anfangen, ich werde etwas erzählen, was ein jeder erlebt hat; da kann man sich","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"leicht darein finden, und es ist sehr erfreulich! An der Ostsee bei den Buchen","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"–'","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"'Das ist ein hübscher Anfang!' sagten die Teller. 'Das wird sicher eine","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Geschichte, die uns gefällt!'","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"'Ja, da verlebte ich meine Jugend bei einer stillen Familie; die Möbel wurden","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"geputzt, die Fußböden gescheuert, und alle vierzehn Tage wurden neue Vorhänge","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"aufgehängt!'","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"'Wie gut Sie erzählen!', sagte der Haarbesen. 'Man kann gleich hören, daß ein","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Frauenzimmer erzählt; es geht etwas Reines hindurch!'","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"'Ja, das fühlt man!' sagte der Wassereimer und machte vor Freude einen kleinen","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Sprung, so daß es auf dem Fußboden klatschte.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Der Topf fuhr zu erzählen fort, und das Ende war ebensogut wie der Anfang.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Alle Teller klapperten vor Freude, und der Haarbesen zog grüne Petersilie aus","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"dem Sandloche und bekränzte den Topf, denn er wußte, daß es die andern ärgern","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"werde. 'Bekränze ich ihn heute', dachte er, 'so bekränzt er mich morgen.'","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"'Nun will ich tanzen!' sagte die Feuerzange und tanzte. Ja, Gott bewahre uns,","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"wie konnte sie das eine Bein in die Höhe strecken! Der alte Stuhlbezug dort","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"im Winkel platzte, als er es sah. 'Werde ich nun auch bekränzt?' fragte die","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Feuerzange, und das wurde sie.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"'Das ist das gemeine Volk!' dachten die Streichhölzer.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Nun sollte die Teemaschine singen, aber sie sagte, sie sei erkältet, sie könne","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"nicht, wenn sie nicht koche; doch das war bloß Vornehmtuerei; sie wollte nicht","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"singen, wenn sie nicht drinnen bei der Herrschaft auf dem Tische stand.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Im Fenster saß eine alte Feder, womit das Mädchen zu schreiben pflegte; es war","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"nichts Bemerkenswertes an ihr, außer daß sie gar zu tief in die Tinte getaucht","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"worden, aber darauf war sie nun stolz. 'Will die Teemaschine nicht singen',","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"sagte sie, 'so kann sie es unterlassen; draußen hängt eine Nachtigall im Käfig,","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"die kann singen; die hat zwar nichts gelernt, aber das wollen wir diesen Abend","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"dahingestellt sein lassen!'","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"'Ich finde es höchst unpassend', sagte der Teekessel – er war Küchensänger und","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Halbbruder der Teemaschine –, 'daß ein fremder Vogel gehört werden soll! Ist das","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Vaterlandsliebe? Der Marktkorb mag darüber richten!'","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"'Ich ärgere mich nur', sagte der Marktkorb, 'ich ärgere mich so, wie es sich","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"kein Mensch denken kann! Ist das eine passende Art, den Abend hinzubringen?","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Würde es nicht vernünftiger sein, Ordnung herzustellen? Ein jeder müßte auf","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"seinen Platz kommen, und ich würde das ganze Spiel leiten. Das sollte etwas","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"anderes werden!'","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"'Laßt uns Lärm machen!' sagten alle. Da ging die Tür auf. Es war das","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Dienstmädchen, und da standen sie still. Keiner bewegte sich; aber da war nicht","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"ein Topf, der nicht gewußt hätte, was er zu tun vermöge und wie vornehm er sei.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"'Ja, wenn ich gewollt hätte', dachte jeder, 'so hätte es ein recht lustiger","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Abend werden sollen!'","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Das Dienstmädchen nahm die Streichhölzer und zündete sich Feuer damit an. Wie","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"sie sprühten und in Flammen gerieten!","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"'Nun kann doch ein jeder sehen', dachten sie, 'daß wir die Ersten sind. Welchen","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Glanz wir haben, welches Licht!' Damit waren sie ausgebrannt.\"","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"\"Das war ein herrliches Märchen!\" sagte die Königin. \"Ich fühle mich ganz in die","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Küche versetzt zu den Streichhölzern, ja, nun sollst du unsere Tochter haben.\"","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"\"Jawohl!\" sagte der König, \"du sollst unsere Tochter am Montag haben!\"","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Denn nun sagten sie du zu ihm, da er ja nun fortan sowieso zur Familie gehören","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"sollte.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Die Hochzeit war nun bestimmt, und am Abend vorher wurde die ganze Stadt","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"beleuchtet, Zwieback und Brezeln wurden ausgeteilt, die Straßenbuben riefen","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"hurra und pfiffen auf den Fingern, es war außerordentlich prachtvoll.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"'Ja, ich muß wohl auch etwas tun!' dachte der Kaufmannssohn und kaufte Raketen,","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Knallerbsen und alles Feuerwerk, was man erdenken konnte, legte es in seinen","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Koffer und flog damit in die Luft.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Das war kein kleiner Lärm!","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Alle Türken hüpften dabei in die Höhe, daß ihnen die Pantoffeln um die Ohren","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"flogen; solche Lufterscheinungen hatten sie noch nie gesehen. Nun konnten sie","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"begreifen, daß es der Türkengott selbst war, der die Prinzessin haben sollte.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Sobald der Kaufmannssohn wieder mit seinem Koffer herunter in den Wald kam,","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"dachte er: 'Ich will doch in die Stadt hineingehen, um zu erfahren, wie es sich","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"ausgenommen hat'; es war ganz natürlich, daß er Lust dazu hatte.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Was doch die Leute erzählten! Ein jeder, den er danach fragte, hatte es auf","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"seine Weise gesehen, aber schön hatten es alle gefunden.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"\"Ich sah den Türkengott selbst,\" sagte der eine, \"er hatte Augen wie glänzende","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Sterne und einen Bart wie schäumendes Wasser!\"","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"\"Er flog in einem Feuermantel,\" sagte ein anderer. \"Die lieblichsten","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Engelskinder blickten aus den Falten hervor!\"","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Ja, das waren herrliche Sachen, die er hörte, und am folgenden Tage sollte er","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Hochzeit haben.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Nun ging er nach dem Walde zurück, um sich in seinen Koffer zu setzen –","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"aber wo war der? Der Koffer war verbrannt. Ein Funken des Feuerwerks war","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"zurückgeblieben, der hatte Feuer gefangen, und der Koffer lag in Asche.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Nun konnte der Kaufmannssohn nicht mehr fliegen, nicht mehr zu seiner Braut","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"gelangen.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Sie stand den ganzen Tag auf dem Dache und wartete; sie wartet noch, aber er","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"durchwandert die Welt und erzählt Märchen, doch sind sie nicht mehr so lustig","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"wie das Märchen von den Streichhölzern, das er als Türkengott erzählte.","book":"Der fliegende Koffer"} {"text":"Auf dem letzten Hause in einem kleinen Dorfe stand ein Storchennest. Die","book":"Die Störche"} {"text":"Storchmutter saß im Neste bei ihren vier kleinen Jungen, die den Kopf mit","book":"Die Störche"} {"text":"dem kleinen, schwarzen Schnabel, denn der war noch nicht rot geworden,","book":"Die Störche"} {"text":"hervorstreckten. Ein kleines Stück davon entfernt stand auf dem Dachrücken","book":"Die Störche"} {"text":"ganz stramm und steif der Storchvater; er hatte das eine Bein unter sich","book":"Die Störche"} {"text":"aufgezogen, um doch einige Mühe zu haben, während er Schildwache stand. Fast","book":"Die Störche"} {"text":"hätte man glauben mögen, daß er aus Holz geschnitzt sei, so still stand er.","book":"Die Störche"} {"text":"\"Es sieht gewiß rechtt vornehm aus, daß meine Frau eine Schildwache beim Neste","book":"Die Störche"} {"text":"hat!\" dachte er. \"Sie können ja nicht wissen, daß ich ihr Mann bin, sie glauben","book":"Die Störche"} {"text":"sicher, daß mir befohlen worden ist, hier zu stehen. Das sieht recht vornehm","book":"Die Störche"} {"text":"aus!\" Und er fuhr fort, auf einem Beine zu stehen.","book":"Die Störche"} {"text":"Unten auf der Straße spielte eine Schar Kinder, und da sie die Störche gewahr","book":"Die Störche"} {"text":"wurden, sang einer der mutigsten Knaben und später alle zusammen den alten Vers","book":"Die Störche"} {"text":"von den Störchen:","book":"Die Störche"} {"text":"\"Storch, Storch, fliege heim,","book":"Die Störche"} {"text":"Stehe nicht auf einem Bein,","book":"Die Störche"} {"text":"Deine Frau im Neste liegt,","book":"Die Störche"} {"text":"Wo sie ihre Jungen wiegt.","book":"Die Störche"} {"text":"Das eine wird gehängt,","book":"Die Störche"} {"text":"Das andre wird versengt,","book":"Die Störche"} {"text":"Das dritte man erschießt,","book":"Die Störche"} {"text":"Wenn man das vierte spießt!\"","book":"Die Störche"} {"text":"\"Höre nur, was die Kinder singen!\" sagten die kleinen Storchkinder. \"Sie singen,","book":"Die Störche"} {"text":"wir sollen gehängt und versengt werden!\"","book":"Die Störche"} {"text":"\"Darum sollt ihr euch nicht kümmern!\" sagte die Storchmutter. \"Hört nur nicht","book":"Die Störche"} {"text":"darauf, so schadet es gar nichts!\"","book":"Die Störche"} {"text":"Aber die Knaben fuhren fort zu singen, und sie zischten den Storch mit den","book":"Die Störche"} {"text":"Fingern aus; nur ein Knabe, der Peter hieß, sagte, daß es unrecht sei, die Tiere","book":"Die Störche"} {"text":"zum besten zu haben, und wollte auch gar nicht mit dabei sein. Die Storchmutter","book":"Die Störche"} {"text":"tröstete ihre Jungen. \"Kümmert euch nicht darum,\" sagte sie; \"seht nur, wie","book":"Die Störche"} {"text":"ruhig euer Vater steht, und zwar auf einem Beine!\"","book":"Die Störche"} {"text":"\"Wir fürchten uns sehr!\" sagten die jungen und zogen die Köpfe tief in das Nest","book":"Die Störche"} {"text":"zurück.","book":"Die Störche"} {"text":"Am nächsten Tage, als die Kinder wieder zum Spielen zusammenkamen und die","book":"Die Störche"} {"text":"Störche erblickten, gangen sie ihr Lied:","book":"Die Störche"} {"text":"\"Das eine wird gehängt,","book":"Die Störche"} {"text":"das andre wird versengt–\"","book":"Die Störche"} {"text":"\"Werden wir wohl gehängt und versengt werden?\" fragten die Jungen Störche.","book":"Die Störche"} {"text":"\"Nein, sicher nicht!\" sagte die Mutter, \"ihr sollt fliegen lernen, ich werde","book":"Die Störche"} {"text":"euch schon einüben; dann fliegen wir hinaus auf die Wiese und statten den","book":"Die Störche"} {"text":"Fröschen Besuch ab; die verneigen sich vor uns im Wasser und singen: 'Koax,","book":"Die Störche"} {"text":"koax,' und dann essen wir sie auf. Das wird ein rechtes Vergnügen geben!\" - \"Und","book":"Die Störche"} {"text":"was dann?\" fragten die Storchjungen.","book":"Die Störche"} {"text":"\"Dann versammeln sich alle Störche, die hier im ganzen Lande sind, und die","book":"Die Störche"} {"text":"Herbstübung beginnt. Da muß man gut fliegen, das ist von großer Wichtigkeit;","book":"Die Störche"} {"text":"denn wer dann nicht ordentlich fliegen kann, wird vom Obersten mit dem Schnabel","book":"Die Störche"} {"text":"totgestochen. Deshalb gebt wohl acht, etwas zu lernen, wenn das üben anfängt!\"","book":"Die Störche"} {"text":"\"So werden wir ja doch gespießt, wie die Knaben sagten, und hört nur, jetzt","book":"Die Störche"} {"text":"singen sie es wieder!\"","book":"Die Störche"} {"text":"\"Hört nur auf mich und nicht auf sie,\" sagte die Storchmutter. \"Nach der großen","book":"Die Störche"} {"text":"Herbstübung fliegen wir in die warmen Länder, weit, weit von hier, über Berge","book":"Die Störche"} {"text":"und Wälder. Nach Ägypten fliegen wir, wo es dreieckige Steinhäuser gibt, die","book":"Die Störche"} {"text":"in eine Spitze auslaufen und bis über die Wolken ragen, sie werden Pyramiden","book":"Die Störche"} {"text":"genannt und sind älter, als ein Storch sich denken kann. Da ist auch ein Fluß,","book":"Die Störche"} {"text":"der aus seinem Bette tritt, dann wird das ganze Land zu Schlamm. Man geht im","book":"Die Störche"} {"text":"Schlamm und ißt Frösche.\"","book":"Die Störche"} {"text":"\"Oh!\" sagten alle Jungen.","book":"Die Störche"} {"text":"\"Ja, da ist es herrlich! Man tut den ganzen Tag nichts anderes als essen, und","book":"Die Störche"} {"text":"während wir es so gut haben, ist in diesem Lande nicht ein grünes Blatt auf den","book":"Die Störche"} {"text":"Bäumen. Hier ist es indessen so kalt, daß die Wolken in Stücke frieren und in","book":"Die Störche"} {"text":"kleinen weißen Lappen herunterfallen!\" Sie meinte den Schnee, aber sie konnte es","book":"Die Störche"} {"text":"nicht deutlicher erklären.","book":"Die Störche"} {"text":"\"Frieren denn auch die unartigen Knaben in Stücke?\" fragten die jungen Störche.","book":"Die Störche"} {"text":"\"Nein, in Stücke frieren sie nicht, aber sie sind nahe daran und müssen in der","book":"Die Störche"} {"text":"dunklen Stube sitzen und duckmäusern. Ihr hingegen könnt in fremden Ländern","book":"Die Störche"} {"text":"umherfliegen, wo es Blumen und warmen Sonnenschein gibt!\"","book":"Die Störche"} {"text":"Nun war schon einige Zeit verstrichen, und die Jungen waren so groß geworden,","book":"Die Störche"} {"text":"daß sie im Neste aufrecht stehen und weit umhergehen konnten, und der","book":"Die Störche"} {"text":"Storchvater kam jeden Tag mit schönen Fröschen, kleinen Schlangen und all den","book":"Die Störche"} {"text":"Storchleckereien, die er finden konnte, geflogen. Oh, das sah lustig aus, wie er","book":"Die Störche"} {"text":"ihnen Kunststücke vormachte! Den Kopf legte er gerade herum auf den Schwanz, mit","book":"Die Störche"} {"text":"dem Schnabel klapperte er, als wäre er eine kleine Knarre, und dann erzählte er","book":"Die Störche"} {"text":"ihnen Geschichten vom Sumpfe.","book":"Die Störche"} {"text":"\"Hört, nun müßt ihr fliegen lernen!\" sagte eines Tages die Storchmutter, und","book":"Die Störche"} {"text":"nun mußten alle vier Jungen hinaus auf den Dachrücken. Oh, wie sie schwankten,","book":"Die Störche"} {"text":"wie sie mit den Flügeln sich im Gleichgewicht hielten und doch nahe daran waren,","book":"Die Störche"} {"text":"hinunterzufallen!","book":"Die Störche"} {"text":"\"Seht nun auf mich!\" sagte die Mutter. \"So müßt ihr den Kopf halten, so müßt","book":"Die Störche"} {"text":"ihr die Füße stellen! Eins, zwei! Eins, zwei! Das ist es, was euch in der Welt","book":"Die Störche"} {"text":"forthelfen soll!\"","book":"Die Störche"} {"text":"Dann flog sie ein kleines Stück, und die Jungen machten einen kleinen,","book":"Die Störche"} {"text":"unbeholfenen Sprung.","book":"Die Störche"} {"text":"Bums, da lagen sie, denn ihr Körper war zu schwerfällig.","book":"Die Störche"} {"text":"\"Ich will nicht fliegen!\" sagte das eine Junge und kroch wieder in das Nest","book":"Die Störche"} {"text":"hinauf. \"Mir ist nichts daran gelegen, nach den warmen Ländern zu kommen!\" -","book":"Die Störche"} {"text":"\"Willst du denn hier erfrieren, wenn es Winter wird? Sollen die Knaben kommen,","book":"Die Störche"} {"text":"dich zu hängen, zu sengen und zu braten? Nun, ich werde sie rufen!\"","book":"Die Störche"} {"text":"\"O nein!\" sagte der junge Storch und hüpfte wieder auf das Dach wie die andern.","book":"Die Störche"} {"text":"Den dritten Tag konnten sie schon ein bißchen fliegen, und da glaubten sie, daß","book":"Die Störche"} {"text":"sie auch schweben und auf der Luft ruhen könnten; das wollten sie, aber – bums!","book":"Die Störche"} {"text":"– da purzelten sie, darum mußten sie schnell die Flügel wieder rühren. Nun kamen","book":"Die Störche"} {"text":"die Knaben unten auf der Straße und sangen ihr Lied:","book":"Die Störche"} {"text":"\"Storch, Storch, fliege heim!\"","book":"Die Störche"} {"text":"\"Wollen wir nicht hinunterfliegen und sie vertreiben?\" fragten die Jungen.","book":"Die Störche"} {"text":"\"Nein, laßt das!\" sagte die Mutter. \"Hört nun auf mich, das ist weit wichtiger!","book":"Die Störche"} {"text":"Eins, zwei, drei! Nun fliegen wir rechts herum. Eins, zwei, drei! Nun links um","book":"Die Störche"} {"text":"den Schornstein! Seht, das war sehr gut; der letzte Schlag mit den Flügeln war","book":"Die Störche"} {"text":"so geschickt und richtig, daß ihr die Erlaubnis erhalten sollt, morgen mit mir","book":"Die Störche"} {"text":"in den Sumpf zu fliegen. Da werden mehrere hübsche Storchfamilien mit ihren","book":"Die Störche"} {"text":"Kindern sein; zeigt mir nun, daß die meinen die klügsten sind und daß ihr recht","book":"Die Störche"} {"text":"einherstolziert; das sieht gut aus und verschafft Ansehen!\"","book":"Die Störche"} {"text":"\"Aber sollen wir denn die unartigen Buben nicht strafen?\" fragten die jungen","book":"Die Störche"} {"text":"Störche.","book":"Die Störche"} {"text":"\"Laßt sie schreien, soviel sie wollen! Ihr fliegt doch zu den Wolken auf und","book":"Die Störche"} {"text":"kommt nach dem Lande der Pyramiden, wenn sie frieren müssen und kein grünes","book":"Die Störche"} {"text":"Blatt und keinen süßen Apfel haben!\"","book":"Die Störche"} {"text":"\"Ja, wir wollen sie aber strafen!\" zischelten sie einander zu, und dann wurde","book":"Die Störche"} {"text":"wieder geübt.","book":"Die Störche"} {"text":"Von allen Knaben auf der Straße war keiner ärger, das Spottlied zu singen,","book":"Die Störche"} {"text":"als ein ganz kleiner, er war wohl nicht mehr als sechs Jahre alt. Die jungen","book":"Die Störche"} {"text":"Störche glaubten freilich, daß er hundert Jahre zähle, denn er war ja größer als","book":"Die Störche"} {"text":"ihre Mutter und ihr Vater, und was wußten sie davon, wie alt Kinder und große","book":"Die Störche"} {"text":"Menschen sein können!","book":"Die Störche"} {"text":"Ihre Strafe sollte diesen Knaben treffen, er hatte ja zuerst begonnen, und","book":"Die Störche"} {"text":"er blieb auch immer dabei. Die jungen Störche waren sehr aufgebracht, und wie","book":"Die Störche"} {"text":"sie größer wurden, wollten sie es noch weniger dulden. Die Mutter mußte ihnen","book":"Die Störche"} {"text":"zuletzt versprechen, daß er schon bestraft werden sollte, aber nicht eher als am","book":"Die Störche"} {"text":"letzten Tage, den sie hier im Lande seien.","book":"Die Störche"} {"text":"\"Wir müssen ja erst sehen, wie ihr euch bei der großen Übung benehmen werdet;","book":"Die Störche"} {"text":"besteht ihr schlecht, so daß der Oberst euch den Schnabel durch die Brust rennt,","book":"Die Störche"} {"text":"dann haben ja die Knaben recht, wenigstens in einer Hinsicht. Nun laßt uns","book":"Die Störche"} {"text":"sehen! \"","book":"Die Störche"} {"text":"\"Ja, das sollst du!\" sagten die Jungen, und so gaben sie sich alle Mühe;","book":"Die Störche"} {"text":"sie übten jeden Tag und flogen so niedlich und leicht, daß es eine Lust war,","book":"Die Störche"} {"text":"zuzusehen.","book":"Die Störche"} {"text":"Nun kam der Herbst; alle Störche begannen sich zu sammeln, um fort nach den","book":"Die Störche"} {"text":"warmen Ländern zu ziehen, während wir Winter haben. Das war ein Leben! Über","book":"Die Störche"} {"text":"Wälder und Dörfer mußten sie, nur um zu sehen, wie sie fliegen könnten, denn es","book":"Die Störche"} {"text":"war ja eine große Reise, die ihnen bevorstand. Die jungen Störche machten ihre","book":"Die Störche"} {"text":"Sache so brav, daß sie \"Ausgezeichnet gut mit Frosch und Schlange\" erhielten.","book":"Die Störche"} {"text":"Das war das allerbeste Zeugnis, das überhaupt ausgestellt werden konnte, und den","book":"Die Störche"} {"text":"Frosch und die Schlange durften sie essen; das taten sie auch.","book":"Die Störche"} {"text":"\"Nun wollen wir ihn aber strafen!\" sagten sie. \"Ja, gewiß,\" sagte die","book":"Die Störche"} {"text":"Storchmutter. \"Was ich mir ausgedacht, ist gerade das richtige! Ich weiß, wo der","book":"Die Störche"} {"text":"Teich ist, in dem alle die kleinen Menschenkinder liegen, bis der Storch kommt","book":"Die Störche"} {"text":"und sie den Eltern bringt. Die niedlichsten kleinen Kinder schlafen und träumen","book":"Die Störche"} {"text":"so lieblich, wie sie später nie mehr träumen. Alle Eltern wollen gern solch","book":"Die Störche"} {"text":"ein kleines Kind haben, und alle Kinder wollen eine Schwester oder einen Bruder","book":"Die Störche"} {"text":"haben. Nun wollen wir nach dem Teiche hinfliegen, eins für jedes der Kinder","book":"Die Störche"} {"text":"zu holen, das uns nicht geärgert und auch nicht das böse Lied gesungen und die","book":"Die Störche"} {"text":"Störche zum besten gehabt hat!\"","book":"Die Störche"} {"text":"\"Aber der zu singen angefangen, der schlimme, häßliche Knabe,\" schrien die","book":"Die Störche"} {"text":"jungen Störche, \"was machen wir mit ihm?\"","book":"Die Störche"} {"text":"\"Für den holen wir weder Brüderchen noch Schwesterchen aus dem Teiche, und","book":"Die Störche"} {"text":"dann muß er weinen, weil er als einziger allein bleibt! Aber dem guten Knaben","book":"Die Störche"} {"text":"– ihn habt ihr doch nicht vergessen, ihn, der da sagte, es sei Sünde, die Tiere","book":"Die Störche"} {"text":"zum besten zu haben? – ihm wollen wir sowohl einen Bruder als eine Schwester","book":"Die Störche"} {"text":"bringen, und da der Knabe Peter hieß, so sollt ihr allesamt Peter heißen!\"","book":"Die Störche"} {"text":"Und es geschah, wie sie sagte, und so hießen alle Störche Peter, und so werden","book":"Die Störche"} {"text":"sie noch genannt.","book":"Die Störche"} {"text":"Es war einmal ein böser Fürst; all sein Dichten und Trachten ging darauf aus,","book":"Der böse Fürst"} {"text":"alle Länger der Welt zu erobern und allen Menschen Furcht einzuflößen; mit Feuer","book":"Der böse Fürst"} {"text":"und Schwert zog er umher, und seine Soldaten zertraten die Saat auf den Feldern","book":"Der böse Fürst"} {"text":"und zündeten des Bauern Haus an, so daß die rote Flamme die Blätter von den","book":"Der böse Fürst"} {"text":"Bäumen leckte und das Obst gebraten an den versengten, schwarzen Bäumen hing.","book":"Der böse Fürst"} {"text":"Mit dem nackten Säugling im Arm flüchtete manche Mutter sich hinter die noch","book":"Der böse Fürst"} {"text":"rauchenden Mauern ihres abgebrannten Hauses, aber hier suchten die Soldaten sie","book":"Der böse Fürst"} {"text":"auch, und fanden sie die Armen, so war dies neue Nahrung für ihre teuflische","book":"Der böse Fürst"} {"text":"Freude: böse Geister hätten nicht ärger verfahren können als diese Soldaten;","book":"Der böse Fürst"} {"text":"der Fürst aber meinte, gerade so sei es recht, so sollte es zugehen. Täglich","book":"Der böse Fürst"} {"text":"wuchs seine Macht, sein Name wurde von allen gefürchtet, und das Glück schritt","book":"Der böse Fürst"} {"text":"neben ihm her bei allen seinen Taten. Aus den eroberten Städten führte er","book":"Der böse Fürst"} {"text":"große Schätze heim; in seiner Residenzstadt wurde ein Reichtum aufgehäuft, der","book":"Der böse Fürst"} {"text":"an keinem anderen Orte seinesgleichen hatte. Und er ließ prächtige Schlösser,","book":"Der böse Fürst"} {"text":"Kirchen und Hallen bauen, und jeder , der diese herrlichen Bauten und großen","book":"Der böse Fürst"} {"text":"Schätze sah, rief ehrfurchtsvoll: \"Welch großer Fürst!\" Sie gedachten aber nicht","book":"Der böse Fürst"} {"text":"des Elends, das er über andere Länder und Städte gebracht hatte; sie vernahmen","book":"Der böse Fürst"} {"text":"nicht all die Seufzer und all den Jammer, der aus den eingeäscherten Städten","book":"Der böse Fürst"} {"text":"empordrang.","book":"Der böse Fürst"} {"text":"Der Fürst betrachtete sein Gold und seine prächtigen Bauten und dachte dabei wie","book":"Der böse Fürst"} {"text":"die Menge: \"Welch großer Fürst! Aber ich muß mehr haben, viel mehr! Keine Macht","book":"Der böse Fürst"} {"text":"darf der meinen gleichkommen, geschweige denn größer als die meine sein!\" Und er","book":"Der böse Fürst"} {"text":"bekriegte alle seine Nachbarn und besiegte sie alle. Die besiegten Könige ließ","book":"Der böse Fürst"} {"text":"er mit goldenen Ketten an seinen Wagen fesseln, und so fuhr er durch die Straßen","book":"Der böse Fürst"} {"text":"seiner Residenz; tafelte er, so mußten jene Könige ihm und seinen Hofleuten","book":"Der böse Fürst"} {"text":"zu Füßen liegen und sich von den Brocken sättigen, die ihnen von der Tafel","book":"Der böse Fürst"} {"text":"zugeworfen wurden.","book":"Der böse Fürst"} {"text":"Endlich ließ der Fürst seine eigene Bildsäule auf den öffentlichen Plätzen und","book":"Der böse Fürst"} {"text":"in den königlichen Schlössern errichten, ja, er wollte sie sogar in den Kirchen","book":"Der böse Fürst"} {"text":"vor dem Altar des Herrn aufstellen; allein hier traten die Priester ihm entgegen","book":"Der böse Fürst"} {"text":"und sagten: \"Fürst, du bist groß, aber Gott ist größer, wir wagen es nicht,","book":"Der böse Fürst"} {"text":"deinem Befehl nachzukommen.\"","book":"Der böse Fürst"} {"text":"\"Wohlan denn!\" rief der Fürst, \"ich werde auch Gott besiegen!\" Und in Übermut","book":"Der böse Fürst"} {"text":"und törichtem Frevel ließ er ein kostbares Schifflein bauen, mit welchem er","book":"Der böse Fürst"} {"text":"die Lüfte durchsegeln konnte; es war bunt und prahlerisch anzuschauen wie","book":"Der böse Fürst"} {"text":"der Schweif eines Pfaus, und es war gleichsam mit Tausenden von Äugen besetzt","book":"Der böse Fürst"} {"text":"und übersäht, aber jedes Auge war ein Büchsenlauf. Der Fürst saß in der Mitte","book":"Der böse Fürst"} {"text":"des Schiffes, er brauchte nur auf eine dort angebrachte Feder zu drücken, und","book":"Der böse Fürst"} {"text":"tausend Kugeln flogen nach allen Richtungen hinaus, während die Feuerschlünde","book":"Der böse Fürst"} {"text":"sogleich wieder geladen waren. Hunderte von Adlern wurden vor das Schiff","book":"Der böse Fürst"} {"text":"gespannt, und pfeilschnell ging es nun der Sonne entgegen. Wie lag da die Erde","book":"Der böse Fürst"} {"text":"tief unten! Mit ihren Bergen und Wäldern schien sie nur ein Ackerfeld zu sein,","book":"Der böse Fürst"} {"text":"in das der Pflug seine Furchen gezogen hatte, an dem entlang der grüne Rain","book":"Der böse Fürst"} {"text":"hervorblickte, bald glich sie nur noch einer flachen Landkarte mit undeutlichen","book":"Der böse Fürst"} {"text":"Strichen, und endlich lag sie ganz in Nebel und Wolken gehüllt. Immer höher","book":"Der böse Fürst"} {"text":"flogen die Adler aufwärts in die Lüfte – da sandte Gott einen einzigen seiner","book":"Der böse Fürst"} {"text":"unzähligen Engel aus; der böse Fürst schleuderte Tausende von Kugeln gegen ihn,","book":"Der böse Fürst"} {"text":"allein die Kugeln prallten ab von den glänzenden Fittichen des Engels, fielen","book":"Der böse Fürst"} {"text":"herab wie gewöhnliche Hagelkörner; doch ein Blutstropfen, nur ein einziger,","book":"Der böse Fürst"} {"text":"tröpfelte von einer der weißen Flügelfedern herab, und dieser Tropfen fiel auf","book":"Der böse Fürst"} {"text":"das Schiff, in welchem der Fürst saß, er brannte sich in das Schiff ein, er","book":"Der böse Fürst"} {"text":"lastete gleich tausend Zentner Blei darauf und riß das Schiff in stürzender","book":"Der böse Fürst"} {"text":"Fahrt zur Erde nieder; die starken Schwingen der Adler zerbrachen, der Wind","book":"Der böse Fürst"} {"text":"umsauste des Fürsten Haupt, und die Wolken ringsum – die waren ja aus dem","book":"Der böse Fürst"} {"text":"Flammenrauch der abgebrannten Städte gebildet – formten sich zu drohenden","book":"Der böse Fürst"} {"text":"Gestalten, zu meilenlangen Seekrabben, die ihre Klauen und Scheren nach ihm","book":"Der böse Fürst"} {"text":"ausstreckten, sie türmten sich zu ungeheuerlichen Felsen mit herabrollenden,","book":"Der böse Fürst"} {"text":"zerschmetternden Blöcken, zu feuerspeienden Drachen; halbtot lag der Fürst im","book":"Der böse Fürst"} {"text":"Schiff ausgestreckt, und dieses blieb endlich mit einem fruchtbaren Stoß in den","book":"Der böse Fürst"} {"text":"dicken Baumzweigen eines Waldes hängen.","book":"Der böse Fürst"} {"text":"\"Ich will Gott besiegen!\" sagte der Fürst, \"ich habe es geschworen, mein Wille","book":"Der böse Fürst"} {"text":"muß geschehen!\" Uns sieben Jahre lang ließ er bauen und arbeiten an künstlichen","book":"Der böse Fürst"} {"text":"Schiffen zum Durchsegeln der Luft, ließ Blitzstrahlen aus härtestem Stahl","book":"Der böse Fürst"} {"text":"schneiden, denn er wollte des Himmels Befestigung sprengen. Aus allen Landen","book":"Der böse Fürst"} {"text":"sammelte er Kriegsheere, die, als sie Mann an Mann aufgestellt waren, einen","book":"Der böse Fürst"} {"text":"Raum von mehreren Meilen bedeckten. Die Heere gingen an Bord der künstlichen","book":"Der böse Fürst"} {"text":"Schiffe, der Fürst näherte sich dem seinen: da sandte Gott einen einzigen","book":"Der böse Fürst"} {"text":"kleinen Mückenschwarm aus. Der umschwirrte den Fürsten und zerstach sein","book":"Der böse Fürst"} {"text":"Antlitz und seine Hände; zornentbrannt zog er sein Schwert und schlug um sich,","book":"Der böse Fürst"} {"text":"allein er schlug nur in die leere Luft, die Mücken traf er nicht. Da befahl er,","book":"Der böse Fürst"} {"text":"kostbare Teppiche zu bringen und ihn in dieselben einzuhüllen, damit ihn keine","book":"Der böse Fürst"} {"text":"Mücke fernerhin steche; und die Diener taten wie befohlen. Allein, eine einzige","book":"Der böse Fürst"} {"text":"Mücke hatte sich an die innere Seite des Teppichs gesetzt, von hier aus kroch","book":"Der böse Fürst"} {"text":"sie in das Ohr des Fürsten und stach ihn; es brannte wie Feuer, das Gift drang","book":"Der böse Fürst"} {"text":"hinein in sein Gehirn; wie wahnsinnig riß er die Teppiche von seinem Körper und","book":"Der böse Fürst"} {"text":"schleuderte sie weit weg, zerriß seine Kleidung und tanzte nackend herum vor den","book":"Der böse Fürst"} {"text":"Augen seiner rohen, wilden Soldaten, die nun den tollen Fürsten verspotteten,","book":"Der böse Fürst"} {"text":"der Gott bekriegen wollte und von einer einzigen kleinen Mücke besiegt worden","book":"Der böse Fürst"} {"text":"war.","book":"Der böse Fürst"} {"text":"Es gibt niemanden in der ganzen Welt, der so viele Geschichten weiß, wie Ole","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Luk-Oie. Der kann gehörig erzählen:","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"So gegen Abend hin, wenn die Kinder noch so nett am Tisch oder auf ihrem Schemel","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"sitzen, kommt Ole Luk-Oie. Er kommt sachte die Treppe herauf, denn er geht auf","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Socken; er macht ganz leise die Türe auf und husch! da spritzt er den Kindern","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"süße Milch in die Augen hinein, und das so fein, so fein, aber doch immer genug,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"daß sie die Augen nicht aufhalten und ihn deshalb auch nicht sehen können. Er","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"schleicht sich gerade hinter sie, bläst ihnen sachte in den Nacken, und davon","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"wird es ihnen schwer im Kopf. O ja! aber es tut nicht weh, denn Ole Luk-Oie","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"meint es gerade gut mit den Kindern; er will nur, daß sie ruhig sein sollen, und","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"das sind sie, wenn man sie zu Bett gebracht hat; sie sollen still sein, damit er","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"ihnen Geschichten erzählen kann.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Wenn die Kinder dann schlafen, setzt sich Ole Luk-Oie auf ihr Bett. Er ist gut","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"gekleidet; sein Rock ist von Seidenzeug, aber es ist unmöglich, zu sagen, von","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"welcher Farbe, denn er glänzt grün, rot und blau, je nachdem er sich wendet.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Unter jedem Arme hält er einen Regenschirm; den einen, mit Bildern darauf,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"spannt er über die guten Kinder aus, und dran träumen sie die ganze Nacht die","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"herrlichsten Geschichten; aber einen anderen Schirm hat er, auf dem überhaupt","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"nichts ist; den stellt er über die unartigen Kinder, dann schlafen sie wie dumm","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"und haben am Morgen, wenn sie erwachen, nicht das allergeringste geträumt. Nun","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"werden wir hören, wie Ole Luk-Oie jeden Abend während einer ganzen Woche zu","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"einem kleinen Knaben kam, welcher Hjalmar hieß, und was er ihm erzählte. Es sind","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"sieben Geschichten, denn es sind sieben Tage in der Woche.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Montag","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Höre einmal!\" sagte Ole Luk-Oie am Abend, als er Hjalmar zu Bett gebracht","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"hatte; \"jetzt werde ich aufputzen!\" Und da wurden alle Blumen in den","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Blumentöpfen zu großen Bäumen, welche ihre langen Zweige unter der Zimmerdecke","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"und längs den Wänden ausstreckten, so daß die ganze Stube wie ein prächtiges","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Lusthaus aussah. Alle Zweige waren voller Blumen, jede Blume war noch schöner","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"als eine Rose, duftete gleich lieblich, und wollte man sie essen, so war sie","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"noch süßer als Eingemachtes! Die Früchte glänzten wie Gold, und es waren da","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Kuchen, die vor lauter Rosinen platzten. Es war unvergleichlich schön! Aber","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"zur gleicher Zeit ertönte ein schreckliches Jammern aus dem Tischkasten her, wo","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Hjalmars Schulbücher lagen.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Was ist nur das? sagte Ole Luk-Oie und ging hin zu dem Tisch und zog den","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Kasten heraus. Es war die Schiefertafel, in er es riß und wühlte, denn es","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"war eine falsche Zahl in das Rechenexempel gekommen, so daß es nah daran","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"war, auseinanderzufallen. Der Stift hüpfte und sprang an seinem Band, als","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"ob er ein kleiner Hund seil,, der dem Rechenexempel helfen möchte; aber er","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"konnte es nicht. Und dann jammerte es auch in Hjalmars Schreibheft; oh, es","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"war ordentlich häßlich mitahnzuhören! Auf jedem Blatt standen der Länge nach","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"herunter die großen Buchstaben, ein jeder mit einem kleinen zur Seite. Das war","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"die Vorschrift; und neben diesen standen wieder einige Buchstaben, welche ebenso","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"auszusehen glaubten, und diese hatte Hjalmar geschrieben. Sie lagen aber fast","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"so, als ob sie über die Bleistiftstriche gefallen wären, auf denen sie stehen","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"sollten.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Seht, so solltet ihr auch halten!\" sagte die Vorschrift. \"Seht, so schräg","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"geneigt, mit einem kräftigen Schwung!\" - \"Oh, wir möchten gern,\" sagten Hjalmars","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Buchstaben; \"aber wir können nicht; wir sind so schwächlich!\" - \"Dann müßt ihr","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"einnehmen!\" sagte Ole Lu-Oie.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"O nein!\" riefen sie, und da standen sie so schlank, daß es eine Lust war. \"Ja,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"nun können wir keine Geschichten erzählen!\" sagte Ole Luk-Oie; \"nun muß ich","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"mit ihnen üben! Eins, zwei! Eins, zwei!\" und so übte er mit den Buchstaben,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"und sie standen ganz schlank und so schön, wie nur eine Vorschrift stehen kann.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Aber als Ole Luk-Oie ging und Hjalmar sie am Morgen besah, da waren sie ebenso","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"schwächlich und jämmerlich wie vorher.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Dienstag","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Sobald Hjalmar zu Bett war, berührte Ole Luk-Oie mit seiner kleinen","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Zauberspritze alle Möbel in der Stube, und sogleich fingen sie an zu plaudern,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"und allesamt sprachen sie von sich selbst, mit Ausnahme des Spucknapfes, welcher","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"stumm dastand und sich darüber ärgerte, daß sie so eitel sein könnten, nur","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"von sich selbst zu sprechen, nur an sich selbst zu denken und durchaus keine","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Rücksicht auf den zu nehmen, der doch so bescheiden in der Ecke stand und sich","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"bespucken ließ.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Über der Kommode hing ein großes Gemälde in einem vergoldeten Rahmen, das war","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"eine Landschaft; man sah darauf große, alte Bäume, Blumen im Grase und einen","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"breiten Fluß, welcher um den Wald herumfloß, an vielen Schlössern vorbei, und","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"weit hinaus in das wilde Meer.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Ole Luk-Oie berührte mit seiner Zauberspritze das Gemälde; sogleich begannen","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"die Vögel darauf zu singen, die Baumzweige bewegten sich, und die Wolken zogen","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"ordentlich weiter; man konnte ihre Schatten über die Landschaft hingleiten","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"sehen.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Nun hob Ole Luk-Oie den kleinen Hjalmar zu dem Rahmen empor und stellte seine","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Füße in das Gemälde, gerade in das hohe Gras, und da stand er. Die Sonne","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"beschien ihn durch die Zweige der Bäume. Er lief hin zum Wasser und setzte sich","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"in ein kleines Boot, welches dort lag. Es war rot und weiß angestrichen, die","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Segel glänzten wie Silber, und sechs Schwäne, alle mit Goldkronen um den Hals","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"und einem strahlenden blauen Stern auf dem Kopf, zogen das Boot an dem grünen","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Wald vorüber, wo die Bäume von Räubern und Hexen, die Blumen von den niedlichen","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"kleinen Elfen und von dem, was die Schmetterlinge ihnen gesagt hatten,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"erzählten.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Die herrlichsten Fische, mit Schuppen wie Silber und Gold, schwammen dem Boot","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"nach; mitunter machten sie einen Sprung, so daß es im Wasser plätscherte, und","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Vögel, rot und blau, klein und groß, flogen in zwei langen Reihen hinterher;","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"die Mücken tanzten, und die Maikäfer sagten: Bum! Bum! Sie wollten Hjalmar alle","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"folgen, und jeder hatte eine Geschichte zu erzählen.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Dies war eine Lustfahrt! Bald waren die Wälder dicht und dunkel, bald waren","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"sie wie der herrlichste Garten voll Sonnenschein und Blumen. Und da lagen","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"große Schlösser von Glas und von Marmor; auf den Altanen standen Prinzessinnen,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"und diese alle waren kleine Mädchen, die Hjalmar gut kannte; er hatte früher","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"mit ihnen gespielt. Eine jede streckte die Hand aus und hielt das niedlichste","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Zuckerherz hin, welches je eine Kuchenfrau verkaufen konnte, und Hjalmar","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"faßte die Hälfte eines Zuckerherzens an, indem er vorüberfuhr; die Prinzessin","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"hielt aber recht fest, und so bekam jeder ein Stück; sie das kleinste, Hjalmar","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"das allergrößte. Bei jedem Schloß standen kleine Prinzen Schildwache; sie","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"schulterten mit Goldsäbeln und ließen es Rosinen und Zinnsoldaten regnen; man","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"sah ihnen an, daß es echte Prinzen waren!","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Bald segelte Hjalmar durch Wälder, bald durch große Säle oder mitten durch","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"eine Stadt. Er kam auch durch die, in welcher seine Kinderfrau wohnte, die ihn","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"getragen hatte, als er noch ein ganz kleiner Knabe war, und die ihm immer so","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"gut gewesen; sie nickte und winkte und sang den niedlichen kleinen Vers, den sie","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"selbst gedichtet und Hjalmar gesendet hatte:","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Ich denke deiner so manches Mal,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Mein teurer Hjalmar, du Lieber!","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Ich gab dir Küsse ja ohne Zahl","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Auf Stirn, Mund und Augenlider.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Ich hörte dich lallen das erste Wort,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Doch mußt' ich dir Abschied sagen.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Es segne der Herr dich an jedem Ort,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Du Engel, den ich getragen!","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Und alle Vögel sangen mit, die Blumen tanzten auf den Stielen, und die alten","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Bäume nickten, gerade als ob Ole Luk-Oie ihnen auch Geschichten erzählte.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Mittwoch","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Nein, wie strömte der Regen draußen hernieder! Hjalmar konnte es im Schlaf","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"hören; und als Ole Luk-Oie ein Fenster öffnete, stand das Wasser herauf bis an","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"das Fensterbrett; es war ein ganzer See da draußen, aber das prächtigste Schiff","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"lag dicht am Hause.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Willst du mitsegeln, kleiner Hjalmar,\" sagte Ole Luk-Oie, \"so kannst du diese","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Nacht nach fremden Ländern gelangen und morgen wieder hier sein!\" Und da stand","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Hjalmar plötzlich in seinen Sonntagskleidern mitten auf dem prächtigen Schiff.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Sogleich wurde das Wetter schön, und sie segelten durch die Straßen, kreuzten","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"um die Kirche, und nun war alles eine große, wilde See. Sie segelten so lange,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"bis kein Land mehr zu erblicken war, doch sahen sie einen Zug Störchen, die","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"kamen aus der Heimat und wollten nach den warmen Ländern; ein Storch flog immer","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"hinter dem andern, und sie waren schon weit, sehr weit geflogen! Einer von ihnen","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"war so ermüdet, daß seine Flügel ihn kaum noch zu tragen vermochten; es war der","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"allerletzte in der Reihe, und bald blieb er ein großes Stück zurück; zuletzt","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"sank er mit ausgebreiteten Flügeln tiefer und tiefer; er machte noch ein paar","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Schlage mit den Schwingen, aber es half nicht; nun berührte er mit seinen Füßen","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"das Tauwerk des Schiffes, nun glitt er vom Segel herab, und plumps! da stand er","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"auf dem Verdeck.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Jetzt nahm ihn der Schiffsjunge und setzt ihn in das Hühnerhaus, zu den Hühnern,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Enten und Truthühnern; der arme Storch stand ganz befangen mitten unter ihnen.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Sieh den Kerl an!\" sagten alle Hühner. Und der kalkuttische Hahn blies sich so","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"dick auf, wie er konnte, und fragte, wer er sein; und die Enten gingen rückwärts","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"und pufften einander: \"Rappel dich! Rappel dich!\" Und der Storch erzählte","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"vom warmen Afrika, von den Pyramiden und vom Strauß, der, einem wilden Pferde","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"gleich, die Wüste durchlaufe; aber die Enten verstanden nicht, was er sagte, und","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"dann pufften sie einander: \"Wir sind doch wohl alle derselben Meinung, nämlich,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"daß er dumm ist?\" - \"Ja, sicher ist er dumm!\" sagte der Truthahn, und dann","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"kollerte er. Da schwieg der Storch ganz still und dachte an sein Afrika.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Das sind ja herrlich dünne Beine, die Ihr habt!\" sagte der Kalkuttaer. \"Was","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"kostet die Elle davon?\" - \"Skrat, skrat, skrat\" grinsten alle Enten, aber der","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Storch tat, als ob er es gar nicht höre.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Ihr könnt ruhig mitlachen,\" sagte der Kalkuttaer zu ihn; \"denn es war sehr","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"witzig gesagt! Oder war es Euch vielleicht zu hoch? Ach, ach! er ist nicht","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"vielseitig! Wir wollen interessant unter uns selbst bleiben!\" Und dann gluckte","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"er, und die Enten schnatterten: \"Gik, gak! Gik, gak!\" Es war erschrecklich, wie","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"sie sich selbst belustigten.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Aber Hjalmar ging nach dem Hühnerhaus, öffnete die Türe, rief den Storch, und","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"der hüpfte zu ihm hinaus auf das Verdeck. Nun hatte er ja ausgeruht, und es war","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"gleichsam, als ob er Hjalmar zunichte, um ihm zu danken. Darauf entfaltete er","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"seine Schwingen und flog nach den warmen Ländern; aber die Hühner gluckten, die","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Enten schnatterten, und der kalkuttische Hahn wurde ganz feuerrot am Kopf.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Morgen werden wir Suppe von euch kochen!\" sagte Hjalmar, und damit erwachte er","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"und lag in seinem kleinen Bett. Es war doch eine sonderbare Reise, die Ole Luk-","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Oie ihn diese Nacht hatte machen lassen.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Donnerstag","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Weißt du was?\" sagte Ole Luk-Oie; \"Werde nur nicht furchtsam! Hier wirst","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"du eine kleine Maus sehen!\" Und dann hielt er ihm seine Hand hin mit dem","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"leichten, niedlichen Tier in derselben. \"Sie ist gekommen, um dich zur Hochzeit","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"einzuladen. Es wollen diese Nacht zwei kleine Mäuse in den Stand der Ehe treten.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Sie wohnen unter deiner Mutter Speisekammerfußboden: das soll eine schöne","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Wohnung sein!\"","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Aber wie kann ich durch das kleine Mauseloch im Fußboden kommen?\" fragte","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Hjalmar. \"Da laß mich nur sorgen!\" sagte Ole Luk-Oie. \"Ich werde dich schon","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"klein machen!\" Und nun berührte er Hjalmar mit seiner Zauberspritze, worauf","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"dieser sogleich kleiner und kleiner wurde; zuletzt war er keinen Finger lang.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Nun kannst du dir die Kleider des Zinnsoldaten leihen; ich denke, wie werden","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"dir passen, und es sieht so gut aus, Uniform zu tragen, wenn man in Gesellschaft","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"ist!.\" - \"Ja freilich!\" sagte Hjalmar, und da war er im Augenblick wie der","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"niedlichste Zinnsoldat gekleidet.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Wollen Sie nicht so gut sein und sich in Ihrer Mutter Fingerhut setzen,\"","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"sagte die kleine Maus; \"dann werde ich die Ehre haben, Sie zu ziehen!\" - \"Gott,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"wollen das Fräulein selbst sich bemühen!\" sagte Hjalmar; und so fuhren sie zur","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Mäusehochzeit.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Zuerst kamen sie unter den Fußboden in einen langen Gang, der gar nicht höher","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"war, als das sie gerade mit dem Fingerhut dort fahren konnten; und der ganze","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Gang war mit faulem Holz ausgelegt.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Riecht es hier nicht herrlich?\" fragte die Maus, die ihn zog. \"Der ganze Gang","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"ist mit Speckschwarten geschmiert worden! Es kann nichts Schöneres geben!\"","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Nun kamen sie in den Brautsaal hinein. Hier standen zur Rechten alle kleinen","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Mäusedamen; und die wisperten und pisperten, als ob sie einander zum besten","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"hätten. Zur Linken standen alle Mäuseherren und strichen sich mit der Pfote","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"den Schnauzbart; mitten in dem Saal aber sah man die Brautleute; die standen in","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"einer ausgehöhlten Käserinde und küßten sich gar erschrecklich viel, denn sie","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"waren ja Verlobte und sollten nun gleich Hochzeit halten.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Es kamen immer mehr und mehr Fremde; die eine Maus war nahe daran, die andere","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"totzutreten, und das Brautpaar hatte sich mitten in die Tür gestellt, so daß","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"man weder hinaus- noch hereingelangen konnte. Die Stube war ebenso wie der Gang","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"mit Speckschwarten eingeschmiert, das war die ganze Bewirtung; aber zum Dessert","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"wurde eine Erbse vorgezeigt, in die eine Maus aus der Familie den Namen des","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Brautpaares eingebissen hatte, daß heißt, den ersten Buchstaben. Das war etwas","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"ganz Außerordentliches! Alle Mäuse sagten, daß es eine schöne Hochzeit und daß","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"die Unterhaltung sehr angenehm gewesen sei.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Hierauf fuhr Hjalmar wieder nach Hause; er war wahrlich in vornehmer","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Gesellschaft gewesen, aber er hatte auch ordentlich zusammenkriechen, sich klein","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"machen und Zinnsoldaten-Uniform anziehen müssen.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Freitag","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Es ist unglaublich, wie viele ältere Leute es gibt, die mich gar zu gern haben","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"möchten!\" sagte Ole Luk-Oie. \"Es sind besonders die, welche etwas Böses verübt","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"haben. 'Guter, kleiner Ole', sagen sie zu mir, 'Wir können die Augen nicht","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"schließen, und so liegen wir die ganze Nacht und sehen alle unsere bösen Taten,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"die wie häßliche kleine Kobolde auf der Bettkante sitzen und uns mit heißem","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Wasser bespritzen; möchtest du doch kommen und sie fortjagen, damit wir einen","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"guten Schlaf bekämen'; und dann seufzen sie so tief; 'wir möchten es wahrlich","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"gern bezahlen; gute Nacht, Ole! das Geld liegt im Fenster!' - Aber ich tue es","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"nicht für Geld,\" sagte Ole Luk-Oie.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Was wollen wir nun diese Nacht vornehmen?\" fragte Hjalmar. \"Ja, ich weiß","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"nicht, ob du diese Nacht wieder Lust hast, zur Hochzeit zu gehen; es ist eine","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"von anderer Art als die gestrige. Deiner Schwester große Puppe, die, welche","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"wie ein Mann aussieht und Hermann genannt wird, will sich mit der Puppe Bertha","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"verheiraten. Es ist obendrein der Puppe Geburtstag, und deshalb werden sie sehr","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"viele Geschenke bekommen!\"","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Ja, das kenne ich schon!\" sagte Hjalmar. \"Immer wenn die Puppen neue Kleider","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"brauchen, dann läßt meine Schwester sie ihren Geburtstag feiern oder Hochzeit","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"halten; das ist sicher schon hundertmal geschehen!\"","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Ja, aber in dieser Nacht ist es die hundertunderste Hochzeit, und wenn","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"hundertundeins aus ist, dann hört alles auf! Deshalb wird auch diese ganz","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"beispiellos schön. Sieh nur einmal!\"","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Und Hjalmar sah auf den Tisch. Da stand das kleine Papphaus mit Licht in","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"den Fenstern, und draußen vor demselben präsentierten alle Zinnsoldaten das","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Gewehr. Das Brautpaar saß ganz gedankenvoll, wozu es wohl Ursache hatte, auf","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"dem Fußboden und lehnte sich gegen das Tischbein. Aber Ole Luk-Oie, in der","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Großmutter schwarzen Rock gekleidet, traute sie. Als die Trauung vorbei war,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"stimmten alle Möbel in der Stube folgenden schönen Gesang an, welcher von dem","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Bleistift geschrieben war; er ging nach der Melodie des Zapfenstreiches:","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Das Lied ertöne wie der Wind;","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Dem Brautpaar Hoch! das sich verbind't;","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Sie sprangen beide steif und blind,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Da sie von Handschuhleder sind!","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":":;: Hurra, Hurra! ob taub und blind,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Wir singen es in Wetter und Wind!:;:","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Und nun bekamen sie Geschenke, aber sie hatten sich alle Speisewaren verbeten,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"denn sie hatten an ihrer Liebe genug.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Wollen wir nun eine Sommerwohnung beziehen oder auf Reisen gehen?\" fragte der","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Bräutigam. Und da wurde die Schwalbe, die so viel gereist war, und die alte","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Hofhenne, welche fünfmal Küchlein ausgebrütet hatte, zu Rate gezogen. Und die","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Schwalbe erzählte von den herrlichen warmen Ländern, wo die Weintrauben so groß","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"und schwer hingen, wo die Luft so mild sei und die Berge Farbe hätten, wie man","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"sie hier gar nicht an denselben kenne!","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Sie haben aber nicht unseren Braunkohl!\" sagte die Henne. \"Ich war einen Sommer","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"lang mit allen meinen Küchlein auf dem Lande; da war eine Sandgrube, in der wir","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"umhergehen und kratzen konnten; und dann hatten wir Zutritt zu einem Garten mit","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Braunkohl! O wie war der herrlich! Ich kann mir nichts Schöneres denken.\"","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Aber der eine Kohlstrunk sieht gerade so aus wie der andere,\" sagte die","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Schwalbe; \"und dann ist hier so oft schlechtes Wetter!\" - \"Ja, daran ist man","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"gewöhnt!\" sagte die Henne. \"Aber hier ist es kalt, und es friert!\"","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Das ist gut für den Kohl!\" sagte die Henne. \"Übrigens können wir es auch warm","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"haben! Hatten wir nicht vor vier Jahren einen Sommer, der fünf Wochen lang","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"währte? Es war so heiß, man konnte nicht atmen! Und dann haben wir nicht alle","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"die giftigen Tiere, die sie dort haben! Und wir sind von Räubern frei! Der ist","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"ein Bösewicht, der nicht findet, daß unser Land das schönste ist! Er verdient","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"wahrlich nicht, hier zu sein!\" Und dann weite die Henne und fuhr fort: \"Ich bin","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"auch gereist! Ich bin in einer Bütte über zwölf Meilen gefahren! Es ist durchaus","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"kein Vergnügen beim Reisen!\"","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Ja, die Henne ist eine vernünftige Frau!\" sagte die Puppe Bertha. \"Ich halte","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"auch nichts davon, Berge zu bereisen, denn das geht nur hinauf und dann wieder","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"herunter! Nein, wir wollen hinaus vors Tor in die Sandgrube ziehen und im","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Kohlgarten umherspazieren!\" Und dabei blieb es.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Sonnabend","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Bekomme ich nun Geschichten zu hören?\" fragte der kleine Hjalmar, sobald Ole","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Luk-Oie ihn in den Schlag gebracht hatte. \"Diesen Abend haben wir keine Zeit","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"dazu,\" sagte Ole Luk-Oie und spannte seinen schönsten Regenschirm über ihm","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"auf. \"Betrachte nun diese Chinesen!\" Und der ganze Regenschirm sah aus wie eine","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"große chinesische Schale mit blauen Bäumen und spitzen Brücken und mit kleinen","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Chinesen darauf, die dastanden und mit dem Kopf nickten. \"Wir müssen die ganze","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Welt bis morgen schön aufgeputzt haben,\" sagte Ole Luk-Oie; \"es ist ja dann ein","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Feiertag, es ist Sonntag. Ich will zu den Kirchtürmen hin, um zu sehen, ob die","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"kleinen Kirchenkobolde die Glocken polieren, damit sie hübsch klingen! Ich will","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"hinaus auf das Feld und sehen, ob die Winde den Straub von Gras und Blättern","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"blasen; und was die größte Arbeit ist, ich will alle Sterne herunterholen,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"um sie zu polieren. Ich nehme sie in meine Schürze; aber erst muß ein jeder","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"numeriert werden, damit sie wieder auf den rechten Fleck kommen können, sonst","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"würden sie nicht festsitzen, und wir bekämen zu viele Sternschnuppen, indem der","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"eine nach dem andern herunterpurzeln würde!\"","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Hören Sie, wissen Sie was, Herr Luk-Oie!\" sagte ein altes Portrait, welches","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"an der Wand hing, wo Hjalmar schlief; \"ich bin Hjalmars Urgroßvater; ich danke","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Ihnen, daß Sie dem Knaben Geschichten erzählen, aber Sie müssen seine Begriffe","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"nicht verwirren. Die Sterne können nicht herunterkommen und poliert werden: Die","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Sterne sind Weltkugeln, ebenso wie unsere Erde, und das ist gerade das Gute an","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Ihnen.\"","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Ich danke dir, du alter Urgroßvater,\" sagte Ole Luk-Oie; \"ich danke dir! Du","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"bist ja das Haupt der Familie; du bist das Urhaupt: aber ich bin doch älter als","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"du! Ich bin ein alter Heide; Römer und Griechen nannten mich den Traumgott! Ich","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"bin in die vornehmsten Häuser gekommen und komme noch dahin! Ich weiß sowohl mit","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Geringen wie mit Großen umzugehen! Nun kannst du erzählen!\" Und da ging Ole Luk-","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Oie und nahm seinen Regenschirm mit.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Nun! Nun! Man darf wohl gar seine Meinung nicht mehr sagen!\" brummte das alte","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Portrait. Und da erwachte Hjalmar.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Sonntag","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Guten Abend!\" sagte Ole Luk-Oie, und Hjalmar nickte und sprang dann hin und","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"kehrte das Portrait des Urgroßvaters gegen die Wand um, damit es nicht wie","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"gestern mit hineinreden könne.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Nun mußt du mir Geschichten erzählen: von den fünf grünen Erbsen, die in einer","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Schote wohnten, und von dem Hahnenfuß, der dem Hühnerfuß den Hof machte, und von","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"der Stopfnadel, die so vornehm tat, daß sie sich einbildete, eine Nähnadel zu","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"sein!\"","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Man kann auch des Guten zuviel bekommen!\" sagte Ole Luk-Oie. \"Du weißt doch","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"wohl, daß ich dir am liebsten etwas zeige! Ich will dir meinen Bruder zeigen. Er","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"heißt auch Ole Luk-Oie; aber er kommt zu keinem öfter als einmal, und zu wem er","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"kommt, den nimmt er mit auf seinem Pferd und erzählt ihm Geschichten. Er kennt","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"nur zwei; die eine ist so außerordentlich schön, daß niemand in der Welt sie","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"sich denken kann, und die andere ist so häßlich und gräßlich, daß sie gar nicht","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"zu beschreiben ist!\" Und dann hob Ole Luk-Oie den kleine Hjalmar zum Fenster","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"hinaus und sagte: \"Da wirst du meinen Bruder sehen, den anderen Ole Luk-Oie! Sie","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"nennen ihn auch den Tod! Siehst du, er sieht gar nicht so schlimm aus wie in den","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Bilderbüchern, wo er nur ein Knochengerippe ist! Nein, das ist Silberstickerei,","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"die er auf dem Kleide hat; das ist die schönste Husaren-Uniform; ein Mantel von","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"schwarzem Samt fliegt hinter ihm über das Pferd! Sie, wie er im Galopp reitet.\"","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Und Hjalmar sah, wie dieser Ole Luk-Oie davonritt und sowohl junge wie alte","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Leute auf sein Pferd nahm. Einige setzte er vorne, andere hinten auf, aber","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"immer fragte er erst: \"Wie steht es mit dem Zeugnisbuch?\" - \"Gut!\" sagten sie","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"allesamt. \"Ja, laßt mich selbst sehen!\" sagte er; und dann mußten sie ihm das","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Buch zeigen, und alle, die \"Sehr gut\" und \"Ausgezeichnet gut\" hatten, kamen","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"vorne auf das Pferd und bekamen die herrliche Geschichte, die aber, welche","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Ziemlich gut\" und \"Mittelmäßig\" hatten, mußten hintan auf und bekamen die","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"gräßliche Geschichte zu hören; sie zitterten und weinten sie wollten vom Pferde","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"springen, konnten es aber nicht, denn sie waren sogleich daran festgewachsen.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"\"Aber der Tod ist ja der prächtigste Ole Luk-Oie!\" sagte Hjalmar. \"Vor ihm ist","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"mir nicht bange!\" - \"Das soll dir auch nicht sein!\" sagte Ole Luk-Oie. \"Sieh nur","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"zu, daß du ein gutes Zeugnisbuch hast!\" - \"Ja, das ist lehrreich!\" murmelte des","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Urgroßvaters Portrait. \"Es hilft doch, wenn man seine Meinung sagt!\" Und nun gab","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"er sich zufrieden.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Sieh, das ist die Geschichte von Ole Luk-Oie; nun mag er dir selber heute abend","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"mehr erzählen.","book":"Ole Luk-Oie"} {"text":"Es war einmal ein armer Prinz; er hatte nur ein ganz kleines Königreich; aber es","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"war immer groß genug, um sich darauf zu verheiraten, und verheiraten wollte er","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"sich.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Nun war es freilich etwas keck von ihm, daß er zur Tochter des Kaisers zu sagen","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"wagte: \"Willst du mich haben?\" Aber er wagte es doch, denn sein Name war weit","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"und breit berühmt; es gab hundert Prinzessinnen, die gerne ja gesagt hätten;","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"aber ob sie es tat? Nun, wir wollen hören.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Auf dem Grabe des Vaters des Prinzen wuchs ein Rosenstrauch, ein herrlicher","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Rosenstrauch; der blühte nur jedes fünfte Jahr und trug dann auch nur die","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"einzige Blume; aber das war eine Rose, die duftete so süß, daß man alle seine","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Sorgen und seinen Kummer vergaß, wenn man daran roch. Der Prinz hatte auch","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"eine Nachtigall, die konnte singen, als ob alle schönen Melodien in ihrer Kehle","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"säßen. Diese Rose und die Nachtigall sollte die Prinzessin haben, und deshalb","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"wurden sie beide in große silberne Behälter gesetzt und ihr zugesandt.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Der Kaiser ließ sie vor sich her in den großen Saal tragen, wo die Prinzessin","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"war und mit ihren Hofdamen \"Es kommt Besuch\" spielte. Als sie die großen","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Behälter mit den Geschenken erblickte, klatschte sie vor Freude in die","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Hände. \"Wenn es doch eine kleine Miezekatze wäre!\" sagte sie, aber da kam der","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Rosenstrauch mit der herrlichen Rose hervor.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Wie niedlich sie gemacht ist!\" sagten alle Hofdamen.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Sie ist mehr als niedlich,\" sagte der Kaiser, \"sie ist schön!\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Aber die Prinzessin befühlte sie, und da war sie nahe daran, zu weinen.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Pfui, Papa!\" sagte sie, \"sie ist nicht künstlich, sie ist natürlich!\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Pfui,\" sagten alle Hofdamen, \"sie ist natürlich!\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Laßt uns nun erst sehen, was in dem andern Behälter ist, ehe wir böse werden!\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"meinte der Kaiser, und da kam die Nachtigall heraus, die so schön sang, daß man","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"nicht gleich etwas Böses gegen sie vorbringen konnte.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Superbe! Charmant!\" sagten die Hofdamen; denn sie plauderten alle französisch,","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"eine immer ärger als die andere.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Wie der Vogel mich an die Spieldose der seligen Kaiserin erinnert!\" sagte ein","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"alter Kavalier; \"ach ja, das ist derselbe Ton, derselbe Vortrag!\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Ja!\" sagte der Kaiser, und dann weinte er wie ein kleines Kind.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Es wird doch hoffentlich kein natürlicher sein?\" sagte die Prinzessin.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Ja, es ist ein natürlicher Vogel!\" sagten die Boten, die ihn gebracht hatten.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"So laßt den Vogel fliegen,\" sagte die Prinzessin, und sie wollte nicht","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"gestatten, daß der Prinz käme.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Aber dieser ließ sich nicht einschüchtern. Er bemalte sich das Antlitz mit Braun","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"und Schwarz, drückte die Mütze tief über den Kopf und klopfte an.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Guten Tag, Kaiser!\" sagte er. \"Könnte ich nicht hier auf dem Schlosse einen","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Dienst bekommen?\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Jawohl!\" sagte der Kaiser. \"Ich brauche jemand, der die Schweine hüten kann,","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"denn deren haben wir viele.\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"So wurde der Prinz angestellt als kaiserlicher Schweinehirt. Er bekam eine","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"jämmerlich kleine Kammer unten bei den Schweinen, und da mußte er bleiben;","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"aber den ganzen Tag saß er und arbeitete, und als es Abend war, hatte er einen","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"niedlichen, kleinen Topf gemacht. Rings um ihn waren Schellen, und sobald der","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Topf kochte, klingelten sie und spielten die schöne Melodie:","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Ach, du lieber Augustin,","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Alles ist hin, hin, hin!\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Aber das Allerkünstlichste war, daß, wenn man den Finger in den Dampf des Topfes","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"hielt, man sogleich riechen konnte, welche Speisen auf jedem Feuerherd in der","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Stadt zubereitet wurden. Das war wahrlich etwas ganz anderes als die Rose!","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Nun kam die Prinzessin mit allen ihren Hofdamen daherspaziert, und als sie die","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Melodie hörte, blieb sie stehen und sah ganz erfreut aus, denn sie konnte auch","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Ach, du lieber Augustin\" spielen. Das war das einzige, was sie konnte, aber das","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"spielte sie mit einem Finger.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Das ist ja das, was ich kann!\" sagte sie. \"Dann muß es ein gebildeter","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Schweinehirt sein! Höre, gehe hinunter und frage ihn, was das Instrument","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"kostet!\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Da mußte eine der Hofdamen hineingehen.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Aber sie zog Holzpantoffeln an.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Was willst du für den Topf haben?\" fragte die Hofdame.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Zehn Küsse von der Prinzessin!\" sagte der Schweinehirt.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Gott bewahre uns!\" sagte die Hofdame.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Ja, anders tue ich es nicht!\" anwortete der Schweinehirt.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Er ist unartig!\" sagte die Prinzessin, und dann ging sie; aber als sie ein","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"kleines Stück gegangen war, erklangen die Schellen so lieblich:","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Ach, du lieber Augustin,","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Alles ist hin, hin, hin!\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Höre,\" sagte die Prinzessin, \"frage ihn, ob er zehn Küsse von meinen Hofdamen","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"will!\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Ich danke schön,\" sagte der Schweinehirt; \"zehn Küsse von der Prinzessin, oder","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"ich behalte meinen Topf.\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Was ist das doch für eine langweilige Geschichte!\" sagte die Prinzessin. \"Aber","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"dann müßt ihr vor mir stehen, damit es niemand sieht!\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Die Hofdamen stellten sich davor und breiteten ihre Kleider aus, und da bekam","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"der Schweinehirt zehn Küsse, und sie erhielt den Topf.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Nun, das war eine Freude! Den ganzen Abend und den ganzen Tag mußte der Topf","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"kochen; es gab nicht einen Feuerherd in der ganzen Stadt, von dem sie nicht","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"wußten, was darauf gekocht wurde, sowohl beim Kammerherrn wie beim Schuhflicker.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Die Hofdamen tanzten und klatschten in die Hände.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Wir wissen, wer süße Suppe und Eierkuchen essen wird, wir wissen, wer Grütze","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"und Braten bekommt! Wie schön ist doch das!\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Ja, aber haltet reinen Mund, denn ich bin des Kaisers Tochter!\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Jawohl, jawohl!\" sagten alle.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Der Schweinehirt, das heißt der Prinz – aber sie wußten es ja nicht anders,","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"als daß er ein wirklicher Schweinehirt sei –, ließ die Tage nicht verstreichen,","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"ohne etwas zu tun, und da machte er eine Knarre. Wenn man diese herumschwang,","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"erklangen alle die Walzer und Hopser, die man von Erschaffung der Welt an","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"kannte.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"'Ach, das ist superbe', sagte die Prinzessin, indem sie vorbeiging. \"Ich","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"habe nie eine schönere Musik gehört! Höre, gehe hinein und frage ihn, was das","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Instrument kostet, aber ich küsse nicht wieder!\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Er will hundert Küsse von der Prinzessin haben!\" sagte die Hofdame, die","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"hineingegangen war, um zu fragen.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Ich glaube, er ist verrückt!\" sagte die Prinzessin, und dann ging sie; aber","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"als sie ein kleines Stück gegangen war, blieb sie stehen. \"Man muß die Kunst","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"aufmuntern,\" sagte sie; \"ich bin des Kaisers Tochter! Sage ihm, er soll wie","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"neulich zehn Küsse haben; den Rest kann er von meinen Hofdamen nehmen!\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Ach, aber wir tun es ungern!\" sagten die Hofdamen.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Das ist Geschwätz,\" sagte die Prinzessin, \"wenn ich ihn küssen kann, dann","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"könnt ihr es auch; bedenkt, ich gebe euch Kost und Lohn!\" Da mußten die Hofdamen","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"wieder zu ihm hineingehen.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Hundert Küsse von der Prinzessin,\" sagte er, \"oder jeder behält das Seine!\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Stellt euch davor!\" sagte sie dann, und da stellten sich alle Hofdamen davor,","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"und nun küßte er.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Was mag das wohl für ein Auflauf beim Schweinestall sein?\" fragte der Kaiser,","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"der auf den Balkon hinausgetreten war. Er rieb sich die Augen und setzte die","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Brille auf. \"Das sind ja die Hofdamen, die da ihr Wesen treiben; ich werde wohl","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"zu ihnen hinuntergehen müssen!\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Potztausend, wie er sich sputete!","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Sobald er in den Hof hinunterkam, ging er ganz leise, und die Hofdamen hatten so","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"viel damit zu tun, die Küsse zu zählen, damit es ehrlich zugehen möge, daß sie","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"den Kaiser gar nicht bemerkten. Er erhob sich hoch auf den Zehen.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Was ist das?\" sagte er, als er sah, daß sie sich küßten; und dann schlug er","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"seine Tochter mit einem Pantoffel auf den Kopf, gerade als der Schweinehirt den","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"sechsundachtzigsten Kuß erhielt.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Fort mit euch!\" sagte der Kaiser, denn er war böse, und sowohl die Prinzessin","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"wie der Schweinehirt mußten sein Kaiserreich verlassen.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Da stand sie nun und weinte, der Schweinehirt schalt, und der Regen strömte","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"hernieder.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Ach, ich elendes Geschöpf,\" sagte die Prinzessin, \"hätte ich doch den schönen","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Prinzen genommen! Ach, wie unglücklich bin ich!\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Der Schweinehirt aber ging hinter einen Baum, wischte sich das Schwarze und","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Braune aus seinem Antlitz, warf die schlechten Kleider von sich und trat nun in","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"seiner Prinzentracht hervor, so schön, daß die Prinzessin sich verneigen mußte.","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Ich bin dahin gekommen, dich zu verachten!\" sagte er. \"Du wolltest keinen","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"ehrlichen Prinzen haben! Du verstandest dich nicht auf die Rose und die","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Nachtigall, aber den Schweinehirten konntest du für eine Spielerei küssen. Das","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"hast du nun dafür!\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Und dann ging er in sein Königreich hinein; da konnte sie draußen ihr Lied","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"singen:","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"\"Ach, du lieber Augustin,","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Alles ist hin, hin, hin!\"","book":"Der Schweinehirt"} {"text":"Häufig, wenn man nach einem Gewitter an einem Acker vorübergeht, auf dem","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Buchweizen wächst, sieht man, daß er ganz schwarz geworden und abgesengt ist;","book":"Der Buchweizen"} {"text":"es ist gerade, als ob eine Feuerflamme über ihn hingefahren wäre, und der","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Landmann sagt dann: \"Das hat er vom Blitze bekommen!\" Aber warum bekam er das?","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Ich will erzählen, was der Sperling mir gesagt hat, und der Sperling hat es von","book":"Der Buchweizen"} {"text":"einem alten Weidenbaume gehört, der bei einem Buchweizenfelde steht. Es ist ein","book":"Der Buchweizen"} {"text":"ehrwürdiger, großer Weidenbaum, aber verkrüppelt und alt, er ist in der Mitte","book":"Der Buchweizen"} {"text":"geborsten, und es wachsen Gras und Brombeerranken aus der Spalte hervor; der","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Baum neigt sich vornüber, und die Zweige hängen ganz auf die Erde hinunter,","book":"Der Buchweizen"} {"text":"gerade als ob sie langes, grünes Haar wären.","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Auf allen Feldern ringsumher wuchsen Korn, Roggen, Gerste und Hafer, ja der","book":"Der Buchweizen"} {"text":"herrliche Hafer, der, wenn er reif ist, gerade wie eine Menge kleiner, gelber","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Kanarienvögel an einem Zweige aussieht. Das Korn stand gesegnet, und je schwerer","book":"Der Buchweizen"} {"text":"es war, desto tiefer neigte es sich in frommer Demut.","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Aber da war auch ein Feld mit Buchweizen, und dieses Feld war dem alten","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Weidenbaume gerade gegenüber. Der Buchweizen neigte sich durchaus nicht wie das","book":"Der Buchweizen"} {"text":"übrige Korn, sondern prangte stolz und steif.","book":"Der Buchweizen"} {"text":"\"Ich bin wohl so reich wie die Ähre,\" sagte er; \"überdies bin ich weit hübscher;","book":"Der Buchweizen"} {"text":"meine Blumen sind schön wie die Blüten des Apfelbaumes; es ist eine Freude, auf","book":"Der Buchweizen"} {"text":"mich und die Meinigen zu blicken! Kennst du etwas Prächtigeres als uns, du alter","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Weidenbaum?\"","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Der Weidenbaum nickte mit dem Kopfe, gerade als ob er damit sagen wollte: \"Ja,","book":"Der Buchweizen"} {"text":"freilich!\" Aber der Buchweizen spreizte sich aus lauter Hochmut und sagte: \"Der","book":"Der Buchweizen"} {"text":"dumme Baum, er ist so alt, daß ihm Gras im Leibe wächst!\"","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Nun zog ein schrecklich böses Gewitter auf; alle Feldblumen falteten ihre","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Blätter zusammen oder neigten ihre kleinen Köpfe herab, während der Sturm über","book":"Der Buchweizen"} {"text":"sie dahinfuhr. Aber der Buchweizen prangte in seinem Stolze.","book":"Der Buchweizen"} {"text":"\"Neige dein Haupt wie wir!\" sagten die Blumen.","book":"Der Buchweizen"} {"text":"\"Das ist durchaus nicht nötig,\" erwiderte der Buchweizen.","book":"Der Buchweizen"} {"text":"\"Senke dein Haupt wie wir!\" rief das Korn. \"Nun kommt der Engel des Sturmes","book":"Der Buchweizen"} {"text":"geflogen! Er hat Schwingen, die oben von den Wolken bis gerade herunter zur Erde","book":"Der Buchweizen"} {"text":"reichen, und er schlägt dich mittendurch, bevor du bitten kannst, er möge dir","book":"Der Buchweizen"} {"text":"gnädig sein!\"","book":"Der Buchweizen"} {"text":"\"Aber ich will mich nicht beugen!\" sagte der Buchweizen.","book":"Der Buchweizen"} {"text":"\"Schließe deine Blumen und neige deine Blätter!\" sagte der alte Weidenbaum.","book":"Der Buchweizen"} {"text":"\"Sieh nicht zum Blitze empor, wenn die Wolke birst; selbst die Menschen dürfen","book":"Der Buchweizen"} {"text":"das nicht, denn im Blitze kann man in Gottes Himmel hineinsehen; aber dieser","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Anblick kann selbst die Menschen blenden. Was würde erst uns, den Gewächsen der","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Erde, geschehen, wenn wir es wagten, wir, die doch weit geringer sind!\"","book":"Der Buchweizen"} {"text":"\"Weit geringer?\" sagte der Buchweizen. \"Nun will ich gerade in Gottes Himmel","book":"Der Buchweizen"} {"text":"hineinsehen!\" Und er tat es in seinem Übermut und Stolz. Es war, als ob die","book":"Der Buchweizen"} {"text":"ganze Welt in Flammen stände, so blitzte es.","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Als das böse Wetter vorbei war, standen die Blumen und das Korn in der stillen,","book":"Der Buchweizen"} {"text":"reinen Luft erfrischt vom Regen, aber der Buchweizen war vom Blitz kohlschwarz","book":"Der Buchweizen"} {"text":"gebrannt; er war nun ein totes Unkraut auf dem Felde.","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Der alte Weidenbaum bewegte seine Zweige im Winde, und es fielen große","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Wassertropfen von den grünen Blättern, gerade als ob der Baum weine, und die","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Sperlinge fragten: \"Weshalb weinst du? Hier ist es ja so gesegnet! Sieh, wie die","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Sonne scheint, sieh, wie die Wolken ziehen! Kannst du den Duft von Blumen und","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Büschen bemerken: Warum weinst du, alter Weidenbaum?\"","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Und der Weidenbaum erzählte vom Stolze des Buchweizens, von seinem Übermute und","book":"Der Buchweizen"} {"text":"der Strafe, die immer darauf folgt. Ich, der die Geschichte erzähle, habe sie","book":"Der Buchweizen"} {"text":"von den Sperlingen gehört.","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Sie erzählten sie mir eines Abends, als ich sie um ein Märchen bat.","book":"Der Buchweizen"} {"text":"Jedesmal, wenn ein gutes Kind stirbt, kommt ein Engel Gottes zur Erde hernieder,","book":"Der Engel"} {"text":"nimmt das tote Kind auf seine Arme, breitet die großen, weißen Flügel aus und","book":"Der Engel"} {"text":"pflückt eine ganze Handvoll Blumen, die er zu Gott hinaufbringt, damit sie dort","book":"Der Engel"} {"text":"noch schöner als auf der Erde blühen. Gott drückt sie dort an sein Herz, aber","book":"Der Engel"} {"text":"der Blume, die ihm die liebste ist, gibt er einen Kuß, und dann bekommt sie","book":"Der Engel"} {"text":"Stimme und kann in der großen Glückseligkeit mitsingen.","book":"Der Engel"} {"text":"Sieh, alles dieses erzählte ein Engel Gottes, während er ein totes Kind zum","book":"Der Engel"} {"text":"Himmel forttrug, und das Kind hörte wie im Traume; sie flogen über die Stätten","book":"Der Engel"} {"text":"in der Heimat, wo das Kleine gespielt hatte, und kamen durch Gärten mit","book":"Der Engel"} {"text":"herrlichen Blumen.","book":"Der Engel"} {"text":"\"Welche wollen wir nun mitnehmen und in den Himmel pflanzen?\" fragte der Engel.","book":"Der Engel"} {"text":"Da stand ein schlanker, herrlicher Rosenstock, aber eine böse Hand hatte den","book":"Der Engel"} {"text":"Stamm abgebrochen, so daß alle Zweige, voll von großen, halb aufgebrochenen","book":"Der Engel"} {"text":"Knospen, vertrocknet rundherum hingen.","book":"Der Engel"} {"text":"\"Der arme Rosenstock!\" sagte das Kind. \"Nimm ihn, damit er oben bei Gott zum","book":"Der Engel"} {"text":"Blühen kommen kann!\"","book":"Der Engel"} {"text":"Und der Engel nahm ihn, küßte das Kind dafür, und das Kleine öffnete seine Augen","book":"Der Engel"} {"text":"zur Hälfte. Sie pflückten von den reichen Prachtblumen, nahmen aber auch die","book":"Der Engel"} {"text":"verachtete Butterblume und das wilde Stiefmütterchen.","book":"Der Engel"} {"text":"\"Nun haben wir Blumen!\" sagte das Kind, und der Engel nickte, aber er flog noch","book":"Der Engel"} {"text":"nicht zu Gott empor. Es war Nacht und ganz still; sie blieben in der großen","book":"Der Engel"} {"text":"Stadt und schwebten in einer der schmalen Gassen umher, wo Haufen Stroh und","book":"Der Engel"} {"text":"Asche lagen; es war Umzug gewesen. Da lagen Scherben von Tellern, Gipsstücke,","book":"Der Engel"} {"text":"Lumpen und alte Hutköpfe, was alles nicht gut aussah.","book":"Der Engel"} {"text":"Der Engel zeigte in allen diesen Wirrwarr hinunter auf einige Scherben eines","book":"Der Engel"} {"text":"Blumentopfes und auf einen Klumpen Erde, der da herausgefallen war. Von den","book":"Der Engel"} {"text":"Wurzeln einer großen vertrockneten Feldblume, die nichts taugte und die man","book":"Der Engel"} {"text":"deshalb auf die Gasse geworfen hatte, wurde er zusammengehalten.","book":"Der Engel"} {"text":"\"Diese nehmen wir mit!\" sagte der Engel. \"Ich werde dir erzählen, während wir","book":"Der Engel"} {"text":"fliegen!\"","book":"Der Engel"} {"text":"Sie flogen, und der Engel erzählte:","book":"Der Engel"} {"text":"\"Dort unten in der schmalen Gasse, in dem niedrigen Keller, wohnte ein armer,","book":"Der Engel"} {"text":"kranker Knabe. Von seiner Geburt an war er immer bettlägerig gewesen; wenn","book":"Der Engel"} {"text":"es ihm am besten ging, konnte er auf Krücken die kleine Stube ein paarmal","book":"Der Engel"} {"text":"auf und nieder gehen, das war alles. An einigen Tagen im Sommer fielen die","book":"Der Engel"} {"text":"Sonnenstrahlen während einer halben Stunde bis in den Keller hinab, und","book":"Der Engel"} {"text":"wenn der Knabe dasaß und sich von der warmen Sonne bescheinen ließ und das","book":"Der Engel"} {"text":"rote Blut durch seine feinen Finger sah, die er vor das Gesicht hielt, dann","book":"Der Engel"} {"text":"hieß es: 'Heute ist er aus gewesen!' Er kannte den Wald in seinem herrlichen","book":"Der Engel"} {"text":"Frühjahrsgrün nur dadurch, daß ihm des Nachbars Sohn den ersten Buchenzweig","book":"Der Engel"} {"text":"brachte, den hielt er über seinem Haupte und träumte dann unter Buchen zu sein,","book":"Der Engel"} {"text":"wo die Sonne scheint und die Vögel singen. An einem Frühlingstage brachte ihm","book":"Der Engel"} {"text":"des Nachbars Knabe auch Feldblumen, und unter diesen war zufällig eine Wurzel,","book":"Der Engel"} {"text":"deshalb wurde sie in einen Blumentopf gepflanzt und am Bette neben das Fenster","book":"Der Engel"} {"text":"gestellt. Die Blume war mit einer glücklichen Hand gepflanzt, sie wuchs, trieb","book":"Der Engel"} {"text":"neue Zweige und trug jedes Jahr ihre Blumen; sie wurde des kranken Knaben","book":"Der Engel"} {"text":"herrlichster Blumengarten, sein kleiner Schatz hier auf Erden; er begoß und","book":"Der Engel"} {"text":"pflegte sie und sorgte dafür, daß sie jeden Sonnenstrahl, bis zum letzten, der","book":"Der Engel"} {"text":"durch das niedrige Fenster hinunterglitt, erhielt; die Blume selbst verwuchs","book":"Der Engel"} {"text":"mit seinen Tränen, denn für ihn blühte sie, verbreitete sie ihren Duft und","book":"Der Engel"} {"text":"erfreute das Auge; gegen sie wendete er sich im Tode, da der Herr ihn rief. Ein","book":"Der Engel"} {"text":"Jahr ist er nun bei Gott gewesen, ein Jahr hat die Blume vergessen im Fenster","book":"Der Engel"} {"text":"gestanden und ist verdorrt und wurde deshalb beim Umziehen hinaus auf die Straße","book":"Der Engel"} {"text":"geworfen. Und dies ist die Blume, die vertrocknete Blume, die wir mit in unsern","book":"Der Engel"} {"text":"Blumenstrauß genommen haben, denn diese Blume hat mehr erfreut als die reichste","book":"Der Engel"} {"text":"Blume im Garten einer Königin!\"","book":"Der Engel"} {"text":"\"Aber woher weißt du das alles?\" fragte das Kind, das der Engel gen Himmel trug.","book":"Der Engel"} {"text":"\"Ich weiß es,\" sagte der Engel, \"denn ich war selbst der kleine, kranke Knabe,","book":"Der Engel"} {"text":"der auf Krücken ging; meine Blume kenne ich wohl!\"","book":"Der Engel"} {"text":"Das Kind öffnete seine Augen ganz und sah in des Engels herrliches, frohes","book":"Der Engel"} {"text":"Antlitz hinein, und im selben Augenblick befanden sie sich in Gottes Himmel,","book":"Der Engel"} {"text":"wo Freude und Glückseligkeit waren. Gott drückte das tote Kind an sein Herz,","book":"Der Engel"} {"text":"und da bekam es Schwingen wie der andere Engel und flog Hand in Hand mit ihm.","book":"Der Engel"} {"text":"Gott drückte alle Blumen an sein Herz, aber die arme verdorrte Feldblume küßte","book":"Der Engel"} {"text":"er, und sie erhielt Stimme und sang mit allen Engeln, welche Gott umschwebten,","book":"Der Engel"} {"text":"einige ganz nahe, andere um diese herum in großen Kreisen und immer weiter fort","book":"Der Engel"} {"text":"in das Unendliche, aber alle gleich glücklich. Und alle sangen sie, klein und","book":"Der Engel"} {"text":"groß, samt dem guten, gesegneten Kinde und der armen Feldblume, die verdorrt","book":"Der Engel"} {"text":"dagelegen hatte, hingeworfen in den Kehricht des Umziehtages, in der schmalen,","book":"Der Engel"} {"text":"dunklen Gasse.","book":"Der Engel"} {"text":"In China, weißt du ja wohl, ist der Kaiser ein Chinese, und alle, die er um","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"sich hat, sind Chinesen. Es sind nun viele Jahre her, aber gerade deshalb ist","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"es wert, die Geschichte zu hören, ehe sie vergessen wird. Des Kaisers Schloß war","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"das prächtigste der Welt, ganz und gar von feinem Porzellan, so kostbar, aber","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"so spröde, so mißlich daran zu rühren, daß man sich ordentlich in acht nehmen","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"mußte. Im Garten sah man die wunderbarsten Blumen, und an die allerprächtigsten","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"waren Silberglocken gebunden, die erklangen, damit man nicht vorbeigehen","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"möchte, ohne die Blumen zu bemerken. Ja, alles war in des Kaisers Garten fein","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"ausgedacht, und er erstreckte sich so weit, daß der Gärtner selbst das Ende","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"nicht kannte; ging man immer weiter, so kam man in den herrlichsten Wald mit","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"hohen Bäumen und tiefen Seen. Der Wald ging gerade hinunter bis zum Meere,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"das blau und tief war. Große Schiffe konnten unter den Zweigen hinsegeln, und","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"in diesen wohnte eine Nachtigall, die so herrlich sang, daß selbst der arme","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Fischer, der soviel anderes zu tun hatte, stillhielt und horchte, wenn er nachts","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"ausgefahren war, um das Fischnetz aufzuziehen. \"Ach Gott, wie ist das schön!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"sagte er, aber dann mußte er auf sein Netz achtgeben und vergaß den Vogel; doch","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"wenn dieser in der nächsten Nacht wieder sang und der Fischer dorthin kam, sagte","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"er wieder: \"Ach Gott, wie ist das doch schön!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Von allen Ländern kamen Reisende nach der Stadt des Kaisers und bewunderten sie,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"das Schloß und den Garten; doch wenn sie die Nachtigall zu hören bekamen, sagten","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"sie alle: \"Das ist doch das Beste!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Die Reisenden erzählten davon, wenn sie nach Hause kamen, und die Gelehrten","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"schrieben viele Bücher über die Stadt, das Schloß und den Garten, aber die","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Nachtigall vergaßen sie nicht, sie wurde am höchsten gestellt, und die, welche","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"dichten konnten, schrieben die herrlichsten Gedichte über die Nachtigall im","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Walde bei dem tiefen See.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Die Bücher durchliefen die Welt, und einige kamen dann auch einmal zum Kaiser.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Er saß in seinem goldenen Stuhl, las und las, jeden Augenblick nickte er mit","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"dem Kopfe, denn er freute sich über die prächtigen Beschreibungen der Stadt, des","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Schlosses und des Gartens. \"Aber die Nachtigall ist doch das Allerbeste!\" stand","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"da geschrieben.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Was ist das?\" fragte der Kaiser. \"Die Nachtigall kenne ich ja gar nicht! Ist","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"ein solcher Vogel hier in meinem Kaiserreiche und sogar in meinem Garten? Das","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"habe ich nie gehört; so etwas soll man erst aus Büchern erfahren?\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Da rief er seinen Haushofmeister. Der war so vornehm, daß, wenn jemand, der","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"geringer war als er, mit ihm zu sprechen oder ihn um etwas zu fragen wagte, er","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"weiter nichts erwiderte als: \"P!\" Und das hat nichts zu bedeuten.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Hier soll ja ein höchst merkwürdiger Vogel sein, der Nachtigall genannt wird!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"sagte der Kaiser. \"Man spricht, dies sei das Allerbeste in meinem großen Reiche;","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"weshalb hat man mir nie etwas davon gesagt?\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Ich habe ihn früher nie nennen hören,\" sagte der Haushofmeister. \"Er ist nie","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"bei Hofe vorgestellt worden!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Ich will, daß er heute abend herkomme und vor mir singe!\" sagte der Kaiser.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Die ganze Welt weiß, was ich habe, und ich weiß es nicht!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Ich habe ihn früher nie nennen hören!\" sagte der Haushofmeister. \"Ich werde ihn","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"suchen, ich werde ihn finden!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Aber wo war er zu finden? Der Haushofmeister lief alle Treppen auf und nieder,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"durch Säle und Gänge, keiner von allen denen, auf die er traf, hatte von der","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Nachtigall sprechen hören. Und der Haushofmeister lief wieder zum Kaiser und","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"sagte, daß es sicher eine Fabel von denen sei, die da Bücher schreiben. \"Dero","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Kaiserliche Majestät können gar nicht glauben, was da alles geschrieben wird;","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"das sind Erdichtungen und etwas, was man die schwarze Kunst nennt!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Aber das Buch, in dem ich dieses gelesen habe,\" sagte der Kaiser, \"ist mir","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"von dem großmächtigen Kaiser von Japan gesandt, also kann es keine Unwahrheit","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"sein. Ich will die Nachtigall hören; sie muß heute abend hier sein! Sie hat","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"meine höchste Gnade! Und kommt sie nicht, so soll dem ganzen Hof auf den Leib","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"getrampelt werden, wenn er Abendbrot gegessen hat!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Tsing-pe!\" sagte der Haushofmeister und lief wieder alle Treppen auf und","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"nieder, durch alle Säle und Gänge; und der halbe Hof lief mit, denn sie wollten","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"nicht gern auf den Leib getrampelt werden. Da gab es ein Fragen nach der","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"merkwürdigen Nachtigall, die von aller Welt gekannt war, nur von niemand bei","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Hofe.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Endlich trafen sie ein kleines, armes Mädchen in der Küche. Sie sagte: \"O Gott,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"die Nachtigall, die kenne ich gut, ja, wie kann die singen! Jeden Abend habe","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"ich die Erlaubnis, meiner armen, kranken Mutter einige Überbleibsel vom Tische","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"mit nach Hause zu bringen. Sie wohnt unten am Strande, wenn ich dann zurückgehe,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"müde bin und im Walde ausruhe, höre ich Nachtigall singen. Es kommt mir dabei","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"das Wasser in die Augen, und es ist gerade, als ob meine Mutter mich küßte!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Kleine Köchin,\" sagte der Haushofmeister, \"ich werde dir eine feste Anstellung","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"in der Küche und die Erlaubnis, den Kaiser speisen zu sehen, verschaffen, wenn","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"du uns zur Nachtigall führen kannst; denn sie ist zu heute abend angesagt.\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"So zogen sie allesamt hinaus in den Wald, wo die Nachtigall zu singen pflegte;","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"der halbe Hof war mit. Als sie im besten Zuge waren, fing eine Kuh zu brüllen","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"an.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Oh!\" sagten die Hofjunker, \"nun haben wir sie; das ist doch eine merkwürdige","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Kraft in einem so kleinen Tiere! Die habe ich sicher schon früher gehört!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Nein, das sind Kühe, die brüllen!\" sagte die kleine Köchin. \"Wir sind noch weit","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"von dem Orte entfernt!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Nun quakten die Frösche im Sumpfe.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Herrlich!\" sagte der chinesische Schloßpropst. \"Nun höre ich sie, es klingt","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"gerade wie kleine Tempelglocken.\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Nein, das sind Frösche!\" sagte die kleine Köchin. \"Aber nun, denke ich werden","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"wir sie bald hören!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Da begann die Nachtigall zu singen.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Das ist sie,\" sagte das kleine Mädchen. \"Hört, hört!\" Und da sitzt sie! Sie","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"zeigte nach einem kleinen, grauen Vogel oben in den Zweigen.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Ist es möglich?\" sagte der Haushofmeister. \"So hätte ich sie mir nimmer","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"gedacht; wie einfach sie aussieht! Sie hat sicher ihre Farbe darüber verlore daß","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"sie so viele vornehme Menschen um sich erblickt!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Kleine Nachtigall,\" rief die kleine Köchin ganz laut, \"unser gnädigste Kaiser","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"will, daß Sie vor ihm singen möchten!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Mit dem größten Vergnügen,\" sagte die Nachtigall und sang dann, daß es eine","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Lust war.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Es ist gerade wie Glasglocken!\" sagte der Haushofmeister. \"Und seht die kleine","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Kehle, wie sie arbeitet! Es ist merkwürdig, daß wir sie früher nie gesehen","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"haben; sie wird großes Aufsehen bei Hofe machen!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Soll ich noch einmal vor dem Kaiser singen?\" fragte die Nachtigall, die","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"glaubte, der Kaiser sei auch da.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Meine vortreffliche, kleine Nachtigall,\" sagte der Haushofmeister, \"ich habe","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"die große Freude, Sie zu einem Hoffeste heute abend einzuladen, wo Sie Dero hohe","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Kaiserliche Gnaden mit Ihrem prächtigen Gesange bezaubern werden!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Der nimmt sich am besten im Grünen aus!\" sagte die Nachtigall, aber sie kam","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"doch gern mit, als sie hörte, daß der Kaiser es wünschte.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Auf dem Schlosse war alles aufgeputzt. Wände und Fußboden, die von Porzellan","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"waren, glänzten im Strahle vieler tausend goldener Lampen, und die prächtigsten","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Blumen, die recht klingeln konnten, waren in den Gängen aufgestellt. Da war ein","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Laufen und ein Zugwind, aber alle Glocken klingelten so, daß man sein eigenes","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Wort nicht hören konnte.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Mitten in dem großen Saal, wo der Kaiser saß, war ein goldener Stab hingestellt,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"auf dem sollte die Nachtigall sitzen. Der ganze Hof war da, und die kleine","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Köchin hatte die Erlaubnis erhalten, hinter der Tür zu stehen, da sie nun den","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Titel einer wirklichen Hofköchin bekommen hatte. Alle waren in ihrem größten","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Staate, und alle sahen nach dem kleinen, grauen Vogel, dem der Kaiser zunickte.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Die Nachtigall sang so herrlich, daß dem Kaiser die Tränen in die Augen traten,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"die Tränen liefen ihm über die Wa:ngen hernieder, und da sang die Nachtigall","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"noch schöner; das ging recht zu Herzen. Der Kaiser war sehr erfreut und sagte,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"daß die Nachtigall einen goldenen Pantoffel um den Hals tragen solle. Aber die","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Nachtigall dankte, sie habe schon Belohnung genug erhalten.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Ich habe Tränen in des Kaisers Augen gesehen, das ist mir der reichste Schatz!","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Gott weiß es, ich bin genug belohnt!\" Und darauf sang sie wieder mit ihrer","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"süßen, herrlichen Stimme.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Das ist die liebenswürdigste Stimme, die wir kennen!\" sagten die Damen","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"ringsherum, und dann nahmen sie Wasser in den Mund, um zu klucken, wenn jemand","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"mit ihnen spräche; sie glaubten, dann auch Nachtigallen zu sein. Ja, die Diener","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"und Kammermädchen ließen melden, daß auch sie zufrieden seien, und das will viel","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"sagen, denn sie sind am schwierigsten zu befriedigen. Ja, die Nachtigall machte","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"wahrlich Glück.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Sie sollte nun bei Hofe bleiben, ihren eigenen Käfig haben, samt der Freiheit,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"zweimal des Tages und einmal des Nachts herauszuspazieren. Sie bekam zwölf","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Diener mit, die ihr ein Seidenband um das Bein geschlungen hatten, woran sie sie","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"festhielten. Es war durchaus kein Vergnügen bei solchem Ausflug.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Die ganze Stadt sprach von dem merkwürdigen Vogel, und begegneten sich zwei,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"dann seufzten sie und verstanden einander: Ja, elf Hökerkinder wurden nach ihr","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"benannt, aber nicht eins von ihnen hatte einen Ton in der Kehle.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Eines Tages erhielt der Kaiser eine Kiste, auf der geschrieben stand: \"Die","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Nachtigall.\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Da haben wir nun ein neues Buch über unseren berühmten Vogel!\" sagte der","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Kaiser; aber es war kein Buch, es war ein Kunststück, das in einer Schachtel","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"lag, eine künstliche Nachtigall, die der lebenden gleichen sollte, aber überall","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"mit Diamanten, Rubinen und Saphiren besetzt war. Sobald man den künstlichen","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Vogel aufzog, konnte er eins der Stücke, die der wirkliche sang, singen, und","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"dann bewegte sich der Schweif auf und nieder und glänzte von Silber und Gold. Um","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"den Hals hing ein kleines Band, und darauf stand geschrieben: \"Des Kaisers von","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Japan Nachtigall ist arm gegen die des Kaisers von China.\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Das ist herrlich!\" sagten alle, und der Mann, der den künstlichen","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Vogel gebracht hatte, erhielt sogleich den Titel: Kaiserlicher","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Oberhofnachtigallbringer.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Nun müssen sie zusammen singen! Was wird das für ein Genuß werden!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Sie mußten zusammen singen, aber es wollte nicht recht gehen, denn die wirkliche","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Nachtigall sang auf ihre Weise, und der Kunstvogel ging auf Walzen. \"Der hat","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"keine Schuld,\" sagte der Spielmeister; \"der ist besonders taktfest und ganz nach","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"meiner Schule!\" Nun sollte der Kunstvogel allein singen. Er machte ebenso viel","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Glück wie der wirkliche, und dann war er viel niedlicher anzusehen; er glänzte","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"wie Armbänder und Brustnadeln.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Dreiunddreißigmal sang er ein und dasselbe Stück und war doch nicht müde; die","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Leute hätten ihn gern wieder von vorn gehört, aber der Kaiser meinte, daß nun","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"auch die lebendige Nachtigall etwas singen solle. Aber wo war die? Niemand hatte","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"bemerkt, daß sie aus dem offenen Fenster fort zu ihren grünen Wäldern geflogen","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"war.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Aber was ist denn das?\" fragte der Kaiser; und alle Hofleute schalten und","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"meinten, daß die Nachtigall ein höchst undankbares Tier sei. \"Den besten Vogel","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"haben wir doch!\" sagten sie, und so mußte der Kunstvogel wieder singen, und das","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"war das vierunddreißigste Mal, daß sie dasselbe Stück zu hören bekamen, aber sie","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"konnten es noch nicht ganz auswendig, denn es war sehr schwer. Der Spielmeister","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"lobte den Vogel außerordentlich, ja, er versicherte, daß er besser als die","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"wirkliche Nachtigall sei, nicht nur was die Kleider und die vielen herrlichen","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Diamanten betreffe, sondern auch innerlich.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Denn sehen Sie, meine Herrschaften, der Kaiser vor allen! Bei der wirklichen","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Nachtigall kann man nie berechnen, was da kommen wird, aber bei dem Kunstvogel","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"ist alles bestimmt; man kann es erklären, man kann ihn aufmachen und das","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"menschliche Denken zeigen, wie die Walzen liegen, wie sie gehen und wie das eine","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"aus dem andern folgt!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Das sind ganz unsere Gedanken!\" sagten sie alle, und der Spielmeister erhielt","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"die Erlaubnis, am nächsten Sonntag den Vogel dem Volke vorzuzeigen. Es sollte","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"ihn auch singen hören, befahl der Kaiser, und es hörte ihn, und es wurde so","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"vergnügt, als ob es sich im Tee berauscht hätte, denn das ist ganz chinesisch;","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"und da sagten alle: \"Oh!\" und hielten den Zeigefinger in die Höhe und nickten","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"dazu. Aber die armen Fischer, welche die wirkliche Nachtigall gehört hatten,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"sagten: \"Es klingt hübsch, die Melodien gleichen sich auch, aber es fehlt etwas,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"wir wissen nicht was!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Die wirkliche Nachtigall ward aus dem Lande und Reiche verwiesen.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Der Kunstvogel hatte seinen Platz auf einem seidenen Kissen dicht bei des","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Kaisers Bett; alle Geschenke, die er erhalten, Gold und Edelsteine, lagen rings","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"um ihn her, und im Titel war er zu einem 'Hochkaiserlichen Nachttischsänger'","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"gestiegen, im Range Numero eins zur linken Seite, denn der Kaiser rechnete die","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Seite für die vornehmste, auf der das Herz saß, und das Herz sitzt auch bei","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"einem Kaiser links. Und der Spielmeister schrieb ein Werk von fünfundzwanzig","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Bänden über den Kunstvogel; das war so gelehrt und lang, voll von den","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"allerschwersten chinesischen Wörtern, daß alle Leute sagten, sie haben es","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"gelesen und verstanden, denn sonst wären sie ja dumm gewesen und auf den Leib","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"getrampelt worden.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"So ging es ein ganzes Jahr; der Kaiser, der Hof und alle die übrigen Chinesen","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"konnten jeden kleinen Kluck in des Kunstvogels Gesang auswendig, aber gerade","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"deshalb gefiel er ihnen jetzt am allerbesten; sie konnten selbst mitsingen,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"und das taten sie. Die Straßenbuben sangen.\" Ziziiz! Kluckkluckkluck!\" und der","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Kaiser sang es. Ja, das war gewiß prächtig!","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Aber eines Abends, als der Kunstvogel am besten sang und der Kaiser im Bette","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"lag und darauf hörte, sagte es \"Schwupp\" inwendig im Vogel; da sprang etwas.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Schnurrrr!\" Alle Räder liefen herum, und dann stand die Musik still.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Der Kaiser sprang gleich aus dem Bette und ließ seinen Leibarzt rufen. Aber was","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"konnte der helfen? Dann ließen sie den Uhrmacher holen, und nach vielem Sprechen","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"und Nachsehen brachte er den Vogel etwas in Ordnung, aber er sagte, daß er sehr","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"geschont werden müsse, denn die Zapfen seien abgenutzt, und es sei unmöglich,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"neue so einzusetzen, daß die Musik sicher gehe. Das war nun eine große Trauer!","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Nur einmal des Jahres durfte man den Kunstvogel singen lassen, und das war fast","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"schon zuviel, aber dann hielt der Spielmeister eine kleine Rede mit schweren","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Worten und sagte, daß es ebensogut wie früher sei, und dann war es ebensogut wie","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"früher.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Nun waren fünf Jahre vergangen, und das ganze Land bekam eine wirkliche,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"große Trauer. Die Chinesen hielten im Grunde allesamt große Stücke auf ihren","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Kaiser, und jetzt war er krank und konnte nicht länger leben. Schon war ein","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"neuer Kaiser gewählt, und das Volk stand draußen auf der Straße und fragte den","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Haushofmeister, wie es seinem alten Kaiser gehe.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"P!\" sagte er und schüttelte mit dem Kopfe.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Kalt und bleich lag der Kaiser in seinem großen, prächtigen Bett. Der ganze","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Hof glaubte ihn tot, und ein jeder lief, den neuen Kaiser zu begrüßen, die","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Kammerdiener liefen hinaus, um darüber zu sprechen, und die Kammermädchen hatten","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"große Kaffeegesellschaft. Ringsumher in allen Sälen und Gängen war Tuch gelegt,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"damit man niemand gehen höre, und deshalb war es sehr still. Aber der Kaiser war","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"noch nicht tot; steif und bleich lag er in dem prächtigen Bette mit den langen","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Samtvorhängen und den schweren Goldquasten, hoch oben stand ein Fenster auf, und","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"der Mond schien herein auf den Kaiser und den Kunstvogel.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Der arme Kaiser konnte kaum atmen, es war gerade, als ob etwas auf seiner Brust","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"säße. Er schlug die Augen auf, und da sah er, daß es der Tod war. Er hatte sich","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"eine goldene Krone aufgesetzt und hielt in der einen Hand des Kaisers goldenen","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Säbel, in der andern seine prächtige Fahne. Ringsumher aus den Falten der großen","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Samtbettvorhänge sahen allerlei wunderliche Köpfe hervor, einige ganz häßlich,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"andere lieblich und mild; das waren des Kaisers gute und böse Taten, die ihn","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"anblickten, jetzt, da der Tod ihm auf dem Herzen saß.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Entsinnst du dich dessen?\" Und dann erzählten sie ihm so viel, daß ihm der","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Schweiß von der Stirne rann.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Das habe ich nie gewußt!\" sagte der Kaiser. \"Musik, Musik, die große","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"chinesische Trommel,\" rief er, \"damit ich nicht alles zu hören brauche, was sie","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"sagen!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Aber sie fuhren fort, und der Tod nickte wie ein Chinese zu allem, was gesagt","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"wurde.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Musik, Musik!\" schrie der Kaiser. \"Du kleiner herrlicher Goldvogel, singe doch,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"singe! Ich habe dir Gold und Kostbarkeiten gegeben, ich habe dir selbst meinen","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"goldenen Pantoffel um den Hals gehängt, singe doch, singe!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Aber der Vogel stand still, es war niemand da, um ihn aufzuziehen, sonst sang er","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"nicht, und der Tod fuhr fort, den Kaiser mit seinen großen, leeren Augenhöhlen","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"anzustarren, und es war still, erschrecklich still.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Da klang auf einmal vom Fenster her der herrlichste Gesang. Es war die kleine,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"lebendige Nachtigall, die auf einem Zweige draußen saß. Sie hatte von der Not","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"ihres Kaisers gehört und war deshalb gekommen, ihm Trost und Hoffnung zu singen;","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"und so wie sie sang, wurden die Gespenster bleicher und bleicher, das Blut kam","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"immer rascher und rascher in des Kaisers schwachen Gliedern in Bewegung, und","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"selbst der Tod horchte und sagte: \"Fahre fort, kleine Nachtigall! Fahre fort!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Ja, willst du mir den prächtigen, goldenen Säbel geben? Willst du mir die","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"reiche Fahne geben? Willst du mir des Kaisers Krone geben?\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Der Tod gab jedes Kleinod für einen Gesang, und die Nachtigall fuhr fort zu","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"singen. Sie sang von dem stillen Gottesacker, wo die weißen Rosen wachsen,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"wo der Flieder duftet und wo das frische Gras von den Tränen der Überlebenden","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"befeuchtet wird. Da bekam der Tod Sehnsucht nach seinem Garten und schwebte wie","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"ein kalter, weißer Nebel aus dem Fenster.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Dank, Dank!\" sagte der Kaiser, \"du himmlischer, kleiner Vogel, ich kenne","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"dich wohl! Dich habe ich aus meinem Lande und Reich gejagt, und doch hast","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"du die bösen Geister von meinem Bette weggesungen, den Tod von meinem Herzen","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"weggeschafft! Wie kann ich dir lohnen?\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Du hast mich belohnt!\" sagte die Nachtigall. \"Ich habe deinen Augen Tränen","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"entlockt, als ich das erstemal sang, das vergesse ich nie; das sind die Juwelen,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"die ein Sängerherz erfreuen. Aber schlafe nun und werde stark, ich werde dir","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"vorsingen!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Sie sang, und der Kaiser fiel in süßen Schlummer; mild und wohltuend war der","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Schlaf!","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Die Sonne schien durch das Fenster herein, als er gestärkt und gesund erwachte.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Keiner von seinen Dienern war noch zurückgekehrt; denn sie glaubten, er sei tot;","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"aber die Nachtigall saß noch und sang.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Immer mußt du bei mir bleiben!\" sagte der Kaiser. \"Du sollst nur singen, wenn","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"du selbst willst, und den Kunstvogel schlage ich in tausend Stücke.\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Tue das nicht,\" sagte die Nachtigall, \"der hat ja das Gute getan, solange er","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"konnte, behalte ihn wie bisher. Ich kann nicht nisten und wohnen im Schlosse,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"aber laß mich kommen, wenn ich selbst Lust habe, da will ich des Abends","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"dort beim Fenster sitzen und dir vorsingen, damit du froh werden kannst und","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"gedankenvoll zugleich. Ich werde von den Glücklichen singen und von denen,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"die da leiden; ich werde vom Bösen und Guten singen, was rings um dich her dir","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"verborgen bleibt. Der kleine Singvogel fliegt weit herum zu dem armen Fischer,","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"zu des Landmanns Dach, zu jedem, der weit von dir und deinem Hofe entfernt ist.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Ich liebe dein Herz mehr als deine Krone, und doch hat die Krone einen Duft","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"von etwas Heiligem um sich. Ich komme und singe dir vor! Aber eins mußt du mir","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"versprechen!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Alles!\" sagte der Kaiser und stand da in seiner kaiserlichen Tracht, die er","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"angelegt hatte, und drückte den Säbel, der schwer von Gold war, an sein Herz.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"\"Um eins bitte ich dich; erzähle niemand, daß du einen kleinen Vogel hast, der","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"dir alles sagt, dann wird es noch besser gehen!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"So flog die Nachtigall fort.","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Die Diener kamen herein, um nach ihrem toten Kaiser zu sehen; ja, da standen","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"sie, und der Kaiser sagte: \"Guten Morgen!\"","book":"Des Kaisers Nachtigall"} {"text":"Ein Kreisel und ein Ball lagen im Kasten beisammen unter anderem Spielzeug, und","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"da sagte der Kreisel zum Ball: \"Wollen wir nicht Brautleute sein, da wir doch","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"in dem Kasten zusammenliegen?\" Aber der Ball, der von Saffian genäht war und der","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"sich ebensoviel einbildete wie ein feines Fräulein, wollte auf dergleichen nicht","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"antworten.","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"Am nächsten Tage kam der kleine Knabe, dem das Spielzeug gehörte; er bemalte","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"den Kreisel rot und gelb und schlug einen Messingnagel mitten hinein; dies sah","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"gerade recht prächtig aus, wenn der Kreisel sich herumdrehte.","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"\"Sehen Sie mich an!\" sagte er zum Ball. \"Was sagen Sie nun? Wollen wir nun","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"nicht Brautleute sein, wir passen gut zueinander. Sie springen, und ich tanze!","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"Glücklicher als wir beide würde niemand werden!\"","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"\"So glauben Sie das?\" sagte der Ball. \"Sie wissen wohl nicht, daß mein Vater","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"und meine Mutter Saffianpantoffeln gewesen sind und daß ich einen Kork im Leibe","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"habe?\"","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"\"Ja, aber ich bin von Mahagoniholz,\" sagte der Kreisel, \"und der Stadtrichter","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"hat mich selbst gedrechselt, er hat seine eigene Drechselbank, und es hat ihm","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"viel Vergnügen gemacht.\"","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"\"Kann ich mich darauf verlassen?\" fragte der Ball.","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"\"Möge ich niemals die Peitsche bekommen, wenn ich lüge!\" erwiderte der Kreisel.","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"\"Sie wissen gut für sich zu sprechen,\" sagte der Ball; \"aber ich kann doch","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"nicht, ich bin mit einer Schwalbe so gut wie versprochen! Jedesmal, wenn ich","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"in die Luft fliege, steckt sie den Kopf zum Nest heraus und fragt: 'Wollen","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"Sie?' und nun habe ich innerlich 'ja' gesagt, und das ist so gut wie eine halbe","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"Verlobung. Aber ich verspreche Ihnen, Sie nie zu vergessen!\"","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"\"Ja, das wird viel helfen!\" sagte der Kreisel, und so sprachen sie nicht mehr","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"miteinander.","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"Am nächsten Tage wurde der Ball von dem Knaben vorgenommen. Der Kreisel sah, wie","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"er hoch in die Luft flog gleich einem Vogel, zuletzt konnte man ihn gar nicht","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"mehr erblicken; jedesmal kam er wieder zurück, machte aber immer einen hohen","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"Sprung, wenn er die Frde berührte, und das geschah immer aus Sehnsucht oder weil","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"er einen Kork im Leibe hatte. Das neunte Mal aber blieb der Ball fort und kam","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"nicht wieder, der Knabe suchte und suchte, aber weg war er.","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"\"Ich weiß wohl, wo er ist,\" seufzte der Kreisel; \"er ist im Schwalbenneste und","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"hat sich mit der Schwalbe verheiratet!\"","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"Je mehr der Kreisel daran dachte, um so mehr wurde er für den Ball eingenommen.","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"Gerade weil er ihn nicht bekommen konnte, darum nahm die Liebe zu, daß er einen","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"andern genommen hatte, das war das Eigentümliche dabei. Und der Kreisel tanzte","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"herum und schnurrte, dachte aber immer an den Ball, der in seinen Gedanken immer","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"schöner und schöner wurde. So verstrich manches Jahr – und da war es eine alte","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"Liebe.","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"Der Kreisel war nicht mehr jung! – Aber da wurde er eines Tages ganz und gar","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"vergoldet, nie hatte er so schön ausgesehen; er war nun ein Goldkreisel und","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"sprang, daß es schnurrte. Ja, das war doch noch etwas, aber auf einmal sprang er","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"zu hoch, und – weg war er!","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"Man suchte und suchte, selbst unten im Keller, doch er war nicht zu finden. – Wo","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"war er?","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"Er war in eine Tonne gesprungen, wo allerlei Gerümpel, Kohlstrünke, Kehricht","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"und Schutt lagen, was alles im Laufe der Zeit von der Dachrinne heruntergefallen","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"war.","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"\"Nun liege ich freilich gut! Hier wird die Vergoldung bald von mir verschwinden;","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"ach, unter welchen Unrat bin ich hier geraten!\" Dann schielte er nach einem","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"langen Kohlstrunk und nach einem sonderbaren runden Dinge, das wie ein alter","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"Apfel aussah; – aber es war kein Apfel, es war ein alter Ball, der viele Jahre","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"in der Dachrinne gelegen und den das Wasser durchdrungen hatte.","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"\"Gott sei Dank, da kommt doch einer unseresgleichen, mit dem man sprechen kann!\"","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"sagte der Ball und betrachtete den vergoldeten Kreisel. \"Ich bin eigentlich von","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"Saffian, von Jungfrauenhänden genäht, und habe einen Kork im Leibe, aber das","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"wird mir wohl niemand ansehen! Ich war nahe daran, mich mit einer Schwalbe zu","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"verheiraten, aber da fiel ich in die Dachrinne, dort habe ich wohl fünf Jahre","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"gelegen und bin ausgequollen! Glauben Sie mir, das ist eine lange Zeit für ein","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"junges Mädchen!\"","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"Aber der Kreisel sagte nichts, er dachte an sein altes Liebchen, und je mehr er","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"hörte, desto klarer wurde es ihm, daß sie es war.","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"Da kam das Dienstmädchen und wollte den Kasten umwenden. \"Heißa, da ist der","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"Goldkreisel!\" sagte sie.","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"Der Kreisel kam wieder zu großen Ansehen und Ehren, aber vom Ball hörte","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"man nichts, und der Kreisel sprach nie mehr von seiner alten Liebe – die","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"vergeht, wenn die Geliebte fünf Jahre lang in einer Wasserrinne gelegen hat","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"und ausgequollen ist, ja, man erkennt sie nie wieder, wenn man ihr in einer","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"Kehrichttonne begegnet.","book":"Das Liebespaar (Kreisel und Ball)"} {"text":"Es war so herrlich draußen auf dem Lande. Es war Sommer, das Korn stand gelb,","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"der Hafer grün, das Heu war unten auf den grünen Wiesen in Schobern aufgesetzt,","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"und der Storch ging auf seinen langen, roten Beinen und plapperte ägyptisch,","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"denn diese Sprache hatte er von seiner Frau Mutter gelernt. Rings um die Äcker","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"und die Wiesen gab es große Wälder und mitten in den Wäldern tiefe Seen. Ja, es","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"war wirklich herrlich da draußen auf dem Lande! Mitten im Sonnenschein lag dort","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"ein altes Landgut, von tiefen Kanälen umgeben; und von der Mauer bis zum Wasser","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"herunter wuchsen große Klettenblätter, die so hoch waren, daß kleine Kinder","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"unter den höchsten aufrecht stehen konnten; es war ebenso wild darin wie im","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"tiefsten Walde. Hier saß eine Ente auf ihrem Nest, welche ihre Jungen ausbrüten","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"mußte; aber es wurde ihr fast zu langweilig, bis die Jungen kamen. Dazu erhielt","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"sie selten Besuch; die andern Enten schwammen lieber in den Kanälen umher,","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"als daß sie hinaufliefen, sich unter ein Klettenblatt zu setzen, um mit ihr zu","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"schnattern.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Endlich platzte ein Ei nach dem anderen; \"Piep! piep!\" sagte es, und alle","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Eidotter waren lebendig geworden und steckten die Köpfe heraus.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Rapp! rapp!\" sagte sie; und so rappelten sich alle, was sie konnten, und sahen","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"nach allen Seiten unter den grünen Blättern; und die Mutter ließ sie sehen, so","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"viel sie wollten, denn das Grüne ist gut für die Augen.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Wie groß ist doch die Welt!\" sagten alle Jungen, denn nun hatten sie freilich","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"viel mehr Platz, als wie sie noch drinnen im Ei lagen.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Glaubt ihr, daß dies die ganze Welt ist?\" sagte die Mutter; \"die erstreckt sich","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"noch weit über die andere Seite des Gartens, gerade hinein in des Pfarrers Feld;","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"aber da bin ich noch nie gewesen!\" – \"Ihr seid doch alle beisammen?\" fuhr sie","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"fort und stand auf. \"Nein, ich habe nicht alle; das größte Ei liegt noch da; wie","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"lange soll denn das dauern! jetzt bin ich es bald überdrüssig!\" und so setzt sie","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"sich wieder.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Nun, wie geht es?\" fragte eine alte Ente, welche gekommen war, um ihr einen","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Besuch abzustatten.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Es währt recht lange mit dem einen Ei!\" sagte die Ente, die da saß; es will","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"nicht platzen; \"doch sieh nur die andern an; sind es nicht die niedlichsten","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Entlein, die man je gesehen? Sie gleichen allesamt ihrem Vater; der Bösewicht","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"kommt nicht, mich zu besuchen.\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Laß mich das Ei sehen, welches nicht platzen will!\" sagte die Alte. \"Glaube","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"mir, es ist ein Kalekuten-Ei! Ich bin auch einmal so angeführt worden und hatte","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"meine große Sorge und Not mit den Jungen, denn ihnen ist bange vor dem Wasser!","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Ich konnte sie nicht hineinbringen; ich rappte und schnappte, aber es half","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"nicht. Laß mich das Ei sehen! Ja, das ist ein Kalekuten-Ei! Laß das liegen und","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"lehre lieber die andern Kinder schwimmen.\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Ich will doch noch ein bißchen darauf sitzen,\" sagte die Ente; \"habe ich nun so","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"lange gesessen, so kann ich auch noch einige Tage sitzen.\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Nach Belieben,\" sagte die alte Ente und ging von dannen.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Endlich platze das Ei. \"Piep! piep!\" sagte das Junge und kroch heraus. Es war","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"sehr groß und häßlich! Die Ente betrachtete es: \"Es ist doch ein gewaltig großes","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Entlein das,\" sagte sie; \"keins von den andern sieht so aus; sollte es wohl ein","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"kalikultisches Küchlein sein? Nun, wir wollen bald dahinterkommen; in das Wasser","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"muß es, sollte ich es auch selbst hineinstoßen.\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Am nächsten Tage war schönes, herrliches Wetter; die Sonne schien auf alle","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"grünen Kletten. Die Entleinmutter ging mit ihrer ganzen Familie zu dem Kanal","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"hinunter. Platsch! da sprang sie ins Wasser. \"Rapp! rapp!\" sagte sie, und ein","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Entlein nach dem andern plumpste hinein; das Wasser schlug ihnen über dem Kopf","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"zusammen, aber sie kamen gleich wieder empor und schwammen ganz prächtig; die","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Beine gingen von selbst, und alle waren sie im Wasser; selbst das häßliche,","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"graue Junge schwamm mit.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Nein, es ist kein Kalekut,\" sagte sie; \"Sieh, wie herrlich es die Beine","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"gebraucht, wie gerade es sich hält; es ist mein eigenes Kind! Im Grunde ist es","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"doch ganz hübsch, wenn man es nur recht betrachtet. Rapp! rapp! Kommt nur mit","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"mir, ich werde euch in die große Welt führen, euch im Entenhofe präsentieren;","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"aber haltet euch immer nahe zu mir, damit euch niemand tritt, und nehmt euch vor","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"den Katzen in acht!\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Und so kamen sie in den Entenhof hinein. Drinnen war ein schrecklicher Lärm,","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"denn da waren zwei Familien, die sich um einen Aalkopf bissen, und am Ende bekam","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"ihn doch die Katze.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Seht, so geht es in der Welt zu!\" sagte die Entleinmutter und wetzte ihren","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Schnaubel, denn sie wollte auch den Aalkopf haben. \"Braucht nun die Beine!\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"sagte sie; \"seht, daß ihr euch rappeln könnt, und neigt euren Hals vor der alten","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Ente dort; die ist die vornehmste von allen hier; sie ist aus spanischem Geblüt,","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"deshalb ist sie do dick, und seht ihr: sie hat einen roten Lappen um das Bein;","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"das ist etwas außerordentlich Schönes und die größte Auszeichnung ,welche einer","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Ente zuteil werden kann. Das bedeutet so viel, daß man sie nicht verlieren will","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"und daß sie von Tier und Menschen erkannt werden soll! Rappelt euch! Setzt die","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Füße nicht einwärts; ein wohlerzogenes Entlein setzt die Füße weit auswärts,","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"gerade wie Vater und Mutter; seht: so! Nun neigt euren Hals und sagt: Rapp.\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Und das taten sie; aber die andern Enten ringsumher betrachteten sie und sagten","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"ganz laut: \"Sieh da! Nun sollen wir noch den Anhang haben; als ob wir nicht","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"schon so genug wären! Und pfui! Wie das eine Entlein aussieht, das wollen wir","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"nicht dulden!\" und sogleich flog eine Ente hin und biß es in den Nacken.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Laß es gehen!\" sagte die Mutter; \"es tut ja niemandem etwas.\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Ja, aber es ist zu groß und ungewöhnlich,\" sagte die beißende Ente; \"und","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"deshalb muß es gepufft werden.\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Es sind hübsche Kinder, welche die Mutter hat,\" sagte die alte Ente mit dem","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Lappen um das Bein; \"alle schön, bis auf das eine; das ist nicht geglückt; ich","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"möchte, daß sie es umarbeiten könnte.\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Das geht nicht, Ihro Gnaden,\" sagte die Entleinmutter; \"es ist nicht hübsch,","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"aber es hat ein innerlich gutes Gemüt und schwimmt so herrlich wie eins von","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"den andern, ja, ich darf sagen, noch etwas besser. Ich denke, es wird hübsch","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"heranwachsen und mit der Zeit etwas kleiner werden; es hat zu lange in dem Ei","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"gelegen und deshalb nicht die rechte Gestalt bekommen!\" Und so zupfte sie es","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"im Nacken und glättete das Gefieder. \"Es ist überdies ein Enterich,\" sagte sie;","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"und darum nacht es nicht so viel aus. Ich denke, er wird gute Kräfte bekommen;","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"er schlägt sich schon durch.\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Die anderen Entlein sind niedlich,\" sagte die Alte; \"tut nun, als ob ihr zu","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Hause wäret, und findet ihr einen Aalkopf, so könnt ihr ihn mir bringen.\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Und nun waren sie zu Hause.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Aber das arme Entleich, welches zuletzt aus dem Ei gekrochen war und so häßlich","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"aussah, wurde gebissen, gestoßen und ausgelacht, und das sowohl von den Enten","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"wie von den Hühnern. \"Es ist zu groß!\" sagten alle, und der kalikultische Hahn,","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"welcher mit Sporen zur Welt gekommen war und deshalb glaubte, daß er Kaiser sei,","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"blies sich auf wie ein Fahrzeug mit vollen Segeln und ging gerade auf dasselbe","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"los; dann kollerte er und wurde ganz rot am Kopf. Das arme Entlein wußte nicht,","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"wo es stehen oder gehen sollte; es war so betrübt, weil es häßlich aussah und","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"vom ganzen Entenhof verspottet wurde.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"So ging es den ersten Tag, und später wurde es schlimmer und schlimmer. Das arme","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Entlein wurde von allen gejagt; selbst seine Schwestern waren ganz böse gegen","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"dasselbe und sagten immer: \"Wenn die Katze dich nur fangen möchte, du häßliches","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Geschöpf!\" Und die Mutter sagte: \"Wenn du nur weilt fort wärst!\" Und die Enten","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"bissen es, und die Hühner schlugen es, und das Mädchen, welches die Tiere","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"füttern sollte, stieß mit den Füßen noch ihm.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Da lief es und flog über den Zaun, die kleinen Vögel in den Büschen flogen","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"erschrocken auf. \"Das geschieht, weil ich so häßlich bin,\" dachte das Entlein","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"und schloß die Augen, lief aber gleichwohl weiter; so kam es hinaus zu dem","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"großen Moor, wo die wilden Enten wohnten. Hier lag es die ganze Nacht; es war so","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"müde und kummervoll.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Gegen Morgen flogen die wilden Enten auf, und sie betrachteten den neuen","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Kameraden. \"Was bist du für einer?\" fragten sie; und das Entlein wendete sich","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"nach allen Seiten und grüßte, so gut es konnte.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Du bist außerordentlich häßlich!\" sagten die wilden Enten; \"Aber das kann uns","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"gleich sein, wenn du nur nicht in unsere Familie hineinheiratest.\" Das Arme!","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Es dachte wahrlich nicht daran, sich zu verheiraten, wenn es nur die Erlaubnis","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"erhalten konnte, im Schilf zu liegen und etwas Moorwasser zu trinken.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"So lag es zwei ganze Tage, da kamen zwei wilde Gänse oder richtiger wilde","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Gänseriche dorthin; es war noch nicht lange her, daß sie aus dem Ei gekrochen","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"waren, und deshalb waren sie auch so keck.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Höre, Kamerad!\" sagten sie; \"du bist so häßlich, daß ich dich gut leiden mag;","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"willst du mitziehen und Zugvogel werden? Hier nahebei in einem andern Moor gibt","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"es einige süße, liebliche wilde Gänse, nämlich Fräuleins, die alle 'Rapp!' sagen","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"können. Du bist imstande, dein Glück dort zu machen, so häßlich du auch bist!\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Piff! Paff!\" ertönte es eben, und beide wilde Gänseriche fielen tot in das","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Schilf nieder, und das Wasser wurde blutrot. \"Piff! Paff\" – erscholl es wieder","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"und ganze Scharen wilder Gänse flogen aus dem Schilf auf. Und dann knallte","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"es abermals. Es war große Jagd, die Jäger lagen rings um das Moor herum; ja,","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"einige saßen oben in den Baumzweigen, welche sich weit über das Schilfrohr","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"hinstreckten. Der blaue Dampf zog gleich Wolken in die dunkeln Bäume hinein und","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"weit über das Wasser hin; zum Moore kamen die Jagdhunde. Platsch, Platsch, das","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Schilf und das Rohr neigte sich nach allen Seiten. Das war ein Schreck für das","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"arme Entlein. Es wendete den Kopf, um ihn unter den Flügel zu stecken, aber in","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"demselben Augenblick stand ein fürchterlich großer Hund dicht bei dem Entlein;","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"die Zunge hing ihm lang aus dem Halse heraus, und die Augen leuchteten greulich","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"häßlich; er steckte seine Schnauze dem Entlein gerade entgegen, zeigte ihm die","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"scharfen Zähne und - Platsch, Platsch! ging er wieder, ohne es zu packen.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"O Gott sei Dank!\" seufzte das Entlein; \"ich bin so häßlich, daß mich selbst der","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Hund nicht beißen mag!\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Und so lag es ganz still, während die Schrotkugeln durch das Schild sausten und","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Schuß auf Schuß knallte.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Erst spät am Tage wurde es ruhig; aber das arme Junge wagte noch nicht, sich zu","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"erheben; es wartete noch mehrere Stunden, bevor es sich umsah, und dann eilte es","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"fort aus dem Moor, so schnell es konnte. Es lief über Feld und Wiese; da tobte","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"ein solcher Sturm, daß es ihm schwer wurde, von der Stelle zu kommen.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Gegen Abend erreichte es eine kleine armselige Bauernhütte; die war so","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"baufällig, daß sie selbst nicht wußte, noch welcher Seite sie fallen sollte,","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"und darum blieb sie stehen. Der Sturm umsauste das Entlein so, daß es sich","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"niedersetzen mußte, um sich dagegenzustemmen, und es wurde schlimmer und","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"schlimmer. Da bemerkte es, daß die Tür aus der einen Angel gegangen war und so","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"schief hing, daß es durch die Spalte in die Stube hineinschlüpfen konnte, und","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"das tat es.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Hier wohnte eine Frau mit ihrem Kater und ihrer Henne. Und der Kater, welchen","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"sie \"Söhnchen\" nannte, konnte einen Buckel machen und schnurren; er sprühte","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"sogar Funken aber dann mußte man ihn gegen die Haare streichen. Die Henne hatte","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"ganz kleine niedrige Beine, und deshalb wurde sie \"Küchelchen-Kurzbein\" genannt;","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"sie legte gute Eier, und die Frau liebte sie wie ihr eigenen Kind.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Am Morgen bemerkte man sogleich das fremde Entlein; und der Kater begann zu","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"schnurren und die Henne zu glucken.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Was ist das?\" sagte die Frau und sah sich rings um; aber sie sah nicht gut, und","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"so glaubte sie, daß das Entlein eine fette Ente sei, die sich verirrt habe. \"Das","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"ist ja ein seltener Fang!\" sagte sie.\" Nun kann ich Enteneier bekommen. Wenn es","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"nur kein Enterich ist! Das müssen wir erproben.\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Und so wurde das Entlein für drei Wochen auf Probe angenommen; aber es kamen","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"keine Eier. Und der Kater war Herr im Hause, und die Henne war die Dame, und","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"immer sagte sie: \"Wir und die Welt!\" Denn sie glaubte, daß sie die Hälfte seien,","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"und zwar bei weitem die beste Hälfte. Das Entlein glaubte, daß man auch eine","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"andere Meinung haben könne; aber das litt die Henne nicht.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Kannst du Eier legen?\" fragte sie.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Nein!\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Nun, kann wirst du die Güte haben, zu schweigen!\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Und der Kater sagte; \"Kannst du einen krummen Buckel machen, schnurren und","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Funken sprühen?\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Nein!\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"So darfst du auch keine Meinung haben, wenn vernünftige Leute reden!\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Und das Entlein saß im Winkel und war bei schlechter Laune. Da fiel die frische","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Luft und der Sonnenschein herein; es bekam solch sonderbare Lust, auf dem Wasser","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"zu schwimmen, daß es nicht unterlassen konnte, dies der Henne zu sagen.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Was fällt dir ein?\" fragte die. \"Du hast nichts zu tun, deshalb fängst du","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Grillen! Lege Eier oder schnurre, so gehen sie vorüber.\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Aber es ist so schön, auf dem Wasser zu schwimmen!\" sagte das Entlein; \"So","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"herrlich, es über dem Kopfe zusammenschlagen zu lassen und auf den Grund zu","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"tauchen!\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Ja, das ist ein großes Vergnügen!\" sagte die Henne. \"Du bist wohl verrückt","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"geworden! Frage den Kater danach – er ist das klügste Geschöpf, das ich kenne –","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"ob er es liebt, auf dem Wasser zu schwimmen oder unterzutauchen? Ich will nicht","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"vor mir sprechen. Frage selbst unsere Herrschaft, die alte Frau; klüger als sie","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"ist niemand auf der Welt! Glaubst du, daß die Lust hat, zu schwimmen und das","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Wasser über dem Kopfe zusammenschlagen zu lassen?\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Ihr versteht mich nicht!\" sagte das Entlein.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Wir verstehen dich nicht? Wer soll dich denn verstehen können! Du wirst doch","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"wohl nicht klüger sein wollen als der Kater oder die Frau – von mir will ich","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"nicht reden! Bilde dir nichts ein, Kind! Und danke deinem Schöpfer für all das","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Gute, was man dir erwiesen! Bist du nicht in eine warme Stube gekommen und hast","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"du nicht eine Gesellschaft, von der du etwas profitieren kannst? Aber du bist","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"ein Schwätzer, und es ist nicht erfreulich, mit dir umzugehen! Mir kannst du","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"glauben! Ich meine es gut mit dir. Ich sage die Unannehmlichkeiten, und daran","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"kann man seine wahren Freunde erkennen! Sieh nur zu, daß du Eier legst oder","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"schnurren und Funken sprühen lernst!\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Ich glaube, ich gehe hinaus in die weite Welt!\" sagte das Entlein.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Ja, tue das!\" sagte die Henne.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Und das Entlein ging; es schwamm auf dem Wasser, es tauchte unter, aber von","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"allen Tieren wurde es wegen seiner Häßlichkeit übersehen.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Nun trat der Herbst ein; die Blätter im Walde wurden gelb und braun; der Wind","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"faßte sie, so daß sie umhertanzten; und oben in der Luft war es sehr kalt; die","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Wolken hingen schwer von Hagel und Schneeflocken; und auf dem Zaun stand der","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Rabe und schrie: \"Au! Au!\" vor lauter Kälte, ja, es fror einen schon, wenn man","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"nur daran dachte. Das arme Entlein hatte es wahrlich nicht gut!","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Eines Abends – die Sonne ging so schön unter! – kam ein ganzer Schwarm","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"herrlicher großer Vögel aus dem Busch; das Entlein hatte solche nie so schön","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"gesehen; sie waren ganz blendend weiß, mit langen, geschmeidigen Hälsen; es","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"waren Schwäne. Sie stießen einen ganz eigentümlichen Ton aus, breiteten ihre","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"prächtigen langen Flügel aus und flogen aus der kalten Gegend fort nach wärmeren","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Ländern, nach offenen Seen! Sie stiegen so hoch, so hoch, und dem häßlichen","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"jungen Entlein wurde gar sonderbar zumute. Es drehte sich im Wasser wie ein","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Rad, rundherum, streckte den Hals hoch in die Luft nach ihnen und stieß einen","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"so lauten und sonderbaren Schrei aus, daß es sich selbst davor fürchtete. Oh","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"es konnte die schönen, glücklichen Vögel nicht vergessen; und sobald es sie","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"nicht mehr erblickte, tauchte es unter bis auf den Grund, und als es wieder","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"heraufkam, war es wie außer sich. Es wußte nicht, wie die Vögel hießen, auch","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"nicht, wohin sie flogen; aber doch war es ihnen gut, wie es nie jemandem","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"gewesen. Es beneidete sie durchaus nicht. Wie konnte es ihm einfallen, sich","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"solche Lieblichkeit zu wünschen? Es wäre schon froh gewesen, wenn die Enten es","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"nur unter sich geduldet hätten – das arme häßliche Tier!","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Und der Winter wurde so kalt, so kalt! Das Entlein mußte im Wasser","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"herumschwimmen, um das völlige Zufrieren desselben zu verhindern; aber in jeder","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Nacht wurde das Loch, in dem es schwamm, kleiner und kleiner. Es fror so, daß","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"es in der Eisdecke knackte; das Entlein mußte fortwährend die Beine gebrauchen,","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"damit das Loch sich nicht schloß. Zuletzt wurde es matt, lag ganz still und fror","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"endlich im Eise fest.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Des Morgens früh kam ein Bauer; da er dies sah, ging er hin, schlug mit seinem","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Holzschuh das Eis in Stücke und trug das Entlein heim zu seiner Frau. Da kam es","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"wieder zu sich.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Die Kinder wollten mit ihm spielen; aber das Entlein glaubte, sie wollten ihm","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"etwas zuleide tun, und fuhr in der Angst gerade in den Milchnapf hinein, so","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"daß die Milch in die Stube spritzte. Die Frau schlug die Hände zusammen, worauf","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"es in das Butterfaß, dann hinunter in die Mehltonne und wieder herausflog. Wie","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"sah es da aus! Die Frau schrie und schlug mit der Feuerzange danach; die Kinder","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"rannten einander über den Haufen, um das Entlein zu fangen; sie lachten und","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"schrien; Gut war es, daß die Tür offenstand und es zwischen die Reiser in den","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"frischgefallenen Schnee schlüpfen konnte; dort lag es ganz ermattet.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Aber all die Not und das Elend, welches das Entlein in dem harten Winter","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"erdulden mußte, zu erzählen, würde zu trübe sein. Es lag im Moor zwischen dem","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Schild, als die Sonne wieder warm zu seinen begann. Die Lerchen sangen; es war","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"herrlicher Frühling.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Da konnte auf einmal das Entlein seine Flügel schwingen; sie schlugen stärker","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"als früher und trugen es kräftig davon; und ehe dasselbe es recht wußte, befand","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"es sich in einem großen Garten, wo die Äpfelbäume in der Blüte standen, wo der","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Flieder duftete und seine langen, grünen Zweige bis zu den gekrümmten Kanälen","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"hinunterneigte. Oh, hier war es so schön, so frühlingsfrisch! Und vorn aus dem","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Dickicht kamen drei prächtige weiße Schwäne; sie brausten mit den Federn und","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"schwimmen so leicht auf dem Wasser. Das Entlein kannte die prächtigen Tiere und","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"wurde von einer eigentümlichen Traurigkeit befangen.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Ich will zu ihnen hinfliegen, zu den königlichen Vögeln! Und sie werden mich","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"totschlagen, weil ich, der ich so häßlich bin, mich ihnen zu nähern wage. Aber","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"das ist einerlei! Besser, von ihnen getötet als von den Enten gezwackt, von","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"den Hühnern geschlagen, von dem Mädchen, welches den Hühnerhof hütete, gestoßen","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"zu werden und im Winter zu hungern und zu frieren!\" Und es flog hinaus in das","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Wasser und schwamm den prächtigen Schwänen entgegen; diese erblickten es und","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"schossen mit emporegesträubtem Gefieder auf dasselbe los. \"Tötet mich nur!\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"sagte das arme Tier, neigte seinen Kopf der Wasserfläche zu und erwartete den","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Tod. Aber was erblickte es in dem klaren Wasser? Es sah sein eigenes Bild unter","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"sich, das kein plumper schwarzgrauer Vogel mehr, häßlich und garstig, sondern","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"selbst ein Schwan war.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Es schadet nichts, in einem Entenhof geboren zu sein, wenn man nur in einem","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Schwanenei gelegen hat!","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Es fühlte sich ordentlich erfreut über all die Not und die Drangsal, welche es","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"erduldet. Nun erkannte es erst recht sein Glück an all der Herzlichkeit, die","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"es begrüßte. Und die großen Schwäne umschwammen es und streichelten es mit dem","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Schnabel.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"In den Garten kamen einige kleine Kinder, die warfen Brot und Korn in das","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Wasser; und das kleinste rief:","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"\"Da ist ein neuer!\" Und die andern Kinder jubelten mit: \"Je, es ist ein neuer","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"angekommen!\" Und sie klatschten mit den Händen und tanzten umher, liefen zu dem","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Vater und der Mutter, und es wurde Brot und Kuchen in das Wasser geworfen, und","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"sie sagten alle: \"Der neue ist der Schönste: So jung und so prächtig!\" Und die","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"alten Schwäne neigten sich vor ihm.","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Da fühlte er sich so beschämt und steckte den Kopf unter seine Flügel; er wußte","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"selbst nicht, was er beginnen sollte, er war allzu glücklich, aber durchaus","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"nicht stolz, denn ein gutes Herz wird nie stolz! Er dachte daran, wie er","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"verfolgt und verhöhnt worden war, und hörte nun alle sagen, daß er der schönste","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"aller schönen Vögel sei. Selbst der Flieder bog sich mit den Zweigen gerade","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"zu ihm in das Wasser hinunter, und die Sonne schien so war und so mild! Da","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"brausten seine Federn, der schlanke Hals hob sich, und aus vollem Herzen jubelte","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"er: \"Soviel Glück habe ich mir nicht träumen lassen, als ich noch das häßliche","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Entlein war!\"","book":"Das häßliche junge Entlein"} {"text":"Draußen im Walde stand ein niedlicher, kleiner Tannenbaum; er hatte einen guten","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Platz, Sonne konnte er bekommen, Luft war genug da, und ringsumher wuchsen","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"viel größere Kameraden, sowohl Tannen als Fichten. Aber dem kleinen Tannenbaum","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"schien nichts so wichtig wie das Wachsen; er achtete nicht der warmen Sonne und","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"der frischen Luft, er kümmerte sich nicht um die Bauernkinder, die da gingen","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"und plauderten, wenn sie herausgekommen waren, um Erdbeeren und Himbeeren zu","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"sammeln. Oft kamen sie mit einem ganzen Topf voll oder hatten Erdbeeren auf","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"einen Strohhalm gezogen, dann setzten sie sich neben den kleinen Tannenbaum und","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"sagten: \"Wie niedlich klein ist der!\" Das mochte der Baum gar nicht hören.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Im folgenden Jahre war er ein langes Glied größer, und das Jahr darauf war er","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"um noch eins länger, denn bei den Tannenbäumen kann man immer an den vielen","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Gliedern, die sie haben, sehen, wie viele Jahre sie gewachsen sind.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Oh, wäre ich doch so ein großer Baum wie die andern!\" seufzte das kleine","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Bäumchen. \"Dann könnte ich meine Zweige so weit umher ausbreiten und mit der","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Krone in die Welt hinausblicken! Die Vögel würden dann Nester zwischen meinen","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Zweigen bauen, und wenn der Wind weht, könnte ich so vornehm nicken, gerade wie","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"die andern dort!\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Er hatte gar keine Freude am Sonnenschein, an den Vögeln und den roten Wolken,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"die morgens und abends über ihn hinsegelten.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"War es nun Winter und der Schnee lag ringsumher funkelnd weiß, so kam häufig","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"ein Hase angesprungen und setzte gerade über den kleinen Baum weg. Oh, das","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"war ärgerlich! Aber zwei Winter vergingen, und im dritten war das Bäumchen so","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"groß, daß der Hase um es herumlaufen mußte. \"Oh, wachsen, wachsen, groß und alt","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"werden, das ist doch das einzige Schöne in dieser Welt!\" dachte der Baum.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Im Herbst kamen immer Holzhauer und fällten einige der größten Bäume; das","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"geschah jedes Jahr, und dem jungen Tannenbaum, der nun ganz gut gewachsen war,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"schauderte dabei; denn die großen, prächtigen Bäume fielen mit Knacken und","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Krachen zur Erde, die Zweige wurden abgehauen, die Bäume sahen ganz nackt, lang","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"und schmal aus; sie waren fast nicht zu erkennen. Aber dann wurden sie auf Wagen","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"gelegt, und Pferde zogen sie davon, aus dem Walde hinaus.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Wohin sollten sie? Was stand ihnen bevor?","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Im Frühjahr, als die Schwalben und Störche kamen, fragte sie der Baum: \"Wißt ihr","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"nicht, wohin sie geführt wurden? Seid ihr ihnen begegnet?\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Die Schwalben wußten nichts, aber der Storch sah nachdenkend aus, nickte mit","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"dem Kopfe und sagte: \"Ja, ich glaube wohl; mir begegneten viele neue Schiffe,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"als ich aus Ägypten flog; auf den Schiffen waren prächtige Mastbäume; ich darf","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"annehmen, daß sie es waren, sie hatten Tannengeruch; ich kann vielmals von ihnen","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"grüßen, sie sind schön und stolz!\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Oh, wäre ich doch auch groß genug, um über das Meer hinfahren zu können! Was","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"ist das eigentlich, dieses Meer, und wie sieht es aus?\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Ja, das ist viel zu weitläufig zu erklären!\" sagte der Storch, und damit ging","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"er.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Freue dich deiner Jugend!\" sagten die Sonnenstrahlen; \"freue dich deines","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"frischen Wachstums, des jungen Lebens, das in dir ist!\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Und der Wind küßte den Baum, und der Tau weinte Tränen über ihn, aber das","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"verstand der Tannenbaum nicht.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Wenn es gegen die Weihnachtszeit war, wurden ganz junge Bäume gefällt, Bäume,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"die oft nicht einmal so groß oder gleichen Alters mit diesem Tannenbäume waren,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"der weder Rast noch Ruhe hatte, sondern immer davon wollte; diese jungen Bäume,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"und es waren gerade die allerschönsten, behielten immer alle ihre Zweige; sie","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"wurden auf Wagen gelegt, und Pferde zogen sie zum Walde hinaus.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Wohin sollen diese?\" fragte der Tannenbaum. \"Sie sind nicht größer als ich,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"einer ist sogar viel kleiner; weswegen behalten sie alle ihre Zweige? Wohin","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"fahren sie?\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Das wissen wir! Das wissen wir!\" zwitscherten die Meisen. \"Unten in der Stadt","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"haben wir in die Fenster gesehen! Wir wissen, wohin sie fahren! Oh, sie gelangen","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"zur größten Pracht und Herrlichkeit, die man sich denken kann! Wir haben in die","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Fenster gesehen und erblickt, daß sie mitten in der warmen Stube aufgepflanzt","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"und mit den schönsten Sachen, vergoldeten Äpfeln, Honigkuchen, Spielzeug, und","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"vielen hundert Lichtern geschmückt werden.\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Und dann?\" fragte der Tannenbaum und bebte in allen Zweigen. \"Und dann? Was","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"geschieht dann?\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Ja, mehr haben wir nicht gesehen! Das war unvergleichlich schön!\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Ob ich wohl bestimmt bin, diesen strahlenden Weg zu betreten?\" jubelte der","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Tannenbaum. \"Das ist noch besser als über das Meer zu ziehen! Wie leide ich","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"an Sehnsucht! Wäre es doch Weihnachten! Nun bin ich hoch und entfaltet wie die","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"andern, die im vorigen Jahre davongeführt wurden! Oh, wäre ich erst auf dem","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Wagen, wäre ich doch in der warmen Stube mit all der Pracht und Herrlichkeit!","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Und dann? ja, dann kommt noch etwas Besseres, noch Schöneres, warum würden sie","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"mich sonst so schmücken? Es muß noch etwas Größeres, Herrlicheres kommen! Aber","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"was? Oh, ich leide, ich sehne mich, ich weiß selbst nicht, wie mir ist!\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Freue dich unser!\" sagten die Luft und das Sonnenlicht; \"freue dich deiner","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"frischen Jugend im Freien!\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Aber er freute sich durchaus nicht; er wuchs und wuchs, Winter und Sommer stand","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"er grün; dunkelgrün stand er da, die Leute, die ihn sahen, sagten: \"Das ist","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"ein schöner Baum!\" und zur Weihnachtszeit wurde er von allen zuerst gefällt.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Die Axt hieb tief durch das Mark; der Baum fiel mit einem Seufzer zu Boden,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"er fühlte einen Schmerz, eine Ohnmacht, er konnte gar nicht an irgendein Glück","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"denken, er war betrübt, von der Heimat scheiden zu müssen, von dem Flecke, auf","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"dem er emporgeschossen war; er wußte ja, daß er die lieben, alten Kameraden, die","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"kleinen Büsche und Blumen ringsumher nie mehr sehen werde, ja vielleicht nicht","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"einmal die Vögel. Die Abreise hatte durchaus nichts Behagliches.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Der Baum kam erst wieder zu sich selbst, als er im Hofe mit andern Bäumen","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"abgeladen wurde und einen Mann sagen hörte: \"Dieser hier ist prächtig! Wir","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"wollen nur den!\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Nun kamen zwei Diener im vollen Staat und trugen den Tannenbaum in einen","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"großen, schönen Saal. Ringsherum an den Wänden hingen Bilder, und bei dem großen","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Kachelofen standen große chinesische Vasen mit Löwen auf den Deckeln; da waren","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Wiegestühle, seidene Sofas, große Tische voll von Bilderbüchern und Spielzeug","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"für hundertmal hundert Taler; wenigstens sagten das die Kinder. Der Tannenbaum","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"wurde in ein großes, mit Sand gefälltes Faß gestellt, aber niemand konnte sehen,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"daß es ein Faß war, denn es wurde rundherum mit grünem Zeug behängt und stand","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"auf einem großen, bunten Teppich. Oh, wie der Baum bebte! Was würde da wohl","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"vorgehen? Sowohl die Diener als die Fräulein schmückten ihn. An einen Zweig","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"hängten sie kleine, aus farbigem Papier ausgeschnittene Netze, und jedes Netz","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"war mit Zuckerwerk gefüllt. Vergoldete Apfel und Walnüsse hingen herab, als","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"wären sie festgewachsen, und über hundert rote, blaue und weiße kleine Lichter","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"wurden in den Zweigen festgesteckt. Puppen, die leibhaft wie die Menschen","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"aussahen – der Baum hatte früher nie solche gesehen –, schwebten im Grünen,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"und hoch oben in der Spitze wurde ein Stern von Flittergold befestigt. Das war","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"prächtig, ganz außerordentlich prächtig!","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Heute abend,\" sagten alle, \"heute abend wird er strahlen!\" und sie waren außer","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"sich vor Freude.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Oh\" dachte der Baum, \"wäre es doch Abend! Würden nur die Lichter bald","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"angezündet! Und was dann wohl geschieht? Ob da wohl Bäume aus dem Walde kommen,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"mich zu sehen? Ob die Meisen gegen die Fensterscheiben fliegen? Ob ich hier","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"festwachse und Winter und Sommer geschmückt stehen werde?\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Ja, er wußte gut Bescheid; aber er hatte ordentlich Borkenschmerzen vor","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"lauter Sehnsucht, und Borkenschmerzen sind für einen Baum ebenso schlimm wie","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Kopfschmerzen für uns andere.^","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Nun wurden die Lichter angezündet. Welcher Glanz, welche Pracht! Der Baum bebte","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"in allen Zweigen dabei, so daß eins der Lichter das Grüne anbrannte; es sengte","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"ordentlich.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Gott bewahre uns!\" schrien die Fräulein und löschten es hastig aus.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Nun durfte der Baum nicht einmal beben. Oh, das war ein Grauen! Ihm war bange,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"etwas von seinem Staate zu verlieren; er war ganz betäubt von all dem Glanze. Da","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"gingen beide Flügeltüren auf, und eine Menge Kinder stürzte herein, als wollten","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"sie den ganzen Baum umwerfen, die älteren Leute kamen bedächtig nach; die","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Kleinen standen ganz stumm, aber nur einen Augenblick, dann jubelten sie wieder,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"daß es laut schallte; sie tanzten um den Baum herum, und ein Geschenk nach dem","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"andern wurde abgepflückt und verteilt.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Was machen sie?\" dachte der Baum. \"Was soll geschehen?\" Die Lichter brannten","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"gerade bis auf die Zweige herunter, und je nachdem sie niederbrannten, wurden","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"sie ausgelöscht, und dann erhielten die Kinder die Erlaubnis, den Baum zu","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"plündern. Sie stürzten auf ihn zu, daß es in allen Zweigen knackte; wäre er","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"nicht mit der Spitze und mit dem Goldstern an der Decke festgemacht gewesen, so","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"wäre er umgefallen.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Die Kinder tanzten mit ihrem prächtigen Spielzeug herum, niemand sah nach dem","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Baume, ausgenommen das alte Kindermädchen, das zwischen die Zweige blickte; aber","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"es geschah nur, um zu sehen, ob nicht noch eine Feige oder ein Apfel vergessen","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"sei.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Eine Geschichte, eine Geschichte!\" riefen die Kinder und zogen einen kleinen,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"dicken Mann gegen den Baum hin, und er setzte sich gerade unter ihn, \"denn so","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"sind wir im Grünen,\" sagte er, \"und der Baum kann besonders Nutzen davon haben,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"zuzuhören! Aber ich erzähle nur eine Geschichte. Wollt ihr die von Ivede-Avede","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"oder die von Klumpe-Dumpe hören, der die Treppen hinunterfiel und doch erhöht","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"wurde und die Prinzessin bekam?\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"lvede-Avede!\" schrien einige, \"Klumpe-Dumpe!\" schrien andere. Das war ein","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Rufen! Nur der Tannenbaum schwieg ganz still und dachte: \"Komme ich gar nicht","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"mit, werde ich nichts dabei zu tun haben?\" Er hatte ja geleistet, was er sollte.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Der Mann erzählte von Klumpe-Dumpe, der die Treppen hinunterfiel und doch","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"erhöht wurde und die Prinzessin bekam. Und die Kinder klatschten in die Hände","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"und riefen: \"Erzähle, erzähle!\" Sie wollten auch die Geschichte von Ivede-","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Avede hören, aber sie bekamen nur die von Klumpe-Dumpe. Der Tannenbaum stand","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"ganz stumm und gedankenvoll, nie hatten die Vögel im Walde dergleichen erzählt.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Klumpe-Dumpe fiel die Treppen hinunter und bekam doch die Prinzessin! \"Ja, ja,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"so geht es in der Welt zu!\" dachte der Tannenbaum und glaubte, daß es wahr sei,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"weil ein so netter Mann es erzählt hatte. \"Ja, ja! Vielleicht falle ich auch die","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Treppe hinunter und bekomme eine Prinzessin!\" Und er freute sich, den nächsten","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Tag wieder mit Lichtern und Spielzeug, Gold und Früchten und dem Stern von","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Flittergold aufgeputzt zu werden.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Morgen werde ich nicht zittern!\" dachte er. \"Ich will mich recht aller meiner","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Herrlichkeit freuen. Morgen werde ich wieder die Geschichte von Klumpe-Dumpe und","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"vielleicht auch die von Ivede-Avede hören.\" Und der Baum stand die ganze Nacht","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"still und gedankenvoll.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Am Morgen kamen die Diener und das Mädchen herein.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Nun beginnt der Staat aufs neue!\" dachte der Baum; aber sie schleppten ihn","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"zum Zimmer hinaus, die Treppe hinauf, auf den Boden und stellten ihn in einen","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"dunklen Winkel, wohin kein Tageslicht schien. \"Was soll das bedeuten?\" dachte","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"der Baum. \"Was soll ich hier wohl machen? Was mag ich hier wohl hören sollen?\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Er lehnte sich gegen die Mauer und dachte und dachte. Und er hatte Zeit genug,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"denn es vergingen Tage und Nächte; niemand kam herauf, und als endlich jemand","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"kam, so geschah es, um einige große Kasten in den Winkel zu stellen; der Baum","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"stand ganz versteckt, man mußte glauben, daß er ganz vergessen war.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Nun ist es Winter draußen!\" dachte der Baum. \"Die Erde ist hart und mit Schnee","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"bedeckt, die Menschen können mich nicht pflanzen; deshalb soll ich wohl bis zum","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Frühjahr hier im Schutz stehen! Wie wohlbedacht ist das! Wie die Menschen doch","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"so gut sind! Wäre es hier nur nicht so dunkel und schrecklich einsam! Nicht","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"einmal ein kleiner Hase! Das war doch niedlich da draußen im Walde, wenn der","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Schnee lag und der Hase vorbeisprang, ja selbst als er über mich hinwegsprang;","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"aber damals mochte ich es nicht leiden. Hier oben ist es doch schrecklich","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"einsam!\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Piep, piep!\" sagte da eine kleine Maus und huschte hervor; und dann kam noch","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"eine kleine. Sie beschnüffelten den Tannenbaum, und dann schlüpften sie zwischen","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"seine Zweige.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Es ist eine greuliche Kälte!\" sagten die kleinen Mäuse. \"Sonst ist hier gut","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"sein; nicht wahr, du alter Tannenbaum?\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Ich bin gar nicht alt!\" sagte der Tannenbaum; \"es gibt viele, die weit älter","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"sind denn ich!\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Woher kommst du?\" fragten die Mäuse, \"und was weißt du?\" Sie waren gewaltig","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"neugierig. \"Erzähle uns doch von den schönsten Orten auf Erden! Bist du","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"dort gewesen? Bist du in der Speisekammer gewesen, wo Käse auf den Brettern","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"liegen und Schinken unter der Decke hängen, wo man auf Talglicht tanzt, mager","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"hineingeht und fett herauskommt?\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Das kenne ich nicht,\" sagte der Baum; \"aber den Wald kenne ich, wo die Sonne","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"scheint und die Vögel singen!\" Und dann erzählte er alles aus seiner Jugend. Die","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"kleinen Mäuse hatten früher nie dergleichen gehört, sie horchten auf und sagten:","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Wieviel du gesehen hast! Wie glücklich du gewesen bist!\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Ich?\" sagte der Tannenbaum und dachte über das, was er selbst erzählte, nach.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Ja, es waren im Grunde ganz fröhliche Zeiten!\" Aber dann erzählte er vom","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Weihnachtsabend, wo er mit Zuckerwerk und Lichtern geschmückt war.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Oh,\" sagten die kleinen Mäuse, \"wie glücklich du gewesen bist, du alter","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Tannenbaum!\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Ich bin gar nicht alt!\" sagte der Baum; \"erst in diesem Winter bin ich","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"aus dem Walde gekommen! Ich bin in meinem allerbesten Alter, ich bin nur so","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"aufgeschossen.\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Wie schön du erzählst!\" sagten die kleinen Mäuse, und in der nächsten Nacht","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"kamen sie mit vier anderen kleinen Mäusen, die den Baum erzählen hören sollten,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"und je mehr er erzählte, desto deutlicher erinnerte er sich selbst an alles","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"und dachte: \"Es waren doch ganz fröhliche Zeiten! Aber sie können wiederkommen,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"können wiederkommen! Klumpe-Dumpe fiel die Treppe hinunter und bekam doch die","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Prinzessin; vielleicht kann ich auch eine Prinzessin bekommen.\" Und dann dachte","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"der Tannenbaum an eine kleine, niedliche Birke, die draußen im Walde wuchs; das","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"war für den Tannenbaum eine wirkliche, schöne Prinzessin.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Wer ist Klumpe-Dumpe?\" fragten die kleinen Mäuse. Da erzählte der Tannenbaum","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"das ganze Märchen, er konnte sich jedes einzelnen Wortes entsinnen; die kleinen","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Mäuse sprangen aus reiner Freude bis an die Spitze des Baumes. In der folgenden","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Nacht kamen weit mehr Mäuse und am Sonntage sogar zwei Ratten, aber die meinten,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"die Geschichte sei nicht hübsch, und das betrübte die kleinen Mäuse, denn nun","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"hielten sie auch weniger davon.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Wissen Sie nur die eine Geschichte?\" fragten die Ratten.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Nur die eine,\" antwortete der Baum; \"die hörte ich an meinem glücklichsten","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Abend, aber damals dachte ich nicht daran, wie glücklich ich war.\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Das ist eine höchst jämmerliche Geschichte! Kennen Sie keine von Speck und","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Talglicht? Keine Speisekammergeschichte?\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Nein!\" sagte der Baum.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Ja, dann danken wir dafür!\" erwiderten die Ratten und gingen zu den Ihrigen","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"zurück.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Die kleinen Mäuse blieben zuletzt auch weg, und da seufzte der Baum: \"Es war","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"doch ganz hübsch, als sie um mich herumsaßen, die beweglichen kleinen Mäuse, und","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"zuhörten, wie ich erzählte! Nun ist auch das vorbei! Aber ich werde gerne daran","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"denken, wenn ich wieder hervorgenommen werde.\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Aber wann geschah das? Ja, es war eines Morgens, da kamen Leute und","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"wirtschafteten auf dem Boden; die Kasten wurden weggesetzt, der Baum wurde","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"hervorgezogen; sie warfen ihn freilich ziemlich hart gegen den Fußboden, aber","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"ein Diener schleppte ihn gleich nach der Treppe hin, wo der Tag leuchtete.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Nun beginnt das Leben wieder!\" dachte der Baum; er fühlte die frische Luft, die","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"ersten Sonnenstrahlen, und nun war er draußen im Hofe. Alles ging geschwind, der","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Baum vergaß völlig, sich selbst zu betrachten, da war so vieles ringsumher zu","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"sehen. Der Hof stieß an einen Garten, und alles blühte darin; die Rosen hingen","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"frisch und duftend über das kleine Gitter hinaus, die Lindenbäume blühten, und","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"die Schwalben flogen umher und sagten: \"Quirrevirrevit, mein Mann ist kommen!\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Aber es war nicht der Tannenbaum, den sie meinten.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Nun werde ich leben!\" jubelte der und breitete seine Zweige weit aus; aber ach,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"die waren alle vertrocknet und gelb; und er lag da zwischen Unkraut und Nesseln.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Der Stern von Goldpapier saß noch oben in der Spitze und glänzte im hellen","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Sonnenschein.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Im Hofe selbst spielten ein paar der munteren Kinder, die zur Weihnachtszeit den","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Baum umtanzt hatten und so froh über ihn gewesen waren. Eins der kleinsten lief","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"hin und riß den Goldstern ab.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Sieh, was da noch an dem häßlichen, alten Tannenbaum sitzt!\" sagte es und trat","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"auf die Zweige, so daß sie unter seinen Stiefeln knackten.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Der Baum sah auf all die Blumenpracht und Frische im Garten, er betrachtete sich","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"selbst und wünschte, daß er in seinem dunklen Winkel auf dem Boden geblieben","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"wäre; er gedachte seiner frischen Jugend im Walde, des lustigen Weihnachtsabends","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"und der kleinen Mäuse, die so munter die Geschichte von Klumpe-Dumpe angehört","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"hatten.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Vorbei, vorbei!\" sagte der arme Baum. \"Hätte ich mich doch gefreut, als ich es","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"noch konnte! Vorbei, vorbei!\"","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Der Diener kam und hieb den Baum in kleine Stücke, ein ganzes Bund lag da; hell","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"flackerte es auf unter dem großen Braukessel. Der Baum seufzte tief, und jeder","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Seufzer war einem kleinen Schusse gleich; deshalb liefen die Kinder, die da","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"spielten, herbei und setzten sich vor das Feuer, blickten hinein und riefen:","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"\"Piff, paff!\" Aber bei jedem Knalle, der ein tiefer Seufzer war, dachte der","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Baum an einen Sommerabend im Walde oder an eine Winternacht da draußen, wenn","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"die Sterne funkelten; er dachte an den Weihnachtsabend und an Klumpe-Dumpe, das","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"einzige Märchen, das er gehört hatte und zu erzählen wußte – und dann war der","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Baum verbrannt.","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Die Knaben spielten im Garten, und der kleinste hatte den Goldstern auf der","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"Brust, den der Baum an seinem glücklichsten Abend getragen hatte. Nun war der","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"vorbei, und mit dem Baum war es vorbei und mit der Geschichte auch; vorbei,","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"vorbei. Und so geht es mit allen Geschichten!","book":"Der Tannenbaum"} {"text":"IN SIEBEN GESCHICHTEN","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Erste Geschichte,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"welche von dem Spiegel und den Scherben handelt.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Seht, nun fangen wir an. Wenn wir am Ende der Geschichte sind, wissen wir mehr","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"als jetzt, denn es war ein böser Kobold! Es war einer der allerärgsten, es war","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"der Teufel! Eines Tages war er recht bei Laune, denn er hatte einen Spiegel","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"gemacht, welcher die Eigenschaft besaß, daß alles Gute und Schöne, was sich","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"darin spiegelte, fast zu Nichts zusammenschwand, aber das, was nichts taugte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und sich schlecht ausnahm, hervortrat und noch ärger wurde. Die herrlichsten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Landschaften sahen wie gekochter Spinat darin aus, und die besten Menschen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wurden widerlich und standen auf dem Kopfe ohne Rumpf, die Gesichter wurden","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"so verdreht, daß sie nicht zu erkennen waren, und hatte man einen Sonnenfleck,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"so konnte man überzeugt sein, daß er sich über Nase und Mund verbreitete. Das","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sei äußerst belustigend, sagte der Teufel. Fuhr nun ein guter frommer Gedanke","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"durch einen Menschen, dann zeigte sich ein Grinsen im Spiegel, so daß der Teufel","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"über seine künstliche Erfindung lachen mußte. Alle, welche die Koboldschule","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"besuchten, denn er hielt Koboldschule, erzählten überall, daß ein Wunder","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"geschehen sei; nun könne man erst sehen, meinten sie, wie die Welt und die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Menschen wirklich aussähen. Sie liefen mit dem Spiegel umher, und zuletzt gab","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"es kein Land oder keinen Menschen mehr, welcher nicht verdreht darin erschienen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wäre. Nun wollten sie auch zum Himmel auffliegen, um sich über die Engel und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"den lieben Gott lustig zu machen. Je höher sie mit dem Spiegel flogen, um so","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"mehr grinste er; sie konnten ihn kaum festhalten. Sie flogen höher und höher,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Gott und den Engeln näher; da erzitterte der Spiegel so fürchterlich in seinem","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Grinsen, daß er ihren Händen entfiel und zur Erde stürzte, wo er in hundert","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Millionen, Billionen und noch mehr Stücke zersprang. Und nun grade verursachte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"er weit größeres Unglück als zuvor; denn einige Stücke waren kaum so groß wie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ein Sandkorn, und diese flogen ringsumher in der weiten Welt, und wo jemand","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sie in das Auge bekam, da blieben sie sitzen, und da sahen die Menschen alles","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"verkehrt oder hatten nur Augen für das Verkehrte bei einer Sache; denn jede","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"kleine Spiegelscherbe hatte dieselben Kräfte behalten, welche der ganze Spiegel","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"besaß. Einige Menschen bekamen sogar eine Spiegelscherbe in das Herz,m und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"dann war es ganz greulich; das Herz wurde einem Klumpen Eis gleich. Einige","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Spiegelscherben waren so groß, daß sie zu Fensterscheiben verbraucht wurden;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"aber durch diese Scheiben taugte es nicht, seine Freunde zu betrachten. Andere","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Stücke kamen in Brillen, und dann ging es schlecht, wenn die Leute diese Brillen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"aufsetzten, um recht zu sehen und gerecht zu sein; der Böse lachte, daß ihm","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"der Bauch wackelte, und das kitzelte ihn so angenehm. Aber draußen flogen noch","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"kleine Glasscherben in der Luft umher. Nun werden wir's hören!Zweite Geschichte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Ein kleiner Knabe und ein kleines Mädchen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Drinnen in der großen Stadt, wo so viele Menschen und Häuser sind, ja nicht","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"einmal Platz genug ist, daß alle Leute einen kleinen Garten besitzen können,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und wo sich deshalb die meisten mit Blumen in Blumentöpfen begnügen müssen,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"waren zwei arme Kinder, die einen etwas größeren Garten als einen Blumentopf","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"besaßen. Sie waren nicht Bruder und Schwester, aber sie waren sich ebenso gut,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"als wenn sie es gewesen wären. Die Eltern wohnten einander gerade gegenüber in","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"zwei Dachkammern, wo das Dach des einen Nachbarhauses gegen das andere stieß und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die Wasserrinne zwischen den Dächern entlang lief; dort war in jedem Haus ein","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"kleines Fenster; man brauchte nur über die Rinne zu schreiten, so konnte man von","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"dem einen Fenster zum anderen gelangen.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Die Eltern hatten draußen beiderseits einen großen hölzernen Kasten, und darin","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wuchsen Küchenkräuter, die sie brauchten, und ein kleiner Rosenstock. Es stand","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"einer in jedem Kasten; die wuchsen gar herrlich! Nun fiel es den Eltern ein, die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Kasten quer über die Rinne zu stellen, so daß sie fast von dem einen Fenster zum","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"andern reichten und zwei Blumenwällen ganz ähnlich sahen. Erbsenranken hingen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"über die Kasten herunter, und die Rosenstöcke schossen lange Zweige, die sich um","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die Fenster rankten und einander entgegen bogen; es sah fast einer Ehrenpforte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"von Blättern und Blumen gleich. Da die Kasten sehr hoch waren und die Kinder","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wußten,daß sie nicht hinaufkriechen durften, so erhielten sie oft die Erlaubnis,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"zueinander hinauszusteigen und auf ihren kleinen Schemeln unter den Rosen zu","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sitzen, da spielten sie dann so prächtig.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Im Winter hatte dieses Vergnügen ein Ende. Die Fenster waren oft ganz","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"zugefroren; aber dann wärmten sie Kupferschillinge auf dem Ofen und legten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"den warmen Schilling gegen die gefrorene Scheibe; dadurch entstand ein schönes","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Guckloch, so rund, so rund; dahinter blitzte ein lieblich mildes Auge, eines","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"vor jedem Fenster; das war der kleine Knabe und das kleine Mädchen. Er hieß Kay,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und sie hieß Gerda. Im Sommer konnten sie mit einem Sprunge zueinander gelangen;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"im Winter mußten sie erst die vielen Treppen herunter und die Treppen hinauf;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"draußen stob der Schnee.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Das sind die weißen Bienen, die schwärmen,\" sagte die Großmutter.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Haben sie auch eine Bienenkönigin?\" fragte der kleine Knabe, denn er wußte, daß","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"unter den wirklichen Bienen eine solche ist.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Die haben sie!\" sagte die Großmutter. \"Sie fliegt dort, wo sie am dichtesten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"schwärmen! Es ist die größte von allen, und nie bleibt sie ruhig auf Erden, sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"fliegt wieder in die schwarze Wolke hinauf. Manche Mitternacht fliegt sie durch","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die Straßen der Stadt und blickt zu den Fenstern hinein, und dann frieren die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"gar sonderbar und sehen wie Blumen aus.\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Ja, das habe ich gesehen!\" sagten beide Kinder und wußten nun, daß es wahr","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sei. \"Kann die Schneekönigin hier hereinkommen?\" fragte das kleine Mädchen.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Laß sie nur kommen!\" sagte der Knabe, \"dann setze ich sie auf den warmen Ofen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und sie schmilzt.\" Aber die Großmutter glättete sein Haar und erzählte andere","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Geschichten.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Am Abend, als der kleine Kay zu Hause und halb entkleidet war, kletterte er auf","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"den Stuhl am Fenster und guckte aus dem kleinen Loch. Ein paar Schneeflocken","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"fielen draußen, und eine derselben, die allergrößte, blieb auf dem Rand des","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"einen Blumenkastens liegen; die Schneeflocke wuchs mehr und mehr und wurde","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"zuletzt ein ganzes Frauenzimmer, in den feinsten weißen Flor gekleidet, der wie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"aus Millionen sternartiger Flocken zusammengesetzt war. Sie war so schön und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"fein, aber von Eis, von blendendem, blinkendem Eise. Doch war sie lebendig; die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Augen blitzten wie zwei klare Sterne; aber es war keine Ruhe oder Rast in ihnen.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Sie nickte dem Fenster zu und winkte mit der Hand. Der kleine Knabe erschrak und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sprang vom Stuhl herunter; da war es, als ob draußen vor dem Fenster ein großer","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Vogel vorbeiflöge.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Am nächsten Tag wurde es klarer Frost – und dann kam das Frühjahr; die Sonne","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"schien, das Grün keimte hervor, die Schwalben bauten Nester, die Fenster wurden","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"geöffnet, und die kleinen Kinder saßen wieder in ihrem kleinen Garten hoch oben","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"in der Dachrinne über allen Stockwerken.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Die Rosen blühten diesen Sommer so prachtvoll; das kleine Mädchen hatte einen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Psalm gelernt, in welchem auch von Rosen die Rede war; und bei den Rosen dachte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sie an ihre eigenen; und sie sang ihn dem kleinen Knaben vor, und er sang mit:","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Die Rosen, sie verblüh'n und verwehen,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Wir werden das Christkindlein sehen!","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und die Kleinen hielten einander bei den Händen, küßten die Rosen, blickten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"in Gottes hellen Sonnenschein hinein und sprachen zu demselben, als ob das","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Jesuskind da sei. Was waren das für herrliche Sommertage; wie schön war es","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"draußen bei den frischen Rosenstöcken, welche unermüdlich zu blühen schienen!","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Kay und Gerda saßen und blickten in das Bilderbuch mit Tieren und Vögeln, da war","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"es – die Uhr schlug gerade fünf auf dem großen Kirchturm –, daß Kay sagte: \"Au!","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Es stach mir in das Herz, und mir flog etwas in das Auge!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Das kleine Mädchen fiel ihm um den Hals; er blinzelte mit den Augen; nein, es","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"war gar nichts zu sehen.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Ich glaube, es ist weg!\" sagte er; aber weg war es nicht. Es war gerade","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"so einer von jeden Glassplittern, welche vom Spiegel gesprungen waren, dem","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Zauberspiegel, wir entsinnen uns seiner wohl, dem häßlichen Glase, welches alles","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Große und Gute, das sich darin abspiegelte, klein und häßlich machte; aber das","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Böse und Schlechte trat ordentlich hervor, und jeder Fehler an einer Sache war","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"gleich zu bemerken. Der arme Kay hatte auch ein Splitterchen gerade in das Herz","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hinein bekommen. Das wird nun bald wie ein Eisklumpen werden; nun tat es nicht","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"mehr weh, aber das Splitterchen war da.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Weshalb weinst du?\" fragte er. \"So siehst du häßlich aus! Mir fehlt ja nichts!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"– \"Pfui\" rief er auf einmal: \"Die Rose dort hat einen Wurmstich! Und sieh,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"diese da ist ja ganz schief! Im Grunde sind es häßliche Rosen! Sie gleichen dem","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Kasten, in welchem sie stehen!\" Und dann stieß er mit dem Fuß gegen den Kasten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und riß die beiden Rosen ab.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Kay, was machst du?\" rief das kleine Mädchen. Und als er ihren Schreck gewahr","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wurde, riß er noch eine Rose ab und sprang dann in sein Fenster hinein und von","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"der kleinen lieblichen Gerda fort.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Als sie später mit dem Bilderbuch kam, sagte er, daß das für Wickelkinder passe;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und erzählte die Großmutter Geschichten, so kam er immer mit einem \"aber\" –","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"konnte er dazu gelangen, dann ging er hinter ihr her, setzte eine Brille auf und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sprach ebenso wie sie; das machte er ganz treffend, und die Leute lachten über","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ihn. Bald konnte er Sprache und Gang von allen Menschen in der ganzen Straße","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"nachahmen. Alles, was an ihnen eigentümlich und unschön war, das wußte Kay","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"nachzumachen; und die Leute sagten: \"Das ist sicher ein ausgezeichneter Kopf,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"den der Knabe hat!\" Aber es war das Glas, welches ihm in dem Herzen saß; daher","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"kam es auch, daß er selbst die kleine Gerda neckte, die ihm von ganzem Herzen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"gut war.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Seine Spiele wurden nun ganz anders als früher; sie waren so verständig. An","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"einem Wintertag, als es schneite, kam er mit einem großen Brennglas, hielt","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"seinen blauen Rockzipfel hin und ließ die Schneeflocken darauf fallen. \"Sieh nun","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"in das Glas, Gerda!\" sagte er; und jede Schneeflocke wurde viel größer und sah","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"aus wie eine prächtige Blume oder ein zehneckiger Stern; es war schön anzusehen.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Siehst du, wie künstlich!\" sagte Kay. \"Das ist weit interessanter als die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wirklichen Blumen! Und es ist kein einziger Fehler daran; sie sind ganz akkurat,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wenn sie nur nicht schmölzen!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Bald darauf kam Kay mit großen Handschuhen und seinem Schlitten auf dem Rücken;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"er rief Gerda in die Ohren: \"Ich habe Erlaubnis erhalten, auf dem großen Platz","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"zu fahren, wo die anderen Knaben spielen!,\" und weg war er.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Dort auf dem Platz banden die kecksten Knaben oft ihre Schlitten an die Wagen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"der Landleute fest, und dann fuhren sie ein gutes Stück Wegs mit. Das ging recht","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"schön. Als sie im besten Spielen waren, kam ein großer Schlitten; der war ganz","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"weiß angestrichen, und darin saß jemand, in einen rauhen weißen Pelz gehüllt","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und mit einer rauhen weißen Mütze; der Schlitten fuhr zweimal um den Platz","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"herum, und Kay band seinen kleinen Schlitten schnell daran fest, und nun fuhr","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"er mit. Es ging rascher und rascher, gerade hinein in die nächste Straße; der,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"welcher fuhr, drehte sich um, nickte dem Kay freundlich zu; es war, als ob sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"einander kannten. Jedesmal, wenn Kay seinen kleinen Schlitten ablösen wollte,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"nickte der Fahrende wieder, und dann blieb Kay sitzen; sie fuhren zum Stadttor","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hinaus. Da begann der Schnee so hernieder zu fallen, daß der kleine Knabe keine","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Hand vor sich erblicken konnte; aber er fuhr weiter. Nun ließ er schnell die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Schnur fahren, um von dem großen Schlitten loszukommen, aber das half nichts,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sein kleines Fuhrwerk hing fest, und es ging mit Windeseile vorwärts. Da rief er","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ganz laut, aber niemand hörte ihn, und der Schnee stob, und der Schlitten flog","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"von dannen; mitunter gab es einen Sprung; es war, als führe er über Gräben und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Hecken. Der Knabe war ganz erschrocken; er wollte sein Vaterunser beten, aber er","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"konnte sich nur des großen Einmaleins entsinnen.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Die Schneeflocken wurden größer und größer; zuletzt sahen sie aus wie große","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"weiße Hühner. Auf einmal sprangen sie zur Seite; der große Schlitten hielt, und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die Person, die in ihm fuhr, erhob sich; der Pelz und die Mütze waren ganz und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"gar von Schnee; es war eine Dame, hoch und schlank, glänzend weiß; es war die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Schneekönigin.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Wir sind gut gefahren!\" sagte sie. \"Aber wer wird frieren! Krieche in meinen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Bärenpelz!\" Und sie setzte ihn neben sich in den Schlitten und schlug den Pelz","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"um ihn; es war, als versinke er in einem Schneetreiben.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Friert dich noch?\" fragte sie, und dann küßte sie ihn auf die Stirn. Oh! das","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"war kälter als Eis; das ging ihm gerade hinein bis ins Herz, welches ja doch","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"zur Hälfte ein Eisklumpen war. Es war, als sollte er sterben; aber nur einen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Augenblick, dann tat es ihm recht wohl; er spürte nichts mehr von der Kälte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ringsumher.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Meinen Schlitten! Vergiß nicht meinen Schlitten!\" Daran dachte er zuerst, und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"der wurde an eins der weißen Hühnchen festgebunden, und dieses flog hinterher","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"mit dem Schlitten auf dem Rücken. Die Schneekönigin küßte Kay nochmals, und da","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hatte er die kleine Gerda, die Großmutter und alle daheim vergessen.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Nun bekommst du keine Küsse mehr!\" sagte sie; \"denn sonst küßte ich dich tot!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Kay sah sie an; sie war so schön; ein klügeres, lieblicheres Antlitz konnte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"er sich nicht denken. Nun erschien sie ihm nicht von Eis wie damals, als sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"draußen vor dem Fenster saß und ihm winkte; in seinen Augen war sie vollkommen;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"er fühlte gar keine Furcht. Er erzählte ihr, daß er kopfrechnen könne, und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"zwar mit Brüchen; er wisse des Landes Quadratmeilen und die Einwohnerzahl; sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"lächelte immer. Da kam es ihm vor, als sei es doch nicht genug, was er wisse;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und er blickte hinauf in den großen Luftraum; und sie flog mit ihm, flog hoch","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hinauf auf die schwarze Wolke, und der Sturm sauste und brauste; es war, als","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sänge er alte Lieder. Sie flogen über Wälder und Seen, über Meere und Länder;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"unter ihnen sauste der kalte Wind, die Wölfe heulten, der Schnee knisterte;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"über demselben flogen die schwarzen, schreienden Krähen dahin; aber hoch oben","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"schien der Mond so groß und klar, und dort betrachtete Kay die lange, lange","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Winternacht. Am Tage schlief er zu den Füßen der Schneekönigin.Dritte Geschichte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Der Blumengarten bei der Frau, welche zaubern konnte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Aber wie erging es der kleinen Gerda, als Kay nicht zurückkehrte? Wo war er nur","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"geblieben? Niemand wußte es, niemand konnte Bescheid geben. Die Knaben erzählten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"nur, daß sie ihn seinen Schlitten an einen mächtig großen hätten binden sehen,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"der in die Straße hinein und zu dem Stadttor hinausgefahren sei. Niemand wußte,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wo er war, und viele Tränen flossen. Die kleine Gerda weinte so viel und so","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"lange, denn sagte sie, er sei tot, er sei im Fluß ertrunken, der nahe bei der","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Schule vorbeifloß; oh, das waren recht lange, finstere Wintertage!","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Nun kam der Frühling mit wärmerem Sonnenschein.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Kay ist tot und fort!\" sagte die kleine Gerda.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Das glaube ich nicht!\" antwortete der Sonnenschein.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Er ist tot und fort!\" sagte sie zu den Schwalben.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Das glauben wir nicht!\" erwiderten diese, und am Ende glaubte die kleine Gerda","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"es auch nicht.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Ich will meine neuen roten Schuhe anziehen,\" sagte sie eines Morgens, \"die,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"welche Kay nie gesehen hat, und dann will ich zum Fluß hinuntergehen und den","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"nach ihm fragen!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und es war noch ganz früh; sie küßte die alte Großmutter, die noch schlief, zog","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die roten Schuhe an und ging ganz alleine aus dem Stadttor zu dem Fluß. \"Ist es","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"war, das du mir meinen kleinen Spielkameraden genommen hast? Ich will dir meine","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"roten Schuhe schenken, wenn du ihn mir wiedergeben willst!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und es war ihr, als nickten die Wellen so sonderbar. Da nahm sie ihre roten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Schuhe, die sie am liebsten hatte, und warf sie alle beide in den Fluß hinein;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"aber sie fielen dicht an das Ufer, und die kleinen Wellen trugen sie ihr wieder","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"an das Land. Es war gerade, als wollte der Fluß nicht das liebste, was sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"besaß, weil er den kleinen Kay ja nicht hatte. Aber sie glaubte nun, daß sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die Schuhe nicht weit genug hinausgeworfen habe; und so kroch sie in ein Boot,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"welches im Schilf lag. Sie ging ganz an das äußerste Ende desselben und warf","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die Schuhe von da in das Wasser; aber das Boot war nicht festgebunden, und bei","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"der Bewegung, welche sie verursachte, glitt es vom Land ab. Sie bemerkte es und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"beeilte sich, herauszukommen; doch ehe sie zurückkam, war das Boot über eine","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Elle vom Lande, und nun trieb es schneller von dannen. Da erschrak die kleine","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Gerda sehr und fing an zu weinen; allein niemand außer den Sperlingen hörte sie,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und die konnten sie nicht an das Land tragen. Aber sie flogen längs dem Ufer und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sangen, gleichsam um sie zu trösten: \"Hier sind wir, hier sind wir!\" Das Boot","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"trieb mit dem Strom; die kleine Gerda saß ganz still, nur mit Strümpfen an den","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Füßen; ihre kleinen roten Schuhe trieben hinter ihr her; aber sie konnten das","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Boot nicht erreichen, das hatte stärkere Fahrt. Hübsch war es an beiden Ufern;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"schöne Blumen, alte Bäume und Hänge mit Schafen und Kühen; aber nicht ein Mensch","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"war zu erblicken. \"Vielleicht trägt mich der Fluß zu dem kleinen Kay,\" dachte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Gerda, und da wurde sie heiterer, erhob sich und betrachtete viele Stunden die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"grünen, schönen Ufer. Dann gelangte sie zu einem großen Kirschgarten, in welchem","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ein kleines Haus mit sonderbaren roten und blauen Fenstern war; übrigens hatte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"es ein Strohdach, und im Garten standen zwei hölzerne Soldaten, die vor der","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Vorbeisegelnden das Gewehr schulterten.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Gerda rief nach ihnen; sie glaubte, daß sie lebendig seien; aber sie antworteten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"natürlich nicht. Sie kam ihnen ganz nahe, denn der Fluß trieb das Boot gerade","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"auf das Land zu.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Gerda rief noch lauter, und da kam eine alte, alte Frau aus dem Hause, die sich","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"auf einen Krückstock stützte; sie hatte einen großen Sonnenhut auf, und der war","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"mit den schönsten Blumen bemalt.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Du armes, kleines Kind!\" sagte die alte Frau; \"wie bist du doch auf den großen,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"reißenden Strom gekommen und weit in die Welt hinausgetrieben!\" Und dann ging","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die alte Frau ganz in das Wasser hinein, erfaßte mit ihrem Krückstock das Boot,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"zog es an das Land und hob die kleine Gerda heraus.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und Gerda war froh, wieder auf das Trockene zu gelangen, obgleich sie sich vor","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"der fremden alten Frau ein wenig fürchtete.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Komm doch und erzähle mir, wer du bist und wie du hierher kommst!\" sagte sie.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und Gerda erzählte ihr alles; und die Alte schüttelte den Kopf und sagte: \"Hm!","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Hm!\" und als ihr Gerda alles gesagt und gefragt hatte ob sie nicht den kleinen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Kay gesehen habe, sagte die Frau, daß er nicht vorbeigekommen sei, aber er werde","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wohl noch kommen. Sie solle nur nicht betrübt sein, sondern ihre Kirschen kosten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und ihre Blumen betrachten; die seien schöner als irgendein Bilderbuch; eine","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"jede könne eine Geschichte erzählen, und die alte Frau schloß die Tür zu.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Die Fenster lagen sehr hoch, und die Scheiben waren rot, blau und gelb; das","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Tageslicht schien mit allen Farben gar sonderbar herein, aber auf dem Tisch","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"standen die schönsten Kirschen, und Gerda aß davon, soviel sie wollte, denn","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"das war ihr erlaubt. Während sie aß, kämmte die alte Frau ihr Haar mit einem","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"goldenen Kamm, und das Haar ringelte sich und glänzte herrlich golden rings um","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"das kleine freundliche Antlitz, welches so rund war und wie eine Rose aussah.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Nach einem so lieben, kleinen Mädchen habe ich mich schon lange gesehnt,\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sagte die Alte. \"Nun wirst du sehen, wie gut wir miteinander leben werden!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und so wie sie der kleinen Gerda Haar kämmte, vergaß Gerda mehr und mehr ihren","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Spielgefährten Kay; denn die alte Frau konnte zaubern; aber eine böse Zauberin","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"war sie nicht. Sie zauberte nur ein wenig zu ihrem Vergnügen und wollte gern die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"kleine Gerda behalten. Deshalb ging sie in den Garten, steckte ihren Krückstock","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"gegen alle Rosensträucher aus, und wie schön sie auch blühten, so sanken sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"doch alle in die schwarze Erde hinunter, und man konnte nicht sehen, wo sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"gestanden hatten. Die Alte fürchtete, wenn Gerda die Rosen erblickte, möchte sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"an ihre eigenen denken, sich dann des kleinen Kay erinnern und davonlaufen.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Nun führte sie Gerda hinaus in den Blumengarten. Was war da für ein Duft und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"eine Herrlichkeit! Alle nur denkbaren Blumen, und zwar für jede Jahreszeit,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"standen hier im prächtigsten Flor; kein Bilderbuch konnte bunter und schöner","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sein. Gerda sprang vor Freude hochauf und spielte, bis die Sonne hinter","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"den hohen Kirschbäumen unterging, da bekam sie ein schönes Bett mit roten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Seidenkissen, die waren mit bunten Veilchen gestopft; und sie schlief und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"träumte so herrlich wie nur eine Königin an ihrem Hochzeitstag.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Am nächsten Tag konnte sie wieder mit den Blumen im warmen Sonnenschein spielen,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und so verflossen viele Tage. Gerda kannte jede Blume; aber wieviel derer auch","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"waren, stets war es ihr doch, als ob eine fehle, allein welche, das wußte sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"nicht. Da sitzt sie eines Tages und betrachtet der alten Frau Sonnenhut mit den","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"gemalten Blumen, und gerade die schönste darunter war eine Rose. Die Alte hatte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"vergessen, diese vom Hut wegzunehmen, als sie die andern in die Erde senkte.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Aber so ist es, wenn man die Gedanken nicht immer beisammen hat! \"Was, sind","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hier keine Rosen?\" sagte Gerda und sprang zwischen die Beete, suchte und suchte;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ach, da war keine zu finden. Nun setzt sie sich hin und weinte, aber ihre Tränen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"fielen gerade auf eine Stelle, wo ein Rosenstrauch verschwunden war, und als","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die warmen Tränen die Erde bewässerten, schoß der Strauch auf einmal empor,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"so blühend, wie er versunken war und Gerde umarmte ihn, küßte die Rosen und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"gedachte der herrlichen Rosen daheim und mit ihnen auch des kleinen Kay.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Oh, wie bin ich aufgehalten worden!\" sagte das kleine Mädchen. \"Ich wollte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ja den kleinen Kay suchen! Wißt ihr nicht, wo er ist?\" fragte sie die Rosen.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Glaubt ihr, daß er tot ist?\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Tot ist er nicht,\" antworteten die Rosen. \"Wir sind ja in der Erde gewesen;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"dort sind alle Toten, aber Kay war nicht da.\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Ich danke euch,\" sagte die kleine Gerda und ging zu den anderen Blumen hin, sah","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"in deren Kelche hinein und fragte: \"Wißt ihr nicht, wo der kleine Kay ist?\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Aber jede Blume stand in der Sonne und träumte ihr eigenes Märchen oder","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Geschichtchen; davon hörte Gerda so viele, viele; aber keine wußte etwas von","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Kay.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und was sagte die Feuerlilie? \"Hörst du die Trommel: bum! bum! Es sind nur zwei","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Töne; immer: bum! bum! Höre der Frauen Trauergesang, höre den Ruf der Priester.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"In ihrem langen roten Mantel steht das Hindu-Weib auf dem Scheiterhaufen;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die Flammen lodern um sie und ihren toten Mann empor; aber das Hindu-Weib","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"denkt an den Lebenden hier im Kreise, an ihn, dessen Auge heißer denn die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Flammen brennen, an ihn, dessen Augenfeuer ihr Herz stärker berührt als die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Flammen, welche bald ihren Körper zu Asche verbrennen. Kann die Flamme des","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Scheiterhaufens ersterben?\" - \"Das verstehe ich durchaus nicht,\" sagte die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"kleine Gerda. \"Das ist mein Märchen!\" sagte die Feuerlilie.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Was sagte die Winde? \"Über den schmalen Feldweg hinaus hängt eine alte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Ritterburg; das dichte Immergrün wächst um die alten roten Mauern empor,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Blatt an Blatt um den Altan herum, und da steht ein schönes Mädchen, es beugt","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sich über das Geländer hinaus und sieht den Weg hinunter. Keine Rose hängt","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"frischer an den Zweigen als dasselbe, keine Apfelblüte, wenn der Wind sie dem","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Baume entführt schwebt leichter dahin als dieses; wie rauscht das prächtige","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Seidengewand. 'Kommt er noch nicht?' \" - \"Ist es Kay, den du meinst?\" fragte die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"kleine Gerda. \"Ich spreche nur von meinem Märchen, meinem Traum,\" erwiderte die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Winde.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Was sagte die kleine Schneeblume? \"Zwischen den Bäumen hängt an Seilen das lange","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Brett; das ist eine Schaukel. Zwei niedliche kleine Mädchen – die Kleider sind","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"weiß wie der Schnee, lange grüne Seidenbänder flattern von den Hüten – sitzen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"darauf und schaukeln sich; der Bruder, welcher größer ist als sie, steht in der","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Schaukel. Er hat den Arm um das Seil geschlungen, um sich zu halten, denn in","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"der einen Hand hat er eine kleine Schale, in der andern eine Tonpfeife; er bläst","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Seifenblasen. Die Schaukel geht, und die Blasen steigen mit schönen, wechselnden","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Farben empor; die letzte hängt noch am Pfeifenstiel und biegt sich im Winde. Die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Schaukel geht; der kleine schwarze Hund, leicht wie die Blasen, erhebt sich auf","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"den Hinterfüßen und will mit in die Schaukel; sie fliegt; der Hund fällt, bellt","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und ist böse; er wird geneckt, die Blasen bersten. Ein schaukelndes Brett, ein","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"zerspringendes Schaumbild ist mein Gesang!\" - \"Es ist möglich, daß es hübsch","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ist, was du da erzählst; aber du sagst es so traurig und erwähnst den kleinen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Kay gar nicht.\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Was sagten die Hyazinthen? \"Es waren drei schöne Schwestern, gar durchsichtig","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und fein; der einen Kleid war rot, das der anderen blau, der dritten ihres","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ganz weiß; Hand in Hand tanzten sie beim stillen See im hellen Mondenschein. Es","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"waren keine Elfen, es waren Menschenkinder. Dort duftete es herrlich, und die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Mädchen verschwanden im Wald. Der Duft wurde stärker; drei Särge, darin lagen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die schönen Mädchen, glitten von des Waldes Dickicht über den See dahin; die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Johanniswürmchen flogen leuchtend ringsumher wie kleine schwebende Lichter.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Schlafen die tanzenden Mädchen, oder sind sie tot? Der Blumenduft sagt, sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sind Leichen; die Abendglocke läutet den Grabgesang!\" - \"Du machst mich ganz","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"betrübt,\" sagte die kleine Gerda. \"Du duftest so stark; ich muß an die toten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Mädchen denken! Ach, ist denn der kleine Kay wirklich tot? Die Rosen sind","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"unten in der Erde gewesen, und die sagen nein!\" - \"Kling, klang!\" läuten die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Hyazinthen-Glocken. \"Wir läuten nicht für den kleinen Kay, wir kennen ihn nicht;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wir singen nur unser Lied, das einzige, welches wir kennen.\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und Gerda ging zur Butterblume, die aus den glänzenden, grünen Blättern","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hervorschien. \"Du bist eine kleine helle Sonne!\" sagte Gerda. \"Sage mir, ob","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"du weißt, wo ich meinen Gespielen finden kann?\" Und die Butterblume glänzte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"so schön und sah wieder auf Gerda. Welches Lied konnte wohl die Butterblume","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"singen? Es handelte auch nicht vom Kay. \"In einem kleinen Hof schien die liebe","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Gottessonne am ersten Frühlingstage sehr warm; die Strahlen glitten an des","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Nachbarhauses weißen Wänden herab. Dicht dabei wuchs die erste gelbe Blume und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"glänzte golden in den warmen Sonnenstrahlen. Die alte Großmutter saß draußen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"in ihrem Stuhl. Die Enkelin, ein armes, schönes Dienstmädchen kehrte von einem","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"kurzen Besuch heim. Sie küßte die Großmuter; es war Gold, Herzensgold in dem","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"gesegneten Kuß. Gold im Munde, Gold im Grunde, Gold in der Morgenstunde! Sieh,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"das ist meine kleine Geschichte!\" sagte die Butterblume.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Meine arme, alte Großmutter!\" seufzte Gerda. \"Ja, sie sehnt sich gewiß nach","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"mir und grämt sich um mich, ebenso wie sie es um den kleinen Kay tat. Aber ich","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"komme bald wieder nach Hause, und dann bringe ich Kay mit. Es nützt nichts,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"daß ich die Blumen frage, die wissen nur ihr eigenes Lied; sie geben mir","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"keinen Bescheid!\" Und dann band sie ihr kleines Kleid auf, damit sie rascher","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"laufen könne; aber die Pfingstlilie schlug ihr über das Bein, als sie darüber","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hinsprang. Da blieb sie stehen, betrachtete die lange gelbe Blume und fragte:","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Weißt du vielleicht etwas'?\" Und sie bog sich ganz zur Pfingstlilie hinab; und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"was sagte die?","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Ich kann mich selbst erblicken! Ich kann mich selbst sehen!\" sagte die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Pfingstlilie. \"Oh, oh, wie ich rieche! Oben in dem kleinen Erkerzimmer steht,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"halb angekleidet, eine kleine Tänzerin; sie steht bald auf einem Bein, bald auf","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"beiden. Sie tritt die ganze Welt mit Füßen; sie ist nichts als Augentäuschung.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Sie gießt Wasser aus dem Teetopf auf ein Stück Zeug aus, welches sie hält; es","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ist der Schnürleib; Reinlichkeit ist eine schöne Sache! Das weiße Kleid hängt am","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Haken; das ist auch im Teetopf gewaschen und auf dem Dach getrocknet; sie zieht","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"es an und schlägt das safrangelbe Tuch um den Hals; nun scheint das Kleid noch","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"weißer. Das Bein ausgestreckt! Sieh, wie sie auf einem Stiele prangt! Ich kann","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"mich selbst erblicken! Ich kann mich selbst sehen!\" - \"Darum kümmere ich mich","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"gar nicht!\" sagte Gerda. \"Das brauchst du mir nicht zu erzählen\"; und dann lief","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sie nach dem Ende des Gartens.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Die Tür war verschlossen, aber sie drückte auf die verrostete Klinke, so daß","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"diese abging; die Tür sprang auf, und die kleine Gerda lief barfüßig in die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"weite Welt hinaus. Sie blickte dreimal zurück, aber niemand war da, der sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"verfolgte, zuletzt konnte sie nicht mehr laufen und setzte sich auf einen großen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Stein; und als sie sich umsah, war es mit dem Sommer vorbei. Es war Spätherbst;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"das konnte man in dem schönen Garten gar nicht bemerken, wo immer Sonnenschein","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und Blumen aller Jahreszeiten waren.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Gott, wie habe ich mich verspätet!\" sagte die kleine Gerda. \"Es ist ja Herbst","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"geworden! Da darf ich nicht ruhen!\" Und sie erhob sich, um zu gehen.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Oh, wie waren ihre kleinen Füße wund und müde! Ringsumher sah es kalt und rauh","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"aus; die langen Weidenblätter waren ganz gelb, und der Trau tröpfelte als Wasser","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"herab. Ein Blatt fiel nach dem andern ab; nur der Schlehdorn trug noch Früchte,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die waren aber herbe und zogen ihr den Mund zusammen. Oh, wie war es grau und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"schwer in der weiten Welt!","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Vierte Geschichte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Prinz und Prinzessin","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Gerda mußte wieder ausruhen; da hüpfte dort auf dem Schnee, der Stelle, wo sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"saß, gerade gegenüber, eine große Krähe; die hatte lange ruhig gesessen, sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"betrachtet und mit dem Kopf gewackelt. Nun sagte sie: \"Kra! Kra – Gu' Tag! Gu'","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Tag.\" Besser konnte sie es nicht herausbringen, aber sie meinte es gut mit dem","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"kleinen Mädchen und frage, wohin sie so allein in die weite Welt hinausginge.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Das Wort allein verstand Gerda sehr wohl und fühlte recht, wieviel darin liegt;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und sie erzählte der Krähe ihr ganzes Leben und Schicksal und fragte, ob sie Kay","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"nicht gesehen habe.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und die Krähe nickte ganz bedächtig und sagte: \"Das könnte sein! Das könnte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sein!\" - \"Wie? Glaubst du?\" rief das kleine Mädchen und hätte fast die Krähe","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"tot gedrückt: so küßte sie diese. \"Vernünftig, vernünftig!\" sagte die Krähe.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Ich glaube, ich weiß; ich glaube, es kann sein; der kleine Kay – aber nun","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hat er dich sicher über der Prinzessin vergessen!\" - \"Wohnt er bei einer","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Prinzessin?\" frage Gerda. \"Ja, höre!\" sagte die Krähe. \"Aber es fällt mir so","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"schwer, deine Sprache zu reden. Verstehst du die Krähensprache, dann will ich","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"besser erzählen.\" - \"Nein, die habe ich nicht gelernt,\" sagte Gerda; \"aber die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Großmutter verstand sie, und auch sprechen konnte sie diese Sprache. Hätte ich","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sie nur gelernt!\" - \"Tut gar nichts!\" sagte die Krähe. \"Ich werde erzählen,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"so gut ich kann; aber schlecht wird es gehen\"; und dann erzählte sie, was sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wußte.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"In diesem Königreich, in welchem wir jetzt sitzen, wohnt eine Prinzessin,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die ist ganz unbändig klug; aber sie hat auch alle Zeitungen, die es in der","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Welt gibt, gelesen und wieder vergessen, so klug ist sie. Neulich saß sie auf","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"dem Thron, und das ist doch nicht so angenehm, sagt man; da fängt sie an, ein","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Lied zu singen, und das war gerade dieses: 'Weshalb sollt' ich wohl heiraten!'","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"'Höre, da ist etwas daran', sagte sie, und so wollte sie sich verheiraten;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"aber sie wollte einen Mann haben, der zu antworten verstehe, wenn man mit","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ihm spräche; einen, der nicht bloß dastände und vornehm aussähe, denn das","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sei zu langweilig. Nun ließ sie alle Hofdamen zusammentrommeln, und als diese","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hörten, was sie wollte, wurden sie sehr vergnügt. 'Das mag ich leiden!' sagten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sie; 'daran dachte ich neulich auch!' – Du kannst glauben, daß jedes Wort,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"was ich sage, wahr ist!\" sagte die Krähe. \"Ich habe eine zahme Geliebte, die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"geht frei im Schlosse umher, und die hat mir alles erzählt!\" Die Geliebte war","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"natürlicherweise auch eine Krähe. Denn eine Krähe sucht die andere, und es","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"bleibt immer eine Krähe.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Die Zeitungen kamen sogleich mit einem Rand von Herzen und der Prinzessin","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Namenszug heraus; man konnte darin lesen, daß es einem jeden jungen Manne,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"der gut aussehe, freistehe, auf das Schloß zu kommen und mit der Prinzessin zu","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sprechen, und derjenige, welcher am besten und so spräche, daß man hören könne,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"er sei in dem, was er spräche, zu Hause, den wolle die Prinzessin zum Manne","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"nehmen.\" – \"Ja, Ja,\" sprach die Krähe, \"du kannst es mir glauben, es ist so","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"gewiß wahr, wie ich hier sitze. Junge Männer strömten herzu; es war ein Gedränge","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und ein Gelaufe; aber es glückte keinem, weder am ersten nach am zweiten Tag.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Sie konnten alle gut sprechen, wenn sie draußen auf der Straße waren, aber","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wenn sie in das Schloßtor traten und dort die Gardisten in Silber sahen und auf","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"den Treppen die Lakaien in Gold und die großen erleuchteten Säle, dann wurden","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sie verwirrt. Und standen sie gar vor dem Throne, wo die Prinzessin saß, dann","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wußten sie nichts zu sagen als das letzte Wort, das die gesprochen hatte; und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"das noch einmal zu hören, dazu hatte sie keine Lust. Es war gerade, als ob sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"drinnen Schnupftabak auf den Magen bekommen hätten und in den Schlaf gefallen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wären, bis sie wieder auf die Straße kamen, denn dann konnten sie sprechen.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Da stand eine Reihe vom Stadttor bis zum Schlosse hin. Ich war selbst drinnen,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"um es zu sehen!\" sage die Krähe. \"Sie wurden hungrig und durstig, aber auf dem","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Schloß erhielten sie nicht einmal ein Glas laues Wasser. Zwar hatten einige der","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Klügsten, Butterbrot mitgebracht, aber sie teilten nicht mir ihrem Nachbarn; sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"dachten so: laß ihn nur hungrig aussehen, dann nimmt ihn die Prinzessin nicht!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Aber Kay, der kleine Kay!\" fragte Gerda. \"Wann kam der? War er unter der","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Menge?\" - \"Warte! warte! jetzt sind wir gerade bei ihm! Es war am dritten Tag,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"da kam eine kleine Person, ohne Pferd oder Wagen, ganz fröhlich gerade auf","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"das Schloß zumarschiert; seine Augen glänzten wie deine; er hatte schöne lange","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Haare, aber sonst ärmliche Kleider.\" - \"Das war Kay!\" jubelte Gerda. \"Oh, dann","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"habe ich ihn gefunden!\" und sie klatschte in die Hände.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Er hatte ein kleines Ränzel auf dem Rücken!\" sagte die Krähe. \"Nein, das war","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sicher sein Schlitten!\" sagte Gerda; \"denn mit dem Schlitten ging er fort!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"- \"Das kann wohl sein,\" sagte die Krähe, \"ich sah nicht so genau danach! Aber","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"das weiß ich von meiner zahmen Geliebten; als er in das Schloßtor kam und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die Leibgardisten in Silber sah und auf den Treppen die Lakaien in Gold, daß","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"er nicht im mindesten verlegen wurde; er nickte und sagte zu ihnen: 'es muß","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"langweilig sein, auf der Treppe zu stehen; ich gehe lieber hinein!'. Da glänzten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die Säle von Lichtern; Geheimräte und Exzellenzen gingen mit bloßen Füßen und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"trugen Goldgefäße; man konnte wohl andächtig werden! Seine Stiefel knarrten gar","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"gewaltig laut, aber ihm wurde doch nicht bange.\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Das ist ganz gewiß Kay!\" sagte Gerda. \"Ich weiß, er hatte neue Stiefel an, ich","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"habe sie in der Großmutter Stube knarren hören!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Ja, freilich knarrten sie!\" sagte die Krähe. \"Und frischen Muts ging er gerade","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"zur Prinzessin hinein, die auf einer großen Perle saß, welche so groß wie ein","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Spinnrad war; und alle Hofdamen mit ihren Jungfern und den Jungfern der Jungfern","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und alle Kavaliere mit ihren Dienern und den Dienern der Diener, die wieder","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"einen Burschen hielten, standen ringsherum aufgestellt; und je näher sie der","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Türe standen, desto stolzer sahen sie aus. Des Dieners Diener Burschen, der","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"immer in Pantoffeln geht, darf man kaum anzusehen wagen; so stolz steht er an","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"der Tür!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Das muß greulich sein!\" sagte die kleine Gerda. \"Und Kay hat doch die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Prinzessin erhalten?\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Wäre ich nicht eine Krähe gewesen, so hätte ich sie genommen, und das","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ungeachtet ich verlobt bin. Er soll ebenso gut gesprochen haben, wie ich","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"spreche, wenn ich die Krähensprache rede; das habe ich von meiner zahmen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Geliebten gehört. Er war fröhlich und niedlich, Er war nicht gekommen zum","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Freien, sondern nur, um der Prinzessin Klugheit zu hören; und die fand er gut,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und sie fand ihn wieder gut.\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Ja, sicher! das war Kay!\" sagte Gerda. \"Er war so klug; er konnte die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Kopfrechnung mit Brüchen! Oh, willst du mich nicht auf dem Schloß einführen?\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Ja, das ist leicht gesagt!\" antwortete die Krähe. \"Aber wie machen wir das? Ich","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"werde es mit meiner zahmen Geliebten besprechen; sie kann uns wohl Rat erteilen;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"denn das muß ich dir sagen: so ein kleines Mädchen, wie du bist, bekommt nie die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Erlaubnis, ganz hinein zu kommen!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Ja, die erhalten ich!\" sagte Gerda. \"Wenn Kay hört, daß ich da bin, kommt er","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"gleich heraus und holt mich!\" - \"Erwarte mich dort am Gitter!\" sagte die Krähe,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wackelte mit dem Kopfe und flog davon.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Erst als es spät am Abend war, kehrte die Krähe wieder zurück. \"Rar! Rar!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sagte sie. \"Ich soll dich vielmal von ihr grüßen, und hier ist ein kleines Brot","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"für dich, daß nahm sie aus der Küche; dort ist Brot genug, und du bist sicher","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hungrig. Es ist nicht möglich, daß du in das Schloß hineinkommen kannst: du bist","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ja barfuß. Die Gardisten in Silber und Lakaien in Gold würden es nicht erlauben.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Aber weine nicht! Du sollst schon hinaufkommen. Meine Geliebte kennt eine kleine","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Hintertreppe, die zum Schlafgemach führt, und sie weiß, wo sie den Schlüssel","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"erhalten kann.\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und die gingen in den Garten hinein, in die große Allee, wo ein Blatt nach dem","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"anderen abfiel; und als auf dem Schloß die Lichter ausgelöscht wurden, das eine","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"nach dem andern, führte die Krähe die kleine Gerda zu einer Hintertür, die nur","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"angelehnt war.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Oh, wie Gerdas Herz vor Angst und Sehnsucht pochte! Es war gerade, als ob sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"etwas Böses tun wollte; und sie wollte ja doch nur wissen, ob es der kleine Kay","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sei. Ja, er mußte es sein; sie gedachte so lebendig seiner klugen Augen, seines","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"langen Haares; sie konnte ordentlich sehen, wie er lächelte, wie damals, als","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sie daheim unter den Rosen saßen. Er würde sicher froh werden, sie zu erblicken;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"zu hören, welchen langen Weg sie um seinetwillen zurückgelegt; zu wissen, wie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"betrübt sie alle daheim gewesen, als er nicht wiedergekommen. Oh, das war eine","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Furcht und eine Freude!","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Nun waren sie auf der Treppe; da brannte eine kleine Lampe auf einem Schrank;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"mitten auf dem Fußboden stand die zahme Krähe; \"Ihre Vita, wie man es nennt, ist","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"auch sehr rührend. Wollen Sie die Lampe nehmen, dann werde ich vorausgehen. Wir","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"gehen hier den geraden Weg, denn da begegnen wir niemandem.\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Es ist mir, als ginge jemand hinter uns,\" sagte Gerda: und es sauste an ihr","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"vorbei. Es war wie Schatten an der Wand: Pferde mit fliegenden Mähnen und dünnen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Beinen, Jägerburschen, Herren und Damen zu Pferde.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Das sind nur Träume,\" sagte die Krähe; \"die kommen und holen der hohen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Herrschaft Gedanken zur Jagd. Das ist recht gut, dann können Sie sie besser im","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Bette betrachten. Aber ich hoffe, wenn Sie zu Ehren und Würden gelangen, werden","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Sie ein dankbares Herz zeigen.\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Das versteht sich von selbst!\" sagte die Krähe vom Walde. \"Nun kamen sie in","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"den ersten Saal; der war von rosenrotem Atlas mit künstlichen Blumen an den","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Wänden hinauf; hier sausten an ihnen schon die Träume vorbei; aber sie fuhren","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"so schnell, daß Gerda die hohen Herrschaften nicht zu sehen bekam. Ein Saal war","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"immer prächtiger als der andere; ja man konnte verdutzt werden.\" Nun waren sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"im Schlafgemach. Hier glich die Decke einer großen Palme mit Blättern von Glas,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"von kostbarem Glase; und mitten auf dem Fußboden hingen an einem dicken Stengel","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"von Gold zwei Betten, von denen jedes wie eine Lilie aussah; die eine war weiß,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"in der lag die Prinzessin; die andere war rot, und in dieser sollte Gerda den","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"kleinen Kay suchen. Sie bog eines der roten Blätter zur Seite, und da sah sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"einen braunen Nacken.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Oh, das war Kay! Sie rief ganz lauf seinen Namen, hielt die Lampe nach ihm hin","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"– die Träume sausten zu Pferde wieder in die Stube herein – er erwachte, drehte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"den Kopf und und – es war nicht der kleine Kay.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Der Prinz glich ihm nur im Nacken; aber jung und Hübsch war er. Und aus dem","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"weißen Lilienblatt blinzelte die Prinzessin hervor und frage, wer da sei. Da","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"weinte die kleine Gerda und erzählte ihre ganze Geschichte und alles, was die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Krähen für sie getan hätten.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Du armes Kind!\" sprach der Prinz und die Prinzessin; und sie belobten die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Krähen und sagten, daß sie gar nicht böse auf sie seien; aber sie sollten es","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"doch nicht öfters tun. Übrigens sollten sie eine Belohnung erhalten.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Wollt ihr frei fliegen?\" fragte die Prinzessin. \"Oder wollt ihr feste","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Anstellung als Hofkrähen haben, mit allem, was in der Küche abfällt?\" Und beide","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Krähen verneigten sich und baten um feste Anstellung, denn sie gedachten des","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Alters und sagten: \"Es wäre gar schön, etwas für die alten Tage zu haben,\" wie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sie es nannten.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und der Prinz stand aus seinem Bette auf und ließ Gerda darin schlafen, doch","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"mehr konnte er nicht tun. Sie faltete ihre kleinen Hände und dachte: \"Wie gut","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sind die Menschen und die Tiere!\" Und dann schloß sie ihre Augen und schlief","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"so sanft. Alle Träume kamen wieder hereingeflogen, und da sahen sie wie Gottes","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Engel aus, und sie zogen einen kleinen Schlitten, auf welchem Kay saß und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"nickte; aber das Ganze war nur Traum, und deshalb war es auch wieder fort,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sobald sie erwachte.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Am folgenden Tag wurde sie von Kopf bis Fuß in Seide und Samt gekleidet; es","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wurde ihr angeboten, auf dem Schloß zu bleiben und gute Tage zu genießen; aber","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sie bat nur um einen kleinen Wagen mit einem Pferd davor und um ein Paar kleine","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Stiefel; dann wolle sie wieder in die weite Welt hinausfahren und Kay suchen.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und sie erhielt sowohl Stiefel als auch einen Muff; sie wurde niedlich","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"gekleidet, und als sie fort wollte, hielt vor der Tür eine neue Kutsche aus","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"reinem Gold; des Prinzen und der Prinzessin Wappen glänzte an derselben wie ein","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Stern; Kutscher, Diener und Vorreiter, denn es waren auch Vorreiter da, saßen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"mit Goldkronen auf dem Kopf zu Pferde. Der Prinz und die Prinzessin selbst","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"halfen ihr in den Wagen und wünschten ihr alles Glück. Die Waldkrähe, welche","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"nun verheiratet war, begleitete sie die ersten drei Meilen; sie saß ihr zur","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Seite, denn sie konnte nicht vertragen, rückwärts zu fahren. Die andere Krähe","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"stand in der Tür und schlug mit den Flügeln; sie kam nicht mit, denn sie litt","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"an Kopfschmerzen, seitdem sie eine feste Anstellung und zuviel zu essen erhalten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hatte. Inwendig war die Kutsche mit Zuckerbrezeln gefüttert, und im Sitz waren","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Früchte und Pfeffernüsse.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Lebe wohl! Lebe wohl!\" riefen der Prinz und die Prinzessin; und die kleine","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Gerda weinte, und die Krähe weinte. So ging es die ersten Meilen; da sagte auch","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die Krähe Lebewohl, und das war der schwerste Abschied; sie flog auf einen Baum","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und schlug mit ihren schwarzen Flügeln, so lange sie den Wagen, welcher wie der","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"helle Sonnenschein glänzte, erblicken konnte.Fünfte Geschichte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Das kleine Räubermädchen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Sie fuhren durch den dunklen Wald, aber die Kutsche leuchtete wie eine Fackel;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"das stach den Räubern in die Augen, das konnten sie nicht ertragen. \"Das","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ist Gold, das ist Gold!\" riefen sie, stürzten hervor, hielten die Pferde an,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"schlugen die kleinen Vorreiter, den Kutscher und die Diener tot und zogen dann","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die kleine Gerda aus dem Wagen.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Sie ist fett, sie ist niedlich, sie ist mit Mußkernen gefüttert!\" sagte das","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"alte Räuberweib, das einen langen struppigen Bart und Augenbrauen hatte, die ihm","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"über die Augen herabhingen.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Die ist so gut wie ein kleines fettes Lamm; wie wird die schmecken!\" Und dann","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"zog es sein blankes Messer heraus, und das glänzte, daß es gräßlich war.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Au!\" sagte das Weib zu gleicher Zeit; es wurde von der eigenen Tochter, die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"auf dessen Rücken hing, so wild und unartig in das Ohr gebissen, daß es eine","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Lust war. \"Du häßlicher Balg!\" sagte die Mutter und hatte nicht Zeit, Gerda zu","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"schlachten.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Sie soll mit mir spielen!\" sagte das kleine Räubermädchen. \"Sie soll mir ihren","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Muff, ihr hübsches Kleid geben, bei mir in meinem Bette schlafen!\" Und dann bis","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sie wieder, daß das Räuberweib in die Höhe sprang und sich ringsherum drehte.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und alle Räuber lachten und sagten: \"Seht, wie es mit seinem Kalbe tanzt!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Ich will in den Wagen hinein,\" sagte das kleine Räubermädchen. Und es mußte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und wollte seinen Willen haben, denn es war ganz verzogen und sehr hartnäckig!","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Es saß mit Gerda drinnen, und so fuhren sie über Stock und Stein immer tiefer","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"in den Wald. Das kleine Räubermädchen war so groß wie Gerda, aber stärker,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"breitschultriger und von dunkler Haut; die Augen waren ganz schwarz; sie sahen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"fast traurig aus. Sie faßte die kleine Gerda um den Leib und sagte: \"Sie sollen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"dich nicht schlachten, so lange ich dir nicht böse werde. Du bist wohl eine","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Prinzessin?\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Nein,\" sagte Gerda und erzählte ihr alles, was sie erlebt hatte und wie sehr","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sie den kleinen Kay lieb hätte.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Das Räubermädchen betrachtete sie ganz ernsthaft, nickte ein wenig mit dem Kopf","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und sagte: \"Sie sollen dich nicht schlachten, selbst wenn ich dir böse werde;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"dann werde ich es schon selber tun!\" Und dann trocknete sie Gerdas Augen und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"steckte ihre beiden Hände in den schönen Muff, der gar weich und warm war.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Nun hielt die Kutsche still; sie waren mitten auf dem Hof eines Räuberschlosses.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Dasselbe war von oben bis unten geborsten; Raben und Krähen flogen aus den","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"offenen Löchern, und die großen Bullenbeißer, von denen jeder aussah, als könnte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"er einen Menschen verschlingen, sprangen hoch empor aber sie bellten nicht, denn","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"es war verboten.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"In dem großen, alten, verräucherten Saal brannte mitten auf dem steinernen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Fußboden ein helles Feuer; der Rauch zog unter der Decke hin und mußte sich","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"selbst den Ausweg suchen; ein großer Braukessel mit Suppe kochte, und Hasen wie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Kaninchen wurden an Spießen gebraten.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Du sollst die Nacht mit mir bei allen meinen kleinen Tiefen schlafen,\" sagte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"das Räubermädchen. Sie bekamen zu essen und zu trinken und gingen dann in eine","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Ecke, wo Stroh und Teppiche lagen. Darüber saßen auf Latten und Stäben mehr als","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hundert Tauben, die alle zu schlafen schienen, sich aber doch ein wenig drehten,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"als die beiden kleinen Mädchen kamen.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Die gehören alle mir!\" sagte das kleine Räubermädchen und ergriff rasch eine","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"der nächsten, hielt sie bei den Füßen und schüttelte sie, daß sie mit den","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Flügeln schlug. \"Küsse sie!\" rief sie und schlug sie Gerda ins Gesicht. \"Da","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sitzen die Waldkanaillen,\" fuhr es fort und zeigte hinter eine Anzahl Stäbe, die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"vor einem Loch oben in die Mauer eingeschlagen waren. \"Das sind Waldkanaillen,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die beiden; die fliegen gleich fort, wenn man sie nicht ordentlich verschlossen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hält; und hier steht mein alter liebster Ba!\" Und sie zog ein Rentier am Horn","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"vor, welches einen blanken kupfernen Ring um den Hals trug und angebunden war.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Den müssen wir auch in der Klemme halten, sonst springt er von uns fort. An","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"jedem Abend kitzele ich ihn mit meinem scharfen Messer am Halse, davor furchtet","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"er sich sehr!\" Und das kleine Mädchen zog ein langes Messer aus einer Spalte in","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"der Mauer und ließ es über des Renntiers Hals hingleiten; das arme Tier schlug","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"mit den Beinen aus, das kleine Räubermädchen lachte und zog dann Gerda mit in","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"das Bett hinein.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Willst du das Messer bei dir behalten, wenn du schläfst?\" frage Gerda und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"blickte es etwas furchtsam an.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Ich schlafe immer mit dem Messer!\" sagte das kleine Räubermädchen. \"Man weiß","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"nie, was vorfallen kann. Aber fahre nun fort mit dem, was du mir vorhin von","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"dem kleinen Kay erzähltest und weshalb du in die weite Welt hinausgegangen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"bist.\" Und Gerda erzählte wieder von vorn, und die Waldtauben gurrten oben im","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Käfig, und die andern Tauben schliefen. Das kleine Räubermädchen legte seinen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Arm um Gerdas Hals, hielt das Messer in der andren Hand und schlief, daß man es","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hören konnte; aber Gerda konnte ihre Augen nicht schließen, sie wußte nicht, ob","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sie leben oder sterben würde. Die Räuber saßen rings um das Feuer, sangen und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"tranken, und das Räuberweib überpurzelte sich. Oh, es war ganz gräßlich für das","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"kleine Mädchen mit anzusehen.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Da sagten die Waldtauben: \"Kurre! Kurre! wir haben den kleinen Kay gesehen. Ein","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"weißes Huhn trug seinen Schlitten; er saß im Wagen der Schneekönigin, welcher","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"dicht über den Wald hinfuhr, als wir im Nest lagen; sie blies auf uns Junge,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und außer uns beiden starben alle. Kurre! Kurre!\" - \"Was sagt ihr da oben?\" rief","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Gerda. \"Wohin reiste die Schneekönigin? Wißt ihr etwas davon?\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Sie reiste wahrscheinlich nach Lappland, denn dort ist immer Schnee und Eis!","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Frage das Rentier, welches am Strick angebunden steht.\" - \"Dort ist Eis und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Schnee, dort ist es herrlich und gut!\" sagte das Rentier. \"Dort springt man","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"frei umher in den großen glänzenden Tälern! Dort hat die Schneekönigin ihr","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Sommerzelt; aber ihr festes Schloß ist oben, gegen den Nordpol zu, auf der","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Insel, die Spitzbergen genannt wird!\" - \"O Kay, kleiner Kay!\" seufzte Gerda. \"Du","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"mußt still liegen!\" sagte das Räubermädchen; \"Sonst stoße ich dir das Messer in","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"den Leib!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Am Morgen erzählte Gerda ihr alles, was die Waldtauben gesagt hatten und das","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"kleine Räubermädchen sah ganz ernsthaft aus, nickte aber mit dem Kopfe und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sagte: \"Das ist einerlei! Das ist einerlei! – Weißt du, wo Lappland ist?\" fragte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sie das Rentier. \"Wer könnte es wohl besser wissen als ich?\" sagte das Tier, und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die Augen funkelten ihm im Kopfe. \"Dort bin ich geboren und erzogen; dort bin","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ich auf den Schneefeldern herumgesprungen!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Höre!\" sagte das Räubermädchen zu Gerda; \"du siehst, alle unsere Mannsleute","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sind fort, nur die Mutter ist noch hier, und die bleibt; aber gegen Mittag","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"trinkt sie aus der großen Flasche und schlummert nachher ein wenig darauf; dann","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"werde ich etwas für dich tun!\" Nun sprang sie aus dem Bett, fuhr der Mutter um","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"den Hals, zupfte sie am Bart und sagte: \"Mein einzig lieber Ziegenbock, guten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Morgen!\" Und die Mutter gab ihr Nasenstüber, daß die Nase rot und blau wurde;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und das geschah alles aus lauter Liebe.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Als die Mutter dann aus ihrer Flasche getrunken hatte und darauf einschlief,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ging das Räubermädchen zum Rentier hin und sagte: \" Ich könnte große Freude","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"daran haben, dich noch manches Mal mit dem scharfen Messer zu kitzeln, denn dann","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"bist du so possierlich; aber es ist einerlei. Ich will deine Schnur lösen und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"dir hinaushelfen, damit du nach Lappland laufen kannst; aber du mußt tüchtig","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Beine machen und dieses kleine Mädchen zum Schlosse der Schneekönigin bringen,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wo ihr Spielkamerad ist. Du hast wohl gehört, was sie erzählte, denn sie sprach","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"laut genug, und du horchtest!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Das Rentier sprang vor Freude hochauf. Das Räubermädchen hob die kleine Gerda","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hinaus und hatte die Vorsicht, sie fest zu binden, ja sogar, ihr ein kleines","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Kissen zum Sitzen zu geben: \"Da hast du auch deine Pelzstiefel,\" sagte sie,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"denn es wird kalt; aber den Muff behalte ich, der ist gar zu niedlich!","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Darum sollst du aber doch nicht frieren. Hier hast du meiner Mutter große","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Fausthandschuhe, die reichen dir gerade bis zum Ellbogen hinauf. Krieche hinein:","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Nun siehst du an den Händen ebenso aus wie meine häßliche Mutter!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und Gerda weinte vor Freude. \"Ich kann nicht leiden, daß du weinst!\" sagte das","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"kleine Räubermädchen. \"Jetzt mußt du gerade recht froh aussehen! Und da hast du","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"zwei Brote und einen Schinken; nun wirst du nicht hungern.\" Beides wurde hinten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"auf das Rentier gebunden, das kleine Räubermädchen öffnete die Tür, lochte alle","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die großen Hunde herein, durchschnitt dann den Strick mit ihrem scharfen Messer","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und sagte zum Rentier: \"Laufe nun! Aber gib auf das kleine Mädchen recht acht!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und Gerda streckte die Hände mit den großen Fausthandschuhen gegen das","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Räubermädchen aus und sagte Lebewohl, und dann flog das Rentier über Stock und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Stein davon, durch den großen Wald über Sümpfe und Steppen, so schnell es nur","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"konnte. Die Wölfe heulten, und die Raben schrieen. – Fugt! Fugt! ging es am","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Himmel. Es war gleichsam, als ob er rot niese.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Das sind meine alten Nordlichter!\" sagte das Rentier; \"sieh, wie sie leuchten!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und dann lief es noch schneller davon, Tag und Nacht. Die Brote wurden verzehrt,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"der Schinken auch, und dann waren sie in Lappland.Sechste Geschichte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Die Lappin und die Finnin","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Bei einem kleinen Haus hielten sie an; es war sehr jämmerlich. Das Dach ging","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"bis zur Erde herunter, und die Tür war so niedrig, daß die Familie auf dem Bauch","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"kriechen mußte, wenn sie heraus oder hinein wollte. Hier war außer einer alten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Lappin, die bei einer Tranlampe Fische kochte, niemand im Hause; und das Rentier","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"erzählte Gerdas ganze Geschichte, aber zuerst seine eigene, denn diese erschien","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ihm weit wichtiger; und Gerda war so angegriffen von der Kälte, daß sie nicht","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sprechen konnte.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Ach, ihr Armen!\" sagte die Lappin; \"da habt ihr noch weit zu laufen! Ihr müßt","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"über hundert Meilen weit in Finnmarken hinein, denn da wohnt die Schneekönigin","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"auf dem Lande und brennt jeden Abend bengalische Flammen. Ich werde einige Worte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"auf einen trocknen Stockfisch schreiben, Papier habe ich nicht; den werde ich","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"euch für die Finnin dort oben mitgeben. Sie kann euch besser Bescheid erteilen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"als ich!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und als Gerda nun erwärmt worden war und zu essen und zu trinken bekommen hatte,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"schrieb die Lappin einige Worte auf einen trockenen Stockfisch, bat Gerda, wohl","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"darauf zu achten, band sie wieder auf dem Rentier fest, und dieses sprang davon.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Fugt! Fugt! ging es oben in der Luft; die ganze Nacht brannten die schönsten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"blauen Nordlichter. Und dann kamen sie nach Finnmarken und klopften an den","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Schornstein der Finnin, denn sie hatte nicht einmal eine Tür.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Da war eine solche Hitze drinnen, daß die Finnin selbst fast völlig nackt","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ging. Sie war klein und ganz schmutzig. Sofort zog sie der kleinen Gerda die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Fausthandschuhe und Stiefel aus, denn sonst wäre es ihr zu heiß geworden, legte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"dem Rentier ein Stück Eis auf den Kopf und las dann, was auf dem Stockfisch","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"geschrieben stand. Sie las es dreimal, und dann wußte sie es auswendig und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"steckte den Fisch in den Suppenkessel, denn er konnte ja gegessen werden, und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sie verschwendete nie etwas.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Nun erzählte das Rentier zuerst seine Geschichte, dann die der kleinen Gerda,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und die Finnin blinzelte mit den klugen Augen, sagte aber gar nichts.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Du bist sehr klug,\" sagte das Rentier; \"ich weiß, du kannst alle Winde der Welt","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"in einen Zwirnsfaden zusammenbinden. Wenn der Schiffer den einen Knoten löst, so","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"bekommt er guten Wind, löst er den andern, dann weht es scharf, und löst er den","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"dritten und vierten, dann stürmt es, daß die Wälder umfallen. Willst du nicht","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"dem kleinen Mädchen einen Trank geben, daß sie Zwölf-Männer-Kraft erhält und die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Schneekönigin überwindet?\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Zwölf-Männer-Kraft?\" sagte die Finnin. \"Ja, das würde viel helfen!\" Und dann","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ging sie zu einem Bett, nahm ein großes zusammengerolltes Fell hervor und rollte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"es auf. Da waren wunderbare Buchstaben darauf geschrieben, und die Finnin las,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"daß ihr das Wasser von der Stirn herunterlief.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Aber das Rentier bat wieder so sehr für die kleine Gerda, und Gerda blickte die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Finnin mit so bittenden Augen voller Tränen an, daß diese wieder mit den ihrigen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"zu blinzeln anfing und das Rentier in einen Winkel zog, wo sie ihm zuflüsterte,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"während es wieder frisches Eis auf den Kopf bekam:","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Der kleine Kay ist freilich bei der Schneekönigin und findet dort alles nach","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"seinem Geschmack und Gefallen und glaubt, es sei der beste Ort in der Welt.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Aber das kommt daher, daß er einen Glassplitter in das Herz und ein kleines","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Glaskörnchen in das Auge bekommen hat; die müssen zuerst heraus, sonst wird er","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"nie wieder ein Mensch, und die Schneekönigin wird die Gewalt über ihn behalten!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Aber kannst du nicht der kleinen Gerda etwas eingeben, so daß sie Gewalt über","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"das Ganze erhält?\" - \"Ich kann ihr keine größere Gewalt geben als sie schon hat;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"siehst du nicht, wie groß die ist? Siehst du nicht, wie Menschen und Tiere ihr","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"dienen müssen, wie sie mit bloßen Füßen so gut in der Welt fortgekommen ist? Sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"kann nicht von uns ihre Macht erhalten; sie sitzt in ihrem Herzen und besteht","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"darin, daß sie ein liebes unschuldiges Kind ist. Kann sie nicht selbst zur","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Schneekönigin hineingelangen und das Glas aus dem kleinen Kay entfernen, dann","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"können wir nicht helfen! Zwei Meilen von hier beginnt der Schneekönigin Garten,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"dahin kannst du das kleine Mädchen tragen. Setze sie beim großen Busch ab,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"welcher mit roten Beeren im Schnee steht. Halte keinen Gevatterklatsch, sondern","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"spute dich, hierher zurückzukommen!\" Und dann hob die Finnin die kleine Gerda","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"auf das Rentier, das lief, was es konnte.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Oh, ich habe meine Stiefel nicht! Ich habe meine Fausthandschuhe nicht!\" rief","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die kleine Gerda. Das merkte sie in der schneidenden Kälte; aber das Rentier","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wagte nicht, anzuhalten. Es lief, bis es zu dem Busch mit den roten Beeren","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"gelangt. Da setzte es Gerda ab und küßte sie auf den Mund, und es liefen große,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"heiße Tränen über die Backen des Tieres; und dann sprang es, was es nur konnte,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wieder zurück. Da stand die arme Gerda ohne Schuhe, ohne Handschuhe mitten in","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"den fürchterlichen, eiskalten Finnmarken.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Sie lief vorwärts, so schnell sie nur konnte. Da kam ein ganzes Regiment","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Schneeflocken; aber die fielen nicht vom Himmel herunter, denn der war ganz","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hell und glänzte von Nordlichtern. Die Schneeflocken liefen gerade auf der Erde","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"dahin, und je näher sie kamen, desto größer wurden sie. Gerda erinnerte sich","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"noch, wie groß und künstlich die Schneeflocken damals ausgesehen hatten, als","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sie dieselben durch ein Brennglas betrachtete. Aber hier waren sie freilich","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"noch weit größer und fürchterlicher; sie lebten. Sie waren der Schneekönigin","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Vorposten; sie hatten die sonderbarsten Gestalten. Einige sahen aus wie häßliche","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"große Stachelschweine; andere wie Knoten, gebildet von Schlangen, welche die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Köpfe hervorstrecken; noch andere wie kleine dicke Bären, auf denen die Haare","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sich sträuben. Alle waren glänzend weiß, alle waren lebendige Schneeflocken.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Da betete die kleine Gerda ihr Vaterunser. Und die Kälte war so groß, daß sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ihren eigenen Atem sehen konnte; der ging ihr wie Rauch aus dem Munde. Der Atem","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wurde dichter und dichter und gestaltete sich zu kleinen Engeln, die mehr und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"mehr wuchsen, wenn sie die Erde berührten; und alle hatten Helme auf dem Kopf","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und Spieße und Schilde in den Händen. Ihre Anzahl wurde größer und größer,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und als Gerda ihr Vaterunser beendet hatte, war eine ganze Legion um sie. Sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"stachen mit ihren Spießen gegen die greulichen Schneeflocken, so daß diese in","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hundert Stücke zersprangen. Und die kleine Gerda ging ganz sicher und frischen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Mutes vorwärts. Die Engel streichelten ihr Hände und Füße, da empfand sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"weniger, wie kalt es war und eilte zu der Schneekönigin Schloß.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Aber nun müssen wir doch erst sehen, was Kay macht. Er dachte freilich nicht","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"an die kleine Gerda, und am wenigsten, daß sie draußen vor dem Schlosse","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"stehe.Siebente Geschichte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Von dem Schloß der Schneekönigin und war sich später darin zutrug","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Die Wände des Schlosses waren gebildet von dem treibenden Schnee und Fenster und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Türen von den schneidenden Winden. Es waren über hundert Säle darin, alle wie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sie der Schnee zusammenwehte. Der größte erstreckte sich mehrere Meilen lang.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Das starke Nordlicht beleuchtete sie alle, und sie waren so groß, so leer, so","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"eisig kalt und so glänzend! nie gab es hier Lustbarkeiten, nicht einmal einen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"kleinen Bärenball, wozu der Sturm hätte aufspielen und wobei die Eisbären","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hätten auf den Hinterfüßen gehen und ihre feinen Manieren zeigen können; nie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"eine kleine Spielgesellschaft mit Maulklapp und Tatzenschlag; nie ein klein","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"bißchen Kaffeeklatsch von den Weißfuchs- Fräuleins; leer, groß und kalt war","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"es in der Schneekönigin Sälen. Die Nordlichter flammten so genau, daß man sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"zählen konnte, wann sie am höchsten und wann sie am niedrigsten standen. Mitten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"in diesem leeren unendlichen Schneesaal war ein zugefrorener See, der war in","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"tausend Stücke zersprungen; aber jedes Stück war dem andern so gleich, daß es","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"ein vollkommenes Kunstwerk war. Und mitten auf dem See saß die Schneekönigin,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wenn sie zu Hause war, und dann sagte sie, daß sie im Spiegel des Verstandes","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"säße und daß dieser der einzige und der beste in der Welt sei.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Der kleine Kay war ganz blau vor Kälte, ja fast schwarz; aber er merkte es","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"nicht, denn sie hatte ihm den Frostschauer abgeküßt, und sein Herz glich","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"einem Eisklumpen. Er schleppte einige scharfe, flache Eisstücke hin und her,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die er auf alle mögliche Weise aneinanderfügte, denn er wollte damit etwas","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"herausbringen. Es war gerade, als wenn wir kleine Holztafeln haben und diese","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"in Figuren aneinanderlegen, was man das chinesische Spiel nennt. Kay ging auch","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und legte Figuren, und zwar die allerkunstvollsten. Das war das Eisspiel des","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Verstandes. In seinen Augen waren die Figuren ganz ausgezeichnet und von der","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"höchsten Wichtigkeit: das machte das Glaskörnchen, welches ihm im Auge saß! Er","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"legte vollständige Figuren, die ein geschriebenes Wort waren; aber nie konnte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"er es dahin bringen, das Wort zu legen, das er unbedingt haben wollte, das Wort","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Ewigkeit. Und die Schneekönigin hatte gesagt: \"Kannst du diese Figur ausfinden","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"machen, dann sollst du dein eigener Herr sein, und ich schenke dir die ganze","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Welt und ein Paar neue Schlittschuhe.\" Aber er konnte es nicht.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Nun sause ich fort zu den warmen Ländern!\" sagte die Schneekönigin. \"Ich will","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hinfahren und in die schwarzen Töpfe hineinsehen!\" Das waren die feuerspeienden","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Berge Ätna und Vesuv, wie man sie nennt. \"Ich werde sie ein wenig weiß","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"machen! Das gehört dazu; das tut den Zitronen und Weintrauben gut!\" Und die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Schneekönigin flog davon, und Kay saß ganz allein in dem viele Meilen großen,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"leeren Eissaal, betrachtete die Eisstücke und dachte und dachte, so daß es","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"in ihm knackte. Ganz steif und still saß er, man hätte glauben können, er sei","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"erfroren.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Da geschah es, daß die kleine Gerda durch das große Tor in das Schloß trat.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Hier herrschten schneidende Winde; aber sie betete ein Abendgebet, und da legten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sich die Winde, als ob sie schlafen wollten. Und sie trat in die großen, leeren,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"kalten Säle ein – da erblickte sie Kay. Sie erkannte ihn, sie flog ihm um den","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Hals, hielt ihn so fest und rief: \"Kay! Lieber, kleiner Kay! Da habe ich dich","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"endlich gefunden!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Aber er saß ganz still, steif und kalt; da weinte die kleine Gerda heiße Tränen,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die fielen auf seine Brust, sie drangen in sein Herz, sie tauten den Eisklumpen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"auf und verzehrten das kleine Spiegelstück darin. Er betrachtete sie, und sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sang:","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Rosen, die blüh'n und verwehen;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Wir werden das Christkindlein sehen!","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Da brach Kay in Tränen aus. Er weinte so, daß das Spiegelsplitterchen aus dem","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Auge schwamm, und nun erkannte er sie und jubelte: \"Gerda! Liebe, kleine Gerda!","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Wo bist du so lange gewesen? Und wo bin ich gewesen?\" Und er blickte rings um","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sich her. \"Wie kalt es hier ist! Wie es hier weit und leer ist!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und er klammerte sich an Gerda an, und sie lachte und weinte vor Freude. Das","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"war so herrlich, daß selbst die Eisstücke vor Freude ringsherum tanzten, und als","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"sie müde waren und sich niederlegten, lagen sie gerade in den Buchstaben, von","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"denen die Schneekönigin gesagt hatte, daß er sie ausfindig machen sollte, dann","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wäre er sein eigener Herr und sie wolle ihm die ganze Welt und ein Paar neue","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Schlittschuhe geben.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und Gerda küßte seine Wangen, und sie wurden blühend; sie küßte seine Augen,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und sie leuchteten gleich den ihrigen; sie küßte seine Hände und Füße, und er","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"war gesund und munter. Die Schneekönigin mochte nun nach Hause kommen; sein","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Freibrief stand da mit glänzenden Eisstücken geschrieben.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und sie faßten einander bei den Händen und wanderten aus dem großen Schloß","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hinaus. Sie sprachen von der Großmutter und von den Rosen oben auf dem Dach;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und wo sie gingen, ruhten die Winde und die Sonne brach hervor. Und als sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"den Busch mit den roten Beeren erreichten, stand das Rentier da und wartete. Es","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hatte ein anderes junges Rentier mit sich, dessen Euter voll war; und dieses gab","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"den Kleinen seine warme Milch und küßte sie auf den Mund. Dann trugen sie Kay","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und Gerda erst zur Finnin, wo sie sich in der heißen Stube aufwärmten und über","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die Heimreise Bescheid erhielten; dann zur Lappin, welche ihnen neue Kleider","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"genäht und ihren Schlitten instand gesetzt hatte.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Das Rentier und das Junge sprangen zur Seite und folgten, gerade bis zur Grenze","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"des Landes; dort sproßte das erste Grün hervor. Da nahmen sie Abschied vom","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Rentier und von der Lappin. \"Lebt wohl!\" sagten alle. Und die ersten kleinen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Vögel begannen zu zwitschern, der Wald hatte grüne Knospen, und aus ihm kam auf","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"einem prächtigen Pferde, welches Gerda kannte – es war vor der goldenen Kutsche","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"angespannt gewesen – , ein jungen Mädchen geritten, mit einer leuchtend roten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Mütze auf dem Kopf und Pistolen im Halfter. Das war das kleine Räubermädchen,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"welches es satt hatte, zu Hause zu sein, und nun erst gegen Norden und später,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wenn ihr das nicht zusagte, nach einer andern Weltgegend hinwollte. Sie erkannte","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Gerda gleich, und Gerda erkannte Sie; das war eine Freude!","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Du bist ein schöner Patron mit deinem Umherschweifen!\" sagte es zum kleinen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Kay. \"Ich möchte wissen, ob du verdienst, daß man deinethalben bis an der","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Welt Ende läuft!\" Aber Gerde klopfte ihr die Wangen und fragte nach dem","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Prinzen und der Prinzessin. \"Die sind nach fremden Ländern gereist!\" sagte das","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Räubermädchen.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Aber die Krähe?\" sagte Gerda. \"Ja, die Krähe ist tot!\" erwiderte sie. \"Die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"zahme Geliebte ist Witwe geworden und geht mit einem Endchen schwarzen wollenen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Garns um das Bein; sie klagt ganz jämmerlich, und Geschwätz ist das Ganze! –","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Aber erzähle mir nun, wie es dir ergangen ist und wie du ihn erwischt hast.\" Und","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Gerda und Kay erzählten.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"\"Snipp-Snapp-Snurre-Purre-Basselurre;\" sagte das Räubermädchen, nahm beide bei","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"den Händen und versprach, daß, wenn es je durch ihre Stadt kommen sollte, es","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"hinaufkommen werde, sie zu besuchen. Und dann ritt es in die weite Welt hinein.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Aber Kay und Gerda gingen Hand in Hand, und wo sie gingen, war es herrlicher","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Frühling mit Blumen und mit Grün. Die Kirchenglocken läuteten, und sie erkannten","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"die hohen Türme, die große Stadt; es war die, in der sie wohnten. Und sie","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"gingen in dieselbe hinein und hin zur Türe der Großmutter, die Treppe hinaus,","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"in die Stube hinein, wo alles wie früher auf derselben Stelle stand. Und die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Uhr ging: \"Tick! Tack!\" und die Zeiger drehten sich. Aber indem sie durch die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Tür gingen, bemerkten sie, daß sie erwachsene Menschen geworden waren. Die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Rosen aus der Dachrinne blühten zum offenen Fenster hinein, und da standen die","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"kleinen Kinderstühle, und Kay und Gerda setzten sich ein jeder auf den seinigen","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"und hielten einander bei den Händen; die kalte, leere Herrlichkeit bei der","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Schneekönigin hatten sie gleich einem schweren Traum vergessen. Die Großmutter","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"saß in Gottes hellem Sonnenschein und las laut aus der Bibel: \"Werdet ihr nicht","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"wie die Kinder, so werdet ihr das Reich Gottes nicht erben!\"","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Und Kay und Gerda sahen einander in die Augen, und sie verstanden auf einmal den","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"alten Gesang:","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Rosen, die blüh'n und verwehen;","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Wir werden das Christkindlein sehen!","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Da saßen sie beide, erwachsen und doch Kinder, Kinder im Herzen; und es war","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Sommer, warmer, wohltuender Sommer.","book":"Die Schneekönigin"} {"text":"Es war ein kleiner Knabe, der war erkältet. Er war ausgegangen und hatte nasse","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Füße bekommen. Niemand konnte begreifen wie, denn es war ganz trockenes Wetter.","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Nun entkleidete ihn seine Mutter, brachte ihn zu Bett und ließ die Teemaschine","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"hereinbringen, um ihm eine gute Tasse Fliedertee zu bereiten, denn der erwärmt!","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Zur gleichen Zeit kam auch der alte freundliche Mann zur Türe herein, der","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"ganz oben im Hause wohnte und ganz alleine lebte, denn er hatte weder Frau","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"noch Kinder, hielt aber viel auf alle Kinder und wußte so viele Märchen und","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Geschichten zu erzählen, daß es eine Lust war.","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Nun trinkst du deinen Tee!\" sagte die Mutter, \"vielleicht bekommst du dann auch","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"ein Märchen zu hören.\"","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Ja, wenn man nur eines wüßte!\" sagte der alte Mann und nickte freundlich. \"Wo","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"hat aber der Kleine die nassen Füße bekommen?\" fragte er.","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Ja, wie das geschehen ist,\" sagte die Mutter, \"das kann niemand begreifen.\"","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Bekomme ich ein Märchen zu hören?\" fragte der Knabe.","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Ja, kannst du mir einigermaßen genau sagen - denn das muß ich zuerst wissen -","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"wie tief der Rinnstein in der kleinen Gasse ist, wo du in die Schule gehst?\"","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Gerade bis mitten auf die Stiefelschäfte,\" sagte der Knabe; \"aber dann muß ich","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"in das tiefe Loch gehen!\"","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Sieh, davon haben wir die nassen Füße,\" sagte der Alte. \"Nun sollte ich","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"eigentlich ein Märchen erzählen, aber ich weiß keins mehr!\"","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Sie können gleich eins machen,\" sagte der kleine Knabe. \"Mutter sagt, daß","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"alles, was Sie betrachten, zu einem Märchen werden kann, und aus allem, was Sie","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"berühren, können Sie eine Geschichte machen!\"","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Ja, aber die Märchen und Geschichten taugen nichts! Nein, die ordentlichen, die","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"kommen von selbst, die klopfen mir an die Stirn und sagen: Hier bin ich!\"","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Klopft es nicht bald?\" fragte der kleine Knabe; und die Mutter lachte, tat","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Fliedertee in die Kanne und goß kochendes Wasser darüber.","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Erzähle! Erzähle!\"","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Ja, wenn ein Märchen von selbst kommen möchte; aber so eins ist vornehm; es","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"kommt nur, wenn es Lust hat.\" - \"Warte!\" sagte er auf einmal. \"Da haben wir es!","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Gib acht, nun ist eins in der Teekanne!\"","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Und der kleine Knabe sah zur Teekanne hin, der Deckel hob sich mehr und mehr und","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"die Fliederblüten kamen frisch und weiß daraus hervor. Sie schossen zu großen,","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"langen Zweigen empor; selbst aus der Schnauze verbreiteten sie sich nach allen","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Seiten und wurden größer und größer. Es war der herrlichste Fliederbusch, ein","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"großer Baum. Er ragte in das Bett hinein und schob die Vorhänge zur Seite;","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"nein, wie das blühte und duftete! Und mitten im Baum saß eine alte, freundliche","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Frau mit einem sonderbaren Kleid; es war ganz grün, so wie die Blätter des","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Fliederbaumes, und mit großen weißen Fliederblüten besetzt. Man konnte nicht","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"gleich erkennen, ob es Stoff oder lebendiges Grün und Blumen waren.","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Wie heißt die Frau?\" fragte der kleine Knabe.","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Ja, die Römer und die Griechen,\" sagte der alte Mann, \"die nannten sie eine","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Dryade, aber das verstehen wir nicht. Draußen in der Vorstadt der Matrosen haben","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"wir einen besseren Namen für sie; dort wird sie Fliedermütterchen genannt, und","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"sie ist es, auf die du acht geben mußt. Horch nur und betrachte den herrlichen","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Fliederbaum.","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Gerade ein solcher großer, blühender Baum steht da draußen. Er wuchs dort","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"in einem Winkel eines kleinen ärmlichen Hofes. Unter diesem Baum saßen eines","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Nachmittags im schönsten Sonnenschein zwei alte Leute. Es waren ein alter, alter","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Seemann und seine alte, alte Frau. Sie waren Urgroßeltern und glaubten bald","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"ihre goldene Hochzeit zu feiern, aber sie konnten sich des Datums nicht recht","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"entsinnen; und die Fliedermutter saß im Baum und sah so vergnügt aus, gerade wie","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"hier. 'Ich weiß wohl, wann die goldene Hochzeit ist!' sagte sie; aber sie hörten","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"es nicht, sie sprachen von alten Zeiten.","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"'Ja, entsinnst du dich', sagte der alte Seemann; 'damals, als wir noch ganz","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"klein waren und herumliefen und spielten. Es war gerade in demselben Hof, in","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"dem wir nun sitzen. Wir pflanzten kleine Zweige in den Hof und machten einen","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Garten.'","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"'Ja', sagte die alte Frau, 'daran erinnere ich mich recht gut. Wir begossen","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"die Zweige, und einer davon war ein Fliederzweig, der schlug Wurzeln, schoß","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"grüne Zweige und ist ein großer Baum geworden, unter dem wir alten Leute jetzt","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"sitzen.'","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"'Ja, sicher!' sagte er; 'und dort in der Ecke stand ein Wasserkübel, darin","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"schwamm mein Fahrzeug; ich hatte es selbst ausgehöhlt. Wíe das segeln konnte;","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"aber ich kam freilich bald anderswohin zum Segeln.'","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"'Ja, aber zuerst gingen wir in die Schule und lernten etwas', sagte sie; 'und","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"dann wurden wir eingesegnet. Wir weinten beide; aber des Nachmittags gingen wir","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Hand in Hand auf den runden Turm und sahen in die Welt hinaus über Kopenhagen","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"und das Wasser. Dann gingen wir nach Frederiksborg, wo der König und dir Königin","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"in ihrem prächtigen Boot auf den Kanälen herumfuhren.'","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"'Ich aber mußte anderswo umherfahren, und das viele Jahre, weit weg, auf den","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"langen Reisen!'","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"'Ja, ich weinte oft deinetwegen', sagte sie; 'ich glaubte, du seiest tot und","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"fort und lägest dort unten im tiefen Wasser, von den Wellen geschaukelt. Manche","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Nacht stand ich auf und sah, ob die Wetterfahne sich drehte. Ja, sie drehte sich","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"wohl, aber du kamst nicht! Ich erinnere mich ganz deutlich, wie es eines Tages","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"vom Himmel strömte; der Karrenschieber, der den Kehricht holte, kam dorthin, wo","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"ich diente. Ich ging mit dem Kehrichtfaß hinunter und blieb in der Türe stehen;","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"was war das für ein abscheuliches Wetter! Und gerade als ich dastand, kam der","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Briefträger und gab mir einen Brief - der war von dir! Ja, wie der herumgereist","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"war! Ich riß ihn auf und las; ich lachte und weinte, ich war so froh! Darin","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"stand, daß du in den warmen Ländern wärst, wo die Kaffeebohnen wachsen. Was muß","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"das für ein herrliches Land sein! Du erzähltest so viel, und ich las das alles,","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"während der Regen niederströmte und ich mit dem Kehrichtfaß dastand. Da kam","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"einer und faßte mich um den Leib -'","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"'Ja, aber du gabst ihm einen tüchtigen Schlag auf die Backe, daß es klatschte.'","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"'Ich wußte ja nicht, daß du es warst; du warst ebenso geschwind wie dein Brief","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"gekommen, und du warst so schön. Das bist du ja noch. Du hattest ein langes,","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"gelbes, seidenes Tuch in der Tasche und einen glänzenden Hut auf. Du warst so","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"fein! Gott, was das doch führ ein Wetter war, und wie die Straße aussah!'","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"'Dann heirateten wir,' sagte er, 'entsinnst du dich? Und dann, als wir den","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"ersten kleinen Knaben und dann Marie und Niels und Peter und Hans Christian","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"bekamen?'","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"'Ja, und wie alle herangewachsen und ordentliche Menschen geworden sind, die ein","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"jeder leiden mag!'","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"'Und ihre Kinder haben wieder Kinder bekommen', sagte der alte Matrose. 'Ja, das","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"sind Kindeskinder! Da ist ein guter Kern darin. Es war, wenn ich nicht irre, in","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"dieser Zeit des Jahres, als wir Hochzeitstag hielten.'","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"'Ja, eben heute ist der goldene Hochzeitstag', sagte die Fliedermutter und","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"streckte den Kopf gerade zwischen die beiden Alten hinunter; und die glaubten es","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"sei die Nachbarin, die da nickte. Sie sahen einander an und faßten sich bei den","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Händen. Bald darauf kamen die Kinder und Kindeskinder, die wußten wohl, daß heut","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"der goldene Hochzeitstag war. Sie hatten schon am Morgen gratuliert, aber die","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Alten hatten es wieder vergessen, während sie sich so gut an all das erinnerten,","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"war vor vielen Jahren schon geschehen war. Und der Fliederbaum duftete so stark,","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"und die Sonne, die im Untergehen begriffen war, schien den Alten gerade ins","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Gesicht. Sie sahen beide so rotwangig aus. Und das kleinste der Kindeskinder","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"tanzte um sie herum und rief ganz glücklich, daß es diesen Abend prächtig","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"zugehen werde, denn sie sollten warme Kartoffeln bekommen. Und die Fliedermutter","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"nickte im Baum und rief mit allen anderen: 'Hurra!' \"","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Aber das war ja kein Märchen!\" sagte der kleine Knabe, der es erzählen hörte.","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Ja, das mußt du verstehen!\" sagte der Alte, der erzählte. \"Aber laß uns","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Fliedermütterchen danach fragen!\"","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Das war kein Märchen,\" sagte die Fliedermutter; \"aber nun kommt es! Aus der","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Wirklichkeit wächst gerade das sonderbarste Märchen heraus; sonst könnte ja mein","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"schöner Fliederbusch nicht der Teekanne entsprossen sein.\" Und dann nahm sie den","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"kleinen Knaben aus dem Bett und legte ihn an ihre Brust; und die Fliederzweige","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"voller Blüten schlugen um sie zusammen. Sie saßen wie in der dichtesten","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Laube, und diese flog mit ihnen durch die Luft. Es war unaussprechlich schön.","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Fliedermütterchen war auf einmal ein junges, niedliches Mädchen geworden,","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"aber das Kleid war noch von demselben grünen, weißgeblümten Stoff, wie es","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Fliedermütterchen getragen hatte. Am Busen hatte sie eine wirkliche Fliederblüte","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"und ihr helles, gelocktes Haar einen Kranz von Fliederblumen. Ihre Augen waren","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"so groß, so blau; oh, sie war herrlich anzuschauen! Sie und der Knabe küßten","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"sich, und dann waren sie im gleichen Alter und fühlten gleiche Freuden.","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Sie gingen Hand in Hand aus der Laube und standen nun in der Heimat schönem","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Blumengarten. Bei dem frischen Grasplatz war des Vaters Stock an einem Pflock","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"angebunden. Für die Kleinen war Leben in dem Stock; sobald sie sich quer über","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"ihn setzten, verwandelte sich der blanke Knopf in einen prächtig wiehernden","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Kopf, die lange schwarze Mähne flatterte, und vier schlanke starke Beine","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"schossen hervor. Das Tier war stark und mutig, und im Galopp fuhren sie um den","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Grasplatz herum: hussa! -. \"Nun reiten wir viele Meilen weit fort!\" sagte der","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Knabe; \"wir reiten zu dem Rittergut, wo wir im vorigen Jahr waren!\" Und sie","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"ritten um den Rasenplatz herum, und immer rief das kleine Mädchen, das, wie","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"wir wissen, keine andere als die Fliedermutter war: \"Nun sind wir auf dem Land!","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Siehst du das Bauernhaus mit dem großen Backofen, der wie ein riesengroßes Ei","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"aus der Mauer nach dem Wege heraussteht? Der Fliederbaum breitete seine Zweige","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"über sie hin, und der Hahn geht und kratzt für die Hühner: sieh wie er sich","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"brüstet! - Nun sind wir bei der Kirche; die liegt hoch auf dem Hügel unter","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"den großen Eichenbäumen, wovon der eine bald abgestorben ist! Nun sind wir bei","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"der Schmiede, wo das Feuer brennt und die halbnackten Männer mit den Hämmern","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"schlagen, daß die Funken weit umher sprühen. Fort, fort zu dem prächtigen","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Rittergut!\" Und alles, was das kleine Mädchen, das hinten auf dem Stock saß,","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"sagte, das flog auch vorbei. Der Knabe sah es, doch kamen sie nur um den","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Grasplatz herum. Dann spielten sie im Seitengang und ritzten in die Erde einen","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"kleinen Garten; und sie nahm Fliederblüten aus ihrem Haar und pflanzte sie. Und","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"die wuchsen, gerade wie bei den Alten damals, als diese noch klein waren, wie","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"früher erzählt worden ist. Sie gingen Hand in Hand gerade wie die alten Leute","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"es als Kinder gemacht hatten, aber nicht auf den runden Turm hinaus oder nach","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"dem Garten von Frederiksborg - nein, das kleine Mädchen faßte den Knaben um den","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Leib, und dann flogen wie weit umher im ganzen Land. Und es war Frühjahr, und","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"es wurde Sommer, und es war Herbst, und es wurde Winter. Tausende von Bildern","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"spiegelten sich in des Knaben Augen und Herz, und immer sang das kleine Mädchen","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"im vor: \"Das wirst du nie vergessen!\" Und auf dem ganzen Fluge duftete der","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Fliederbaum so süß und herrlich. Er bemerkte wohl die Rosen und die frischen","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Buchen, aber der Fliederbaum duftete noch stärker, denn seine Blüten hingen an","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"des kleinen Mädchens Herzen, und daran lehnte er oft im Fluge den Kopf.","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Hier ist es schön im Frühling!\" sage das junge Mädchen; und sie stand in dem","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"frisch ausgeschlagenen Buchenwald, wo der Waldmeister zu ihren Füßen duftete.","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"In dem Grünen sahen die blaßroten Anemonen so lieblich aus. \"O wäre es immer","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Frühling in dem duftenden dänischen Buchenwald!\"","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Hier ist es herrlich im Sommer!\" sage sie; und sie fuhren an alten Schlössern","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"aus der Ritterzeit vorbei, die sich mit ihren hohen Mauern und Giebeln in den","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Kanälen spiegelten, in denen die Schwäne schwammen und in die alten kühlen","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Alleen hineinsahen. Auf dem Felde wogte das Korn, gleich einem See; in den","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Gräben standen rote und gelbe Blumen und auf den Gehwegen wilder Hopfen und","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"blühende Winden. Abends stieg der Mond rund und groß empor, und die Heuhaufen","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"auf den Wiesen dufteten so süß. \"Das vergißt sich nie!\"","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Hier ist es schön im Winter!\" sagte das kleine Mädchen, und alle Bäume waren","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"mit Reif bedeckt, so daß sie wie weiße Korallen aussahen. Der Schnee knirschte","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"unter den Füßen, als hätte man neue Stiefel an; und vom Himmel fiel eine","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Sternschnuppe nach der anderen. Im Zimmer wurde der Weihnachtsbaum angezündet,","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"da gab es Geschenke und Fröhlichkeit. Auf dem Lande ertönte in der Bauernstube","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"die Violine; es wurde um Apfelschnitze gespielt. Selbst das ärmste Kind sagte:","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Es ist doch schön im Winter.\"","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Ja, es war schön! Und das kleine Mädchen zeigte dem Knaben alles; und immer","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"wehte die rote Flagge mit dem weißen Kreuz, die Flagge, unter welcher der","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"alte Seemann gesegelt war. Der Knabe wurde zum Jüngling, und er sollte in","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"die weite Welt hinaus, weit fort in die warmen Länder, wo der Kaffee wächst.","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Aber beim Abschied nahm das kleine Mädchen eine Fliederblüte von ihrer Brust","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"und gab sie ihm zum Aufbewahren. Sie wurde in das Gesangbuch gelegt, und im","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"fremden Land, wenn er das Buch öffnete, war es immer gerade an der Stelle, wo","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"die Erinnerungsblume lag; und je mehr er dieselbe betrachtete, desto frischer","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"wurde sie, so daß er gleichsam einen Duft von den heimischen Wäldern einatmete;","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"und deutlich erblickte er das kleine Mädchen, wie es mit seinen klaren Augen","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"zwischen den Blumenblättern hervorsah; und es flüsterte dann: \"Hier ist es","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"schön im Frühling, im Sommer, im Herbst und im Winter!\" Und Hunderte von Bildern","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"glitten durch seine Gedanken.","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"So verstrichen viele Jahre, und er war nun ein alter Mann und saß mit seiner","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"alten Frau unter einem blühenden Fliederbaum; sie hielten sich einander bei","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"den Händen, ebenso wie der Urgroßvater und die Urgroßmutter es draußen getan","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"hatten, und sie sprachen ebenso wie diese, von den alten Zeiten und der goldenen","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Hochzeit. Das kleine Mädchen mit den blauen Augen und mit den Fliederblüten","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"im Haar saß oben im Baum, nickte beiden zu und sagte: \"Heute ist der goldene","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Hochzeitstag!\" Und dann nahm sie zwei Blüten aus ihrem Kranz und küßte sie; und","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"sie glänzten zuerst wie Silber, dann wie Gold, und als sie sie auf die Häupter","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"der beiden Alten legt, wurde jede Blüte zu einer Goldkrone. Da saßen sie beide,","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"einem König und einer Königin gleich, unter dem duftenden Baum, der ganz und gar","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"wie ein Fliederbaum aussah. Und er erzählte seiner alten Frau die Geschichte von","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"dem Fliedermütterchen, wie sie ihm erzählt worden war, als er nach ein kleiner","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Knabe war; und sie fanden beide so vieles darin, was ihrer eigenen ähnlich war,","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"und das gefiel ihnen am besten.","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Ja, so ist es!\" sagte das kleine Mädchen im Baum. \"Einige nennen mich","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Fliedermütterchen, andere Dryade, aber eigentlich heiße ich Erinnerung. Ich bin","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"es, die im Baum sitzt, der wächst und wächst; ich kann mich zurückerinnern, ich","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"kann erzählen! Laß sehen, ob du deine Blüte noch hast.\"","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Und der alte Mann öffnete sein Gesangbuch. Da lag die Fliederblüte so frisch,","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"als sei sie erst kürzlich hineingelegt worden. Und die Erinnerung nickte, und","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"die beiden Alten mit den Goldkronen auf dem Kopf saßen in der roten Abendsonne;","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"sie schlossen die Augen und - und -? Ja, da war das Märchen aus!","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Der kleine Knabe lag in seinem Bett. Er wußte nicht, ob er geträumt oder ob er","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"es hatte erzählen hören. Die Teekanne stand auf dem Tisch, aber es wuchs kein","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Fliederbaum hervor, und der alte Mann, der erzählt hatte, wollte gerade zur Tür","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"hinausgehen, und das tat er auch.","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Wie schön war das!\" sagte der kleine Knabe. \"Mutter, ich bin in den warmen","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Ländern gewesen!\"","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Ja, das glaube ich wohl!\" sagte die Mutter; \"wenn man zwei Tassen warmen","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Fliedertee getrunken hat, dann kommt man wohl zu den warmen Ländern!\" Und sie","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"deckte ihn gut zu, damit er sich nicht erkälte. \"Du hast gut geschlafen, während","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"ich mich mit ihm darüber stritt, ob es eine Geschichte oder ein Märchen sei!\"","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Und wo ist die Fliedermutter?\" fragte der Knabe.","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"\"Die ist in der Teekanne,\" sagte die Mutter, \"und da mag sie bleiben.\"","book":"Fliedermütterchen"} {"text":"Da schlüpften so flink einige Eidechsen in den Spalten eines alten Baumes umher;","book":"Elfenhügel"} {"text":"sie konnten einander gut verstehen, denn sie sprachen die Eidechsensprache.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Nein, wie es poltert und brummt in dem alten Elfenhügel\" sagte die eine","book":"Elfenhügel"} {"text":"Eidechse, \"ich habe vor dem Spektakel nun schon zwei Nächte lang kein Auge","book":"Elfenhügel"} {"text":"zugetan, ebensogut könnte ich liegen und Zahnschmerzen haben, denn dann schlafe","book":"Elfenhügel"} {"text":"ich auch nicht.\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Da muß irgendetwas los sein drinnen!\" sagte die andere Eidechse, \"den Hügel","book":"Elfenhügel"} {"text":"lassen sie auf vier roten Pfählen bis zum ersten Hahnenschrei stehen, es wird","book":"Elfenhügel"} {"text":"gründlich ausgelüftet, und die Elfenmädchen haben neue Tänze eingeübt. Da muß","book":"Elfenhügel"} {"text":"irgend etwas los sein.\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Ja, ich habe mit einem Regenwurm aus meinem Bekanntenkreise gesprochen,\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"sagte die dritte Eidechse, \"der Regenwurm kam gerade aus dem Hügel heraus, wo","book":"Elfenhügel"} {"text":"er Tag und Nacht in der Erde gewühlt hatte. Der hatte allerlei gehört, sehen","book":"Elfenhügel"} {"text":"kann es ja nicht, das arme Tier, aber vorfühlen und nachhören, das versteht","book":"Elfenhügel"} {"text":"er. Sie erwarten Besuch im Elfenhügel, vornehmen Besuch, aber wen, das wollte","book":"Elfenhügel"} {"text":"der Regenwurm nicht sagen, oder er wußte es vielleicht selbst nicht. Alle","book":"Elfenhügel"} {"text":"Irrlichter sind zu einem Fackelzug, wie man es nennt, befohlen, und das Silber","book":"Elfenhügel"} {"text":"und Gold, wovon es genug im Hügel gibt, wird poliert und in den Mondschein","book":"Elfenhügel"} {"text":"hinausgestellt!\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Wer mögen nur die Fremden sein?\" sagten alle Eidechsen. \"Was mag nur los sein?","book":"Elfenhügel"} {"text":"Hört, wie es summt! Hört, wie es brummt!\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"Da öffnete sich der Elfenhügel und ein altes Elfenmädchen kam trippelnd heraus.","book":"Elfenhügel"} {"text":"Ihr Rücken war bloß, aber sonst war sie sehr anständig angezogen. Es war des","book":"Elfenhügel"} {"text":"alten Elfenkönigs Haushälterin, eine entfernte Verwandte, die ein Bernsteinherz","book":"Elfenhügel"} {"text":"auf der Stirn trug. Sie setzte die Beinchen so flink, tripp, tripp! Potztausend,","book":"Elfenhügel"} {"text":"wie sie trippeln konnte und zwar ging es hinunter ins Moor zum Nachtraben.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Sie werden zum Elfenhügel eingeladen für diese Nacht!\" sagte sie, \"aber wollen","book":"Elfenhügel"} {"text":"Sie uns nicht zuvor einen großen Dienst erweisen und die Einladungen übernehmen?","book":"Elfenhügel"} {"text":"Sie müssen auch etwas tun, da sie selbst kein Haus machen! Es kommen einige","book":"Elfenhügel"} {"text":"hochvornehme Fremde aus dem Trollgeschlecht, die viel zu sagen haben, und","book":"Elfenhügel"} {"text":"deshalb will der alte Elfenkönig sich zeigen.\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Wer soll eingeladen werden?\" fragte der Nachtrabe.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Ja, zum großen Ball kann jedermann kommen, selbst Menschen, wenn sie im Schlafe","book":"Elfenhügel"} {"text":"sprechen oder irgend etwas an sich haben, was in unsere Art schlägt. Aber","book":"Elfenhügel"} {"text":"bei dem vorhergehenden Fest muß strenge Auswahl herrschen, wir wollen nur die","book":"Elfenhügel"} {"text":"Allervornehmsten dabei haben. Ich habe mich schon mit dem Elfenkönig gezankt,","book":"Elfenhügel"} {"text":"denn ich meinte, wir könnten nicht einmal die Gespenster zulassen. Der Wassernix","book":"Elfenhügel"} {"text":"und seine Töchter müssen zuerst eingeladen werden, sie finden zwar nicht viel","book":"Elfenhügel"} {"text":"Spaß daran, auf das Trockene zu kommen, aber sie sollen mindestens jeder einen","book":"Elfenhügel"} {"text":"nassen Stein zum sitzen bereitgestellt finden, wenn nicht sogar etwas Besseres,","book":"Elfenhügel"} {"text":"da hoffe ich denn, daß sie dieses Mal nicht absagen werden. Alle alten Trolle","book":"Elfenhügel"} {"text":"erster Klasse mit Schwanz, alle Nixen und Wichtelmännchen müssen wir haben, und","book":"Elfenhügel"} {"text":"dann denke ich, können wir den Werwolf, das Höllenpferd und die Kirchenwichtel","book":"Elfenhügel"} {"text":"nicht gut übergehen; eigentlich gehören sie ja zur Geistlichkeit, die nicht mit","book":"Elfenhügel"} {"text":"zu unseren Leuten zählt, aber das ist nun einmal ihr Amt; sie gehören immerhin","book":"Elfenhügel"} {"text":"zur näheren Familie und machen uns ständig Besuche.\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Bra!\" sagte der Nachtrabe und flog von dannen, um einzuladen.","book":"Elfenhügel"} {"text":"Die Elfenmädchen tanzten schon auf dem Elfenhügel, sie schwebten auf und nieder","book":"Elfenhügel"} {"text":"mit ihren langen Schals, die aus Nebel und Mondschein gewoben waren, und sahen","book":"Elfenhügel"} {"text":"gar lieblich aus für jemand, der an dergleichen Gefallen findet. Mitten im","book":"Elfenhügel"} {"text":"Elfenhügel war der große Saal prächtig geschmückt. Der Boden war mit Mondschein","book":"Elfenhügel"} {"text":"gewaschen und die Wände mit Hexenfett abgerieben, so daß sie wie Tulpenblätter","book":"Elfenhügel"} {"text":"im Lichte schimmerten. In der Küche waren reichlich Vorräte aufgestapelt:","book":"Elfenhügel"} {"text":"Frösche am Spieß, Kinderfinger in Schneckenhaut mit Salat aus Pilzsamen, feuchte","book":"Elfenhügel"} {"text":"Mäuseschnauzen und Schierling, Bier von dem Gebräu der Sumpffrau und funkelnder","book":"Elfenhügel"} {"text":"Salpeterwein aus Grabgewölben. Alles war höchst solide und anständig; rostige","book":"Elfenhügel"} {"text":"Nägel und Kirchenfensterglas gehörten zum Naschwerk.","book":"Elfenhügel"} {"text":"Der alte Elfenkönig ließ seine Goldkrone mit gestoßenem Griffel polieren; es","book":"Elfenhügel"} {"text":"war Tuffsteingriffel, und es ist mit großen Schwierigkeiten für einen Elfenkönig","book":"Elfenhügel"} {"text":"verknüpft, Tuffsteingriffel aufzutreiben! In den Schlafzimmern wurden Gardinen","book":"Elfenhügel"} {"text":"aufgehängt und mit Schneckenhörnern aufgeheftet. Ja, überall hörte man das","book":"Elfenhügel"} {"text":"geschäftige Summen und Brummen.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Nun muß hier noch mit Roßhaar und Schweinsborsten geräuchert werden, dann bin","book":"Elfenhügel"} {"text":"ich für meinen Teil fertig!\" sagte das alte Elfenmädchen.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Süßes Väterchen\" schmeichelte die jüngste der Töchter, \"bekomme ich nun endlich","book":"Elfenhügel"} {"text":"zu wissen, wer die vornehmen Fremden sind?\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Nun ja,\" sagte er, \"da muß ich es wohl sagen. Zwei meiner Töchter müssen sich","book":"Elfenhügel"} {"text":"zur Hochzeit bereit halten. Zwei von Euch werden sicher fortheiraten. Der alte","book":"Elfenhügel"} {"text":"Troll oben aus Norwegen, der, der im alten Dovrefelsen wohnt, und die vielen","book":"Elfenhügel"} {"text":"Klippenschlösser aus Felsblöcken und ein Goldbergwerk hat, das ertragreicher","book":"Elfenhügel"} {"text":"ist, als man glaubt, kommt mit seinen zwei Söhnen herunter; die sollen sich","book":"Elfenhügel"} {"text":"eine Frau aussuchen. Der alte Troll ist so ein richtiger alter, ehrlicher,","book":"Elfenhügel"} {"text":"moralischer Greis, lustig und geradezu, ich kenne ihn aus alten Tagen, als wir","book":"Elfenhügel"} {"text":"Duzbrüderschaft tranken und er hier unten war, um sich seine Frau zu holen.","book":"Elfenhügel"} {"text":"Nun ist sie tot. Sie war eine Tochter des Felsenkönigs von Möen, und er saß","book":"Elfenhügel"} {"text":"tüchtig bei ihr in der Kreide, wie man zu sagen pflegt. O, wie ich mich nach dem","book":"Elfenhügel"} {"text":"alten nordischen Troll sehne. Die Söhne sollen ein paar unerzogene, hochnäsige","book":"Elfenhügel"} {"text":"Schlingel sein, aber man kann ihnen ja auch damit unrecht tun, und mit den","book":"Elfenhügel"} {"text":"Jahren werden sie schon Vernunft annehmen. Seht nun zu, daß Ihr ihnen Lebensart","book":"Elfenhügel"} {"text":"beibringt!\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Und wann kommen sie?\" fragte die eine Tochter.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Das kommt auf Wind und Wetter an\" sagte der Elfenkönig. \"Sie reisen sparsam!","book":"Elfenhügel"} {"text":"Sie wollten eine Schiffsgelegenheit benutzen. Ich wollte, sie sollten über","book":"Elfenhügel"} {"text":"Schweden gehen, aber der Alte findet noch immer keinen Geschmack daran. Er hält","book":"Elfenhügel"} {"text":"nicht mit seiner Zeit Schritt, und das kann ich nicht leiden!\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"In diesem Augenblicke kamen zwei Irrlichter hereingehüpft, das eine schneller","book":"Elfenhügel"} {"text":"als das andere, und daher kam das eine zuerst.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Sie kommen. Sie kommen!\" riefen sie.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Gebt mir meine Krone und laßt mich im Mondschein stehen!\" sagte der Elfenkönig.","book":"Elfenhügel"} {"text":"Die Töchter hoben die Schals und verneigten sich bis zur Erde.","book":"Elfenhügel"} {"text":"Da stand nun der alte Troll von Dovre mit seiner Krone von gehärteten","book":"Elfenhügel"} {"text":"Eiszapfen und polierten Tannenzapfen; sonst hatte er noch einen Bärenpelz","book":"Elfenhügel"} {"text":"und Wasserstiefel an; die Söhne dagegen gingen mit bloßem Halse und ohne","book":"Elfenhügel"} {"text":"Hosenträger; denn sie waren Kraftmänner.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Ist das ein Hügel?\" fragte der Jüngste der Söhne und zeigte auf den Elfenhügel.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Das nennen wir oben bei uns in Norwegen ein Loch.\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Jungens!\" sagte der Alte, \"ein Loch geht nach innen, ein Hügel nach außen. Habt","book":"Elfenhügel"} {"text":"Ihr keine Augen im Kopfe?\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"Das einzige, worüber sie sich hier unten wundern müßten, sagten sie, sei, daß","book":"Elfenhügel"} {"text":"sie die Sprache so ohne weiteres verstehen könnten.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Spielt Euch nun nicht auf\" sagte der Alte, \"man könnte sonst glauben, daß Ihr","book":"Elfenhügel"} {"text":"nicht richtig ausgebacken seid.\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"Und dann gingen sie in den Elfenhügel hinein, wo eine wirklich feine","book":"Elfenhügel"} {"text":"Gesellschaft sich zusammengefunden hatte, und das in solcher Geschwindigkeit,","book":"Elfenhügel"} {"text":"als ob sie zusammengeweht wären. Für jeden war es nett und behaglich","book":"Elfenhügel"} {"text":"eingerichtet worden. Das Meervolk saß in großen Wasserkufen bei Tisch, und","book":"Elfenhügel"} {"text":"sie sagten, daß sie sich wie zuhause fühlten. Alle befleißigten sich guter","book":"Elfenhügel"} {"text":"Tischsitten, außer den beiden kleinen nordischen Trollen, die die Beine auf den","book":"Elfenhügel"} {"text":"Tisch legten. Sie waren der Ansicht, daß ihnen alles zu Gesichte stehe.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Die Füße von der Schüssel\" sagte der alte Troll. Da gehorchten sie, aber","book":"Elfenhügel"} {"text":"auch noch nicht gleich. Ihre Tischdamen kitzelten sie mit Tannenzapfen, die","book":"Elfenhügel"} {"text":"sie in der Tasche mit sich führten, und dann zogen sie ihre Stiefel aus, um","book":"Elfenhügel"} {"text":"behaglicher zu sitzen und gaben ihnen die Stiefel zu halten. Der Vater, der alte","book":"Elfenhügel"} {"text":"Dovre-Troll war freilich ganz anders. Er erzählte so herrlich von den stolzen","book":"Elfenhügel"} {"text":"nordischen Felsen und von den Wasserfällen, die Schaumweiß mit einem Getöse","book":"Elfenhügel"} {"text":"wie Donnerschlag und Orgelklang herabstürzen. Er erzählte von dem Lachse, der","book":"Elfenhügel"} {"text":"stromaufwärts gegen das stürzende Wasser emporspringt, wenn der Wasserneck auf","book":"Elfenhügel"} {"text":"der Goldharfe spielt. Er erzählte von den schimmernden Winternächten, wenn die","book":"Elfenhügel"} {"text":"Schlittenschellen klingeln und die Burschen mit brennenden Fackeln über das","book":"Elfenhügel"} {"text":"blanke Eis laufen, das so durchsichtig ist, daß sie die Fische unter ihren Füßen","book":"Elfenhügel"} {"text":"aufschrecken sehen. Ja, er konnte erzählen, daß man sehen und hören konnte,","book":"Elfenhügel"} {"text":"was er sagte; es war, als höre man die Sägemühlen klappern, als sängen die","book":"Elfenhügel"} {"text":"Knechte und Mägde ihre Lieder und tanzten dazu ihre Tänze. Heisa. – Mit einem","book":"Elfenhügel"} {"text":"mal gab der alte Troll dem alten Elfenmädchen einen Gevatterschmatz. Das war ein","book":"Elfenhügel"} {"text":"ordentlicher Kuß, und dabei waren sie doch gar nicht miteinander verwandt.","book":"Elfenhügel"} {"text":"Nun mußten die Elfenmädchen tanzen, sowohl die einfachen Tänze, als auch die,","book":"Elfenhügel"} {"text":"bei denen gestampft werden mußte; das ließ alle ihre Vorzüge zur Geltung kommen.","book":"Elfenhügel"} {"text":"Dann kam der Kunsttanz. Ei der Tausend, wie konnten sie die Beine werfen. Man","book":"Elfenhügel"} {"text":"wußte nicht mehr, wo Anfang und Ende, und nicht mehr, ob es Arm oder Bein war.","book":"Elfenhügel"} {"text":"Es ging alles durcheinander wie Sägespäne, und dann schnurrten sie herum, daß","book":"Elfenhügel"} {"text":"dem Höllenpferd übel wurde und es vom Tische gehen mußte.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Prrrrr\" sagte der alte Troll,\" ist das eine Wirbelei mit dem Beinwerk. Aber was","book":"Elfenhügel"} {"text":"können sie mehr als tanzen, Beinewerfen und Wirbelwind machen?\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Das sollst Du nun auch zu wissen bekommen.\" sagte der Elfenkönig, und dann rief","book":"Elfenhügel"} {"text":"er seine älteste Tochter heran. Sie war so zierlich und klar wie Mondschein, sie","book":"Elfenhügel"} {"text":"war die feinste von allen Schwestern. Sie nahm einen weißen Span in den Mund,","book":"Elfenhügel"} {"text":"und dann war sie verschwunden; das war ihre Kunst.","book":"Elfenhügel"} {"text":"Aber der alte Troll sagte, daß er solche Kunst bei seiner Frau nicht leiden","book":"Elfenhügel"} {"text":"könne, und er glaube auch nicht, daß seine Söhne davon begeistert seien.","book":"Elfenhügel"} {"text":"Die zweite konnte sich selbst zur Seite gehen, als ob sie einen Schatten würfe,","book":"Elfenhügel"} {"text":"den besitzen die Elfen nämlich nicht.","book":"Elfenhügel"} {"text":"Die dritte war von ganz anderem Schlag. Sie hatte im Bräuhaus der Sumpffrau","book":"Elfenhügel"} {"text":"gelernt, und sie war diejenige, die Elfenknorren mit Johanneswürmchen zu spicken","book":"Elfenhügel"} {"text":"verstand.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Sie wird eine gute Hausfrau abgeben!\" sagte der alte Troll und dankte mit den","book":"Elfenhügel"} {"text":"Augen beim Zutrinken, denn er wollte nicht so viel trinken.","book":"Elfenhügel"} {"text":"Nun kam das vierte Elfenmädchen. Sie hatte eine große Goldharfe zum Spielen,","book":"Elfenhügel"} {"text":"und als sie die erste Saite anschlug, hoben alle das linke Bein, denn die","book":"Elfenhügel"} {"text":"Unterirdischen sind linksbeinig, und als sie die andere Saite anschlug, mußten","book":"Elfenhügel"} {"text":"alle tun, was sie wollte.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Das ist ein gefährliches Frauenzimmer\" sagte der alte Troll; die beiden Söhne","book":"Elfenhügel"} {"text":"aber gingen zum Hügel hinaus, denn nun fanden sie es langweilig.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Und was kann die nächste Tochter?\" fragte der alte Troll.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Ich habe gelernt, die Norweger zu lieben\" sagte sie, \"und niemals werde ich","book":"Elfenhügel"} {"text":"mich vermählen, wenn ich nicht nach Norwegen komme.\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"Aber die jüngste der Schwestern flüsterte dem alten Troll ins Ohr: \"Das sagt sie","book":"Elfenhügel"} {"text":"nur, weil sie in einem nordischen Lied gehört hat, daß, wenn die Welt untergeht,","book":"Elfenhügel"} {"text":"doch die nordischen Felsen als Wahrzeichen stehen bleiben, und deshalb will sie","book":"Elfenhügel"} {"text":"dort hinauf, denn sie hat solche Angst vor dem Untergehen.\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Ho, ho\" sagte der alte Troll, \"geht es darauf hinaus, aber was kann die","book":"Elfenhügel"} {"text":"siebente und letzte?\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Die sechste kommt vor der siebenten\" sagte der Elfenkönig, denn er konnte","book":"Elfenhügel"} {"text":"rechnen; aber die sechste wollte nicht recht hervorkommen.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Ich kann nur den Leuten die Wahrheit sagen.\" sagte sie, \"mich mag keiner leiden","book":"Elfenhügel"} {"text":"und ich habe genug damit zu tun, mein Totenhemde zu nähen.\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"Nun kam die siebente und letzte, und was konnte sie? Ja, sie konnte Märchen","book":"Elfenhügel"} {"text":"erzählen, und zwar so viele, wie sie nur wollte.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Hier sind alle meine fünf Finger\" sagte der alte Troll, \"erzähle mir von jedem","book":"Elfenhügel"} {"text":"eins.\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"Und das Elfenmädchen faßte ihn ums Handgelenk und er lachte, daß es in ihm","book":"Elfenhügel"} {"text":"kluckerte, und als sie zum Goldfinger kam, der einen Goldreif um den Leib hatte,","book":"Elfenhügel"} {"text":"gerade als ob er gewußt hätte, daß Verlobung sein sollte, sagte der alte Troll:","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Halt fest was Du hast, die Hand ist Dein. Dich will ich selbst zur Frau haben.\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"Und das Elfenmädchen sagte, daß der Goldfinger und der kleine Peter Spielmann","book":"Elfenhügel"} {"text":"noch übrig seien!","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Die wollen wir im Winter hören\" sagte der alte Troll, \"und von der Tanne","book":"Elfenhügel"} {"text":"wollen wir hören und von der Birke und den Gaben der Unterirdischen und dem","book":"Elfenhügel"} {"text":"klingenden Frost. Du sollst schon zum Erzählen kommen, denn das macht bis","book":"Elfenhügel"} {"text":"jetzt keiner da oben richtig! – Und dann wollen wir in der steinernen Halle","book":"Elfenhügel"} {"text":"sitzen, wo der Kienspan brennt, und Met trinken aus den Goldhörnern der alten","book":"Elfenhügel"} {"text":"nordischen Könige; der Neck hat mir ein paar davon geschenkt! Und wenn wir","book":"Elfenhügel"} {"text":"dann sitzen, kommt der Hofwichtel und macht Besuch, und dann singt er Dir","book":"Elfenhügel"} {"text":"alle Weisen der Hütermädchen vor. Das wird lustig werden. Der Lachs wird den","book":"Elfenhügel"} {"text":"Wasserfall hinausspringen und gegen die Steinwände schlagen, aber er kommt doch","book":"Elfenhügel"} {"text":"nicht herein. – Ja, Du kannst mir glauben, es ist gut sein in dem lieben alten","book":"Elfenhügel"} {"text":"Norwegen Aber wo sind die Jungen?\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"Ja, wo waren die Jungen. Die liefen auf den Feldern umher und bliesen die","book":"Elfenhügel"} {"text":"Irrlichter aus, die so nett und gesittet daherkamen, um einen Fackelzug zu","book":"Elfenhügel"} {"text":"machen.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Treibt man sich so herum\" sagte der alte Troll, \"nun habe ich mir eine Mutter","book":"Elfenhügel"} {"text":"für Euch genommen, und Ihr könnt Euch jetzt eine Tante nehmen!\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"Aber die Jungen sagten, daß sie lieber eine Rede halten und Brüderschaft","book":"Elfenhügel"} {"text":"trinken wollten. Zum Heiraten hätten sie keine Lust. – Und dann hielten sie","book":"Elfenhügel"} {"text":"Reden, tranken Brüderschaft und machten die Nagelprobe, um zu zeigen, daß sie","book":"Elfenhügel"} {"text":"ausgetrunken hätten. Dann zogen sie die Kleider aus und legten sich ohne viel","book":"Elfenhügel"} {"text":"Federlesens auf den Tisch, um zu schlafen, denn sie genierten sich nicht. Aber","book":"Elfenhügel"} {"text":"der alte Troll tanzte in der Stube herum mit seiner jungen Braut und wechselte","book":"Elfenhügel"} {"text":"Stiefel mit ihr, denn das ist feiner als Ringe wechseln.","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Nun kräht der Hahn\" sagte das alte Elfenmädchen, die das Haus zu besorgen","book":"Elfenhügel"} {"text":"hatte. \"Jetzt müssen wir die Fensterläden schließen, damit uns die Sonne nicht","book":"Elfenhügel"} {"text":"verbrennt!\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"Und dann schloß sich der Hügel.","book":"Elfenhügel"} {"text":"Aber draußen liefen die Eidechsen in dem gespaltenen Baume auf und nieder, und","book":"Elfenhügel"} {"text":"die eine sagte zu der anderen: \"Ach, wie gut hat mir der alte nordische Troll","book":"Elfenhügel"} {"text":"gefallen!\"","book":"Elfenhügel"} {"text":"\"Ich mochte die Jungen lieber!\" sagte der Regenwurm, aber der konnte ja nichts","book":"Elfenhügel"} {"text":"sehen, das elende Tier.","book":"Elfenhügel"} {"text":"Es war einmal ein kleines Mädchen, gar fein und hübsch; aber es war arm und","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"mußte im Sommer immer barfuß gehen, und im Winter mit großen Holzschuhen, so daß","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"der kleine Spann ganz rot wurde; es war zum Erbarmen.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Mitten im Dorfe wohnte die alte Schuhmacherin; sie setzte sich hin und nähte,","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"so gut sie es konnte, von alten roten Tuchlappen ein paar kleine Schuhe. Recht","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"plump wurden sie ja, aber es war doch gut gemeint, denn das kleine Mädchen","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"sollte sie haben. Das kleine Mädchen hieß Karen.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Just an dem Tage, als ihre Mutter begraben wurde, bekam sie die roten Schuhe","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"und zog sie zum ersten Male an; sie waren ja freilich zum Trauern nicht recht","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"geeignet, aber sie hatte keine anderen, und so ging sie mit nackten Beinchen","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"darin hinter dem ärmlichen Sarge her.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Da kam gerade ein großer, altmodischer Wagen dahergefahren; darin saß eine","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"stattliche alte Dame. Sie sah das kleine Mädchen an und hatte Mitleid mit ihm,","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"und deshalb sagte sie zu dem Pfarrer: \"Hört, gebt mir das kleine Mädchen, ich","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"werde für sie sorgen und gut zu ihr sein!\"","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Karen glaubte, daß sie alles dies den roten Schuhen zu danken habe. Aber die","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"alte Frau sagte, daß sie schauderhaft seien, und dann wurden sie verbrannt.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Karen selbst wurde reinlich und nett gekleidet; sie mußte Lesen und Nähen","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"lernen, und die Leute sagten, sie sei niedlich; aber der Spiegel sagte: \"Du bist","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"weit mehr als niedlich, Du bist schön.\"","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Da reiste einmal die Königin durch das Land, und sie hatte ihre kleine Tochter","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"bei sich, die eine Prinzessin war. Das Volk strömte zum Schlosse und Karen","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"war auch dabei. Die kleine Prinzessin stand in feinen weißen Kleidern in einem","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Fenster und ließ sich bewundern. Sie hatte weder Schleppe noch Goldkrone, aber","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"prächtige rote Saffianschuhe. Die waren freilich weit hübscher als die, welche","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"die alte Schuhmacherin für die kleine Karen genäht hatte. Nichts in der Welt war","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"doch solchen roten Schuhen vergleichbar!","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Nun war Karen so alt, daß sie eingesegnet werden sollte. Sie bekam neue Kleider","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"und sollte auch neue Schuhe haben. Der reiche Schuhmacher in der Stadt nahm Maß","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"an ihrem kleinen Fuß. Das geschah in seinem Laden, wo große Glasschränke mit","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"niedlichen Schuhen und blanken Stiefeln standen. Das sah gar hübsch aus, aber","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"die alte Dame konnte nicht gut sehen und hatte daher auch keine Freude daran.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Mitten zwischen den Schuhen standen ein paar rote, ganz wie die, welche die","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Prinzessin getragen hatte. Wie schön sie waren! Der Schuhmacher sagte auch, daß","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"sie für ein Grafenkind genäht worden seien, aber sie hätten nicht gepaßt.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"\"Das ist wohl Glanzleder\" sagte die alte Dame, \"sie glänzen so.\"","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"\"Ja, sie glänzen!\" sagte Karen, und sie paßten gerade und wurden gekauft.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Aber die alte Dame wußte nichts davon, daß sie rot waren, denn sie hätte Karen","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"niemals erlaubt, in roten Schuhen zur Einsegnung zu gehen, aber das geschah nun","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"also.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Alle Menschen sahen auf ihre Füße, und als sie durch die Kirche und zur","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Chortür hinein schritt, kam es ihr vor, als ob selbst die alten Bilder auf den","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Grabsteinen, die Steinbilder der Pfarrer und Pfarreresfrauen mit steifen Kragen","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"und langen schwarzen Kleidern, die Augen auf ihre roten Schuhe hefteten, und","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"nur an diese dachte sie, als der Pfarrer seine Hand auf ihr Haupt legte und","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"von der heiligen Taufe sprach und von dem Bunde mit Gott, und daß sie nun eine","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"erwachsene Christin sein sollte. Und die Orgel spielte so feierlich, die hellen","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Kinderstimmen sangen und der alte Kantor sang, aber Karen dachte nur an die","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"roten Schuhe.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Am Nachmittag hörte die alte Dame von allen Leuten, daß die Schuhe rot gewesen","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"wären, und sie sagte das wäre recht häßlich und unschicklich, und Karen müsse","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"von jetzt ab stets mit schwarzen Schuhen zur Kirche gehen, selbst wenn sie alt","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"wären.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Am nächsten Sonntag war Abendmahl, und Karen sah die schwarzen Schuhe an, dann","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"die roten, – und dann sah sie die roten wieder an und zog sie an.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Es war herrlicher Sonnenschein; Karen und die alte Dame gingen einen Weg durch","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"das Kornfeld; da stäubte es ein wenig.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"An der Kirchentür stand ein alter Soldat mit einem Krückstock und einem gewaltig","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"langen Barte, der war mehr rot als weiß, er war sogar fuchsrot. Er verbeugte","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"sich tief bis zur Erde und fragte die alte Dame, ob er ihre Schuhe abstäuben","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"dürfe. Und Karen streckte ihren kleinen Fuß auch aus. \"Sieh, was für hübsche","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Tanzschuhe\" sagte der Soldat, \"sitzt fest, wenn Ihr tanzt.\" Und dann schlug er","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"mit der Hand auf die Sohlen.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Die alte Dame gab dem Soldaten einen Schilling, und dann ging sie mit Karen in","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"die Kirche.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Alle Menschen drinnen blickten auf Karens rote Schuhe, und alle Bilder blickten","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"darauf, und als Karen vor dem Altar kniete und den goldenen Kelch an ihre Lippen","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"setzte, dachte sie nur an die roten Schuhe. Es war ihr, als ob sie selbst in dem","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Kelche vor ihr schwämmen; und sie vergaß, den Choral mitzusingen und vergaß, ihr","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Vaterunser zu beten.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Nun gingen alle Leute aus der Kirche, und die alte Dame stieg in ihren Wagen.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Karen hob den Fuß, um hinterher zu steigen; da sagte der alte Soldat, der","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"dicht dabei stand: \"Sieh, was für schöne Tanzschuhe.\" Und Karen konnte es nicht","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"lassen, sie mußte ein paar Tanzschritte machen! Und als sie angefangen hatte,","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"tanzten die Beine weiter; es war gerade, als hätten die Schuhe Macht über sie","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"bekommen; sie tanzte um die Kirchenecke herum und konnte nicht wieder aufhören","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"damit; der Kutscher mußte hinterher laufen und sie festhalten. Er hob sie in den","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Wagen; aber die Füße tanzten weiter, so daß sie die gute alte Dame heftig trat.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Endlich zogen sie ihr die Schuhe ab, und die Beine kamen zur Ruhe.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Daheim wurden die Schuhe in den Schrank gesetzt, aber Karen konnte sich nicht","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"enthalten, sie immer von neuem anzusehen.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Nun wurde die alte Frau krank, und es hieß, daß sie nicht mehr lange zu leben","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"hätte. Sie sollte sorgsam gepflegt und gewartet werden, und niemand stand ihr ja","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"näher als Karen. Aber in der Stadt war ein großer Ball und Karen war auch dazu","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"eingeladen. Sie schaute die alte Frau an, die ja doch nicht wieder gesund wurde,","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"sie schaute auf die roten Schuhe, und das schien ihr keine Sünde zu sein. – Da","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"zog sie die roten Schuhe an – das konnte sie wohl auch ruhig tun! – aber dann","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"ging sie auf den Ball und fing an zu tanzen.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Doch als sie nach rechts wollte, tanzten die Schuhe nach links, und als sie den","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Saal hinauf tanzen wollte, tanzten die Schuhe hinunter, die Treppe hinab, über","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"den Hof durch das Tor aus der Stadt hinaus. Tanzen tat sie, und tanzen mußte","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"sie, mitten in den finsteren Wald hinein.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Da leuchtete es zwischen den Bäumen oben, und sie glaubte, daß es der Mond wäre;","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"denn es sah aus wie ein Gesicht. Es war jedoch der alte Soldat mit dem roten","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Barte. Er saß und nickte und sprach: \"Sieh, was für hübsche Tanzschuhe.\"","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Da erschrak sie und wollte die roten Schuhe fortwerfen; aber sie hingen fest.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Sie riß ihre Strümpfe ab; aber die Schuhe waren an ihren Füßen festgewachsen.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Und tanzen tat sie und tanzen mußte sie über Feld und Wiesen, in Regen und","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Sonnenschein, bei Tage und bei Nacht; aber in der Nacht war es zum Entsetzen.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Sie tanzte zum offenen Kirchhofe hinein, aber die Toten dort tanzten nicht; sie","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"hatten weit Besseres zu tun als zu tanzen. Sie wollte auf dem Grabe eines Armen","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"niedersitzen, wo bitteres Farnkraut grünte, aber für sie gab es weder Rast noch","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Ruhe. Und als sie auf die offene Kirchentür zutanzte, sah sie dort einen Engel","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"in langen weißen Kleidern; seine Schwingen reichten von seinen Schultern bis zur","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Erde nieder. Sein Gesicht war strenge und ernst, und in der Hand hielt er ein","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Schwert, breit und leuchtend:","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"\"Tanzen sollst Du\" sagte er, \"tanzen auf Deinen roten Schuhen, bist Du bleich","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"und kalt bist, bis Deine Haut über dem Gerippe zusammengeschrumpft ist.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Tanzen sollst Du von Tür zu Tür, und wo stolze, eitle Kinder wohnen, sollst Du","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"anpochen, daß sie Dich hören und fürchten! Tanzen sollst Du, tanzen\" - \"Gnade\"","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"rief Karen. Aber sie hörte nicht mehr, was der Engel antwortete, denn die Schuhe","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"trugen sie durch die Pforte auf das Feld hinaus, über Weg und über Steg, und","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"immer mußte sie tanzen.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Eines Morgens tanzte sie an einer Tür vorbei, die ihr wohlbekannt war. Drinnen","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"ertönten Totenpsalmen; ein Sarg wurde herausgetragen, der mit Blumen geschmückt","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"war. Da wußte sie, daß die alte Frau tot war, und es kam ihr zum Bewußtsein, daß","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"sie nun von allen verlassen war, und Gottes Engel hatte sie verflucht.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Tanzen tat sie und tanzen mußte sie, tanzen in der dunkeln Nacht. Die Schuhe","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"trugen sie dahin über Dorn und Steine, und sie riß sich blutig. Sie tanzte über","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"die Heide hin bis zu einem kleinen, einsamen Hause. Hier, wußte sie, wohnte der","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Scharfrichter, und sie pochte mit dem Finger an die die Scheibe und sagte:","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"\"Komm heraus – Komm heraus – Ich kann nicht hineinkommen, denn ich tanze.\"","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Und der Scharfrichter sagte: \"Du weißt wohl nicht, wer ich bin? Ich schlage","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"bösen Menschen das Haupt ab, und ich fühle, daß mein Beil klirrt!\"","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"\"Schlag mir nicht das Haupt ab\" sagte Karen, \"denn dann kann ich nicht meine","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Sünde bereuen! Aber haue meine Füße mit den roten Schuhen ab.\"","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Nun bekannte sie ihre ganze Sünde, und der Scharfrichter hieb ihr die Füße mit","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"den roten Schuhen ab: aber die Schuhe tanzten mit den kleinen Füßchen über das","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Feld in den tiefen Wald hinein.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Und er schnitzte ihr Holzbeine und Krücken, lehrte sie die Psalmen, die die","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"armen Sünder singen, und sie küßte die Hand, die die Axt geführt hatte, und ging","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"von dannen über die Heide.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"\"Nun habe ich genug um die roten Schuhe gelitten\" sagte sie, \"nun will ich in","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"die Kirche gehen, damit es auch gesehen wird.\" Und sie ging, so schnell sie","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"es mit den Holzfüßen konnte, auf die Kirchentür zu. Als sie aber dorthin kam,","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"tanzten die roten Schuhe vor ihr her, und sie entsetzte sich und kehrte um.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Die ganze Woche hindurch war sie betrübt und weinte viele bittere Tränen. Als es","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"aber Sonntag wurde, sagte sie: \"So, nun habe ich genug gelitten und gestritten.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Ich glaube wohl, daß ich ebenso gut bin wie viele von denen, die in der Kirche","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"sitzen und prahlen!\" Und dann machte sie sich mutig auf. Doch kam sie nicht","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"weiter als bis zur Pforte; da sah sie die roten Schuhe vor sich hertanzen, und","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"sie entsetzte sich sehr, kehrte wieder um und bereute ihre Sünde von ganzem","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Herzen.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Dann ging sie zum Pfarrhause und bat, ob sie dort Dienst nehmen dürfe; sie wolle","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"fleißig sein und alles tun, was sie könne; auf Lohn sehe sie nicht, wenn sie nur","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"ein Dach übers Haupt bekäme und bei guten Menschen wäre. Und die Pfarrersfrau","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"hatte Mitleid mit ihr und nahm sie in Dienst. Und sie war fleißig und","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"nachdenklich. Stille saß sie und hörte zu, wenn am Abend der Pfarrer laut aus","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"der Bibel vorlas. All die Kleinen liebten sie sehr; aber wenn sie von Putz und","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Staat sprachen und daß es herrlich sein müsse, eine Königin zu sein, schüttelte","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"sie mit dem Kopfe.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Am nächsten Sonntag gingen alle zur Kirche, und sie fragten sie, ob sie","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"mitwolle, aber sie sah betrübt mit Tränen in den Augen auf ihre Krücken herab,","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"und so gingen die anderen ohne sie fort, um Gottes Wort zu hören; sie aber","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"ging allein in ihre kleine Kammer. Die war nicht größer, als daß ein Bett und","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"ein Stuhl darin stehen konnte, und hier setzte sie sich mit ihrem Gesangbuche","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"hin. Und als sie mit frommem Sinn darin las, trug der Wind die Orgeltöne aus","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"der Kirche zu ihr herüber, und sie erhob unter Tränen ihr Antlitz und sagte: \"O","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Gott, hilf mir.\"","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Da schien die Sonne so hell, und gerade vor ihr stand Gottes Engel in den weißen","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Kleidern, er, den sie in der Nacht in der Kirchentür gesehen hatte. Aber er","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"hielt nicht mehr das scharfe Schwert, sondern einen herrlichen grünen Zweig,","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"der voller Rosen war. Mit diesem berührte er die Decke, und sie hob sich empor,","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"und wo er sie berührt hatte, leuchtete ein goldener Stern. Und er berührte die","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Wände, und sie weiteten sich. Nun sah sie die Orgel und hörte ihren Klang, und","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"sie sah die alten Steinbilder von den Pfarrern und Pfarrersfrauen.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Die Gemeinde saß in den geschmückten Stühlen und sang aus dem Gesangbuch. – Die","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Kirche war selbst zu dem armen Mädchen in die kleine, enge Kammer gekommen, oder","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"war sie etwa in die Kirche gekommen? Sie saß im Stuhl bei den anderen aus dem","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Pfarrhause, und als der Psalm zuende gesungen war, blickten sie auf und nickten","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"ihr zu und sagten: \"Das war recht, daß Du kamst, Karen.\"","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"\"Es war Gnade\" sagte sie.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Und die Orgel klang, und die Kinderstimmen im Chor ertönten sanft und lieblich!","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Der klare Sonnenschein strömte warm durch die Fenster in den Kirchenstuhl, wo","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Karen saß; ihr Herz war so voll Sonnenschein, Frieden und Freude, daß es brach.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Ihre Seele flog mit dem Sonnenschein auf zu Gott, und dort war niemand, der nach","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"den roten Schuhen fragte.","book":"Die roten Schuhe"} {"text":"Der Floh, der Grashüpfer und die Springgans wollten einmal sehen, wer von ihnen","book":"Die Springer"} {"text":"am höchsten springen konnte, und deshalb luden sie alle Welt und wer sonst","book":"Die Springer"} {"text":"noch kommen wollte, ein, um der Pracht zuzuschauen. Es waren drei ordentliche","book":"Die Springer"} {"text":"Springer, die sich da in der Stube zusammengefunden hatten.","book":"Die Springer"} {"text":"\"Der, der am höchsten springt, soll meine Tochter haben\" sagte der König, \"denn","book":"Die Springer"} {"text":"es wäre gar zu kleinlich, wenn diese Personen für nichts und wieder nichts","book":"Die Springer"} {"text":"springen sollten.\"","book":"Die Springer"} {"text":"Der Floh kam zuerst daran. Er hatte gute Umgangsformen und grüßte nach allen","book":"Die Springer"} {"text":"Seiten, denn er hatte Fräuleinblut in den Adern und war gewohnt, mit Menschen","book":"Die Springer"} {"text":"umzugehen, und das macht viel aus.","book":"Die Springer"} {"text":"Nun kam der Grashüpfer; der war freilich bedeutend dicker, aber er sah","book":"Die Springer"} {"text":"trotzdem ganz gut aus und war in einer grünen Uniform, die ihm angeboren war.","book":"Die Springer"} {"text":"Außerdem behauptete er, aus sehr alter Familie in Ägypten zu stammen, und er","book":"Die Springer"} {"text":"sagte, auch hierzulande sei er hoch geschätzt; denn er sei gerade vom Felde","book":"Die Springer"} {"text":"in ein Kartenhaus gesetzt worden, das drei Etagen hätte, die sämtlich aus","book":"Die Springer"} {"text":"Kartenblättern zusammengesetzt wären und die bunte Seite nach innen kehrten.","book":"Die Springer"} {"text":"Es hätte Türen und Fenster, und zwar wären diese gerade aus der Herzdame","book":"Die Springer"} {"text":"herausgeschnitten. \"Ich singe so schön,\" sagte er, \"daß sechzehn eingeborene","book":"Die Springer"} {"text":"Heimchen, die von klein auf gepfiffen und doch kein Kartenhaus bekommen haben,","book":"Die Springer"} {"text":"sich noch dünner geärgert haben, als sie schon waren, als sie mich hörten!\"","book":"Die Springer"} {"text":"Alle beide, der Floh und der Grashüpfer, schlugen also gehörig die Trommel für","book":"Die Springer"} {"text":"ihren eigenen Wert und bewiesen, daß sie für eine Prinzessin eben recht seien.","book":"Die Springer"} {"text":"Die Springgans sagte gar nichts, aber man sagte ihr nach, daß sie umsomehr","book":"Die Springer"} {"text":"denke, und als der Hofhund nur an ihr geschnüffelt hatte, stand er dafür ein,","book":"Die Springer"} {"text":"daß die Springgans aus guter Familie sein müsse. Der alte Ratsherr, der drei","book":"Die Springer"} {"text":"Orden für Stillschweigen bekommen hatte, behauptete, er wisse mit Sicherheit,","book":"Die Springer"} {"text":"daß die Gans mit dem zweiten Blick begabt sei, man könne an ihrem Rücken","book":"Die Springer"} {"text":"erkennen, ob es einen milden oder strengen Winter gäbe, und das könne man nicht","book":"Die Springer"} {"text":"einmal an dem Rücken des Mannes erkennen, der den Kalender schriebe.","book":"Die Springer"} {"text":"\"Ja, ich sage gar nichts!\" sagte der alte König, \"ich gehe ganz still und denke","book":"Die Springer"} {"text":"mir mein Teil.\"","book":"Die Springer"} {"text":"Nun war der Sprung an der Reihe. Der Floh sprang so hoch, daß es niemand sehen","book":"Die Springer"} {"text":"konnte, und da behaupteten alle, daß er gar nicht gesprungen wäre, aber das war","book":"Die Springer"} {"text":"elende Verleumdung.","book":"Die Springer"} {"text":"Der Grashüpfer sprang nur halb so hoch, aber er sprang dem Könige gerade ins","book":"Die Springer"} {"text":"Gesicht, und da meinte dieser, das sei unappetitlich.","book":"Die Springer"} {"text":"Die Springgans stand lange still und überlegte, sodaß man zuguterletzt glaubte,","book":"Die Springer"} {"text":"daß sie überhaupt nicht springen könne.","book":"Die Springer"} {"text":"\"Wenn ihr nur nicht übel geworden ist\" sagte der Hofhund und beschnüffelte sie","book":"Die Springer"} {"text":"wieder: rutsch, da sprang sie mit einem kleinen, schiefen Sprunge der Prinzessin","book":"Die Springer"} {"text":"in den Schoß, die auf einem niedrigen goldenen Schemel saß.","book":"Die Springer"} {"text":"Da sagte der König: \"Der höchste Sprung ist der zu meiner Tochter empor, denn","book":"Die Springer"} {"text":"dieser Einfall zeugt von höchster Feinheit. Aber es gehört eben Kopf dazu, und","book":"Die Springer"} {"text":"den hat die Springgans bewiesen. Sie hat keine Grütze im Kopfe.\"","book":"Die Springer"} {"text":"Und da bekam sie die Prinzessin.","book":"Die Springer"} {"text":"\"Ich sprang doch am höchsten\" sagte der Floh, \"aber es ist einerlei! Laß sie nur","book":"Die Springer"} {"text":"das Gänsegerippe mit Stock und Pechdraht nehmen! Ich sprang doch am höchsten,","book":"Die Springer"} {"text":"aber es gehört eben Leibesumfang in dieser Welt dazu, um gesehen zu werden.\"","book":"Die Springer"} {"text":"Und dann ging der Floh in fremden Kriegsdienst, wo er dem Hörensagen nach","book":"Die Springer"} {"text":"erschlagen wurde.","book":"Die Springer"} {"text":"Der Grashüpfer setzte sich draußen in den Graben und dachte darüber nach, wie","book":"Die Springer"} {"text":"ungerecht es eigentlich in der Welt zugehe, und er sagte auch: \"Ein Körper","book":"Die Springer"} {"text":"gehört dazu. Ein Körper gehört dazu.\" Und dann sang er sein eigenes, trübseliges","book":"Die Springer"} {"text":"Lied weiter, aus dem wir die Geschichte erfuhren, die gut und gern eine Lüge","book":"Die Springer"} {"text":"sein könnte, ob sie auch gedruckt dasteht.","book":"Die Springer"} {"text":"Hast du wohl je einen recht alten Holzschrank, ganz schwarz vom Alter und mit","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"ausgeschnitzten Schnörkeln und Laubwerk daran, gesehen? Gerade ein solcher stand","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"in einer Wohnstube; er war von der Urgroßmutter geerbt und mit ausgeschnitzten","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Rosen und Tulpen von oben bis unten bedeckt. Da waren die sonderbarsten","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Schnörkel, und aus ihnen ragten kleine Hirschköpfe mit Geweihen hervor. Aber","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"mitten auf dem Schranke stand ein ganzer Mann geschnitzt; er war freilich","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"lächerlich anzusehen, und er grinste auch, man konnte es nicht lachen nennen.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Er hatte Ziegenbocksbeine, kleine Hörner am Kopfe und einen langen Bart. Die","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Kinder nannten ihn immer den ZiegenbocksbeinOber- und Unterkriegsbefehlshaber;","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"das war ein langes Wort, und es gibt nicht viele, die den Titel bekommen. Da","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"war er nun! Immer sah er nach dem Tische unter dem Spiegel, denn da stand eine","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"liebliche, kleine Hirtin von Porzellan; die Schuhe waren vergoldet, das Kleid","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"mit einer roten Rose niedlich aufgeheftet, und dann hatte sie einen Goldhut","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"und einen Hirtenstab; sie war wunderschön. Dicht neben ihr stand ein kleiner","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Schornsteinfeger, so schwarz wie Kohle, aber auch aus Porzellan; er war ebenso","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"rein und fein wie irgendein anderer. Der Porzellanfabrikant hätte ebensogut","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"einen Prinzen oder einen König aus ihm machen können, denn das war einerlei.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Da stand er mit seiner Leiter und mit einem Antlitz, so weiß und rot wie ein","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Mädchen, und das war eigentlich ein Fehler, denn etwas schwarz hätte es doch","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"wohl sein können. Er hatte seinen Platz ganz nahe bei der Hirtin; und da sie nun","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"so hingestellt waren, hatten sie sich verlobt - sie paßten ja zueinander, sie","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"waren von demselben Porzellan und beide gleich zerbrechlich.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Dicht bei ihnen stand noch eine Figur, die war dreimal größer. Es war ein","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"alter Chinese, der nicken konnte. Er war auch aus Porzellan und sagte, er","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"sei der Großvater der kleinen Hirtin, aber das konnte er freilich nicht","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"beweisen; er behauptete, daß er Gewalt über sie habe, und deswegen hatte er","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"dem Ziegenbocksbein-Ober- und Unterkriegsbefehlshaber, der um die kleine Hirtin","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"freite, zugenickt.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Da erhältst du einen Mann,\" sagte der alte Chinese, \"einen Mann, der, wie ich","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"fast glaube, von Mahagoniholz ist. Der kann dich zur ZiegenbocksbeinOber- und","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Unterkriegsbefehlshaberin machen; er hat den ganzen Schrank voll Silberzeug,","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"ungerechnet, was er in den geheimen Fächern hat.\"","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Ich will nicht in den dunklen Schrank!\" sagte die kleine Hirtin. \"Ich habe","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"sagen hören, daß er elf Porzellanfrauen darin hat.\"","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Dann kannst du die zwölfte sein!\" sagte der Chinese. \"Diese Nacht, sobald es","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"in dem alten Schrank knackt, sollt ihr Hochzeit halten, so wahr ich ein Chinese","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"bin!\" Und dann nickte er mit dem Kopf und fiel in Schlaf.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Aber die kleine Hirtin weinte und blickte ihren Herzallerliebsten, den","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Porzellanschornsteinfeger, an.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Ich möchte dich bitten,\" sagte sie, \"mit mir in die weite Welt hinauszugehen,","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"denn hier können wir nicht bleiben!\"","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Ich will alles, was du willst!\" sagte der kleine Schornsteinfeger. \"Laß uns","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"gleich gehen; ich denke wohl, daß ich dich mit meinem Handwerk ernähren kann!\"","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Wenn wir nur erst glücklich von dem Tische herunter wären!\" sagte sie. \"Ich","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"werde erst froh, wenn wir in der weiten Welt draußen sind.\"","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Er tröstete sie und zeigte, wie sie ihren kleinen Fuß auf die ausgeschnittenen","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Ecken und das vergoldete Laubwerk am Tischfuße hinabsetzen sollte; seine Leiter","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"nahm er auch zu Hilfe, und da waren sie auf dem Fußboden. Aber als sie nach","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"dem alten Schranke hinsahen, war große Unruhe darin. Alle die ausgeschnittenen","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Hirsche steckten die Köpfe weit hervor, erhoben die Geweihe und drehten die","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Hälse; der Ziegenbocksbein-Ober- und Unterkriegsbefehlshaber sprang in die Höhe","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"und rief zum alten Chinesen hinüber: \"Nun laufen sie fort! Nun laufen sie fort!\"","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Da erschraken sie und sprangen geschwind in den Schubkasten.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Hier lagen drei bis vier Spiele Karten, die nicht vollständig waren, und ein","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"kleines Puppentheater, das, so gut es sich tun ließ, aufgebaut war. Da wurde","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Komödie gespielt, und alle Damen saßen in der ersten Reihe und fächelten sich","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"mit ihren Tulpen, und hinter ihnen standen alle Buben und zeigten, daß sie","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Kopf hatten, sowohl oben wie unten, wie die Spielkarten es haben. Die Komödie","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"handelte von zwei Personen, die einander nicht bekommen sollten, und die Hirtin","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"weinte darüber, denn es war gerade wie ihre eigene Geschichte.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Das kann ich nicht aushalten!\" sagte sie. \"Ich muß aus dem Schubkasten heraus!\"","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Als sie aber auf dem Fußboden anlangten und nach dem Tische hinaufblickten, da","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"war der alte Chinese erwacht und schüttelte mit dem ganzen Körper; unten war er","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"ja ein Klumpen.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Nun kommt der alte Chinese!\" schrie die kleine Hirtin und fiel auf ihre Knie","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"nieder, so betrübt war sie.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Es fällt mir etwas ein,\" sagte der Schornsteinfeger. \"Wollen wir in das große","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Gefäß, das in der Ecke steht, hinabkriechen? Da könnten wir auf Rosen und","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Lavendel liegen und ihm Salz in die Augen werfen, wenn er kommt.\"","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Das kann nichts nützen!\" sagte sie. \"Überdies weiß ich, daß der alte Chinese","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"und das Gefäß miteinander verlobt gewesen sind, und es bleibt immer etwas","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Wohlwollen zurück, wenn man in solchen Verhältnissen gestanden hat. Nein, es","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"bleibt uns nichts übrig, als in die weite Welt hinauszugehen.\"","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Hast du wirklich Mut, mit mir in die weite Welt hinauszugehen?\" fragte der","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Schornsteinfeger. \"Hast du auch bedacht, wie groß die ist und daß wir nicht mehr","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"an diesen Ort zurückkommen können?\"","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Ja,\" sagte sie.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Der Schornsteinfeger sah sie fest an, und dann sagte er: \"Mein Weg geht durch","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"den Schornstein; hast du wirklich Mut, mit mir durch den Ofen, sowohl durch","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"den Kasten als durch die Röhre zu kriechen? Dann kommen wir hinaus in den","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Schornstein, und da verstehe ich mich zu tummeln. Wir steigen so hoch, daß","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"sie uns nicht erreichen können, und ganz oben geht ein Loch in die weite Welt","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"hinaus.\"","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Und er führte sie zu der Ofentür hin.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Da sieht es schwarz aus!\" sagte sie, aber sie ging doch mutig mit ihm sowohl","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"durch den Kasten als durch die Röhre, wo eine pechfinstere Nacht herrschte.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Nun sind wir im Schornstein!\" sagte er. \"Und sieh, sieh, dort oben scheint der","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"herrlichste Stern.\"","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Es war ein Stern am Himmel, der zu ihnen herabschien, gerade als wollte er","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"ihnen den Weg zeigen. Und sie kletterten und krochen; ein greulicher Weg war es,","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"sehr hoch, aber er hob und hielt sie und zeigte die besten Stellen, wo sie ihre","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"kleinen Porzellanfüße hinsetzen konnte; so erreichten sie den Schornsteinrand,","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"und auf den setzten sie sich, denn sie waren tüchtig ermüdet, und das konnten","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"sie auch wohl sein.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Der Himmel mit all seinen Sternen war oben über ihnen und alle Dächer der Stadt","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"tief unten; sie sahen weit umher, weit hinaus in die Welt; die arme Hirtin","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"hatte es sich nie so gedacht, sie legte sich mit ihrem kleinen Haupte gegen","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"ihren Schornsteinfeger, und dann weinte sie, daß das Gold von ihrem Leibgürtel","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"absprang.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Das ist allzuviel!\" sagte sie. \"Das kann ich nicht ertragen, die Welt ist allzu","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"groß! Wäre ich doch wieder auf dem Tische unter dem Spiegel; ich werde nie froh,","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"ehe ich wieder dort bin! Nun bin ich dir in die weite Welt hinaus gefolgt, nun","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"kannst du mich auch wieder zurückbringen, wenn du etwas von mir hältst! \"","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Der Schornsteinfeger sprach vernünftig mit ihr von dem alten Chinesen und vom","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Ziegenbocksbein-Ober- und Unterkriegsbefehlshaber, aber sie schluchzte gewaltig","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"und küßte ihren kleinen Schornsteinfeger, daß er nicht anders konnte als sich","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"ihr zu fügen, obgleich es töricht war.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"So kletterten sie wieder mit vielen Beschwerden den Schornstein hinunter und","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"krochen durch den Kasten und die Röhre. Das war gar nichts Schönes. Und dann","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"standen sie in dem dunklen Ofen; da horchten sie hinter der Tür, um zu erfahren,","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"wie es in der Stube stehe. Dort war es ganz still; sie sahen hinein - ach, der","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"alte Chinese lag mitten auf dem Fußboden; er war vom Tische heruntergefallen,","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"als er hinter ihnen her wollte, und lag in drei Stücke zerschlagen. Der ganze","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Rücken war in einem Stücke abgegangen, und der Kopf war in eine Ecke gerollt;","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"der Ziegenbocksbein-Ober- und Unterkriegsbefehlshaber stand, wo er immer","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"gestanden hatte, und dachte nach.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Das ist gräßlich!\" sagte die kleine Hirtin. \"Der alte Großvater in Stücke","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"zerschlagen, und wir sind schuld daran! Das werde ich nicht überleben!\" Und dann","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"rang sie ihre kleinen Hände.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Er kann noch gekittet werden!\" sagte der Schornsteinfeger. \"Er kann sehr gut","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"gekittet werden! Sei nur nicht heftig; wenn sie ihn im Rücken kitten und ihm","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"eine gute Niete im Nacken geben, so wird er so gut wie neu sein und kann uns","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"noch manches Unangenehme sagen.\"","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Glaubst du?\" sagte sie. Und dann krochen sie wieder auf den Tisch hinauf.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Sieh, soweit kamen wir,\" sagte der Schornsteinfeger. \"Da hätten wir uns alle","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"die Mühe ersparen können.\"","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Hätten wir nur den alten Großvater wieder gekittet!\" sagte die Hirtin. \"Wird","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"das sehr teuer sein?\"","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Und genietet wurde er; die Familie ließ ihn im Rücken kitten, er bekam eine gute","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Niete am Halse, und er war so gut wie neu, aber nicken konnte er nicht mehr.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"\"Sie sind wohl hochmütig geworden, seitdem Sie in Stücke geschlagen sind!\"","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"fragte der Ziegenbocksbein-Ober- und Unterkriegsbefehlshaber. \"Mich dünkt,","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"daß Sie nicht Ursache haben, so wichtig zu tun. Soll ich nun die kleine Hirtin","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"haben, oder soll ich sie nicht haben?\"","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Der Schornsteinfeger und die kleine Hirtin sahen den alten Chinesen rührend","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"an, sie fürchteten sehr, er möchte nicken; aber er konnte nicht; und das war","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"ihm unbehaglich, einem Fremden zu erzählen, daß er beständig eine Niete im","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Nacken habe. Und so blieben die Porzellanleute zusammen, und sie segneten des","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Großvaters Niete und liebten sich, bis sie in Stücke gingen.","book":"Die Hirtin und der Schornsteinfeger"} {"text":"Es gibt in Dänemark ein altes Schloß, das Kronborg heißt. Das hält am Öresund","book":"Holger Danske"} {"text":"Wacht, wo die großen Schiffe Tag für Tag zu hunderten vorbeisegeln, englische,","book":"Holger Danske"} {"text":"russische und preußische; die grüßen mit Kanonen zu dem alten Schloß herüber:","book":"Holger Danske"} {"text":"\"Bum.\" und das Schloß antwortet mit Kanonen: \"Bum.\" Denn so sagen die Kanonen","book":"Holger Danske"} {"text":"\"Guten Tag\" und \"Schönen Dank.\" Im Winter segeln keine Schiffe vorbei, dann","book":"Holger Danske"} {"text":"liegt bis zum schwedischen Land hinüber alles mit Eis bedeckt. Die Wasserstraße","book":"Holger Danske"} {"text":"ist gleichsam eine Landstraße geworden; da weht die dänische Flagge und die","book":"Holger Danske"} {"text":"schwedische Flagge, und das dänische und das schwedische Volk sagt einander:","book":"Holger Danske"} {"text":"\"Guten Tag.\" und \"Schönen Dank\" aber nicht mit Kanonen, nein, mit freundlichem","book":"Holger Danske"} {"text":"Handschlag, und der eine holt Weizenbrot und Brezeln bei dem andern; denn fremde","book":"Holger Danske"} {"text":"Kost mundet am besten. Aber das Prächtigste ist doch das alte Kronborg, und dort","book":"Holger Danske"} {"text":"unten, in dem tiefen finstern Keller, wohin niemand kommt, sitzt Holger Danske.","book":"Holger Danske"} {"text":"Er ist in Eisen und Stahl gekleidet und stützt sein Haupt auf die starken Arme.","book":"Holger Danske"} {"text":"Sein langer Bart hängt über den Marmortisch hinaus und ist darin festgewachsen.","book":"Holger Danske"} {"text":"Er schläft und träumt; aber im Traume sieht er alles, was oben in Dänemark","book":"Holger Danske"} {"text":"geschieht. Jeden Weihnachtsabend kommt ein Engel Gottes und sagt ihm, daß es","book":"Holger Danske"} {"text":"richtig sei, was er geträumt habe, und daß er ruhig weiterschlafen könne, denn","book":"Holger Danske"} {"text":"noch befinde sich Dänemark in keiner wirklichen Gefahr. Gerät es aber in Gefahr,","book":"Holger Danske"} {"text":"dann wird der alte Holger Danske sich erheben, daß der Tisch berstet, wenn er","book":"Holger Danske"} {"text":"den Bart herauszieht. Dann tritt er hervor und schlägt mit seinem Schwert an den","book":"Holger Danske"} {"text":"Schild, daß es über alle Länder der Erde tönt.","book":"Holger Danske"} {"text":"Alles dies von Holger Danske erzählte ein alter Großvater, der bei seinem Enkel","book":"Holger Danske"} {"text":"saß, und der kleine Knabe wußte, daß es wahr sei, was der Großvater erzählte.","book":"Holger Danske"} {"text":"Während der Alte saß und erzählte, schnitzte er an einem großen Holzbilde, das","book":"Holger Danske"} {"text":"Holger Danske vorstellen und den Bug eines Schiffes zieren sollte; denn der","book":"Holger Danske"} {"text":"alte Großvater war Bildschnitzer. Das ist so ein Mann, der die Galionsfiguren","book":"Holger Danske"} {"text":"ausschneidet, nach denen das Schiff benannt wird. Hier hatte er nun Holger","book":"Holger Danske"} {"text":"Danske ausgeschnitten. Hoch und stolz stand er mit seinem langen Barte und hielt","book":"Holger Danske"} {"text":"in der einen Hand das breite Schlachtschwert; mit der anderen stützte er sich","book":"Holger Danske"} {"text":"auf das dänische Wappen.","book":"Holger Danske"} {"text":"Und der alte Großvater erzählte soviel von berühmten dänischen Männern und","book":"Holger Danske"} {"text":"Frauen, daß es dem kleinen Enkelsohn zuletzt vorkam, als ob er nun ebensoviel","book":"Holger Danske"} {"text":"wisse, wie Holger Danske wissen könne, der ja nur davon träumte. Und als der","book":"Holger Danske"} {"text":"Kleine in sein Bett kam, dachte er soviel daran, daß er schließlich sein Kinn","book":"Holger Danske"} {"text":"an die Bettdecke drückte und glaubte, nun habe er einen langen Bart, der darin","book":"Holger Danske"} {"text":"festgewachsen sei.","book":"Holger Danske"} {"text":"Der alte Großvater aber blieb bei seiner Arbeit sitzen und schnitzte den letzten","book":"Holger Danske"} {"text":"Teil daran fertig; das war das dänische Wappen. Als das Ganze fertig dastand und","book":"Holger Danske"} {"text":"er es betrachtete, dachte er an alles, was er gelesen und gehört hatte, und was","book":"Holger Danske"} {"text":"er heute abend dem kleinen Knaben erzählt hatte; und er nickte, trocknete seine","book":"Holger Danske"} {"text":"Brille ab, setzte sie wieder auf und sagte: \"Ja, zu meiner Zeit kehrt Holger","book":"Holger Danske"} {"text":"Danske wohl nicht wieder. Aber der Knabe dort im Bette bekommt ihn vielleicht","book":"Holger Danske"} {"text":"zu sehen und ist dabei, wenn es wirklich gilt.\" Und der alte Großvater nickte,","book":"Holger Danske"} {"text":"und je länger er seinen Holger Danske ansah, desto deutlicher wurde ihm bewußt,","book":"Holger Danske"} {"text":"daß er da ein gutes Bild gemacht habe. Es schien sich mit Farbe zu erfüllen, der","book":"Holger Danske"} {"text":"Harnisch erglänzte wie Eisen und Stahl, die Herzen im dänischen Wappen wurden","book":"Holger Danske"} {"text":"rot und röter, und die Löwen mit den goldenen Kronen sprangen.","book":"Holger Danske"} {"text":"\"Es ist doch das prächtigste Wappen, das man in der Welt hat\" sagte der Alte.","book":"Holger Danske"} {"text":"\"Die Löwen sind die Stärke und die Herzen die Milde und Liebe.\" Und er blickte","book":"Holger Danske"} {"text":"auf den obersten Löwen und dachte an König Knud, der das mächtige Engelland","book":"Holger Danske"} {"text":"an Dänemarks Königsstuhl fesselte; und er sah auf den zweiten Löwen und dachte","book":"Holger Danske"} {"text":"an Waldemar, der Dänemark einigte und die wendischen Lande bezwang; er sah auf","book":"Holger Danske"} {"text":"den dritten Löwen und dachte an Margarethe, die Dänemark, Schweden und Norwegen","book":"Holger Danske"} {"text":"verband. Aber als er auf die roten Herzen sah, leuchteten sie noch stärker als","book":"Holger Danske"} {"text":"zuvor; sie wurden zu roten Flammen, die sich fortbewegten, und seine Gedanken","book":"Holger Danske"} {"text":"folgten ihnen.","book":"Holger Danske"} {"text":"Die erste Flamme führte ihn in ein enges, düsteres Gefängnis; dort saß eine","book":"Holger Danske"} {"text":"Gefangene, ein herrliches Weib, Christians des Vierten Tochter: Eleonore Ulfeld.","book":"Holger Danske"} {"text":"Und die Flamme setzte sich einer Rose gleich auf ihre Brust und blühte zugleich","book":"Holger Danske"} {"text":"mit ihrem Herzen leuchtend empor, dem Herzen der edelsten und besten aller","book":"Holger Danske"} {"text":"dänischen Frauen.","book":"Holger Danske"} {"text":"\"Ja, das ist ein Herz in Dänemarks Wappen\" sagte der alte Großvater.","book":"Holger Danske"} {"text":"Und seine Gedanken folgten der zweiten Flamme, die ihn aufs Meer hinaus führte,","book":"Holger Danske"} {"text":"wo die Kanonen donnerten, und wo Schiffe in Rauch gehüllt lagen. Und die Flamme","book":"Holger Danske"} {"text":"heftete sich wie ein Ordensband auf Hvitfeldts Brust, als er zur Rettung der","book":"Holger Danske"} {"text":"Flotte sich und sein Schiff in die Luft sprengte.","book":"Holger Danske"} {"text":"Die dritte Flamme führte ihn zu Grönlands elenden Hütten, wo der Prediger Hans","book":"Holger Danske"} {"text":"Egede mit Liebe in Wort und Werk stand. Die Flamme leuchtete gleich einem Stern","book":"Holger Danske"} {"text":"auf seiner Brust, ein Herz zum dänischen Wappen.","book":"Holger Danske"} {"text":"Und des alten Großvaters Gedanken gingen der schwebenden Flamme voran, denn sie","book":"Holger Danske"} {"text":"wußten, wo die Flamme hinwollte. In der ärmlichen Stube der Bauernfrau stand","book":"Holger Danske"} {"text":"Friedrich der Sechste und schrieb seinen Namen mit Kreide an einen Balken. Die","book":"Holger Danske"} {"text":"Flamme auf seiner Brust bebte in seinem Herzen. In dieser Bauernstube wurde sein","book":"Holger Danske"} {"text":"Herz ein Herz in Dänemarks Wappen. Der alte Großvater trocknete seine Augen,","book":"Holger Danske"} {"text":"denn er hatte König Friedrich mit dem silberweißen Haar und den treuen blauen","book":"Holger Danske"} {"text":"Augen gekannt und für ihn gelebt, und er faltete seine Hände und blickte still","book":"Holger Danske"} {"text":"vor sich hin. Da kam des alten Großvaters Schwiegertochter und sagte, es sei","book":"Holger Danske"} {"text":"schon spät, nun solle er ruhen, denn der Abendtisch sei gedeckt.","book":"Holger Danske"} {"text":"\"Aber schön ist es geworden, was Du da gemacht hast, Großvater!\" sagte sie.","book":"Holger Danske"} {"text":"\"Holger Danske und unser ganzes altes Wappen! Mir ist gerade, als hätte ich sein","book":"Holger Danske"} {"text":"Gesicht schon früher gesehen!\"","book":"Holger Danske"} {"text":"\"Nein, das hast Du wohl nicht gesehen!\" sagte der alte Großvater, \"aber ich habe","book":"Holger Danske"} {"text":"es gesehen, und ich habe mich bemüht, es ins Holz zu schneiden, so wie es mir","book":"Holger Danske"} {"text":"noch vor Augen schwebt. Es war damals, als die Engländer auf der Reede lagen,","book":"Holger Danske"} {"text":"am zweiten April, und wo wir bewiesen haben, daß wir noch die alten Dänen sind!","book":"Holger Danske"} {"text":"Auf dem Schiff 'Dänemark', wo ich in Steen Billes Bataillon stand, hatte ich","book":"Holger Danske"} {"text":"einen Mann zur Seite: es war als ob die Kugeln ihm auswichen! Lustig sang er","book":"Holger Danske"} {"text":"alte Weisen und schoß und kämpfte, als sei er mehr als ein Mensch. Ich sehe noch","book":"Holger Danske"} {"text":"immer sein Antlitz vor mir; aber woher er kam, wohin er ging, weiß ich nicht,","book":"Holger Danske"} {"text":"weiß niemand. Ich habe oft gedacht, es müsse wohl der alte Holger Danske selbst","book":"Holger Danske"} {"text":"gewesen sein, der von Kronborg herabgeschwommen war, um uns zur Stunde der","book":"Holger Danske"} {"text":"Gefahr beizustehen. Das war mein Gedanke, und dort steht sein Bild.\"","book":"Holger Danske"} {"text":"Das warf seinen großen Schatten über die Wand bis an die Decke, ja selbst ein","book":"Holger Danske"} {"text":"Stück darüber hinweg; es sah aus, als sei es der wirkliche Holger Danske, der","book":"Holger Danske"} {"text":"dahinter stehe, denn der Schatten bewegte sich; das konnte aber auch daran","book":"Holger Danske"} {"text":"liegen, daß die Lichtflamme nicht ruhig brannte. Und die Schwiegertochter küßte","book":"Holger Danske"} {"text":"den alten Großvater und führte ihn zu dem großen Lehnstuhl, der am Tische stand,","book":"Holger Danske"} {"text":"und sie und ihr Mann, der ja des alten Großvaters Sohn und der Vater des kleinen","book":"Holger Danske"} {"text":"Knaben war, der nun im Bette lag, setzten sich auch und aßen ihre Abendmahlzeit.","book":"Holger Danske"} {"text":"Und der alte Großvater sprach von den dänischen Löwen und den dänischen Herzen,","book":"Holger Danske"} {"text":"von der Stärke und der Milde, und bedeutsam erklärte er, daß es noch eine","book":"Holger Danske"} {"text":"anders geartete Stärke gäbe, als die im Schwerte liegende, und er wies auf das","book":"Holger Danske"} {"text":"Bücherbrett, wo alte Bücher lagen, alle Komödien von Holberg, die so oft schon","book":"Holger Danske"} {"text":"gelesen worden waren; denn sie waren so ergötzlich, daß man meinen konnte, alle","book":"Holger Danske"} {"text":"Leute darin von früheren Zeiten her zu kennen.","book":"Holger Danske"} {"text":"\"Sieh, der hat auch dreinzuschlagen verstanden!\" sagte der alte Großvater. \"Er","book":"Holger Danske"} {"text":"hat das Rohe und Beschränkte im Volke gegeißelt, so lange er konnte!\" Und der","book":"Holger Danske"} {"text":"alte Großvater nickte zum Spiegel hinüber, wo der Kalender mit dem Runden Turm","book":"Holger Danske"} {"text":"stand, und er sagte: \"Tycho Brahe, das war auch einer, der das Schwert brauchte,","book":"Holger Danske"} {"text":"nicht um in Fleisch und Bein zu hauen, sondern um den deutlicheren Weg zwischen","book":"Holger Danske"} {"text":"den Sternen des Himmels zu bahnen. – Und dann er, dessen Vater meinem Handwerk","book":"Holger Danske"} {"text":"zugehörte, des alten Bildschnitzers Sohn, er, den wir selbst gesehen haben mit","book":"Holger Danske"} {"text":"seinem weißen Haar und den starken Schultern, er, dessen Name in allen Ländern","book":"Holger Danske"} {"text":"der Welt genannt wird. Ja, er konnte hauen; ich kann nur schnitzen! Ja, Holger","book":"Holger Danske"} {"text":"Danske kann auf vielen Wegen kommen, so daß in allen Ländern Dänemarks Lob","book":"Holger Danske"} {"text":"widerhallt! Wollen wir ein Glas auf Bertel Thorwaldsens Wohl leeren.\"","book":"Holger Danske"} {"text":"Aber der kleine Knabe im Bette sah deutlich das alte Kronborg und den","book":"Holger Danske"} {"text":"Öresund, den wirklichen Holger Danske, der tief unter der Erde saß, den","book":"Holger Danske"} {"text":"Bart im Marmortische festgewachsen, und von allem träumte, was hier oben","book":"Holger Danske"} {"text":"geschieht. Holger Danske träumte auch von der kleinen, ärmlichen Stube, wo der","book":"Holger Danske"} {"text":"Bildschnitzer saß; er hörte alles, was gesprochen wurde, nickte im Traume und","book":"Holger Danske"} {"text":"sagte:","book":"Holger Danske"} {"text":"\"Ja, mein dänisches Volk, denkt nur an mich. Behaltet mich in Erinnerung. Ich","book":"Holger Danske"} {"text":"komme in der Stunde der Not.\"","book":"Holger Danske"} {"text":"Und draußen vor Kronborg leuchtete der klare Tag, und der Wind trug die Töne","book":"Holger Danske"} {"text":"des Waldhorns vom Nachbarlande herüber, die Schiffe segelten vorbei und grüßten:","book":"Holger Danske"} {"text":"\"Bum, Bum,\" und von Kronborg antwortete es: \"Bum, Bum,\" Aber Holger Danske","book":"Holger Danske"} {"text":"erwachte nicht, so stark sie auch schossen, denn es hieß ja nur: \"Guten Tag.\" –","book":"Holger Danske"} {"text":"\"Schönen Dank.\" Da muß anders geschossen werden, wenn er erwachen soll. Aber er","book":"Holger Danske"} {"text":"erwacht sicher einmal, denn seine Kraft schlummert nur.","book":"Holger Danske"} {"text":"In den engen Straßen der großen Stadt hörte bald der eine, bald der andere am","book":"Die Glocke"} {"text":"Abend, wenn die Sonne unterging und die Wolken zwischen den Schornsteinen golden","book":"Die Glocke"} {"text":"aufleuchteten, einen wunderlichen Laut, fast wie der Ton einer Kirchenglocke,","book":"Die Glocke"} {"text":"aber man hörte ihn nur für einen Augenblick, dann wurde er wieder von dem","book":"Die Glocke"} {"text":"Geräusch der rasselnden Wagen und des Straßenlärms übertönt. \"Nun läutet die","book":"Die Glocke"} {"text":"Abendglocke.\" sagte man, \"nun geht die Sonne unter.\"","book":"Die Glocke"} {"text":"Wenn man außerhalb der Stadt war, wo die Häuser von Gärten und kleinen Feldern","book":"Die Glocke"} {"text":"umgeben waren und weiter voneinander entfernt standen, sah man den Abendhimmel","book":"Die Glocke"} {"text":"noch prächtiger und hörte den Glockenklang weit stärker. Es war, als käme","book":"Die Glocke"} {"text":"der Ton von einer Kirche tief in dem stillen, duftenden Walde; und die Leute","book":"Die Glocke"} {"text":"blickten hinüber und wurden ganz andächtig.","book":"Die Glocke"} {"text":"Lange Zeit ging darüber hin. Der eine sagte zum andern: \"Ob wohl eine Kirche","book":"Die Glocke"} {"text":"draußen im Walde liegt? Die Glocke hat doch einen wunderbar schönen Klang;","book":"Die Glocke"} {"text":"sollten wir nicht einmal hinaus und sie ein wenig näher betrachten?\" Und die","book":"Die Glocke"} {"text":"reichen Leute fuhren, und die armen gingen, aber der Weg wurde ihnen so seltsam","book":"Die Glocke"} {"text":"lang, und als sie bei einer Gruppe von Weidenbäumen anlangten, die am Saume","book":"Die Glocke"} {"text":"des Waldes standen, setzten sie sich nieder, blickten zu den Zweigen empor","book":"Die Glocke"} {"text":"und glaubten, nun recht im Grünen zu sein. Der Konditor aus der Stadt kam","book":"Die Glocke"} {"text":"heraus und schlug sein Zelt auf, und dann kam noch ein Konditor. Der hing eine","book":"Die Glocke"} {"text":"Glocke über seinem Zelte auf, und zwar eine Glocke, die geteert war, damit","book":"Die Glocke"} {"text":"sie auch Regen vertragen könne, nur der Klöppel fehlte darin. Wenn dann die","book":"Die Glocke"} {"text":"Leute wieder nachhause gingen, sagten sie, es sei sehr romantisch gewesen.","book":"Die Glocke"} {"text":"Drei Personen versicherten, daß sie bis zum Ende des Waldes vorgedrungen seien","book":"Die Glocke"} {"text":"und immerwährend den seltsamen Glockenklang gehört hätten, aber es wäre ihnen","book":"Die Glocke"} {"text":"so vorgekommen, als ob er aus der Stadt herüberklänge. Der eine schrieb ein","book":"Die Glocke"} {"text":"richtiges Gedicht darüber und sagte darin, daß die Glocke wie einer Mutter","book":"Die Glocke"} {"text":"sanfte Stimme zu ihrem Kinde klänge; keine Melodie sei herrlicher als der Klang","book":"Die Glocke"} {"text":"der Glocke.","book":"Die Glocke"} {"text":"Der Kaiser des Landes wurde auch darauf aufmerksam und versprach dem, der","book":"Die Glocke"} {"text":"genau ausfindig machen konnte, woher der Schall stammte, den Titel eines","book":"Die Glocke"} {"text":"\"Weltglöckners,\" selbst wenn sich herausstellen sollte, daß es keine Glocke sei.","book":"Die Glocke"} {"text":"Nun gingen gar viele in den Wald, denen das fette Amt in die Augen stach,","book":"Die Glocke"} {"text":"aber nur einer von ihnen kam mit einer Art Erklärung nachhause. Keiner sei","book":"Die Glocke"} {"text":"tief genug vorgedrungen, er selbst ebenfalls nicht, aber er meine doch, daß","book":"Die Glocke"} {"text":"der Glockenklang von einer außergewöhnlich großen Eule in einem hohlen Baume","book":"Die Glocke"} {"text":"herstamme. Das sei eine jener Weisheitseulen, die ihren Kopf unaufhörlich","book":"Die Glocke"} {"text":"gegen den Baumstamm schlügen; aber ob der Laut von ihrem Kopfe oder dem Stamme","book":"Die Glocke"} {"text":"verursacht würde, könne er noch nicht mit Bestimmtheit sagen. So wurde er denn","book":"Die Glocke"} {"text":"als \"Weltglöckner\" angestellt und schrieb jedes Jahr eine kleine Abhandlung um","book":"Die Glocke"} {"text":"die Eule, aber viel klüger wurde man daraus auch nicht.","book":"Die Glocke"} {"text":"Nun war gerade ein Einsegnungstag. Der Pfarrer hatte so schön und innig","book":"Die Glocke"} {"text":"gesprochen; die Konfirmanden waren sehr bewegt, denn es war für sie ein","book":"Die Glocke"} {"text":"wichtiger Tag, an dem sie aus Kindern plötzlich zu erwachsenen Menschen werden","book":"Die Glocke"} {"text":"sollten. Die Kinderseele sollte nun gleichsam in eine verständigere Person","book":"Die Glocke"} {"text":"hinüberfliegen. Es war der herrlichste Sonnenschein. Die Konfirmanden gingen aus","book":"Die Glocke"} {"text":"der Stadt hinaus, und vom Walde her klang wundersam stark die große unbekannte","book":"Die Glocke"} {"text":"Glocke. Da überkam sie auf einmal eine solche Lust, dorthin zu gehen, daß","book":"Die Glocke"} {"text":"sich alle aufmachten, bis auf drei von ihnen. Die eine mußte nachhause, um","book":"Die Glocke"} {"text":"ihr Ballkleid anzuprobieren, denn es war gerade das Kleid und der Ball, die","book":"Die Glocke"} {"text":"der Grund waren, weshalb sie schon dieses Mal mit eingesegnet worden war, denn","book":"Die Glocke"} {"text":"sonst hätte sie noch warten müssen. Der andere war ein armer Junge, der seinen","book":"Die Glocke"} {"text":"Konfirmationsrock und die Stiefel bei dem Sohn seines Wirtes geliehen hatte und","book":"Die Glocke"} {"text":"sie auf den Glockenschlag zurückliefern mußte; der dritte sagte, daß er niemals","book":"Die Glocke"} {"text":"an einen fremden Ort ohne seine Eltern ginge, und daß er immer ein artiges Kind","book":"Die Glocke"} {"text":"gewesen wäre und das auch bleiben wolle, selbst als Konfirmand, und darüber","book":"Die Glocke"} {"text":"brauche man sich gar nicht lustig machen. – Aber das taten die anderen trotzdem.","book":"Die Glocke"} {"text":"Drei von, ihnen gingen also nicht mit; die anderen trabten davon. Die Sonne","book":"Die Glocke"} {"text":"schien, und die Vögel sangen, und die Konfirmanden sangen mit und hielten sich","book":"Die Glocke"} {"text":"bei den Händen; denn noch hatten sie ja keine schweren Pflichten und waren","book":"Die Glocke"} {"text":"gerade heute so recht Gottes Kinder.","book":"Die Glocke"} {"text":"Aber bald wurden zwei von den kleinsten müde und kehrten nach der Stadt um. Zwei","book":"Die Glocke"} {"text":"kleine Mädchen setzten sich nieder und banden Kränze; sie kamen auch nicht mit,","book":"Die Glocke"} {"text":"und als die anderen die Weidenbäume erreichten, wo der Konditor wohnte, sagten","book":"Die Glocke"} {"text":"sie: \"Seht, nun sind wir hier draußen; die Glocke ist ja eigentlich nichts","book":"Die Glocke"} {"text":"wirklich Bestehendes, sondern mehr etwas in der Phantasie Lebendes.\"","book":"Die Glocke"} {"text":"Da erklang auf einmal tief im Walde die Glocke so süß und feierlich, daß","book":"Die Glocke"} {"text":"vier, fünf sich doch entschlossen, etwas tiefer in den Wald hineinzugehen.","book":"Die Glocke"} {"text":"Der war so dicht belaubt, daß es ordentlich beschwerlich war, darin vorwärts","book":"Die Glocke"} {"text":"zu kommen. Waldmeister und Anemonen wuchsen fast allzu üppig, blühende Winden","book":"Die Glocke"} {"text":"und Brombeerranken hingen in langen Girlanden von Baum zu Baum, in denen","book":"Die Glocke"} {"text":"Nachtigallen sangen und die Sonnenstrahlen spielten. O, es war so herrlich,","book":"Die Glocke"} {"text":"aber es war kein Weg für Mädchen, denn sie wären mit zerrissenen Kleidern","book":"Die Glocke"} {"text":"zurückgekommen. Da lagen Felsblöcke mit Moos von allen Farben bewachsen, das","book":"Die Glocke"} {"text":"frische Quellwasser sickerte hervor, und leise und seltsam ertönte sein \"kluck,","book":"Die Glocke"} {"text":"kluck.\"","book":"Die Glocke"} {"text":"\"Sollte das etwa die Glocke sein?\" sagte einer der Konfirmanden und legte sich","book":"Die Glocke"} {"text":"nieder, um zu lauschen. \"Das muß man gründlich untersuchen!\" Und so blieb er","book":"Die Glocke"} {"text":"liegen und ließ die anderen weitergehen.","book":"Die Glocke"} {"text":"Sie kamen zu einem Haus aus Borke und Zweigen. Ein großer, wilder Apfelbaum","book":"Die Glocke"} {"text":"lehnte sich darüber, als wolle er seinen ganzen Segen über das Dach ausschütten,","book":"Die Glocke"} {"text":"auf dem Rosen blühten. Die langen Zweige beschatteten gerade den Giebel, und","book":"Die Glocke"} {"text":"an diesem hing eine kleine Glocke. Sollte es diese sein, die man gehört hatte?","book":"Die Glocke"} {"text":"Ja, darüber waren sich alle einig, außer einem, der sagte, daß die Glocke zu","book":"Die Glocke"} {"text":"klein und fein sei, als daß man sie so weit entfernt hören könne, wie sie gehört","book":"Die Glocke"} {"text":"worden war, und daß es ganz andere Töne wären, die ein Menschenherz so zu rühren","book":"Die Glocke"} {"text":"vermochten. Der so sprach, war ein Königssohn, und deshalb sagten die anderen:","book":"Die Glocke"} {"text":"\"So einer will doch auch immer klüger sein.\"","book":"Die Glocke"} {"text":"Dann ließen sie ihn allein weitergehen, und als er ging, wurde seine Brust mehr","book":"Die Glocke"} {"text":"und mehr von der Waldeseinsamkeit erfüllt. Aber noch immer hörte er die kleine","book":"Die Glocke"} {"text":"Glocke, an der die anderen sich ergötzten, und zwischendurch, wenn der Wind","book":"Die Glocke"} {"text":"die Töne von dem Konditor herüber trug, konnte er auch hören, wie dort gesungen","book":"Die Glocke"} {"text":"wurde. Aber der tiefe Glockenklang tönte doch starker, und bald war es, als","book":"Die Glocke"} {"text":"spiele eine Orgel dazu; der Laut kam von links, von der Seite auf der man das","book":"Die Glocke"} {"text":"Herz trägt.","book":"Die Glocke"} {"text":"Nun raschelte es im Gebüsch, und auf einmal stand ein kleiner Knabe vor dem","book":"Die Glocke"} {"text":"Königssohn, ein Knabe in Holzschuhen und einem Jäckchen, so kurz, daß die","book":"Die Glocke"} {"text":"Handgelenke weit daraus hervorschauten. Sie kannten sich beide; der Knabe war","book":"Die Glocke"} {"text":"eben der von den Konfirmanden, der nicht mitgehen konnte, weil er nachhause","book":"Die Glocke"} {"text":"gehen und Jacke und Stiefel an des Wirtes Sohn zurückliefern mußte. Das hatte","book":"Die Glocke"} {"text":"er getan und war nun in Holzschuhen und den ärmlichen Kleidern ganz allein","book":"Die Glocke"} {"text":"fortgegangen, denn die Glocke klang so stark, so tief; er mußte hinaus.","book":"Die Glocke"} {"text":"\"Da können wir ja zusammengehen!\" sagte der Königssohn. Aber der arme Knabe","book":"Die Glocke"} {"text":"mit den Holzschuhen war ganz verlegen; er zupfte an den kurzen Jackenärmeln und","book":"Die Glocke"} {"text":"sagte, er fürchte, er könne nicht so rasch mitkommen; außerdem meine er, daß die","book":"Die Glocke"} {"text":"Glocke nach rechts hinüber gesucht werden müsse, denn nach dieser Seite schiene","book":"Die Glocke"} {"text":"alles so groß und herrlich zu sein.","book":"Die Glocke"} {"text":"\"Ja, dann können wir freilich nicht zusammen gehen\" sagte der Königssohn und","book":"Die Glocke"} {"text":"nickte dem armen Knaben zu. Der ging nun in den düstersten und dichtesten Teil","book":"Die Glocke"} {"text":"des Waldes hinein, wo die Dornen ihm die ärmlichen Kleider und Antlitz, Hände","book":"Die Glocke"} {"text":"und Füße blutig rissen. Der Königssohn bekam auch einige tüchtige Risse ab, aber","book":"Die Glocke"} {"text":"die Sonne schien doch auf seinem Wege, und ihm wollen wir nun folgen, denn er","book":"Die Glocke"} {"text":"war ein flinker Bursch.","book":"Die Glocke"} {"text":"\"Die Glocke will und muß ich finden,\" sagte er, \"ob ich auch bis zum Ende der","book":"Die Glocke"} {"text":"Welt gehen müßte!\"","book":"Die Glocke"} {"text":"Die häßlichen Affen saßen oben in den Bäumen und fletschten grinsend die Zähne.","book":"Die Glocke"} {"text":"\"Wollen wir ihn verprügeln?\" sagten sie; \"wollen wir ihn verprügeln? Er ist ein","book":"Die Glocke"} {"text":"Königssohn\"","book":"Die Glocke"} {"text":"Aber er ging unverdrossen tiefer und tiefer in den Wald hinein, wo die","book":"Die Glocke"} {"text":"seltsamsten Blumen wuchsen. Es waren dort weiße Sternlilien mit blutroten","book":"Die Glocke"} {"text":"Staubfäden, himmelblaue Tulpen, die im Winde Funken zu sprühen schienen, und","book":"Die Glocke"} {"text":"Apfelbäume, deren Äpfel ganz und gar wie große leuchtende Seifenblasen aussahen.","book":"Die Glocke"} {"text":"Wie mußten diese Bäume im Sonnenschein strahlen! Ringsum waren die herrlichsten","book":"Die Glocke"} {"text":"grünen Wiesen, wo Hirsch und Hindin im Grase spielten, wuchsen prächtige Eichen","book":"Die Glocke"} {"text":"und Buchen; und hatte einer der Bäume in der Borke einen Riß, so wucherten darin","book":"Die Glocke"} {"text":"Gräser und lange Ranken. Da waren auch große Waldstrecken mit stillen Seen,","book":"Die Glocke"} {"text":"worin weiße Schwäne schwammen und mit den Flügeln schlugen. Der Königssohn stand","book":"Die Glocke"} {"text":"oft stille und lauschte. Oft glaubte er, daß aus einem dieser tiefen Seen die","book":"Die Glocke"} {"text":"Glocke zu ihm heraufklinge, aber dann merkte er doch, daß die Glocke nicht von","book":"Die Glocke"} {"text":"daher, sondern tiefer im Walde erklang.","book":"Die Glocke"} {"text":"Nun ging die Sonne unter. Die Luft leuchtete rot wie Feuer; es wurde so stille,","book":"Die Glocke"} {"text":"so still im Walde, und er sank auf seine Knie, sang sein Abendlied und sagte:","book":"Die Glocke"} {"text":"\"Nie finde ich, was ich suche. Nun geht die Sonne unter, nun kommt die Nacht,","book":"Die Glocke"} {"text":"die finstere Nacht; doch einmal kann ich vielleicht die rote Sonnenscheibe noch","book":"Die Glocke"} {"text":"sehen, bevor sie ganz hinter der Erde versunken ist. Ich will auf die Felsen","book":"Die Glocke"} {"text":"steigen, die sich dort über die Bäume erheben!\"","book":"Die Glocke"} {"text":"Und er griff in die Ranken und Wurzeln, klomm über die nassen Steine, an denen","book":"Die Glocke"} {"text":"sich Wasserschlangen emporwanden, und wo die Kröten ihn gleichsam anbellten;","book":"Die Glocke"} {"text":"aber er erreichte die Höhe noch bevor die Sonne ganz untergegangen war. O,","book":"Die Glocke"} {"text":"welche Pracht. Das Meer, das große, herrliche Meer, das seine langen Wogen gegen","book":"Die Glocke"} {"text":"die Küste wälzte, dehnte sich vor seinen Augen aus. Und die Sonne stand wie","book":"Die Glocke"} {"text":"ein großer, leuchtender Altar weit draußen, wo Himmel und Erde zusammentreffen.","book":"Die Glocke"} {"text":"Alles schmolz in glühenden Farben, der Wald sang, das Meer sang, und sein Herz","book":"Die Glocke"} {"text":"sang mit. Die ganze Natur war wie eine große, heilige Kirche, deren Pfeiler","book":"Die Glocke"} {"text":"die Bäume und schwebenden Wolken, deren Samtbehänge die Blumen und das Gras,","book":"Die Glocke"} {"text":"und deren große Kuppel der Himmel selbst war. Dort oben erloschen nun die roten","book":"Die Glocke"} {"text":"Farben, während die Sonne verschwand; aber Millionen Sterne leuchteten auf,","book":"Die Glocke"} {"text":"Millionen Diamantlämpchen erstratalten, und der Königssohn breitete seine Arme","book":"Die Glocke"} {"text":"aus gegen den Himmel, das Meer und den Wald, – und im gleichen Augenblick kam","book":"Die Glocke"} {"text":"von der rechten Seite mit kurzen Ärmeln und Holzschuhen der arme Knabe; er","book":"Die Glocke"} {"text":"war ebenso zeitig angekommen auf seinem Wege, und sie liefen einander entgegen","book":"Die Glocke"} {"text":"und hielten sich bei den Händen in der großen Kirche der Natur und der Poesie,","book":"Die Glocke"} {"text":"und über ihnen erklang die unsichtbare heilige Glocke, umschwebt vom Tanze der","book":"Die Glocke"} {"text":"seligen Geister zu einem jubelnden Hallelujah.","book":"Die Glocke"} {"text":"Großmutter ist so alt, sie hat gar viele Runzeln und ganz schneeweißes Haar,","book":"Großmütterchen"} {"text":"aber ihre Augen leuchten wie zwei Sterne; ja sie sind eigentlich viel schöner,","book":"Großmütterchen"} {"text":"sie sind so milde, daß es von Herzen wohltut, in sie hineinzuschauen. Sie weiß","book":"Großmütterchen"} {"text":"die herrlichsten Geschichten und hat ein Kleid mit großen, großen Blumen an;","book":"Großmütterchen"} {"text":"das ist aus so dickem Seidenzeug, daß es bei jeder Bewegung rauscht. Großmutter","book":"Großmütterchen"} {"text":"weiß so viel, denn sie hat viel länger als Vater und Mutter gelebt, das ist","book":"Großmütterchen"} {"text":"ganz gewiß. Großmutter hat ein Gesangbuch mit dicken Silberbeschlägen, und darin","book":"Großmütterchen"} {"text":"liest sie oft. Mitten in dem Buche liegt eine Rose, die ganz flach und trocken","book":"Großmütterchen"} {"text":"ist; sie ist nicht so schön wie die Rosen, die sie im Glase stehen hat, und doch","book":"Großmütterchen"} {"text":"lächelt sie dieser am allerfreundlichsten zu, ja, es kommen ihr dabei Tränen","book":"Großmütterchen"} {"text":"in die Augen. Weshalb mag Großmutter so auf die welke Rose in dem alten Buche","book":"Großmütterchen"} {"text":"niederschauen? Weißt Du es? Jedesmal, wenn Großmutters Tränen auf die Blume","book":"Großmütterchen"} {"text":"fallen, wird ihre Farbe frischer, die Rose schwillt empor, und die ganze Stube","book":"Großmütterchen"} {"text":"erfüllt sich mit ihrem Duft, die Wände versinken, als seien sie Nebelschleier,","book":"Großmütterchen"} {"text":"und ringsum ist der grüne, herrliche Wald, wo die Sonne zwischen den Blättern","book":"Großmütterchen"} {"text":"spielt und Großmutter – ja sie ist ganz jung, ist ein liebreizendes Mädchen","book":"Großmütterchen"} {"text":"mit blonden Locken, mit rosigen, runden Wangen, schmuck und lieblich, keine","book":"Großmütterchen"} {"text":"Rose kann frischer sein. Doch die Augen, die milden sanften Augen, ja das sind","book":"Großmütterchen"} {"text":"immer noch Großmutters Augen. An ihrer Seite sitzt ein Mann, so jung und kräftig","book":"Großmütterchen"} {"text":"und schön; er reicht ihr die Rose, und sie lächelt, – so lächelt Großmutter","book":"Großmütterchen"} {"text":"doch nicht.– Ja, das Lächeln ist da. Er ist fort; nun gehen viele Gedanken und","book":"Großmütterchen"} {"text":"Gestalten vorüber. Der schöne Mann ist fort, die Rose liegt im Gesangbuche,","book":"Großmütterchen"} {"text":"und Großmutter – ja, da sitzt sie wieder, eine alte Frau, und betrachtet die","book":"Großmütterchen"} {"text":"verwelkte Rose, die im Buche liegt.","book":"Großmütterchen"} {"text":"Nun ist Großmutter tot. – Sie saß im Lehnstuhl und erzählte eine lange, lange","book":"Großmütterchen"} {"text":"herrliche Geschichte: \"Und nun ist sie aus,\" sagte sie, \"und ich bin so müde,","book":"Großmütterchen"} {"text":"laßt mich nun ein wenig schlafen!\" Und dann lehnte sie sich zurück und atmete","book":"Großmütterchen"} {"text":"sanft; sie schlief. Aber es wurde stiller und stiller und ihr Antlitz war so","book":"Großmütterchen"} {"text":"voller Frieden und Glück, es war gleichsam, als ob der Sonnenschein darüber","book":"Großmütterchen"} {"text":"hinglitte, und da sagten sie, sie sei tot.","book":"Großmütterchen"} {"text":"Sie wurde in den schwarzen Sarg gelegt. Dort lag sie, in weißes Linnen gehüllt;","book":"Großmütterchen"} {"text":"sie war so schön, aber die Augen waren geschlossen; alle Runzeln waren nun","book":"Großmütterchen"} {"text":"fort, und sie lag mit einem Lächeln um den Mund. Ihr Haar war so silberweiß,","book":"Großmütterchen"} {"text":"so ehrwürdig, ihr Anblick flößte gar keine Furcht ein, es war ja die liebe,","book":"Großmütterchen"} {"text":"herzenesgute Großmutter. Und das Gesangbuch wurde unter ihren Kopf gebettet,","book":"Großmütterchen"} {"text":"das hatte sie selbst verlangt, und die Rose lag in dem alten Buche; so wurde","book":"Großmütterchen"} {"text":"Großmutter begraben.","book":"Großmütterchen"} {"text":"Auf dem Grabe, dicht unter der Kirchenmauer pflanzten sie einen Rosenbaum. Er","book":"Großmütterchen"} {"text":"stand voller Blüten, und die Nachtigall sang über ihm, und aus der Kirche hörte","book":"Großmütterchen"} {"text":"man die Orgel die schönsten Psalmen spielen, die in dem Buche unter dem Haupte","book":"Großmütterchen"} {"text":"der Toten standen. Der Mond schien gerade auf das Grab herab; aber die Tote ließ","book":"Großmütterchen"} {"text":"sich nicht blicken. Jedes Kind konnte des Nachts ruhig hingehen und sich dort","book":"Großmütterchen"} {"text":"an der Kirchhofmauer eine Rose pflücken. Ein Toter weiß mehr, als wir Lebenden","book":"Großmütterchen"} {"text":"wissen; der Tote kennt die Angst, die uns sein Wiedererscheinen einflößen würde.","book":"Großmütterchen"} {"text":"Die Toten sind besser als wir alle, und deshalb kommen sie nicht Es liegt Erde","book":"Großmütterchen"} {"text":"über dem Sarge und Erde darin. Das Gesangbuch mit seinen Blättern ist zu Staub","book":"Großmütterchen"} {"text":"zerfallen. Aber darüber blühen neue Rosen, darüber singt die Nachtigall und","book":"Großmütterchen"} {"text":"die Orgel spielt. Man denkt an die alte Großmutter mit den milden, ewig jungen","book":"Großmütterchen"} {"text":"Augen. Augen können niemals sterben. Die unsrigen werden sie einmal erblicken,","book":"Großmütterchen"} {"text":"so jung und schön wie damals, als sie zum ersten Male die frische, rote Rose","book":"Großmütterchen"} {"text":"küßte, die Staub im Grabe ist.","book":"Großmütterchen"} {"text":"Es war einmal eine Stopfnadel, die sich so fein dünkte, daß sie sich einbildete,","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"eine Nähnadel zu sein.","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"\"Seht nur darauf, daß ihr mich haltet!\" sagte die Stopfnadel zu den Fingern, die","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"sie hervornahmen. \"Verliert mich nicht! Falle ich hinunter, so ist es sehr die","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"Frage, ob ich wieder gefunden werde, so fein bin ich!\"","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"\"Das geht noch an!\" sagten die Finger und faßten sie um den Leib.","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"\"Seht ihr, ich komme mit Gefolge!\" sagte die Stopfnadel, und dann zog sie einen","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"langen Faden nach sich, der aber keinen Knoten hatte.","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"Die Finger richteten die Stopfnadel gerade gegen den Pantoffel der Köchin, an","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"dem das Oberleder abgeplatzt war und jetzt wieder zusammengenäht werden sollte.","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"\"Das ist eine gemeine Arbeit!\" sagte die Stopfnadel, \"ich komme nie hindurch,","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"ich breche, ich breche!\" – und da brach sie. \"Habe ich es nicht gesagt?\" seufzte","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"die Stopfnadel, \"ich bin zu fein!\"","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"\"Nun taugt sie nichts mehr,\" meinten die Finger, aber sie mußten sie festhalten;","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"die Köchin betröpfelte sie mit Siegellack und steckte sie dann vorn in ihr Tuch.","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"\"Sieh, jetzt bin ich eine Busennadel!\" sagte die Stopfnadel.\"lch wußte wohl, daß","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"ich zu Ehren kommen werde; wenn man etwas wert ist, so wird man auch anerkannt.\"","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"Dann lachte sie innerlich, denn von außen kann man es einer Stopfnadel niemals","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"ansehen, daß sie lacht; da saß sie nun so stolz, als ob sie in einer Kutsche","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"führe, und sah sich nach allen Seiten um.","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"\"Sind Sie von Gold?\" fragte die Stecknadel, die ihre Nachbarin war. \"Sie haben","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"ein herrliches Außeres und Ihren eigenen Kopf, aber klein ist er! Sie müssen","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"danach trachten, daß er wächst!\" Und darauf hob sich die Stopfnadel so stolz in","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"die Höhe, daß sie aus dem Tuch in die Gosse fiel, gerade als die Köchin spülte.","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"\"Nun gehen wir auf Reisen,\" sagte die Stopfnadel; \"wenn ich nur nicht dabei","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"verlorengehe!\"","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"Aber sie ging verloren. \"Ich bin zu fein für diese Welt!\" sagte sie, als sie","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"im Rinnstein saß. \"Ich habe ein gutes Bewußtsein, und das ist immer ein kleines","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"Vermögen!\" Die Stopfnadel behielt Haltung und verlor ihre gute Laune nicht.","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"Es schwamm allerlei über sie hin, Späne, Stroh und Stücke von Zeitungen. \"Sieh,","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"wie sie segeln!\" sagte die Stopfnadel. \"Sie wissen nicht, was unter ihnen","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"steckt. Ich stecke, ich sitze hier. Sieh, da geht nun ein Span, der denkt an","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"nichts in der Welt, ausgenommen an einen Span,\" und das ist er selbst; \"da","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"schwimmt ein Strohhalm, sieh, wie der sich schwenkt, wie der sich dreht! Denke","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"nicht soviel an dich selbst, du könntest dich an einem Stein stoßen. Da schwimmt","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"eine Zeitung! Vergessen ist, was darin steht, und doch macht sie sich breit! Ich","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"sitze geduldig und still; ich weiß, was ich bin, und das bleibe ich!\"","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"Eines Tages lag etwas dicht neben ihr, was herrlich glänzte, und da glaubte","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"die Stopfnadel, daß es ein Diamant sei, aber es war ein Glasscherben, und weil","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"er glänzte, so redete die Stopfnadel ihn an und gab sich als Busennadel zu","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"erkennen. \"Sie sind wohl ein Diamant?\" – \"Ja, ich bin etwas der Art!\" Und so","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"glaubte eins vom andern, daß sie recht kostbar seien, und dann sprachen sie","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"darüber, wie hochmütig die Welt sei.","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"\"Ja, ich habe in einer Schachtel bei einer Jungfrau gewohnt,\" sagte die","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"Stopfnadel, \"und die Jungfrau war Köchin; sie hatte an jeder Hand fünf Finger,","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"aber etwas so Eingebildetes wie diese fünf Finger habe ich noch nicht gekannt,","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"und doch waren sie nur da, um mich zu halten, mich aus der Schachtel zu nehmen","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"und mich in die Schachtel zu legen.\"","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"\"Glänzten sie denn?\" fragte der Glasscherben.","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"\"Glänzen!\" sagte die Stopfnadel, \"nein, aber hochmütig waren sie! Es waren fünf","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"Brüder, alle geborene Finger, sie hielten sich stolz nebeneinander, obgleich","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"sie von verschiedener Länge waren. Der äußerste, der Däumling, war kurz und","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"dick, er ging außen vor dem Gliede her, und dann hatte er nur ein Gelenk im","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"Rücken, er konnte nur eine Verbeugung machen, aber er sagte, daß, wenn er von","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"einem Menschen abgehauen würde, der dann zum Kriegsdienste untauglich sei.","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"Der Topflecker kam in Süßes und Saures, zeigte nach Sonne und Mond, und er","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"verursachte den Druck, wenn sie schrieben; der Langemann sah den andern über","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"den Kopf; der Goldrand ging mit einem Goldreif um den Leib, und der kleine","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"Peter Spielmann tat gar nichts, und darauf war er stolz. Prahlerei war es, und","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"Prahlerei blieb es! Und deshalb ging ich in die Gosse.\"","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"\"Nun sitzen wir hier und glänzen!\" sagte der Glasscherben. Gleichzeitig kam mehr","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"Wasser in den Rinnstein, es strömte über die Grenzen und riß den Glasscherben","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"mit sich fort.","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"\"Sieh, nun wurde der befördert!\" sagte die Stopfnadel. \"Ich bleibe sitzen, ich","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"bin zu fein, aber das ist mein Stolz, und der ist achtungswert!\" So saß sie","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"stolz da und hatte viele Gedanken.","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"\"Ich möchte fast glauben, daß ich von einem Sonnenstrahl geboren bin, so fein","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"bin ich! Kommt es mir doch auch vor, als ob die Sonne mich immer unter dem","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"Wasser aufsuche. Ach, ich bin so fein, daß meine Mutter mich nicht auffinden","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"kann. Hätte ich mein altes Auge, das leider abbrach, so glaube ich, ich könnte","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"weinen; – aber ich würde es nicht tun – es ist nicht fein, zu weinen!\"","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"Eines Tages kamen einige Straßenjungen und wühlten im Rinnstein, wo sie alte","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"Nägel, Pfennige und dergleichen fanden. Das war kein schönes Geschäft, und doch","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"machte es ihnen Vergnügen.","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"\"Au!\" sagte der eine, er stach sich an der Stopfnadel. \"Das ist auch ein Kerl!\"","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"\"Ich bin kein Kerl, ich bin ein Fräulein!\" sagte die Stopfnadel, aber niemand","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"hörte es; der Siegellack war von ihr abgegangen, und sie war schwarz und dünn","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"geworden, darum glaubte sie, daß sie noch feiner sei, als sie früher war.","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"\"Da kommt eine Eierschale angesegelt!\" sagten die Jungen und steckten die","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"Stopfnadel in die Schale.","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"\"Weiße Wände und selbst schwarz,\" sagte die Stopfnadel, \"das kleidet gut! Nun","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"kann man mich doch sehen! – Wenn ich nur nicht seekrank werde!\" Aber sie wurde","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"nicht seekrank. \"Es ist gut gegen die Seekrankheit, einen Stahlmagen zu haben","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"und immer daran zu denken, daß man etwas mehr als ein Mensch ist! Nun ist es bei","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"mir vorbei. Je feiner man ist, desto mehr kann man aushalten.\"","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"\"Krach!\" Da lag die Eierschale, es ging ein Lastwagen über sie hin. \"Au, wie das","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"drückt!\" sagte die Stopfnadel. \"Jetzt werde ich doch seekrank!\" Aber sie wurde","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"es nicht, obgleich ein Lastwagen über sie wegfuhr, sie lag der Länge nach – und","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"da mag sie liegenbleiben.","book":"Die Stopfnadel"} {"text":"Es war entsetzlich kalt; es schneite, und der Abend dunkelte bereits; es war der","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"letzte Abend im Jahre, Silversterabend. In dieser Kälte und in dieser Finsternis","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"ging auf der Straße ein kleines armes Mädchen mit bloßen Kopfe und nackten","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Füßen. Es hatte wohl freilich Pantoffel angehabt, als es von Hause fortging,","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"aber was konnte das helfen! Es waren sehr große Pantoffeln, sie waren früher","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"von seiner Mutter gebraucht worden, so groß waren sie, und diese hatte die","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Kleine verloren, als sie über die Straße eilte, während zwei Wagen in rasender","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Eile vorüberjagten; der eine Pantoffel war nicht wiederaufzufinden und mit dem","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"anderen machte sich ein Knabe aus dem Staube, welcher versprach, ihn als Wiege","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"zu benutzen, wenn er einmal Kinder bekäme.","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Da ging nun das kleine Mädchen auf den nackten zierlichen Füßchen, die vor","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Kälte ganz rot und blau waren. In ihrer alten Schürze trug sie eine Menge","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Schwefelhölzer und ein Bund hielt sie in der Hand. Während des ganzen Tages","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"hatte ihr niemand etwas abgekauft, niemand ein Almosen gereicht. Hungrig und","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"frostig schleppte sich die arme Kleine weiter und sah schon ganz verzagt und","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"eingeschüchtert aus. Die Schneeflocken fielen auf ihr langes blondes Haar, das","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"schön gelockt über ihren Nacken hinabfloß, aber bei diesem Schmucke weilten ihre","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Gedanken wahrlich nicht. Aus allen Fenstern strahlte heller Lichterglanz und","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"über alle Straßen verbreitete sich der Geruch von köstlichem Gänsebraten. Es war","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"ja Silvesterabend, und dieser Gedanke erfüllte alle Sinne des kleinen Mädchens.","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"In einem Winkel zwischen zwei Häusern, von denen das eine etwas weiter in die","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Straße vorsprang als das andere, kauerte es sich nieder. Seine kleinen Beinchen","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"hatte es unter sich gezogen, aber es fror nur noch mehr und wagte es trotzdem","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"nicht, nach Hause zu gehen, da es noch kein Schächtelchen mit Streichhölzern","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"verkauft, noch keinen Heller erhalten hatte. Es hätte gewiß vom Vater Schläge","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"bekommen, und kalt war es zu Hause ja auch; sie hatten das bloße Dach gerade","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"über sich, und der Wind pfiff schneidend hinein, obgleich Stroh und Lumpen in","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"die größten Ritzen gestopft waren. Ach, wie gut mußte ein Schwefelhölzchen tun!","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Wenn es nur wagen dürfte, eins aus dem Schächtelchen herauszunehmen, es gegen","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"die Wand zu streichen und die Finger daran zu wärmen! Endlich zog das Kind eins","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"heraus. Ritsch! wie sprühte es, wie brannte es. Das Schwefelholz strahlte eine","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"warme helle Flamme aus, wie ein kleines Licht, als es das Händchen um dasselbe","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"hielt. Es war ein merkwürdiges Licht; es kam dem kleinen Mädchen vor, als säße","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"es vor einem großen eisernen Ofen mit Messingbeschlägen und Messingverzierungen;","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"das Feuer brannte so schön und wärmte so wohltuend! Die Kleine streckte","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"schon die Füße aus, um auch diese zu wärmen – da erlosch die Flamme. Der Ofen","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"verschwand – sie saß mit einem Stümpchen des ausgebrannten Schwefelholzes in der","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Hand da.","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Ein neues wurde angestrichen, es brannte, es leuchtete, und an der Stelle der","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Mauer, auf welche der Schein fiel, wurde sie durchsichtig wie ein Flor. Die","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Kleine sah gerade in die Stube hinein, wo der Tisch mit einem blendend weißen","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Tischtuch und feinem Porzellan gedeckt stand, und köstlich dampfte die mit","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Pflaumen und Äpfeln gefüllte, gebratene Gans darauf. Und was noch herrlicher","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"war, die Gans sprang aus der Schüssel und watschelte mit Gabel und Messer im","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Rücken über den Fußboden hin; gerade die Richtung auf das arme Mädchen schlug","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"sie ein. Da erlosch das Schwefelholz, und nur die dicke kalte Mauer war zu","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"sehen.","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Sie zündete ein neues an. Da saß die Kleine unter dem herrlichsten","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Weihnachtsbaum; er war noch größer und weit reicher ausgeputzt als der, den","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"sie am Heiligabend bei dem reichen Kaufmann durch die Glastür gesehen hatte.","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Tausende von Lichtern brannten auf den grünen Zweigen, und bunte Bilder, wie","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"die, welche in den Ladenfenstern ausgestellt werden, schauten auf sie hernieder,","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"die Kleine streckte beide Hände nach ihnen in die Höhe – da erlosch das","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Schwefelholz. Die vielen Weihnachtslichter stiegen höher und höher, und sie sah","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"jetzt erst, daß es die hellen Sterne waren. Einer von ihnen fiel herab und zog","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"einen langen Feuerstreifen über den Himmel.","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"\"Jetzt stirbt jemand!\" sagte die Kleine, denn die alte Großmutter, die sie","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"allein freundlich behandelt hatte, jetzt aber längst tot war, hatte gesagt:","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"\"Wenn ein Stern fällt, steigt eine Seele zu Gott empor!\"","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Sie strich wieder ein Schwefelholz gegen die Mauer; es warf einen weiten","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Lichtschein ringsumher, und im Glanze desselben stand die alte Großmutter hell","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"beleuchtet mild und freundlich da.","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"\"Großmutter!\" rief die Kleine, \"oh, nimm mich mit dir! Ich weiß, daß du","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"verschwindest, sobald das Schwefelholz ausgeht, verschwindest, wie der warme","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Kachelofen, der köstliche Gänsebraten und der große flimmernde Weihnachtsbaum!\"","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Schnell strich sie den ganzen Rest der Schwefelhölzer an, die sich noch","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"im Schächtelchen befanden, sie wollte die Großmutter festhalten; und die","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Schwefelhölzer verbreiteten einen solchen Glanz, daß es heller war als am","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"lichten Tag. So schön, so groß war die Großmutter nie gewesen; sie nahm das","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"kleine Mädchen auf ihren Arm, und hoch schwebten sie empor in Glanz und Freude;","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Kälte, Hunger und Angst wichen von ihm – sie war bei Gott.","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Aber im Winkel am Hause saß in der kalten Morgenstunde das kleine Mädchen mit","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"roten Wangen, mit Lächeln um den Mund – tot, erfroren am letzten Tage des alten","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Jahres. Der Morgen des neuen Jahres ging über der kleinen Leiche auf, die mit","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"den Schwefelhölzern, wovon fast ein Schächtelchen verbrannt war, dasaß. \"Sie hat","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"sich wärmen wollen!\" sagte man. Niemand wußte, was sie schönes gesehen hatte, in","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"welchem Glanze sie mit der alten Großmutter zur Neujahrsfreude eingegangen war.","book":"Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"} {"text":"Nach dem grünen Walle hinaus, der sich rings um Kopenhagen zieht, liegt ein","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"großes rotes Haus mit vielen Fenstern, in denen Balsaminen und Ambrabäumchen","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"wachsen; innen sieht es ärmlich aus und armes, altes Volk wohnt dort. Es ist das","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"Vartou, das Armenhaus.","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"Sieh, oben lehnt sich eine alte Jungfer gegen den Fensterrahmen. Sie pflückt ein","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"welkes Blatt von der Balsamine und sieht auf den grünen Wall hinaus, wo lustige","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"Kinder sich tummeln. Woran denkt sie? Ein Lebensschicksal zieht an ihr vorüber.","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"Die ärmlichen Kleinen, wie glücklich sie spielen! Welch rote Wangen, welch","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"strahlende Augen haben sie, aber an den Beinchen nicht Schuhe noch Strümpfe.","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"Sie tanzen auf dem grünen Walle, von dem die Sage erzählt, daß man vor","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"vielen, vielen Jahren, als die Erde unter dem Wall immer wieder fortsank, ein","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"unschuldiges Kind mit Blumen und Spielzeug in ein offenes Grab lockte, das","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"zugemauert wurde, während die Kleine spielte und aß. Von diesem Tage an lag der","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"Wall fest und trug bald einen üppig grünenden Rasen. Die Kleinen kannten die","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"Sage nicht, sonst würden sie das Kind noch immer weinen hören unter der Erde,","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"und der Tau auf dem Grase würde ihnen wie brennende Tränen erscheinen. Sie","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"kannten nicht die Geschichte von Dänemarks König, der, als der Feind draußen","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"lag, hier vorbeiritt und schwor, er wolle eher sterben als sich ergeben. Da","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"kamen die Männer und Frauen der Stadt und gossen kochendes Wasser über die","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"weißgekleideten Feinde, die im Schnee die äußere Wallseite erkletterten.","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"Lustig spielen die armen Kleinen.","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"Spiele, Du kleines Mädchen. Bald kommen die Jahre, die schönen, glücklichen","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"Jahre; die Konfirmanden spazieren Hand in Hand, Du gehst im weißen Kleide.","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"Es hat Deine Mutter genug gekostet, ob es auch aus einem größeren alten","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"zurechtgenäht wurde. Du bekommst einen roten Schal, der fast nachschleppt, so","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"lang ist er; aber so kann man doch sehen, wie groß er ist, wie allzugroß. Du","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"denkst an Deinen Staat und an den lieben Gott. Herrlich ist so eine Wanderung","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"auf dem Walle. Und die Jahre vergehen und manch trüber Tag, Du aber hast","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"Deinen frischen Jugendsinn. Und dann bekommst Du einen Freund, kaum weißt Du","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"es selbst. Ihr begegnet Euch; Ihr wandert auf dem Walle im zeitigen Frühjahr,","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"wenn alle Kirchenglocken den Bußtag einläuten. Noch sind dort keine Veilchen","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"zu finden, aber draußen vor dem Rosenburg-Schloß steht ein Baum mit den ersten","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"grünen Knospen, da steht Ihr stille. Jedes Jahr treibt der Baum neues Grün, doch","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"nicht das Herz in der Menschenbrust. Mehr dunkle Wolken streifen darüber hin,","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"als der Norden kennt. Armes Kind! Deines Bräutigams Brautkammer ist der Sarg,","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"und Du wirst eine alte Jungfer; vom Vartou siehst Du hinter Balsaminen auf die","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"spielenden Kinder herab, siehst Dein Schicksal sich wiederholen.","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"Dies ist das Lebensschicksal, das vor der alten Jungfer vorüberzieht, die auf","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"den Wall hinausblickt, wo die Kinder mit roten Wangen und ohne Strümpfe und","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"Schuhe jubeln, wie all die andern Vögel des Himmels.","book":"Von einem Fenster im Vartou"} {"text":"Es ist Herbst, wir stehen auf dem Wall, der das Kastell umschließt und sehen","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"über das Meer, auf die vielen Schiffe und zu der schwedischen Küste hinüber die","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"sich klar im Abendsonnenschein erhebt. Hinter uns fällt der Wall steil zur Tiefe","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"ab. Dort stehen prächtige Bäume, das Laub fällt gelb von den Zweigen; unten","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"liegen düstere Häuser mit Holzpalisaden, und innen, wo die Schildwache geht,","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"ist es enge und finster. Aber noch dunkler ist es dort hinter dem vergitterten","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"Loche; da sitzen gefangene Sklaven, die ärgsten Verbrecher.","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"Ein Strahl der niedergehenden Sonne fällt in die kahle Zelle. Die Sonne scheint","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"auf Böse und Gute! Der finstere, mürrische Gefangene folgt mit einem bösen Blick","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"dem kalten Sonnenstrahl. Ein kleiner Vogel fliegt gegen das Gitter. Der Vogel","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"singt für Böse und Gute! Er zwitschert ein kurzes \"Quivit,\" bleibt aber setzen;","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"er schlägt mit den Flügeln, zupft ein Federchen heraus, plustert die Halsfedern","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"auf und der böse Mann sieht ihm zu. Ein milderer Ausdruck geht über das häßliche","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"Gesicht; ein Gedanke, ihm selbst nicht ganz bewußt, leuchtet in seiner Brust","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"auf, dem Sonnenstrahl verwandt, der durch das Gitter fällt, dem Dufte der","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"Veilchen verwandt, die im Frühling so reich draußen blühen. Nun klingt das","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"Waldhorn lieblich und kräftig herein. Der Vogel fliegt vom Gitter des Gefangenen","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"fort, der Sonnenstrahl verschwindet, und es wird dunkel in der Zelle, dunkel in","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"des bösen Mannes Herzen, aber die Sonne hat doch hineingeschienen und der Vogel","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"hineingesungen.","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"Tönt fort, ihr schönen Klänge des Waldhorns! Der Abend ist mild, das Meer","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"spiegelglatt und stille.","book":"Ein Bild vom Kastellwall"} {"text":"Hast du die Geschichte von der alten Straßenlaterne gehört? Sie ist gar nicht","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"sehr belustigend, doch einmal kann man sie wohl hören. Es war eine gute, alte","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Straßenlaterne, die viele, viele Jahre gedient hatte, aber jetzt entfernt werden","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"sollte. Es war der letzte Abend, an dem sie auf dem Pfahle saß und in der Straße","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"leuchtete, und es war ihr zumute wie einer alten Tänzerin, die den letzten Abend","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"tanzt und weiß, daß sie morgen vergessen in der Bodenkammer sitzt. Die Laterne","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"hatte Furcht vor dem morgigen Tage, denn sie wußte, daß sie dann zum erstenmal","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"auf das Rathaus kommen und von dem hochlöblichen Rat beurteilt werden sollte, ob","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"sie noch tauglich oder unbrauchbar sei.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Da sollte bestimmt werden, ob sie nach einer der Brücken hinausgeschickt werden","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"könne, um dort zu leuchten, oder auf das Land in eine Fabrik; vielleicht sollte","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"sie geradezu in eine Eisengießerei kommen und umgeschmolzen werden. Dann konnte","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"freilich alles aus ihr werden, aber es peinigte sie, daß sie nicht wußte, ob sie","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"dann die Erinnerung daran behalten würde, daß sie eine Straßenlaterne gewesen","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"war.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Wie es nun auch werden mochte, so werde sie doch vom Wächter und seiner Frau","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"getrennt werden, die sie ganz wie ihre Familie betrachteten. Sie wurde zur","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Laterne, als er Wächter wurde. Damals war die Frau sehr vornehm, und wenn sie","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"des Abends an der Laterne vorüberging, blickte sie diese an, am Tage aber nie.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Dagegen in den letzten Jahren, als sie alle drei, der Wächter, seine Frau und","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"die Laterne, alt geworden waren, hatte die Frau sie auch gepflegt, die Lampe","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"abgeputzt und Öl eingegossen. Es war ein ehrliches Ehepaar, sie hatten die Lampe","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"um keinen Tropfen betrogen. Es war der letzte Abend auf der Straße, und morgen","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"sollte sie auf das Rathaus; das waren zwei finstere Gedanken für die Laterne,","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"und so kann man wohl denken, wie sie brannte. Aber es kamen ihr noch andere","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Gedanken; sie hatte vieles gesehen, vieles beleuchtet, vielleicht ebensoviel","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"wie der 'hochlöbliche Rat', aber das sagte sie nicht, denn sie war eine alte,","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"ehrliche Laterne, sie wollte niemand erzürnen, am wenigsten ihre Obrigkeit. Es","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"fiel ihr vieles ein, und mitunter flackerte die Flamme in ihr auf, es war, als","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"ob ein Gefühl ihr sagte: 'Ja, man wird sich auch meiner erinnern!' So war da","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"der hübsche, junge Mann – ja, das ist viele Jahre her; er kam mit einem Briefe,","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"der war auf rosenrotem Papier, fein und mit goldenem Schnitt, er war niedlich","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"geschrieben, es war eine Damenhand.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Er las ihn zweimal und küßte ihn und blickte mit seinen beiden Augen zu mir","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"empor und sagte: \"Ich bin der glücklichste Mensch!\" – Nur er und ich wußten, was","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"im ersten Brief von der Geliebten stand. – lch entsinne mich auch zweier anderer","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Augen; es ist merkwürdig, wie man mit den Gedanken springen kann! – Hier in","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"der Straße fand ein prächtiges Begräbnis statt, die junge, hübsche Frau lag im","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Sarge auf dem mit Samt überzogenen Leichenwagen. Da prangten so viele Blumen und","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Kränze, da leuchteten so viele Fackeln, daß ich dabei ganz verschwand. Der ganze","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Bürgersteig war mit Menschen angefüllt, sie folgten alle dem Leichenzug, als","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"aber die Fackeln verschwunden waren und ich mich umsah, stand hier noch einer am","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Pfahl und weinte, ich vergesse nie die beiden Augen voll Trauer, die gegen mich","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"aufblickten!","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Viele Gedanken durchkreuzten so die alte Straßenlaterne, die an diesem Abend","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"zum letztenmal leuchtete. Die Schildwache, die abgelöst wird, kennt doch ihren","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Nachfolger und kann ihm ein paar Worte sagen, aber die Laterne kannte den","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"ihrigen nicht, und doch hätte sie ihm einen oder den andern Wink über Regen und","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Schnee, wie weit der Mondschein auf dem Bürgersteig gehe und von welcher Seite","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"der Wind blies, geben können.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Auf dem Rinnsteinbrette standen drei, die sich der Laterne vorgestellt hatten,","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"indem sie glaubten, daß diese es sei, die das Amt zu vergeben habe. Der eine","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"davon war ein Heringskopf, denn auch ein solcher leuchtet im Dunkeln, und daher","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"meinte er, es würde eine große Ölersparnis sein, wenn er auf den Laternenpfahl","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"käme. Der zweite war ein Stück faulen Holzes, das auch leuchtete, und überdies","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"war es das letzte Stück von einem Baume, der einst die Zierde des Waldes gewesen","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"war. Der dritte war ein Johanniswurm. Woher der gekommen, begriff die Laterne","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"nicht, aber der Wurm war da und leuchtete auch. Aber das faule Holz und der","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Heringskopf beschworen, daß er nur zu gewissen Zeiten leuchte und daß er deshalb","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"nie berücksichtigt werden könne.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Die alte Laterne sagte, daß keiner von ihnen genug leuchte, um Straßenlaterne zu","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"sein, aber das glaubte nun keiner von ihnen, und als sie hörten, daß die Laterne","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"selbst die Anstellung nicht zu vergeben habe, so sagten sie, daß das höchst","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"erfreulich sei, denn sie sei schon gar zu hinfällig, um noch wählen zu können.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Gleichzeitig kam der Wind von der Straßenecke, er sauste durch den Schornstein","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"der alten Laterne. \"Was höre ich!\" sagte er zu ihr, \"du willst morgen fort? Ist","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"dieses der letzte Abend, an dem ich dich hier treffe? Ja, dann mache ich dir ein","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Geschenk; nun erfrische ich deinen Verstandeskasten, so daß du klar und deutlich","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"dich nicht allein dessen entsinnen kannst, was du gehört und gesehen hast,","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"sondern wenn etwas in deiner Gegenwart erzählt oder gelesen wird, so sollst du","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"so hellsehend sein, daß du alles auch siehst!\"","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"\"Das ist viel!\" sagte die alte Straßenlaterne, \"meinen besten Dank! Wenn ich nur","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"nicht umgegossen werde!\"","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"\"Das geschieht noch nicht!\" sagte der Wind, \"und nun erfrische ich dir dein","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Gedächtnis. Kannst du mehr derartige Geschenke erhalten, so wirst du ein recht","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"frohes Alter haben!\"","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"\"Wenn ich nur nicht umgeschmolzen werde!\" sagte die Laterne, \"Oder kannst du mir","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"dann auch das Gedächtnis sichern?\"","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"\"Alte Laterne, sei vernünftig!\" sagte der Wind, und dann wehte er. Gleichzeitig","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"kam der Mond hervor.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"\"Was geben Sie?\" fragte der Wind.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"\"Ich gebe gar nichts!\" sagte dieser, \"ich bin ja am Abnehmen, und die Laternen","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"haben mir nie, sondern ich habe den Laternen geleuchtet.\" Darauf ging der Mond","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"wieder hinter die Wolken, denn er mochte sich nicht quälen lassen. Da fiel","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"ein Wassertropfen wie von einer Dachtraufe gerade auf den Schornstein, aber","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"der Tropfen sagte, er komme aus den grauen Wolken und sei auch ein Geschenk,","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"vielleicht das allerbeste. \"Ich durchdringe dich so, daß du die Fähigkeit","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"erhältst, in einer Nacht, wenn du es wünschest, dich in Rost zu verwandeln,","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"so daß du ganz zusammenfällst und zu Staub wirst.\" Aber der Laterne schien das","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"ein schlechtes Geschenk zu sein, und der Wind meinte es auch. \"Gibt es nichts","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Besseres, gibt es nichts Besseres?\" blies er, so laut er konnte; da fiel eine","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"glänzende Sternschnuppe, sie leuchtete in einem langen Streifen.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"\"Was war das?\" rief der Heringskopf. \"Fiel da nicht ein Stein gerade herab? Ich","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"glaube, er fuhr in die Laterne! – Nun, wird das Amt auch von so Hochstehenden","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"gesucht, dann können wir uns zur Ruhe begeben!\" Und das tat er und die andern","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"mit. Aber die alte Laterne leuchtete auf einmal wunderbar stark. \"Das war ein","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"herrliches Geschenk!\" sagte sie. \"Die klaren Sterne, über die ich mich immer","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"so sehr gefreut habe und die so herrlich scheinen, wie ich eigentlich nie habe","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"leuchten können, obgleich es mein ganzes Streben und Trachten war, haben mich","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"arme Laterne beachtet! Sie schickten mir einen davon mit einem Geschenk herab,","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"das in der Fähigkeit besteht, daß alles, dessen ich mich entsinne und das ich","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"recht deutlich erblicken auch von denjenigen gesehen werden kann, die ich liebe.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Das ist erst das wahre Vergnügen, denn wenn man es nicht mit andern teilen kann,","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"so ist es nur eine halbe Freude!\"","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"\"Das ist recht ehrenwert gedacht!\" sagte der Wind, \"aber du weißt noch nicht,","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"daß dazu Wachslichter gehören. Wenn nicht ein Wachslicht in dir angezündet","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"wird, kann keiner der andern etwas bei dir erblicken. Das haben die Sterne nicht","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"gedacht, sie glauben, daß alles, was leuchtet, wenigstens ein Wachslicht in sich","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"hat. Aber jetzt bin ich müde,\" sagte der Wind, \"nun will ich mich legen!\"","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Und dann legte er sich.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Am folgenden Tage - ja, den folgenden Tag können wir überspringen – am folgenden","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Abend lag die Laterne im Lehnstuhl, und wo? – Bei dem alten Wächter. Vom","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"hochlöblichen Rat hatte er sich für seine langen, treuen Dienste erbeten, die","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"alte Laterne behalten zu dürfen. Sie lachten über ihn, und dann ließen sie ihm","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"den Willen, und dann lag die Laterne im Lehnstuhl dicht bei dem warmen Ofen. Es","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"war, als ob sie dadurch größer geworden wäre, sie füllte fast den ganzen Stuhl","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"aus. Die alten Leute saßen schon beim Abendbrot und warfen der alten Laterne,","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"der sie gern einen Platz am Tische eingeräumt hätten, freundliche Blicke zu.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Sie wohnten zwar in einem Keller, zwei Ellen tief unter der Erde, man mußte über","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"einen gepflasterten Flur, um zur Stube zu gelangen, aber warm war es darin, denn","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"sie hatten Tuchleisten um die Tür genagelt. Rein und niedlich sah es hier aus,","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Vorhänge um die Bettstellen und über den kleinen Fenstern, wo da oben auf dem","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Fensterbrette zwei sonderbare Blumentöpfe standen. Der Matrose Christian hatte","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"sie von Ost- und Westindien mit nach Hause gebracht; es waren zwei Elefanten","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"von Ton, denen der Rücken fehlte, aber an dessen Stelle wuchsen aus der Erde,","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"die hineingelegt war, in dem einen der schönste Schnittlauch, das war der","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Küchengarten der alten Leute, und in dem anderen ein großes, blühendes Geranium,","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"das war ihr Blumengarten.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"An der Wand hing ein großes, buntes Bild, 'Die Fürstenversammlung zu Wien', da","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"besaßen sie alle Kaiser und Könige auf einmal! Eine Schwarzwälder Uhr mit den","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"schweren Bleigewichten 'tick-tack!' ging immer zu schnell; aber das sei besser,","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"als wenn sie zu langsam ginge, meinten die alten Leute. Sie verzehrten ihr","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Abendbrot, und die alte Straßenlaterne lag, wie gesagt, im Lehnstuhl dicht bei","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"dem warmen Ofen. Der Laterne kam es vor, als wäre die ganze Welt umgekehrt.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Als aber der Wächter sie anblickte und davon sprach, was sie beide miteinander","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"erlebt hatten in Regen und Schneegestöber, in den hellen, kurzen Sommernächten","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"und wenn der Schnee trieb, so daß es ihm wohltat, wieder in den Keller zu","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"gelangen, da war für die alte Laterne wieder alles in Ordnung, denn wovon er","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"sprach, das erblickte sie, als ob es noch immer da wäre. Ja, der Wind hatte sie","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"inwendig wahrlich gut erleuchtet.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Sie waren fleißig und flink, die alten Leute, keine Stunde waren sie untätig.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Am Sonntagnachmittag kam das eine oder andere Buch zum Vorschein, gewöhnlich","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"eine Reisebeschreibung, und der alte Mann las laut von Afrika, von den großen","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Wäldern und Elefanten, die da wild umherliefen, und die alte Frau horchte auf","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"und blickte dann verstohlen nach den Tonelefanten hin, die Blumentöpfe waren!","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"\"Ich kann es mir beinahe denken!\" sagte sie. Die Laterne wünschte dann","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"sehnlichst, daß ein Wachslicht da wäre, damit es angezündet werde und in ihr","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"brenne, dann sollte die Frau alles genau so sehen, wie die Laterne es erblickte,","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"die hohen Bäume, die dicht ineinander verschlungenen Zweige, die schwarzen","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Menschen zu Pferde und ganze Scharen von Elefanten, die mit ihren breiten Füßen","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Rohr und Büsche zerrnalmten.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"\"Was helfen mir alle meine Fähigkeiten, wenn kein Wachslicht da ist!\" seufzte","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"die Laterne, \"Sie haben nur Öl und Talglichte, und das ist nicht genug!\"","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Eines Tages kam ein ganzer Bund Wachslichtstückchen in den Keller, die größten","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Stücke wurden gebrannt, und die kleineren brauchte die alte Frau, um ihren Zwirn","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"damit zu wachsen, wenn sie nähte. Wachslicht war nun da, aber es fiel den beiden","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Alten nicht ein, davon ein Stück in die Laterne zu setzen.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"\"Hier stehe ich mit meinen seltenen Fähigkeiten!\" sagte die Laterne; \"ich habe","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"alles in mir, aber ich kann es nicht mit ihnen teilen. Sie wissen nicht, daß ich","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"die weißen Wände in die schönsten Tapeten, in reiche Wälder, in alles, was sie","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"sich wünschen wollen, verwandeln kann! – Sie wissen es nicht!\"","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Die Laterne stand übrigens gescheuert und sauber in einem Winkel, wo sie","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"jederzeit in die Augen fiel; die Leute sagten zwar, daß es nur ein altes","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Gerümpel sei, aber daran kehrten sich die Alten nicht, sie liebten die Laterne.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Eines Tages, es war des alten Wächters Geburtstag, kam die alte Frau zur Laterne","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"hin, lächelte und sagte: \"lch will die Stube heute für ihn glänzend beleuchten!\"","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Und die Laterne knarrte im Schornstein, denn sie dachte: 'Jetzt wird ihnen ein","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Licht aufgehen!' Aber da kam Öl und kein Wachslicht, sie brannte den ganzen","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Abend, wußte aber nun, daß die Gabe der Sterne, die beste Gabe von allen, für","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"dieses Leben ein toter Schatz bleiben werde.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Da träumte sie – und wenn man solche Fähigkeiten hat, kann man wohl träumen –,","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"daß sie selbst zum Eisengießer gekommen und umgeschmolzen werden sollte. Sie war","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"ebenso in Furcht, als da sie auf das Rathaus kommen und von dem 'hochlöblichen","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Rat' beurteilt werden sollte; aber obgleich sie die Fähigkeit besaß, in Rost und","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Staub zu zerfallen, sobald sie es wünschte, so tat sie das doch nicht, und dann","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"kam sie in den Schmelzofen und wurde zum schönsten eisernen Leuchter, in den man","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"ein Wachslicht stellt; er hatte die Form eines Engels, der einen Blumenstrauß","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"trug. Mitten in den Strauß wurde das Wachslicht gestellt, und der Leuchter","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"erhielt seinen Platz auf einem grünen Schreibtisch. Das Zimmer war behaglich,","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"da standen viele Bücher, da hingen herrliche Bilder, es war die Wohnung eines","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Dichters, und alles, was er sagte und schrieb, zeigte sich ringsherum. Das","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Zimmer wurde zu tiefen, dunklen Wäldern, zu sonnenbeleuchteten Wiesen, wo der","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Storch umherstolzierte, und zum Schiffsverdeck hoch auf dem wogenden Meere!","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"\"Welche Fähigkeiten besitze ich!\" sagte die alte Laterne, indem sie erwachte.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"\"Fast möchte ich mich danach sehnen, umgeschmolzen zu werden! – Doch nein, das","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"darf nicht geschehen, solange die alten Leute leben! Sie lieben mich meiner","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Person wegen! Ich bin ihnen ja an Kindes Statt, sie haben mich gescheuert und","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"haben mir Öl gegeben; und ich habe es ebenso gut wie das Bild, das doch so etwas","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Vornehmes ist!\" Von dieser Zeit an hatte sie mehr innere Ruhe, und das verdiente","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"die ehrliche, alte Straßenlaterne.","book":"Die alte Straßenlaterne"} {"text":"Man konnte wirklich glauben, daß im Dorfteiche irgendetwas im Werke sei; aber","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"es war gar nichts los. Alle Enten, ob sie geruhsam auf dem Wasser lagen oder","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"auf dem Kopfe standen, denn das konnten sie, ruderten plötzlich ans Land; man","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"konnte in dem feuchten Boden die Spuren ihrer Füße sehen, und ein gutes Stück","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"weit hören, was sie schrien. Das Wasser kam ordentlich in Bewegung, und eben","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"war es doch noch blank wie ein Spiegel gewesen, so daß man jeden Baum, jeden","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Busch in seiner Nähe und das alte Bauernhaus mit den Löchern im Giebel und","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"dem Schwalbennest daran sehen konnte, besonders aber den großen Rosenbusch mit","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"allen seinen Blüten, der über die Mauer bis fast ins Wasser hinabhing. Und darin","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"stand das Ganze wie ein Gemälde, aber alles auf dem Kopfe. Doch als jetzt das","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Wasser in Unruhe geriet, lief alles ineinander, und das ganze Bild verschwand.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Zwei Entenfedern, die den Enten beim Fliegen ausgefallen waren, schaukelten auf","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"und nieder. Mit einem Male fingen sie an, fortzutreiben, als ob der Wind übers","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Wasser bliese, aber es war gar kein Wind. Dann lagen sie stille, das Wasser","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"wurde wieder spiegelglatt, und man konnte deutlich darin den Giebel mit dem","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Schwalbennest und den Rosenstrauch wieder sehen. Jede Rose spiegelte sich, sie","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"waren so prächtig und schön, doch sie wußten nichts davon, denn niemand hatte","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"es ihnen gesagt. Die Sonne schien zwischen ihre feinen Blätter hinein, die ganz","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"voller Duft waren, und das war für die Rosen gerade so schön, wie für uns, wenn","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"wir in glückselige Gedanken versunken dasitzen.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Wie herrlich ist das Leben!\" sagte jede Rose, \"das einzige, was ich noch","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"wünschen möchte, wäre, daß ich die Sonne küssen dürfte, weil sie so warm und","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"klar ist. Ja, und die Rosen dort unten im Wasser möchte ich auch küssen. Sie","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"gleichen uns so sehr. Ich möchte die süßen, kleinen Vögel dort unten im Neste","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"küssen; über uns sind auch welche, sie stecken die Köpfe heraus und piepen ganz","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"leise und haben noch gar keine Federn, wie ihr Vater und ihre Mutter. Es sind","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"gute Nachbarn, die wir über uns und unter uns haben. O, wie herrlich ist doch","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"das Leben.\"","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Die kleinen Vögel oben und unten – die unten waren ja nur ein Widerspiel im","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Wasser, – waren Spatzen, und Vater und Mutter waren Spatzen; sie hatten sich","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"in das leere Schwalbennest vom vorigen Jahre gesetzt; dort lagen sie nun und","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"fühlten sich zu Hause.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Sind das Entenkinder, die dort schwimmen?\" fragten die Spatzenjungen, als sie","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"die Entenfedern auf dem Wasser dahintreiben sahen.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Tut vernünftige Fragen, wenn Ihr fragt\" sagte die Mutter. \"Seht Ihr nicht,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"daß es eine Feder ist, lebendiges Kleiderzeug, wie ich es habe und Ihr es auch","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"bekommen werdet? Aber unseres ist feiner. Wenn wir sie nur oben im Neste hätten,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"denn das wärmt. Ich möchte wohl wissen, was die Enten so erschreckt hat. Es","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"muß etwas aus dem Wasser gewesen sein; denn ich war es gewiß nicht, obwohl ich","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"freilich etwas laut 'Piep' zu Euch gesagt habe. Die dickköpfigen Rosen müßten es","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"eigentlich wissen, aber sie wissen nie etwas; sie sehen nur sich selbst an und","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"riechen. Ich habe diese Nachbarn herzlich über.\"","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Hört die süßen, kleinen Vögel da oben\" sagten die Rosen, \"sie wollen jetzt auch","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"anfangen zu singen. – Sie können noch nicht recht, aber es wird schon kommen.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"– Was muß das für ein Vergnügen sein! Es ist doch ganz hübsch, solche lustige","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Nachbarn zu haben.\"","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Da kamen zwei Pferde im Galopp daher, sie sollten getränkt werden; ein","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Bauernjunge saß auf dem einen. Er hatte alle seine Kleider ausgezogen bis auf","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"seinen schwarzen Hut, der war so schön und groß und breit. Der Knabe pfiff, als","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"sei er ein kleiner Vogel, und ritt in den Teich bis an die tiefste Stelle. Als","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"er an dem Rosenstrauch vorbeikam, riß er eine der Rosen ab und steckte sie auf","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"den Hut. So glaubte er recht geputzt zu sein und ritt wieder fort. Die anderen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Rosen sahen ihrer Schwester nach und fragten einander: \"Wo reiste sie hin?\" aber","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"das wußte niemand.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Ich möchte wohl auch in die Welt hinaus!\" sagte die eine zur andern; \"aber hier","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"zu Hause in unserem eigenen Grün ist es auch schön. Am Tage scheint die Sonne so","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"warm, und nachts strahlt der Himmel noch schöner! Da können wir durch die vielen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"kleinen Löcher sehen, die darin sind!\"","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Es waren die Sterne, die sie für Löcher hielten, denn die Rosen wußten es nicht","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"besser.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Wir bringen Leben ins Haus\" sagte die Spatzenmutter, \"und die Schwalben bringen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Glück, sagen die Leute. Aber die Nachbarn dort, so ein großer Rosenbusch an der","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Mauer, setzt nur Feuchtigkeit an. Ich hoffe, er kommt bald fort, dann kann doch","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Korn dort wachsen. Rosen sind nur da zum ansehen und daran riechen, höchstens","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"noch zum an den Hut stecken. Jedes Jahr, das weiß ich von meiner Mutter, fallen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"sie ab, die Bauernfrau salzt sie ein, sie bekommen einen französischen Namen,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"den ich nicht aussprechen kann, und der mich auch nicht kümmert, und dann werden","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"sie aufs Feuer gelegt, wenn es gut riechen soll. Seht, das ist ihr Lebenslauf;","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"sie sind nur für Augen und Nase. Nun wißt Ihr es.\"","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Als es Abend wurde und die Mücken in der warmen Luft tanzten und die Wolken sich","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"rot färbten, kam die Nachtigall und sang den Rosen vor, daß das Schöne in der","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Welt wie der Sonnenschein sei, und daß es ewig lebe. Aber die Rosen glaubten,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"daß die Nachtigall von sich selbst singe, und das konnte man ja auch glauben.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Es fiel ihnen gar nicht ein, daß ihnen der Gesang gelte; aber sie wurden","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"fröhlich dabei und dachten daran, ob nicht all die kleinen Spatzenjungen auch zu","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Nachtigallen werden könnten.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Ich verstand sehr gut, was der Vogel sang\" sagten die Spatzenjungen; \"es war","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"nur ein Wort dabei, das ich nicht verstand: was ist 'das Schöne'?\"","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Das ist gar nichts!\" sagte die Spatzenmutter; \"das ist nur so ein Ausdruck.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Oben auf dem Herrenhofe, wo die Tauben ihr eigenes Haus haben und jeden Tag","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Erbsen und Korn in den Hof gestreut bekommen, – ich habe mit ihnen gegessen, und","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"dazu werdet Ihr auch noch kommen! Sage mir, mit wem Du umgehst, so werde ich Dir","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"sagen, wer Du bist! – da oben auf dem Herrenhofe haben sie zwei Vögel mit grünem","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Halse und einer Krone auf dem Kopfe. Ihr Schwanz kann sich ausbreiten, bis er","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"wie ein großes Rad aussieht; das hat so viele Farben, daß einem die Augen weh","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"tun. Pfauen werden sie genannt, und das ist 'das Schöne'. Sie sollten nur ein","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"wenig gerupft werden, dann sähen sie auch nicht anders aus, wie wir anderen. Ich","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"hätte auf sie losgehackt, wenn sie nur nicht so groß wären!\"","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Ich will sie hacken!\" sagte das kleinste Spatzenjunge; es hatte noch nicht","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"einmal Federn.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Im Bauernhofe wohnten zwei junge Leute; die hatten einander so lieb. Sie waren","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"fleißig und flink, und es war überall hübsch bei ihnen. Am Sonntag morgen ging","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"die junge Frau hinaus, nahm eine ganze Hand voll der schönsten Rosen, setzte sie","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"in ein Wasserglas und stellte sie mitten auf die Kommode.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Nun kann ich sehen, daß Sonntag ist!\" sagte der Mann, küßte seine süße, kleine","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Frau, und sie setzten sich nieder, lasen einen Psalm, hielten einander bei den","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Händen, und die Sonne schien in die Fenster hinein auf die frischen Rosen und","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"die jungen Leute.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Es ist wirklich langweilig, das immer wieder sehen zu müssen!\" sagte die","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Spatzenmutter, die aus dem Neste gerade in die Stube hineinsah; und dann flog","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"sie davon.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Dasselbe tat sie am nächsten Sonntag; denn jeden Sonntag kamen frische Rosen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"ins Glas, und immer blühte die Rosenhecke gleich schön. Die Spatzenjungen, die","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"nun Federn bekommen hatten, wollten gern mitfliegen; aber die Mutter sagte: \"Ihr","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"bleibt hier\" und so blieben sie da. – Sie flog, und wie es kam, wußte sie selbst","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"nicht, jedenfalls hing sie plötzlich in einer Vogelschlinge aus Pferdehaaren","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"fest, die ein paar Knaben an einem Zweig festgebunden hatten. Die Pferdehaare","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"zogen sich fest um ihr Bein, ach, so fest, als ob sie es zerschneiden wollten.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Das war ein Schmerz und ein Schreck. Die Knaben sprangen flugs hinzu und griffen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"den Vogel; sie faßten ihn grausam hart an. \"Es ist nur ein Spatz\" sagten sie;","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"aber fliegen ließen sie ihn doch nicht. Sie nahmen ihn mit nach Hause und","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"jedesmal, wenn er schrie, gaben sie ihm eins auf den Schnabel.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Im Bauernhof stand ein alter Mann, der verstand Seife zu machen für Bart und","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Hände, Seife in Kugeln und Seife in Stücken. Es war so ein umherwandernder,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"lustiger Alter, und als er den Spatz sah, mit dem die Knaben daherkamen, und","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"aus dem sie sich gar nichts machten, wie sie sagten, fragte er sie: \"Wollen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"wir ihn schön machen?\" Die Spatzenmutter überlief ein Grausen, als er das","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"sagte. Und aus seinem Kasten, worin die herrlichsten Farben lagen, nahm er","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"eine ganze Menge glitzerndes Schaumgold. Die Jungen mußten hineinlaufen und ein","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Ei herbeischaffen. Von diesem nahm er das Weiße und bestrich damit den ganzen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Vogel; sodann klebte er das Schaumgold darauf, und nun war die Spatzenmutter","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"vergoldet. Aber sie dachte nicht an ihren Staat, sie zitterte an allen Gliedern.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Und der Seifenmann nahm ein rotes Läppchen, das er vom Futter seiner alten Jacke","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"abriß, schnitt das Läppchen zu einem gezackten Hahnenkamm aus und klebte ihn dem","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Vogel auf den Kopf.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Nun sollt Ihr sehen, wie der Goldvogel fliegt!\" sagte er und ließ den Sperling","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"los, der in der entsetzlichsten Angst in dem hellen Sonnenschein davonflog.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Nein, wie er glitzerte! Alle Spatzen, selbst eine große Krähe, und zwar eine vom","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"vorigen Jahrgang, erschraken bei diesem Anblick; aber sie flogen doch hinterher,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"denn sie wollten wissen, was das für ein vornehmer Vogel sei.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Woher? woher?\" schrie die Krähe.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Bleib stehn. Bleib stehn\" sagten die Spatzen. Aber sie wollte nicht stehen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"bleiben. Erfüllt von Angst und Entsetzen flog sie heimwärts. Sie war nahe daran,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"umzusinken, und noch immer eilten mehr Vögel herbei, kleine und große. Einige","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"flogen dicht heran, um auf sie loszuhacken. \"So einer, So einer\" schrien sie","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"alle zusammen.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"So einer, So einer\" schrien die Jungen, als sie endlich das Nest erreicht","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"hatte. \"Das ist bestimmt ein junger Pfau. Da sind alle die Farben, die den Augen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"wehe tun, wie Mutter sagte: 'Piep. Das ist das Schöne' \" und dann hackten sie","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"mit ihren kleinen Schnäbeln, so daß es ihr nicht möglich war, hineinzuschlüpfen.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Und sie war so matt vor Angst, daß sie nicht einmal mehr \"Piep\" sagen konnte,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"viel weniger: \"Ich bin Eure Mutter.\" Die anderen Vögel hackten nun auf sie los,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"daß die Federn flogen, und blutig sank die Spatzenmutter in den Rosenstrauch","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"nieder.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Das arme Tier!\" sagten die Rosen. \"Komm, wir wollen Dich verbergen! Bette Dein","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"kleines Köpfchen auf uns!\"","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Die Spatzenmutter breitete noch einmal die Flügel aus, drückte sie dann wieder","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"fest an ihren Leib, und dann war sie gestorben bei der Nachbarfamilie, den","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"frischen, schönen Rosen.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Piep!\" sagten die Spatzenjungen im Neste, \"wo mag nur Mutter bleiben, das","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"kann ich gar nicht begreifen! Es sollte doch nicht etwa eine List von ihr","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"sein, daß wir nun selbst für uns sorgen müssen! Das Haus hat sie uns als","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Erbteil überlassen, aber wer von uns soll es allein besitzen, wenn wir Familie","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"bekommen?\"","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Ja, ich kann Euch anderen nicht hier behalten, wenn ich mir erst Frau und","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Kinder anschaffe!\" sagte der Kleinste.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Ich bekomme wohl mehr Frauen und Kinder als Du!\" sagte der zweite.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Aber ich bin der älteste!,\" sagte ein dritter. Der Streit entfachte sich immer","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"heftiger zwischen ihnen, sie schlugen mit den Flügeln, hackten mit dem Schnabel,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"und bums wurde einer nach dem andern aus dem Neste gepufft. Da lagen sie nun mit","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Wut im Herzen. Den Kopf wendeten sie nach der anderen Seite und blinzelten dabei","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"mit dem einen Auge; das war so ihre Art zu trotzen.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Ein wenig konnten sie schon fliegen; nun übten sie etwas mehr, und zuletzt","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"wurden sie darüber einig, daß sie, um sich erkennen zu können, wenn sie einander","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"in der Welt begegneten, \"Piep!\" sagen und dreimal mit dem linken Fuße scharren","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"wollten.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Das Junge, das im Neste zurückblieb, machte sich so breit wie es nur konnte; es","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"war ja nun Hauseigentümer. Aber die Freude dauerte nicht lange. – In der Nacht","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"leuchtete ein roter Feuerschein aus den Fenstern, die Flammen schlugen unter dem","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Dache heraus, und das dürre Stroh loderte empor – das ganze Haus verbrannte und","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"der junge Spatz mit; die jungen Leute aber waren glücklich davongekommenen.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Als die Sonne am nächsten Morgen aufgegangen war, und alles erfrischt wie nach","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"einem sanften Nachtschlaf dastand, war von dem Bauernhause nichts weiter übrig","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"geblieben, als einige schwarze, verkohlte Balken, die sich an den Schornstein","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"lehnten, der nun sein eigener Herr war. Der Boden rauchte noch stark; aber davor","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"stand frisch und blühend der Rosenstrauch und spiegelte jeden Zweig und jede","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Blüte in dem stillen Wasser.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Nein, wie hübsch sehen doch die Rosen vor dem abgebrannten Hause dort aus!\"","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"rief ein Mann, der vorüberkam. \"Das ist ein gar liebliches kleines Bild. Das muß","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"ich haben!\" Und der Mann zog ein kleines Buch mit weißen Blättern aus der Tasche","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"und nahm seinen Bleistift zur Hand; denn er war ein Maler. Dann zeichnete er","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"den rauchenden Schutt, die verkohlten Balken an dem einsam ragenden Schornstein,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"der sich mehr und mehr neigte, und ganz im Vordergrunde den großen, blühenden","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Rosenstrauch. Der war freilich wunderschön, und er trug ja auch allein die","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Schuld daran daß das Ganze gezeichnet wurde.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Später am Tage kamen zwei von den Spatzen vorbei, die hier geboren waren. \"Wo","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"ist das Haus?\" fragten sie, \"wo ist das Nest? – Piep, alles ist verbrannt,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"und unser starker Bruder ist mitverbrannt. Das hat er davon, daß er das Nest","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"behielt. Die Rosen sind gut davongekommen! Sie stehen noch immer mit roten","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Wangen da. Trauern tun sie also nicht über das Unglück der Nachbarn! Ich spreche","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"nicht mit ihnen, und hier ist es häßlich, das ist meine Meinung!\" Dann flogen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"sie davon.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Spät im Herbste gab es einen herrlichen Sonnentag. Man hätte fast glauben mögen,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"man sei mitten im Sommer. Im Hofe vor der großen Treppe beim Gutsbesitzer war","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"es trocken und sauber; dort spazierten die Tauben, die schwarzen, die weißen und","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"die bunten, und glänzten im Sonnenschein. Die alte Taubenmutter plusterte sich","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"auf und sagte zu den Jungen: \"Steht in Gruppen! Steht in Gruppen!\" – denn so","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"nahmen sie sich besser aus.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Was ist das kleine graue, das zwischen uns herumläuft?\" fragte eine alte Taube,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"deren Augen rot und grün leuchteten, \"das kleine Graue, das kleine Graue!\"","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Das sind Spatzen, gute Tierchen! Wir haben immer den Ruf gehabt, die frömmsten","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"unter den Vögeln zu sein, deshalb wollen wir ihnen erlauben, mitzupicken! – Sie","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"reden nicht mit und scharren so niedlich mit dem Füßchen.\"","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Ja, sie scharrten, dreimal scharrten sie mit dem linken Bein, aber sie sagten","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"auch \"Piep,\" und da erkannten sie sich; es waren die drei Spatzen aus dem","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"abgebrannten Haus.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Hier ist ein über die Maßen gutes Futter!\" sagten die Spatzen. Und die Tauben","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"gingen umeinander herum, brüsteten sich und gaben innerlich nur etwas auf die","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"eigene Meinung.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Siehst Du die Kropftaube!\" sagte die eine von der anderen. \"Siehst Du, wie","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"sie die Erbsen herunterschluckt? Sie bekommt zuviel, sie bekommt die bestem","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Kurr, kurr. Siehst Du, was sie für einen kahlen Kopf bekommt? Sich nur das","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"alte, boshafte Tier! Knurre, knurre!\" Und dann schillerten aller Augen ganz rot","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"vor Bosheit. \"Steht in Gruppen! Steht in Gruppen. Das kleine Graue, das kleine","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Graue! Knurre, knurre!\" ging es in einem fort, und so geht es wohl noch in","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"tausend Jahren.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Die Spatzen fraßen gut, und sie hörten gut, ja, sie stellten sich sogar mit in","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"die Gruppen; aber das kleidete sie nicht. Satt waren sie nun, deshalb gingen sie","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"von den Tauben fort und sprachen untereinander ihre Meinung über sie aus. Dann","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"hüpften sie unter dem Gartenzaun hindurch, und da die Tür zum Gartenzimmer offen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"stand, hüpfte der eine auf die Türschwelle, denn er war übersättigt und deshalb","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"mutig: \"Piep!\" sagte er, \"das wage ich\" – \"Piep\" sagte der andere, \"das wage ich","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"auch und noch etwas mehr!\" Und so hüpfte er in die Stube. Es waren keine Leute","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"darin, das sah der dritte wohl, und deshalb flog er noch weiter in das Zimmer","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"hinein und sagte: \"Ganz oder gar nicht.\" - \"Das ist übrigens ein merkwürdiges","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Menschennest. Und was hier aufgestellt ist. Nein, was ist das nur?\"","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Gerade vor den Spatzen blühten ja die Rosen. Sie spiegelt sich dort im Wasser,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"und die verkohlten Balken lehnten sich gegen den hinfälligen Schornstein! –","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Nein, was war dies nur? Wie kam dies in die Stube des Gutsherrn?","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Und alle drei Spatzen wollten über die Rosen und den Schornstein hinfliegen,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"aber sie flogen gegen eine flache Wand; das Ganze war ein Gemälde, ein großes,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"prächtiges Werk, das der Maler nach seiner kleinen Zeichnung angefertigt hatte.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Piep!\" sagten die Spatzen, \"das ist nichts; es sieht nur so aus. Piep! Das ist","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"das Schöne! Kannst Du das begreifen, ich kann es nicht!\" Und dann flogen sie","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"fort, denn es kamen Menschen in das Zimmer.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Nun vergingen Jahr und Tag; die Tauben hatten viele Male gekurrt, um nicht zu","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"sagen geknurrt, die boshaften Tiere! Die Spatzen hatten im Winter gefroren und","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"im Sommer lustig darauf los gelebt. Sie waren allesamt verlobt oder verheiratet","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"oder wie man es sonst nennen will. Junge hatten sie auch, und ein jeder hatte","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"natürlich die schönsten und klügsten. Einer flog hierhin, einer flog dorthin,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"und trafen sie sich, so erkannten sie sich an ihrem \"Piep\" und dem dreimaligen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Scharren mit dem linken Fuße. Die älteste war nun schon eine alte Jungfer; sie","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"hatte kein Nest und auch keine Jungen. Sie wollte gern einmal eine große Stadt","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"sehen, und so flog sie nach Kopenhagen. –","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Dort war ein großes Haus mit vielen Farben. Es stand dicht beim Schloß an dem","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Kanal, wo die Schiffe mit Äpfeln und Töpfen an den Ufern lagen. Die Fenster","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"waren unten breiter als oben, und guckten die Spatzen hinein, so war jedes","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Zimmer, in das sie hineinsahen, wie eine Tulpe mit allen möglichen Farben und","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Schnörkeln geschmückt, und mitten in diesen Tulpen standen weiße Menschen.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Die waren von Marmor; einige waren auch von Gips, aber für Spatzenaugen war","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"das gleich. Oben auf dem Hause stand ein metallener Wagen mit metallenen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Pferden davor, und die Siegesgöttin, ebenfalls aus Metall, lenkte sie. Das war","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Thorwaldsens Museum.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Wie das glänzt, Wie das glänzt\" sagte das Spatzenfräulein; \"das wird wohl das","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Schöne sein, Piep. Dies hier ist doch größer als ein Pfau.\" Sie erinnerte sich","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"noch aus ihrer Kindheit, daß dieser das größte \"Schöne\" sei, was ihre Mutter","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"gekannt hatte. Und sie flog in den Hof hinab. Dort war es auch prächtig. Palmen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"und Zweige waren auf die Wände gemalt, und mitten im Hofe stand ein großer","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"blühender Rosenstrauch. Der breitete seine frischen Zweige mit den vielen Rosen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"über ein Grab. Sie flog dorthin, denn es gingen noch mehrere Spatzen dort auf","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"und ab. \"Piep\" und dazu ein dreimaliges Scharren mit dem linken Fuß – diesen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Gruß hatte sie Jahr und Tag jedem geboten, aber niemand hatte ihn verstanden;","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"denn die sich einmal getrennt haben, treffen sich nicht jeden Tag wieder. Der","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Gruß war ihr bereits zur Gewohnheit geworden. Heute jedoch waren da zwei alte","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Spatzen und ein Junger, die sagten auch \"Piep\" und scharrten mit dem linken","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Fuße.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Ei sieh, guten Tag, guten Tag.\" Es waren die drei Alten aus dem Spatzennest und","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"ein Junger aus der Familie. \"Müssen wir uns hier wiedersehen!\" sagten sie. \"Es","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"ist ein vornehmer Ort hier, aber viel zu fressen findet sich nicht. Das ist das","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Schöne, Piep.\"","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Viele Leute kamen aus den Seitengängen, wo die prächtigen Marmorfiguren standen,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"und gingen zu dem Grabe hin, das den großen Meister barg, der den herrlichen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Marmorbildern Form gegeben hatte. Alle, die kamen, standen mit leuchtendem","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Antlitz um Thorwaldsens Grab. Einzelne sammelten die abgefallenen Rosenblätter","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"vom Boden und bewahrten sie auf. Die Leute kamen von weither; sie kamen von dem","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"großen England, von Deutschland und Frankreich. Die schönste Dame nahm eine von","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"den Rosen und barg sie an ihrer Brust. Da glaubten die Spatzen, daß die Rosen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"hier das Regiment hätten und das ganze Haus um ihretwillen gebaut sei, und das","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"schien ihnen ein bißchen übertrieben zu sein. Aber da die Menschen alle soviel","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Wesens von den Rosen machten, wollten sie auch nicht zurückstehen. \"Piep\" sagten","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"sie und fegten den Boden mit ihren Schwänzen. Dann schielten sie mit einem Auge","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"zu den Rosen hinauf; aber nicht lange dauerte es, so waren sie davon überzeugt,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"daß es die alten Nachbarn waren. Und das waren sie auch. Der Maler, der den","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Rosenstrauch bei dem abgebrannten Hause gezeichnet hatte, bekam später, gegen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Ende des Jahres, die Erlaubnis ihn auszugraben. Er hatte ihn dann dem Baumeister","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"des Museums gegeben, denn nirgends konnte man herrlichere Rosen finden. Dieser","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"hatte ihn auf Thorwaldsens Grab gesetzt, wo er als Wahrzeichen des Schönen","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"blühte und seine duftenden roten Blätter hergab, um zur Erinnerung in ferne","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Länder getragen zu werden.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Habt Ihr eine Anstellung hier in der Stadt erhalten?\" fragten die Spatzen.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Und die Rosen nickten; sie erkannten die grauen Nachbarn und freuten sich sie","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"wiederzusehen.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Wie schön ist es zu leben und zu blühen, alte Freunde bei sich zu sehen, und","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"jeden Tag in freundliche Gesichter zu blicken! Hier ist es, als sei jeder Tag","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"ein großer Festtag.\"","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"\"Piep!\" sagten die Spatzen, \"ja, das sind die alten Nachbarn. Ihrer Herkunft vom","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Dorfteiche erinnern wir uns recht wohl! Piep, wie sie zu Ehren gekommen sind!","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Manche kommen im Schlafe dazu. Denn was an so einem roten Klumpen Schönes sein","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"soll, weiß ich nicht! – Und da sitzt ein vertrocknetes Blatt, das sehe ich ganz","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"genau!\"","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Dann zupften sie solange daran, bis das Blatt abfiel, und frischer und grüner","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"stand der Strauch, und die Rosen dufteten im Sonnenschein auf Thorwaldsens Grab,","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"an dessen unsterblichen Namen sich ihre Schönheit anschloß.","book":"Die Nachbarfamilien"} {"text":"Ja, das war der kleine Tuk. Er hieß eigentlich nicht Tuk; aber zu jener Zeit,","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"als er noch nicht richtig sprechen konnte, nannte er sich selbst Tuk; das sollte","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Karl bedeuten, und es ist gut, wenn man das weiß. Er sollte sein Schwesterchen","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Gustave warten, die viel kleiner als er war, und dann sollte er auch seine","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Aufgaben lernen; aber diese beiden Dinge wollten sich nicht recht vereinigen","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"lassen. Der arme Knabe saß mit seiner Schwester auf dem Schoße und sang ihr","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"alle Lieder vor, die er wußte. Inzwischen wanderten die Augen verstohlen zu dem","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Geographiebuche, das aufgeschlagen vor ihm lag. Bis morgen sollte er alle Städte","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"in Seeland auswendig wissen samt allem, was es in ihnen Bemerkenswertes gab.","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Nun kam seine Mutter, die fortgewesen war, heim und nahm ihm die kleine Gustave","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"ab. Tuk lief ans Fenster und las, daß er sich fast die Augen ausgelesen hätte;","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"denn es war schon am Dunkelwerden und die Nacht rückte näher und näher. Aber die","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Mutter hatte nicht die Mittel, Licht zu kaufen.","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"\"Dort geht die alte Waschfrau aus der Gasse drüben\" sagte die Mutter, indem sie","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"aus dem Fenster sah. \"Sie kann sich kaum selbst schleppen und muß doch den Eimer","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"vom Brunnen tragen. Spring Du hinaus, kleiner Tuk, sei ein braver Junge und hilf","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"der alten Frau!\"","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Tuk sprang gleich hinaus und half. Als er jedoch wieder nachhause kam, war es","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"ganz dunkel geworden; von Licht war keine Rede und er sollte ins Bett. Das war","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"eine alte Schlafbank. Darauf lag er nun und dachte an seine Geographieaufgabe,","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"an Seeland und an alles, was der Lehrer erzählt hatte. Er hätte es freilich","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"lernen müssen, aber das konnte er ja nun nicht. Da steckte er das Geographiebuch","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"unter das Kopfkissen, denn er hatte gehört, daß dies das Behalten seiner Aufgabe","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"bedeutend erleichtern solle. Doch darauf ist kein Verlaß.","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Da lag er nun und dachte und dachte, und da war es ihm auf einmal, als ob jemand","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"ihn auf Augen und Mund küsse. Er schlief und schlief doch wieder nicht. Ihm war,","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"als sehe er der alten Waschfrau freundliche Augen auf sich niederschauen, und","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"sie sagte: \"Es wäre eine große Schande, wenn Du Deine Aufgabe nicht könntest.","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Du hast mir geholfen, nun werde ich Dir helfen, und der liebe Gott wird es immer","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"tun.\"","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Und auf einmal kribbelte und krabbelte das Buch unter dem Kopfe des kleinen Tuk.","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"\"Kikeriki put, put.\" Das war ein Huhn, das hereinspazierte; es kam aus der Stadt","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Kjöge. \"Ich bin eins von den Hühnern aus Kjöge.\" Und dann nannte es die Anzahl","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"der Einwohner und sprach von der Schlacht, die dort geschlagen worden sei, aber","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"das wäre nichts besonderes.","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"\"Kribbel, krabbe!, bums\" da fiel einer. Es war ein Vogel aus Holz, der nun","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"heranmarschierte. Das war der Papagei vom Vogelschießen in Praestö. Er sagte, es","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"wären dort soviele Einwohner, wie er Nägel im Leibe habe; und dann war er auch","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"etwas stolz darauf, daß Thorwaldsen an der Ecke bei ihm gewohnt habe. \"Bums, ich","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"liege herrlich!\"","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Aber der kleine Tuk lag nicht. Er saß auf einmal zu Pferde. Im Galopp, im Galopp","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"ging es. Ein prächtig gekleideter Ritter mit leuchtendem Helm und wehendem","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Federbusch hatte ihn vor sich auf dem Pferde. Sie ritten durch den Wald zu","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"der alten Stadt Vordingborg. Das war eine große Stadt voller Leben. Hohe Türme","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"prangten auf der Königsburg, und die Lichter glänzten weit durch die Fenster","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"hinaus. Drinnen war Gesang und Tanz. König Waldemar schritt zum Tanze und mit","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"ihm die geputzten jungen Hofdamen. – Es wurde Morgen, und sobald die Sonne","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"aufging, versank die Stadt und des Königs Schloß; ein Turm nach dem anderen","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"verschwand, zuletzt stand nur noch ein einziger auf der Höhe, wo das Schloß","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"gestanden hatte, und die Stadt war klein und ärmlich geworden. Und es kamen","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Schuljungen mit ihren Büchern unter dem Arm und sagten: \"Zweitausend Einwohner.\"","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Aber das stimmte nicht, so viele waren es nicht.","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Und der kleine Tuk lag in seinem Bett; ihm war, als ob er träumte und doch nicht","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"träumte. Aber jemand stand ganz dicht bei ihm.","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"\"Kleiner Tuk! Kleiner Tuk!\" sagte es. Es war ein Seemann, eine ganz kleine","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Person, als sei er nur ein Kadett; aber es war kein Kadett. \"Ich soll Dich","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"vielmals grüßen von Korsör; das ist eine Stadt, die im Aufblühen ist, eine","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"lebhafte Stadt, die Dampfschiffe und Postwagen hat. Früher hatte sie den Ruf,","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"häßlich zu sein, aber das ist eine veraltete Meinung. – Ich liege am Meere, sagt","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Korsör; ich habe Landstraßen und Lusthaine, und ich habe einen Dichter geboren,","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"der lustig ist; das sind nicht alle. Ich habe ein Schiff rings um die Welt","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"fahren lassen wollen; ich tat es dann zwar nicht, hätte es aber tun können. Und","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"dann rieche ich so herrlich; dicht am Tore blühen die schönsten Rosen!\"","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Der kleine Tuk sah sie, es wurde ihm rot und grün vor Augen; aber als wieder","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Ruhe in das Farbengewirr kam, war es ein waldbewachsener Abhang dicht am klaren","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Meerbusen. Oben darüber lag eine prächtige, alte Kirche mit zwei hohen, spitzen","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Kirchtürmen. Von dem Abhange sprudelten Quellen in dicken Wasserstrahlen herab","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"und plätscherten lustig. Dicht dabei saß ein alter König mit einer goldenen","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Krone auf dem langen Haar; das war König Hroar bei den Quellen. Es war die","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Stadt Roeskilde, wie man sie nun heißt. Und über den Abhang hin in die alte","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Kirche hinein schritten alle Könige und Königinnen Dänemarks Hand in Hand, alle","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"mit ihren goldenen Kronen auf dem Kopfe, und die Orgel spielte und die Quellen","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"rieselten. Der kleine Tuk sah alles und hörte alles. \"Vergiß nicht die Stände!\"","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"sagte König Hroar.","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Mit einem Male war alles wieder verschwunden; ja, wo war es geblieben? Es war","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"gerade, als ob man ein Blatt im Buche umwendet. Und nun stand eine alte Frau da;","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"das war eine Jäterin, die aus Sorö kam, wo das Gras auf dem Markte wächst. Sie","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"hatte ihre graue Linnenschürze über Kopf und Rücken hängen, die war so naß; es","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"mußte geregnet haben. \"Ja, das hat es\" sagte sie, und dann erzählte sie allerlei","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Lustiges aus Holbergs Komödien und wußte auch etwas über Waldemar und Absalon.","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Plötzlich aber schrumpfte sie zusammen, wackelte mit dem Kopfe und tat, als ob","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"sie springen wolle: \"Koax!\" sagte sie; \"es ist naß, es ist naß, man schläft gut","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"und still wie im Grabe in Sorö!\" Mit einem Male war sie ein Frosch, \"koax\" und","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"dann war sie wieder die alte Frau. \"Man muß sich nach dem Wetter kleiden!\" sagte","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"sie. \"Es ist naß, es ist naß. Meine Stadt ist grade wie eine Flasche; man muß","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"beim Pfropfen hinein, und da muß man auch wieder heraus! Früher habe ich Fische","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"im Grund meiner Flasche gehabt; jetzt habe ich rotbäckige Knaben da. Bei mir","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"lernen sie Weisheit: Griechisch! Griechisch! Hebräisch! Koax!\" Es klang gerade","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"wie Froschgequak, oder wenn man mit großen Stiefeln in einem Sumpf geht. Es war","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"immer derselbe Ton, so einförmig, so langweilig, so furchtbar langweilig, daß","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"der kleine Tuk in einen tiefen Schlaf fiel, und der tat ihm not.","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Aber auch in diesen Schlaf schlich sich ein Traum, oder was es sonst war. Seine","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"kleine Schwester Gustave mit den blauen Augen und dem blonden, lockigen Haar war","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"auf einmal ein erwachsenes, schönes Mädchen und konnte, ohne Schwingen zu haben,","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"fliegen. Und sie flogen über das ganze Seeland, über die grünen Wälder und das","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"blaue Wasser dahin.","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Hörst Du den Hahnenschrei, kleiner Tuk? Kikeriki. Die Hühner fliegen aus der","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Stadt Kjöge auf. Du bekommst einen Hühnerhof, so groß, so groß! Du wirst nicht","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Hunger, nicht Not leiden! Den Vogel sollst Du abschießen, wie man so sagt.","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Du wirst ein reicher und glücklicher Mann. Dein Haus soll prangen wie König","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Waldemars Turm, und reich wird er gebaut werden, mit Statuen aus Marmor, wie die","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"von der Ecke in Prästö, Du verstehst mich wohl. Dein Name wird voller Ruhm durch","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"die Welt fliegen, wie das Schiff, das von Korsör hätte ausgehen sollen, und in","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Roeskilde – \"Denk an die Stände!\" sagte König Hroar – \"da wirst Du gut und klug","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"reden, kleiner Tuk! Und wenn Du dann einmal in Dein Grab kommst, dann wirst","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Du so stille schlafen,\" - \"als läge ich in Sorö!\" sagte Tuk, und dann erwachte","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"er. Es war heller Morgen, und er konnte sich nicht im mindesten mehr auf seinen","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Traum besinnen; aber das sollte er auch nicht, denn man darf nicht wissen, was","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"die Zukunft bringen wird.","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Und er sprang aus dem Bette und las in seinem Buche, da konnte er seine Aufgabe","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"sogleich. Und die alte Waschfrau steckte den Kopf zur Türe herein, nickte ihm zu","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"und sagte:","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"\"Schönen Dank für Deine Hilfe gestern, du gutes Kind. Der liebe Gott lasse","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Deinen schönsten Traum in Erfüllung gehen!\"","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Der kleine Tuk wußte gar nicht mehr, was er geträumt hatte, aber sieh, der liebe","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"Gott wußte es.","book":"Der kleine Tuk"} {"text":"In den heißen Ländern brennt die Sonne freilich anders als bei uns. Die Leute","book":"Der Schatten"} {"text":"werden ganz mahagonibraun, ja, in den allerheißesten Ländern brennen sie gar","book":"Der Schatten"} {"text":"zu Mohren. Aber es war nur zu den heißen, wohin ein gelehrter Mann aus den","book":"Der Schatten"} {"text":"kalten Ländern gekommen war. Der glaubte nun, daß er dort umherlaufen könne","book":"Der Schatten"} {"text":"wie zu Hause; aber das gewöhnte er sich bald ab. Er und alle vernünftigen Leute","book":"Der Schatten"} {"text":"mußten drinnen bleiben. Die Fensterläden und Türen blieben den ganzen Tag über","book":"Der Schatten"} {"text":"geschlossen; es sah aus, als schliefe das ganze Haus oder als sei niemand zu","book":"Der Schatten"} {"text":"Hause. Die schmale Straße mit den hohen Häusern, wo er wohnte, war nun auch","book":"Der Schatten"} {"text":"gerade so gebaut, daß die Sonne vom Morgen bis zum Abend darauf liegen mußte; es","book":"Der Schatten"} {"text":"war wirklich nicht auszuhalten!","book":"Der Schatten"} {"text":"Der gelehrte Mann aus den kalten Ländern – er war ein junger Mann und ein kluger","book":"Der Schatten"} {"text":"Mann – meinte fast, er säße in einem glühenden Ofen. Das zehrte an ihm; er wurde","book":"Der Schatten"} {"text":"ganz mager. Selbst sein Schatten schrumpfte zusammen; er wurde viel kleiner als","book":"Der Schatten"} {"text":"zu Hause, die Sonne zehrte auch an diesem. – Erst am Abend lebten sie auf, wenn","book":"Der Schatten"} {"text":"die Sonne untergegangen war. –","book":"Der Schatten"} {"text":"Es war ein wahres Vergnügen, es mit anzusehen; sobald das Licht in die Stube","book":"Der Schatten"} {"text":"gebracht wurde, reckte sich der Schatten an der Wand hinauf, ja sogar bis an die","book":"Der Schatten"} {"text":"Decke hin, so lang machte er sich. Er mußte sich strecken, um wieder zu Kräften","book":"Der Schatten"} {"text":"zu kommen. Der Gelehrte ging auf den Altan hinaus, um sich dort zu strecken,","book":"Der Schatten"} {"text":"und sobald die Sterne aus der klaren, herrlichen Luft herabschimmerten, war","book":"Der Schatten"} {"text":"es ihm, als ob er wieder auflebte. Auf allen Altanen der Straße – und in den","book":"Der Schatten"} {"text":"warmen Ländern hat jedes Fenster einen Altan – kamen die Leute hervor; denn","book":"Der Schatten"} {"text":"Luft muß man haben, selbst wenn man daran gewöhnt ist, mahagonifarben zu sein.","book":"Der Schatten"} {"text":"Überall oben und unten wurde es lebendig. Schuhmacher und Schneider, alle Leute","book":"Der Schatten"} {"text":"zogen auf die Straße hinaus, Tische und Stühle kamen zum Vorschein, das Licht","book":"Der Schatten"} {"text":"brannte, ja, über tausend Lichter brannten, und der eine sprach und der andere","book":"Der Schatten"} {"text":"sang; die Leute spazierten, die Wagen fuhren, die Esel trabten: klingelingeling!","book":"Der Schatten"} {"text":"denn sie trugen Glöckchen. Da wurden die Toten unter Psalmengesang begraben,","book":"Der Schatten"} {"text":"die Straßenjungen schossen mit Leuchtkugeln, und die Kirchenglocken läuteten;","book":"Der Schatten"} {"text":"fürwahr, jetzt herrschte Leben in der Straße! Nur in einem Hause, gerade","book":"Der Schatten"} {"text":"gegenüber der Wohnung des fremden gelehrten Mannes, war es ganz stille. Und","book":"Der Schatten"} {"text":"doch wohnte dort jemand, denn auf dem Altan standen Blumen, die gar herrlich","book":"Der Schatten"} {"text":"trotz der Sonnenhitze gediehen, das hätten sie nicht gekonnt, ohne begossen zu","book":"Der Schatten"} {"text":"werden, und jemand mußte sie ja begießen. Leute mußten also da sein. Die Tür","book":"Der Schatten"} {"text":"drüben zum Altan hinaus wurde auch des Abends geöffnet, aber drinnen war es","book":"Der Schatten"} {"text":"dunkel, wenigstens in dem vordersten Zimmer. Tiefer innen ertönte Musik. Dem","book":"Der Schatten"} {"text":"fremden, gelehrten Mann erschien diese Musik unvergleichlich schön. Aber das war","book":"Der Schatten"} {"text":"möglicherweise auch nur Einbildung von ihm; denn er fand alles unvergleichlich","book":"Der Schatten"} {"text":"schön draußen in den warmen Ländern, wenn nur keine Sonne dagewesen wäre. Der","book":"Der Schatten"} {"text":"Wirt des Fremden sagte, er wisse auch nicht, wer das gegenüberliegende Haus","book":"Der Schatten"} {"text":"gemietet habe, man sähe ja keine Leute, und was die Musik anginge, meinte er,","book":"Der Schatten"} {"text":"daß sie gräßlich langweilig wäre. \"Es ist gerade, als säße einer und übte ein","book":"Der Schatten"} {"text":"Stück, mit dem er nicht fertig werden kann, immer dasselbe Stück. Ich bekomme es","book":"Der Schatten"} {"text":"noch heraus, denkt er, aber es gelingt ihm doch nicht, solange er, auch spielt.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"Eines Nachts erwachte der Fremde. Er schlief bei offener Altantür; da lüftete","book":"Der Schatten"} {"text":"sich der Vorhang vor derselben im Winde, und es kam ihm vor, als ob ein","book":"Der Schatten"} {"text":"wunderbarer Glanz von dem Altan gegenüber käme. Alle Blumen leuchteten wie","book":"Der Schatten"} {"text":"Flammen in den herrlichsten Farben, und mitten zwischen den Blumen stand eine","book":"Der Schatten"} {"text":"schlanke, liebliche Jungfrau; es war, als ob auch von ihr ein Glanz ausginge.","book":"Der Schatten"} {"text":"Es blendete ihn fast, er hatte aber die Augen auch gewaltig aufgerissen, als","book":"Der Schatten"} {"text":"er so plötzlich aus dem Schlafe kam. Mit einem Sprung stand er auf dem Fußboden","book":"Der Schatten"} {"text":"und schlich sich ganz leise hinter den Vorhang, aber die Jungfrau war fort, der","book":"Der Schatten"} {"text":"Glanz war fort, und die Blumen leuchteten gar nicht, sondern standen nur sehr","book":"Der Schatten"} {"text":"frisch und üppig wie immer. Die Türe drüben war angelehnt, und tief von innen","book":"Der Schatten"} {"text":"heraus klang die Musik so sanft und lieblich, daß man dabei in die süßesten","book":"Der Schatten"} {"text":"Gedanken versinken konnte. Das war wie ein Zauber, wer mochte nur da wohnen?","book":"Der Schatten"} {"text":"Wo war der eigentliche Eingang? Im ganzen Erdgeschoß lag Laden an Laden, dort","book":"Der Schatten"} {"text":"konnten die Leute doch nicht immer hindurchlaufen.","book":"Der Schatten"} {"text":"Eines Abends saß der Fremde draußen auf seinem Altan. In der Stube hinter","book":"Der Schatten"} {"text":"ihm brannte Licht, und so war es ganz natürlich, daß sein Schatten auf die","book":"Der Schatten"} {"text":"gegenüberliegende Wand fiel. Ja, er saß gerade gegenüber zwischen den Blumen","book":"Der Schatten"} {"text":"auf dem Altan, und wenn der Fremde sich bewegte, bewegte sich der Schatten auch,","book":"Der Schatten"} {"text":"denn das tut er.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Ich glaube, mein Schatten ist das einzige Lebendige, was man da drüben sieht!\"","book":"Der Schatten"} {"text":"sagte der gelehrte Mann. \"Sieh, wie nett er zwischen den Blumen sitzt. Die Tür","book":"Der Schatten"} {"text":"steht nur halb angelehnt, nun sollte er so pfiffig sein, hineinzugehen und sich","book":"Der Schatten"} {"text":"umzusehen; dann müßte er zu mir zurückkommen und erzählen, was er gesehen habe!","book":"Der Schatten"} {"text":"Ja, Du solltest sehen, daß Du Dich nützlich machst!\" sagte er im Scherz. \"Sei","book":"Der Schatten"} {"text":"so freundlich und gehe hinein! Na, wirst Du wohl gehen?\" Und dann nickte er dem","book":"Der Schatten"} {"text":"Schatten zu, und der Schatten nickte ihm zu. \"Ja, geh nur, aber bleibe nicht","book":"Der Schatten"} {"text":"dort!\" Und der Fremde erhob sich und sein Schatten auf dem gegenüberliegenden","book":"Der Schatten"} {"text":"Altan erhob sich auch; der Fremde wandte sich um und der Schatten wandte sich","book":"Der Schatten"} {"text":"auch um; Ja hätte jemand genau acht gegeben, so hätte er deutlich sehen können,","book":"Der Schatten"} {"text":"daß der Schatten in die halboffene Tür gegenüber hineinging, gerade als der","book":"Der Schatten"} {"text":"Fremde in sein Zimmer ging und den langen Vorhang hinter sich niederfallen ließ.","book":"Der Schatten"} {"text":"Am nächsten Morgen ging der gelehrte Mann aus, um Kaffee zu trinken und die","book":"Der Schatten"} {"text":"Zeitungen zu lesen. \"Was ist das?\" fragte er, als er in den Sonnenschein","book":"Der Schatten"} {"text":"hinaustrat, \"ich habe ja keinen Schatten! Also ist er wirklich gestern abend","book":"Der Schatten"} {"text":"fortgegangen und nicht wiedergekommen; das ist recht unangenehm!\"","book":"Der Schatten"} {"text":"Und es ärgerte ihn; jedoch nicht so sehr, daß der Schatten fort war, sondern","book":"Der Schatten"} {"text":"weil er wußte, daß es eine Geschichte von einem Mann ohne Schatten gab, die","book":"Der Schatten"} {"text":"jedermann daheim in den kalten Ländern kannte, und käme nun der gelehrte Mann","book":"Der Schatten"} {"text":"dorthin und erzählte sein Erlebnis, so würden alle Leute sagen, daß es eine","book":"Der Schatten"} {"text":"Kopie sei, und das hatte er nicht nötig. Er nahm sich daher vor, überhaupt nicht","book":"Der Schatten"} {"text":"davon zu reden, und das war vernünftig gedacht.","book":"Der Schatten"} {"text":"Am Abend ging er wieder auf seinen Altan hinaus, Das Licht hatte er ganz richtig","book":"Der Schatten"} {"text":"hinter sich gesetzt, denn er wußte, daß ein Schatten stets seinen Herrn als","book":"Der Schatten"} {"text":"Schirm haben will; aber er konnte ihn nicht herbeilocken. Er machte sich klein,","book":"Der Schatten"} {"text":"er machte sich groß, aber kein Schatten war da, es kam auch keiner. Er sagte:","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Hm, hm,\" aber auch das half nichts.","book":"Der Schatten"} {"text":"Ärgerlich war es zwar, aber in den warmen Ländern wächst alles so geschwind.","book":"Der Schatten"} {"text":"Nach Verlauf von acht Tagen merkte er zu seinem großen Vergnügen, daß ihm ein","book":"Der Schatten"} {"text":"neuer Schatten von den Beinen aus wuchs, wenn er in die Sonne trat. Die Wurzel","book":"Der Schatten"} {"text":"mußte sitzen geblieben sein. Nach drei Wochen hatte er einen ganz leidlichen","book":"Der Schatten"} {"text":"Schatten, der, als er sich heimwärts nach den nördlichen Ländern begab, auf der","book":"Der Schatten"} {"text":"Reise mehr und mehr wuchs, bis er zuletzt so lang und groß war, daß die Hälfte","book":"Der Schatten"} {"text":"auch genügt hätte.","book":"Der Schatten"} {"text":"So kam der gelehrte Mann nach Hause, und er schrieb Bücher über die Wahrheit","book":"Der Schatten"} {"text":"in der Welt und über das Gute und Schöne, und es vergingen Tage und Jahre; es","book":"Der Schatten"} {"text":"vergingen viele Jahre.","book":"Der Schatten"} {"text":"Da sitzt er eines Abends in seinem Zimmer, und es klopft ganz leise an die Tür.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Herein\" sagte er, aber es kam niemand. Da schließt er auf, und vor ihm steht","book":"Der Schatten"} {"text":"ein so außergewöhnlich magerer Mensch, daß es ihm ganz wunderlich zumute wurde.","book":"Der Schatten"} {"text":"Im übrigen war der Mensch durchaus fein gekleidet; es mußte ein vornehmer Mann","book":"Der Schatten"} {"text":"sein.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Mit wem habe ich die Ehre zu sprechen?\" fragte der Gelehrte.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Ja, das habe ich mir wohl gedacht!\" sagte der feine Mann, \"daß Sie mich nicht","book":"Der Schatten"} {"text":"erkennen würden. Ich bin so sehr zum Körper geworden, daß ich mir habe Fleisch","book":"Der Schatten"} {"text":"und Kleider zulegen müssen. Sie haben sich wohl auch nicht gedacht, mich in","book":"Der Schatten"} {"text":"solchem Wohlstand wiederzusehen! Kennen Sie Ihren alten Schatten nicht wieder?","book":"Der Schatten"} {"text":"Sie haben sicherlich nicht geglaubt, daß ich noch wiederkommen würde. Mir ist es","book":"Der Schatten"} {"text":"überaus gut ergangen, seit ich zuletzt bei Ihnen war, ich bin in jeder Hinsicht","book":"Der Schatten"} {"text":"sehr vermögend geworden! Wenn ich mich von meinem Dienst loskaufen will, kann","book":"Der Schatten"} {"text":"ich es.\" Und dann rasselte er mit einem ganzen Bund kostbarer Berlocken, die","book":"Der Schatten"} {"text":"an der Uhr hingen, und steckte seine Hand in die dicke goldene Kette, die er um","book":"Der Schatten"} {"text":"den Hals trug; nein, wie an allen seinen Fingern die Diamantringe blitzten. Und","book":"Der Schatten"} {"text":"alles war echt.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Nein, ich kann mich noch gar nicht fassen!\" sagte der gelehrte Mann, \"was ist","book":"Der Schatten"} {"text":"denn das nur?\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Ja etwas Alltägliches ist es nicht.\" sagte der Schatten; \"aber Sie selbst","book":"Der Schatten"} {"text":"gehören ja auch nicht zu den Alltäglichen, und ich, das wissen Sie ja, bin von","book":"Der Schatten"} {"text":"Kindesbeinen an in Ihre Fußstapfen getreten. Sobald Sie meinten, daß ich reif","book":"Der Schatten"} {"text":"war, allein in die Welt zu gehen, ging ich meinen eigenen Weg. Ich bin in den","book":"Der Schatten"} {"text":"allerbrillantesten Umständen, aber es kam eine Art Sehnsucht über mich, Sie noch","book":"Der Schatten"} {"text":"einmal zu sehen, ehe Sie sterben, denn Sie müssen ja sterben! Ich wollte auch","book":"Der Schatten"} {"text":"gerne diese Länder wiedersehen, denn man liebt ja das Vaterland doch immer. –","book":"Der Schatten"} {"text":"Ich weiß, Sie haben wieder einen andern Schatten bekommen. Habe ich diesem oder","book":"Der Schatten"} {"text":"Ihnen etwas zu bezahlen? Sie brauchen nur die Freundlichkeit haben, es mir zu","book":"Der Schatten"} {"text":"sagen.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Nein, bist Du es wirklich!\" sagte der gelehrte Mann, \"das ist doch höchst","book":"Der Schatten"} {"text":"merkwürdig. Niemals hätte ich gedacht, daß der alte Schatten einem als Mensch","book":"Der Schatten"} {"text":"wieder begegnen könnte!\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Sagen Sie mir, was ich zu bezahlen habe\" sagte der Schatten; \"denn ich möchte","book":"Der Schatten"} {"text":"ungern in jemandes Schuld stehen!\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Wie kannst Du nur so sprechen!\" sagte der gelehrte Mann, \"von welcher","book":"Der Schatten"} {"text":"Schuld ist hier die Rede? Sei so frei, wie nur irgend jemand. Ich freue mich","book":"Der Schatten"} {"text":"außerordentlich über Dein Glück. Setze Dich, alter Freund, und erzähle mir nur","book":"Der Schatten"} {"text":"ein bißchen davon, wie das zugegangen ist, und was Du bei den Nachbarsleuten","book":"Der Schatten"} {"text":"gegenüber, dort in den warmen Ländern, gesehen hast!\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Ja, das will ich Ihnen erzählen,\" sagte der Schatten und setzte sich nieder;","book":"Der Schatten"} {"text":"\"aber dann müssen Sie mir auch versprechen, daß Sie nie zu jemandem hier in","book":"Der Schatten"} {"text":"der Stadt, wo Sie mich auch treffen mögen, sagen werden, daß ich Ihr Schatten","book":"Der Schatten"} {"text":"gewesen bin. Ich habe nämlich die Absicht, mich zu verloben; ich kann mehr als","book":"Der Schatten"} {"text":"eine Familie ernähren!\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Sei ganz ruhig,\" sagte der gelehrte Mann, \"ich werde niemand sagen, wer Du","book":"Der Schatten"} {"text":"eigentlich bist. Hier ist meine Hand darauf. Ich verspreche es Dir und ein Mann,","book":"Der Schatten"} {"text":"ein Wort.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Ein Wort, ein Schatten\" sagte der Schatten, und dann mußte er erzählen.","book":"Der Schatten"} {"text":"Es war übrigens wirklich merkwürdig, wie sehr er Mensch war. Ganz schwarz war","book":"Der Schatten"} {"text":"er gekleidet, und zwar in das feinste schwarze Tuch; er hatte Lackstiefel und","book":"Der Schatten"} {"text":"einen Hut, den man zusammenklappen konnte, bis er nur noch Deckel und Krempe","book":"Der Schatten"} {"text":"war, nicht davon zu sprechen, was wir schon wissen, von den Berlocken, der","book":"Der Schatten"} {"text":"goldenen Halskette und den Diamantringen. Ja, der Schatten war außerordentlich","book":"Der Schatten"} {"text":"gut angezogen, und gerade das war es, was ihn vollkommen zum Menschen machte.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Nun will ich erzählen!\" sagte der Schatten, und dann setzte er seine Beine","book":"Der Schatten"} {"text":"mit den lackierten Stiefeln, so fest er konnte, auf den Arm des neuen Schattens","book":"Der Schatten"} {"text":"des gelehrten Mannes, der wie ein Pudelhund zu seinen Füßen lag. Das war nun","book":"Der Schatten"} {"text":"entweder Hochmut von ihm, oder auch wollte er vielleicht, daß er an seinem Bein","book":"Der Schatten"} {"text":"hängen bliebe. Aber der liegende Schatten verhielt sich ganz stille und ruhig,","book":"Der Schatten"} {"text":"um gut zuhören zu können.","book":"Der Schatten"} {"text":"Er wollte gern auch wissen, wie man loskommen und sich zu seinem eigenen Herren","book":"Der Schatten"} {"text":"heraufdienen könne.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Wissen Sie, wer in dem Hause gegenüber wohnte?\" sagte der Schatten; \"das war","book":"Der Schatten"} {"text":"das Schönste von allem, das war die Poesie. Ich war dort drei Wochen, und es","book":"Der Schatten"} {"text":"hatte die gleiche Wirkung, als ob man dreitausend Jahre gelebt und alles gelesen","book":"Der Schatten"} {"text":"hätte, was je gedichtet und geschrieben worden ist. Das sage ich, und das ist","book":"Der Schatten"} {"text":"richtig. Ich habe alles gesehen und weiß alles.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Die Poesie.\" rief der gelehrte Mann. \"Ja, ja – sie lebt oft als Einsiedlerin","book":"Der Schatten"} {"text":"in den großen Städten. Die Poesie. Ja, ich habe sie nur einen kurzen Augenblick","book":"Der Schatten"} {"text":"lang gesehen, aber der Schlaf saß mir in den Augen. Sie stand auf dem Altan und","book":"Der Schatten"} {"text":"leuchtete, wie Nordlichter leuchten! Erzähle, erzähle! Du warst also auf dem","book":"Der Schatten"} {"text":"Altan, gingst in die Tür hinein und dann –?\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Dann war ich im Vorgemach\" sagte der Schatten. \"Sie haben immer gesessen und","book":"Der Schatten"} {"text":"zum Vorgemache hinübergeschaut. Dort war gar keine Beleuchtung, es war eine","book":"Der Schatten"} {"text":"Art Dämmerlicht; aber eine Tür nach der andern stand offen durch eine ganze","book":"Der Schatten"} {"text":"Reihe von Zimmern und Sälen. Dort war es so hell, daß mich das Licht sicherlich","book":"Der Schatten"} {"text":"erschlagen hätte, wäre ich bis ganz zu der Jungfrau hineingekommen; aber ich war","book":"Der Schatten"} {"text":"besonnen, ich nahm mir Zeit und das muß man tun.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Und was sahst Du dann?\" fragte der gelehrte Mann.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Ich sah alles, und ich werde es Ihnen erzählen, aber – es ist kein Stolz","book":"Der Schatten"} {"text":"von meiner Seite, jedoch als freier Mann und mit den Kenntnissen, wie ich sie","book":"Der Schatten"} {"text":"habe, von meiner guten Stellung und meinen trefflichen Lebensumständen nicht zu","book":"Der Schatten"} {"text":"sprechen, – ich würde gerne hören, wenn Sie mich mit 'Sie' anredeten!\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Entschuldigen Sie!\" sagte der gelehrte Mann, \"das ist eine alte Gewohnheit, die","book":"Der Schatten"} {"text":"noch festsitzt! – Sie haben vollkommen recht, und ich werde daran denken. Aber","book":"Der Schatten"} {"text":"nun erzählen Sie mir alles, was Sie sahen.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Alles\" sagte der Schatten; \"denn ich sah alles, und ich weiß alles!\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Wie sah es in den innersten Sälen aus?\" fragte der gelehrte Mann. \"War es wie","book":"Der Schatten"} {"text":"in dem frischen Walde? War es wie in einer heiligen Kirche? Waren die Säle wie","book":"Der Schatten"} {"text":"der sternenklare Himmel, wenn man auf hohen Bergen steht?\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Alles war dort!\" sagte der Schatten. \"Ich ging ja nicht bis ganz hinein, ich","book":"Der Schatten"} {"text":"blieb in dem vordersten Zimmer im Dämmerlicht. Aber dort stand ich durchaus gut,","book":"Der Schatten"} {"text":"ich sah alles und weiß alles! Ich bin am Hofe der Poesie im Vorgemache gewesen.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Aber was sahen Sie? Schritten durch die großen Säle alle Götter der Vorzeit?","book":"Der Schatten"} {"text":"Kämpften dort die alten Helden, spielten dort süße Kinder und erzählten ihre","book":"Der Schatten"} {"text":"Träume?\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Ich sage Ihnen, ich war dort, und Sie begreifen, daß ich alles sah, was dort","book":"Der Schatten"} {"text":"zu sehen war! Wären Sie hinüber gekommen, so wären Sie nicht Mensch geblieben,","book":"Der Schatten"} {"text":"ich aber wurde es! Und zugleich lernte ich meine innerste Natur kennen, das","book":"Der Schatten"} {"text":"mir Angeborene, und meine Verwandtschaft mit der Poesie. Ja, damals, als ich","book":"Der Schatten"} {"text":"bei ihnen war, dachte ich nicht darüber nach. Aber, Sie wissen es wohl, stets,","book":"Der Schatten"} {"text":"wenn die Sonne aufging und unterging, wurde ich so seltsam groß. Im Mondschein","book":"Der Schatten"} {"text":"war ich fast deutlicher als Sie selbst. Damals verstand ich meine Natur nicht,","book":"Der Schatten"} {"text":"erst im Vorgemache ging sie vor mir auf. Ich wurde ein Mensch! – Reif ging ich","book":"Der Schatten"} {"text":"daraus hervor, aber Sie waren nicht mehr in den warmen Ländern. Ich schämte","book":"Der Schatten"} {"text":"mich, als Mensch so zu gehen, wie ich ging. Ich brauchte Stiefel, Kleider, all","book":"Der Schatten"} {"text":"diesen Menschenfirnis, der den Menschen zu einem solchen macht. Ich verbarg","book":"Der Schatten"} {"text":"mich, ja, zu Ihnen kann ich es ja sagen, Sie werden mich ja nicht in einem","book":"Der Schatten"} {"text":"Buche bloßstellen, ich verbarg mich unter der Schürze einer Kuchenfrau. Die Frau","book":"Der Schatten"} {"text":"ahnte ja nicht, wem Sie Schutz gewährte. Erst am Abend ging ich aus. Ich lief","book":"Der Schatten"} {"text":"im Mondschein auf der Straße umher, ich reckte mich lang gegen die Mauer, das","book":"Der Schatten"} {"text":"kitzelt so herrlich am Rücken! Ich lief hinauf und herunter, sah in die höchsten","book":"Der Schatten"} {"text":"Fenster hinein, in die Säle und auf die Dächer. Ich sah dahin, wohin niemand","book":"Der Schatten"} {"text":"sonst sehen konnte, und ich sah, was niemand sah und was niemand sehen sollte.","book":"Der Schatten"} {"text":"Es ist im Grunde eine nichtswürdige Welt. Ich würde nicht Mensch sein wollen,","book":"Der Schatten"} {"text":"wenn die Annahme nicht feststände, daß es etwas bedeutet, einer zu sein. Ich sah","book":"Der Schatten"} {"text":"das allerundenkbarste bei Frauen, bei Männern bei Eltern und auch bei den süßen,","book":"Der Schatten"} {"text":"unschuldigen Kindern; – ich sah,\" sagte der Schatten, \"was kein Mensch wissen","book":"Der Schatten"} {"text":"durfte, aber was alle so gern wissen möchten das Böse bei den Nachbarn.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Wenn ich eine Zeitung geschrieben hätte, die wäre gelesen worden! Aber ich","book":"Der Schatten"} {"text":"schrieb geradeswegs an die Leute selbst, die es anging, und es herrschte","book":"Der Schatten"} {"text":"Entsetzen in allen Städten, in die ich kam. Sie fürchteten mich, und deshalb","book":"Der Schatten"} {"text":"verehrten sie mich sehr. Die Professoren machten mich zum Professor, die","book":"Der Schatten"} {"text":"Schneider machten mir neue Kleider, ich bin gut versorgt!","book":"Der Schatten"} {"text":"Der Münzmeister schlug Münzen für mich, und die Frauen sagten, ich wäre so","book":"Der Schatten"} {"text":"schön. So wurde ich der Mann, der ich bin. Und nun sage ich Ihnen Lebewohl;","book":"Der Schatten"} {"text":"hier ist meine Karte, ich wohne auf der Sonnenseite, und bei Regenwetter bin ich","book":"Der Schatten"} {"text":"immer zuhause.\" Und dann ging der Schatten.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Das war doch merkwürdig!\" sagte der gelehrte Mann.","book":"Der Schatten"} {"text":"Jahr und Tag verging, da kam der Schatten wieder.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Wie gehts?\" fragte er.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Ach,\" sagte der gelehrte Mann, \"ich schreibe über das Wahre und das Gute und","book":"Der Schatten"} {"text":"das Schöne; aber kein Mensch macht sich etwas daraus, dergleichen zu hören. Ich","book":"Der Schatten"} {"text":"bin ganz verzweifelt, denn ich nehme es mir so zu Herzen.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Das tue ich nie\" sagte der Schatten, \"ich werde fett, und danach soll man","book":"Der Schatten"} {"text":"trachten! Ja, Sie verstehen sich nicht auf die Welt, und Sie werden dabei krank.","book":"Der Schatten"} {"text":"Sie müssen reisen! Ich mache im Sommer eine Reise; wollen Sie mit? Ich würde","book":"Der Schatten"} {"text":"gern einen Reisekameraden haben. Wollen Sie mitreisen, als Schatten? Es wäre mir","book":"Der Schatten"} {"text":"ein großes Vergnügen, Sie mitzunehmen, ich bezahle die Reise.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Das geht zu weit\" sagte der gelehrte Mann.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Ganz wie man es nimmt!\" sagte der Schatten. \"Es würde ihnen außerordentlich","book":"Der Schatten"} {"text":"gut tun, zu reisen. Wenn Sie mein Schatten sein wollen, sollen Sie alles auf der","book":"Der Schatten"} {"text":"Reise frei haben.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Das ist zu toll\" sagte der gelehrte Mann.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Aber so gehts in der Welt\" sagte der Schatten, \"und so bleibt es auch.\" Und","book":"Der Schatten"} {"text":"dann ging der Schatten.","book":"Der Schatten"} {"text":"Dem gelehrten Manne ging es gar nicht gut. Sorgen und Plagen verfolgten ihn, und","book":"Der Schatten"} {"text":"was er über das Wahre und das Gute und das Schöne sprach, war für die meisten","book":"Der Schatten"} {"text":"wie Rosen für eine Kuh! – er wurde ganz krank zuletzt.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Sie sehen wirklich wie ein Schatten aus\" sagten die Leute zu ihm, und es","book":"Der Schatten"} {"text":"schauderte den gelehrten Mann, denn er dachte sich manches dabei.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Sie sollten in ein Bad\" sagte der Schatten, der ihn besuchen kam. \"Es hilft","book":"Der Schatten"} {"text":"nichts. Ich will Sie mitnehmen, weil wir alte Bekannte sind; ich bezahle die","book":"Der Schatten"} {"text":"Reise und Sie machen eine Beschreibung darüber und versuchen, mir die Reise","book":"Der Schatten"} {"text":"angenehm zu machen. Ich will in ein Bad; mein Bart wächst nicht so recht, wie","book":"Der Schatten"} {"text":"er sollte, das ist auch eine Krankheit, denn einen Bart muß man haben. Seien Sie","book":"Der Schatten"} {"text":"nun vernünftig und nehmen Sie mein Angebot an. Wir reisen ja als Kameraden.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"So reisten Sie denn; der Schatten war der Herr und der Herr war der Schatten.","book":"Der Schatten"} {"text":"Sie fuhren miteinander, sie ritten und gingen zusammen, Seite an Seite, vor- und","book":"Der Schatten"} {"text":"hintereinander, wie eben die Sonne stand. Der Schatten verstand es, sich stets","book":"Der Schatten"} {"text":"an der Herrenseite zu halten. Darüber dachte nun der gelehrte Mann nicht weiter","book":"Der Schatten"} {"text":"nach; er hatte ein recht gutes Herz und war sanft und freundlich, und daher","book":"Der Schatten"} {"text":"sagte er auch eines Tages zum Schatten: \"Da wir doch nun einmal Reisekameraden","book":"Der Schatten"} {"text":"geworden und von Kindheit an zusammen aufgewachsen sind, sollten wir da nicht","book":"Der Schatten"} {"text":"Brüderschaft trinken? Das ist doch vertraulicher!\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Sie haben da etwas gesagt!\" sagte der Schatten, der ja nun der eigentliche Herr","book":"Der Schatten"} {"text":"war, \"was sehr geradezu und wohl auch gutgemeint war; ich will ebenso gerade\"","book":"Der Schatten"} {"text":"zu und wohlmeinend sein. Sie, als gelehrter Mann, wissen zur Genüge, wie seltsam","book":"Der Schatten"} {"text":"die Natur mitunter ist. Manche Menschen können es nicht vertragen, graues","book":"Der Schatten"} {"text":"Papier zu berühren, sonst wird ihnen schlecht, anderen geht es durch und durch,","book":"Der Schatten"} {"text":"wenn man einen Nagel gegen eine Glasscheibe knirschen läßt. Ich habe ebenso","book":"Der Schatten"} {"text":"ein Gefühl, wenn Sie Du zu mir sagen. Ich fühle mich geradezu zu Boden und in","book":"Der Schatten"} {"text":"meine frühere Stellung bei Ihnen zurückgedrückt. Sie sehen, das ist eine reine","book":"Der Schatten"} {"text":"Gefühlssache, kein Stolz; ich kann es nicht zulassen, daß Sie Du zu mir sagen,","book":"Der Schatten"} {"text":"aber ich will gerne zu Ihnen Du sagen, dann habe ich Ihnen wenigstens den halben","book":"Der Schatten"} {"text":"Gefallen getan.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"Seitdem sagte der Schatten Du zu seinem früheren Herrn.","book":"Der Schatten"} {"text":"Das ist doch wohl zu toll,\" dachte der, \"daß ich Sie sagen muß, und er sagt Du.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"Doch mußte er gute Miene zum bösen Spiel machen.","book":"Der Schatten"} {"text":"So kamen sie in ein Bad, wo viele Fremde waren und unter ihnen eine wunderschöne","book":"Der Schatten"} {"text":"Königstochter, die an der Krankheit litt, daß sie viel zu viel sah, und das war","book":"Der Schatten"} {"text":"eine sehr beängstigende Sache.","book":"Der Schatten"} {"text":"Sogleich merkte sie, daß der, der da eben angekommen war, eine ganz andere","book":"Der Schatten"} {"text":"Person als alle übrigen war. \"Er ist hier, um sich einen Bart wachsen zu lassen,","book":"Der Schatten"} {"text":"sagt man, aber ich sehe die wahre Ursache: er kann keinen Schatten werfen.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"Nun war sie neugierig geworden und fing sogleich auf der Promenade ein Gespräch","book":"Der Schatten"} {"text":"mit dem fremden Herrn an. Als Königstochter brauchte sie ja keine besonderen","book":"Der Schatten"} {"text":"Umstände zu machen, und so sagte sie: \"Ihre Krankheit besteht darin, daß Sie","book":"Der Schatten"} {"text":"keinen Schatten werfen können!\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Eure königliche Hoheit müssen sich schon sehr auf dem Wege der Besserung","book":"Der Schatten"} {"text":"befinden!\" sagte der Schatten; \"ich weiß, Ihr Übel liegt darin, daß Sie viel","book":"Der Schatten"} {"text":"zu viel sehen, aber das hat sich verloren. Sie sind geheilt; ich habe nämlich","book":"Der Schatten"} {"text":"gerade einen ganz ungewöhnlichen Schatten! Sehen Sie nicht die Person, die mich","book":"Der Schatten"} {"text":"immer begleitet? Andere Menschen haben einen gewöhnlichen Schatten, aber ich","book":"Der Schatten"} {"text":"bin nicht für das Gewöhnliche. Man gibt seinem Diener zuweilen feineres Zeug,","book":"Der Schatten"} {"text":"als man selbst es trägt, und in der gleichen Weise habe ich meinen Schatten","book":"Der Schatten"} {"text":"als Menschen aufputzen lassen! Ja, Sie sehen, daß ich ihm sogar einen Schatten","book":"Der Schatten"} {"text":"gegeben habe. Das ist sehr kostspielig, aber ich liebe es, etwas für mich allein","book":"Der Schatten"} {"text":"zu haben.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Wie?\" dachte die Prinzessin, \"sollte ich mich wirklich erholt haben? Dieses","book":"Der Schatten"} {"text":"Bad ist freilich als das beste dafür bekannt! Das Wasser hat ja in unserer Zeit","book":"Der Schatten"} {"text":"wunderbare Kraft. Aber ich reise noch nicht fort, denn jetzt beginnt es, hier","book":"Der Schatten"} {"text":"unterhaltsam zu werden. Der Fremde gefällt mir außerordentlich. Wenn nur sein","book":"Der Schatten"} {"text":"Bart nicht wächst, sonst reist er ab!\"","book":"Der Schatten"} {"text":"Am Abend im großen Ballsaal tanzte die Königstochter mit dem Schatten. Sie war","book":"Der Schatten"} {"text":"leicht, aber er war noch leichter; solchen Tänzer hatte sie noch nie gehabt.","book":"Der Schatten"} {"text":"Sie sagte ihm, aus welchem Lande sie stamme, und er kannte das Land. Er war","book":"Der Schatten"} {"text":"dort gewesen, aber damals war sie nicht zu Hause. Er hatte oben und unten in","book":"Der Schatten"} {"text":"die Fenster geschaut; er hatte sowohl das eine wie das andere erblickt, und so","book":"Der Schatten"} {"text":"konnte er der Königstochter antworten und Andeutungen machen, über die sie sich","book":"Der Schatten"} {"text":"höchlich verwunderte. Er mußte ja der weiseste Mensch auf der ganzen Erde sein.","book":"Der Schatten"} {"text":"Sie bekam große Achtung vor seinem Wissen, und als sie wieder zusammen tanzten,","book":"Der Schatten"} {"text":"wurde sie verliebt. Das konnte der Schatten recht wohl bemerken, denn sie sah","book":"Der Schatten"} {"text":"ihn so unverwandt an, als wolle sie durch ihn hindurch sehen. Dann tanzten sie","book":"Der Schatten"} {"text":"noch einmal, und da war sie nahe daran, es ihm zu sagen. Aber sie war besonnen;","book":"Der Schatten"} {"text":"sie dachte an ihr Land und ihr Reich und an die vielen Menschen, über die sie","book":"Der Schatten"} {"text":"regieren sollte. \"Ein weiser Mann ist er,\" sagte sie bei sich, \"das ist gut! und","book":"Der Schatten"} {"text":"er tanzt herrlich, das ist auch gut, aber ob er auch gründliche Kenntnisse hat,","book":"Der Schatten"} {"text":"das ist ebenso wichtige Das muß untersucht werden!\" Und dann begann sie ihn ein","book":"Der Schatten"} {"text":"bißchen über die allerschwierigsten Sachen auszufragen; sie hätte selbst nicht","book":"Der Schatten"} {"text":"darauf antworten können. Und der Schatten machte ein ganz sonderbares Gesicht.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Darauf können Sie mir nicht antworten!\" sagte die Königstochter.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Das gehört in mein Schulwissen,\" sagte der Schatten, \"ich glaube, daß sogar","book":"Der Schatten"} {"text":"mein Schatten dort an der Tür darauf wird antworten können!\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Ihr Schatten,\" sagte die Königstochter, \"das wäre doch höchst merkwürdig!\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Ja, ich behaupte ja auch nicht bestimmt, daß er es kann\" sagte der Schatten,","book":"Der Schatten"} {"text":"\"aber ich glaube es wohl, denn er ist mir nun so viele Jahre lang gefolgt","book":"Der Schatten"} {"text":"und hat mir zugehört, – ich glaube es sicher. Aber – Eure königlicher Hoheit","book":"Der Schatten"} {"text":"gestatten, daß ich darauf aufmerksam mache – er ist so stolz darauf, als Mensch","book":"Der Schatten"} {"text":"zu gehen, daß, wenn er in richtig guter Laune sein soll, und das muß er sein, um","book":"Der Schatten"} {"text":"gut zu antworten, er ganz wie ein Mensch behandelt werden muß.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Das gefällt mir\" sagte die Königstochter.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Und dann ging sie auf den gelehrten Mann an der Tür zu, und sie sprach mit ihm","book":"Der Schatten"} {"text":"von Sonne und Mond und vom Menschen, dem äußeren und dem inneren Menschen, und","book":"Der Schatten"} {"text":"er antwortete gar gut und klug.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Was muß das für ein Mann sein, der einen so weisen Schatten hat\" dachte sie,","book":"Der Schatten"} {"text":"\"es wäre eine wahre Wohltat für mein Volk und mein Reich, wenn ich ihn zu meinem","book":"Der Schatten"} {"text":"Gemahl erwählte; – ich tue es.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"Sie waren sich bald einig, sowohl die Königstochter, wie der Schatten; aber","book":"Der Schatten"} {"text":"niemand sollte darum wissen, bevor sie wieder heim in ihr eigenes Reich käme.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Niemand, nicht einmal mein Schatten\" sagte der Schatten, und dabei hatte er","book":"Der Schatten"} {"text":"seine ganz besonderen Gedanken –","book":"Der Schatten"} {"text":"Dann kamen sie in das Land, wo die Königstochter regierte, wenn sie zuhause war.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Hör, mein guter Freund\" sagte der Schatten zu dem gelehrten Manne, \"nun bin","book":"Der Schatten"} {"text":"ich so glücklich und mächtig geworden, wie man es nur werden kann; nun will ich","book":"Der Schatten"} {"text":"auch etwas ganz Besonderes für Dich tun. Du sollst immer bei mir im Schlosse","book":"Der Schatten"} {"text":"wohnen, mit mir in meinem königlichen Wagen fahren und tausend Reichstaler im","book":"Der Schatten"} {"text":"Jahre bekommen; aber dann mußt Du Dich Schatten nennen lassen von all und jedem","book":"Der Schatten"} {"text":"Menschen. Du darfst nicht sagen, daß Du jemals Mensch gewesen bist, und einmal","book":"Der Schatten"} {"text":"im Jahre, wenn ich im Sonnenschein auf dem Altan sitze und mich dem Volke zeige,","book":"Der Schatten"} {"text":"mußt Du zu meinen Füßen liegen, wie es sich für einen Schatten gehört. Jetzt","book":"Der Schatten"} {"text":"kann ich es Dir ja sagen, ich heirate die Königstochter. Heute abend soll die","book":"Der Schatten"} {"text":"Hochzeit sein.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Nein, das ist doch der Gipfel der Tollheit!\" sagte der gelehrte Mann. \"Das","book":"Der Schatten"} {"text":"will ich nicht, und das tue ich nicht. Das heißt das ganze Land betrügen und die","book":"Der Schatten"} {"text":"Königstochter dazu! Ich sage alles! daß ich der Mensch hin und Du der Schatten;","book":"Der Schatten"} {"text":"Du bist ja nur angezogen!\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Das wird Dir keiner glauben!\" sagte der Schatten, \"sei vernünftig, oder ich","book":"Der Schatten"} {"text":"rufe die Wache!\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Ich gehe stehenden Fußes zur Königstochter!\" sagte der gelehrte Mann. \"Aber","book":"Der Schatten"} {"text":"ich gehe zuerst!\" sagte der Schatten, \"und Du gehst ins Gefängnis!\" – Und das","book":"Der Schatten"} {"text":"mußte er, denn die Schildwache gehorchte demjenigen, von dem sie wußte, daß die","book":"Der Schatten"} {"text":"Königstochter ihn heiraten wollte.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Du zitterst!\" sagte die Königstochter, als der Schatten zu ihr hereintrat,","book":"Der Schatten"} {"text":"\"ist etwas geschehen? Du darfst nicht krank zu heute abend werden, jetzt, wo wir","book":"Der Schatten"} {"text":"Hochzeit machen wollen.\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Ich habe das Greulichste erlebt, was man erleben kann!\" sagte der Schatten,","book":"Der Schatten"} {"text":"\"denke Dir – ja so ein armes Schattengehirn kann nicht viel aushalten! – denke","book":"Der Schatten"} {"text":"Dir, mein Schatten ist verrückt geworden. Er glaubt, er wäre der Mensch und ich","book":"Der Schatten"} {"text":"– denke Dir nur – ich wäre sein Schatten!\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Das ist ja furchtbar!\" sagte die Prinzessin, \"er ist doch eingesperrt?\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Das ist er! Ich fürchte, er wird nie wieder zu Verstand kommen!\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Armer Schatten!\" sagte die Prinzessin, \"er ist sehr unglücklich. Es würde eine","book":"Der Schatten"} {"text":"wahre Wohltat sein, ihn von dem bißchen Leben zu befreien, das er hat. Wenn ich","book":"Der Schatten"} {"text":"es recht bedenke, glaube ich, es wird notwendig sein, es mit ihm in aller Stille","book":"Der Schatten"} {"text":"abzumachen!\"","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Das ist freilich hart!\" sagte der Schatten, \"denn er war ja ein treuer Diener!\"","book":"Der Schatten"} {"text":"Und dann tat er, als ob er seufzte.","book":"Der Schatten"} {"text":"\"Sie sind ein edler Charakter!\" sagte die Königstochter.","book":"Der Schatten"} {"text":"Am Abend wurde die ganze Stadt illuminiert, und die Kanonen schossen: bum! und","book":"Der Schatten"} {"text":"die Soldaten präsentierten das Gewehr. Das war eine Hochzeit! Die Königstochter","book":"Der Schatten"} {"text":"und der Schatten gingen auf den Altan hinaus, um sich sehen zu lassen und noch","book":"Der Schatten"} {"text":"einmal ein Hurra! zu bekommen.","book":"Der Schatten"} {"text":"Der gelehrte Mann hörte nichts mehr von alledem, denn ihm hatten sie das Leben","book":"Der Schatten"} {"text":"genommen.","book":"Der Schatten"} {"text":"Drüben in der Straße stand ein altes, altes Haus, das war fast dreihundert","book":"Das alte Haus"} {"text":"Jahr alt, so konnte man an einem Balken lesen, an dem die Jahreszahl zugleich","book":"Das alte Haus"} {"text":"mit Tulpen und Hopfenranken eingekerbt war. Da standen ganze Verse in der","book":"Das alte Haus"} {"text":"Schreibweise alter Tage, und über jedem Fenster war ein fratzenhaftes Gesicht","book":"Das alte Haus"} {"text":"in den Balken eingeschnitten. Das obere Stockwerk hing weit über das untere, und","book":"Das alte Haus"} {"text":"unter dem Dache war eine Bleirinne mit Drachenköpfen. Das Regenwasser sollte aus","book":"Das alte Haus"} {"text":"dem Rachen herauslaufen, aber es lief aus dem Bauche, denn es war ein Loch in","book":"Das alte Haus"} {"text":"der Rinne.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Alle anderen Häuser in der Straße waren so neu und so nett, mit großen Scheiben","book":"Das alte Haus"} {"text":"und glatten Wänden, und man konnte wohl sehen, daß sie nichts mit dem alten","book":"Das alte Haus"} {"text":"Haus zu tun haben wollten. Sie dachten wohl: \"Wie lange soll das Gerümpel","book":"Das alte Haus"} {"text":"hier noch der Straße zur Schande stehen bleiben. Der Erker steht so weit","book":"Das alte Haus"} {"text":"heraus, daß niemand aus unseren Fenstern sehen kann, was auf der anderen Seite","book":"Das alte Haus"} {"text":"geschieht! Die Treppe ist so breit, wie bei einem Schloß und so hoch wie bei","book":"Das alte Haus"} {"text":"einem Kirchturm. Das Eisengeländer sieht ja aus, wie die Tür zu einem alten","book":"Das alte Haus"} {"text":"Erbbegräbnis, dazu hat es noch Messingknöpfe. Das ist geschmacklos!\"","book":"Das alte Haus"} {"text":"Gerade gegenüber in der Straße standen auch neue und nette Häuser, und sie","book":"Das alte Haus"} {"text":"dachten wie die anderen. Aber am Fenster saß hier ein kleiner Knabe mit","book":"Das alte Haus"} {"text":"frischen, roten Wangen, mit klaren, strahlenden Augen, dem das alte Haus","book":"Das alte Haus"} {"text":"am besten gefiel sowohl im Sonnenschein wie im Mondschein. Wenn er nach der","book":"Das alte Haus"} {"text":"Mauer hinüber sah, wo der Kalk abgebröckelt war, konnte er sitzen und sich","book":"Das alte Haus"} {"text":"die wunderbarsten Bilder ausdenken: wie wohl die Straße früher ausgesehen","book":"Das alte Haus"} {"text":"haben mochte mit Treppen, Erkern und spitzen Giebeln. Er konnte Soldaten mit","book":"Das alte Haus"} {"text":"Hellebarden sehen, und Dachrinnen, die wie Drachen und Lindwürmer herumliefen.","book":"Das alte Haus"} {"text":"– Das war so recht ein Haus zum Betrachten. Und drüben wohnte ein alter Mann;","book":"Das alte Haus"} {"text":"der ging in Kniehosen, hatte einen Rock mit großen Messingknöpfen und eine","book":"Das alte Haus"} {"text":"Perrücke, bei der man sehen konnte, daß es eine wirkliche Perrücke war. Jeden","book":"Das alte Haus"} {"text":"Morgen kam ein alter Diener zu ihm, der aufräumte und Gänge besorgte. Sonst war","book":"Das alte Haus"} {"text":"der alte Mann in den Kniehosen ganz allein in dem alten Hause. Zwischendurch kam","book":"Das alte Haus"} {"text":"er wohl einmal ans Fenster und sah hinaus, und der kleine Knabe nickte zu ihm","book":"Das alte Haus"} {"text":"hinüber; der alte Mann nickte wieder, und so wurden sie Bekannte, und so wurden","book":"Das alte Haus"} {"text":"sie Freunde, obwohl sie niemals miteinander gesprochen hatten. Aber das war auch","book":"Das alte Haus"} {"text":"unnötig.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Der kleine Knabe hörte seine Eltern sagen: \"Der alte Mann da drüben hat es gut,","book":"Das alte Haus"} {"text":"aber er ist so schrecklich allein!\"","book":"Das alte Haus"} {"text":"Am nächsten Sonntag nahm der kleine Knabe etwas, wickelte es in ein Stück","book":"Das alte Haus"} {"text":"Papier, ging vor die Tür, und als der Diener, der die Gänge besorgte, vorbeikam,","book":"Das alte Haus"} {"text":"sagte er zu ihm: \"Hör, willst Du dem alten Mann da drüben das von mir bringen?","book":"Das alte Haus"} {"text":"Ich habe zwei Zinnsoldaten, dies ist der eine; er soll ihn haben, denn ich weiß,","book":"Das alte Haus"} {"text":"daß er so schrecklich allein ist.\"","book":"Das alte Haus"} {"text":"Und der alte Diener sah ganz vergnügt aus, nickte und trug den Zinnsoldaten","book":"Das alte Haus"} {"text":"hinüber in das alte Haus. Darauf kam von drüben ein Bote mit der Anfrage, ob","book":"Das alte Haus"} {"text":"der kleine Knabe wohl Lust hätte, selbst einmal herüber zu kommen und Besuch","book":"Das alte Haus"} {"text":"zu machen. Dazu bekam er von seinen Eltern Erlaubnis, und so kam er in das alte","book":"Das alte Haus"} {"text":"Haus hinüber.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Die Messingknöpfe am Treppengeländer glänzten viel stärker als sonst. Man hätte","book":"Das alte Haus"} {"text":"glauben mögen, daß sie des Besuches wegen poliert worden wären. Und es war, als","book":"Das alte Haus"} {"text":"ob die geschnitzten Trompeter – denn es waren geschnitzte Trompeter an der Tür,","book":"Das alte Haus"} {"text":"die in den Tulpen standen – aus Leibeskräften bliesen; ihre Backen sahen viel","book":"Das alte Haus"} {"text":"dicker aus als zuvor. Ja, sie bliesen: \"Tratteratra. Der kleine Knabe kommt.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Tratteratra!\" und dann ging die Türe auf. Den ganzen Gang entlang hingen alte","book":"Das alte Haus"} {"text":"Porträts, Ritter in Harnischen und Frauen in Seidenkleidern. Und die Harnische","book":"Das alte Haus"} {"text":"rasselten und die seiden Kleider raschelten! Dann kam eine Treppe, die ging","book":"Das alte Haus"} {"text":"ein großes Stück hinauf und ein kleines hinab und dann war man auf einem Altan,","book":"Das alte Haus"} {"text":"der freilich sehr altersschwach und voller großer Löcher und Risse war, aber","book":"Das alte Haus"} {"text":"daraus hervor wuchsen Gras und Blätter; denn der ganze Altan, der Hof und die","book":"Das alte Haus"} {"text":"Mauern waren mit soviel Grün bewachsen, daß es wie ein Garten aussah. Aber es","book":"Das alte Haus"} {"text":"war nur ein Altan. Hier standen alte Blumentöpfe, die Gesichter und Eselsohren","book":"Das alte Haus"} {"text":"hatten. Die Blumen darin wuchsen aber ganz wie sie selbst wollten. In dem einen","book":"Das alte Haus"} {"text":"Topf liefen die Nelken nach allen Seiten über den Rand, das heißt das Grüne,","book":"Das alte Haus"} {"text":"Schößling neben Schößling, und ganz deutlich sagten sie: \"Die Luft hat mich","book":"Das alte Haus"} {"text":"gestreichelt, die Sonne hat mich geküßt und mir am Sonntag eine kleine Blume","book":"Das alte Haus"} {"text":"versprochen, eine kleine Blume am Sonntag.\"","book":"Das alte Haus"} {"text":"Und dann kamen sie in eine Kammer hinein, wo die Wände mit Schweinsleder bezogen","book":"Das alte Haus"} {"text":"waren, darauf waren goldene Blumen gedruckt.","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Vergoldung vergeht, aber Schweinsleder besteht\" sagten die Wände.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Und Lehnstühle standen da mit hohen Rücken, über und über geschnitzt, und mit","book":"Das alte Haus"} {"text":"Armen an beiden Seiten. \"Sitz nieder! Sitz nieder!\" sagten sie; \"O, wie es in","book":"Das alte Haus"} {"text":"mir knackt! Nun bekomme ich die Gicht wie der alte Schrank. Gicht im Rücken. O!\"","book":"Das alte Haus"} {"text":"Und dann kam der kleine Knabe in die Stube hinein, wo der Erker war und wo der","book":"Das alte Haus"} {"text":"alte Mann saß.","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Schönen Dank für den Zinnsoldaten, mein kleiner Freund\" sagte der alte Mann.","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Und Dank, daß Du zu mir herüberkommst!\"","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Dank, Dank,\" oder \"Knack, Knack,\" sagte es in allen Möbeln. Da waren so viele,","book":"Das alte Haus"} {"text":"daß sie sich fast im Wege standen, um den kleinen Knaben anzusehen.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Mitten an der Wand hing eine Malerei mit einer wunderschönen Dame, so jung,","book":"Das alte Haus"} {"text":"so froh, aber ganz so gekleidet, wie vor alten Zeiten, mit Puder im Haar und","book":"Das alte Haus"} {"text":"Kleidern, die ganz steif um sie herum standen. Sie sagte weder \"Dank\" noch","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Knack,\" aber sah mit ihren freundlichen Augen den kleinen Knaben an, der","book":"Das alte Haus"} {"text":"sogleich den alten Mann fragte: \"Wo hast Du sie her bekommen?\"","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Drüben vom Trödler\" sagte der alte Mann. \"Da hängen soviele Bilder. Keiner","book":"Das alte Haus"} {"text":"kennt sie mehr und macht sich etwas daraus, denn alle sind nun begraben. Aber in","book":"Das alte Haus"} {"text":"alten Tagen habe ich sie gekannt; nun ist sie tot schon seit fast einem halben","book":"Das alte Haus"} {"text":"Jahrhundert\"","book":"Das alte Haus"} {"text":"Und unter der Malerei hing unter Glas ein verwelkter Blumenstrauß. Der hatte","book":"Das alte Haus"} {"text":"gewiß auch ein halbes Jahrhundert gesehen, so alt war er. Und der Perpendikel an","book":"Das alte Haus"} {"text":"der großen Uhr ging hin und her und der Zeiger drehte sich und alle Dinge in der","book":"Das alte Haus"} {"text":"Stube wurden immer älter, aber das merkten sie nicht.","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Sie sagen zuhause,\" sagte der kleine Knabe, \"daß Du so schrecklich einsam","book":"Das alte Haus"} {"text":"bist.\"","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"O,\" sagte er, \"die alten Gedanken mit allem, was sie so mit sich führen können,","book":"Das alte Haus"} {"text":"kommen und besuchen mich, und nun kommst Du ja auch. Mir geht es ganz gut.\"","book":"Das alte Haus"} {"text":"Und dann nahm er vom Bücherbrett ein Buch mit Bildern. Darin waren ganze","book":"Das alte Haus"} {"text":"Aufzüge, die wunderlichsten Karossen, die man heute nicht mehr zu sehen","book":"Das alte Haus"} {"text":"bekommt, Soldaten wie auf den Spielkarten und Bürger mit wehenden Fahnen. Die","book":"Das alte Haus"} {"text":"Schneider hatten eine mit einer Schere, die von zwei Löwen gehalten wurde, und","book":"Das alte Haus"} {"text":"die Schuhmacher hatten eine ohne Stiefel, aber mit einem Adler, der zwei Köpfe","book":"Das alte Haus"} {"text":"besaß, denn die Schuhmacher müssen alles so haben, daß sie sagen können: das ist","book":"Das alte Haus"} {"text":"ein Paar. – Ja, das war ein Bilderbuch.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Und der alte Mann ging in die andere Stube, um Eingezuckertes und Äpfel und","book":"Das alte Haus"} {"text":"Nüsse zu holen; – es war wirklich prächtig hier drüben in dem alten Hause.","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Ich kann es nicht aushalten!\" sagte der Zinnsoldat, der auf der Kommode","book":"Das alte Haus"} {"text":"stand; \"hier ist es so einsam und traurig; nein, wenn man einmal Familienleben","book":"Das alte Haus"} {"text":"kennen gelernt hat, kann man sich hier nicht eingewöhnen. – Ich kann das nicht","book":"Das alte Haus"} {"text":"aushalten! Der ganze Tag ist so lang und der Abend noch länger. Hier ist es","book":"Das alte Haus"} {"text":"nicht wie drüben bei Dir, wo Deine Mutter und Dein Vater so fröhlich miteinander","book":"Das alte Haus"} {"text":"sprachen, und wo Du und alle Ihr süßen Kinder einen so prächtigen Spektakel","book":"Das alte Haus"} {"text":"machtet! Nein, wie allein der alte Mann ist. Glaubst Du, er bekommt einen Kuß?","book":"Das alte Haus"} {"text":"Glaubst Du, jemand macht ihm freundliche Augen oder einen Weihnachtsbaum? Er","book":"Das alte Haus"} {"text":"bekommt gar nichts, nur ein Begräbnis – Ich kann das nicht aushalten!\"","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Du mußt es nicht so schwer nehmen!\" sagte der kleine Knabe, \"mir kommt es hier","book":"Das alte Haus"} {"text":"herrlich vor, und alle die alten Gedanken mit dem, was sie so mit sich führen","book":"Das alte Haus"} {"text":"können, kommen ja auch und machen Besuch.\"","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Ja, die sehe ich nicht, und die kenne ich nicht\" sagte der Zinnsoldat. \"Ich","book":"Das alte Haus"} {"text":"kann das nicht aushalten!\"","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Das mußt Du\" sagte der kleine Knabe.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Und der alte Mann kam mit dem vergnügtesten Gesicht und mit dem herrlichsten","book":"Das alte Haus"} {"text":"Eingemachten und Äpfeln und Nüssen, und da dachte der kleine Knabe nicht mehr an","book":"Das alte Haus"} {"text":"den Zinnsoldaten.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Glücklich und froh kam der kleine Knabe heim. Es vergingen Wochen und Tage, es","book":"Das alte Haus"} {"text":"wurde zu dem alten Hause und von dem alten Hause hinübergenickt, und dann kam","book":"Das alte Haus"} {"text":"der kleine Knabe wieder hinüber.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Und die geschnitzten Trompeter bliesen: \"Tratteratra. Da ist der kleine Knabe.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Tratteratra\" Und Schwerter und Rüstungen auf den alten Ritterbildern rasselten","book":"Das alte Haus"} {"text":"und die Seidenkleider raschelten, das Schweinsleder sprach und die alten Stühle","book":"Das alte Haus"} {"text":"hatten Gicht im Rücken: \"au!\" Es war ganz genau wie beim ersten Mal, denn hier","book":"Das alte Haus"} {"text":"drüben war ein Tag und eine Stunde ganz wie die andere.","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Ich kann das nicht aushalten!\" sagte der Zinnsoldat. \"Ich habe Zinn geweint!","book":"Das alte Haus"} {"text":"Hier ist es allzu traurig laß mich lieber in den Krieg ziehen und Arme und Beine","book":"Das alte Haus"} {"text":"verlieren! Das ist doch eine Abwechslung. Ich kann das nicht aushalten! – nun","book":"Das alte Haus"} {"text":"weiß ich, was das heißt, Besuch von seinen alten Gedanken zu bekommen, mit dem","book":"Das alte Haus"} {"text":"was sie mit sich führen können. Ich habe von meinen Besuch gehabt, und Du kannst","book":"Das alte Haus"} {"text":"mir glauben, es ist kein Vergnügen auf die Dauer. Ich war zuletzt nahe daran,","book":"Das alte Haus"} {"text":"von der Kommode zu springen. Euch alle da drüben sah ich so deutlich, als ob","book":"Das alte Haus"} {"text":"Ihr wirklich hier wäret; es war wieder der Sonntagmorgen – Du weißt doch noch.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Alle Ihr Kinder standet vor dem Tische und sangt Eure Lieder, wie Ihr sie jeden","book":"Das alte Haus"} {"text":"Morgen singt. Ihr standet andächtig mit gefalteten Händen, und Vater und Mutter","book":"Das alte Haus"} {"text":"waren ebenso feierlich, und dann ging die Tür auf, und die kleine Schwester","book":"Das alte Haus"} {"text":"Maria, die noch nicht zwei Jahre alt war, und die immer tanzte, wenn sie Musik","book":"Das alte Haus"} {"text":"oder Gesang hörte, was für eine Art es auch sein mochte, wurde hereingeschoben.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Sie sollte es nun eigentlich nicht – aber sie fing an zu tanzen, konnte jedoch","book":"Das alte Haus"} {"text":"nicht recht in den Takt kommen, denn die Töne waren so lang, und so stand sie","book":"Das alte Haus"} {"text":"erst auf dem einen Bein und bog den Kopf ganz nach vorn über, und dann auf dem","book":"Das alte Haus"} {"text":"andern Bein und den Kopf noch weiter vornüber, aber es wollte nicht recht gehen.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Ihr standet alle ganz ernst da, obgleich es recht schwer hielt damit; ich aber","book":"Das alte Haus"} {"text":"lachte innerlich, und deshalb fiel ich vom Tische herunter und bekam eine Beule,","book":"Das alte Haus"} {"text":"mit der ich jetzt noch gehe, denn es war nicht recht von mir, zu lachen. Aber","book":"Das alte Haus"} {"text":"das Ganze zieht jetzt wieder innerlich an mir vorüber und noch manches andere,","book":"Das alte Haus"} {"text":"was ich so erlebt habe. Das werden wohl die alten Gedanken sein, mit allem,","book":"Das alte Haus"} {"text":"was sie mit sich führen können. Sag mir, singt Ihr noch immer an den Sonntagen?","book":"Das alte Haus"} {"text":"Erzähle mir ein bischen von der kleinen Maria. Und wie geht es meinem Kameraden,","book":"Das alte Haus"} {"text":"dem andern Zinnsoldaten? Ja, er ist wirklich glücklich. Ich kann das nicht","book":"Das alte Haus"} {"text":"aushalten.\"","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Du bist weggeschenkt!\" sagte der kleine Knabe. \"Du mußt bleiben. Kannst Du das","book":"Das alte Haus"} {"text":"nicht einsehen?\"","book":"Das alte Haus"} {"text":"Und der alte Mann kam mit einem Kasten, worin es viele Dinge zu sehen gab,","book":"Das alte Haus"} {"text":"seltsame, kleine Häuschen, Balsambüchsen und alte Karten, so groß und dick","book":"Das alte Haus"} {"text":"vergoldet, wie man sie jetzt gar nicht mehr sieht. Und es wurden große","book":"Das alte Haus"} {"text":"Schubladen aufgezogen und das Klavier wurde geöffnet; das hatte eine Landschaft","book":"Das alte Haus"} {"text":"inwendig auf dem Deckel und war ganz heiser, als der alte Mann darauf spielte.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Er summte dabei eine alte Weise.","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Ja, die konnte sie singen\" sagte er, und dann nickte er zu dem Porträt hinüber,","book":"Das alte Haus"} {"text":"das er beim Trödler gekauft hatte, und des alten Mannes Augen leuchteten auf.","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Ich will in den Krieg! Ich will in den Kriegt\" rief plötzlich der Zinnsoldat so","book":"Das alte Haus"} {"text":"laut er konnte und stürzte sich auf den Fußboden.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Ja, wo war er geblieben? Der alte Mann suchte, der kleine Knabe suchte, aber","book":"Das alte Haus"} {"text":"fort war er und fort blieb er. \"Ich werde ihn schon finden!\" sagte der Alte,","book":"Das alte Haus"} {"text":"aber er fand ihn nie mehr! Der Fußboden hatte allzu große Löcher und Ritzen. Der","book":"Das alte Haus"} {"text":"Zinnsoldat war durch eine Spalte gefallen, und dort lag er im offenen Grabe.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Und der Tag verging, und der kleine Knabe kam heim, und die Woche verging und","book":"Das alte Haus"} {"text":"noch viele Wochen. Die Fenster waren ganz zugefroren. Der kleine Knabe mußte","book":"Das alte Haus"} {"text":"sitzen und darauf blasen, um ein Guckloch zu dem alten Haus hinüber zu bekommen.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Dort war der Schnee in alle Schnörkel und Inschriften hineingefegt. Er lag dicht","book":"Das alte Haus"} {"text":"über der Treppe, gerade, als sei niemand dort zuhause. Und es war auch niemand","book":"Das alte Haus"} {"text":"zuhause, der alte Mann war tot.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Am Abend hielt ein Wagen davor, und zu ihm herunter trug man ihn in seinem","book":"Das alte Haus"} {"text":"Sarge. Er sollte draußen auf dem Lande in seinem Erbbegräbnis beerdigt werden.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Da fuhr er nun, aber niemand folgte, alle seine Freunde waren ja tot. Nur der","book":"Das alte Haus"} {"text":"kleine Knabe warf dem Sarge viele Kußhände nach, als er fortfuhr.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Einige Tage später war Auktion in dem alten Hause, und der kleine Knabe sah","book":"Das alte Haus"} {"text":"von seinem Fenster aus, wie man die alten Ritter und die alten Damen, die","book":"Das alte Haus"} {"text":"Blumentöpfe mit den langen Ohren, die alten Stühle und die alten Schränke","book":"Das alte Haus"} {"text":"wegtrug. Einiges kam hierhin, einiges dorthin. Das Porträt von ihr, das er beim","book":"Das alte Haus"} {"text":"Trödler gefunden hatte, kam wieder zum Trödler und dort blieb es hängen; denn","book":"Das alte Haus"} {"text":"nun kannte sie niemand mehr, und niemand kümmerte sich um das alte Bild.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Im Frühjahr riß man auch das Haus nieder, denn es sei nur ein altes Gerümpel,","book":"Das alte Haus"} {"text":"sagten die Leute. Von der Straße aus konnte man gerade in die Stuben mit dem","book":"Das alte Haus"} {"text":"Schweinslederbezug hineinsehen, der zerfetzt und heruntergerissen wurde. Und all","book":"Das alte Haus"} {"text":"das Grüne hing vom Altan wild um die fallenden Balken herab. – Und dann wurde","book":"Das alte Haus"} {"text":"dort aufgeräumt.","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Das half!\" sagten die Nachbarhäuser.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Und es wurde ein herrliches, neues Haus dort gebaut mit großen Fenstern und","book":"Das alte Haus"} {"text":"weißen, glatten Mauern. Aber vorne, wo eigentlich das alte Haus gestanden","book":"Das alte Haus"} {"text":"hatte, wurde ein kleiner Garten angelegt, und zu des Nachbarhauses Mauern hinauf","book":"Das alte Haus"} {"text":"wuchsen wilde Weinranken. Vor den Garten kam ein großes eisernes Gitter mit","book":"Das alte Haus"} {"text":"eiserner Tür; das sah gar stattlich aus. Die Leute standen still und schauten","book":"Das alte Haus"} {"text":"hinein. Und die Spatzen hingen sich dutzendweil an die Weinranken und nahmen","book":"Das alte Haus"} {"text":"einander das Wort vom Munde, so gut sie konnten, aber es war nicht das alte","book":"Das alte Haus"} {"text":"Haus, worüber sie sprachen, denn darauf konnten sie sich nicht besinnen. Es","book":"Das alte Haus"} {"text":"waren nun schon so viele Jahre darüber hingegangen, daß der kleine Knabe zu","book":"Das alte Haus"} {"text":"einem großen Manne herangewachsen war, ja, zu einem tüchtigen Mann, an dem seine","book":"Das alte Haus"} {"text":"Eltern Freude hatten. Er hatte sich eben verheiratet und war mit seiner kleinen","book":"Das alte Haus"} {"text":"Frau hier in das Haus gezogen, wo der Garten war. Und er stand dort bei ihr,","book":"Das alte Haus"} {"text":"während sie eine Feldblume pflanzte, die sie gar niedlich fand. Sie pflanzte sie","book":"Das alte Haus"} {"text":"mit ihrer kleinen Hand und klopfte die Erde mit den Fingern fest. – Au, was war","book":"Das alte Haus"} {"text":"das? Sie hatte sich gestochen. Da saß etwas Spitzes gerade oben auf der weichen","book":"Das alte Haus"} {"text":"Erde.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Es war – ja denk nur. Es war der Zinnsoldat, er, der bei dem alten Mann da oben","book":"Das alte Haus"} {"text":"fortgekommen war, der inzwischen bei Zimmerholz und Schutt herumgebummelt, sich","book":"Das alte Haus"} {"text":"tüchtig getummelt und zuletzt viele Jahre lang in der Erde gelegen hatte.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Und die junge Frau wischte den Soldaten zuerst mit einem grünen Blatte, dann mit","book":"Das alte Haus"} {"text":"ihrem feinen Taschentuch ab; das hatte einen so lieblichen Duft. Und es war dem","book":"Das alte Haus"} {"text":"Zinnsoldaten, als erwache er aus einer Ohnmacht.","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Laß mich sehen!\" sagte der junge Mann, dann lachte er und schüttelte den Kopf.","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Ja, er kann es wohl nicht gut sein, aber er erinnert mich an eine Geschichte","book":"Das alte Haus"} {"text":"mit einem Zinnsoldaten, die geschah, als ich noch ein kleiner Knabe war.\" Und","book":"Das alte Haus"} {"text":"dann erzählte er seiner Frau von dem alten Hause und dem alten Manne und dem","book":"Das alte Haus"} {"text":"Zinnsoldaten, den er ihm hinübergeschickt hatte, weil er so schrecklich allein","book":"Das alte Haus"} {"text":"war. Und er erzählte es ganz genau so, wie es wirklich gewesen war, so daß der","book":"Das alte Haus"} {"text":"jungen Frau Tränen in die Augen stiegen über das alte Haus und den alten Mann.","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Es kann doch sein, daß es derselbe Zinnsoldat ist!\" sagte sie. \"Ich will ihn","book":"Das alte Haus"} {"text":"aufbewahren und alles behalten, was Du mir erzählt hast. Aber des alten Mannes","book":"Das alte Haus"} {"text":"Grab mußt Du mir zeigen!\"","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Ja, das weiß ich nicht,\" sagte er, \"und niemand weiß es. Alle seine Freunde","book":"Das alte Haus"} {"text":"waren tot, niemand kümmerte sich darum, und ich war ja ein kleiner Knabe.\"","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Wie schrecklich allein muß er gewesen sein.\" sagte sie.","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Schrecklich allein!\" sagte der Zinnsoldat, \"aber es ist herrlich, nicht","book":"Das alte Haus"} {"text":"vergessen zu sein.\"","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Herrlich!\" rief etwas dicht daneben; aber niemand außer dem Zinnsoldaten","book":"Das alte Haus"} {"text":"sah, daß es ein Fetzen von dem schweinsledernen Bezuge war. Er war ohne alle","book":"Das alte Haus"} {"text":"Vergoldung und sah aus wie nasse Erde, aber eine Meinung hatte er, und die","book":"Das alte Haus"} {"text":"sprach er aus:","book":"Das alte Haus"} {"text":"\"Vergoldung vergeht, Aber Schweinsleder besteht.\" Doch das glaubte der","book":"Das alte Haus"} {"text":"Zinnsoldat nicht.","book":"Das alte Haus"} {"text":"Du kennst doch wohl ein Vergrößerungsglas, so ein rundes Brillenglas, das alles","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"hundertmal größer macht, als es ist. Wenn man es nimmt und vor das Auge hält","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"und sich einen Wassertropfen aus dem Teiche draußen ansieht, so erblickt man","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"über tausend wunderliche Tierchen, die man sonst nie im Wasser bemerkt; aber sie","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"sind da, es ist so. Es sieht fast aus wie ein ganzer Teller voll Krabben, die","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"zwischen einander herumspringen, und so freßgierig sind, daß sie einander Arme","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"und Beine, Enden und Kanten wegreißen, und doch sind sie froh und vergnügt auf","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"ihre Art.","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"Nun war einmal ein alter Mann, den alle Leute Kribbel-Krabbel nannten, denn so","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"hieß er. Er wollte immer das Beste von einer Sache haben, und wenn es so nicht","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"gehen wollte, dann nahm er es durch Zauberei.","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"Nun sitzt er eines Tages und hält sein Vergrößerungsglas ans Auge und betrachtet","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"einen Wassertropfen, den er aus einer Pfütze beim Graben genommen hatte. Nein,","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"wie es darin kribbelte und krabbelte! Alle die tausend winzigen Tierchen hüpften","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"und sprangen, rissen an einander und fraßen von einander.","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"\"Ja, aber das ist ja abscheulich!\" sagte der alte Kribbel- Krabbel, \"kann","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"man sie nicht dazu bringen, daß sie in Frieden und Ruhe miteinander leben und","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"jedes sich um sich selber bekümmert!\" Und er dachte und dachte, aber es wollte","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"nicht gehen, und da mußte er zaubern. \"Ich muß ihnen Farbe geben, damit sie","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"deutlicher zu sehen sind!\" sagte er, und dann goß er etwas wie einen kleinen","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"Tropfen Rotwein in den Wassertropfen, aber das war Hexenblut, und zwar von der","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"allerfeinsten Sorte zu zwei Schilling, und so wurden all diese wunderlichen","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"Tierchen rosenrot über den ganzen Körper; es sah aus wie eine ganze Stadt voller","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"nackter, wilder Männer.","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"\"Was hast Du da?\" fragte ein anderer alter Zauberer, der keinen Namen hatte, und","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"das war eben das Vornehme an ihm.","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"\"Ja, kannst Du raten, was das ist,\" sagte Kribbel Krabbel, \"dann will ich es Dir","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"schenken; aber es ist nicht leicht herauszufinden, wenn man es nicht weiß!\"","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"Und der Zauberer, der keinen Namen hatte, sah durch das Vergrößerungsglas.","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"Es sah wirklich aus wie eine ganze Stadt, worin alle Menschen ohne Kleider","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"herumliefen. Es war schauerlich; aber noch schauerlicher war es, zu sehen,","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"wie der eine den anderen puffte und stieß, wie sie sich zwickten und zwackten","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"einander bissen und rissen. Was unten war, sollte nach oben, und was oben","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"war, sollte nach unten. \"Sieh, sieh, sein Bein ist länger als meins! Baff. Weg","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"damit. Da ist einer, der hat einen kleinen Knopf hinter dem Ohr, ein kleines","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"unschuldiges Knöpfchen, aber es peinigt ihn, deshalb soll er noch mehr gepeinigt","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"werden!\" Und dann hackten sie darauf los und zerrten ihn hin und her, und sie","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"fraßen ihn um des kleinen Knöpfchens willen. Da saß einer ganz stille wie eine","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"kleine Jungfrau und wünschte sich nur Ruhe und Frieden. Aber nun mußte die","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"Jungfrau heraus, und sie zerrten sie hervor, rissen sie entzwei und fraßen sie","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"auf.","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"\"Das ist außerordentlich unterhaltsam!\" sagte der Zauberer.","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"\"Was meinst Du wohl, was das ist?\" fragte Kribbel-Krabbel. \"Kannst Du es","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"herausfinden?\"","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"\"Das ist ja leicht zu erkennen!\" sagte der andere. \"Das ist Kopenhagen oder","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"irgendeine andere große Stadt, die sehen ja eins aus wie das andere. Eine große","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"Stadt ist es.\"","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"\"Es ist Grabenwasser\" sagte Kribbel-Krabbel.","book":"Der Wassertropfen"} {"text":"Das größte grüne Blatt hierzulande ist sicherlich das Klettenblatt. Hält man","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"es vor seinen Leib, so ist es wie eine richtige Schürze, und legt man es auf","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"seinen Kopf, so ist es bei Regenwetter fast so gut wie ein Regenschirm; denn es","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"ist so riesig groß. Niemals wächst eine Klette allein, nein, wo die eine wächst,","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"wachsen auch mehr. Das ist eine große Herrlichkeit, und all die Herrlichkeit ist","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Schneckenspeise. Die großen weißen Schnecken, die die vornehmen Leute in alten","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Zeiten zu Frikassee verwenden ließen, sie verspeisten und dazu sagten: \"Hum! Das","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"schmeckt herrlich!\"– denn sie glaubten wirklich, es schmecke so herrlich,– die","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"lebten von den Klettenblättern, und deshalb wurden die Kletten gesät.","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Nun war da ein alter Herrenhof, wo man keine Schnecken mehr aß; sie waren","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"ganz ausgestorben. Aber die Kletten waren nicht ausgestorben; sie wuchsen und","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"wachsen, wuchsen über alle Gänge und alle Beete, man konnte ihrer gar nicht mehr","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Herr werden; es war ein wahrer Klettenwald. Hier und da stand ein Apfel- oder","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"ein Pflaumenbaum, sonst hätte man nie und nimmer geglaubt, daß dies ein Garten","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"sei, alles war voller Kletten, und da drinnen wohnten die beiden letzten uralten","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Schnecken.","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Sie wußten selbst nicht mehr, wie alt sie waren; aber sie konnten sich noch gut","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"erinnern, daß sie einst viel mehr gewesen waren, daß sie von einer Familie aus","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"fremden Ländern stammten und daß für sie und die Ihren der ganze Wald gepflanzt","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"worden war. Sie waren nie herausgekommen, doch sie wußten, daß es noch etwas in","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"der Welt gab, das der Herrenhof hieß, und dort wurde man gekocht. Dann wurde man","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"schwarz und kam auf eine silberne Schüssel, aber was dann weiter geschah, wußte","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"man nicht. Wie es im übrigen war, gekocht zu werden und auf einer silbernen","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Schüssel zu liegen, konnten sie sich nicht vorstellen, aber herrlich mußte es","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"sein und besonders vornehm. Weder Maikäfer, noch Kröten oder Regenwürmer, die","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"sie darum befragten, konnten Bescheid geben. Keins von ihnen war gekocht worden","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"oder hatte auf einer silbernen Schüssel gelegen.","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Die alten weißen Schnecken waren die vornehmsten in der Welt, das wußten sie.","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Der Wald war nur ihretwegen da, und der Herrenhof war dazu da, daß sie gekocht","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"werden und auf eine silberne Schüssel gelegt werden konnten.","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Sie lebten nun sehr einsam und glücklich, und da sie selbst keine Kinder hatten,","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"hatten sie eine kleine gewöhnliche zu sich genommen, die sie wie ihr eigenes","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Kind aufzogen. Aber der Kleine wollte nicht wachsen, denn er war gewöhnlich.","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Aber die Alten, besonders die Mutter, die Schneckenmutter, meinte doch zu","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"bemerken, daß er zunahm, und sie bat Vater, wenn er es nicht sehen könne, so","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"möge er nur das kleine Schneckenhaus anfühlen. Und dann fühlte er und fand, daß","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Mutter recht habe.","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Eines Tages war starker Regen.","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"\"Hör, wie es tromme-romme-rommelt auf den Klettenblättern.\" sagte der","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Schneckenvater.","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"\"Da kommen auch schon die Tropfen\" sagte die Schneckenmutter. \"Das lauft ja","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"gerade am Stiel herunter. Du wirst sehen, es wird hier naß. Ich bin froh,","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"daß wir unser gutes Haus haben und der Kleine auch. Für uns ist wirklich mehr","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"gesorgt worden, wie für alle anderen Geschöpfe; man kann daraus erkennen,","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"daß wir die Herren der Welt sind. Wir haben von der Geburt an ein Haus, und","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"der Klettenwald ist unseretwegen gesät. Ich möchte wissen, wie weit er sich","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"erstreckt und was außerhalb desselben ist.\"","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"\"Außerhalb desselben ist nichts\" sagte der Schneckenvater. \"Besser als bei","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"uns kann es nirgends sein, und ich wüßte nicht, was ich mir anderes wünschen","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"sollte.\"","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"\"Ja,\" sagte Mutter, \"ich möchte wohl auf den Herrenhof kommen, gekocht und auf","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"eine silberne Schüssel gelegt werden. Das ist allen unseren Vorfahren geschehen,","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"und Du kannst glauben, daß es etwas ganz Besondere für sich hat.\"","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"\"Der Herrenhof ist möglicherweise eingestürzt.\" sagte der Schneckenvater.","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"\"Oder der Klettenwald ist darüber hinweggewachsen, daß die Menschen nicht","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"mehr herauskommen können. Es hat ja auch keine Eile, aber Du hastest immer so","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"entsetzlich, und der Kleine fängt auch schon damit an. Ist er nicht jetzt drei","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Tage lang allein den Stiel hinaufgekrochen? Mir wird ganz schwindlig im Kopfe,","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"wenn ich zu ihm hinausehe!\"","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"\"Du mußt nicht schelten,\" sagte die Schneckenmutter, \"er kriecht so besonnen,","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"wir werden noch unsere Freude an ihm erleben, wir haben doch nichts, für was wir","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"sonst leben könnten! Aber hast Du schon daran gedacht, wo bekommen wir eine Frau","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"für ihn her? Glaubst Du nicht, weiter hinten im Klettenwalde könnte noch jemand","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"von unserem Geschlecht sein?\"","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"\"Schwarze Schnecken, glaube ich, werden wohl da sein,\" sagte der Alte.","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"\"Schwarze Schnecken ohne Haus. Aber das ist niedriges Volk und ist trotzdem noch","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"eingebildet. Aber wir könnten ja die Ameisen damit beantragen; sie laufen immer","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"hin und her, als ob sie etwas zu tun hätten, die wissen sicherlich eine Frau für","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"unsern Kleinen.\"","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"\"Ich weiß freilich die allerschönste,\" sagten die Ameisen, \"aber ich fürchte, es","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"wird nicht angehen, denn sie ist eine Königin.\"","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"\"Das tut nichts!\" sagte der Alte. \"Hat sie ein Haus?\"","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"\"Sie hat ein Schloß\" sagten die Ameisen, \"das herrlichste Ameisenschloß mit","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"siebenhundert Gängen.\"","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"\"Danke schön.\" sagte die Schneckenmutter, \"unser Sohn soll nicht in einen","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Ameisenhaufen! Wißt Ihr nichts Besseres, dann geben wir den Auftrag an die","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"weißen Mücken, die fliegen weit umher in Regen und Sonnenschein, und sie kennen","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"den Klettenwald inwendig und auswendig.\"","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"\"Wir haben eine Frau für ihn\" sagten die Mücken. \"Hundert Menschenschritte weit","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"von hier sitzt auf einem Stachelbeerstrauch eine kleine Schnecke mit Haus. Sie","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"steht ganz allein und ist alt genug, um sich zu verheiraten. Es ist nur hundert","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Menschenschritte von hier!\"","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"\"Ja, laßt sie zu ihm kommen!\" sagten die Alten. \"Er hat einen Klettenwald, sie","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"hat nur einen Strauch!\"","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Und so holten sie das kleine Schneckenfräulein. Es dauerte acht Tage, ehe sie","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"ankam. Aber das war gerade das Hübsche daran. Da konnte man doch sehen, daß sie","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"aus guter Familie war.","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Dann hielten sie Hochzeit. Sechs Johanneswürmchen leuchteten so schön sie","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"konnten. Sonst wurde es in aller Stille abgemacht, denn die alten Schnecken","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"konnten das Schwärmen und die taute Fröhlichkeit nicht vertragen! Aber eine","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"herrliche Rede wurde von der Schneckenmutter gehalten. Der Vater konnte nicht,","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"er war so bewegt. Und dann gaben sie ihnen den ganzen Klettenwald zum Erbe und","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"sagten, was sie immer gesagt hatten, daß dies das beste in der Welt sei, und","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"wenn sie redlich und gesittet lebten und sich vermehrten, würden einmal sie","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"und ihre Kinder auf den Herrenhof kommen, schwarz gekocht werden und auf einer","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"silbernen Schüssel liegen.","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Nachdem die Rede gehalten war, krochen die Alten in ihr Haus und kamen nie","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"wieder heraus; sie schliefen. Das junge Schneckenpaar regierte im Walde und","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"bekam eine große Nachkommenschaft, aber gekocht wurden sie nie, und sie kamen","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"auch niemals auf silberne Schüsseln. Daraus schlossen sie, daß der Herrenhof","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"eingestürzt und alle Menschen in der Welt ausgestorben wären. Und da niemand","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"ihnen widersprach, mußte es ja wahr sein. Und der Regen schlug auf die","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Klettenblätter, um für sie Trommelmusik zu machen, und die Sonne schien, um","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"dem Klettenwald ihretwillen eine schönere Färbung zu geben, und sie waren sehr","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"glücklich, und die ganze Familie war glücklich, und sie waren es wirklich!","book":"Die glückliche Familie"} {"text":"Eine Mutter saß bei ihrem kleinen Kinde. Sie war so betrübt und hatte so große","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Angst, daß es sterben würde. Es war so bleich; die kleinen Augen hatten sich","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"geschlossen. Der Atem ging ganz leise, nur mitunter tat es einen tiefen Zug","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"gleich einem Seufzer, und die Mutter blickte immer sorgenvoller auf das kleine","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Wesen.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Da klopfte es an die Tür, und herein kam ein armer, alter Mann, der, wie es","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"schien, in eine große Pferdedecke gehüllt war; denn die wärmt, und das tat ihm","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"not; es war ja kalter Winter. Draußen lag alles mit Eis und Schnee bedeckt, und","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"der Wind blies, daß es einem ins Gesicht schnitt.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Da der alte Mann vor Kälte zitterte und das kleine Kind einen Augenblick","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"schlief, ging die Mutter hin und setzte Bier in einem kleinen Topfe in den","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Kachelofen, um es für ihn zu wärmen. Der alte Mann saß und wiegte das Kind, und","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"die Mutter setzte sich dicht neben ihn auf einen Stuhl, schaute auf ihr krankes","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Kind, das so tief Atem holte, und hob die kleine Hand empor.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Glaubst Du nicht, daß ich es behalte?\" fragte sie. \"Der liebe Gott wird es mir","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"nicht nehmen!\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Und der alte Mann – es war der Tod selbst – nickte so sonderbar, es konnte","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"ebensogut ja wie nein bedeuten. Und die Mutter sah in ihren Schoß nieder und","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"die Tränen liefen ihr über ihre Wangen. Das Haupt wurde ihr schwer, drei Tage","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"und drei Nächte hatte sie ihre Augen nicht geschlossen, und nun schlief sie.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Aber nur einen Augenblick; dann fuhr sie auf und zitterte vor Kälte: \"Was ist","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"das?\" fragte sie und sah sich nach allen Seiten um. Aber der alte Mann war fort,","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"und ihr kleines Kind war fort; er hatte es mit sich genommen. Hinten in der","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Ecke schnurrte und schnurrte die alte Uhr; das große Bleigewicht lief bis zum","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Fußboden hinab, bum und da stand auch die Uhr still.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Aber die arme Mutter lief zum Hause hinaus und rief nach ihrem Kinde.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Draußen, mitten im Schnee, saß eine Frau in langen, schwarzen Kleidern und","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"sprach: \"Der Tod ist in Deiner Stube gewesen; ich sah ihn mit Deinem kleinen","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Kinde davoneilen. Er geht schneller als der Wind, er bringt niemals zurück, was","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"er genommen hat.\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Sage mir nur, welchen Weg er gegangen ist\" sagte die Mutter. \"Sag mir den Weg,","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"dann werde ich ihn finden!\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Ich weiß ihn\" sagte die Frau in den schwarzen Kleidern; \"aber ehe ich ihn Dir","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"sage, mußt Du mir erst alle die Lieder singen, die Du Deinem Kinde vor gesungen","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"hast. Ich liebe sie; ich habe sie schon früher gehört. Ich bin die Nacht und sah","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Deine Tränen, als Du sie sangst.\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Ich will sie singen, alle, aller\" sagte die Mutter, \"aber halt mich nicht auf,","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"daß ich ihn einholen kann und mein Kind wiederfinde!\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Aber die Nacht saß stumm und still. Da rang die Mutter ihre Hände, sang und","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"weinte, und es waren viele Lieder, aber noch mehr Tränen; und dann sagte die","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Nacht: \"Geh nach rechts in den dunkeln Tannenwald, dorthin sah ich den Tod mit","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Deinem kleinen Kinde den Weg nehmen!\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Tief im Walde kreuzten sich die Wege, und sie wußte nicht, wo entlang sie gehen","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"sollte. Da stand ein Dornenbusch, der hatte weder Blätter noch Blüten. Es war ja","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"auch kalte Winterszeit, und Eiszapfen hingen an den Zweigen.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Hast Du nicht den Tod mit meinem kleinen Kinde vorbeigehen sehen?\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Ja,\" sagte der Dornenbusch, \"aber ich sage Dir nicht, welchen Weg er","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"eingeschlagen hat, wenn Du mich nicht vorher an Deinem Herzen aufwärmen willst.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Ich friere sonst tot und werde ganz und gar zu Eis.\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Und sie drückte den Dornenbusch an ihre Brust, so fest, er sollte ja gut","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"aufgewärmt werden. Und die Dornen drangen tief in ihr Fleisch, und ihr Blut floß","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"in großen Tropfen. Aber der Dornenbusch trieb frische, grüne Blätter und bekam","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Blüten in der kalten Winternacht. So warm war es an dem Herzen der betrübten","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Mutter. Und der Dornenbusch sagte ihr den Weg, den sie gehen mußte.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Da kam sie an einen großen See, auf dem weder Schiff noch Boot war. Der See","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"war noch nicht fest genug zugefroren, daß er sie hätte tragen können, und auch","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"nicht offen und seicht genug, daß sie ihn hätte durchwaten können. Und hinüber","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"mußte sie doch, wollte sie ihr Kind finden. Da legte sie sich nieder, um den See","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"auszutrinken. Das war ja unmöglich für einen Menschen. Aber die betrübte Mutter","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"dachte, daß doch vielleicht ein Wunder geschehen würde.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Nein, das geht nicht\" sagte der See. \"Laß uns beide lieber sehen, daß wir","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"uns einigen. Ich liebe es, Perlen zu sammeln, und Deine Augen sind die zwei","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"klarsten, die ich je gesehen habe. Willst Du sie für mich ausweinen, dann will","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"ich Dich zu dem großen Treibhaus hinüber tragen, wo der Tod wohnt und Blumen und","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Bäume pflegt. Jedes von ihnen ist ein Menschenleben.\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"O, was gäbe ich nicht, um zu meinem Kinde zu kommen!\" sagte die vergrämte","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Mutter. Nun weinte sie noch mehr, und ihre Augen sanken nieder auf den Grund","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"des Sees und wurden zwei kostbare Perlen. Der See aber hob die Mutter empor,","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"als säße sie in einer Schaukel, und sie flog in einer einzigen Schwingung an","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"die Küste auf der anderen Seite, wo ein meilenbreites, seltsames Haus stand. Man","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"wußte nicht, war es ein Berg mit Wäldern und Höhlen, oder war es gezimmert. Aber","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"die arme Mutter konnte es nicht sehen; sie hatte ja ihre Augen ausgeweint.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Wo soll ich den Tod finden, der mit meinem kleinen Kinde fortgegangen ist\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"sagte sie.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Er ist noch nicht gekommen!\" sagte die alte Frau, die da ging und auf das große","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Treibhaus des Todes aufpassen sollte. \"Wie hast Du hierherfinden können, und wer","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"hat Dir geholfen?\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Der liebe Gott hat mir geholfen!\" sagte sie, \"er ist barmherzig, und das wirst","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Du auch sein. Wo kann ich mein kleines Kind finden?\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Ja, ich kenne es nicht,\" sagte die Frau, \"und Du kannst ja nicht sehen. – Viele","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Blumen und Bäume sind heute Nacht verwelkt. Der Tod wird gleich kommen und sie","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"umpflanzen! Du weißt wohl, daß jeder Mensch seinen Lebensbaum hat oder seine","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Blume, je nachdem er nun beschaffen ist. Sie sehen aus wie andere Gewächse auch,","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"aber sie haben Herzen, die schlagen. Kinderherzen können auch schlagen! Horche","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"danach, vielleicht kannst Du den Herzschlag Deines Kindes erkennen. Aber was","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"gibst Du mir, wenn ich Dir sage, was Du noch mehr tun mußt?\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Ich habe nichts mehr zu geben,\" sagte die betrübte Mutter. \"Aber ich will für","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Dich bis ans Ende der Welt gehen.\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Ja, da habe ich nichts zu suchen!\" sagte die Frau, \"aber Du kannst mir Dein","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"langes, schwarzes Haar geben. Du weißt wohl selbst, daß es schön ist, und mir","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"gefällt es. Du sollst mein weißes dafür haben, das ist doch immer etwas.\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Verlangst Du nicht mehr?\" sagte sie. \"Das gebe ich Dir mit Freuden.\" Und sie","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"gab ihr schönes Haar und bekam das schneeweiße der Alten dafür.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Dann gingen sie in das große Treibhaus des Todes hinein, wo Blumen und Bäume","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"wunderbar durcheinander wuchsen. Da standen feine Hyazinthen unter Glasglocken,","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"und es standen baumstarke Pfingstrosen da. Es wuchsen Wasserpflanzen dort,","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"einige ganz frisch, andere halbkrank. Wasserschlangen legten sich darauf, und","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"schwarze Krebse kniffen sich im Stiele fest. Da standen herrliche Palmenbäume,","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Eichen und Platanen, da stand Petersilie und blühender Tymian. Jeder Baum","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"und jede Blume hatte ihren Namen; jedes von ihnen war ja ein Menschenleben.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Die Menschen lebten noch, einer in China, einer in Grönland, überall auf der","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Erde. Da gab es große Bäume in kleinen Töpfen, so daß sie ganz zusammengepreßt","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"und nahe daran waren, den Topf zu zersprengen. An manchen Stellen gab es auch","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"kleine, schwache Blümchen in fetter Erde, mit Moos ringsherum und gehegt und","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"gepflegt. Die betrübte Mutter beugte sich über alle die kleinsten Pflanzen und","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"horchte auf jeden Schlag ihres Menschenherzens, und unter Millionen erkannten","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"sie den ihres Kindes.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Das ist es!\" rief sie und streckte ihre Hand über einen kleinen blauen Krokus","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"aus, der ganz krank nach der einen Seite hing.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Rühre die Blume nicht an\" sagte die alte Frau. \"Aber stelle Dich hierher,","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"und wenn dann der Tod kommt, den ich jeden Augenblick erwarte, so laß ihn","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"die Pflanze nicht herausreißen; drohe ihm, daß Du es mit den anderen Pflanzen","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"ebenso machen würdest, dann wird er bange; denn er muß dem lieben Gott dafür","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Rechenschaft ablegen. Keine darf herausgerissen werden ohne seine Erlaubnis.\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Mit einem Male sauste es eiskalt durch den Saal, und die blinde Mutter merkte,","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"daß es der Tod war, der kam.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Wie hast Du den Weg hierher finden können?\" fragte er. \"Wie konntest Du","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"schneller hierher kommen als ich?\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Ich bin eine Mutter!\" sagte sie.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Und der Tod streckte seine lange Hand aus nach der kleinen, feinen Blume; sie","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"aber hielt ihre Hände so fest darum gelegt, so dicht und doch so besorgt, daß","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"sie eins der Blättchen berühren könne. Da blies der Tod auf ihre Hände, und","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"sie fühlte, daß dies kälter war als der kalte Wind, und ihre Hände fielen matt","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"nieder.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Du kannst gegen mich nichts ausrichten\" sagte der Tod.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Aber der liebe Gott kann es!\" sagte sie.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Ich tue nur nach seinem Willen!\" sagte der Tod, \"ich bin sein Gärtner. Ich","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"nehme alle seine Blumen und Bäume und pflanze sie in den großen Paradiesgarten,","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"in das unbekannte Land. Aber wie sie dort wachsen und wie es dort ist, darf ich","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Dir nicht sagen!\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Gib mir mein Kind zurück!\" sagte die Mutter und weinte und bat. Mit einem Male","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"griff sie mit beiden Händen nach zwei anderen schönen Blumen und rief dem Tod","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"zu: \"Ich reiße alle Deine Blumen aus; denn ich bin in Verzweiflung!\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Rühre sie nicht an!\" sagte der Tod. \"Du sagst, daß Du so unglücklich bist, und","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"nun willst Du eine andere Mutter ebenso unglücklich machen –?\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Eine andere Mutter!\" sagte die arme Frau und ließ beide Blumen fahren.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Da hast Du Deine Augen,\" sagte der Tod; \"ich habe sie aus dem See gefischt,","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"sie leuchteten so hell. Ich wußte nicht, daß es Deine waren. Nimm sie wieder.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Sie sind jetzt klarer als früher. Sieh dann hinab in den tiefen Brunnen hier","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"daneben. Ich werde Dir die Namen der beiden Blumen sagen, die Du ausreißen","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"wolltest, und Du wirst ihre ganze Zukunft sehen, ihr ganzes Menschenleben, wirst","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"sehen, was Du zerstören und vernichten wolltest!\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Und sie sah in den Brunnen hinab. Es war eine Glückseligkeit darin zu sehen, wie","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"das eine Kind ein Segen für die ganze Welt wurde, und es war zu sehen, wieviel","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Glück und Freude es rings um sich verbreitete. Und sie sah des anderen Leben,","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"und es war voller Sorge und Not, voller Kummer und Elend.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Beides ist Gottes Wille!\" sagte der Tod.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Welches von ihnen ist die Blume des Unglücks, und welches die des Segens?\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"fragte sie.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Das sage ich Dir nicht,\" sprach der Tod. \"Aber das sollst Du von mir erfahren,","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"daß die eine Blume die Deines eigenen Kindes war, es war Deines Kindes","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Schicksal, was Du sahst, Deines eigenen Kindes Zukunft.\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Da schrie die Mutter vor Schrecken: \"Welches von ihnen war mein Kind? Sage mir","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"das! Rette das Unschuldige! Rette mein Kind vor all dem Elend. Trag es lieber","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"fort! Trage es zu Gottes Reich. Vergiß meine Tränen, vergiß meine Bitten und","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"alles, was ich gesagt oder getan habe.\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Ich verstehe Dich nicht\" sagte der Tod. \"Willst Du Dein Kind zurückhaben, oder","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"soll ich mit ihm dorthin gehen, wovon niemand weiß?\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Da rang die Mutter ihre Hände, fiel auf ihre Knie und bat den lieben Gott:","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"\"Erhöre mich nicht, wenn ich gegen Deinen Willen bitte, der der beste ist.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Erhöre mich nicht! Erhöre mich nicht!\"","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Und sie neigte ihr Haupt auf ihre Brust.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Der Tod aber ging mit ihrem Kinde in das unbekannte Land.","book":"Die Geschichte von einer Mutter"} {"text":"Es war einmal ein feiner Herr, dessen sämtliches Hausgerät aus einem","book":"Der Halskragen"} {"text":"Stiefelknecht und einer Haarbürste bestand, aber er hatte den schönsten","book":"Der Halskragen"} {"text":"Halskragen von der Welt, und dieser Halskragen ist es, dessen Geschichte","book":"Der Halskragen"} {"text":"wir hören werden. Er war nun so alt geworden, daß er daran dachte, sich zu","book":"Der Halskragen"} {"text":"verheiraten, und da traf es sich, daß er mit einem Strumpfband in die Wäsche","book":"Der Halskragen"} {"text":"kam.","book":"Der Halskragen"} {"text":"Da meinte der Halskragen: \"Habe ich doch nie jemand so schlank und so fein und","book":"Der Halskragen"} {"text":"so niedlich gesehen. Darf ich um Ihren Namen bitten?\"","book":"Der Halskragen"} {"text":"\"Den nenne ich nicht!\" sagte das Strumpfband.","book":"Der Halskragen"} {"text":"\"Wo sind Sie denn zu Hause?\" fragte der Halskragen.","book":"Der Halskragen"} {"text":"Aber das Strumpfband war beschämt und meinte, es sei doch etwas sonderbar,","book":"Der Halskragen"} {"text":"darauf zu antworten.","book":"Der Halskragen"} {"text":"\"Sie sind wohl ein Gürtel?\" sagte der Halskragen, \"ein Gürtel ist immer zu","book":"Der Halskragen"} {"text":"tragen. Ich sehe, Sie sind zum Nutzen und auch zum Staat!\"","book":"Der Halskragen"} {"text":"\"Sie dürfen nicht mit mir sprechen!\" sagte das Stumpfband, \"mich dünkt, ich habe","book":"Der Halskragen"} {"text":"Ihnen durchaus keine Veranlassung dazu gegeben!\"","book":"Der Halskragen"} {"text":"\"Ja, wenn man so schön wie Sie ist,\" sagte der Halskragen, \"so ist das","book":"Der Halskragen"} {"text":"Veranlassung genug!\"","book":"Der Halskragen"} {"text":"\"Kommen Sie mir nicht so nahe!\" sagte das Strumpfband, \"Sie sehen so männlich","book":"Der Halskragen"} {"text":"aus!\"","book":"Der Halskragen"} {"text":"\"Ich bin auch ein feiner Herr!\" sagte der Halskragen, \"ich besitze einen","book":"Der Halskragen"} {"text":"Stiefelknecht und eine Haarbürste!\" Das war nun nicht wahr, denn sein Herr hatte","book":"Der Halskragen"} {"text":"diese, aber er prahlte.","book":"Der Halskragen"} {"text":"\"Kommen Sie mir nicht so nahe!\" sagte das Strumpfband, \"ich bin das nicht","book":"Der Halskragen"} {"text":"gewohnt!\"","book":"Der Halskragen"} {"text":"\"Zierliese!\" sagte der Halskragen, und dann wurden sie aus der Wäsche genommen;","book":"Der Halskragen"} {"text":"sie wurden gestärkt, hingen auf dem Stuhl im Sonnenschein und wurden dann aufs","book":"Der Halskragen"} {"text":"Plättbrett gelegt; da kam das warme Eisen.","book":"Der Halskragen"} {"text":"\"Liebe Frau!\" sagte der Halskragen, \"liebe Frau Witwe. Mir wird ganz warm! Ich","book":"Der Halskragen"} {"text":"werde ein ganz anderer, ich komme ganz aus den Falten, Sie brennen mir ein Loch!","book":"Der Halskragen"} {"text":"Uh! – Ich halte um Sie an!\"","book":"Der Halskragen"} {"text":"\"Laps!\" sagte das Plätteisen und ging stolz über den Halskragen hin, denn das","book":"Der Halskragen"} {"text":"bildete sich ein, daß es ein Dampfkessel sei, der in eine Maschine kommen und","book":"Der Halskragen"} {"text":"Wagen ziehen sollte.","book":"Der Halskragen"} {"text":"\"Laps!\" sagte es.","book":"Der Halskragen"} {"text":"Der Halskragen faserte an den Kanten ein wenig aus, deshalb kam die Papierschere","book":"Der Halskragen"} {"text":"und sollte die Fasern wegschneiden.","book":"Der Halskragen"} {"text":"\"Oh!\" sagte der Halskragen, \"Sie sind wohl erste Tänzerin? Wie Sie die Beine","book":"Der Halskragen"} {"text":"ausstrecken können! Das ist das reizendste, was ich je gesehen habe, das kann","book":"Der Halskragen"} {"text":"Ihnen kein Mensch nachmachen!\"","book":"Der Halskragen"} {"text":"\"Das weiß ich!\" sagte die Schere.","book":"Der Halskragen"} {"text":"\"Sie verdienen, eine Gräfin zu sein!\" sagte der Halskragen. \"Alles, was ich","book":"Der Halskragen"} {"text":"besitze, ist ein feiner Herr, ein Stiefelknecht und eine Haarbürste! Wenn ich","book":"Der Halskragen"} {"text":"nur eine Grafschaft hätte!\"","book":"Der Halskragen"} {"text":"\"Er freit wohl gar!\" sagte die Schere, sie wurde böse und gab ihm einen","book":"Der Halskragen"} {"text":"tüchtigen Schnitt.","book":"Der Halskragen"} {"text":"'Ich muß am Ende wohl um die Haarbürste freien!' dachte der Halskragen. \"Was","book":"Der Halskragen"} {"text":"Sie für schönes Haar haben, liebes Fräulein!\" sagte er. \"Haben Sie nie daran","book":"Der Halskragen"} {"text":"gedacht, sich zu verloben?\"","book":"Der Halskragen"} {"text":"\"Ja, das können Sie sich wohl denken!\" sagte die Bürste. \"Ich bin ja mit dem","book":"Der Halskragen"} {"text":"Stiefelknecht verlobt!\"","book":"Der Halskragen"} {"text":"\"Verlobt!\" sagte der Halskragen; nun gab es niemand mehr, um die er hätte freien","book":"Der Halskragen"} {"text":"können, und darum verachtete er es.","book":"Der Halskragen"} {"text":"Es verging eine lange Zeit, und dann kam der Halskragen in den Kasten beim","book":"Der Halskragen"} {"text":"Papiermüller. Da gab es große Lumpengesellschaft, die feinen für sich, die","book":"Der Halskragen"} {"text":"groben für sich, so wie sich das gehört. Sie hatten alle viel zu erzählen, aber","book":"Der Halskragen"} {"text":"der Halskragen am meisten, das war ein gewaltiger Prahlhans.","book":"Der Halskragen"} {"text":"\"Ich habe ungeheuer viele Geliebte gehabt!\" sagte der Halskragen, \"man ließ mir","book":"Der Halskragen"} {"text":"gar keine Ruhe! Ich war aber auch ein feiner Herr mit Stärke! Ich besaß sowohl","book":"Der Halskragen"} {"text":"einen Stiefelknecht wie eine Haarbürste, die ich nie gebrauchte! Damals hätten","book":"Der Halskragen"} {"text":"Sie mich nur sehen sollen, wenn ich auf der Seite lag. Nie vergesse ich meine","book":"Der Halskragen"} {"text":"erste Geliebte, sie war ein Gürtel, fein, zart und niedlich, sie stürzte sich","book":"Der Halskragen"} {"text":"meinetwegen in eine Waschwanne. Da war auch eine Witwe, die für mich erglühte,","book":"Der Halskragen"} {"text":"aber ich ließ sie stehen und schwarz werden. Da war die erste Tänzerin, sie","book":"Der Halskragen"} {"text":"versetzte mir die Wunde, mit der ich gehe, sie war schrecklich bissig! Meine","book":"Der Halskragen"} {"text":"eigene Bürste war in mich verliebt, sie verlor alle Haare aus Liebesgram.","book":"Der Halskragen"} {"text":"Ja, ich habe viel dergleichen erlebt; aber am meisten tut es mir Leid um das","book":"Der Halskragen"} {"text":"Strumpfband, ich meine den Gürtel, der sich in die Waschwanne stürzte. Ich habe","book":"Der Halskragen"} {"text":"sehr viel auf meinem Gewissen; es wird mir wohl tun, weißes Papier zu werden!\"","book":"Der Halskragen"} {"text":"Und das wurde er, alle Lumpen wurden weißes Papier, aber der Halskragen wurde","book":"Der Halskragen"} {"text":"gerade das Stück Papier, was wir hier sehen, worauf die Geschichte gedruckt","book":"Der Halskragen"} {"text":"ist, und das geschah, weil er so gewaltig mit Dingen prahlte, die gar nicht","book":"Der Halskragen"} {"text":"wahr gewesen waren. Daran sollen wir denken, damit wir uns nicht ebenso","book":"Der Halskragen"} {"text":"betragen, denn wir können wahrlich nicht wissen, ob wir nicht auch einmal in","book":"Der Halskragen"} {"text":"den Lumpenkasten kommen und zu weißem Papier umgearbeitet werden und dann unsere","book":"Der Halskragen"} {"text":"ganze Geschichte, selbst die allergeheimste, aufgedruckt bekommen, womit wir","book":"Der Halskragen"} {"text":"dann selbst herumlaufen und sie erzählen müssen wie der Halskragen.","book":"Der Halskragen"} {"text":"Der Flachs stand in voller Blüte. Er hatte so schöne blaue Blumen, die waren","book":"Der Flachs"} {"text":"zart wie Mottenflügel und noch zarter. Die Sonne beschien den Flachs, und die","book":"Der Flachs"} {"text":"Regenwolken begossen ihn, und das tat ihm ebenso gut, wie es kleinen Kindern","book":"Der Flachs"} {"text":"tut, wenn sie gewaschen werden und dann einen Kuß von der Mutter bekommen. Sie","book":"Der Flachs"} {"text":"werden ja nur schöner davon. Und das wurde der Flachs auch.","book":"Der Flachs"} {"text":"\"Die Leute sagen, ich stehe ganz ausgezeichnet,\" sagte der Flachs, \"und ich","book":"Der Flachs"} {"text":"werde so herrlich lang, daß ich ein prächtiges Stück Leinen geben werde. Nein,","book":"Der Flachs"} {"text":"wie glücklich ich doch bin. Ich bin bestimmt der Glücklichste von allen. Ich","book":"Der Flachs"} {"text":"habe es so gut, und ich soll noch zu etwas werden. Wie der Sonnenschein belebt,","book":"Der Flachs"} {"text":"und wie der Regen schmeckt und erquickt. Ich bin unsagbar glücklich, ich bin der","book":"Der Flachs"} {"text":"Allerglücklichste.\"","book":"Der Flachs"} {"text":"\"Ja, ja, ja\" sagten die Zaunpfähle, \"Du kennst die Welt nicht, aber wir kennen","book":"Der Flachs"} {"text":"sie. Wir haben Knorren in uns!\" Und dann knackten sie ganz jämmerlich:","book":"Der Flachs"} {"text":"\"Schnipp, schnapp, schnurre,","book":"Der Flachs"} {"text":"Basselurre,","book":"Der Flachs"} {"text":"Aus ist das Lied.\"","book":"Der Flachs"} {"text":"\"Nein, das ist es nicht\" sagte der Flachs. \"Die Sonne scheint am Morgen, der","book":"Der Flachs"} {"text":"Regen tut so wohl, ich kann hören, wie ich wachse, ich kann fühlen, wie ich","book":"Der Flachs"} {"text":"blühe! Ich bin der Allerglücklichste.\"","book":"Der Flachs"} {"text":"Aber eines Tages kamen Leute, nahmen den Flachs beim Schopfe und rissen ihn","book":"Der Flachs"} {"text":"mit Stumpf und Stiel aus, das tat weh. Er wurde in Wasser gelegt, als sollte er","book":"Der Flachs"} {"text":"ertränkt werden, und dann kam er über Feuer, als sollte er gebraten werden. Es","book":"Der Flachs"} {"text":"war schrecklich!","book":"Der Flachs"} {"text":"\"Man kann es nicht immer gut haben\" sagte der Flachs. \"Man muß etwas","book":"Der Flachs"} {"text":"durchmachen, um etwas zu wissen.\"","book":"Der Flachs"} {"text":"Aber es kam freilich recht schlimm. Der Flachs wurde gebrochen, gedörrt und","book":"Der Flachs"} {"text":"gehechelt, ja, was wußte er viel, wie alles das hieß. Er kam auf den Rocken,","book":"Der Flachs"} {"text":"schnurre schnurr. Es war nicht möglich, die Gedanken beisammen zu behalten.","book":"Der Flachs"} {"text":"\"Ich bin unsäglich glücklich gewesen!\" dachte er in all seiner Pein. \"Man muß","book":"Der Flachs"} {"text":"zufrieden sein mit dem Guten, das man genossen halt. Froh, oh, o!\" Und das sagte","book":"Der Flachs"} {"text":"er noch, als er auf den Webstuhl kam. Da wurde er ein herrliches, großes Stück","book":"Der Flachs"} {"text":"Leinewand. Aller Flachs, jede einzige Pflanze, kam in das eine Stück.","book":"Der Flachs"} {"text":"\"Ja, aber das ist ja prächtig! Das hätte ich nie geglaubt Nein, wie gut es doch","book":"Der Flachs"} {"text":"das Glück mit mir meint. Ja, die Zaunpfähle wußten wahrlich gut Bescheid mit","book":"Der Flachs"} {"text":"ihrem:","book":"Der Flachs"} {"text":"'Schnipp, schnapp, schnurre,","book":"Der Flachs"} {"text":"Basselurre!'","book":"Der Flachs"} {"text":"Das Lied ist gar nicht aus. Nun fängt es erst an. Das ist doch gar zu prächtig!","book":"Der Flachs"} {"text":"Ich habe ja etwas leiden müssen, aber dafür bin ich jetzt auch etwas geworden.","book":"Der Flachs"} {"text":"Ich bin doch der Glücklichste von allen. Ich bin so stark und so weich, so weiß","book":"Der Flachs"} {"text":"und so lang. Das ist doch etwas anderes, als nur eine Pflanze zu sein, selbst","book":"Der Flachs"} {"text":"wenn man Blüten trägt. Man wird nicht gepflegt, und Wasser bekommt man nur, wenn","book":"Der Flachs"} {"text":"es regnet. Jetzt habe ich Aufwartung. Das Mädchen wendet mich jeden Morgen, und","book":"Der Flachs"} {"text":"mit der Gießkanne bekomme ich jeden Abend ein Regenbad; ja, die Pfarrersfrau","book":"Der Flachs"} {"text":"selbst hat sogar eine Rede über mich gehalten und gesagt, daß ich das beste","book":"Der Flachs"} {"text":"Stück im ganzen Kirchspiel sei. Glücklicher kann ich gar nicht werden!\"","book":"Der Flachs"} {"text":"Nun kam das Leinen ins Haus und unter die Schere. Wie man es schnitt und riß und","book":"Der Flachs"} {"text":"mit der Nähnadel hineinstach; denn das tat man. Das war kein Vergnügen. Aber aus","book":"Der Flachs"} {"text":"dem Leinen wurden zwölf Stück Wäsche von der Art, die man nicht gern nennt, die","book":"Der Flachs"} {"text":"aber alle Leute haben müssen. Es waren gerade zwölf.","book":"Der Flachs"} {"text":"\"Nein, sieh nur. Jetzt ist erst wirklich etwas aus mir geworden! Das war also","book":"Der Flachs"} {"text":"meine Bestimmung. Ja, das ist ja wundervoll! Nun bringe ich doch der Welt","book":"Der Flachs"} {"text":"Nutzen, und das ist es, was man soll, das ist das beste vergnügen! Wir sind","book":"Der Flachs"} {"text":"zwölf Stück geworden, aber alle zusammen sind wir doch eins, wir sind ein","book":"Der Flachs"} {"text":"Dutzend. Was ist das für ein unbeschreibliches Glück.\"","book":"Der Flachs"} {"text":"Und Jahre vergingen, – da konnten sie nicht länger mehr halten.","book":"Der Flachs"} {"text":"\"Einmal ist es doch vorbei!\" sagte jedes Stück. \"Ich hätte ja gerne noch länger","book":"Der Flachs"} {"text":"gehalten, aber man darf auch nichts Unmögliches verlangen.\" Und dann wurden sie","book":"Der Flachs"} {"text":"in Fetzen und Lumpen gerissen und glaubten, daß jetzt alles vorbei sei; denn","book":"Der Flachs"} {"text":"sie wurden gehackt, gequetscht und gekocht, sie wußten selbst nicht, wie ihnen","book":"Der Flachs"} {"text":"geschah und dann wurde aus ihnen herrlich feines, weißes Papier!","book":"Der Flachs"} {"text":"\"Nein, ist das eine Überraschung. Und eine angenehme Überraschung\" sagte das","book":"Der Flachs"} {"text":"Papier. \"Nun hin ich feiner als je zuvor, und jetzt soll ich sogar beschrieben","book":"Der Flachs"} {"text":"werden. Was nicht alles auf mich geschrieben werden kann. Das ist doch ein","book":"Der Flachs"} {"text":"unendliches Glück.\" Und es wurden darauf die schönsten Geschichten geschrieben,","book":"Der Flachs"} {"text":"und die Leute hörten, was darauf stand, und das war so richtig und gut, daß es","book":"Der Flachs"} {"text":"die Leute viel klüger und besser machte; es war ein großer Segen, den das Papier","book":"Der Flachs"} {"text":"durch die Worte verbreitete.","book":"Der Flachs"} {"text":"\"Das ist mehr, als ich mir hätte träumen lassen, als ich noch eine kleine blaue","book":"Der Flachs"} {"text":"Blume auf dem Felde war. Wie konnte ich auch denken, das ich dazu bestimmt","book":"Der Flachs"} {"text":"sei, den Menschen Freude und Wissen zu bringen. Fast kann ich es selbst nicht","book":"Der Flachs"} {"text":"begreifen! Aber es ist nun einmal wirklich so. Der liebe Gott weiß, daß ich","book":"Der Flachs"} {"text":"selbst gar nichts dazu getan habe, als was ich nach schwachen Kräften tun","book":"Der Flachs"} {"text":"mußte, um zu leben. Und so trägt er mich von der einen Freude und Ehre zu","book":"Der Flachs"} {"text":"der anderen. Jedesmal, wenn ich denke: 'Aus ist das Lied' dann gehts just","book":"Der Flachs"} {"text":"zu etwas Höherem, Besseren. Nun geht es sicher auf Reisen, ich werde in der","book":"Der Flachs"} {"text":"ganzen Welt herumgeschickt, damit mich alle Menschen lesen können. Das ist das","book":"Der Flachs"} {"text":"Wahrscheinlichste. Früher hatte ich blaue Blumen, nun habe ich für jede Blume","book":"Der Flachs"} {"text":"die herrlichsten Gedanken. Ich bin der Alleglücklichste.\"","book":"Der Flachs"} {"text":"Aber das Papier kam nicht auf Reisen. Es kam zum Buchdrucker, und alles, was","book":"Der Flachs"} {"text":"darauf geschrieben stand, wurde gedruckt. Und es wurde ein Buch daraus, ja sogar","book":"Der Flachs"} {"text":"viele hundert Bücher, denn so konnten unendlich mehr Leute Nutzen und Freude","book":"Der Flachs"} {"text":"daran haben, als wenn das einzige Stück Papier, auf dem das Geschriebene stand,","book":"Der Flachs"} {"text":"allein die Welt durchreist hätte und auf halbem Wege schon abgenutzt worden","book":"Der Flachs"} {"text":"wäre.","book":"Der Flachs"} {"text":"\"Ja, das ist auch das Allervernünftigste.\" dachte das beschriebene Papier. \"Das","book":"Der Flachs"} {"text":"ist mir gar nicht eingefallen. Ich bleibe daheim und werde einem alten Großvater","book":"Der Flachs"} {"text":"gleich in Ehren gehalten. Ich bin es, auf dem alles geschrieben steht. Die Worte","book":"Der Flachs"} {"text":"flossen aus der Feder gerade in mich hinein. Ich bleibe, und die Bücher reisen","book":"Der Flachs"} {"text":"umher. Nun kann etwas damit geschafft werden. Nein, wie bin ich froh, wie bin","book":"Der Flachs"} {"text":"ich glücklich!\"","book":"Der Flachs"} {"text":"Dann wurde das Papier zu einem Bündel zasammengebunden und auf das Bücherbrett","book":"Der Flachs"} {"text":"gelegt. \"Gut den Tag vollbracht, ist so süß die Nacht\" sagte das Papier. \"Es","book":"Der Flachs"} {"text":"ist vollkommen richtig, daß man einmal gesammelt ist und zum Nachdenken kommt","book":"Der Flachs"} {"text":"über das, was in einem steckt. Nun weiß ich erst genau, was ich enthalte. Und","book":"Der Flachs"} {"text":"sich selbst erkennen ist der eigentliche Fortschritt. Was mag wohl nun kommen?","book":"Der Flachs"} {"text":"Vorwärts geht es sicher, es geht ja immer vorwärts.\"","book":"Der Flachs"} {"text":"Eines Tages wurde alles Papier auf den Kamin gelegt. Es sollte verbrannt werden;","book":"Der Flachs"} {"text":"denn es sollte nicht an den Höker verkauft werden, der Butter und Puderzucker","book":"Der Flachs"} {"text":"darin eingewickelt hätte. Alle Kinder im Hause standen im Kreise herum; sie","book":"Der Flachs"} {"text":"wollten es auflodern und in der Asche die vielen roten Feuerfünkchen vergehen","book":"Der Flachs"} {"text":"sehen, die gleichsam davonlaufen und verschwinden, eins nach dem anderen,","book":"Der Flachs"} {"text":"wie Kinder, die aus der Schule kommen, und der allerletzte Funken ist der","book":"Der Flachs"} {"text":"Schulmeister. Oft glaubt man, er sei gegangen, aber dann kommt er ein bißchen","book":"Der Flachs"} {"text":"später als die anderen.","book":"Der Flachs"} {"text":"Alles Papier lag in einem Bündel auf dem Feuer. Uh! wie loderte es auf I \"Uh!\"","book":"Der Flachs"} {"text":"sagte es, und im gleichen Augenblick war alles eine Flamme. Sie schoß hoch in","book":"Der Flachs"} {"text":"die Luft, so hoch, wie der Flachs nie seine kleine blaue Blüte hätte erheben","book":"Der Flachs"} {"text":"können, und leuchtete, wie das weiße Linnen nie hätte leuchten können. Alle","book":"Der Flachs"} {"text":"geschriebenen Buchstaben wurden einen Augenblick lang ganz rot, und alle Worte","book":"Der Flachs"} {"text":"und Gedanken gingen in Flammen auf.","book":"Der Flachs"} {"text":"\"Nun hebe ich mich gerade zur Sonne empor\" sagte es in der Flamme, und es war,","book":"Der Flachs"} {"text":"als ob tausend Stimmchen es aus einem Munde sagten. Und die Flamme schlug hoch","book":"Der Flachs"} {"text":"durch den Schornstein hinaus; und feiner als die Flamme, ganz unsichtbar für","book":"Der Flachs"} {"text":"die Augen der Menschen, schwebten kleine, winzige Wesen, ebensoviele, wie da","book":"Der Flachs"} {"text":"Blumen auf dem Flachs geblüht hatten. Sie waren noch leichter als die Flamme,","book":"Der Flachs"} {"text":"die sie geboren hatte, und als sie erlosch und von dem Papier nur die schwarze","book":"Der Flachs"} {"text":"Asche übrig war, tanzten sie noch einmal darüber hin, und wo sie sie berührten,","book":"Der Flachs"} {"text":"sah man ihre Fußspur, das waren jene roten Fünkchen, die aussahen, wie Kinder,","book":"Der Flachs"} {"text":"die aus der Schule kommen, und der Schulmeister kommt als letzter. Das war ein","book":"Der Flachs"} {"text":"Vergnügen mit anzusehen! Und die Kinder des Hauses standen und sangen über der","book":"Der Flachs"} {"text":"toten Asche:","book":"Der Flachs"} {"text":"\"Schnipp, schnapp, schnurre,","book":"Der Flachs"} {"text":"Basselurre,","book":"Der Flachs"} {"text":"aus ist das Lied.\"","book":"Der Flachs"} {"text":"Aber die kleinen unsichtbaren Wesen sagten jedes für sich: \"Das Lied ist","book":"Der Flachs"} {"text":"niemals aus. Das ist das Schönste an allem. Ich weiß es, und deshalb bin ich der","book":"Der Flachs"} {"text":"Allerglücklichste.\"","book":"Der Flachs"} {"text":"Doch das konnten die Kinder weder hören noch verstehen, und das sollten sie auch","book":"Der Flachs"} {"text":"nicht, denn Kinder brauchen nicht alles zu wissen.","book":"Der Flachs"} {"text":"Im Garten des Paradieses, unter dem Baume der Erkenntnis, stand ein","book":"Vogel Phönix"} {"text":"Rosenstrauch. Hier, in der ersten Rose, wurde ein Vogel geboren, dessen Flug war","book":"Vogel Phönix"} {"text":"wie der des Lichts, herrlich war seine Farbe und herrlich sein Gesang.","book":"Vogel Phönix"} {"text":"Als aber Eva die Frucht der Erkenntnis brach und sie und Adam aus dem Garten","book":"Vogel Phönix"} {"text":"des Paradieses gejagt wurden, fiel vom flammenden Schwerte des strafenden","book":"Vogel Phönix"} {"text":"Engels ein Funken in das Nest des Vogels und zündete es an. Der Vogel starb in","book":"Vogel Phönix"} {"text":"den Flammen, aber aus dem glühenden Ei flog ein neuer, der einzige, der stets","book":"Vogel Phönix"} {"text":"einzige Vogel Phönix. Die Sage meldet, daß er in Arabien nistet und sich selbst","book":"Vogel Phönix"} {"text":"jedes hundertste Jahr in seinem Neste verbrennt, und ein neuer Phönix, wieder","book":"Vogel Phönix"} {"text":"der einzige in der Welt, fliegt aus dem glühenden Ei empor.","book":"Vogel Phönix"} {"text":"Der Vogel umflattert uns, schnell wie das Licht, herrlich von Farbe und herrlich","book":"Vogel Phönix"} {"text":"klingt sein wundersamer Sang. Wenn die Mutter an der Wiege ihres Kindes sitzt,","book":"Vogel Phönix"} {"text":"schwebt er über dem Kopfkissen und weht mit den Flügeln einen Glorienschein um","book":"Vogel Phönix"} {"text":"des Kindes Haupt. Er fliegt durch die Stuben der Genügsamkeit, und Sonnenglanz","book":"Vogel Phönix"} {"text":"breitet sich darüber und die ärmliche Kommode duftet nach Veilchen.","book":"Vogel Phönix"} {"text":"Doch der Vogel Phönix ist nicht allein der Vogel Arabiens. Er flattert im","book":"Vogel Phönix"} {"text":"Nordlichtschein über die Eisfelder Lapplands, er hüpft zwischen den gelben","book":"Vogel Phönix"} {"text":"Blumen in Grönlands kurzem Sommer. Über Faluns Kupferfelsen ist er zu sehen","book":"Vogel Phönix"} {"text":"und in Englands Kohlengruben. Er huscht wie eine gepuderte Motte hin über das","book":"Vogel Phönix"} {"text":"Gesangbuch in des frommen Arbeiters Händen. Er segelt auf dem Lotosblatt mit den","book":"Vogel Phönix"} {"text":"heiligen Fluten des Ganges hinab und des Hindumädchens Augen leuchten bei seinem","book":"Vogel Phönix"} {"text":"Anblick.","book":"Vogel Phönix"} {"text":"Vogel Phönix, kennst Du ihn nicht? Den Vogel des Paradieses, des Gesanges","book":"Vogel Phönix"} {"text":"heiligen Schwan. Auf dem Tespiskarren saß er wie ein geschwätziger Rabe und","book":"Vogel Phönix"} {"text":"schlug mit den schwarzen, hefetriefenden Flügeln. Über Islands Sängerharfe glitt","book":"Vogel Phönix"} {"text":"des Schwanes roter, klingender Schnabel; auf Shakespeares Schultern saß er wie","book":"Vogel Phönix"} {"text":"Odins Rabe und flüsterte ihm ins Ohr: Unsterblichkeit. Beim Sängerfeste flog er","book":"Vogel Phönix"} {"text":"durch der Wartburg Rittersaal.","book":"Vogel Phönix"} {"text":"Vogel Phönix Kennst Du ihn nicht? Er sang Dir die Marsallaise vor, und Du","book":"Vogel Phönix"} {"text":"küßtest die Feder, die aus seiner Schwinge fiel. Im Paradiesesglanze kam er, und","book":"Vogel Phönix"} {"text":"Du wandtest Dich vielleicht fort und dem Sperling zu, der mit Schaumgold auf den","book":"Vogel Phönix"} {"text":"Flügeln dasaß.","book":"Vogel Phönix"} {"text":"O, Du Vogel des Paradieses, in jedem Jahrhundert erneut, in Flammen geboren, in","book":"Vogel Phönix"} {"text":"Flammen gestorben, Dein Bild hängt in Gold gefaßt in den Sälen der Reichen und","book":"Vogel Phönix"} {"text":"selbst fliegst Du verirrt und einsam – eine Sage nur: Vogel Phönix in Arabien!","book":"Vogel Phönix"} {"text":"Im Garten des Paradieses, da Du geboren wurdest unter dem Baume der Erkenntnis","book":"Vogel Phönix"} {"text":"in der ersten Rose, küßte Dich Gott und gab Dir Deinen rechten Namen – \"Poesie.\"","book":"Vogel Phönix"} {"text":"Es war im Maimonat, der Wind blies noch kalt; aber \"Der Frühling ist da,\" sagten","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Büsche und Bäume, Feld und Flur; es wimmelte von Blumen bis in die lebendigen","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Hecken hinauf. Dort führte der Frühling selbst seine Sache, er predigte von","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"einem kleinen Apfelbaume herab, dort hing ein einziger Zweig, frisch und","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"blühend, mit feinen, rosenroten Knospen überstreut, die im Begriff waren, sich","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"zu öffnen. Er wußte recht wohl, wie schön er sei, denn es liegt im Blatte sowohl","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"wie im Blute; deshalb überraschte es ihn auch nicht, als ein herrschaftlicher","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Wagen vor ihm anhielt und die junge Gräfin sagte, daß ein Apfelzweig das","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Lieblichste sei, das man sehen könne; er sei der Frühling selbst in seiner","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"herrlichsten Offenbarung. Der Zweig wurde abgebrochen, sie nahm ihn in ihre","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"feine Hand und beschattete ihn mit ihrem seidenen Sonnenschirme – dann fuhren","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"sie nach dem Schlosse mit seinen hohen Sälen und prächtigen Zimmern. Klare,","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"weiße Gardinen flatterten vor den offenen Fenstern, herrliche Blumen standen","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"in glänzenden, durchsichtigen Vasen, und in eine, die wie aus frischgefallenem","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Schnee geschnitten war, wurde der Apfelzweig zwischen frische, lichte","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Buchenzweige gesteckt; es war eine Lust, ihn zu sehen.","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Da wurde der Zweig stolz.","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Es kamen verschiedenartige Leute durch die Zimmer, und je nachdem sie etwas","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"galten, durften sie ihre Bewunderung aussprechen. Einige sagten nichts, andere","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"wiederum zu viel, und der Apfelzweig verstand es, daß ein Unterschied zwischen","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"den Gewächsen sei.","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"\"Einige sind zum Staate und einige zum Ernähren da; es gibt auch solche, die","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"man ganz entbehren könnte,\" meinte der Apfelzweig, und da er gerade vor dem","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"offenen Fenster stand, von wo aus er in den Garten und auf das Feld sehen","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"konnte, so hatte er Blumen und Gewächse genug, um sie zu betrachten und darüber","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"nachzudenken; dort standen reiche und arme, einige gar zu ärmliche.","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"\"Arme verstoßene Kräuter!\" sagte der Apfelzweig, \"ein Unterschied ist freilich","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"da! Wie unglücklich müssen sie sich fühlen, wenn die Art so fühlen kann wie ich","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"und meinesgleichen; freilich ist ein Unterschied da, aber der muß auch gemacht","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"werden, sonst wären sie ja alle gleich!\"","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Und der Apfelzweig sah mit gewissem Mitleid besonders auf eine Art von Blumen,","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"die sich in Menge auf Feldern und in Gräben vorfanden. Keiner band sie zum","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Strauße; sie waren gar zu gewöhnlich, ja, man konnte sie selbst zwischen dem","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Steinpflaster finden. Sie schossen wie das ärgste Unkraut hervor und hatten den","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"häßlichsten Namen, den man sich denken kann: Hundsblumen.","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"\"Armes, verachtetes Gewächs!\" sagte der Apfelzweig, \"du kannst nichts dafür,","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"daß du den häßlichen Namen erhieltest. Aber mit den Gewächsen ist es wie mit den","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Menschen, ein Unterschied muß sein!\"","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"\"Unterschied!\" sagte der Sonnenstrahl und küßte den blühenden Apfelzweig,","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"küßte aber auch die gelben Hundsblumen draußen auf dem Felde, alle Brüder des","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Sonnenstrahls küßten sie, die armen Blumen wie die reichen.","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Der Apfelzweig hatte niemals über Gottes unendliche Liebe gegen alles, was da","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"lebt und sich bewegt, nachgedacht, nie auch darüber, wie viel Schönes und Gutes","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"verborgen, aber nicht vergessen daliegen kann.","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Der Sonnenstrahl, der Strahl des Lichtes, wußte es besser: \"Du siehst nicht","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"weit, du siehst nicht klar! – Welches ist das Verachtete Kraut, das du","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"namentlich beklagst?\"","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"\"Die Hundsblume!\" sagte der Apfelzweig. \"Niemals wird sie zum Strauß gebunden,","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"sie wird mit Füßen getreten; es sind ihrer zu viele, und wenn sie in Samen","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"schießen, so fliegen sie wie kleingeschnittene Wolle über den Weg und hängen","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"sich an die Kleider der Leute. Unkraut ist's; aber auch das soll ja sein! – Ich","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"bin wirklich dankbar, daß ich keine jener Blumen geworden bin!\"","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Und über das Feld kam eine Schar Kinder. Das jüngste war noch so klein, daß es","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"von den andern getragen wurde. Als es zwischen die gelben Blumen in das Gras","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"gesetzt wurde, lachte es laut vor Freude, zappelte mit den Beinchen, wälzte","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"sich umher, pflückte nur die gelben Blumen und küßte sie in süßer Unschuld.","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Die etwas größeren Kinder brachen die Blumen von den hohen Stielen, bogen diese","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"rund in sich selbst zusammen, Glied an Glied, so daß eine Kette daraus entstand;","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"erst eine für den Hals, dann eine, um sie über die Schultern und um den Leib zu","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"hängen, und dann noch eine, um sie auf der Brust und auf dem Kopf zu befestigen;","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"das war eine Pracht von grünen Gliedern und Ketten! Aber die größeren Kinder","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"faßten vorsichtig die abgeblühte Blume beim Stengel, der die gefiederte,","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"zusammengesetzte Samenkrone trug; diese lose, lustige Wollblume, die ein rechtes","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Kunstwerk ist, wie aus den feinsten Federn, Flocken oder Daunen, hielten sie an","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"den Mund, um sie mit einem Male rein abzublasen, und wer das konnte, bekam, wie","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"die Großmutter sagte, neue Kleider, bevor das Jahr zu Ende ging.","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Die verachtete Blume war bei dieser Gelegenheit ein Prophet.","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"\"Siehst du!\" sagte der Sonnenstrahl. \"Siehst du ihre Schönheit, siehst du ihre","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Macht?\" - \"Ja, für Kinder!\" antwortete der Apfelzweig.","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Und eine alte Frau kam auf das Feld und grub mit ihrem stumpfen, schaftlosen","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Messer um die Wurzel des Krautes und zog diese heraus; von einigen der Wurzeln","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"wollte sie sich Kaffee kochen, für andere wollte sie Geld lösen in der Apotheke.","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"\"Schönheit ist doch etwas Höheres!\" sagte der Apfelzweig. \"Nur die Auserwählten","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"kommen in das Reich des Schönen! Es gibt einen Unterschied zwischen den","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Gewächsen, wie es einen Unterschied zwischen den Menschen gibt!\" Der","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Sonnenstrahl sprach von der unendlichen Liebe Gottes, die sich im Erschaffenen","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"offenbart, und von allem, was Leben hat, und von der gleichen Verteilung aller","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Dinge in Zeit und Ewigkeit!","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"\"Ja, das ist nun Ihre Meinung!\" sagte der Apfelzweig.","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Es kamen Leute in das Zimmer, und die schöne, junge Gräfin erschien, sie, die","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"den Apfelzweig in die durchsichtige Vase gestellt hatte, wo das Sonnenlicht","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"strahlte; sie brachte eine Blume oder was es sonst sein mochte. Der Gegenstand","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"wurde von drei bis vier großen Blättern verborgen gehalten, die wie eine Tüte","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"um ihn gehalten wurden, damit weder Zug noch Windstoß ihm Schaden tun solle, und","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"er wurde so vorsichtig getragen, wie es mit einem Apfelzweige niemals geschehen","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"war. Vorsichtig wurden nun die großen Blätter entfernt, und man sah die feine,","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"gefiederte Samenkrone der gelben, verachteten Hundsblume. Die hatte sie so","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"vorsichtig gepflückt, so sorgfältig, damit nicht einer der feinen Federpfeile,","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"die ihre Nebelgestalten bilden und lose sitzen, fortwehen solle. Unversehrt trug","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"die Gräfin dieses kleine Naturwunder, diese sonst so verachtete Hundsblume durch","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"das Zimmer und bewunderte ihre schöne Form, ihre luftige Klarheit, ihre ganz","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"eigentümliche Zusammensetzung, ihre Schönheit, die so im Winde verwehen sollte.","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"\"Sieh doch, wie wunderbar lieblich Gott sie gemacht hat,\" sagte sie. \"Ich will","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"sie mit dem Apfelzweig zusammen malen, den finden alle so unendlich schön,","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"aber auch diese alte Blume hat auf eine andere Weise ebensoviel vom lieben Gott","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"erhalten; so verschieden sie auch sind, sind sie doch beide Kinder im Reiche","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"der Schönheit.\" – Der Sonnenstrahl küßte die ärmliche Blume und den blühenden","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Apfelzweig, dessen Blätter dabei zu erröten schienen.","book":"Ein Unterschied ist da"} {"text":"Es war eine mächtige Königin, in deren Garten befanden sich die schönsten","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Blumen jeder Jahreszeit und aus allen Ländern der Welt; aber die Rosen liebte","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"sie besonders, und deshalb hatte sie von diesen die verschiedensten Arten,","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"von der wilden Heckenrose mit den nach Äpfeln duftenden grünen Blättern bis","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"zur schönsten Rose aus Frankreichs Provence. Und sie wuchsen an den Mauern des","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Schlosses hinauf, rankten sich um Säulen und Fensterrahmen, in die Gänge hinein","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"und an den Decken der Säle entlang, und jede gab ihr Bestes in Duft, Form und","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Farbe.","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Aber Trauer und Trübsal wohnten drinnen. Die Königin lag auf dem Sterbelager und","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"die Ärzte verkündeten, daß sie sterben müsse.","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"\"Eine Rettung gibt es noch für sie\" sagte der Weiseste unter ihnen. \"Bringt ihr","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"die schönste Rose der Welt, die Rose, die das Sinnbild der höchsten und reinsten","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Liebe ist; kommt ihr diese vor die Augen, ehe sie brechen, so stirbt sie nicht.\"","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Und Jung und Alt kamen von weit und breit mit Rosen, den herrlichsten, die","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"in jedem Garten wuchsen; aber diese Rosen waren es nicht. Aus dem Garten der","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Liebe mußte die Blume geholt werden. Aber welche von den Rosen dort mochte der","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Ausdruck der höchsten, der reinsten Liebe sein?","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Und die Skalden sangen von der schönsten Rose der Welt, jeder sang von der","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"seinigen. Und es erging Botschaft weit im Lande umher an jedes Herz, das in","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Liebe schlug, Botschaft an jeden Stand und jedes Alter.","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"\"Noch hat niemand die Blume genannt!\" sagte der Weise. \"Niemand hat den Ort","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"gewiesen, wo ihre Schönheit entsprang. Nicht sind es die Rosen von Romeos und","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Julias Sarg oder von Walborgs Grabe, ob sie auch immer durch Sage und Lied","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"duften werden: es sind nicht die Rosen, die aus Winkelrieds blutigen Lanzen","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"hervorsprießen, ans dem Blute, das heilig der Brust des Helden entströmt beim","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Tode fürs Vaterland, obgleich kein Tod süßer, keine Rose röter ist als das Blut,","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"was da geflossen ist. Auch jene Wunderblume ist es nicht, für deren Pflege der","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Mann im Jahr und Tag, in langen schlaflosen Nächten, in einsamer Stube, sein","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"frisches Leben hingibt, der Wissenschaft magische Rose.\"","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"\"Ich weiß, wo sie blüht\" sagte eine glückselige Mutter, die mit ihrem kleinen","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Kinde an das Lager der Königin trat. \"Ich weiß, wo man die schönste Rose der","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Welt finden kann, die Rose, die das Sinnbild der höchsten und reinsten Liebe","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"ist. Sie blüht auf den rosigen Wangen meines süßen Kindes, wenn es, vom Schlafe","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"gestärkt, die Augen aufschlägt und mich mit all seiner Liebe anlacht!\"","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"\"Lieblich ist diese Rose, aber es gibt eine schönere\" sagte der Weise.","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"\"Ja, eine weit schönere\" sagte eine der Frauen. \"Ich habe sie erblickt; eine","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"erhabenere, eine heiligere Rose blüht nirgends, aber sie war bleich, wie die","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Blütenblätter der Teerose; auf den Wangen der Königin sah ich sie. Sie hatte","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"ihre königliche Krone abgetan und trug selbst in langer, sorgenvoller Nacht ihr","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"krankes Kind in den Armen, weinte darum, küßte es und flehte darum zu Gott, wie","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"nur eine Mutter betet in der Stunde der Angst\"","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"\"Heilig und wunderbar in ihrer Macht ist der Sorge weiße Rose, aber auch sie ist","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"es nicht.\"","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"\"Nein, die schönste Rose der Welt sah ich am Altar des Herrn\" sagte der gute,","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"alte Bischof. \"Ich sah sie leuchten; wie eines Engels Antlitz zeigte sie","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"sich. Die jungen Mädchen gingen zum Tische des Herrn, um den Bund der Taufe zu","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"erneuen, und es erblühten und erbleichten Rosen auf ihren frischen Wangen. Ein","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"junges Mädchen stand dort; sie schaute mit der vollen Reinheit und Liebe ihrer","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"ganzen Seele zu ihrem Gott auf; das war der Ausdruck der reinsten und höchsten","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Liebe.\"","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"\"Gesegnet sei sie!\" sagte der Weise, \"doch noch immer hat keiner von Euch die","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"schönste Rose der Welt genannt.\"","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Da trat in die Stube ein Kind, der Königin kleiner Sohn. Die Tränen standen in","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"seinen Augen und auf seinen Wangen; er trug ein großes, aufgeschlagenes Buch, in","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Samt gebunden und mit Silber beschlagen.","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"\"Mutter\" sagte der Kleine, \"O, hör doch, was ich gelesen habe.\" Und das Kind","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"setzte sich an das Bett und las aus dem Buche vor von dem, der sich selbst","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"am Kreuze geopfert hatte, um die Menschheit, selbst die noch ungeborenen","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Geschlechter, zu erlösen. \"Größere Liebe gibt es nicht.\"","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Da ging ein Rosenschein über die Wangen der Königin, ihre Augen wurden groß,","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"so klar, denn sie sah aus den Blättern des Buches die schönste Rose der Welt","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"emporwachsen, sie, die aus Christi Blut am Kreuzesstamme hervorsproß.","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"\"Ich sehe sie\" sagte sie. \"Niemals stirbt, wer diese Rose sah, die schönste auf","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Erden.\"","book":"Die schönste Rose der Welt"} {"text":"Ja, nach Jahrtausenden kommen sie auf den Flügeln des Dampfes durch die Luft","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"über das Weltmeer. Amerikas junge Einwohner besuchen das alte Europa. Sie kommen","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"zu den Denkmälern hier und zu unserer versunkenen Pracht, so wie wir heute nach","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Südasien wandern, um dessen bröckelnde Herrlichkeiten zu sehen.","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Nach Jahrtausenden kommen sie.","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Themse, Donau und Rhein rollen noch; der Montblanc steht mit seinem","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Schneegipfel, die Nordlichter schimmern über den Ländern des Nordens, aber","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Geschlecht auf Geschlecht wird zu Staub, die Mächtigen des Augenblicks werden","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"vergessen, wie es schon jetzt diejenigen sind, die unter dem Hügel dort","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"schlummern auf dem der wohlhabende Mehlhändler, dem der Grund und Boden gehört,","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"sich eine Bank hat zimmern lassen um dort sitzen und über die flachen, wogenden","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Kornfelder hinschauen zu können.","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"\"Nach Europa\" heißt es bei Amerikas jungem Geschlecht, \"nach der Väter Land, dem","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"herrlichen Lande der Erinnerung und der Fantasie, Europa\"","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Das Luftschiff kommt; es ist überfüllt mit Reisenden, denn die Fahrt geht","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"geschwinder als zur See. Der elektromagnetische Draht unter dem Weltmeer hat","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"schon telegraphiert, wie groß die Luftkarawane ist. Schon kommt Europa in Sicht,","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"es sind Irlands Küsten, die sich zeigen, aber die Passagiere schlafen noch;","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"sie wollen erst geweckt werden, wenn sie über England sind. Dort betreten sie","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Europas Erde in Shakespeares Land, wie es die Söhne des Geistes heißen; das Land","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"der Politik, das Land der Maschinen, wie es andere nennen.","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Einen ganzen Tag wird hier Aufenthalt genommen, soviel Zeit widmet das","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"eilfertige Geschlecht dem großen England und Schottland.","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Dann geht die Fahrt durch den Kanaltunnel nach Frankreich, Karls des Großen","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"und Napoleons Land. Moliere wird genannt, die Gelehrten sprechen von einer","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"klassischen und romantischen Schule im fernen Altertum, und von Helden, Dichtern","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"und Gelehrten, die unsere Zeit nicht kennt, die aber auf Europas Krater, Paris,","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"geboren werden sollen.","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Der Luftdampfer fliegt über das Land hin, von wo Kolumbus ausging, wo Cortez","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"geboren wurde und wo Calderon Dramen in wiegenden Strophen sang. Herrliche","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"schwarzäugige Frauen wohnen noch in den blühenden Tälern und in uralten Gesängen","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"gedenkt man des Cid und der Alhambra.","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Durch die Luft über das Meer nach Italien, wo das alte, ewige Rom lag; es ist","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"ausgelöscht, die Campagne ist eine Wüste. Von der Peterskirche wird ein einsamer","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Mauerrest gezeigt, aber man zweifelt an seiner Echtheit.","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Nach Griechenland, um eine Nacht in dem Luxushotel auf der Spitze des Olymps zu","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"schlafen, dann ist man dort gewesen. Die Fahrt gebt auf den Bosporus zu, um dort","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"einige Stunden zu ruhen und die Stätte zu sehen, wo Byzanz einst lag. Ärmliche","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Fischer spannen ihre Netze dort, wo die Sage von den Gärten des Harems in der","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Zeit der Türken erzählt.","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Überreste von mächtigen Städten an der breit dahinfließenden Donau, die unsere","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Zeit nicht kennt, werden überquert, aber hier und da – über Stätten reicher","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Erinnerungen, den kommenden, die die Zeit noch gebiert – hier und da senkt sich","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"die Luftkarawane und hebt sich wieder.","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Dort unten liegt Deutschland – das einmal vom dichtesten Netz von Eisenbahnen","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"und Kanälen überspannt war, das Land, wo Luther sprach, Goethe sang und Mozart","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"in seiner Zeit der Töne Zepter trug. Große Namen leuchteten dort in Wissenschaft","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"und Kunst, Namen, die wir noch nicht kennen. Eines Tages Aufenthalt für","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Deutschland und einen Tag für den Norden, für Oerstedts und Linnés Vaterland,","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"und für Norwegen, der alten Helden und jungen Nordmänner Land. Island wird","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"auf dem Heimwege mitgenommen; die Geiser kochen nicht mehr, der Hekla ist","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"erloschen, aber die Felseninsel, der Saga ewige Steintafel, steht stark mitten","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"im brausenden Meer.","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"\"In Europa gibt es viel zu sehen\" sagt der junge Amerikaner. \"Wir haben es","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"in acht Tagen gesehen, und das läßt sich recht gut schaffen, wie der große","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Reisende\" – ein Name wird genannt, der der kommenden Zeit angehört, \"In seinem","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"berühmten Werk, 'Europa in acht Tagen' bewiesen hat.\"","book":"Nach Jahrtausenden"} {"text":"Zwischen der Ostsee und der Nordsee liegt ein altes Schwanennest, das wird","book":"Das Schwanennest"} {"text":"Dänemark genannt. Darin sind und werden Schwäne geboren, deren Name niemals","book":"Das Schwanennest"} {"text":"sterben wird.","book":"Das Schwanennest"} {"text":"In grauer Vorzeit flog eine Schar von Schwänen über die Alpen hinab zu Mailands","book":"Das Schwanennest"} {"text":"grünen Ebenen, wo gut wohnen war. Diese Schar Schwäne wurden Langobarden","book":"Das Schwanennest"} {"text":"geheißen. Eine andere Schar, mit leuchtendem Gefieder und treuen Augen schwangen","book":"Das Schwanennest"} {"text":"sich bis hinunter nach Byzanz. Dort ließen sie sich um den Thron des Kaisers","book":"Das Schwanennest"} {"text":"nieder und breiteten ihre großen, weißen Schwingen wie Flügel aus, um ihn zu","book":"Das Schwanennest"} {"text":"beschirmen. Sie erhielten den Namen Väringer.","book":"Das Schwanennest"} {"text":"Von Frankreichs Küsten erklang ein Angstschrei vor den blutigen Schwänen, die","book":"Das Schwanennest"} {"text":"mit Feuer unter den Schwingen von Norden gezogen kamen, und das Volk betete:","book":"Das Schwanennest"} {"text":"\"Gott, befreie uns von den wilden Normannen!\"","book":"Das Schwanennest"} {"text":"Auf Englands frischgrünen Wiesen am offenen Strande stand der dänische Schwan","book":"Das Schwanennest"} {"text":"mit dreifacher Königskrone auf dem Haupte, und er streckte sein goldenes Zepter","book":"Das Schwanennest"} {"text":"über das Land.","book":"Das Schwanennest"} {"text":"Die Knie beugten die Heiden an Pommerns Küste, als die dänischen Schwäne mit der","book":"Das Schwanennest"} {"text":"Fahne des Kreuzes und gezogenem Schwerte kamen.","book":"Das Schwanennest"} {"text":"\"Das war in lang vergangenen Tagen,\" sagst du.","book":"Das Schwanennest"} {"text":"Auch näher unserer Zeit sah man mächtige Schwäne uns dem Neste fliegen.","book":"Das Schwanennest"} {"text":"Es leuchtete durch die Luft, es leuchtete weit über die Länder der Welt;","book":"Das Schwanennest"} {"text":"der Schwan teilte mit mächtigem Schwingenschlag die dämmernden Nebel und der","book":"Das Schwanennest"} {"text":"Sternenhimmel wurde deutlicher sichtbar, es war als rücke er der Erde näher; das","book":"Das Schwanennest"} {"text":"war der Schwan Tycho Brahe.","book":"Das Schwanennest"} {"text":"\"Ja, damals!\" sagst du, \"aber jetzt in unseren Tagen.\" Da sahen wir Schwan","book":"Das Schwanennest"} {"text":"auf Schwan in herrlichem Fluge dahinfliegen. Einer ließ seine Flügel über die","book":"Das Schwanennest"} {"text":"Goldharfe hingleiten, und es klang durch den Norden. Norwegens Felsen erhoben","book":"Das Schwanennest"} {"text":"sich höher im Sonnenlichte der Vorzeit; es sauste in Birke und Tanne; die","book":"Das Schwanennest"} {"text":"Götter des Nordens, Helden und edle Frauen zeigten sich im tiefen, dunklen","book":"Das Schwanennest"} {"text":"Waldesgrunde.","book":"Das Schwanennest"} {"text":"Wir sahen einen Schwan mit den Schwingen gegen den Marmorfelsen schlagen,","book":"Das Schwanennest"} {"text":"daß der Felsen barst, und die im Gestein gebundenen Gestalten der Schönheit","book":"Das Schwanennest"} {"text":"schritten in den sonnenlichten Tag hervor und die Menschen ringsum in den","book":"Das Schwanennest"} {"text":"Ländern erhoben ihr Haupt um diese mächtigen Gestalten zu sehen.","book":"Das Schwanennest"} {"text":"Einen dritten Schwan sahen wir einen Gedankenfaden spannen, der nun von Land zu","book":"Das Schwanennest"} {"text":"Land rings um die Erde reicht, so daß das Wort mit des Blitzes Geschwindigkeit","book":"Das Schwanennest"} {"text":"durch die Länder fliegt.","book":"Das Schwanennest"} {"text":"Unser Herrgott hat das alte Schwanennest zwischen Ostsee und Nordsee lieb. Laß","book":"Das Schwanennest"} {"text":"die mächtigen Vögel nur durch die Lüfte kommen, um es niederzureißen: \"Das soll","book":"Das Schwanennest"} {"text":"nicht geschehen!\" Selbst die federlosen Jungen stellen sich im Kreise um des","book":"Das Schwanennest"} {"text":"Nestes Rand, das haben wir gesehen, sie lassen sich in die junge Brust hacken,","book":"Das Schwanennest"} {"text":"daß ihr Blut fließt, sie schlagen mit Schnabel und Klauen.","book":"Das Schwanennest"} {"text":"Jahrhunderte werden noch vergehen, die Schwäne fliegen vom Neste, gesehen","book":"Das Schwanennest"} {"text":"und gehört von aller Welt, bevor die Zeit kommen wird, daß in Geist und","book":"Das Schwanennest"} {"text":"Wahrheit gesagt werden kann: \"Das ist der letzte Schwan, der letzte Sang vom","book":"Das Schwanennest"} {"text":"Schwanenneste.\"","book":"Das Schwanennest"} {"text":"In einem der kleinen Marktflecken bei einem Manne, der seinen eigenen Hof hatte,","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"saß abends in der Jahreszeit, in der die Abende länger werden, die ganze Familie","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"im Kreise zusammen. Es war noch milde und warm. Die Lampe war angezündet, die","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"langen Gardinen hingen vor den Fenstern nieder, auf denen Blumentöpfe standen,","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"und draußen war herrlicher Mondschein. Aber davon sprachen sie nicht, sie","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"sprachen von einem alten, großen Stein, der unten im Hofe lag, dicht bei der","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"Küchentür, wohin die Mädchen oft das geputzte Kupferzeug stellten, damit es in","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"der Sonne trocknen sollte, und wo die Kinder gern spielten, es war eigentlich","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"ein alter Grabstein.","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"\"Ja,\" sagte der Hausherr, \"ich glaube, er stammt aus der alten, abgebrochenen","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"Klosterkirche. Die Kanzel, die Denkmäler und die Grabsteine wurden ja verkauft!","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"Mein seliger Vater kaufte mehrere davon; sie wurden zu Pflastersteinen","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"zerschlagen, aber dieser Stein blieb übrig und liegt seitdem im Hofe.\"","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"\"Man kann wohl sehen, daß es ein Grabstein ist,\" sagte das älteste von den","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"Kindern. \"Es ist darauf noch ein Stundenglas und ein Stück von einem Engel","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"zu sehen, aber die Inschrift, die darauf gestanden hat, ist schon verwischt","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"außer dem Namen Preben und einem großen 'S', das gleich dahinter steht, und","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"ein bißchen weiter unten steht 'Marthe'. Mehr kann man nicht herausbekommen und","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"auch das ist nur deutlich zu sehen, wenn es geregnet hat oder wir ihn gewaschen","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"haben.\"","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"\"Herrgott, das ist Preben Svanes und seiner Frau Leichenstein!\" sagte ein alter,","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"alter Mann im Zimmer. Seinem Alter nach hätte er gut und gerne der Großvater all","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"der Alten und Jungen, die hier versammelt waren, sein können. \"Ja, das Ehepaar","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"war eines der letzten, die auf dem alten Klosterkirchhofe beerdigt worden sind!","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"Das war ein altes, ehrenhaftes Paar aus meinen Knabenjahren! Alle kannten sie,","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"und alle liebten sie; sie waren das Alters-Königspaar hier in der Gegend. Die","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"Leute sagten von ihnen, daß sie über eine Tonne Gold besäßen, doch gingen sie","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"einfach gekleidet, im gröbsten Zeug, aber ihr Linnen war blendend weiß. Das","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"war ein prächtiges altes Paar. Preben und Marthe. Wenn sie auf der Bank oben","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"auf der großen Steintreppe des Hauses saßen, über die der alte Lindenbaum seine","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"Zweige breitete, und sie so freundlich und milde nickten, wurde man ordentlich","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"fröhlich. Sie waren unendlich gutherzig gegen die Armen! Sie speisten sie","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"und kleideten sie, und es war Vernunft und wahres Christentum in all ihren","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"Wohltaten. Zuerst starb die Frau. Ich entsinne mich noch so gut des Tages.","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"Ich war ein kleiner Knabe und mit meinem Vater drinnen beim alten Preben, als","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"sie gerade hinübergeschlummert war. Der alte Mann war so bewegt, er weinte wie","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"ein Kind. Die Tote lag noch in der Schlafkammer, dicht neben dem Zimmer, in","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"dem wir saßen. Und er sprach zu meinem Vater und ein paar Nachbarn davon, wie","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"einsam es nun sein würde, wie gut sie gewesen sei, wieviele Jahre sie zusammen","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"gelebt hätten und wie es zugegangen wäre, daß sie einander kennen gelernt und","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"sich lieb gehabt hätten. Ich war, wie gesagt, klein und stand und hörte zu,","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"aber es erfüllte mich seltsam stark, dem alten Mann zu lauschen und zu sehen,","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"wie er immer lebhafter wurde und rote Wangen bekam, als er vom Verlobungstage","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"sprach und davon, wie lieblich sie gewesen wäre und wieviele unschuldige,","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"kleine Umwege er gemacht hätte, um mit ihr zusammenzutreffen. Und er erzählte","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"vom Hochzeitstag; seine Augen leuchteten auf dabei, er lebte sich gleichsam","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"wieder zurück in die schönen Zeiten damals, und sie lag dicht dabei in der","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"Kammer, tot, eine alte Frau, und er war ein alter Mann und sprach von den Zeiten","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"der Hoffnung! – ja, ja, so gehts! Damals war ich ein Kind nur, und heute bin","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"ich alt, alt wie Preben Svane. Die Zeit vergeht und alles verändert sich! Ich","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"erinnere mich noch gut ihres Begräbnistages. Der alte Preben ging dicht hinter","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"dem Sarge her. Ein paar Jahre vorher hatte das Ehepaar seinen Grabstein meißeln","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"lassen mit Inschrift und Namen, bis auf den Todestag. Der Stein wurde am Abend","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"hinausgefahren und auf das Grab gelegt, und ein Jahr später wurde er wieder","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"emporgehoben und der alte Preben kam zu seiner Frau heim. – Sie hinterließen","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"nicht solchen Reichtum, wie die Leute geglaubt und behauptet hatten. Das","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"was blieb, fiel an die Familie, die weit entfernt lebte, keiner hatte sie je","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"gekannt. Das Fachwerkhaus mit der Bank auf der hohen Steintreppe unter dem","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"Lindenbaum wurde vom Magistrat niedergerissen, denn es war allzu baufällig, als","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"daß man es hätte stehen lassen dürfen. Später, als es der Klosterkirche ebenso","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"erging und der Kirchhof aufgehoben wurde, kam Prebens und Marthes Grabstein, wie","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"alles andere von dort, zu dem, der ihn kaufen wollte, und nun hat es sich gerade","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"so getroffen, daß er nicht mit zerschlagen und verbraucht worden ist, sondern","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"noch immer im Hofe liegt als Spielzeug für die Kleinen und als Trockenstelle für","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"das gescheuerte Küchenzeug der Mädchen. Die gepflasterte Straße geht nun über","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"die Ruhestätte des alten Preben und seiner Frau. Keiner kennt sie mehr.\"","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"Und der alte Mann, der all dies erzählte, schüttelte wehmütig das Haupt.","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"\"Vergessen\" – \"Alles wird vergessen\" sagte er.","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"Und dann sprachen sie im Zimmer von anderen Dingen, aber der kleinste Knabe,","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"ein Kind mit großen, ernsten Augen, kletterte auf den Stuhl hinter der Gardine","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"und sah hinab in den Hof, wo der Mond hell auf den großen Stein schien, der ihm","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"zuvor stets leer und flach erschienen war, nun aber da lag, wie ein großes Blatt","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"im Buche der Geschichte. Alles, was der Knabe von Preben und seiner Frau gehört","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"hatte, knüpfte sich an den Stein. Und er blickte auf ihn und hinauf in den","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"klaren, lichten Mond in der reinen, hohen Luft, und es war, als ob eines Gottes","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"Antlitz über die Erde hinschien.","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"\"Vergessen. Alles wird vergessen!\" klang es im Zimmer, und in diesem Augenblick","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"küßte ein unsichtbarer Engel des Kindes Brust und Stirn und flüsterte leise:","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"\"Bewahre das empfangene Samenkorn gut. Bewahre es bis zur Zeit der Reife. Durch","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"Dich, o Kind, sollen die verwischte Inschrift, der verwitterte Grabstein in","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"leuchtenden, goldenen Zügen für kommende Geschlechter bewahrt bleiben. Das alte","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"Ehepaar soll wieder Arm in Arm durch die alten Straßen wandern, mit frischen,","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"roten Wangen lächelnd auf der Steintreppe unter dem Lindenbaum sitzen und arm","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"und reich zunicken. Das Samenkorn aus dieser Stunde wird im Laufe der Jahre sich","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"in eine blühende Dichtung verwandeln. Das Gute und Schöne wird nicht vergessen,","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"es lebt in Sagen und Liedern.\"","book":"Der alte Grabstein"} {"text":"Es war in den letzten Tagen des Januar; ein fürchterlicher Schneesturm","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"trieb daher. Der Schnee fegte wirbelnd durch die Straßen und Gassen. Die","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Fensterscheiben waren außen wie vom Schnee gepolstert, von den Dächern stürzte","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"er in ganzen Haufen und die Leute hasteten vorwärts; sie liefen, sie flogen","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"und stürzten einander in die Arme, hielten sich aneinander einen Augenblick","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"fest und hatten wenigstens solange einen Halt. Wagen und Pferde waren gleichsam","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"überpudert, die Diener standen mit dem Rücken gegen den Wagen gelehnt, um sich","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"vor dem Winde zu schützen, und die Fußgänger suchten beständig Deckung hinter","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"den Wagen, die nur langsam in dem tiefen Schnee von der Stelle kamen. Als sich","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"endlich der Sturm legte, und ein schmaler Fußsteig längs den Häusern ausgeworfen","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"wurde, standen die Leute doch noch stille, wenn sie sich begegneten. Keiner von","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"ihren hatte Lust, den ersten Schritt in den tiefen Schnee an den Seiten zu tun,","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"damit der andere vorüber könne. Schweigend standen sie still, bis endlich, fast","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"wie in einer stummen Übereinkunft, jeder von ihnen ein Bein preisgab und es in","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"dem Schneehaufen versinken ließ.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Gegen Abend wurde es windstill. Der Himmel sah aus wie gefegt und höher und","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"durchsichtiger als zuvor; die Sterne waren funkelfnagelneu und glänzten blau","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"und klar. Dabei fror es, daß der Schnee krachte. Bei dem Wetter konnte wohl die","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"oberste Schneeschicht so fest werden, daß sie am Morgen die Spatzen trug; die","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"hüpften bald oben herum bald unten, wo geschaufelt war; viel Nahrung war jedoch","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"nicht zu finden und sie froren bitterlich.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Piep\" sagte der eine zum anderen, \"das nennt man nun das neue Jahr. Es ist ja","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"schlimmer als das alte. Dann hätten wir es ebensogut behalten können. Ich bin","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"schlechter Laune, und dazu habe ich guten Grund.\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Ja, da liefen nun die Menschen umher und schossen das neue Jahr ein,\" sagte","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"ein kleiner verfrorener Spatz. \"Sie warfen Töpfe gegen die Türen und waren rein","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"außer sich vor Freude, daß nun das alte Jahr vergangen war. Und ich war auch","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"froh darüber, denn ich erwartete, daß wir nun warme Tage bekommen würden, aber","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"daraus ist nichts geworden! Es friert noch viel stärker als zuvor; die Menschen","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"haben sich in der Zeitrechnung geirrt!\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Das haben sie\" sagte ein Dritter, der schon alt und weißköpfig war. \"Sie","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"haben da etwas, das sie den Kalender nennen. Das ist ihre eigene Erfindung, und","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"deshalb soll sich alles danach richten, aber das tut es nicht. Wenn der Frühling","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"kommt, beginnt das Jahr. Das ist der Lauf der Natur und danach rechne ich.\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Aber wann kommt der Frühling?\" fragten die anderen.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Der kommt, wenn der Storch kommt; aber damit ist es ziemlich unbestimmt. Hier","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"in der Stadt ist keiner, der etwas davon versteht. Auf dem Lande draußen wissen","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"sie es besser. Wollen wir hinaus fliegen und warten? Dort ist man doch dem","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Frühling näher.\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Ja, das ist ein guter Gedanke!\" sagte einer von denen, die lange auf und ab","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"gehüpft waren und gepiept hatten, ohne eigentlich etwas zu sagen. \"Ich habe","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"hier in der Stadt allerdings einige Bequemlichkeiten, die ich fürchte, draußen","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"entbehren zu müssen. Hier in der Nähe in einem Hofe wohnt eine Menschenfamilie,","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"die den vernünftigen Gedanken gehabt, hat, an der Wand drei bis vier Blumentöpfe","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"mit der großen Öffnung nach innen und dem Boden nach außen anzunageln. Dort","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"ist ein Loch hineingeschnitten, das gerade so groß ist, daß ich aus und ein","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"fliegen kann. Dort habe ich mit meinem Manne genistet, und von dort sind alle","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"unsere Jungen ausgeflogen. Die Menschenfamilie hat das Ganze natürlich nur","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"eingerichtet, um das Vergnügen zu haben, uns zu beobachten, sonst hätten sie es","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"wohl kaum getan. Sie streuen Brotkrumen hin, natürlich auch zu ihrem Vergnügen,","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"und wir haben dadurch Nahrung. Es ist sozusagen für uns gesorgt, – und deshalb","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"glaube ich, daß ich bleibe und daß auch mein Mann bleibt, obgleich wir sehr","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"unzufrieden sind, – aber wir bleiben!\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Und wir fliegen hinaus aufs Land, um zu sehen, ob nicht das Frühjahr kommt.\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Und dann flogen sie.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Aber es war eisiger Winter draußen auf dem Lande; es fror noch ein paar Grade","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"mehr als in der Stadt drinnen. Der scharfe Wind blies über die schneebedeckten","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Felder. Der Bauer, mit großen Fausthandschuhen an den Händen, saß auf dem","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Schlitten und schlug die Arme übereinander, um die Kälte auszuhalten. Die","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Peitsche lag in seinem Schoße, die mageren Pferde liefen, daß sie dampften, der","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Schnee knirschte und die Spatzen hüpften in den Kufenspuren und froren. \"Piep!","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"wann kommt der Frühling? Es dauert so lange!\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Solange!\" erklang es über die Felder von dem schneebedeckten Hügel her.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Es konnte das Echo sein, was man hörte, aber es konnte auch die Rede des","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"wunderlichen alten Mannes sein, der oben auf der Schneewehe in Wind und Wetter","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"saß. Er war ganz weiß, gerade wie ein Bauer im weißen Flauschmantel, mit langem","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"weißen Haar, weißem Barte, ganz bleich und mit großen, klaren Augen.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Wer ist der Alte dort?\" fragten die Spatzen.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Das weiß ich!\" sagte ein alter Rabe, der auf einem Zaunpfahle saß und","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"herablassend genug war, anzuerkennen, daß wir alle vor Gott nur kleine Vögel","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"sind, und sich deshalb auch mit den Spatzen einließ und eine Erklärung abgab.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Ich weiß, wer der Alte ist. Das ist der Winter, der alte Mann vom vorigen Jahr;","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"er ist nicht tot, wie der Kalender sagt, nein, er ist sozusagen der Vormund des","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"kleinen Prinzen Frühling, der nun kommt. Ja, der Winter führt das Regiment. Hu!","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Ihr klappert ja ordentlich, Ihr Kleinen!\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Na, was habe ich immer gesagt?\" sagte der kleinste. \"Der Kalender ist eine","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Menschenerfindung! die sich nicht in die Natur einfügen will. Das sollten sie","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"lieber uns überlassen, uns, die wir mit viel feineren Sinnen begabt sind.\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Und es verging eine Woche, es vergingen fast zwei; der Wald war schwarz, der","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"gefrorene See lag schwer und sah aus wie erstarrtes Blei. Die Wolken, ja, das","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"waren keine Wolken, das war nasser, eiskalter Nebel, der über der Erde hing.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Die großen, schwarzen Krähen flogen in Scharen ohne jeden Schrei; es war, als","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"schliefe alles. – Da glitt ein Sonnenstrahl über den See, und er glänzte wie","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"geschmolzenes Zinn. Die Schneedecke über den Feldern und oben auf der Anhöhe","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"schimmerte nicht mehr wie zuvor, aber die weiße Gestalt, der Winter selbst, saß","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"dort noch immer, den Blick stets gen Süden gerichtet. Er bemerkte es gar nicht,","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"daß der Schneeteppich gleichsam in die Erde versank und daß hie und da ein","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"kleiner grasgrüner Fleck zum Vorschein kam; da wimmelte es dann von Spatzen.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Quivit, Quivit, kommt nun der Frühling?\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Der Frühling\" klang es über Feld und Wiese und durch die schwarzbraunen","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Wälder, in denen das Moos frischgrün auf den Baumstämmen leuchtete. Und durch","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"die Luft kamen von Süden her die ersten zwei Störche gezogen. Auf dem Rücken","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"jedes von ihnen saß ein kleines schönes Kind, ein Knabe und ein Mädchen. Sie","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"küßten die Erde zum Willkomm, und wohin sie ihren Fuß setzten, wuchsen weiße","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Blumen unter dem Schnee hervor. Hand in Hand gingen sie hinauf zu dem alten","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Eismanne, dem Winter, und legten sich zu neuem Gruße an seine Brust, und in","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"demselben Augenblick waren sie alle drei verschwunden, und die ganze Landschaft","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"war verschwunden. Ein dicker, nasser Nebel, dicht und schwer, umhüllte alles. –","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Ein wenig später blies ein Lüftlein, dann fuhr der Wind daher mit starken Stößen","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"und jagte den Nebel fort, und die Sonne schien warm. Der Winter selbst war","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"verschwunden und des Frühlings schöne Kinder saßen auf dem Throne des Jahres.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Das nenne ich Neujahr\" sagten die Spatzen \"Nun werden wir wohl wieder in unsere","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Rechte eingesetzt und bekommen Ersatz für den strengen Winter.\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Wohin die beiden Kinder sich wandten, sproßten grüne Knospen an Büschen und","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Bäumen hervor, wurde das Gras höher und die Saatfelder grüner und schöner. Und","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"ringsum streute das kleine Mädchen Blumen. Sie hatte einen ganzen Überfluß davon","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"in ihrem Schürzchen, sie schienen daraus hervorzuquellen, stets war es gefüllt,","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"wie eifrig sie auch streute. In ihrer Eilfertigkeit schüttelte sie einen wahren","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Blütenschnee über die Äpfel- und Pfirsichbäume, so daß sie in voller Pracht","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"dastanden, noch bevor sie grüne Blätter hatten.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Und sie klatschte in die Hände und der Knabe klatschte ebenfalls. Da kamen alle","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Vögel hervor, man wußte nicht woher, und alle zwitscherten und sangen: \"Der","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Frühling ist gekommen!\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Es war herrlich anzuschauen. Und manches alte Mütterchen kam aus seiner Tür","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"in den Sonnenschein hinaus, sah sich ringsum und erblickte die vielen gelben","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Blumen, die die ganze Wiese bedeckten gerade wie in ihren jungen Jahren. Die","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Welt wurde wieder einmal jung. \"Es ist ein gesegneter Tag heute\" sagte sie.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Der Wald war noch braungrün und Knospe stand an Knospe, aber der Waldmeister","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"war schon da, frisch und duftend. Die Veilchen standen in Mengen, und es gab","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Anemonen und gelbe Kuhblumen, ja, in jedem Grashalm war Saft und Kraft; es war","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"wirklich ein Prachtteppich, der förmlich zum Sitzen aufforderte, und dort saß","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"das junge Frühlingspaar, hielt sich an des Händen und sang und lächelte und","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"wuchs und wuchs.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Ein milder Regen fiel vom Himmel auf sie herab; sie merkten es nicht.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Regentropfen und Freudentränen vereinigten sich zu einem einzigen Tropfen. Braut","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"und Bräutigam küßten einander, und im Nu schlug der ganze Wald aus. – Als die","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Sonne aufging, waren alle Wälder grün.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Und Hand in Hand ging das Brautpaar unter dem frischen, hängenden Laubdach, wo","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"nur des Sonnenlichts Strahlen und die Schlagschatten einen Farbenwechsel in all","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"dem Grün hervorzauberten. Eine jungfräuliche Reinheit und ein erfrischender Duft","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"lag über den feinen Blättern. Klar und lebhaft rieselten Bächlein und Quellen","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"zwischen dem samtgrünen Schilfe und über die glitzernden Steine dahin. \"Und so","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"ist es und bleibt es ewiglich\" sagte die ganze Natur. Und der Kuckuck rief und","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"die Lerche trillerte, und der schöne Frühling war da. Nur die Weiden trugen noch","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Wollhandschuhe über ihren Blüten, sie waren eben so übervorsichtig, und das ist","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"langweilig!","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Und so vergingen Tage und Wochen, die Wärme strömte zur Erde nieder; heiße","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Luftwellen gingen durch das Korn, das sich mehr und mehr gelb färbte. Des","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Nordens weiße Lotosblume breitete auf den Waldseen ihre großen, grünen Blätter","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"über dem Wasserspiegel aus, und die Fische suchten den Schatten darunter.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Auf der windgeschützten Seite des Waldes, wo die Sonne auf die Wände des","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Bauernhauses hinab brannte und die aufgeblühten Rosen tüchtig durchwärmte und","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"wo die Kirschenbäume voller saftiger, schwarzer, fast sonnenheißer Kirschen","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"hingen, saß des Sommers herrliches Weib, sie, die wir schon als Kind und Braut","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"sahen. Sie sah in die aufsteigenden dunklen Wolken, die wogenförmig, den Bergen","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"gleich, sich schwarzblau und schwer höher und höher erhoben. Von drei Seiten","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"kamen sie; mehr und mehr senkten sie sich wie ein versteinertes Meer gegen den","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Wald hinab, wo alles wie verzaubert stille schwieg. Jedes Lüftchen hatte sich","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"gelegt, jeder Vogel schwieg, Ernst und Erwartung lagen über der ganzen Natur.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Aber auf den Wegen und Steigen eilten Fahrende, Reitende und Gehende vorwärts,","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"um unter Dach zu kommen. – Da leuchtete es mit einem Male auf, als breche die","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Sonne hervor, blinkend, blendend, verbrennend, und unter rollendem Krachen","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"versank wieder alles im Dunkel. Das Wasser stürzte in Strömen vom Himmel; es","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"wurde Nacht und wieder Licht, es ward totenstille, und dann donnerte es wieder.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Die jungen braungefiederten Rohrstengel im Sumpfe bewegten sich wogend auf und","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"nieder, die Zweige des Waldes verbargen sich unter einer Regenhülle; Dunkel","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"und Licht, Stille und Donner wechselten unaufhörlich. Gras und Korn lagen","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"wie niedergeschlagen, wie zur Erde gespült, als könnten sie sich nie wieder","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"erheben. – Plötzlich wurden aus dem Regen einzelne Tropfen, die Sonne schien","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"und von Gräsern und Blättern blinkten die Wassertropfen wie Perlen, die Vögel","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"sangen wieder, die Fische sprangen im Wasser des Baches, die Mücken tanzten,","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"und draußen auf den Steinen im salzigen, gepeitschten Meereswasser saß der","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Sommer selbst, der kräftige Mann mit den fülligen Gliedern, dem triefenden Haar","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"– verjüngt vom frischen Bade saß er im warmen Sonnenschein. Die ganze Natur","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"ringsum war verjüngt. Alles stand reich und kräftig und schön; es war Sommer,","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"warmer, herrlicher Sommer.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Lieblich und süß war der Duft, der von dem üppigen Kleefelde herüberwehte,","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"die Bienen summten um das uralte Thing, die Bromheerranken wanden sich um den","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Opferaltar, der vom Regen gewaschen im Sonnenlichte glänzte. Dorthin flog die","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Bienenkönigin mit ihrem Schwarm und setzte dort Wachs und Honig an. Niemand","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"sah es außer dem Sommer und seinem kräftigen Weibe; für sie allein stand der","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Altartisch gedeckt mit den Opfergaben der Natur.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Der Abendhimmel erstrahlte wie Gold, keine Kirchenkuppel war so reich, und der","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Mond leuchtete zwischen Abend- und Morgenrot. Es war Sommerszeit.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Und es vergingen Wochen und Tage. – Der Schnitter blanke Sensen blinkten in den","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Kornfeldern. Die Zweige der Apfelbäume beugten sich unter der Last ihrer gelben","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"und roten Früchte; der Hopfen duftete köstlich und hing in großen Knospen, und","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"unter dem Haselbusch, an dem die Nüsse in schweren Büscheln hingen, ruhten Mann","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"und Frau, der Sommer und sein tiefernstes Weib.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Welcher Reichtum\" sagte sie. \"Rundum ruht Segen, heimlich und gut, über allem,","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"und doch, ich weiß selbst nicht, ich sehne mich nach Ruhe – Stille. Ich finde","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"nicht das rechte Wort dafür. Nun pflügen sie schon wieder auf den Feldern! Mehr","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"und immer mehr wollen die Menschen gewinnen! – Sieh, die Störche kommen schon in","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Scharen und gehen hinter dem Pfluge her, Ägyptens Vögel, die uns durch die Lüfte","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"trugen. Erinnerst Du Dich, wie wir beide als Kinder hierher nach den Ländern","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"des Nordens kamen? – Blumen brachten wir her, herrlichen Sonnenschein und grüne","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Wälder, nun hat sie der Wind schon tüchtig zerzaust, sie werden braun und dunkel","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"wie des Südens Bäume, aber sie tragen nicht, wie diese, goldene Früchte.\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Danach sehnst Du Dich?\" fragte der Sommer. \"Nun so freue Dich.\" Er hob den Arm","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"und die Blätter färbten sich mit Rot und mit Gold und die Wälder erstrahlten","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"in herrlichster Farbenpracht; an den Rosenhecken leuchteten feuerrote","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Hagebutten, die Fliederbüsche hingen schwer zur Erde unter der Last ihrer großen","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"schwarzbraunen Beeren, die wilden Kastanien fielen reif aus ihren dunkelgrünen","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Schalen und im Walde drinnen blühten die Veilchen zum zweiten Male.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Aber des Jahres Königin wurde immer stiller und bleicher. \"Es weht kalt\" sagte","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"sie, \"die Nacht hat nasse Nebel. – Ich sehne mich nach dem Lande der Kindheit.\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Sie sah die Störche fortfliegen, jeden einzigen! Und sie streckte die Hände nach","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"ihnen aus. Sie sah zu den Nestern empor, die leer standen; in einem wuchs eine","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"langstielige Kornblume und in einem anderen der gelbe Löwenzahn, als sei das","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Nest nur zu ihrem Schutz und Schirm da. Und die Spatzen setzten sich hinein.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Piep. Wo sind denn die Herrschaften geblieben! Sie können wohl nicht vertragen,","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"daß ihnen ein bißchen Luft um die Nase weht, da sind sie gleich ins Ausland","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"gegangen. Glück auf die Reise.\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Und gelber und gelber färbten sich die Wälder, Blatt nach Blatt fiel, die","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Herbststürme sausten; die Erntezeit ging zu Ende. Auf dem gelben Laubteppich","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"lag die Königin des Jahres und sah mit sanften Augen zu den blinkenden Sternen","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"empor, ihr Gemahl stand bei ihr. Ein Windstoß wirbelte das Laub auf – es fiel","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"wieder zur Erde, aber sie war verschwunden; nur ein Schmetterling, des Jahres","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"letzter, flog durch die kalte Luft.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Und die nassen Nebel kamen, die eisigen Winde und die dunklen, langen Nächte.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Des Jahres Beherrscher stand mit schneeweißem Haar. Er selbst wußte nichts","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"davon, er glaubte, es seien Schneeflocken, die aus den Wolken niederfielen; eine","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"dünne .Schneedecke legte sich über die grünen Felder.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Die Kirchenglocken läuteten die Weihnachtszeit ein.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Die Glocken der Geburt klingen!\" sagte des Jahres Beherrscher. \"Bald wird das","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"neue Herrscherpaar geboren, und ich gehe zur Ruhe wie sie. Zur Ruhe bei den","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"blinkenden Sternen.\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Und in dem frischen, grünen Tannenwald, über dem der Schnee lag, stand der","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Weihnachtsengel und weihte die jungen Bäume, die zum Fest kommen sollten.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Freude in den Stuben und unter den grünen Zweigen\" sagte des Jahres greiser","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Beherrscher; diese Wochen hatten ihn schneeweiß und uralt gemacht. \"Jetzt naht","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"die Stunde der Ruhe; des Jahres, junges Paar empfängt nun Zepter und Krone.\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Die Macht ist noch Dein,\" sagte der Weihnachtsengel, \"die Macht und nicht die","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Ruhe! Laß den Schnee wärmend über den jungen Saaten liegen. Lerne ertragen, daß","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"einem anderen gehuldigt wird, während Du noch Herrscher bist, lerne, vergessen","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"zu sein und doch zu leben. Die Stunde Deiner Freiheit naht, wenn der Frühling","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"kommt.\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Wann kommt der Frühling?\" fragte der Winter.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Er kommt, wenn der Storch kommt.\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Und mit weißen Locken und schneeweißem Barte saß der Winter eiskalt, alt und","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"gebeugt, aber stark wie der Wintersturm und des Eises Macht hoch oben auf der","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Schneewehe des Hügels und blickte gen Süden, wie der vorige Winter gesessen und","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"geschaut hatte. – Das Eis krachte, der Schnee knirschte, die Schlittschuhläufer","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"schwangen sich auf den blanken Seen, und Raben und Krähen gefielen sich auf dem","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"weißen Grunde, kein Wind rührte sich. Und in der stillen Luft faltete der Winter","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"die Hände und das Eis legte sich stark als Brücke zwischen die Länder.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Da kamen wieder die Spatzen aus der Stadt und fragten: \"Wer ist der alte Mann","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"dort oben?\" Und der Rabe saß wieder dort, oder war es ein Sohn von ihm? aber das","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"ist ja gleich – und er sagte zu ihnen: \"Das ist der Winter. Der alte Mann vom","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"vorigen Jahr. Er ist nicht tot, wie der Kalender sagt, sondern der Vormund des","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"kommenden Frühlings.\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Wann kommt der Frühling?\" fragten die Spatzen, \"dann bekommen wir bessere","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Zeiten und ein mildes Regiment. Das alte taugte nichts!\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Und in stillen Gedanken nickte der Winter zum blätterlosen, schwarzen Walde","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"hinüber, wo jeder Baum seiner Zweige herrliche Form und Biegung zeigte, und über","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"ihren Winterschlaf legten sich der Wolken eiskalte Nebel. Der Herrscher träumte","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"von seinen Jugend- und Mannesjahren und als es tagte, stand der ganze Wald mit","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"glitzerndem Rauhreif überschüttet; das war der Sommertraum des Winters. Der","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Sonnenschein aber nahm den Rauhreif wieder von den Zweigen.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Wann kommt der Frühling?\" fragten die Spatzen.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Der Frühling?\" erklang es wie Echo von den Hügeln, auf denen der Schnee noch","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"lag. Und die Sonne schien wärmer und wärmer, der Schnee schmolz und die Vögel","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"zwitscherten: \"Der Frühling kommt.\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Und hoch durch die Lüfte kam der erste Storch, der zweite folgte; ein schönes","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Kind saß auf dem Rücken jedes von ihnen und sie schwebten auf das offene Feld","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"nieder und küßten die Erde und küßten den alten stillen Mann, der, wie Moses auf","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"dem Berge, von einer Nebelwolke getragen, verschwand.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Die Geschichte des Jahres war zu Ende.","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"\"Das ist sehr richtig!\" sagten die Spatzen, \"und es ist auch sehr schön, aber es","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"stimmt nach dem Kalender nicht und deshalb ist es doch verkehrt!\"","book":"Die Geschichte des Jahres"} {"text":"Der heiligste von allen unseren Lebenstagen ist der Tag, an dem wir sterben; das","book":"Der letzte Tag"} {"text":"ist der letzte Tag, der heilige, große Tag der Verwandlung. Hast Du schon einmal","book":"Der letzte Tag"} {"text":"von rechtem Ernste erfüllt über diese mächtige, und allen gewisse letzte Stunde","book":"Der letzte Tag"} {"text":"auf Erden nachgedacht?","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Da war einmal ein Mann, ein Strenggläubiger, wie er genannt wurde, ein Streiter","book":"Der letzte Tag"} {"text":"für das Wort, das ihm Gesetz war, ein eifernder Diener eines eifernden Gottes.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"– Nun stand der Tod an seinem Bette. Der Tod mit seinem strengen himmlischen","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Antlitz.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"\"Die Stunde ist gekommen, da Du mir folgen sollst!\" sagte der Tod; er berührte","book":"Der letzte Tag"} {"text":"mit seinen eiskalten Händen seine Füße und sie erstarrten; der Tod berührte","book":"Der letzte Tag"} {"text":"seine Stirn, und dann sein Herz, und es brach bei der Berührung und die Seele","book":"Der letzte Tag"} {"text":"folgte dem Engel des Todes.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Aber in den wenigen Sekunden vorher, während der Weihe vom Fuße über die Stirn","book":"Der letzte Tag"} {"text":"bis zum Herzen, brauste, wie eines Meeres große, schwere Woge, alles, was das","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Leben gebracht und erweckt hatte, über den Sterbenden dahin. So sieht man mit","book":"Der letzte Tag"} {"text":"einem Blick hinab in die schwindelnde Tiefe und erfaßt mit einem blitzartigen","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Gedanken den unübersehbaren Weg, so sieht man mit einem Blick das zahllose","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Sternengewimmel, erkennt Körper und Welten im weiten Raume.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"In solchem Augenblick schaudert der entsetzte Sünder und hat nichts, auf das er","book":"Der letzte Tag"} {"text":"sich stützen könnte, es ist, als sänke er tief in eine unendliche Leere. Aber","book":"Der letzte Tag"} {"text":"der Fromme birgt sein Haupt in Gottes Schoß und ergibt sich ihm wie ein Kind:","book":"Der letzte Tag"} {"text":"\"Dein Wille geschehe mit mir.\"","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Doch dieser Sterbende hatte nicht eines Kindes Sinn; er fühlte, daß er Mann war.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Er schauderte nicht wie der Sünder, er wußte, er war ein Rechtgläubiger. Die","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Gesetze der Religion hatte er in all ihrer Strenge erfüllt. Millionen, wußte er,","book":"Der letzte Tag"} {"text":"mußten den breiten Weg der Verdammnis beschreiten; mit Schwert und Feuer hätte","book":"Der letzte Tag"} {"text":"er ihren Leib hier zerstören mögen, wie ihre ganze Seele es bereits war und ewig","book":"Der letzte Tag"} {"text":"bleiben würde! Sein Weg ging nun gen Himmel, wo ihm die Gnade die Tore öffnen","book":"Der letzte Tag"} {"text":"würde, die verheißene Gnade.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Und die Seele ging mit dem Engel des Todes, aber einmal noch blickte sie","book":"Der letzte Tag"} {"text":"zurück zu dem Lager, wo ihre irdische Hülle in dem weißen Totenhemd lag. Ein","book":"Der letzte Tag"} {"text":"fremder Abdruck ihres Ich. – Und sie flogen und sie gingen – es war wie in","book":"Der letzte Tag"} {"text":"einer mächtigen Halle und doch wie in einem Walde. Die Natur war beschnitten,","book":"Der letzte Tag"} {"text":"gespannt, aufgebunden und in Reihen gestellt, verkünstelt, wie in den alten","book":"Der letzte Tag"} {"text":"französischen Gärten; es war eine Maskerade.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"\"So ist das Menschenleben\" sagte der Engel des Todes.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Alle Gestalten waren mehr oder weniger vermummt; es waren nicht immer die","book":"Der letzte Tag"} {"text":"edelsten und mächtigsten, die mit Samt und Gold bekleidet waren, und es waren","book":"Der letzte Tag"} {"text":"nicht die niedrigsten und geringsten, die in den Armeleutekleidern steckten. –","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Es war eine wunderliche Maskerade. Ganz besonders seltsam war es zu sehen, wie","book":"Der letzte Tag"} {"text":"jeder unter seinen Kleidern sorgfältig etwas vor dem anderen verbarg; aber der","book":"Der letzte Tag"} {"text":"eine riß am anderen, bis es zum Vorschein kam, und da sah man den Kopf eines","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Tieres hervorkommen; bei dem einen war es ein grinsender Affe, bei einem anderen","book":"Der letzte Tag"} {"text":"ein häßlicher Ziegenbock, eine feuchte Schlange oder ein matter Fisch.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Es war das Tier, das wir alle in uns tragen, das Tier, das in jedem Menschen","book":"Der letzte Tag"} {"text":"mit ihm zugleich wächst, und es hüpfte und sprang und wollte heraus, aber","book":"Der letzte Tag"} {"text":"jeder hielt die Kleider fest darüber. Die anderen jedoch zerrten sie beiseite","book":"Der letzte Tag"} {"text":"und riefen: \"Siehst Du, sieh, das ist sie.\" Und einer entblößte des anderen","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Erbärmlichkeit.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"\"Und welches Tier war in mir?\" fragte die wandernde Seele; und der Engel","book":"Der letzte Tag"} {"text":"des Todes zeigte auf eine stolze Gestalt vor ihnen, um deren Haupt eine","book":"Der letzte Tag"} {"text":"buntschillernde Glorie sich zeigte. Aber am Herzen des Mannes verbargen sich die","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Füße des Tieres, eines Pfauen Füße; der Glorienschein war nur des Vogels bunter","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Schweif.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Und als sie weiter wanderten, schrieen große Vögel widerlich kreischend von den","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Zweigen der Baume; mit deutlich vernehmbaren Menschenstimmen kreischten sie:","book":"Der letzte Tag"} {"text":"\"Du Wanderer des Todes, denkst Du an mich?\" – Das waren alle die bösen Gedanken","book":"Der letzte Tag"} {"text":"und Begierden aus den Tagen seines Lebens, die ihm jetzt zuriefen: \"Denkst Du an","book":"Der letzte Tag"} {"text":"mich?\" –","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Und die Seele schauderte einen Augenblick, denn sie erkannte die Stimmen, die","book":"Der letzte Tag"} {"text":"bösen Gedanken und Begierden, die hier als Zeugen auftraten.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"\"In unserem Fleisch, in unserer bösen Natur wohnt das Gute nicht\" sagte die","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Seele, \"aber die Gedanken wurden bei mir nicht zu Taten, die Welt hat ihre böse","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Frucht nicht gesehen!\" Und sie eilte vorwärts, um dem widerlichen Geschrei zu","book":"Der letzte Tag"} {"text":"entgehen, aber die großen schwarzen Vögel umschwebten sie rings im Kreise und","book":"Der letzte Tag"} {"text":"schrien und kreischten, als solle es über die ganze Welt gehört werden. Sie","book":"Der letzte Tag"} {"text":"sprang wie die gejagte Hindin, und bei jedem Schritt stieß sie mit dem Fuße auf","book":"Der letzte Tag"} {"text":"scharfe Feuersteine, die die Füße zerschnitten, daß es schmerzte. \"Woher kommen","book":"Der letzte Tag"} {"text":"diese scharfen Steine? Wie welkes Laub liegen sie auf der Erde.\"","book":"Der letzte Tag"} {"text":"\"Das ist jedes unvorsichtige Wort, das Du fallen ließest und das Deines Nächsten","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Herz weit tiefer versehrte, als jetzt die Steine Deinen Fuß.\"","book":"Der letzte Tag"} {"text":"\"Das habe ich nicht bedacht!\" sagte die Seele.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"\"Richtet nicht, auf daß Ihr nicht gerichtet werdet!\" erklang es durch die Luft.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"\"Wir haben alle gesündigt!\" sagte die Seele und erhob sich wieder. \"Ich habe das","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Gesetz und das Evangelium gehalten, ich habe getan, was ich tun konnte, ich bin","book":"Der letzte Tag"} {"text":"nicht wie die anderen.\"","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Und sie standen an der Himmelspforte, und der Engel, der Hüter des Eingangs,","book":"Der letzte Tag"} {"text":"fragte: \"Wer bist Du? Bekenne mir Deinen Glauben und zeige ihn mir in Deinen","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Taten!\"","book":"Der letzte Tag"} {"text":"\"Ich habe alle Gebote strenge erfüllt. Ich habe mich vor den Augen der Welt","book":"Der letzte Tag"} {"text":"gedemütigt, ich habe das Böse und die Bösen gehaßt und verfolgt, sie, die auf","book":"Der letzte Tag"} {"text":"dem breiten Weg zur ewigen Verdammnis schreiten, und das will ich noch jetzt mit","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Feuer und Schwert, wenn ich die Macht dazu habe.\"","book":"Der letzte Tag"} {"text":"\"Du bist also einer von Mohammeds Bekennern!\" sagte der Engel.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"\"Ich? – Niemals.\"","book":"Der letzte Tag"} {"text":"\"Wer zum Schwerte greifet, soll durch das Schwert umkommen, sagt der Sohn!","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Seinen Glauben hast Du nicht. Bist Du vielleicht ein Sohn Israels, der mit Moses","book":"Der letzte Tag"} {"text":"spricht: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ein Sohn Israels, dessen eifernder Gott nur","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Deines Volkes Gott ist?\"","book":"Der letzte Tag"} {"text":"\"Ich bin ein Christ!\"","book":"Der letzte Tag"} {"text":"\"Das erkenne ich weder in Deinem Glauben noch in Deinen Taten. Christi Lehre ist","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Versöhnung, Liebe und Gnade.\"","book":"Der letzte Tag"} {"text":"\"Gnade!\" erklang es durch den unendlichen Raum und die Himmelspforte öffnete","book":"Der letzte Tag"} {"text":"sich und die Seele schwebte der offenen Herrlichkeit entgegen.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Aber das Licht, das herausströmte, war so blendend, so durchdringend, daß die","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Seele zurückwich wie vor einem gezogenen Schwerte. Die Töne erklangen so weich","book":"Der letzte Tag"} {"text":"und ergreifend, wie keine irdische Zunge es wiedergeben kann, und die Seele","book":"Der letzte Tag"} {"text":"bebte und beugte sich tiefer und immer tiefer; doch die himmlische Klarheit","book":"Der letzte Tag"} {"text":"durchdrang sie und sie fühlte und empfand, was sie niemals zuvor gefühlt hatte,","book":"Der letzte Tag"} {"text":"die Bürde ihres Hochmutes, ihrer Härte und Sünde. – Es wurde licht in ihr.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"\"Was ich Gutes tat in der Welt, das tat ich, weil ich nicht anders konnte, aber","book":"Der letzte Tag"} {"text":"das Böse – das kam aus mir selbst!\"","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Und die Seele fühlte sich von dem reinen, himmlischen Lichte geblendet;","book":"Der letzte Tag"} {"text":"ohnmächtig versank sie, so schien es ihr, in sich selbst verkrümmt in die Tiefe.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Gebeugt, unreif für das Himmelreich und mit den Gedanken bei dem strengen,","book":"Der letzte Tag"} {"text":"gerechten Gott, wagte sie nicht hervorzustammeln: \"Gnade.\"","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Und nun war die Gnade da, die nicht erwartete Gnade.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"Gottes Himmel war überall im unendlichen Raum, Gottes Liebe durchströmte ihn in","book":"Der letzte Tag"} {"text":"unerschöpflicher Fülle.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"\"Werde heilig, herrlich, liebreich und ewig, o Menschenseele!\" klang es und sang","book":"Der letzte Tag"} {"text":"es. Und alle, alle sollten wir an unseres irdischen Lebens letztem Tage, wie","book":"Der letzte Tag"} {"text":"die Seele hier, zurückbeben vor des Himmelreichs Glanz und Herrlichkeit, sollten","book":"Der letzte Tag"} {"text":"uns beugen und tief und demütig niedersinken und doch getragen von seiner Liebe,","book":"Der letzte Tag"} {"text":"seiner Gnade, aufrecht erhalten werden, schwebend in neuen Bahnen, geläutert,","book":"Der letzte Tag"} {"text":"edler und besser, und immer näher des Lichtes Herrlichkeit, bis wir, von ihm","book":"Der letzte Tag"} {"text":"gestärkt, Kraft erhalten, um zur ewigen Klarheit emporzusteigen.","book":"Der letzte Tag"} {"text":"\"Das ist ja eine schreckliche Geschichte\" sagte ein Huhn, und zwar an dem Ende","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"des Dorfes, wo die Geschichte nicht passiert war. \"Das ist ja eine schreckliche","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"Geschichte im Hühnerhaus. Ich getraue mich gar nicht, heute nacht allein zu","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"schlafen! Es ist nur gut, daß wir soviele im Stalle sind\" – Und dann erzählte","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"es, daß sich den anderen Hühnern die Federn sträubten und der Hahn den Kamm","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"sinken ließ. Es ist wirklich wahr.","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"Aber wir wollen von Anfang anfangen, und der war am anderen Ende des Dorfes","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"in einem Hühnerhaus. Die Sonne ging unter und die Hühner flogen auf. Eins","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"von ihnen, es war weißgefiedert und kurzbeinig, legte seine vorgeschriebene","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"Anzahl Eier und war, als Huhn, in jeder Weise respektabel. Als es die Leiter","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"hinaufstieg, krause es sich mit dem Schnabel, und dabei fiel ihm eine kleine","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"Feder aus.","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"\"Hin ist hin!\" sagte es. \"Je mehr ich mich putze, desto schöner werde ich noch!\"","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"Das war scherzhaft hingesprochen; denn es war das lustigste unter den Hühnern,","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"im übrigen war es, wie gesagt, sehr respektabel; und dann schlief es ein.","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"Ringsum war es dunkel, Huhn an Huhn saß auf der Stange; aber das, was am","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"nächsten dabei gesessen hatte, schlief noch nicht. Es hörte halb, halb hörte","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"es nicht, wie man es ja in dieser Welt handhaben soll, um seine Gemütsruhe zu","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"bewahren. Aber seiner anderen Nachbarin mußte es doch noch schnell zuflüstern:","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"\"Hast Du gehört, was hier gesprochen worden ist? Ich nenne keinen Namen, aber es","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"gibt hier ein Huhn, das sich rupfen will, um schön auszusehen! Wenn ich ein Hahn","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"wäre, würde ich es verachten.\"","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"Gerade gegenüber den Hühnern saß die Eule mit ihrem Eulenmann und den","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"Eulenkindern; in dieser Familie hat man scharfe Ohren, sie hörten jedes Wort,","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"was das Nachbarhuhn sagte. Und sie rollten mit den Augen und die Eulenmutter","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"fächelte sich mit den Flügeln: \"Hört nur nicht hin! Aber Ihr habt es wohl doch","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"gehört, was dort drüben gesprochen wurde? Ich hörte es mit meinen eigenen Ohren,","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"und man hört ja viel ehe sie abfallen! Da ist eins unter den Hühnern, was in","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"einem solchen Grade vergessen hat, was sich für ein Huhn schickt, daß es sitzt","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"und sich alle Federn vom Leibe zupft und es den Hahn mit ansehen läßt!\"","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"\"Prenez garde aux enfants!\" sagte der Eulenvater, \"das ist nichts für die","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"Kinder.\"","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"\"Ich will es doch der Nachbareule erzählen! Das ist eine so ehrenwerte Eule im","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"Umgang!\" damit flog die Mutter fort.","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"\"Hu–Hu! uhuh!\" tuteten die beiden gerade in den gegenüberliegenden Taubenschlag","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"zu den Tauben hinein. \"Habt Ihr schon gehört? uhuh! Da ist ein Huhn, daß sich","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"alle Federn ausgerupft hat wegen des Hahns. Es wird totfrieren, wenn es nicht","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"schon tot ist, uhuh!\" - \"Wo? Wo?\" kurrten die Tauben.","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"\"Im Nachbarhofe! Ich habe es so gut wie selbst gesehen. Es ist zwar eine etwas","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"unanständige Geschichte, aber es ist wirklich wahr!\"","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"\"Glaubt nur, glaubt nur jedes einzige Wort\" sagten die Tauben und kurrten zu","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"ihrem Hühnerstall hinab: \"Da ist ein Huhn, ja, einige sagen sogar, es seien","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"zwei, die sich alle Federn ausgerupft haben, um nicht wie die anderen auszusehen","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"und dadurch die Aufmerksamkeit des Hahns zu erregen. Das ist ein gewagtes Spiel,","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"man kann sich dabei erkälten und am Fieber sterben, nun sind sie beide tot!\"","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"\"Wacht auf! Wacht auf!\" krähte der Hahn und flog auf den Zaun. Der Schlaf","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"saß ihm noch in den Augen, aber er krähte trotzdem: \"Es sind drei Hühner","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"aus unglücklicher Liebe zu einem Hahn gestorben! Sie haben sich alle Federn","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"ausgerupft! Das ist eine häßliche Geschichte, ich will sie nicht für mich","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"behalten, laßt sie weitergehen!\"","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"\"Laßt sie weitergehen!\" pfiffen die Fledermäuse, und die Hühner kluckten und","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"der Hahn krähte: \"Laßt sie weitergehen! Laßt sie weitergehen!\" Und so eilte die","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"Geschichte von Hühnerhaus zu Hühnerhaus und endete zuletzt bei der Stelle, von","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"wo sie ausgegangen war.","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"\"Da sind fünf Hühner,\" hieß es, \"die sich alle die Federn ausgerupft haben, um","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"zu zeigen, welches von ihnen am magersten vor Liebeskummer um den Hahn geworden","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"wäre, und sie hackten auf einander los, bis das Blut floß und fielen tot zur","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"Erde, ihrer Familie zu Schimpf und Schande und dem Besitzer zu großem Verlust.\"","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"Das Huhn, das die lose, kleine Feder verloren hatte, erkannte sich natürlich","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"in der Geschichte nicht wieder, und da es ein respektables Huhn war, sagte es:","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"\"Diese Hühner verachte ich. Aber es gibt mehr von dieser Art. So etwas soll man","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"nicht vertuschen, ich will jedenfalls das meinige dazu tun, daß die Geschichte","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"in die Zeitung kommt, dann geht sie durch das ganze Land, das haben die Hühner","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"verdient und die Familie auch!\"","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"Und es kam in die Zeitung und wurde gedruckt und es ist wirklich wahr: Aus einer","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"kleinen Feder können schnell fünf Hühner werden!","book":"Das ist wirklich wahr"} {"text":"Mein Vater hat mir das beste Erbteil hinterlassen; von ihm habe ich die","book":"Gute Laune"} {"text":"gute Laune. Und wer war mein Vater? Ja, das hat mit der Laune wohl nichts zu","book":"Gute Laune"} {"text":"schaffen. Er war lebhaft und betriebsam, wohlbeleibt und rund; sein Äußeres","book":"Gute Laune"} {"text":"und Inneres standen völlig im Gegensatz zu seinem Gewerbe. Und was war sein","book":"Gute Laune"} {"text":"Geschäft, seine gesellschaftliche Stellung? Ja, wenn das gleich im Anfang eines","book":"Gute Laune"} {"text":"Buches niedergeschrieben und gedruckt wird, so ist es verständlich, daß einige,","book":"Gute Laune"} {"text":"die es lesen, das Buch zur Seite legen und sagen: Das sieht mir zu unheimlich","book":"Gute Laune"} {"text":"aus, damit will ich nichts zu tun haben, und doch war mein Vater weder Abdecker","book":"Gute Laune"} {"text":"noch Scharfrichter, im Gegenteil, sein Geschäft stellte ihn oft an die Spitze","book":"Gute Laune"} {"text":"der ehrenwertesten Männer, und dort war er ganz zu recht, ganz an seinem Platze;","book":"Gute Laune"} {"text":"er mußte der Erste sein, vor dem Bischof und vor Prinzen von Geblüt – und er war","book":"Gute Laune"} {"text":"der Erste – er war Leichenwagenkutscher.","book":"Gute Laune"} {"text":"Nun ist es heraus. Und das kann ich sagen, wenn man meinen Vater dort oben","book":"Gute Laune"} {"text":"sitzen sah vor dem Omnibus des Todes, in seinem langen, schwarzen Mantel und","book":"Gute Laune"} {"text":"mit dem schwarzbefransten Dreispitz auf dem Kopfe und dazu in sein Gesicht","book":"Gute Laune"} {"text":"blickte, das ganz leibhaftig aussah, als habe man die Sonne abgezeichnet, rund","book":"Gute Laune"} {"text":"und lachend, dann konnte man an Trauer und Grab nicht denken; das Antlitz sagte:","book":"Gute Laune"} {"text":"\"Das tut nichts, es geht alles viel besser, als man glaubt!\"","book":"Gute Laune"} {"text":"Sieh, von ihm habe ich meine gute Laune und die Gewohnheit, zuweilen auf","book":"Gute Laune"} {"text":"den Kirchhof hinaus zu gehen; das ist unterhaltsam, wenn man nur gute Laune","book":"Gute Laune"} {"text":"mitbringt, und dann halte ich auch das Provinzblättchen, wie er es tat.","book":"Gute Laune"} {"text":"Ich bin nicht mehr ganz jung, – ich habe weder Frau noch Kind noch Bibliothek,","book":"Gute Laune"} {"text":"aber wie gesagt, ich halte das Provinzblättchen, das genügt mir, es ist für","book":"Gute Laune"} {"text":"mich das beste Blatt, und das war es auch für meinen Vater. Es leistet gute","book":"Gute Laune"} {"text":"Dienste und enthält alles, was ein Mensch zu wissen braucht: wer in der Kirche","book":"Gute Laune"} {"text":"und wer in den neuen Büchern predigt, wo man Häuser, Dienstmädchen, Kleider und","book":"Gute Laune"} {"text":"Nahrungsmittel bekommt, wer ausverkauft und wer von der Erde scheidet, und dann","book":"Gute Laune"} {"text":"liest man von sovielen Wohltaten und soviele unschuldige Verse, die niemandem","book":"Gute Laune"} {"text":"weh tun, Heiratsannoncen und Stelldicheine, auf die eingegangen wird oder auch","book":"Gute Laune"} {"text":"nicht, alles ist einfach und natürlich. Man kann wirklich glücklich leben und","book":"Gute Laune"} {"text":"sich begraben lassen, wenn man das Provinzblättchen hält, und dann hat man auch","book":"Gute Laune"} {"text":"an seinem Lebensende so herrlich viel Papier, daß man sich weich darauf betten","book":"Gute Laune"} {"text":"kann, wenn man nicht gern auf Hobelspänen liegt.","book":"Gute Laune"} {"text":"Das Provinzblättchen und der Kirchhof, das sind und waren immer meine","book":"Gute Laune"} {"text":"geistanregendsten Spazierfahrten, meine beiden gesegneten Badeanstalten für die","book":"Gute Laune"} {"text":"gute Laune.","book":"Gute Laune"} {"text":"Das Provinzblättchen kann sich ein jeder zu Gemüte führen; aber gehe mit mir","book":"Gute Laune"} {"text":"auf den Kirchhof, laß uns dorthin gehen, wenn die Sonne scheint und die Bäume","book":"Gute Laune"} {"text":"grün sind, laß uns zwischen den Gräbern entlang gehen. Jedes von ihnen ist","book":"Gute Laune"} {"text":"ein geschlossenes Buch mit dem Rücken nach oben. Man kann den Titel lesen,","book":"Gute Laune"} {"text":"der ankündigt, was das Buch enthält und doch nichts besagt. Aber ich weiß","book":"Gute Laune"} {"text":"Bescheid, weiß es von meinem Vater her und von mir selbst. Ich habe es in meinem","book":"Gute Laune"} {"text":"Gräberbuch aufgezeichnet; das ist ein Buch, das ich selbst verfertigt habe zum","book":"Gute Laune"} {"text":"Nutzen und Vergnügen. Darin liegen sie allesamt, und noch einige mehr.","book":"Gute Laune"} {"text":"Nun sind wir auf dem Kirchhofe.","book":"Gute Laune"} {"text":"Hier, hinter dem weißgestrichenen Holzgitter, worin einstmals ein Rosenstrauch","book":"Gute Laune"} {"text":"stand, – nun ist er fort, aber ein wenig Immergrün vom Nachbargrabe streckt","book":"Gute Laune"} {"text":"seine grünen Finger hinein, um es doch etwas zu schmücken, ruht ein sehr","book":"Gute Laune"} {"text":"unglücklicher Mann und doch, als er lebte, stand er sich gut, wie man so","book":"Gute Laune"} {"text":"sagt; er hatte sein gutes Auskommen und noch etwas mehr, aber er ließ sich die","book":"Gute Laune"} {"text":"Welt, oder vielmehr die Kunst, zu nahe gehen. Saß er des Abends im Theater,","book":"Gute Laune"} {"text":"um mit ganzer Seele zu genießen, so geriet er völlig außer sich, wenn nur der","book":"Gute Laune"} {"text":"Maschinenmeister ein zu starkes Licht hinter dem Monde anbrachte, oder der","book":"Gute Laune"} {"text":"Theaterhimmel vor den","book":"Gute Laune"} {"text":"Kulissen hing, wenn er dahinter hängen sollte, oder ein Palmenbaum auf einer","book":"Gute Laune"} {"text":"Ostseeinsel stand, ein Kaktus in Tirol oder Buchenwald hoch oben in Norwegen.","book":"Gute Laune"} {"text":"Kann das nicht ganz gleichgültig sein? Wer denkt über so etwas nach. Es ist ja","book":"Gute Laune"} {"text":"nur Theater, das zu unserem Vergnügen da sein soll. – Dann wieder fand er, daß","book":"Gute Laune"} {"text":"das Publikum zuviel oder zu wenig klatschte. \"Es ist nasses Holz\" sagte er, \"es","book":"Gute Laune"} {"text":"will heute abend nicht zünden.\" Und dann wandte er sich um, um zu sehen, was für","book":"Gute Laune"} {"text":"Leute da seien. Dabei sah er, daß sie ganz verkehrt lachten, an Stellen lachten,","book":"Gute Laune"} {"text":"die gar nicht zum Lachen angetan waren. Und über so etwas ärgerte er sich und","book":"Gute Laune"} {"text":"litt darunter und war ein unglücklicher Mensch. Nun liegt er im Grabe.","book":"Gute Laune"} {"text":"Hier ruht ein sehr glücklicher Mann, das will sagen, ein sehr vornehmer Mann","book":"Gute Laune"} {"text":"von hoher Geburt, und das war sein Glück, denn sonst wäre niemals etwas aus","book":"Gute Laune"} {"text":"ihm geworden. Aber alles ist ja so weise in der Natur eingerichtet, daß es","book":"Gute Laune"} {"text":"ein Vergnügen ist, darüber nachzusinnen. Er ging vorn und hinten gestickt und","book":"Gute Laune"} {"text":"war im Empfangszimmer aufgestellt, wie man einen köstlichen, perlenbestickten","book":"Gute Laune"} {"text":"Klingelzug anbringt, der hinter sich immer eine gute dicke Schnur zu hängen hat,","book":"Gute Laune"} {"text":"die die eigentlichen Dienste versieht; er hatte auch eine gute Schnur hinter","book":"Gute Laune"} {"text":"sich, einen Vertreter, der den Dienst für ihn versah und ihn noch tut, aber","book":"Gute Laune"} {"text":"hinter einem anderen, einem neuen gestickten Klingelzug. Alles ist so weislich","book":"Gute Laune"} {"text":"eingerichtet, daß es nicht schwer ist, seine gute Laune zu behalten.","book":"Gute Laune"} {"text":"Hier ruht, ja, das ist wirklich etwas höchst Trauriges. Hier ruht ein Mann, der","book":"Gute Laune"} {"text":"siebenundsechzig Jahre lang nur den einen Gedanken hatte, einen guten Einfall","book":"Gute Laune"} {"text":"kund zu tun. Er lebte nur um dieses guten Einfalls willen. Und dann endlich","book":"Gute Laune"} {"text":"hatte er wirklich einen, seiner eigenen Überzeugung nach wenigstens, und darüber","book":"Gute Laune"} {"text":"freute er sich so sehr, daß er starb, aus Freude darüber starb, daß er ihn","book":"Gute Laune"} {"text":"bekommen hatte. Und niemand hatte einen Nutzen davon, niemand hörte den guten","book":"Gute Laune"} {"text":"Einfall. Es läßt sich sogar denken, daß er des guten Einfalls wegen nicht einmal","book":"Gute Laune"} {"text":"im Grabe Ruhe findet; denn, gesetzt den Fall, daß es ein Einfall war, der beim","book":"Gute Laune"} {"text":"Frühstück gesagt werden muß, wenn er seine Wirkung tun sollte, und daß er, als","book":"Gute Laune"} {"text":"Toter, nach der allgemein geltenden Ansicht sich nur um Mitternacht zeigen kann,","book":"Gute Laune"} {"text":"so paßt der Einfall nicht in die Zeit; keiner lacht darüber und er kann sich mit","book":"Gute Laune"} {"text":"seinem guten Einfall begraben lassen. Das ist ein trauriges Grab.","book":"Gute Laune"} {"text":"Hier ruht eine sehr geizige Madame; als sie lebte, stand sie des Nachts auf und","book":"Gute Laune"} {"text":"miaute, damit die Nachbarn glauben sollten, sie hielte eine Katze; so geizig war","book":"Gute Laune"} {"text":"sie.","book":"Gute Laune"} {"text":"Hier ruht ein Fräulein aus guter Familie. In Gesellschaft sollte sie stets ihre","book":"Gute Laune"} {"text":"Stimme hören lassen, und dann sang sie: \"mi manca la voce!\" Das war die einzige","book":"Gute Laune"} {"text":"Wahrheit, die sie während ihres Lebens über die Lippen brachte!","book":"Gute Laune"} {"text":"Hier ruht eine Jungfrau anderen Schlages. Wenn des Herzens Kanarienvogel","book":"Gute Laune"} {"text":"aufzuschreien beginnt, dann steckt die Vernunft die Finger in die Ohren.","book":"Gute Laune"} {"text":"Schönjungfrau stand in der höchsten Glorie der Ehe! Das ist eine alltägliche","book":"Gute Laune"} {"text":"Geschichte – aber es ist so hübsch gesagt. Laß die Toten ruhen.","book":"Gute Laune"} {"text":"Hier ruht eine Witwe, die Schwanengesang auf den Lippen und Eulengalle im Herzen","book":"Gute Laune"} {"text":"hatte. Sie ging in allen Familien auf Raub aus nach den Mängeln der lieben","book":"Gute Laune"} {"text":"Nächsten.","book":"Gute Laune"} {"text":"Hier ist ein Erbbegräbnis. Alle Glieder des Geschlechtes hielten so getreulich","book":"Gute Laune"} {"text":"zusammen, daß, wenn die ganze Welt und selbst die Zeitung sagte \"So ist es\"","book":"Gute Laune"} {"text":"und der kleine Sohn der aus der Schule kam und sagte: \"Ich habe es auf die Art","book":"Gute Laune"} {"text":"gehört!\" So war seine Art die einzig richtige, weil er zur Familie gehörte.","book":"Gute Laune"} {"text":"Und es stand fest, wenn es sich gerade traf, daß der Hofhahn der Familie um","book":"Gute Laune"} {"text":"Mitternacht krähte, so war es Morgen ob auch der Wächter und alle Uhren der","book":"Gute Laune"} {"text":"Stadt sagten es sei Mitternacht.","book":"Gute Laune"} {"text":"Der große Goethe schließt seinen Faust: \"kann fortgesetzt werden,\" und das kann","book":"Gute Laune"} {"text":"auch unsere Wanderung hier auf dem Kirchhofe. Ich komme oft hierher.","book":"Gute Laune"} {"text":"Treibt es mir einer meiner Freunde oder Unfreunde zu bunt, dann gehe ich hier","book":"Gute Laune"} {"text":"hinaus, suche einen Rasenplatz und weihe ihn für denjenigen oder diejenige,","book":"Gute Laune"} {"text":"die ich begraben will und begrabe ihn sogleich, dann liegen sie dort tot und","book":"Gute Laune"} {"text":"machtlos, bis sie als neue und bessere Menschen zurückkehren. Ihr Leben und","book":"Gute Laune"} {"text":"ihre Geschichte schreibe ich, wie ich sie von meiner Seite aus sehe, in mein","book":"Gute Laune"} {"text":"Gräberbuch. Und so sollten es alle Menschen halten, sollten sich nicht ärgern,","book":"Gute Laune"} {"text":"wenn es ihnen jemand zu toll treibt, sondern ihn schnell begraben, immer für","book":"Gute Laune"} {"text":"gute Laune und das Provinzblättchen sorgen, dies vom Volke selbst, oft mit","book":"Gute Laune"} {"text":"gelenkter Feder, geschriebene Blatt.","book":"Gute Laune"} {"text":"Und kommt die Zeit, da ich selbst mit meiner Lebensgeschichte in das Grab","book":"Gute Laune"} {"text":"eingebunden werden soll, so setzt mir als Inschrift darauf:","book":"Gute Laune"} {"text":"\"Gute Laune.\"","book":"Gute Laune"} {"text":"Das ist meine Geschichte.","book":"Gute Laune"} {"text":"Es ist eigentlich eine Geschichte in zwei Teilen, mit der wir hier","book":"Herzeleid"} {"text":"aufwarten; der erste Teil könnte recht gut fortfallen, – aber er gibt uns die","book":"Herzeleid"} {"text":"Vorkenntnisse, und die sind nützlich!","book":"Herzeleid"} {"text":"Wir hielten uns weiter drinnen auf dem Lande auf einem Herrenhofe auf. Da","book":"Herzeleid"} {"text":"traf es sich, daß die Herrschaft dort für einen Tag fortfuhr und an demselben","book":"Herzeleid"} {"text":"Tage aus dem benachbarten Flecken eine Frau mit ihrem Mops kam. Sie kam, wie","book":"Herzeleid"} {"text":"sie sagte, um Aktien auf ihre Gerberei aufzunehmen. Ihr Papiere hatte sie","book":"Herzeleid"} {"text":"mitgebracht und wir rieten ihr, einen Umschlag darum zu tun und den Namen des","book":"Herzeleid"} {"text":"Gutsbesitzers darauf zu schreiben: \"Generalkriegskommissar, Ritter etc.\"","book":"Herzeleid"} {"text":"Sie tat, wie wir ihr sagten, sie ergriff die Feder, stockte und bat uns, die","book":"Herzeleid"} {"text":"Aufschrift noch einmal zu wiederholen, aber langsam. Wir taten es und sie","book":"Herzeleid"} {"text":"schrieb. Aber mitten im \"Generalkriegs\" blieb sie stecken, seufzte und sagte:","book":"Herzeleid"} {"text":"\"Ich bin nur ein Frauenzimmer.\" Den Mops hatte sie auf den Fußboden gesetzt,","book":"Herzeleid"} {"text":"während sie schrieb, und er knurrte. Er war wegen seiner Gesundheit und um","book":"Herzeleid"} {"text":"seines Vergnügens willen mitgenommen worden, und dann will man nicht auf","book":"Herzeleid"} {"text":"den Fußboden gesetzt werden. Stumpfnase und Speckrücken waren seine äußeren","book":"Herzeleid"} {"text":"Kennzeichen.","book":"Herzeleid"} {"text":"\"Er beißt nicht!\" sagte die Frau, \"er hat keine Zähne. Er ist wie jemand, der","book":"Herzeleid"} {"text":"zur Familie gehört, treu und bissig, aber dazu ist er von meinen Enkelkindern","book":"Herzeleid"} {"text":"gebracht worden. Sie spielen immer Hochzeit, und er soll Brautjungfer sein, das","book":"Herzeleid"} {"text":"strengt ihn zu sehr an, das alte Tier!\"","book":"Herzeleid"} {"text":"Und sie ließ ihre Papiere da und nahm den Mops auf den Arm. Das ist der erste","book":"Herzeleid"} {"text":"Teil der eigentlich entbehrlich war.","book":"Herzeleid"} {"text":"\"Der Mops starb!\" das ist der zweite Teil.","book":"Herzeleid"} {"text":"Es war eine Woche später; wir kamen in den Flecken und zogen in einen Gasthof.","book":"Herzeleid"} {"text":"Unsere Fenster gingen auf den Hof hinaus, der durch einen Bretterzaun in zwei","book":"Herzeleid"} {"text":"Teile geteilt war. In dem einen hingen Felle und Häute, rohe und gegerbte, und","book":"Herzeleid"} {"text":"hier standen auch alle Materialien zu einer Gerberei; sie gehörte der Witwe.","book":"Herzeleid"} {"text":"– Der Mops war an diesem Morgen gestorben und hier im Hofe begraben worden.","book":"Herzeleid"} {"text":"Der Witwe Enkelkinder, daß heißt also der Gerberwitwe, denn der Mops war nicht","book":"Herzeleid"} {"text":"verheiratet gewesen, klopften das Grab zu. Es war ein schönes Grab, es mußte","book":"Herzeleid"} {"text":"wahrlich ein Vergnügen sein, darin zu ruhen.","book":"Herzeleid"} {"text":"Das Grab war mit Topfscherben eingefaßt und mit Sand bestreut. Oben darauf","book":"Herzeleid"} {"text":"hatten sie eine kleine Bierflasche mit dem Halse nach oben gesetzt, aber es war","book":"Herzeleid"} {"text":"nicht allegorisch gemeint.","book":"Herzeleid"} {"text":"Die Kinder tanzten rund um das Grab und der älteste der Knaben, ein praktischer","book":"Herzeleid"} {"text":"Jüngling von sieben Jahren, schlug vor, daß das Grab des Mopses ausgestellt","book":"Herzeleid"} {"text":"werden solle, und zwar für alle Kinder aus der Straße. Der Eintritt mußte mit","book":"Herzeleid"} {"text":"einem Knopf bezahlt werden, das war etwas, was jeder Knabe besaß und was er","book":"Herzeleid"} {"text":"auch den kleinen Mädchen liefern konnte, und der Vorschlag wurde einstimmig","book":"Herzeleid"} {"text":"angenommen.","book":"Herzeleid"} {"text":"Und alle Kinder aus der Straße und der Nebenstraße kamen und gaben ihren Knopf.","book":"Herzeleid"} {"text":"Da kam mancher dazu, den ganzen Nachmittag lang mit nur einem Hosenträger","book":"Herzeleid"} {"text":"herumzulaufen, aber dafür hatte man auch des Mopses Grab gesehen, und das war es","book":"Herzeleid"} {"text":"wohl wert.","book":"Herzeleid"} {"text":"Doch draußen vor dem Gerberhofe, dicht an der Pforte, stand ein kleines","book":"Herzeleid"} {"text":"zerlumptes Mädchen, so hübsch und niedlich, mit dem schönsten Lockenhaar und","book":"Herzeleid"} {"text":"Augen so blau und so klar, daß es eine Lust war. Sie sagte nicht ein Wort, sie","book":"Herzeleid"} {"text":"weinte auch nicht, aber sie machte so lange Augen, wie sie nur konnte, jedesmal,","book":"Herzeleid"} {"text":"wenn die Tür geöffnet wurde. Sie wußte genau, daß sie keinen Knopf besaß und","book":"Herzeleid"} {"text":"blieb deshalb traurig draußen stehen. Dort stand sie, bis alle fortgegangen","book":"Herzeleid"} {"text":"waren; dann setzte sie sich nieder, hielt die kleinen, braunen Händchen vor die","book":"Herzeleid"} {"text":"Augen und brach in Tränen aus. Sie allein hatte des Mopses Grab nicht gesehen.","book":"Herzeleid"} {"text":"Das war ein Herzeleid, so groß wie es oft die Erwachsenen nicht haben.","book":"Herzeleid"} {"text":"Wir sahen es von oben – und von oben gesehen – ja, über diese, wie über viele","book":"Herzeleid"} {"text":"unserer und anderer Sorgen – konnten wir lächeln! Das ist die Geschichte, und","book":"Herzeleid"} {"text":"wer sie nicht versteht, kann Aktien auf die Gerberei der Witwe nehmen.","book":"Herzeleid"} {"text":"Es ist über hundert Jahre her.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Da lag hinter dem Walde an dem großen See ein alter Herrenhof, der war rings von","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"tiefen Gräben umgeben, in denen Kolbenrohr, Schilf und Röhricht wuchsen.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Drüben vom Hohlwege herüber erklangen Jagdhornruf und Pferdegetrappel, und","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"deshalb beeilte sich das kleine Gänsemädchen, die Gänse auf der Brücke zur Seite","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"zu treiben, ehe die Jagdgesellschaft herangaloppiert kam. Sie kamen so geschwind","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"daher, daß sie hurtig auf einen der großen Steine an der Seite der Brücke","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"springen mußte, um nicht unter die Hufe zu kommen. Ein halbes Kind war sie noch,","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"fein und zierlich, doch mit einem wunderbaren Ausdruck im Antlitz und in den","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"großen, hellen Augen; aber das sah der Gutsherr nicht. Während seines sausenden","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Galopps drehte er die Peitsche in","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"seiner Hand, und in roher Lust stieß er sie mit dem Schafte vor die Brust, daß","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"sie hintenüber fiel.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"\"Alles am rechten Platze!\" rief er, \"in den Mist mit Dir.\" Und dann lachte er;","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"denn es sollte","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"ein guter Witz sein, und die anderen lachten mit. Die ganze Gesellschaft schrie","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"und lärmte und die Jagdhunde bellten, es war ganz wie im Liede:","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"\"Reiche Vögel kommen geflogen.\"","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Gott weiß, wie reich er damals war.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Das arme Gänsemädchen griff um sich, als sie fiel und bekam einen der","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"herabhängenden Weidenzweige zu fassen. An diesem hielt sie sich krampfhaft über","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"dem Schlamm, und sobald die Herrschaft und die Hunde im Tore verschwunden waren,","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"versuchte sie, sich heraufzuarbeiten. Aber der Zweig brach oben am Stamme ab","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"und das Gänsemädchen fiel schwer zurück ins Rohr. Im selben Augenblick griff","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"von oben her eine kräftige Hand nach ihr. Es war ein wandernder Hausierer, der","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"ein Stückchen weiter davon zugesehen hatte und sich nun beeilte, ihr zu Hülfe zu","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"kommen.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"\"Alles am rechten Platze!\" sagte er höhnend hinter dem Gutsherrn her und zog","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"sie auf das Trockene. Den abgebrochenen Zweig drückte er gegen die Stelle,","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"wo er sich abgespalten hatte, aber \"alles am rechten Platze\" läßt sich nicht","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"immer tun. Deshalb steckte er den Zweig in die weiche Erde. \"Wachse, wenn Du","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"kannst und schneide denen dort oben auf dem Hofe eine gute Flöte.\" Er hätte","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"dem Gutsbesitzer und den seinen wohl einen tüchtigen Spießrutenmarsch gegönnt.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Dann ging er in den Herrenhof, aber nicht oben in den Festsaal, dazu war er","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"zu geringe. Er ging zu den Dienstleuten in die Gesindestube und sie beschauten","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"seine Waren und handelten. Aber oben von der Festtafel tönte Gekreisch und","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Gebrüll, das sollte Gesang vorstellen, sie konnte es nicht besser. Es klang","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Gelächter und Hundegebell. Es war ein wahres Freß- und Saufgelage. Wein und","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"altes Bier schäumten in Gläsern und Krügen und die Leibhunde fraßen mit.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Ein oder das andere von den Tieren wurde von den Junkern geküßt, nachdem sie","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"ihnen erst mit den langen Hängeohren die Schnauzen abgewischt hatten. Der","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Hausierer wurde mit seinen Waren heraufgerufen, aber nur, damit sie ihre Späße","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"mit ihm treiben konnten. Der Wein war drinnen und der Verstand draußen. Sie","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"gossen Bier für ihn in einen Strumpf, daß er mittrinken könne, aber geschwind!","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Das war nun ein außerordentlich feiner Einfall und sehr zum Lachen. Ganze Herden","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Vieh, Bauern und Bauernhöfe wurden auf eine Karte gesetzt und verloren.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"\"Alles am rechten Fleck!\" sagte der Hausierer, als er wohlbehalten aus dem Sodom","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"und Gomorra, wie er es nannte, entronnen war. \"Die offene Landstraße, das ist","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"der rechte Platz für mich, dort oben war mir nicht wohl zumute.\" Und das kleine","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Gänsemädchen nickte ihm von der Feldgrenze aus zu.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Und es vergingen Tage und es vergingen Wochen, und es zeigte sich, daß der","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"abgebrochene Weidenzweig, den der Hausierer neben dem Wassergraben in die Erde","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"gesteckt hatte, sich ständig grün hielt, ja er trieb sogar neue Zweige. Das","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"kleine Gänsemädchen sah, daß er Wurzel gefaßt haben mußte und sie freute sich","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"von ganzem Herzen darüber, denn es war ihr, als gehöre der Baum ihr.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Ja, mit dem Baume ging es vorwärts, aber mit allem anderen auf dem Hofe ging es","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"durch Trunk und Spiel mit großen Schritten rückwärts. Das sind zwei Rollen, auf","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"denen nicht gut stehen ist.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Nicht ganz sechs Jahre waren vergangen, da wanderte der Gutsherr mit Sack und","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Stock, als armer Mann, vom Hofe. Der wurde von einem reichen Hausierer gekauft","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"und es war derselbe, der einst dort zum Spott und Gelächter gemacht worden war,","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"als man ihm Bier in einem Strumpfe darbot. Aber Ehrlichkeit und Fleiß geben","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"guten Fahrwind. Nun war der Hausierer der Herr auf dem Hofe. Und von Stund an","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"kam kein Kartenspiel mehr dorthin. \"Das ist eine schlechte Lektüre,\" sagte er,","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"\"sie entstand damals, als der Teufel das erste Mal die Bibel zu Augen bekam. Er","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"wollte daraus ein Zerrbild schaffen, das ebenso große Anziehungskraft besäße, so","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"erfand er denn das Kartenspiel.\"","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Der neue Herr nahm sich eine Frau, und wer war sie? Es war das kleine","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Gänsemädchen, das immer sittsam, fromm und gut gewesen war. In den neuen","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Kleidern sah sie so fein und schön aus, als sei sie als vornehme Jungfrau","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"geboren. Wie ging das zu? Ja, das würde eine zu lange Geschichte für unsere","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"eilfertige Zeit werden, aber es war nun einmal so, und das Wichtigste kommt nun.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Gesegnet und gut war es auf dem alten Hofe. Die Hausmutter stand selbst dem","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"inneren Hause vor und der Hausherr dem äußeren; es war gerade, als quelle der","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Segen überall hervor, und wo Wohlstand ist, kommt Wohlstand ins Haus. Der alte","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Hof wurde geputzt und gestrichen, die Gräben gereinigt und Obstbäume gepflanzt.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Freundlich und gepflegt sah es hier aus und die Fußböden in den Zimmern waren","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"blank wie poliert. In dem großen Saale saß an den Winterabenden die Hausfrau","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"mit allen ihren Mägden und spann Wolle und Leinen. An jedem Sonntagabend wurde","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"laut aus der Bibel vorgelesen, und zwar von dem Kommerzialrat selbst, denn","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"der Hausierer war Kommerzialrat geworden, aber erst in seinen alten Tagen. Die","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Kinder wuchsen heran – denn Kinder waren auch gekommen – und alle lernten etwas","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Rechtes; sie hatten nicht alle gleich gute Köpfe, aber das geht ja in einer","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"jeden Familie so.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Der Weidenzweig draußen war ein großer, prächtiger Baum geworden, der frei und","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"unbeschnitten dastand. \"Das ist unser Stammbaum\" sagten die alten Leute, \"und","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"der Baum soll in Achtung und Ehren gehalten werden!\" sagten sie zu den Kindern,","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"auch zu denen, die keinen guten Kopf mitbekommen hatten.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Und nun waren darüber hundert Jahre vergangen.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Es war in unserer heutigen Zeit. Der See war zu einem Moor geworden und der","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"alte Herrenhof war gleichsam wie weggewischt. Eine längliche Wasserpfütze mit","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"ein wenig Steinumrandung an den Seiten war der Rest der tiefen Gräben, und","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"hier stand ein prächtiger alter Baum, der seine Zweige ausbreitete. Das war","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"der Stammbaum. Er stand und zeigte, wie schön ein Weidenbaum sein kann, wenn er","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"wachsen darf, wie er Lust hat. – Er war freilich mitten im Stamme geborsten, von","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"der Wurzel bis zur Krone hinauf und der Sturm hatte ihn ein wenig geneigt, aber","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"er stand, und aus allen Rissen und Spalten, in die der Wind Erde hineingeweht","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"hatte, wuchsen Gras und Blumen. Besonders ganz oben, wo die großen Zweige sich","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"teilten, war gleichsam ein hängender kleiner Garten mit Himbeeren und Vogelgras,","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"ja, auch ein winzig kleiner Vogelbeerbaum hatte dort Wurzel gefaßt und stand","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"schlank und fein in der Mitte oben auf dem alten Weidenbaum, der sich in dem","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"schwarzen Wasser spiegelte, wenn der Wind die Wasserlinien in eine Ecke der","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Wasserpfütze getrieben hatte. Ein schmaler Fußsteig über den Fronacker führte","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"dicht hier vorbei.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Hoch auf dem Hügel am Walde, mit einer herrlichen Aussicht, lag das neue Schloß,","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"groß und prächtig, mit Glasfenstern, so klar, daß man hätte glauben mögen,","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"es seien gar keine darin. Die große Treppe vor der Tür sah wie eine Laube aus","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Rosen und großblättrigen Pflanzen aus. Die Grasflächen waren so sauber gehalten","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"und so grün, als ob nach jedem Halm abends und morgens gesehen würde. Drinnen","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"im Saale hingen kostbare Gemälde und mit Seide und Samt bezogene Stühle und","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Sofas, die fast auf ihren eigenen Beinen einhergehen konnten, Tische mit blanken","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Marmorplatten und Bücher in Saffian und Goldschnitt gebunden, standen da ....","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Ja, es waren wohl freilich reiche Leute, die hier wohnten, es waren vornehme","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Leute; hier wohnten Barone.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Eins paßte zum anderen. \"Alles am rechten Fleck\" sagten auch sie, und deshalb","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"waren alle Gemälde, die einmal dem alten Hofe zu Schmuck und Ehre gereicht","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"hatten, nun im Gange, der nach der Dienerkammer führte, aufgehängt worden.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Es war ja altes Gerümpel, besonders zwei alte Porträts, die einen Mann","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"in rosenrotem Rocke mit einer Perücke und eine Dame mit gepudertem, hoch","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"frisierten Haar und einer roten Rose in der Hand darstellten, aber beide mit","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"dem gleichen großen Kranze von Weidenzweigen umgeben. Es waren viele runde","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Löcher in den beiden Bildern, das kam daher, daß die kleinen Barone immer ihre","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Flitzbogen auf beiden alten Leute abschossen. Das war der Kommerzialrat und die","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Kommerzialrätin, von denen das ganze Geschlecht abstammte.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"\"Sie gehören aber nicht richtig in unsere Familie\" sagte einer der kleinen","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Barone. \"Er war ein Hausierer gewesen und sie eine Gänsemagd. Sie waren nicht so","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"wie Papa und Mama.\"","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Die Bilder waren altes, häßliches Gerümpel, und \"alles am rechten Fleck\" sagte","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"man, und so kamen Urgroßvater und Urgroßmutter auf den Gang zur Dienerkammer.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Der Pfarrersohn war Hauslehrer auf dem Schloße. Eines Tages ging er mit den","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"kleinen Baronen und ihrer älteren Schwester, die gerade kürzlich eingesegnet","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"worden war, spazieren. Dabei kamen sie den Fußsteg entlang und zu dem alten","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Weidenbaume herunter. Und während sie gingen, band sie einen Feldblumenstrauß;","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"\"alles am rechten Fleck,\" er wurde ein kleines Kunstwerk. Währenddessen hörte","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"sie aber doch recht gut alles, was gesagt wurde, und sie freute sich, wie der","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Pfarrersohn von den Kräften der Natur und der Geschichte großer Männer und","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Frauen erzählte; sie war eine gesunde, prächtige Natur, voller Adel des Geistes","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"und der Seele und mit einem Herzen, das alles von Gott Erschaffene freudig","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"umfaßte.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Sie machten unten bei dem alten Weidenbaume halt. Der kleinste der Barone","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"wollte gern eine Flöte geschnitten haben, wie er sie schon oft von Weidenbäumen","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"bekommen hatte, und der Pfarrersohn brach einen Zweig ab.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"\"O, tun sie es nicht\" sagte die junge Baronesse; aber es war schon geschehen.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"\"Das ist ja unser alter, vielberühmter Baum. Ich habe ihn so gern. Deshalb werde","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"ich oft zuhause ausgelacht, aber das tut nichts. Es umschwebt eine Sage den","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Baum.\"","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Und nun erzählte sie alles, was wir über den Baum gehört haben, über den alten","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Herrenhof, über das Gänsemädchen und den Hausierer, die sich hier begegneten und","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"die Stammeltern des vornehmen Geschlechtes und auch der jungen Barone wurden.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"\"Sie wollten sich nicht adeln lassen, die alten, biederen Leute\" sagte sie.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"\"Sie hatten den Wahlspruch: Alles am rechten Platze und sie meinten, nicht dahin","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"zu kommen, wenn sie sich durch Geld erhöhen ließen. Ihr Sohn, mein Großvater,","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"war es, der Baron wurde; er soll ein großes Wiesen besessen haben und hoch","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"angesehen bei Prinzen und Prinzessinnen gewesen sein. Er war bei allen ihren","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Festen dabei. Ihn verehren die anderen zuhause am meisten, aber ich weiß selbst","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"nicht, für mich ist etwas an dem alten Paar, was mein Herz zu ihnen zieht. Es","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"muß so gemütlich und patriarchalisch auf dem alten Hofe gewesen sein, wo die","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Hausmutter saß und mit allen ihren Mägden spann und der alte Herr laut aus der","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Bibel vorlas.\"","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"\"Es waren prächtige Leute, vernünftige Leute\" sagte der Pfarrersohn; und dann","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"geriet das Gespräch in das Fahrwasser von Adel und Bürgertum und es war fast,","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"als gehöre der Pfarrersohn nicht zur Bürgerschaft, so hob er die Vorzüge hervor,","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"von Adel zu sein.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"\"Es ist ein Glück, zu einem Geschlechte zu gehören, das sich ausgezeichnet hat,","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"und gleichsam schon in seinem Blute den Ansporn zu haben, nach allem Tüchtigen","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"vorwärts zu streben. Herrlich ist es, eines Geschlechtes Namen zu tragen, der","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"den Zugang zu den ersten Familien gewährleistet. Adel bedeutet edel, das ist","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"wie eine Goldmünze, die ihren Wert aufgeprägt erhalten hat. Es liegt im Zuge","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"der Zeit, und viele Dichter stimmen natürlich in diesen Ton ein, daß alles, was","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"adlig ist, schlecht und dumm sein soll, aber bei den Armen glänzt alles, und je","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"tiefer man niedersteigt, desto mehr. Aber das ist nicht meine Ansicht, denn sie","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"ist irrig, völlig falsch.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"In den höheren Ständen findet sich mancher ergreifende und schöne Zug. Meine","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Mutter hat mir einen erzählt und ich selbst könnte mehrere hinzufügen. Sie","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"war zu Besuch in einem vornehmen Hause in der Stadt, meine Großmutter, glaube","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"ich, hatte die gnädige Frau gesäugt und aufgezogen. Meine Mutter stand im","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Zimmer mit dem alten, hochadligen Herrn. Da sah er, wie unten zum Hofe hinein","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"eine alte Frau auf Krücken gehumpelt kam. Jeden Sonntag kam sie und bekam ein","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"paar Schillinge. 'Da ist ja die arme Alte,' sagte der Herr, 'das Gehen fällt","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"ihr so schwer!' Und ehe meine Mutter es sich versah, war er aus der Tür und","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"die Treppen herunter, die siebzigjährige Exzellenz war selbst zu der armen","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Frau hinuntergegangen, um ihr den beschwerlichen Weg wegen des Schillings zu","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"ersparen. Es ist ja nur ein geringer Zug, aber wie das Scherflein der Witwe hat","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"er den Klang eines Herzens in sich, den Klang einer wahren Menschennatur. Darauf","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"sollte der Dichter zeigen, gerade in unserer Zeit sollte er es besingen, denn","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"es würde Gutes wirken, besänftigen und versöhnen. Wo jedoch ein Mensch, weil er","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"von Geblüt ist und einen Stammbaum hat wie die arabischen Pferde, sich auf die","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Hinterbeine setzt und in den Straßen wiehert, und im Zimmer sagt: 'Hier sind","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Leute von der Straße gewesen!' wenn ein Bürgerlicher drinnen gewesen ist, da","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"ist der Adel in Verderbnis übergegangen und zu einer Maske geworden, wie Tespis","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"sich eine machte, und man lacht über die Person und macht sie zum Gegenstand des","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Spottes.\"","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Das war die Rede des Pfarrersohns, sie war zwar etwas lang, aber unterdessen war","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"die Pfeife geschnitten.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Es war eine große Gesellschaft auf dem Schlosse mit vielen Gästen aus der","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Umgegend und der Hauptstadt. Die Damen waren mit und ohne Geschmack gekleidet.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Der große Saal war voller Menschen. Die Pfarrer aus der Umgegend standen","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"ehrebietigst zu einem Knäuel zusammengedrängt in einer Ecke, es sah aus, als","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"seien sie zu einem Begräbnis gekommen; und doch war ein Vergnügen angesagt, es","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"war nur noch nicht in Gang gesetzt.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Ein großes Konzert sollte stattfinden, und daher hatte der kleine Baron seine","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Weidenflöte mit hereingebracht, aber er konnte ihr keinen Ton entlocken, auch","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Papa konnte es nicht; deshalb taugte sie eben nichts.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Nun kamen Musik und Gesang an die Reihe, und zwar von jener Art, die","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"hauptsächlich den Ausübenden Freude macht; es war übrigens wirklich niedlich.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"\"Sie sind auch Virtuos?\" sagte ein Kavalier, der das Kind seiner Eltern war,","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"zum Hauslehrer. \"Sie blasen Flöte und schneiden sie sogar selbst. Das Genie","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"beherrscht alles, sitzt auf der rechten Seite – Gott behüte. Ich gehe ganz mit","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"der Zeit, das muß man. Nicht wahr, sie werden uns mit diesem kleinen Instrument","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"entzücken!\" Und dann reichte er ihm die Flöte, die von dem Weidenbaume unten am","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Wassertümpel geschnitten war, und laut und vernehmlich verkündete er, daß der","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Hauslehrer ein kleines Flötensolo zum besten geben wolle.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Man wollte ihn zum Gespött machen, das war nicht schwer zu verstehen, und","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"deshalb wollte der Hauslehrer auch nicht blasen, obwohl er es recht wohl gekonnt","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"hätte; aber sie drängten ihn und nötigten ihn und so nahm er die Flöte und","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"setzte sie an den Mund.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Es war eine wunderliche Flöte. Es erklang ein Ton, so anhaltend wie bei einer","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Dampflokomotive, nur noch viel schriller. Er klang über den ganzen Hof, den","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Garten und den Wald und meilenweit ins Land hinaus, und mit dem Ton erhob sich","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"ein Sturmwind, der brauste: \"Alles am rechten Platze\" – und da flog Papa wie vom","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Winde getragen aus dem Hause hinaus gerade in das Viehhüterhaus hinein, und der","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Viehhirt flog hinauf – nicht in den Saal, denn dort hinein gehörte er ja nicht,","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"nein, in die Dienerkammer hinauf, mitten unter die feine Dienerschaft, die in","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"seidenen Strümpfen einherging. Den stolzen Herren schlug der Schreck wie Gicht","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"in die Glieder, daß so eine geringe Person sich mit ihnen an einen Tisch zu","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"setzen wagte.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Aber im großen Saale flog die junge Baronesse an das oberste Tischende, wo zu","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"sitzen sie würdig war, und der Pfarrersohn bekam den Sessel an ihrer Seite,","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"und da saßen sie nun beide, als seien sie ein Brautpaar. Ein alter Graf aus dem","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"ältesten Geschlechte des Landes blieb unverrückt auf seinem Ehrenplatz; denn die","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Flöte war gerecht, und das soll man sein. Der witzige Kavalier, der die Schuld","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"am Flötenspiel trug, er, der das Kind seiner Eltern war, flog kopfüber zwischen","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"die Hühner, aber nicht allein.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Eine ganze Meile ins Land hinaus klang die Flöte, und man hörte von großen","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Begebenheiten. Eine reiche Großhändlersfamilie, die mit Vieren ausgefahren war,","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"wurde aus dem Wagen hinaus geblasen und bekam nicht einmal den hinteren Platz;","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"zwei reiche Bauern, die in letzter Zeit über ihre Kornfelder hinausgewachsen","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"waren, wurden in einen sumpfigen Graben hinabgeblasen; es war eine gefährliche","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Flöte. Glücklicherweise sprang sie beim ersten Ton und das war gut, denn so kam","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"sie wieder in die Tasche: \"Alles am rechten Platze!\"","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Am nächsten Tage sprach man nicht über die Begebenheit, daher stammt die","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Redensart \"die Pfeife wieder einstecken!\" Alles war auch wieder in seiner alten","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Ordnung, nur daß die beiden alten Bilder, der Hausierer und das Gänsemädchen,","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"oben im großen Saale hingen. Sie waren dort an die Wand geblasen worden Und da","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"ein wirklicher Kunstkenner sagte, daß sie von Meisterhand gemalt seien, blieben","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"sie dort hängen und wurden instandgesetzt. Man hatte ja vorher nicht gewußt, daß","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"sie etwas taugten, und woher hätte man das auch wissen sollen. Nun hingen sie","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"auf dem Ehrenplatze.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"\"Alles am rechten Platze!\" und dahin kommt es auch meist! Die Ewigkeit ist lang,","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"länger als diese Geschichte.","book":"Alles am rechten Platz"} {"text":"Es war einmal ein richtiger Student, der wohnte in einer Dachkammer, und","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"ihm gehörte gar nichts; – es war aber auch einmal ein richtiger Krämer, der","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"wohnte zu ebener Erde, und ihm gehörte das ganze Haus. Zu ihm hielt sich das","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Heinzelmännchen, denn beim Krämer gab es jeden Weihnachtsabend eine Schüssel","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"voll Grützbrei mit einem großen Klumpen Butter mitten darin! Das konnte der","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Krämer ganz gut geben; darum blieb das Heinzelmännchen im Krämerladen, und das","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"war sehr lehrreich.","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Eines Abends trat der Student durch die Hintertür ein, um selbst Licht und Käse","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"zu kaufen; er hatte niemand zu schicken, darum ging er selbst; er bekam, was","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"er wünschte, bezahlte es, und der Krämer und auch dessen Frau nickten ihm einen","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"'guten Abend' zu; das war eine Frau, die mehr konnte als mit dem Kopfe nicken;","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"sie hatte Rednergabe! – Der Student nickte ebenfalls, blieb aber auf einmal","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"stehen, und zwar indem er den Bogen Papier las, in den der Käse gewickelt war.","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Es war ein Blatt, herausgerissen aus einem alten Buche, das eigentlich nicht","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"hätte zerrissen werden sollen; denn es war ein Buch voller Poesie.","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"\"Da liegt noch mehr von derselben Art!\" sagte der Krämer, \"ich habe einer alten","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Frau ein paar Kaffeebohnen für das Buch gegeben; wollen Sie mir zwei Groschen","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"bezahlen, so sollen Sie den ganzen Rest haben.\"","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"\"Ja,\" sagte der Student, \"geben Sie mir das Buch für den Käse! Ich kann mein","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Butterbrot ohne Käse essen! Es wäre ja Sünde, wenn das Buch ganz und gar","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"zerrissen werden sollte. Sie sind ein prächtiger Mann, ein praktischer Mann,","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"aber auf Poesie verstehen Sie sich ebensowenig wie die Tonne da.\"","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Und das war unartig gesprochen, namentlich gegen die Tonne, aber der Krämer","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"lachte, und der Student lachte auch; es war ja nur aus Spaß gesagt. Aber das","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Heinzelmännchen ärgerte sich, daß man einem Krämer, der Hauswirt war und die","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"beste Butter verkaufte, dergleichen Dinge zu sagen wagte.","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"In der Nacht, als der Laden geschlossen war und alle zur Ruhe gegangen waren,","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"nur der Student nicht, trat das Heinzelmännchen hervor, ging in die Schlafstube","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"und nahm der Hausfrau das Mundwerk weg; das brauchte sie nicht, wenn sie","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"schlief; und wo er das einem Gegenstande in der Stube aufsetzte, bekam dieser","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Stimme und Rede und sprach seine Gedanken und seine Gefühle ebensogut aus wie","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"die Hausfrau; aber nur ein Gegenstand nach dem andern konnte es benutzen, und","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"das war eine Wohltat, sie hätten sonst durcheinander gesprochen.","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Das Heinzelmännchen legte das Mundwerk auf die Tonne, in der die alten Zeitungen","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"lagen. \"Ist es wirklich wahr,\" fragte es, \"daß Sie nicht wissen, was Poesie","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"ist?\"","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"\"Freilich weiß ich es,\" antwortete die Tonne, \"Poesie ist so etwas, was immer","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"unten in den Zeitungen steht und manchmal herausgeschnitten wird! Ich möchte","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"behaupten, ich habe mehr in mir als der Student, und ich bin doch nur eine","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"geringe Tonne gegen den Krämer.\"","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Und das Heinzelmännchen setzte der Kaffeemühle das Mundwerk auf, nein, wie die","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"ging! Und es setzte es dem Butterfasse und dem Geldkasten auf; – alle waren sie","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"derselben Ansicht wie die Tonne, und das, worüber die Mehrzahl einig ist, das","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"muß man anerkennen.","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"\"Jetzt werde ich's aber dem Studenten sagen!\" – und mit diesen Worten stieg es","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"leise die Hintertreppe zur Dachkammer hinauf, wo der Student wohnte. Der Student","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"hatte noch Licht, und das Heinzelmännchen guckte durch das Schlüsselloch und","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"sah, wie er in dem zerrissenen Buche las, das er unten im Laden geholt hatte.","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Aber wie hell war es bei ihm drinnen! Aus dem Buche hervor drang ein heller","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Strahl, der wuchs zu einem Stamme und allmählich zu einem mächtigen Baume empor,","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"der sich erhob und seine Zweige weit über den Studenten ausbreitete. Jedes Blatt","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"war frisch, und jede Blume war ein schöner Mädchenkopf, einige mit Augen, dunkel","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"und strahlend, andere mit wunderbar blauen und klaren; jede Frucht war ein","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"glänzender Stern, und es sang und klang im Zimmer des Studenten.","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Nein, eine solche Pracht hatte das kleine Heinzelmännchen noch nie erträumt,","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"geschweige denn gesehen und vernommen. Es blieb auf den Fußspitzen stehen","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"und guckte und guckte – bis das Licht in der Dachkammer erlosch; der Student","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"blies es wahrscheinlich aus und ging zu Bett, aber das Heinzelmännchen blieb","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"doch stehen, denn der Gesang ertönte noch immer sanft und herrlich als schönes","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Schlummerlied des Studenten, der sich zur Ruhe niedergelegt hatte.","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"\"Hier ist es doch unvergleichlich!\" sagte das Heinzelmännchen, \"das hätte ich","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"nicht erwartet! – Ich möchte bei dem Studenten bleiben.\" – Es sann darüber nach","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"– und es war ein vernünftiges Männchen. Es seufzte: \"Der Student hat keinen","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Brei!\" – und darauf ging es wieder zum Krämer hinab; und es war sehr gut, daß es","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"endlich dahin zurückkehrte, denn die Tonne hatte das Mundwerk der Frau fast ganz","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"verbraucht, es hatte nämlich schon alles, was in seinem Innern wohnte, von einer","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Seite ausgesprochen und stand gerade im Begriff, sich umzukehren, um das gleiche","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"von der andern Seite zum besten zu geben, als das Heinzelmännchen eintrat und","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"das Mundwerk wieder der Krämerin anlegte; aber der ganze Laden, vom Geldkasten","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"bis auf das Streichholz herab, bildete von der Zeit an seine Ansichten nach der","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Tonne, und alle zollten ihr dermaßen Achtung und trauten ihr soviel zu, daß sie","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"fest glaubten, wenn später der Krämer die Kunst- und Theaterkritiken aus seiner","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Zeitung abends vorlas, das käme aus der Tonne.","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Das Heinzelmännchen saß nicht länger ruhig, der Weisheit und dem vielen","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Verstande da unten lauschend; nein, sobald das Licht des Abends von der","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Dachkammer herabschimmerte, wurde ihm zumute, als wären die Strahlen starke","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Ankertaue, die es hinaufzogen, und es mußte hin und durchs Schlüsselloch gucken.","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Da umbrauste es ein Gefühl der Größe, wie wir es empfinden an dem ewig rollenden","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Meer, wenn Gott im Sturme darüber hinfährt, und es brach in Tränen aus. Es","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"wußte selbst nicht, warum es weinte, aber ein eigenes, gar wohltuendes Gefühl","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"mischte sich mit seinen Tränen! – Wie wunderlich herrlich mußte es sein, mit","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"dem Studenten zusammen unter jenem Baume zu sitzen; allein das konnte nicht","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"geschehen, und darum war es zufrieden und froh an seinem Schlüsselloch. Und als","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"der Herbstwind durch die Bodenluke hereinblies, stand das Heinzelmännchen noch","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"immer abends auf dem kalten Flur. Es war bitterlich kalt, doch das empfand der","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Kleine erst, wenn das Licht in der Dachkammer erlosch und die Töne im Walde","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"dahinstarben. Hu, dann fror es – und es kroch wieder hinab in seinen warmen","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Winkel; da war es gemütlich und behaglich! Und als Weihnachten herankam und mit","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"ihm der Brei mit dem großen Klumpen Butter – ja, da war der Krämer Meister.","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Aber mitten in der Nacht erwachte das Heinzelmännchen durch einen schrecklichen","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Lärm; die Leute schlugen mit Gewalt gegen die Fensterscheiben; der Nachtwächter","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"tutete, eine große Feuersbrunst war ausgebrochen; die ganze Stadt stand in","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Flammen. War es im Hause selbst oder bei den Nachbarn? Wo war es? Das Entsetzen","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"war groß! Die Krämerfrau wurde dermaßen verdutzt, daß sie ihre goldenen Ohrringe","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"aus den Ohren löste und sie in die Tasche steckte, um doch etwas zu retten; der","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Krämer rannte nach seinen Staatspapieren und die Magd nach ihrem schwarzseidenen","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Umhang – denn einen solchen erlaubten ihr ihre Mittel! Jeder wollte das Beste","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"retten; und das wollte das Heinzelmännchen auch. In wenigen Sprüngen eilte","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"es die Treppe hinan und in die Kammer des Studenten hinein, der ganz ruhig","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"am offenen Fenster stand und das Feuer betrachtete, das im Hause des Nachbars","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"gegenüber wütete. Das Heinzelmännchen ergriff das auf dem Tisch liegende Buch,","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"steckte es in seine rote Mütze und umklammerte diese mit beiden Händen; der","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"beste Schatz des Hauses war gerettet, und nun eilte es auf und davon, ganz auf","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"das Dach hinaus, auf den Schornstein. Da saß es, beleuchtet von den Flammen","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"des gegenüber brennenden Hauses, beide Hände fest um seine rote Mütze gepreßt,","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"in der der Schatz lag, und jetzt erkannte es die wahre Neigung seines Herzens,","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"wußte, wem es eigentlich gehörte. – Allein als das Feuer gelöscht und das","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Heinzelmännchen wieder zur Besinnung gekommen war – ja!...","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"\"Ich will mich zwischen beide teilen,\" sagte es, \"dann hat jedes von mir etwas,","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"denn das geht doch nicht, ich kann den Krämer nicht ganz aufgeben, wegen des","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Grützbreis.\"","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Und das war ganz menschlich gesprochen! Und wenn wir es uns ehrlich eingestehen,","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"dann müssen wir zugeben, daß es nun einmal so in der Welt ist. Wir andern gehen","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"auch zum Krämer – des Grützbreis wegen.","book":"Das Heinzelmännchen bei dem Krämer"} {"text":"Die Gegend ist kahl bei Kjöge; die Stadt liegt wohl am Meere, und das ist","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"stets etwas Schönes, aber es könnte doch noch schöner dort sein, als es ist.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Ringsum liegt flaches Feld und weit, weit ist es bis zum Walde. Wenn man aber","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"an einem Orte erst richtig zu Hause ist, so findet man immer etwas Schönes,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"etwas, wonach man sich auch an den herrlichsten Orten der Welt sehnen kann!","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Und wir müssen auch anerkennen, daß es am Rande der Stadt Kjöge, wo ein paar","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"kleine dürftige Gärten sich hinunter erstrecken bis an den Bach, der ins Meer","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"fließt, zur Sommerszeit gar lieblich sein konnte. Das fanden besonders die","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"zwei kleinen Nachbarkinder, Knud und Johanne, die hier spielten und unter den","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Stachelbeerbüschen hindurch zueinanderkrochen. In dem einen Garten stand ein","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Holunderbusch, in dem anderen ein alter Weidenbaum; unter diesem spielten die","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Kinder ganz besonders gern, und dazu hatten sie auch Erlaubnis, obwohl der Baum","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ganz dicht am Bache stand, wo sie leicht hätten ins Wasser fallen können. Aber","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"der liebe Gott hat seine Augen über den Kleinen, sonst sähe es schlimm aus. Sie","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"waren auch sehr vorsichtig, ja, der Knabe hatte solche Angst vor dem Wasser,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"daß er auch zur Sommerszeit nicht zu bewegen war, an den Strand hinunter zu","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"kommen, wo doch die anderen Kinder so gern ins Wasser laufen und plantschen.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Er hatte viel Spott darüber zu erdulden, und das mußte er sich gefallen fassen.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Aber da träumte des Nachbars kleine Johanne, sie habe in einem Boot in der","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Bucht von Kjöge gesegelt und Knud sei gerade auf sie zugegangen; zuerst habe","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ihm das Wasser nur bis an den Hals gereicht, aber dann sei es ihm über dem Kopfe","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"zusammengeschlagen. Und von dem Augenblick an, als Knud diesen Traum gehört","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"hatte, duldete er es nicht länger, daß man ihn wasserscheu schalt, sondern wies","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"auf Johannes Traum hin; der war sein Stolz, aber ins Wasser ging er nicht.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Die armen Eltern kamen häufig zusammen und Knud und Johanne spielten in den","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Gärten und auf der Landstraße, die an beiden Seiten von Gräben, an denen eine","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ganze Reihe von Weidenbäumen stand, eingefaßt war. Schön waren sie nicht, die","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Kronen waren ihnen abgehauen, aber sie standen ja auch nicht zum Staat da,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"sondern um Nutzen zu schaffen. Schöner war die alte Weide im Garten, und unter","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"dieser saßen sie manch liebes Mal.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"In Kjöge wird ein großer Jahrmarkt abgehalten, und zur Marktzeit stehen dort","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ganze Straßen von Zeltbuden mit seidenen Bändern, Stiefeln und allem möglichen.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Es herrschte Gedränge und gewöhnlich auch Regenwetter, und dann machte sich der","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Dunst der Bauernröcke, aber auch der herrliche Geruch von Honigkuchen bemerkbar.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Davon war eine ganze Bude voll da, und was das prächtigste war, der Mann, der","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"sie verkaufte, logierte sich während der Marktzeit stets bei den Eltern des","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"kleinen Knud ein, und dabei fiel natürlich auch ein kleiner Honigkuchen ab,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"wovon auch Johanne ihr Stückchen bekam. Aber fast noch schöner war es, daß der","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Honigkuchenhändler Geschichten erzählen konnte, und zwar fast von einer jeden","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Sache, sogar von seinen Honigkuchen; ja, von diesen erzählte er eines Abends","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"eine Geschichte, die einen gar tiefen Eindruck auf die beiden Kinder machte, so","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"daß sie sie seither niemals wieder vergaßen, und deshalb ist es wohl das beste,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"wenn wir sie auch hören, besonders, da sie nur kurz ist.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"\"Da lagen auf dem Tische zwei Honigkuchen,\" erzählte er, \"der eine hatte die","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Gestalt eines Mannes mit einem Hut, der andere die einer Jungfrau ohne Hut, aber","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"mit einem Streifchen Schaumgold auf dem Kopfe. Sie trugen das Gesicht auf der","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Seite, die nach oben lag, und von dort sollte man sie auch sehen und nicht von","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"der Kehrseite aus, von wo man nie einen Menschen ansehen soll. Der Mann hatte","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"eine bittere Mandel links, das war sein Herz, die Jungfrau dagegen war durch","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"und durch aus Honigkuchen. Sie lagen als Proben auf dem Tische. Dort lagen sie","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"lange, und so liebten sie sich; aber der eine sagte es nicht zum anderen, und","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"das muß sein, wenn etwas daraus werden soll.\"","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"\"Er ist ein Mann, er muß das erste Wort sprechen!\" dachte sie, aber sie wäre","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"doch vergnügt gewesen, wenn sie nur gewußt hätte, ob ihre Liebe erwidert würde.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Er trug sich mit begierigeren Gedanken, das tun ja die Mannsleute immer; er","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"träumte, er sei ein lebendiger Straßenjunge, der vier Schillinge besäße, damit","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"kaufte er die Jungfrau und verschlänge sie.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Und sie lagen Tage und Wochen hindurch auf dem Tische; sie wurden trocken und","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"der Jungfrau Gedanken wurden feiner und weiblicher: \"Es ist mir genug, daß ich","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"auf einem Tische mit ihm zusammen gelegen habe!\" dachte sie und brach mitten","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"durch.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"\"Hätte sie von meiner Liebe gewußt, dann hätte sie wohl länger gehalten\" dachte","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"er.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"\"Und das ist die Geschichte, und das sind die beiden\" sagte der Kuchenhändler.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"\"Sie sind bemerkenswert durch ihren Lebenslauf und ihre stumme Liebe, die","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"niemals zu etwas führt. Seht, da habt Ihr sie!\" und dann gab er Johanne den","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Mann, der noch ganz war, und Knud bekam die gebrochene Jungfrau; aber sie","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"waren so benommen von der Geschichte, daß sie nicht daran denken konnten, das","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Liebespaar zu verspeisen.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Am nächsten Tage gingen sie mit ihnen auf den Kirchhof, wo die Kirchenmauern","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"mit dem herrlichsten Efeu besponnen waren, der Winter und Sommer wie ein reicher","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Teppich darüber hing. Sie stellten die Honigkuchen ins Grüne hinauf in den","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Sonnenschein und erzählten einer Schar anderer Kinder von der stummen Liebe,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"die zu nichts gut ist, das heißt die Liebe, denn die Geschichte fanden sie alle","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"gar hübsch, und als sie nun auf das Honigpaar schauten, ja, da hatte ein großer","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Junge – aus Bosheit hatte er es getan, die gebrochene Jungfrau verspeist. Die","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Kinder weinten darüber und nachher – es geschah sicherlich nur, damit der arme","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Mann nicht so einsam auf der Welt bleiben sollte – verspeisten sie ihn auch,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"aber nie vergaßen sie die Geschichte.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Immer waren die Kinder zusammen unter dem Holunderbusch oder unter dem","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Weidenbaum, und das kleine Mädchen sang mit silberglockenheller Stimme die","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"lieblichsten Lieder. Knud war für die Musik verloren, aber er konnte die Worte,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"die zu den Liedern gehörten, und das ist immerhin etwas. – Die Leute in Kjöge,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"selbst die Eisenkrämerin, standen stille und hörten Johanne zu. \"Sie hat doch","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ein süßes Stimmchen, die Kleine\" sagte sie.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Das waren schöne Tage, aber sie währten nicht ewig. Die Nachbarn mußten","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"von einander scheiden. Des kleinen Mädchens Mutter war gestorben, der Vater","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"wollte sich in Kopenhagen wieder verheiraten. Er konnte dort einen guten","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Broterwerb bekommen; er sollte als Bote angestellt werden und das war ein sehr","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"einträgliches Amt. Die Nachbarn schieden unter Tränen, und besonders die Kinder","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"weinten bitterlich; aber die Alten versprachen, einander zu schreiben, und zwar","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"mindestens einmal im Jahre. Knud kam in die Schuhmacherlehre, die Eltern konnten","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ihn nicht länger gehen und die Zeit vergeuden lassen. Und so wurde er nun","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"eingesegnet.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"O, wie gern wäre er an diesem Festtage nach Kopenhagen gekommen, um die kleine","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Johanne wiederzusehen; doch er kam nicht hin und war auch nie dort gewesen,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"obgleich es nur fünf Meilen von Kjöge entfernt liegt; aber die Türme hatte","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Knud bei klarem Wetter über die Bucht ragen sehen, und am Einsegungstage sah er","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"deutlich das goldene Kreuz auf der Frauenkirche leuchten.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Ach, wie oft dachte er an Johanne. Ob sie sich seiner erinnerte? Ja, aber","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"freilich! – Zur Weihnachtszeit kam ein Brief von ihrem Vater an Knuds","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Eltern, darin stand, daß es ihnen in Kopenhagen recht gut ginge, und daß","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Johanne ein wahres Glück in ihrer Stimme zuteil geworden wäre. Sie sei beim","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Theater angestellt worden, dort, wo man singt; ein wenig Geld bekäme sie","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"auch schon dafür, und von diesem sende sie den lieben Nachbarsleuten einen","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ganzen Reichstaler, um sich einen vergnügten Weihnachtsabend davon zu machen;","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"sie sollten auf ihr Wohl trinken, das hatte sie mit eigener Hand in einer","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Nachschrift hinzugefügt und darin stand auch: \"Freundlichen Gruß an Knud!\"","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Da weinten sie alle zusammen, trotzdem das Ganze ja nur erfreulich war, aber","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"sie weinten ja auch vor Freude. Jeden Tag war Johanne in seinen Gedanken gewesen","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"und nun sah er, daß sie auch an ihn dachte, und je mehr die Zeit herannahte,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"wo er Geselle werden sollte, desto klarer stand es vor seiner Seele, daß er","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Johanne lieb habe und daß sie seine kleine Frau werden solle. Dann spielte wohl","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ein Lächeln um seinen Mund und er zog den Draht hurtiger, während das Bein den","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Spannriemen anspannte. Er stach sich den Pfriem mitten durch den einen Finger,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"aber das tat nichts. Er würde gewiß nicht stumm sein wie die beiden Honigkuchen,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"diese Geschichte war ihm eine Lehre gewesen.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Dann wurde er Geselle und schnürte sein Ränzel. Endlich sollte er zum ersten","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Mal in seinem Leben nach Kopenhagen, dort hatte er schon einen Meister. Und wie","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"froh und überrascht Johanne sein würde. Sie war jetzt siebzehn Jahre und er war","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"neunzehn.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Er wollte schon in Kjöge einen Goldreif für sie kaufen, aber er bedachte, daß","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"man wohl in Kopenhagen weit schönere bekommen würde Dann wurde Abschied von den","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"beiden Alten genommen und hurtig wanderte er von dannen durch Herbst und Wind","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"und Wetter. Die Blätter fielen von den Bäumen, und bis auf die Haut durchnäßt","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"kam er in das große Kopenhagen und zu seinem neuen Meister.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Am ersten Sonntag wollte er Johannes Vater einen Besuch machen. Die neuen","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Gesellenkleider zog er an, dazu den neuen Hut noch aus Kjöge, der ihn so gut","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"kleidete, denn vorher war er immer mit einer Mütze gegangen. – Er fand das Haus,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"das er suchte und stieg die vielen Treppen hinauf; es war um schwindelig zu","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"werden, wie die Menschen hier in dieser großen Stadt, in der man sich so leicht","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"verirren konnte, übereinandergepfercht waren.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Die Stube machte einen recht wohlhabenden Eindruck, und freundlich empfing ihn","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Johannes Vater. Der zweiten Frau war er ja ein Fremder, aber sie reichte ihm die","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Hand und lud ihn zum Kaffee.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"\"Johanne wird sich freuen, Dich zu sehen\" sagte der Vater, \"Du bist ja ein","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"prächtiger Junge geworden! – Ja, nun sollst Du sie gleich zu sehen bekommen!","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Sie ist ein Mädchen, an dem ich meine Freude habe und mit Gottes Beistand werde","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ich auch noch mehr an ihr erleben! Sie hat ihr eigenes Zimmer, dafür bezahlt","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"sie uns Miete.\" Dann klopfte der Vater selbst höflich an ihre Tür, als sei","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"er ein Fremder, und dann traten sie ein. Nein, wie reizend sah es hier aus.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Solch ein Zimmer war gewiß in ganz Kjöge nicht zu finden, die Königin konnte","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"es nicht hübscher haben. Da waren Teppiche, da waren Gardinen, die bis zur Erde","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"hinab reichten, sogar ein wirklicher Samtsessel stand da und ringsum Blumen und","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Gemälde, und ein Spiegel, in den man versucht war, hineinzulaufen, denn er war","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"so groß wie eine Tür. Knud sah alles mit einem Blick und sah doch nur Johanne,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"die nun als erwachsenes Mädchen vor ihm stand; ganz anders war sie, als Knud","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"sie sich gedacht hatte, aber viel schöner. Es gab kein Mädchen in Kjöge, das","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ihr gleich gekommen wäre; wie war sie zart und fein. Aber wie sonderbar fremd","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"blickte sie Knud an, doch nur einen Augenblick lang, dann flog sie ihm entgegen,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ganz als ob sie ihn küssen wollte; sie tat es zwar nicht, aber viel hatte nicht","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"daran gefehlt. Ja, sie war herzensfroh, ihren Jugendfreund wiederzusehen. Die","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Tränen standen ihr in den Augen, und dann hatte sie soviel zu fragen und zu","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"erzählen, von Knuds Eltern bis zum Holunderstrauch und Weidenbaum, den sie","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Fliedermütterchen und Weidenväterchen nannte, ganz als ob sie auch Menschen","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"wären, und dafür konnten sie ja ebensogut gelten, wie es früher die Honigkuchen","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"gegolten hatten. Von ihnen sprach sie auch, von ihrer stummen Liebe, wie sie","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"auf dem Tische lagen und dann den Weg alles Irdischen gegangen waren, und dabei","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"lachte sie so herzlich. – Aber das Blut brannte Knud in den Wangen und sein","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Herz schlug schneller als sonst! – Nein, sie war gar nicht hochmütig geworden.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"– Und um ihretwillen, das merkte er wohl, baten ihn auch ihre Eltern, den Abend","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"über dazubleiben, und sie schenkte den Tee ein und bot ihm selbst eine Tasse an;","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"später nahm sie ein Buch und las laut daraus vor, und es war Knud, als handele","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"das, was sie vorlas, gerade von seiner eigenen Liebe, so sehr stimmte es mit","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"allen seinen Gedanken überein. Und dann sang sie ein einfaches Lied, aber in","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ihrem Munde wurde es zu einer ganzen Geschichte, es war, als ströme ihr eigenes","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Herz darin über. Ja, gewiß hatte sie Knud auch lieb. Die Tränen liefen ihm über","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"die Wangen herab, er konnte ihnen nicht gebieten und konnte auch kein einziges","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Wort sprechen. Es schien ihm selbst, daß er sich recht dumm benehme, und doch","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"drückte sie seine Hand und sagte: \"Du hast ein gutes Herz, Knud! Bleib immer wie","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Du bist\"","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Es war ein unaussprechlich schöner Abend, er war gar nicht dazu angetan, um","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"danach zu schlafen, und Knud schlief auch nicht. Beim Abschied hatte Johannes","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Vater gesagt: \"Nun vergißt Du uns wohl auch nicht ganz! Laß uns sehen, daß Du","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"nicht den ganzen Winter vergehen läßt, bevor Du wieder einmal nach uns siehst!\"","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Und so konnte er wohl gut am Sonntag wiederkommen! Das wollte er bestimmt. Aber","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"jeden Abend nach der Arbeit, und sie arbeiteten bei Licht, ging Knud in die","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Stadt. Er ging durch die Straße, wo Johanne wohnte, und sah zu ihrem Fenster","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"hinauf. Dort war fast immer Licht, und eines Abends sah er ganz deutlich","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"den Schatten ihres Gesichts auf der Gardine; das war ein schöner Abend! Die","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Meisterin sah es nicht gern, daß er des Abends immer umherstrich, wie sie es","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"nannte, und sie schüttelte den Kopf darüber, aber der Meister lachte: \"Es ist","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ein junger Mensch!\" sagte er.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"\"Am Sonntag sehen wir uns, und dann sage ich ihr, wie alle meine Gedanken von","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ihr erfüllt sind, und daß sie meine kleine Frau werden soll! Ich bin ja nur ein","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"armer Schuhmachergesell, aber ich kann Meister werden, und ich werde arbeiten","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"und streben. Ja, ich sage es ihr, bei der stummen Liebe kommt nichts heraus, das","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"habe ich von den Honigkuchen gelernt!\"","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Und der Sonntag kam und Knud kam, aber wie unglücklich traf es sich. Sie waren","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"alle eingeladen und mußten es ihm sagen. Johanne drückte ihm die Hand und","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"fragte: \"Warst Du schon in der Oper? Da mußt Du einmal hingehen! Ich singe am","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Mittwoch, und wenn Du dann Zeit hast, werde ich Dir ein Billet schicken, mein","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Vater weiß, wo Dein Meister wohnt.\"","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Wie lieb das von ihr war. Am Mittwoch Mittag kam auch richtig ein versiegeltes","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Kuvert ohne eine Zeile, aber das Billet lag darin, und am Abend ging Knud zum","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ersten Male in seinem Leben ins Theater und was sah er dort? Ja, er sah Johanne,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"und schön und lieblich wie nie erschien sie ihm. Sie verheiratete sich zwar mit","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"einer fremden Person, doch das war Theater, das wußte Knud, denn sonst hätte sie","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"sicher nicht das Herz gehabt, ihm ein Billet zu schicken, daß er zusehen müsse.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Und alle Leute klatschten und riefen laut Beifall und Knud rief Hurra.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Selbst der König lächelte Johanne zu, als freue er sich auch über sie. Ach","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Gott, wie fühlte sich Knud klein, aber er liebte sie so innig und sie hatte","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ihn ja auch lieb; die Mannsleute müssen das erste Wort sagen, so hatte die","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Honigkuchenjungfer gesagt. In der Geschichte lag wirklich ein tiefer Sinn.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Als der Sonntag herangekommen war, ging Knud wieder hin; seine Gedanken waren so","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"feierlich wie beim Abendmahl. Johanne war allein und empfing ihn, es konnte sich","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"nicht glücklicher treffen.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"\"Es ist gut, daß Du kommst!\" sagte sie. \"Fast hätte ich Vater zu Dir geschickt,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"aber ich hatte so eine Ahnung, daß Du heute abend herkommen würdest; denn ich","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"muß Dir sagen, daß ich am Freitag nach Frankreich reise, das ist nötig, damit","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"etwas Tüchtiges aus mir wird.\"","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Knud war es, als drehe sich die ganze Stube um ihn, als solle sein Herz brechen;","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"aber es kamen keine Tränen in seine Augen, so deutlich es auch sichtbar war,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"wie betrübt er wurde. Johanne sah es und war nahe daran zu weinen. \"Du ehrliche,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"treue Seele\" sagte sie – und nun löste sich Knuds Zunge, und er sagte ihr, wie","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"innig er sie liebe und daß sie seine kleine Frau werden müsse. Aber während er","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"es sagte, sah er, daß Johanne totenbleich wurde, sie ließ seine Hand los und","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"sagte ernst und betrübt: \"Mache nicht Dich selbst und mich unglücklich, Knud.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Ich bleibe Dir immer eine gute Schwester, auf die Du Dich verlassen kannst –","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"aber auch nicht mehr.\" Und sie strich mit ihrer weichen Hand über seine heiße","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Stirn. \"Gott gibt uns Kraft zu vielem, wenn man nur selbst will.\"","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"In diesem Augenblick trat ihre Stiefmutter herein.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"\"Knud ist ganz außer sich, weil ich reise\" sagte sie; \"sei doch ein Mann\" und","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"dann klopfte sie ihn auf die Schulter. Es sah aus, als hätten sie nur von der","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Reise und von nichts anderem gesprochen. \"Kind\" sagte sie, \"nun mußt Du gut","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"und vernünftig sein wie unter dem Weidenbaum, da wir beide als Kinder darunter","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"spielten!\"","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Für Knud war es, als sei die Welt aus ihren Fugen gegangen. Seine Gedanken","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"hingen wie ein loser Faden, willenlos dem Winde preisgegeben. Er blieb, er","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"wußte nicht, ob sie ihn darum gebeten hatten, aber sie waren freundlich und","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"gut zu ihm. Johanne schenkte ihm Tee ein und sang; es war nicht der alte Klang,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"aber doch so unsagbar schön; daß ihm das Herz in Stücke brechen wollte, und","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"dann schieden sie. Knud reichte ihr nicht die Hand, aber sie nahm die seine","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"und sagte: \"Du gibst doch Deiner Schwester die Hand zum Abschied, mein alter","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Spielbruder.\" Sie lächelte unter Tränen, und während sie ihr über die Wangen","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"herabliefen, wiederholte sie: \"Bruder.\" Ja, das konnte groß helfen! – So war ihr","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Abschied.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Sie segelte nach Frankreich und Knud lief durch die schmutzigen Kopenhagener","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Gassen. – Die anderen Gesellen aus der Werkstatt fragten ihn, was er so","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"umherliefe und grübele; er solle mit ihnen zum Vergnügen gehen, er sei ja ein","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"junges Blut.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Und sie gingen zusammen auf einen Tanzboden. Dort gab es viele hübsche Mädchen,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"aber freilich keine wie Johanne, und dort, wo er geglaubt hatte, sie vergessen","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"zu können, gerade dort stand sie am lebendigsten vor seiner Seele. \"Gott gibt","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Kraft zu vielem, wenn man nur selbst will!\" hatte sie gesagt; und es kam eine","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Andacht über ihn, daß er seine Hände falten mußte – und die Violinen spielten","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"und die Mädchen tanzten um ihn her. Er erschrak, es schien ihm, dies sei hier","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"kein Ort, wohin er Johanne führen konnte, und sie war ja stets in seinem Herzen.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"So ging er wieder hinaus und lief durch die Straßen. Er kam an dem Hause vorbei,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"wo sie gewohnt hatte. Es war dunkel dort, überall war es dunkel, leer und","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"einsam; die Welt ging ihren Gang und Knud den seinen.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Es wurde Winter und die Gewässer froren zu, es war gerade, als ob alles sich zur","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Grabesruh einrichtete.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Als aber das Frühjahr kam und das erste Dampfschiff ging, erfaßte ihn eine","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Sehnsucht fortzukommen, weit in die Welt hinaus, nur nicht zu nahe an Frankreich","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"heran.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"So schnürte er sein Ränzel und wanderte weit nach Deutschland hinein, von Stadt","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"zu Stadt, ohne Rast und Ruh. Erst als er in die alte prächtige Stadt Nürnberg","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"kam, war es, als ob ihm wieder einiges Sitzfleisch wüchse, und er vermochte zu","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"bleiben.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Das ist eine wunderliche alte Stadt, wie aus einem alten Bilderbuche","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ausgeschnitten. Die Straßen lagen, ganz wie sie selbst es zu wollen schienen,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"die Häuser mochten nicht in einer Reihe stehen, Erker mit Türmchen, Schnörkel","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"und Steinbilder sprangen bis weit über den Bürgersteig hervor, und hoch oben an","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"den wunderlich schiefen Dächern liefen mitten über die Straßen Dachrinnen, die","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"wie Drachen oder Hunde mit langen Leibern geformt waren.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Hier stand Knud auf dem Markte mit dem Ränzel auf dem Rücken; er stand an einem","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"alten Springbrunnen, wo die herrlichen Erzfiguren, biblische und historische,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"zwischen den aufsteigenden Wasserstrahlen stehen Ein hübsches Dienstmädchen","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"holte gerade Wasser, sie gab Knud einen frischen Trunk, und da sie eine ganze","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Hand voller Rosen hatte, gab sie Knud auch eine von diesen, und das schien ihm","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ein gutes Vorzeichen zu sein.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Aus der Kirche nahe dabei brauste Orgelklang bis zu ihm hinaus, das klang ihm","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"so heimatlich wie die Klänge der Kirche in Kjöge, und er trat in den großen","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Dom ein. Die Sonne schien durch die gemalten Fenster hinein zwischen die hohen,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"schlanken Pfeiler; seine Gedanken wurden von Andacht ergriffen und Stille zog in","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"seine Seele ein.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Und er suchte und fand einen guten Meister in Nürnberg, und bei ihm blieb er und","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"lernte die Sprache.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Die alten Gräben um die Stadt sind in kleine Gärtchen verwandelt, aber die","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"hohen Mauern stehen noch mit ihren schweren Türmen da. Der Seiler schnürt seine","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Stricke auf der hölzernen Galerie, die an den Mauern hinläuft, und hier wuchsen","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"aus Spalten und Löchern Holundersträuche, die ihre Zweige über die kleinen,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"niedrigen Häuser unter ihnen hängen, und in einem von diesen wohnte der Meister,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"bei dem Knud arbeitete. Über das kleine Dachfenster hin, wo er schlief, breitete","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ein Holunderbusch seine Zweige.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Hier wohnte er einen Sommer und einen Winter. Als aber das Frühjahr kam, war es","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"nicht mehr auszuhalten. Der Holunder stand in Blüte und duftete so heimatlich,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"daß ihm war, als sei er im Garten vor Kjöge, und so sagte Knud seinem Meister","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Lebewohl und zog zu einem anderen, der weiter innen in der Stadt wohnte, wo","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"keine Holundersträuche standen.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Seine neue Werkstatt lag nahe bei einer von den alten steinernen Brücken und","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"gerade gegenüber einer stets brausenden, niedrigen Wassermühle. Dahinter strömte","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ein reißender Fluß, der gleichsam von den Häusern eingeklemmt wurde, die alle","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"mit alten, baufälligen Altanen behängt waren; es sah aus, als wollten sie diese","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ins Wasser hinabschütteln. – Hier wuchs kein Holunder, hier stand nicht einmal","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ein Blumentopf mit ein wenig Grün, aber gerade gegenüber stand ein großer alter","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Weidenbaum, der sich gleichsam an dem Hause dort festklammerte, um nicht vom","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Strome mit fortgerissen zu werden. Er streckte seine Zweige über den Fluß hin,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ganz wie der Weidenbaum im Garten am Bache von Kjöge.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Ja, da war er freilich nur vom Fliedermütterchen zum Weidenväterchen gekommen.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Der Baum hier, ganz besonders an Mondscheinabenden, hatte etwas, wobei er sich","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"fühlte:","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"\"so dänisch im Herzen beim Mondenschein.\"","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Aber es war nicht der Mondschein, der es machte, nein, es war der alte","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Weidenbaum.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Wieder konnte er es nicht aushalten, und warum nicht? Frag die Weide, frag den","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"blühenden Holunder. Und so sagte er dem Meister und Nürnberg Lebewohl und zog","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"weiter.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Zu niemandem sprach er von Johanne. Tief innen verbarg er seinen Kummer, und","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"eine besondere Bedeutung legte er der Geschichte von den Honigkuchen bei. Nun","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"verstand er, warum der Mann an der linken Seite eine bittere Mandel an Stelle","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"des Herzens hatte; er hatte selbst einen bitteren Geschmack davon und Johanne,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"die stets so freundlich und lächelnd war, sie war nur reiner Honigkuchen.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Es war, als schnüre ihn der Riemen seines Ränzels, so schwer wurde ihm das","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Atemholen. Er lockerte ihn, aber es wollte nichts helfen. Die Welt um ihn war","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"nur zur Hälfte da, die andere Hälfte trug er in sich, das war es.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Erst als er die hohen Berge sah, erschien ihm die Welt wieder größer, seine","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Gedanken wandten sich wieder seiner Umgebung zu und Tränen stiegen in seine","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Augen. Die Alpen erschienen ihm wie die zusammengelegten Flügel der Erde. Wie,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"wenn sie sich emporhöbe und die großen Federn ausbreitete mit den bunten Bildern","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"von schwarzen Wäldern, brausenden Wassern, Wolken und Schneemassen! Am Jüngsten","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Tage entfaltet die Erde ihre großen Schwingen, fliegt zu Gott empor und platzt","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"wie eine Blase vor seinen klaren Strahlen. \"O, wäre doch erst der Tag da!\"","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"seufzte er.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Still wanderte er durch das Land, das ihm wie ein großer grüner Fruchtgarten","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"erschien; von den Holzaltanen der Häuser nickten ihm die klöppelnden Mädchen zu,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"die Gipfel der Berge glühten in der roten Abendsonne, und als er die grünen Seen","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"zwischen den dunklen Bäumen schimmern sah, – da mußte er wieder an den Strand","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"bei der Bucht von Kjöge denken, und es war Wehmut, aber kein Schmerz mehr in","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"seiner Brust.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Dort, wo der Rhein wie in einer großen Woge sich vorwärts wälzt, hinabstürzt,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"zerschellt und sich zu schneeweißen klaren Wolkenmassen verwandelt – ein","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Regenbogen flattert wie ein loses Band darüber hin – , dachte er an die","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Wassermühle von Kjöge, wo auch das Wasser brausend zerschellt war.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Gern wäre er in der stillen Stadt am Rhein geblieben, aber auch hier war so viel","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Holunder und so viele Weidenbäume – so zog er weiter, über die hohen, mächtigen","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Berge, durch Felssprengungen, und Wege entlang, die wie Schwalbennester an den","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Steinwänden klebten. Das Wasser brauste in der Tiefe, die Wolken jagen unter","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ihm; über blanke Disteln, Alpenrosen und Schnee wanderte er in der warmen","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Sommersonne dahin – und dann sagte er den Ländern des Nordens Lebewohl und kam","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"hinab unter Kastanienbäume, wischen Weingärten und Maisfelder. Die Berge waren","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"wie eine Mauer zwischen ihm und allen Erinnerungen aufgerichtet, und so sollte","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"es sein.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Vor ihm lag eine große, prächtige Stadt, die sie Milano nannten, und hier fand","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"er einen deutschen Meister, der ihm Arbeit gab. Es war ein altes, ehrliches","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Ehepaar, zu dem er in die Werkstatt gekommen war, und sie gewannen den stillen","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Gesellen, der wenig sprach, aber desto mehr arbeitete und fromm und christlich","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"war, lieb. Es war ihm nun, als habe Gott die schwere Last von seinem Herzen","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"genommen.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Seine größte Freude war, bisweilen die große Marmorkirche hinaufzusteigen,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"die ihn aus dem heimatlichen Schnee geschaffen schien, und mit ihren Bildern,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"spitzen Türmen und blumengeschmückten offenen Hallen einen gar schönen Anblick","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"bot. Aus jeder Ecke, von jeder Spitze und jedem Bogen lächelten die weißen","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"steinernen Bilder ihm zu. Oben hatte er den blauen Himmel über sich, unter sich","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"die Stadt und die weite grüne Ebene der Lombardei, und nach Norden zu die hohen","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Berge mit ihrem ewigen Schnee – und dann dachte er wieder an die Kirche von","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Kjöge mit den Efeuranken um die roten Mauern, aber er sehnte sich nicht mehr","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"zurück, hier hinter den Bergen wollte er begraben sein.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Ein Jahr lang hatte er hier gelebt; es war nun drei Jahre her, seit er aus der","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Heimat gezogen war, da führte ihn sein Meister einmal in die Stadt, nicht in","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"den Zirkus, um die Kunstreiter zu sehen, nein, in die große Oper, und das war","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"auch ein Saal, der wert war, gesehen zu werden. Sieben Etagen hoch hingen dort","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Seidenvorhänge, und vom Boden bis zur Decke hinauf, schwindelnd hoch, saßen","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"die feinsten Damen mit Blumen in den Händen, als wollten sie zum Ball gehen.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Auch die Herren waren in vollem Staat und viel Gold und Silber glänzte. Es war","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"so hell wie im liebtesten Sonnenschein und dann brauste die Musik so stark und","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"so herrlich empor, es war noch weit prachtvoller als in der Kopenhagener Oper,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"aber dort war doch Johanne und hier – da, es war wie ein Zauber, die Gardine","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"wurde zur Seite gezogen – auch hier stand Johanne, in Gold und Silber gekleidet","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"und mit einer goldenen Krone auf dem Haupte. Sie sang, wie nur ein Engel Gottes","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"singen kann. Sie trat vor, so weit sie es konnte und lächelte, wie nur Johanne","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"es vermochte; sie blickte gerade Knud an.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Der arme Knud griff nach seines Meisters Hand und rief laut: \"Johanne.\" Aber","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"es war nicht zu hören, die Musikanten spielten so laut, und der Meister nickte","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ihm zu: \"Ja, gewiß heißt sie Johanne\" und dann nahm er ein gedrucktes Blatt und","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"zeigte ihm, wo ihr Name stand, ihr ganzer Name.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Nein, es war kein Traum. Und alle Menschen jubelten und warfen ihr Blumen und","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Kränze zu und jedes Mal, wenn sie ging, wurde sie wieder hervorgerufen; sie ging","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"und kam wieder.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Auf den Straßen draußen scharten sich die Leute um ihren Wagen und zogen ihn,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"und Knud war der allervorderste und der allerglücklichste. Und als sie an ihr","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"prächtiges, hellerleuchtetes Haus kamen, stand Knud gerade vor der Wagentür.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Sie wurde geöffnet und sie stieg heraus, das Licht fiel hell auf ihr anmutiges","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Gesicht und sie lächelte und dankte so freundlich; sie konnte ihre Rührung kaum","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"verbergen. Und Knud blickte ihr gerade ins Antlitz und sie blickte Knud gerade","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ins Antlitz, aber sie erkannte ihn nicht. Ein Herr mit einem Stern auf der Brust","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"reichte ihr den Arm – sie wären verlobt, sagte man.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Da ging Knud nachhause und schnürte sein Ränzel, er wollte, er mußte heim zum","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Holunder und der Weide – ach, unter den Weidenbaum. In einer Stunde kann man ein","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ganzes Menschenleben durchleben!","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Sie baten ihn, zu bleiben; kein Wort konnte ihn zurückhalten. Sie sagten ihm,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"es sei Winterszeit und in den Bergen fiele schon Schnee; aber in der Spur der","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"langsam fahrenden Wagen, vor denen ja Weg gebahnt werden müsse, könne er mit","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"seinem Ränzel auf dem Rücken und auf seinem Stab gestützt gehen.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Und er ging auf die Berge zu, stieg rastlos hinauf und hinab; ganz entkräftet,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"konnte er noch immer weder Stadt noch Haus erblicken. Er war schon weit gegen","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Norden. Über ihm erglänzten die Sterne, seine Füße wankten, der Kopf schwindelte","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ihm. Tief unten im Tale erglänzten jetzt auch Sterne; es war, als erstreckte","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"sich der Himmel auch unter ihm. Er fühlte sich krank. Die Sterne dort unten","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"wurden mehr und mehr, und sie leuchteten immer heller und bewegten sich hin und","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"her. Es war eine kleine Stadt, aus der die Lichter herauf blinkten, und als er","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"es begriff, nahm er seine letzten Kräfte zusammen und erreichte eine geringe","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Herberge.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Einen ganzen Tag lang blieb er hier, denn seine Glieder verlangten nach Ruhe und","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Pflege. Es war Tau und Regenwetter im Tale. Aber am Morgen kam ein Drehorgelmann","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"vorbei, und als er auch eine Melodie aus der dänischen Heimat spielte, konnte","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Knud es nicht länger aushalten, er wanderte tagelang, viele Tage lang, mit einer","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Hast vorwärts, als gelte es heimzukommen, ehe sie alle dort starben. Aber zu","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"niemandem sprach er von seiner Sehnsucht, niemand konnte annehmen, daß er ein","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Herzeleid trug, das tiefste, das man tragen kann. Es versteckt sich vor der","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Welt, es läßt keine Freude zu, es versteckt sich selbst vor den Freuden, aber","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"er hatte auch keine Freunde. Fremd wanderte er durch das fremde Land heimwärts","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"nach Norden. In dem einzigen Brief von zu Hause, den die Eltern vor Jahr und","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Tag geschrieben hatten, stand: \"Du bist kein rechter Däne wie wir anderen hier","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"daheim. Wir sind fürs Vaterland, Du aber findest nur an der Fremde Gefallen.\"","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Eltern konnten so etwas schreiben – nein sie wußten nicht, was ihn bewegte.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Es war Abend, er ging auf der offenen Landstraße und es begann zu frieren; das","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Land selbst wurde flacher und flacher, Felder und Wiesen wechselten einander","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ab; da stand am Wege ein großer Weidenbaum: alles sah schon heimatlich, fast","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"dänisch aus. Er setzte sich unter den Weidenbaum; er fühlte sich so müde, sein","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Haupt sank auf die Brust und seine Augen schlossen sich zum Schlafe, aber er","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"fühlte und vernahm deutlich, wie die Weide ihre Zweige zu ihm herabsenkte. Der","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Baum erschien wie ein mächtiger alter Mann. Es war Weidenväterchen selbst, der","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ihn in seine Arme nahm und den müden Sohn heim ins dänische Land trug, an den","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"weißen offenen Strand, nach der Stadt Kjöge in den Garten seiner Kindheit. Ja,","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"es war der Weidenbaum aus Kjöge selbst, der in die Welt hinausgegangen war, um","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ihn zu suchen und zu finden, und nun hatte er ihn gefunden und heimgebracht in","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"den kleinen Garten am Bach, und hier stand Johanne in all ihrer Pracht mit der","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"goldenen Krone auf dem Haupte, die er zuletzt an ihr gesehen hatte und rief:","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"\"Willkommen.\"","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Und dicht vor ihnen standen zwei wunderliche Gestalten, aber sie waren viel","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"menschlicher geworden seit damals, sie hatten sich auch verändert. Es waren die","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"beiden Honigkuchen, das Mannsbild und das Frauenzimmer; sie zeigten sich von der","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"richtigen Seite und sahen gut aus.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"\"Schönen Dank\" sagten sie beide zu Knud; \"Du hast unsere Zungen gelöst. Du hast","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"uns gelehrt, frisch und frei seine Gedanken auszusprechen, sonst kommt nichts","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"dabei heraus. – Wir sind verlobt!\"","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Darauf gingen sie Hand in Hand durch die Straßen von Kjöge und sahen auch von","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"der Kehrseite sehr anständig aus, es war nichts gegen sie zu sagen. Und sie","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"gingen geradewegs zur Kirche von Kjöge hinein, und Knud und Johanne folgten","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"ihnen. Sie gingen auch Hand in Hand. Die Kirche stand wie immer mit ihren roten","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Mauern und dem Efeugrün, und die große Kirchentür öffnete sich nach beiden","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Seiten, die Orgel erbrauste und das Mannsbild und das Frauenzimmer gingen beide","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"im Kirchengange voran: \"Die gnädigen Herrschaften zuerst!\" sagten sie, und dann","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"traten sie zur Seite vor Knud und Johanne, und sie knieten am Altar nieder. Sie","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"beugte ihr Haupt über sein Antlitz, und es rollten eiskalte Tränen aus ihren","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Augen; das war das Eis um ihr Herz, das durch seine starke Liebe geschmolzen","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"wurde, und sie fielen auf seine brennenden Wangen, und – dabei erwachte er und","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"saß unter dem alten Weidenbaum im fremden Lande an dem kalten Winterabend; aus","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"den Wolken fiel eisiger Hagel und peitschte in sein Gesicht.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"\"Das war die glücklichste Stunde meines Lebens\" sagte er, \"und sie war ein","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Traum. – Gott, lasse mich noch einmal so träumen!\" Und er schloß seine Augen, er","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"schlief, er träumte.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Am Morgen fiel Schnee, er fegte über seine Füße hin, aber er schlief. Die","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Landleute gingen zur Kirche; da saß ein Handwerksbursche, er war tot, erfroren –","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"unter dem Weidenbaum.","book":"Unter dem Weidenbaum"} {"text":"Es waren einmal fünf Erbsen in einer Hülse; sie waren grün und die Hülse war","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"auch grün, und deshalb glaubten sie, die ganze Welt sei grün, und das war ganz","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"richtig. Die Hülse wuchs und die Erbsen wuchsen; sie streckten sich eben nach","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"ihrer Decke. – Alle standen schön in einer Reihe. – Die Sonne schien draußen","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"und wärmte die Hülse, und der Regen wusch sie sauber. Es war warm und gut da","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"drinnen, hell am Tage und dunkel in der Nacht, eben wie es sein sollte, und","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"die Erbsen wurden größer und immer nachdenklicher, wie sie so saßen, denn etwas","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"mußten sie ja auch zu tun haben.","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"\"Soll ich hier immer so sitzen bleiben?\" fragten sie. \"Wenn ich nur nicht hart","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"von dem langen Sitzen werde! Ist es nicht gleichsam, als ob es auch draußen","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"etwas gäbe; ich habe so eine Ahnung.\"","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Und Wochen vergingen; die Erbsen wurden gelb und die Hülse wurde gelb. \"Die","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"ganze Welt wird gelb,\" sagten sie, und das durften sie wohl sagen.","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Plötzlich verspürten sie einen Ruck an der Hülse; sie wurde abgerissen, kam","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"in Menschenhände und dann mit mehreren anderen Erbsenhülsen in eine Rocktasche","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"hinein. – \"Nun wird uns bald aufgeschlossen werden!\" sagten sie und warteten","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"voller Spannung darauf.","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"\"Nun möchte ich nur wissen, wer von uns es am weitesten bringt!\" sagte die","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"kleinste Erbse. \"Ja, das wird sich nun bald zeigen!\"","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"\"Geschehe, was da wolle!\" sagte die größte.","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"\"Krach\" da platzte die Hülse und alle fünf Erbsen rollten in den hellen","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Sonnenschein hinaus; sie lagen in einer Kinderhand, ein kleiner Knabe hielt sie","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"fest und sagte, sie seien schöne Erbsen für seine Knallbüchse. Und gleich wurde","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"eine Erbse in die Büchse gesteckt und weggeschlossen.","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"\"Nun fliege ich in die weite Welt hinaus. Halt mich, wenn Du kannst!\" und dann","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"war sie fort.","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"\"Ich,\" sagte die zweite, \"fliege gleich mitten in die Sonne, das ist gerade die","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"passende Hülse für mich.\"","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Weg war sie.","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"\"Wir schlafen, wohin wir auch kommen!\" sagten die beiden nächsten; \"aber wir","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"werden schon vorwärtskommen.\" Und dann rollten sie zuerst auf den Fußboden,","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"ehe sie in die Knallbüchse kamen, aber hinein kamen sie. \"Wir bringen es am","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"weitesten.\"","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"\"Geschehe, was da wolle\" sagte die letzte und wurde in die Luft geschossen. Und","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"sie flog auf das alte Brett unter dem Dachkammerfenster, gerade in einen Spalt","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"hinein, der mit Moos und hineingewehter Erde gefüllt war; und das Moos schloß","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"sich über ihr. Dort lag sie verborgen, aber nicht von Gott vergessen.","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"\"Geschehe, was da wolle!\" sagte sie.","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"In der kleinen Dachkammer wohnte eine arme Frau, die am Tage Öfen putzen, ja","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"sogar Holz spalten ging und schwere Arbeit verrichten mußte, denn Kräfte hatte","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"sie und fleißig war sie auch, aber sie blieb arm. Und zuhause in der kleinen","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Kammer lag ihre halberwachsene einzige Tochter, sie war ganz fein und zart; ein","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"ganzes Jahr hatte sie nun im Bette gelegen und schien weder leben noch sterben","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"zu können.","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"\"Sie geht zu ihrer kleinen Schwester\" sagte die Frau. \"Ich hatte nur die zwei","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Kinder, und es war schwer genug für mich, für beide zu sorgen. Aber da teilte","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"der liebe Gott mit mir und nahm die eine zu sich. Nun möchte ich freilich die","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"andere gern behalten, die mir geblieben ist, aber er will vielleicht nicht, daß","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"sie getrennt sind, und sie wird zu ihrer kleinen Schwester hinaufgehen.\"","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Aber das kranke Mädchen blieb; und geduldig und still lag sie den ganzen Tag,","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"während die Mutter fort war, um Geld zu verdienen.","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Es war um die Frühjahrszeit und noch frühe am Morgen, gerade als die Mutter zur","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Arbeit gehen wollte, Die Sonne schien so schön in das kleine Fenster hinein, und","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"das kranke Mädchen blickte durch die unterste Glasscheibe hinaus.","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"\"Was mag nur das Grüne sein, was dort durch die Scheibe hereinguckt? Es bewegt","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"sich im Winde.\"","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Und die Mutter ging ans Fenster und öffnete es ein wenig. \"Ach!\" sagte sie, \"das","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"ist ja eine kleine Erbse, die da mit ihren grünen Blättchen heraussprießt. Wie","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"kommt sie nur in die Spalte? Da hast Du ja einen kleinen Garten zum Anschauen.\"","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Das Bett der Kranken wurde näher ans Fenster gerückt, damit sie die sprossende","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Erbse sehen konnte, und die Mutter ging zur Arbeit.","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"\"Mutter, ich glaube, ich werde gesund!\" sagte am Abend das kleine Mädchen. \"Die","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Sonne hat heute so warm zu mir hereingeschienen. Die kleine Erbse wächst so","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"hübsch. Und ich werde sicherlich auch wachsen und wieder aufstehen und in den","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Sonnenschein hinauskönnen!\"","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"\"Wollte Gott, es wäre so\" sagte die Mutter, aber sie glaubte nicht daran. Doch","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"der kleinen Pflanze, das ihrem Kinde frohe Lebensgedanken eingeflößt hatte,","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"gab sie ein Hölzchen an die Seite, damit sie nicht vom Winde geknickt werden","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"könne. Sie band einen Bindfaden am Brett fest und zog ihn hinauf bis an den","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Fensterrahmen, damit die Erbsenranke etwas habe, woran sie sich festhalten und","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"emporranken könne, wenn sie wüchse. Und das tat sie auch. Jeden Tag konnte man","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"sehen, wie sie wuchs.","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"\"Nein, sie bekommt ja sogar Blüten\" sagte die Frau eines Morgens, und nun bekam","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"auch sie Hoffnung und Glauben, daß ihr kleines krankes Mädchen wieder gesund","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"würde. Es kam ihr in den Sinn, daß das Kind in letzter Zeit lebhafter gesprochen","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"hatte, am vergangenen Morgen hatte es sich sogar selbst im Bette aufgerichtet","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"und dagesessen und mit strahlenden Augen ihren kleinen Erbsengarten mit der","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"einen einzigen Erbse darin angesehen. In einer Woche darauf war die Kranke zum","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"ersten Male über eine Stunde auf. Glückselig saß sie im warmen Sonnenschein;","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"das Fenster war geöffnet und draußen stand eine weißrote Erbsenblüte völlig","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"aufgebrochen. Das kleine Mädchen neigte ihren Kopf nieder und küßte ganz leise","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"die feinen Blättchen. Dieser Tag war für sie gleichsam ein Festtag.","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"\"Der liebe Gott hat sie selbst gepflanzt und sie treiben lassen, um uns Hoffnung","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"und Freude für Dich zu geben, mein liebes Kind, und für mich mit\" sagte die","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"frohe Mutter und lächelte der Blume zu, wie einem Engel, den Gott zu ihr","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"geschickt hatte.","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Aber nun zu den anderen Erbsen, – ja, die, die in die weite Welt hinausgeflogen","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"war: \"Halte mich, wenn Du kannst!\" fiel in die Dachrinne und kam in einen","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Taubenkropf; dort lag sie wie Jonas im Walfisch. Die zwei Faulen brachten es","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"ebensoweit, sie wurden auch von den Tauben verspeist, und dadurch brachten sie","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"einen soliden Nutzen; aber die vierte, die in die Sonne hinauf wollte, die fiel","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"in den Rinnstein und lag dort Wochen und Tage im schmutzigen Wasser, wo sie","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"richtig aufquoll.","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"\"Ich werde so furchtbar dick\" sagte die Erbse. \"Ich werde noch platzen, und","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"weiter, glaube ich, kann es keine Erbse bringen und hat es wohl auch nie eine","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"gebracht!\"","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Und der Rinnstein hielt es mit ihrer Ansicht.","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Aber das junge Mädchen stand am Dachfenster mit leuchtenden Augen und dem","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Glanze der Gesundheit auf den Wangen, und sie faltete ihre feinen Hände über der","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Erbsenblüte und dankte Gott dafür.","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"\"Ich halte es mit meiner Erbse,\" sagte der Rinnstein.","book":"Fünf aus einer Hülse"} {"text":"Der Stadtvogt stand am offenen Fenster. Er hatte ein Oberhemd an und eine","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Brustnadel in der Hemdkrause stecken und war außerordentlich gut rasiert, das","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"hatte er eigenhändig getan und sich dabei nur einen kleinen Schnitt zugezogen,","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"doch über diesen hatte er ein Stückchen Zeitungspapier geklebt.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Hörst Du, Kleiner\" rief er.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Der Kleine war aber niemand Anderes als der Sohn der Waschfrau, der eben","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"vorbeiging und ehrerbietig seine Mütze zog. Der Schirm war geknickt und auch","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"sonst war sie nach und nach so eingerichtet worden, daß man sie in die Tasche","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"stecken konnte. In seinen ärmlichen aber sauberen und durchaus ordentlich","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"geflickten Kleidern und den schweren Holzschuhen stand der Knabe ehrerbietig da,","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"als ob er vor dem Könige selber stehe.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Du bist ein guter Junge\" sagte der Stadtvogt, \"Du bist ein höflicher Junge","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Deine Mutter spült wohl Wäsche unten am Fluß. Dahin sollst Du wohl auch mit","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"dem, was Du in der Tasche hast. Das ist eine schlimme Sache mit Deiner Mutter.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Wieviel hast Du da?\"","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Ein halb Nößel,\" sagte der Knabe mit erschreckter, halbleiser Stimme.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Und heute morgen bekam sie ebensoviel,\" fuhr der Mann fort.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Nein, gestern war es\" antwortete der Knabe.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Zwei halbe geben ein ganzes. – Sie taugt nichts. Es ist traurig mit dieser","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Volksklasse. – Sag Deiner Mutter, sie sollte sich schämen. Und werde nicht auch","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"zum Trunkenbold, aber das wirst Du ja doch. – Armes Kind. – Geh nun.\"","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Und der Knabe ging; die Mütze behielt er in der Hand und der Wind blies durch","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"sein blondes Haar, sodaß es sich in langen Strähnen aufrichtete. Er ging um die","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Straßenecke in das Gäßchen zum Flusse hinab, wo die Mutter draußen im Wasser","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"neben der Waschbank stand und mit dem Wäscheklöpfel auf das schwere Leinen","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"schlug. Es war starke Strömung im Flusse, denn die Schleusen der Wassermühle","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"waren geöffnet. Die Laken wurden vom Strome fortgetrieben und rissen fast die","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Waschbank mit sich; die Waschfrau mußte sich kräftig dagegenstemmen.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Ich bin nahe daran, fortzuschwimmen.\" sagte sie, \"es ist gut, daß Du kommst,","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"denn eine Hülfe tut den Kräften schon not! Es ist kalt hier draußen im Wasser;","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"sechs Stunden habe ich schon hier gestanden. Hast Du etwas für mich?\"","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Der Knabe zog die Flasche hervor und die Mutter setzte sie an den Mund und trank","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"einen Schluck.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Ach, das tut gut. Wie das wärmt. Das ist ebenso gut wie warmes Essen, und es","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"ist nicht so teuer. Trink, mein Junge. Du siehst so blaß aus, Du frierst in den","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"dünnen Kleidern; es ist ja auch Herbst. Hu, Das Wasser ist kalt. Wenn ich nur","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"nicht krank werde. Aber das tue ich nicht. Gib mir noch einen Tropfen und trinke","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"auch, aber nur einen kleinen Tropfen, Du darfst Dich nicht daran gewöhnen, mein","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"liebes armes Kind.\"","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Sie ging um die Brücke, auf der der Knabe stand, und trat aufs Land. Das Wasser","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"triefte aus der Schilfmatte, die sie um den Leib gebunden trug und es triefte","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"auch aus ihrem Hemde.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Ich quäle und placke mich ab, daß mir das Blut fast unter den Nägeln","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"hervorspritzt, aber das tut nichts, wenn ich Dich nur ehrlich durch die Welt","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"bringe, mein Kind.\"","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Im gleichen Augenblick kam eine etwas ältere Frau, ärmlich an Kleidung und","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Gestalt. Sie hinkte auf dem einen Bein und trug über dem einen Auge eine","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"mächtige falsche Locke, das sollte von der Locke verdeckt werden, aber das","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Gebrechen fiel dadurch nur noch mehr in die Augen. Es war eine Freundin der","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Waschfrau, \"Humpelmaren mit der Locke\" nannten die Nachbarn sie.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Du Ärmste, wie Du Dich quälen und placken und in dem kalten Wasser stehen mußt.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Du hast doch wahrhaftig ein bißchen Warmes nötig, und doch mißgönnt man Dir noch","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"den Tropfen, den Du bekommst!\" Und nun war bald des Stadtvogts ganze Rede zu dem","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Knaben der Waschfrau zu Ohren gebracht; denn Maren hatte das Ganze mitangehört","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"und es hatte sie geärgert, daß er zu dem Kinde so von seiner eigenen Mutter und","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"von dem Tropfen, den sie zu sich nahm, sprach, wehrend er gleichzeitig große","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Essen abhielt, bei denen der Wein flaschenweise floß. \"Feine Weine und starke","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Weine werden da getrunken, auch ein bißchen über den Durst bei vielen. Aber das","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"nennt man beileibe nicht trinken! Sie taugen etwas, aber Du taugst nichts!\"","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Hat er so zu Dir gesprochen, Kind\" sagte die Waschfrau und ihre Lippen bewegten","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"sich zitternd. \"Du hast eine Mutter, die nichts taugt. Vielleicht hat er recht,","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"aber dem Kinde hätte er das nicht sagen dürfen. Doch von diesem Hause kommt viel","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"über mich.\"","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Ihr habt ja dort im Hause gedient, als des Stadtvogts Eltern noch lebten und","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"dort wohnten; das ist viele Jahre her. Seit der Zeit sind viele Scheffel Salz","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"gegessen worden, da kann man schon Durst bekommen!\" und Maren lachte. \"Heute ist","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"großes Mittagessen beim Stadtvogt, es sollte abgesagt werden, aber es wurde zu","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"spät, und das Essen war schon fertig. Ich habe es von dem Hausknechte. Vor einer","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Stunde ungefähr ist ein Brief gekommen, daß der jüngere Bruder in Kopenhagen","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"gestorben ist.\"","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Gestorben\" schrie die Waschfrau auf und wurde totenbleich.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Aber ja doch\" sagte die Frau. \"Geht es Euch so nahe? Nun ja, Ihr habt ihn ja","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"gekannt von der Zeit an, wo Ihr im Hause dientet.\"","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Ist er tot! Er war der beste Mensch auf Erden. Unser Herrgott bekommt nicht","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"viele, wie er war.\" Und Tränen liefen über ihre Wangen. \"O, mein Gott. Es dreht","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"sich alles vor mir im Kreise. Das kommt, weil ich die Flasche ausgetrunken habe;","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"ich habe es nicht vertragen können. Ich fühle mich so krank\" und sie lehnte sich","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"gegen einen Bretterzaun.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Aber Mutter, Ihr seid ja ganz krank\" sagte die Frau. \"Seht nur, daß es","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"vorübergeht! Nein, Ihr seid wirklich krank. Es wird das beste sein, daß ich Euch","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"nachhause bringe!\"","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Aber die Wäsche hier.\"","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Da laßt mich nur machen. Faßt mich unter den Arm. Der Junge kann hier bleiben","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"und solange aufpassen. Nachher komme ich und wasche den Rest. Es ist ja nicht","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"mehr viel übrig.\"","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Und die Waschfrau schwankte auf ihren Füßen.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Ich habe zu lange in dem kalten Wasser gestanden. Seit heute morgen habe ich","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"weder etwas Warmes noch etwas Kaltes in den Magen bekommen! Ich fühle, wie das","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Fieber in meinem Körper sitzt. O, Herr Jesus, hilf mir nachhause. Mein armes","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Kind\" und sie brach in Tränen aus.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Der Knabe weinte und saß bald allein am Flusse neben der nassen Wäsche. Die","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"beiden Frauen gingen nur langsam, die Waschfrau schwankend, das Gäßchen entlang,","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"sie bogen um die Ecke am Hause des Stadtvogts vorbei, und gerade vor diesem sank","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"sie auf das Pflaster. Die Leute liefen zusammen.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Humpelmaren lief in das Haus um Hülfe. Der Stadtvogt mit seinen Gästen sah aus","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"dem Fenster.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Das ist die Waschfrau\" sagte er. \"Sie hat wohl eins über den Durst getrunken;","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"sie taugt nichts. Es ist schade um ihren hübschen Jungen. Für das Kind habe ich","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"etwas übrig. Aber die Mutter taugt nichts.\"","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Dann wurde sie wieder zur Besinnung gebracht und in ihr ärmliches Heim geführt,","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"wo man sie auf das Bett legte. Die brave Maren machte ihr eine Tasse warmes Bier","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"mit Butter und Zucker zurecht, eine Medizin, die sie immer für die beste hielt.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Und dann ging sie zum Flusse hinunter und spülte schlecht aber mit viel guter","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Meinung die Wäsche, sie zog das nasse Zeug eigentlich nur ans Land und nahm es","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"mit sich.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Am Abend saß sie in der ärmlichen Stube bei der Waschfrau. Ein paar gebratene","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Kartoffeln und ein prächtig fettes Stück Schinken hatte sie von der Köchin","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"des Stadtvogts für die Kranke bekommen, daran taten sich der Knabe und Maren","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"gütlich; die Kranke freute sich am Geruche, der so nährend wäre, wie sie sagte.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Und der Knabe kam ins Bett, in das gleiche Bett, in dem die Mutter lag, aber er","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"hatte seinen Platz quer zu ihren Füßen und zog einen alten Fußteppich über sich,","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"der aus roten und blauen Streifen zusammengenäht war.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Der Waschfrau ging es ein wenig besser; das warme Bier hatte sie gestärkt und","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"der Duft des feinen Essens ihr wohlgetan.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Dank, Du gute Seele\" sagte sie zu Maren. \"Wenn der Junge schläft, will ich Dir","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"auch alles sagen. Ich glaube, er tut es schon. Wie süß und lieb er doch aussieht","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"mit den geschlossenen Augen. Er weiß nicht, wie schlecht es seiner Mutter","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"geht. Der liebe Gott möge ihm ein anderes Schicksal bescheren! – Als ich bei","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Gerichtsrats, den Eltern des Stadtvogts diente, traf es sich, daß der Jüngste","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"von den Söhnen, der damals Student war, heimkam; damals war ich jung, wild","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"und warmblütig, aber anständig, das kann ich auch vor Gott getrost behaupten!\"","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"sagte die Waschfrau. – \"Der Student war so lustig und fröhlich, ein prachtvoller","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Mensch. Jeder Blutstropfen in ihm war rechtschaffen und gut. Einen besseren","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Menschen gab es auf der ganzen Welt nicht. Er war der Sohn des Hauses und ich","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"nur das Dienstmädchen, aber wir wurden uns einig in Zucht und Ehren. Ein Kuß","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"ist doch keine Sünde, wenn man einander richtig lieb hat. Und dann sagte er es","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"seiner Mutter, die für ihn der Herrgott hier auf Erden war. Und sie war auch","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"so klug, so liebevoll und so gut. – Dann reiste er fort und setzte mir seinen","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"goldenen Ring auf den Finger. Als er fort war, rief mich meine Dienstherrin","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"in ihr Zimmer. Ernst und doch so mild stand sie da und sprach mit mir, wie der","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"liebe Gott auch hätte sprechen können. Sie erklärte mir den Abstand in Geist und","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Bildung zwischen ihm und mir. Jetzt sieht er noch, wie hübsch Du aussiehst, aber","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"die Schönheit vergeht! Du bist nicht in dem Stande erzogen wie er, Ihr seid in","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"den Reichen des Geistes nicht gleich, und darin liegt das Unglück. Ich achte den","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Armen, sagte sie, bei Gott erhält er vielleicht einen höheren Platz als mancher","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Reiche, aber auf Erden darf man nicht in der verkehrten Spur fahren, wenn man","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"vorwärts will, sonst schlägt der Wagen um, und Ihr beiden würdet umschlagen!","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Ich weiß, daß ein braver Mann, ein Handwerker, um Dich gefreit hat, es ist der","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Handschuhmacher Erik. Er ist Witwer, er hat keine Kinder und steht sich gut;","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"denke darüber nach.\" - \"Jedes Wort, was sie sagte, schnitt mir wie ein Messer","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"ins Herz, aber die Frau hatte recht. Und das drückte mich und lastete auf mir.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Ich küßte ihr die Hand und weinte meine bittersten Tränen und noch mehr, als","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"ich dann in meiner Kammer war und mich übers Bett warf. Es war eine schwere","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Nacht, die dieser Stunde folgte; der liebe Gott weiß es, wie ich gelitten und","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"gestritten habe. Dann ging ich am Sonntag zum Abendmahl, um innere Klarheit zu","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"finden. Da geschah es wie in einer Fügung, daß ich gerade den Handschuhmacher","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Erik traf, als ich aus der Kirche kam. Da war es mit meinen Zweifeln vorbei,","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"wir paßten zu einander in Stellung und Verhältnissen, ja, er war sogar ein","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"wohlhabender Mann, und so ging ich gerade auf ihn zu, nahm seine Hand und","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"sagte: Sind Deine Gedanken immer noch bei mir? – Ja, ewig und immer werden sie","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"das sein, sagte er. – Willst Du ein Mädchen haben, das Dich achtet und ehrt,","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"wenn es Dich auch nicht liebt? Aber auch das kann wohl noch kommen. – Das wird","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"kommen sagte er, und dann gaben wir einander die Hand. Ich ging heim zu meiner","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Dienstherrin. Den Goldring, den der Sohn mir gegeben hatte, trug ich auf meiner","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"bloßen Brust, am Tage konnte ich ihn nicht auf meinen Finger setzen, aber jeden","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Abend, wenn ich mich ins Bett legte, setzte ich ihn auf. Ich küßte den Ring, daß","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"meine Lippen dabei bluteten. Und dann gab ich ihn meiner Dienstherrin und sagte,","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"daß ich in der nächsten Woche von der Kanzel herab mit dem Handschuhmacher","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"aufgeboten werden würde. Da nahm sie mich in ihre Arme und küßte mich – sie","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"sagte nicht, daß ich nichts tauge, aber damals war ich vielleicht auch noch","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"besser, obgleich ich noch nicht so viel Widerstand im Leben hatte durchmachen","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"müssen. Zu Lichtmeß fand dann die Hochzeit statt. Das erste Jahr ging es gut,","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"wir hielten einen Gesellen und einen Burschen, und damals dientest Du auch bei","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"uns, Maren.\"","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Ach, Ihr wart mir eine gute Dienstherrin\" sagte Maren. \"Niemals werde ich","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"vergessen, wie freundlich Ihr und Euer Mann zu mir waret.\"","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Das waren die guten Jahre, in denen Du bei uns warst – Kinder hatten wir da","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"noch nicht. – Den Studenten sah ich niemals mehr. – Doch, ich sah ihn, aber er","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"sah mich nicht. Er kam zu seiner Mutter Begräbnis. Ich sah, ihn am Grabe stehen,","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"er war kreideweiß und tiefbetrübt, aber es war um der Mutter willen! Als später","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"der Vater starb, war er in fremden Ländern und kam nicht her, auch später ist er","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"nicht mehr hier gewesen. Niemals hat er sich verheiratet, das weiß ich; er war","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"wohl Rechtsanwalt. – An mich dachte er nicht mehr und hätte er mich gesehen, so","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"hätte er mich wohl nicht mehr erkannt, so häßlich bin ich geworden. Und das ist","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"ja auch gut so!\"","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Und sie sprach von den schweren Tagen der Prüfung, wie das Unglück geradezu","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"über sie hergefallen war. Sie besaßen fünfhundert Reichstaler, und da in","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"der Straße ein Haus für zweihundert zu haben war und es sich gelohnt hätte,","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"es niederzureißen und ein neues zu bauen, wurde das Haus gekauft. Der","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Maurer und der Zimmermann machten einen Überschlag, wonach das weitere noch","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"eintausendzwanzig Mark kosten würde. Kredit hatte der Handschuhmacher, das Geld","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"bekam er in Kopenhagen geliehen, aber der Schiffer, der es bringen sollte, ging","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"unter und das Geld mit.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Damals war es, daß mein lieber Junge, der hier schläft, geboren wurde. – Der","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Vater fiel in eine schwere langwierige Krankheit. Dreiviertel Jahr lang mußte","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"ich ihn aus- und anziehen. Es ging immer weiter rückwärts mit uns; wir liehen","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"und liehen, all unser Eigentum ging verloren und der Vater starb. – Ich habe","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"mich gequält und geplagt, habe gestritten und gestrebt um des Kindes willen,","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"habe Treppen gescheuert und Wäsche gewaschen, grobe und feine. Aber Gott wollte,","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"daß ich es nicht besser haben sollte, aber er wird mich wohl einmal erlösen und","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"für den Knaben sorgen.\"","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Dann schlief sie ein.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Am Morgen fühlte sie sich gekräftigt und, wie sie glaubte, stark genug, wieder","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"an ihre Arbeit zu gehen. Sie war eben in das kalte Wasser gestiegen, als ein","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Zittern, eine Ohnmacht sie befiel. Krampfhaft griff sie mit der Hand nach","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"vorwärts, machte einen Schritt an das Land und fiel dann um. Der Kopf war auf","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"dem Trockenen, aber die Füße lagen draußen im Fluß. Ihre Holzschuhe, mit denen","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"sie auf dem Grunde gestanden hatte – in jedem von ihnen war eine Strohlage –","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"trieben in der Strömung; hier wurde sie von Maren aufgefunden, die mit Kaffee","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"herunterkam.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Vom Stadtvogt war eine Bestellung zuhause, daß sie sogleich zu ihm kommen möge,","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"er habe ihr etwas zu sagen. Das war zu spät. Ein Barbier wurde geholt, um ihr","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"zur Ader zu lassen; aber die Waschfrau war tot.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Sie hat sich totgetrunken!\" sagte der Stadtvogt.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"In dem Briefe, der die Nachricht vom Tode des Bruders brachte, war der Inhalt","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"des Testaments angegeben und darin stand, daß sechshundert Reichstaler der","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Handschubmacherswitwe vermacht waren, die einmal bei seinen Eltern gedient habe.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Nach bestem Gewisses sollte das Geld in kleineren oder größeren Teilen ihr und","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"ihrem Kinde übergeben werden.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Da hat einmal so ein Techtelmechtel zwischen meinem Bruder und ihr","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"stattgefunden!\" sagte der Stadtvogt. \"Gut: daß sie aus dem Wege ist, nun","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"bekommt der Knabe das Ganze. Ich werde ihn zu braven Leuten geben, daß ein","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"guter Handwerker aus ihm wird.\" – Und in diese Worte legte der liebe Gott seinen","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Segen.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Der Stadtvogt rief den Knaben zu sich, versprach, für ihn zu sorgen und sagte zu","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"ihm, wie gut es sei, daß seine Mutter gestorben wäre, sie taugte nichts.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Sie wurde auf den Kirchhof gebracht, auf den Armenfriedhof. Maren pflanzte einen","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"kleinen Rosenstrauch auf das Grab – und der Knabe stand an ihrer Seite.","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Meine liebe Mutter\" sagte er und seine Tränen strömten: \"Ist es wahr, daß sie","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"nichts taugte?\"","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"\"Ja, sie taugte!\" sagte das alte Mädchen und sah zum Himmel auf. \"Ich weiß","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"das seit langen Jahren und seit der letzten Nacht noch mehr. Ich sage Dir, sie","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"taugte. Und unser Herrgott im Himmelreich sagt es auch. Laß die Welt nur ruhig","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"sagen: sie taugt nichts!\"","book":"Sie taugte nichts"} {"text":"Hast Du jemals eine Jungfer gesehen? Ich meine was die Steinsetzer eine Jungfer","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"nennen, eine, mit der man die Pflastersteine feststampft. Sie ist ganz aus Holz,","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"nach unten breit und mit eisernen Reifen beschlagen, und oben schmal und von","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"einem Stab durchzogen, das sind ihre Arme.","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"In einem Hofe standen zwei solcher Jungfern, sie standen zwischen Schaufeln,","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"Klaftermaßen und Schiebkarren, und dorthin drang das Gerücht, daß die Jungfern","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"für die Zukunft nicht mehr \"Jungfern,\" sondern \"Stempel\" genannt werden sollten,","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"und das ist die neueste und einzig richtige Benennung in der Steinsetzersprache","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"für das, was wir alle in alten Zeiten eine Jungfer nannten.","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"Nun gibt es unter uns Menschen etwas, was \"emanzipierte Frauenzimmer,\" genannt","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"wird, wozu Pensionats vorsteherinnen, Hebammen, Tänzerinnen, die in ihrem Berufe","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"auf einem Bein stehen, Modistinnen und Pflegerinnen gezählt werden, und dieser","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"Reihe von Emanzipierten schlossen sich auch die zwei Jungfern im Hofe an. Sie","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"waren Jungfern bei der Wegebaubehörde und wollten unter keinen Umständen ihren","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"guten alten Namen aufgeben und sich \"Stempel\" nennen lassen.","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"\"Jungfer ist ein Menschenname,\" sagten sie, \"aber Stempel ist ein Ding, und wir","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"lassen uns nicht Ding nennen, das ist ein Schimpf für uns.\"","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"\"Mein Verlobter ist imstande, die Verbindung mit mir zu lösen!\" sagte die","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"Jüngere, die mit einem Rammbock verlobt war; \"das ist so eine große Maschine die","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"Pfähle eintreibt, sie tut also im Groben, was die Jungfer im Feinen tut. Er will","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"mich als Jungfer haben, aber als Stempel vielleicht nicht, also kann ich mich","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"nicht umtaufen lassen!\"","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"\"Und ich lasse mir lieber beide Arme abbrechen!\" sagte die Ältere.","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"Der Schiebkarren hatte jedoch eine andere Meinung darüber, und der Schiebkarren","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"war etwas, er sah sich für eine Viertelkutsche an, da er ebenfalls auf einem","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"Rade ging.","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"\"Ich muß Ihnen sagen, daß Jungfer zu heißen ziemlich gewöhnlich ist und längst","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"nicht so fein, als Stempel genannt zu werden; denn wenn man diesen Namen führt,","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"wird man mit den Siegeln auf eine Stufe gestellt. Denken Sie nur an das Siegel","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"des Reiches. Ich, an Ihrer Stelle, würde die Jungfer aufgeben!\"","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"\"Niemals. Dazu bin ich zu alt\" sagte die Ältere.","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"\"Sie wissen wohl nicht, was die europäische Notwendigkeit bedeutet!\" sagte das","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"ehrliche alte Klaftermaß. \"Man muß sich einschränken, unterordnen, sich der Zeit","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"und der Notwendigkeit fügen, und ist es ein Gesetz, wonach die Jungfer Stempel","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"genannt werden soll, so muß sie Stempel genannt werden. Jedes Ding muß nach","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"seinem eigenen Klaftermaß gemessen werden!\"","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"\"Da würde ich mich doch lieber Fräulein nennen lassen!\" sagte die Jüngere, \"wenn","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"nun schon einmal geändert werden soll; Fräulein schmeckt doch immer noch etwas","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"nach Jungfer.\"","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"\"Aber ich lasse mich lieber kurz und klein hacken!\" sagte die alte Jungfer.","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"Nun ging es an die Arbeit; die Jungfern fuhren, sie wurden auf den Schiebkarren","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"gelegt, das war immerhin eine feine Behandlung, aber Stempel wurden sie doch","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"genannt.","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"\"Jung\" sagten sie, indem sie das Steinpflaster stampften; \"Jung\" und sie waren","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"nahe daran, das ganze Wort \"Jungfer\" auszusprechen; aber sie bissen kurz ab und","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"schluckten herunter, was ihnen auf der Zunge schwebte, denn sie fanden, daß sie","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"nicht einmal etwas entgegnen durften. Aber unter sich redeten sie sich mit dem","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"Namen \"Jungfer\" an und priesen die guten alten Tage, als man noch jedes Ding","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"bei seinem rechten Namen nannte und Jungfer genannt wurde wenn man Jungfer war.","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"Und das blieben sie auch alle beide, denn der Rammbock, die große Maschine, hob","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"wirklich die Verlobung mit der Jüngeren auf, mit einem Stempel wollte er sich","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"nicht einlassen.","book":"Zwei Jungfern"} {"text":"Das war ein reiches Haus, ein glückliches Haus. Alles darin, Herrschaften wie","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Dienende und gleichzeitig auch ihre Freunde waren glückselig und fröhlich; heute","book":"Die letzte Perle"} {"text":"war ein Erbe geboren, ein Sohn, und Mutter und Kind befanden sich wohl.","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Die Lampe in dem behaglichen Schlafzimmer war halb überdeckt; schwere seidene","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Gardinen von kostbaren Stoffen hingen fest zugezogen vor den Fenstern. Der","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Teppich war dick und weich wie Moos; alles war wie geschaffen zum Schlummer,","book":"Die letzte Perle"} {"text":"zum Schlafe, zum köstlichen Ruhen, und dem gab sich auch die Pflegerin hin,","book":"Die letzte Perle"} {"text":"sie schlief, und das konnte sie mit ruhigem Gewissen; denn alles war gut und","book":"Die letzte Perle"} {"text":"in seiner Ordnung. Des Hauses Schutzgeist stand am Kopfende des Bettes; über","book":"Die letzte Perle"} {"text":"das Kind an der Mutter Brust hin breitete es sich reich, gleichsam wie ein","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Netz funkelnder Sterne aus, jeder Stern war eine Perle des Glückes. Des Lebens","book":"Die letzte Perle"} {"text":"gute Feen, alle hatten sie dem Neugeborenen ihre Gaben gebracht. Hier funkelten","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Gesundheit, Reichtum, Glück und Liebe, kurz alles, was Menschen sich auf dieser","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Erde nur wünschen können.","book":"Die letzte Perle"} {"text":"\"Alles ist nun gebracht und geschenkt!\" sagte der Schutzgeist.","book":"Die letzte Perle"} {"text":"\"Nein\" ertönte eine Stimme dicht daneben; das war des Kindes guter Engel. \"Eine","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Fee hat ihre Gabe noch nicht gebracht, aber sie bringt sie, bringt sie einmal,","book":"Die letzte Perle"} {"text":"ob auch Jahre darüber vergehen werden. Die letzte Perle fehlt.\"","book":"Die letzte Perle"} {"text":"\"Fehlt? Hier darf nichts fehlen, und ist es wirklich so, so laß uns gehen und","book":"Die letzte Perle"} {"text":"sie suchen, die mächtige Fee, laß uns zu ihr gehen.\"","book":"Die letzte Perle"} {"text":"\"Sie kommt, sie kommt einmal. Ihre Perle muß dabei sein, um den Kranz","book":"Die letzte Perle"} {"text":"zusammenzubinden.\"","book":"Die letzte Perle"} {"text":"\"Wo wohnt sie? Wo ist ihre Heimat? Sage es mir ich gehe und hole die Perle.\"","book":"Die letzte Perle"} {"text":"\"Du willst es\" sagte des Kindes guter Engel. \"Ich führe Dich zu ihr, wo sie auch","book":"Die letzte Perle"} {"text":"zu treffen sein mag. Sie hat keine bleibende Stätte, sie kommt zu des Kaisers","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Schloß und zu dem ärmsten Bauer, an keinem Menschen geht sie spurlos vorüber,","book":"Die letzte Perle"} {"text":"allen bringt sie ihre Gabe, sei sie eine Welt oder ein Spielzeug. Auch diesem","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Kinde wird sie begegnen. Du denkst, die Zeit ist gleich lang, aber nicht gleich","book":"Die letzte Perle"} {"text":"nützlich. Nun wohl, laß uns gehen, die Perle zu holen, die letzte Perle zu","book":"Die letzte Perle"} {"text":"diesem Reichtum.\"","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Und Hand in Hand schwebten sie zu der Stätte, die zu dieser Stunde die Heimat","book":"Die letzte Perle"} {"text":"der Fee war.","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Es war ein großes Haus mit düsteren Gängen, leeren Zimmern und seltsam stille;","book":"Die letzte Perle"} {"text":"eine Reihe von Fenstern stand offen, damit die rauhe Luft recht herein dringen","book":"Die letzte Perle"} {"text":"könne; die langen weißen, niederhängenden Gardinen bewegten sich im Luftzuge.","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Mitten auf dem Fußboden stand ein offener Sarg und in diesem ruhte die Leiche","book":"Die letzte Perle"} {"text":"einer Frau in den besten Jahren. Die herrlichsten frischen Rosen lagen über sie","book":"Die letzte Perle"} {"text":"hingebreitet, so daß nur die gefalteten feinen Hände sichtbar waren und das im","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Tode verklärte, edle Antlitz mit der Weihe hohen, edlen Ernstes vor Gott.","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Am Sarge standen Mann und Kinder, eine ganze Schar war es; das kleinste saß auf","book":"Die letzte Perle"} {"text":"dem Arme des Vaters, sie brachten ihr das letzte Lebewohl dar. Der Mann küßte","book":"Die letzte Perle"} {"text":"ihre Hand, die Hand, die nun wie welkes Laub war, und die sie alle vorher mit","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Kraft und Liebe gehegt und gepflegt hatte. Schwere, bittere Tränen fielen in","book":"Die letzte Perle"} {"text":"großen Tropfen zu Boden; aber nicht ein Wort wurde gesprochen. Das Schweigen","book":"Die letzte Perle"} {"text":"hier barg eine Welt von Schmerz in sich. Und stille schluchzend gingen sie fort.","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Ein Licht stand da, die Flamme bewegte sich im Windzuge, der ausgebrannte Docht","book":"Die letzte Perle"} {"text":"ragte lang und rotglühend empor. Fremde Leute traten ein; sie legten den Deckel","book":"Die letzte Perle"} {"text":"über die Tote, sie schlugen die Nägel fest und dumpf dröhnten die Hammerschläge","book":"Die letzte Perle"} {"text":"durch des Hauses Stuben und Gänge, dröhnten durch die blutenden Herzen.","book":"Die letzte Perle"} {"text":"\"Wohin führst Du mich?\" fragte der Schutzgeist. \"Hier wohnt keine Fee, deren","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Perle zu den besten Gaben des Lebens gehört!\"","book":"Die letzte Perle"} {"text":"\"An dieser Stätte wohnt sie, hier in dieser heiligen Stunde,\" sagte der","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Schutzengel und zeigte in eine Ecke, und dort, wo in den Tagen ihres Lebens die","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Mutter zwischen Blumen und Bildern gesessen hatte, wo sie alte des Hauses gütige","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Fee liebevoll dem Manne, den Kindern und den Freunden zugenickt hatte, wo sie","book":"Die letzte Perle"} {"text":"als des Hauses Sonnenstrahl Freude verbreitete und des Ganzen Herz und Stütze","book":"Die letzte Perle"} {"text":"war, da saß nun eine fremde Frau in langen seidenen Kleidern. Die Trauer war","book":"Die letzte Perle"} {"text":"es, Herrscherin nun und Mutter an der Toten statt. Eine brennende Träne rollte","book":"Die letzte Perle"} {"text":"in ihren Schoß nieder und verwandelte sich in eine Perle; sie funkelte in allen","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Farben des Regenbogens, und der Engel nahm sie, und die Perle leuchtete wie ein","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Stern in siebenfarbigem Glanze.","book":"Die letzte Perle"} {"text":"\"Die Perle der Trauer, die letzte, die nicht fehlen darf. Durch sie erhöht sich","book":"Die letzte Perle"} {"text":"der anderen Glanz und Macht. Siehst Du den Schein des Regenbogens hier, des","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Bogens Schein, der Himmel und Erde miteinander verbindet? Für jedes unserer","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Lieben, das uns stirbt, haben wir im Himmel einen Freund mehr, nach dem wir","book":"Die letzte Perle"} {"text":"uns sehnen. In der Erdennacht blicken wir zu den Sternen empor, der Vollendung","book":"Die letzte Perle"} {"text":"entgegen! Betrachte die Perle der Trauer, in ihr liegen die Schwingen der Seele.","book":"Die letzte Perle"} {"text":"die uns von hinnen tragen.","book":"Die letzte Perle"} {"text":"Ein paar große Schiffe waren hoch hinauf nach dem Nordpol ausgesandt, um zu","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"erforschen, wie weit das Land dort in das Meer reichte und festzustellen, wie","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"weit Menschen dort vordringen könnten. Schon seit Jahr und Tag waren sie unter","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"großen Beschwerlichkeiten zwischen Nebel und Eis dort oben umher gesteuert.","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"Nun hatte der Winter begonnen, die Sonne verschwand, lange, lange Wochen würden","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"hier zu einer einzigen Nacht werden. Alles ringsum war ein einziges Stück Eis,","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"und fest lag darin das Schiff vertäut, der Schnee lag hoch und aus dem Schnee","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"selbst wurden bienenkorbähnliche Hütten errichtet, einige waren groß, wie unsere","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"Hünengräber, andere nicht größer, als daß sie zwei oder vier Männer fassen","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"könnten. Aber dunkel war es nicht; die Nordlichter glänzten rötlich und blau,","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"es war wie ein ewiges großes. Der Schnee leuchtete, die Nacht hier war eine","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"lange schimmernde Dämmerung. In der hellsten Zeit kamen Scharen von Eingeborenen","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"herbei, wunderlich anzusehen mit ihren behaarten Pelzröcken und Schlitten, die","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"aus Eisstücken gezimmert waren. Felle in großen Haufen brachten sie mit, und die","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"Schneehütten erhielten dadurch warme Teppiche. Die Felle dienten als Decken und","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"Betten, wenn sich die Matrosen ihr Lager unter der Schneekuppel zurechtmachten,","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"während es draußen fror, daß der Schnee knirschte, wie wir es auch in der","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"strengsten Winterszeit nicht kennen lernen. Bei uns waren noch Herbsttage, daran","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"dachten sie mitunter dort oben. Sie erinnerten sich der Sonnenstrahlen in der","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"Heimat und des rotgelben Laubes, das an den Bäumen hing. Die Uhr zeigte, daß es","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"Abend und Schlafenszeit war, und in einem von den Schneehütten streckten sich","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"schon zwei zur Ruhe aus. Der Jüngere hatte seinen besten, reichsten Schatz von","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"zuhause mit, den ihm die Großmutter vor der Abreise gegeben hatte. Es war die","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"Bibel. Jede Nacht lag sie unter seinem Kopfe, er wußte seit seiner Kindheit,","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"was darin stand; jeden Tag las er ein Stück und auf seinem Lager kam ihm oft","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"tröstend der Gedanke an das heilige Wort: \"Ginge ich auf Flügeln der Morgenröte","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"und wäre am äußersten Meer, so würde doch Deine Hand mich führen und Deine","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"Rechte mich halten!\" Und unter diesen gläubigen Worten der Wahrheit schloß er","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"seine Augen und der Schlaf kam mit seinen Träumen, des Geistes Offenbarungen in","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"Gott. Die Seele blieb lebendig auch unter der Ruhe des Körpers; er vernahm es","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"wie Melodien von altbekannten, lieben Liedern; es wehte so mild, so sommerwarm,","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"und von seinem Lager sah er es über sich leuchten, als würde die Schneekuppel","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"von außen her durchstrahlt; er hob sein Haupt, das strahlende Weiße war","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"nicht die Wand oder die Decke, es waren die großen Schwingen an eines Engels","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"Schultern, und er blickte empor in sein milde leuchtendes Antlitz. Aus der Bibel","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"Blätter, wie aus dem Kelch einer Lilie, erhob sich der Engel, er breitete seine","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"Arme weit aus und die Wände der Schneehütte versanken ringsum wie ein luftiger","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"Nebelschleier. Der Heimat grüne Felder und Hügel mit den rotbraunen Wäldern","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"lagen rundum im stillen Sonnenglanzte eines herrlichen Herbsttages. Das Nest","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"der Störche stand leer, aber noch hingen die Äpfel an dem wilden Apfelbaum, ob","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"auch die Blätter längst gefallen waren. Die roten Hagebutten leuchteten, und der","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"Star flötete in dem kleinen grünen Bauer über dem Fenster des Bauernhauses, wo","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"das Heim seiner Heimat war. Der Star flötete, wie er es gelernt hatte, und die","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"Großmutter hing Vogelmiere in den Käfig, wie es der Enkel immer getan hatte. Und","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"die Tochter des Schmieds stand so jung und schön am Brunnen und zog das Wasser","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"herauf, sie nickte der Großmutter zu, und die Großmutter winkte und zeigte einen","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"Brief von weit, weit her. Heute Morgen war er aus den kalten Ländern gekommen,","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"hoch oben vom Nordpole her, wo der Enkel war - in Gottes Hand. Und sie lachten","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"und weinten, und er, der unter Eis und Schnee in der Welt des Geistes unter","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"den Schwingen des Engels alles dies sah und hörte, lachte und weinte mit ihnen.","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"Und aus dem Brief selbst wurden laut die Bibelworte vorgelesen: \"Am äußersten","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"Meer würde doch Deine Hand mich führen und Deine Rechte mich halten!\" - Wie","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"herrlicher Orgelklang ertönte es ringsum und der Engel senkte seine Schwingen","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"wie einen Schleier um den Schlafenden. Der Traum war zuende - es war dunkel in","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"der Schneehütte, aber die Bibel lag unter seinem Haupte, und Glaube und Hoffnung","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"lagen in seinem Herzen; Gott und die Heimat waren mit ihm - \"am äußersten","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"Meere!\"","book":"Am äußersten Meer"} {"text":"Da gab es soviel Spielzeug in der Kinderstube; oben auf dem Schranke stand","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"die Sparbüchse. Sie war aus Ton und hatte die Gestalt eines Schweins. Auf dem","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"Rücken hatte sie natürlich einen Spalt und der Spalt war mit einem Messer noch","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"größer gemacht worden, damit auch Silbertaler hineingehen könnten, und es waren","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"wirklich zwei, neben vielen anderen Schillingen, durch den Spalt gewandert. Die","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"Sparbüchse war vollgepfropft, daß sie gar nicht mehr klappern konnte, und das","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"ist das Höchste, wozu eine Sparbüchse es bringen kann. Da stand sie nun ganz","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"oben auf dem Schranke und sah auf alles in der Stube herab, sie wußte recht","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"wohl, daß sie mit dem, was sie im Bauche hatte, das Ganze hätte kaufen können,","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"und das ist ein angenehmes Bewußtsein.","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"Das dachten die anderen auch, obwohl sie es nicht sagten; es gab ja auch andere","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"Dinge, um darüber zu sprechen. Die Kommodenschublade stand halb aufgezogen","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"und darin erhob sich eine große Puppe; etwas alt war sie schon und am Halse","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"gekittet. Sie guckte heraus und sagte: \"Wollen wir nun Menschen spielen? Das","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"ist doch immer etwas!\" Und dann rührte es sich überall emsig, sogar die Bilder","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"drehten sich an den Wänden, sie zeigten, daß sie auch eine Kehrseite hatten, und","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"dagegen war nichts zu sagen.","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"Es war mitten in der Nacht. Der Mond schien zum Fenster herein und gab","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"seinerseits freie Beleuchtung dazu. Nun sollte das Spiel beginnen, alles war","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"eingeladen, selbst der Kinderwagen, der doch zu dem gröberen Spielzeug gehörte.","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"\"Jedes Ding hat sein Gutes\" sagte er. \"Es kann nicht jeder von Adel sein. Einer","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"muß ja immer die Arbeit tun.\"","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"Die Sparbüchse war die einzige, die eine schriftliche Einladung erhielt, sie","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"war zu hochstehend, als daß man hätte annehmen können, sie würde auch einer","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"mündlichen Gehör schenken. Sie gab auch keine Antwort, denn sie kam nicht.","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"Sollte sie mithalten, so mußte sie es von zuhause aus genießen können; danach","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"konnten sich die anderen richten, und das taten sie.","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"Das kleine Puppentheater wurde sogleich aufgebaut, und zwar so, daß sie gerade","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"hineinsehen konnte; sie wollten mit einer Komödie beginnen und dann sollte es","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"Tee geben und Gedankenspiele gespielt werden. Damit fing man sogleich an. Das","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"Schaukelpferd sprach von Training und Vollblut, der Kinderwagen von Eisenbahnen","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"und Dampfkraft, immer war es etwas, was in ihr Fach gehörte und worüber sie","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"zu sprechen verstanden. Die Stubenuhr sprach von Politik – tik-tik. Sie wußte,","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"was die Glocke geschlagen hatte, aber man sagte von ihr, daß sie falsch ginge.","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"Das spanische Rohr stand da und war stolz auf seine Spitze und seinen silbernen","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"Knopf, er war oben und unten beschlagen; im Sofa lagen zwei gestickte Kissen,","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"sie waren hübsch und dumm – nun konnte die Komödie beginnen.","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"Alle saßen und schauten zu, dann wurde höflich ersucht zu klatschen, zu","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"knallen oder zu poltern, ganz wie man eben aufgelegt sei durch das Spiel.","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"Aber die Reitpeitsche sagte, daß sie niemals für ältere Leute, sondern nur für","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"die Unverlobten knalle. \"Ich knalle für jeden\" sagte die Knallerbse. \"Einen","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"Standpunkt muß man ja haben\" sagte der Spucknapf. Das waren so die Gedanken,","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"die ihnen bei dem Komödienspiel kamen. Das Stück taugte nichts, aber es wurde","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"gut gegeben; alle Spielenden wandten die bemalte Seite nach außen. Sie waren nur","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"dazu da, um von der einen Seite gesehen zu werden, aber nicht von der Rückseite.","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"Alle spielten ausgezeichnet und ganz im Vordergrunde des Theaters, sie hingen","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"zwar an zu langen Drähten, aber dadurch wurden sie nur umso bemerkbarer. Die","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"gekittete Puppe war so hingerissen, daß der Kitt sich löste, und die Sparbüchse","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"war auf ihre Art so gerührt, daß sie beschloß, für einen der Schauspieler etwas","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"zu tun, und zwar wollte sie in ihrem Testament bestimmen, daß er mit ihr im","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"offenen Grab liegen solle, wenn die Zeit einst da sei.","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"Das war wirklich ein solcher Genuß, daß man vom Teetrinken absah und bei","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"den Gedankenspielen blieb, was man \"Menschen spielen\" nannte. Darin war","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"keine Bosheit, denn sie spielten nur – und jeder dachte an sich und an die","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"merkwürdigen Gedanken, die die Sparbüchse zuweilen hatte. Die Sparbüchse besaß","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"am meisten Weitblick, sie dachte ja schon an Testament und Begräbnis – und","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"wann geschah das wohl? – Immer, bevor man es erwartet. – Knack, da fiel sie","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"vom Schranke – lag auf dem Fußboden in tausend Scherben, während die Schillinge","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"tanzten und sprangen; die kleinsten drehten sich um sich selbst, die großen","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"rollten, besonders der eine Silbertaler wollte durchaus in die Welt hinaus. Und","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"das kam er auch und alle die anderen mit; die Scherben der Sparbüchse wanderten","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"in den Kehricht. Doch am nächsten Tage schon stand auf dem Schranke eine neue","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"Sparbüchse aus Ton. Noch war kein Schilling darin, daher konnte sie auch nicht","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"klappern. Hierin glich sie der anderen, das war immer ein Anfang – und damit","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"sind wir auch am Ende.","book":"Die Sparbüchse"} {"text":"Hoch oben in der dünnen, klaren Luft flog ein Engel mit einer Blume aus dem","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Himmelsgarten, und während er einen Kuß auf die Blume drückte, löste sich ein","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"winzig kleines Blättchen ab und fiel auf die nasse Erde mitten im Walde; da","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"faßte es sogleich Wurzeln und begann mitten zwischen den anderen Kräutern zu","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"sprossen.","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"\"Das ist ja ein merkwürdiger Steckling\" sagten sie, und keiner wollte sich zu","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"ihm bekennen, weder die Distel noch die Brennessel.","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"\"Es wird wohl eine Art Gartengewächs sein\" sagten sie und lachten spöttisch. Und","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"sie machten sich über das vermeintliche Gartengewächs lustig; aber es wuchs und","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"wuchs wie keines von den anderen und trieb Zweige weit umher in langen Ranken.","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"\"Wo willst Du hin?\" sagten die hohen Disteln, die Stacheln an jedem Blatte","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"hatten. \"Du gehst zu weit. Deine Zweige haben keine Stütze und keinen Halt mehr.","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Wir können doch nicht stehen und Dich tragen!\"","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Der Winter kam und Schnee legte sich über die Pflanze; aber durch sie bekam die","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Schneedecke einen Glanz, als würde er von unten her mit Sonnenlicht durchströmt.","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Im Frühjahr stand dort ein blühendes Gewächs, herrlich wie kein anderes im","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Walde.","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Da kam ein Professor der Botanik daher, der ein Zeugnis bei sich hatte, daß er","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"war, was er war. Er besah sich die Pflanze, biß sogar in ihre Blätter, aber sie","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"stand nicht in seiner Pflanzenkunde; es war ihm nicht möglich zu entdecken, zu","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"welcher Gattung sie gehörte.","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"\"Das ist eine Spielart!\" sagte er. – \"Ich kenne sie nicht, sie ist nicht in das","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"System aufgenommen!\"","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"\"Nicht in das System aufgenommen\" sagten die Disteln und Nesseln.","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Die großen Bäume ringsum hörten, was gesagt wurde, und auch sie sahen, daß es","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"kein Baum von ihrer Art war; aber sie sagten nichts, weder etwas Gutes noch","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"etwas Schlechtes, das ist immer das Sicherste, wenn man dumm ist.","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Da kam ein armes, unschuldiges Mädchen durch den Wald; ihr Herz war rein und ihr","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Verstand groß durch ihren Glauben; ihr ganzes Erbteil in dieser Welt bestand in","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"einer alten Bibel, aber aus deren Blättern sprach Gottes Stimme zu ihr: Wollen","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"die Menschen Dir übel, so denke an die Geschichte von Joseph: \"Sie dachten übles","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"in ihren Herzen, aber Gott wendete es zum Besten\" Leidest Du Unrecht, wirst Du","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"verkannt und verhöhnt, so denke an den Reinsten und Besten, den sie verspotteten","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"und an das Kreuz nagelten, wo er noch betete: \"Vater, vergib ihnen, denn sie","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"wissen nicht, was sie tun!\"","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Sie blieb vor der wunderbaren Pflanze stehen, deren grüne Blätter so süß und","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"erquickend dufteten und deren Blüten im hellen Sonnenschein wie ein wahres","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Farbenfeuerwerk leuchteten. Und aus jeder sang und klang es, als verberge sie","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"aller Melodien tiefen Born, der in Jahrtausenden nicht erschöpft wird. Mit","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"frommer Andacht schaute sie auf all die Gottesherrlichkeit; sie bog einen der","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Zweige nieder, um die Blüte recht anschauen zu können und ihren Duft einzuatmen.","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Und ihr wurde licht und wohl ums Herz. Gern hätte sie eine Blüte mitgenommen,","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"aber sie hatte nicht das Herz, sie zu brechen, sie würde nur zu schnell bei ihr","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"welken, und so nahm sie nur ein einziges von den grünen Blättern, trug es heim,","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"legte es in ihre Bibel und dort lag es frisch, immer frisch und unverwelklich.","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Zwischen den Blättern der Bibel lag es verborgen, und mit der Bibel wurde es","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"unter des jungen Mädchens Haupt gebettet, als sie einige Wochen später im Sarge","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"lag, des Todes heiligen Ernst auf dem frommen Antlitz, als ob es sich in ihrer","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"irdischen Hülle noch abpräge, daß sie nun vor ihrem Gotte stand.","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Aber draußen im Walde blühte die wunderbare Pflanze, die bald wie ein Baum","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"anzusehen war. Und alle Zugvögel kamen und neigten sich vor ihr, besonders die","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Schwalben und Störche.","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"\"Das ist ein ausländisches Gehabe!\" sagten die Distel und die Klette, \"so würden","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"wir uns doch hier niemals aufführen!\"","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Und die schwarzen Waldschnecken spuckten auf den Baum.","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Da kam der Schweinehirt, er raufte Disteln und Ranken aus, um sie zu Asche","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"zu verbrennen; den ganzen wunderbaren Baum, mit allen Wurzeln riß er aus und","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"stopfte ihn mit in das Bund. \"Er muß auch Nutzen bringen!\" sagte er, und dann","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"war es getan.","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Aber nach Jahr und Tag litt des Landes König an der tiefsten Schwermut; er","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"war fleißig und arbeitssam, aber es half nichts. Es wurden ihm tiefsinnige","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Schriften vorgelesen und auch die allerleichtesten, aber auch das half nichts.","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Da kam Botschaft von einem der weisesten Männer der Welt. Man hatte sich an","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"ihn gewendet und er ließ sie wissen, daß sich ein sicheres Mittel finde, den","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Leidenden zu kräftigen und zu heilen. \"In des Königs eigenem Reiche wächst im","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Walde eine Pflanze himmlischen Ursprungs, so und so sieht sie aus, man kann sich","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"gar nicht irren!\" – und dann folgte eine Zeichnung der Pflanze, sie war leicht","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"zu erkennen. – \"Sie grünt Sommer und Winter; man nehme jeden Abend ein frisches","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Blatt davon und lege es auf des Königs Stirn, da wird es seine Gedanken licht","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"machen, und ein schöner Traum wird ihn für den kommenden Tag stärken!\"","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Das war nun deutlich genug, und alle Doktoren und der Professor der Botanik","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"gingen in den Wald hinaus. – Ja, aber wo war die Pflanze?","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"\"Ich habe sie wohl mit in mein Bund gepackt!\" sagte der Schweinehirt. \"Sie ist","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"schon längst zu Asche geworden, aber ich verstand es nicht besser!\"","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"\"Er verstand es nicht besser!\" sagten alle. \"Unwissenheit! Unwissenheit wie groß","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"bist Du.\" Und diese Worte konnte sich der Schweinehirt zu Herzen nehmen, denn","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"ihm und keinem anderen galten sie.","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Nicht ein Blatt war zu finden, das einzige lag in dem Sarge der Toten, und das","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"wußte niemand.","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Der König selbst kam in seiner Schwermut in den Wald zu dem Orte hinaus. \"Hier","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"hat der Baum gestanden\" sagte er, \"das ist ein heiliger Ort\"","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Und die Erde wurde mit einem goldenen Gitter eingefaßt und eine Schildwache","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"stand Tag und Nacht davor.","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Der Professor der Botanik schrieb eine Abhandlung über die himmlische Pflanze,","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"und dafür wurde er vergoldet. Das war ihm ein großes Vergnügen. Und die","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Vergoldung kleidete ihn und seine Familie, und das ist das Erfreulichste an der","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"ganzen Geschichte, denn die Pflanze war fort und der König war schwermütig und","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"betrübt – \"aber das war er auch schon vorher!\" sagte die Schildwache.","book":"Ein Blatt vom Himmel"} {"text":"Tief im Innern des Landes lag ein alter Herrenhof; dort war ein Gutsherr, der","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"zwei Söhne hatte, die sich so witzig und gewitzigt dünkten, daß die Hälfte","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"genügt hätte. Sie wollten sich nun um die Königstochter bewerben, denn die hatte","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"öffentlich anzeigen lassen, sie wolle den zum Ehegemahl wählen, der seine Worte","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"am besten zu stellen wisse.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Die beiden bereiteten sich nun volle acht Tage auf die Bewerbung vor, die","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"längste, aber allerdings auch genügende Zeit, die ihnen vergönnt war, denn sie","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"hatten Vorkenntnisse, und wie nützlich die sind, weiß jedermann. Der eine wußte","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"das ganze lateinische Wörterbuch und nebenbei auch drei Jahrgänge vom Tageblatte","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"des Städtchens auswendig, und zwar so, daß er alles von vorne und hinten, je","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"nach Belieben, hersagen konnte. Der andere hatte sich in die Innungsgesetze","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"hineingearbeitet und wußte auswendig, was jeder Innungsvorstand wissen muß,","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"weshalb er auch meinte, er könne bei Staatsangelegenheiten mitreden und seinen","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Senf dazugeben; ferner verstand er noch eins: Er konnte Hosenträger mit Rosen","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"und anderen Blümchen und Schnörkeleien besticken, denn er war auch fein und","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"fingerfertig.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Ich bekomme die Königstochter!\" riefen sie alle beide, und so schenkte der","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"alte Papa einem jeden von ihnen ein prächtiges Pferd. Derjenige, welcher","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"das Wörterbuch und das Tageblatt auswendig wußte, bekam einen Rappen, der","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Innungskluge erhielt ein milchweißes Pferd, und dann schmierten sie sich die","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Mundwinkel mit Fischtran ein, damit sie recht geschmeidig würden. – Das ganze","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Gesinde stand unten im Hofraume und war Zeuge, wie sie die Pferde bestiegen, und","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"wie von ungefähr kam auch der dritte Bruder hinzu, denn der alte Gutsherr hatte","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"drei Söhne, aber niemand zählte diesen dritten mit zu den anderen Brüdern, weil","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"er nicht so gelehrt wie diese war, und man nannte ihn auch gemeinhin Tölpel-","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Hans.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Ei!–\" sagte Tölpel-Hans, \"wo wollt ihr hin? Ihr habt euch ja in den","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Sonntagsstaat geworfen!\"","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Zum Hofe des Königs, uns die Königstochter zu erschwatzen! Weißt du denn","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"nicht, was dem ganzen Lande bekanntgemacht ist?\" Und nun erzählten sie ihm den","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Zusammenhang.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Ei, der tausend! Da bin ich auch dabei!\" rief Tölpel-Hans, und die Brüder","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"lachten ihn aus und ritten davon.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Väterchen!\" schrie Tölpel-Hans, \"ich muß auch ein Pferd haben. Was ich für eine","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Lust zum Heiraten kriege! Nimmt sie mich, so nimmt sie mich, und nimmt sie mich","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"nicht, so nehm ich sie – kriegen tu ich sie!\"","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Laß das Gewäsch!\" sagte der Alte, \"dir gebe ich kein Pferd. Du kannst ja nicht","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"reden, du weißt ja deine Worte nicht zu stellen; nein, deine Brüder, ah, das","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"sind ganz andere Kerle.\"","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Nun,\" sagte Tölpel-Hans, \"wenn ich kein Pferd haben kann, so nehme ich den","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Ziegenbock, der gehört mir sowieso, und tragen kann er mich auch!\" Und gesagt,","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"getan. Er setzte sich rittlings auf den Ziegenbock, preßte die Hacken in dessen","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Weichen ein und sprengte davon, die große Hauptstraße wie ein Sturmwind dahin.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Hei, hopp! Das war eine Fahrt! \"Hier komm\" ich!\" schrie Tölpel-Hans und sang,","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"daß es weit und breit widerhallte.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Aber die Brüder ritten ihm langsam voraus; sie sprachen kein Wort, sie mußten","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"sich alle die guten Einfälle überlegen, die sie vorbringen wollten, denn das","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"sollte alles recht fein ausspekuliert sein!","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Hei!\" schrie Tölpel-Hans, \"hier bin ich! Seht mal, was ich auf der Landstraße","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"fand!\" – Und er zeigte ihnen eine tote Krähe, die er aufgehoben hatte.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Tölpel!\" sprachen die Brüder, \"was willst du mit der machen?\"","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Mit der Krähe? – Die will ich der Königstochter schenken!\"","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Ja, das tu nur!\" lachten sie.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Hei – hopp! Hier bin ich! Seht, was ich jetzt habe, das findet man nicht alle","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Tage auf der Landstraße!\"","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Und die Brüder kehrten um, damit sie sähen, was er wohl noch haben könnte.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Tölpel!\" sagten sie, \"das ist ja ein alter Holzschuh, dem noch dazu das","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Oberteil fehlt; wirst du auch den der Königstochter schenken?\"","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Wohl werde ich das!\" erwiderte Tölpel-Hans; und die Brüder lachten und ritten","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"davon; sie gewannen einen großen Vorsprung.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Hei hoppsassa! Hier bin ich!\" rief Tölpel-Hans; \"nein, es wird immer besser!","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Heißa! Nein! Es ist ganz famos!\"","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Was hast du denn jetzt?\" fragten die Brüder.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Oh,\" sagte Tölpel-Hans, \"das ist gar nicht zu sagen! Wie wird sie erfreut sein,","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"die Königstochter.\"","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Pfui!\" sagten die Brüder, \"das ist ja reiner Schlamm, unmittelbar aus dem","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Graben.\"","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Ja, freilich ist es das!\" sprach Tölpel-Hans, \"und zwar von der feinsten Sorte,","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"seht, er läuft einem gar durch die Finger durch!\" und dabei füllte er seine","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Tasche mit dem Schlamm.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Allein, die Brüder sprengten dahin, daß Kies und Funken stoben, deshalb","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"gelangten sie auch eine ganze Stunde früher als Tölpel-Hans an das Stadttor. An","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"diesem bekamen alle Freier sofort nach ihrer Ankunft Nummern und wurden in Reih","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"und Glied geordnet, sechs in jede Reihe, und so eng zusammengedrängt, daß sie","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"die Arme nicht bewegen konnten; das war sehr weise so eingerichtet, denn sie","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"hätten einander wohl sonst das Fell über die Ohren gezogen, bloß weil der eine","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"vor dem andern stand.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Die ganze Volksmenge des Landes stand rings um das königliche Schloß in dichten","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Massen zusammengedrängt, bis an die Fenster hinauf, um die Königstochter die","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Freier empfangen zu sehen; je nachdem einer von diesen in den Saal trat, ging","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"ihm die Rede aus wie ein Licht.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Der taugt nichts!\" sprach die Königstochter. \"Fort, hinaus mit ihm!\"","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Endlich kam die Reihe an denjenigen der Brüder, der das Wörterbuch auswendig","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"wußte, aber er wußte es nicht mehr; er hatte es ganz vergessen in Reih","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"und Glied; und die Fußdielen knarrten, und die Zimmerdecke war von lauter","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Spiegelglas, daß er sich selber auf dem Kopfe stehen sah, und an jedem Fenster","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"standen drei Schreiber und ein Oberschreiber, und jeder schrieb alles nieder,","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"was gesprochen wurde, damit es sofort in die Zeitung käme und für einen","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Silbergroschen an der Straßenecke verkauft werde. Es war entsetzlich, und dabei","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"hatten sie dermaßen in den Ofen eingeheizt, daß er glühend war.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Hier ist eine entsetzliche Hitze, hier!\" sprach der Freier.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Jawohl! mein Vater bratet aber auch heute junge Hähne!\" sagte die","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Königstochter.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Mäh!\" Da stand er wie ein Mähäh; auf solche Rede war er nicht gefaßt gewesen;","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"kein Wort wußte er zu sagen, obgleich er etwas Witziges hatte sagen wollen.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Mäh!\"","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Taugt nichts!\" sprach die Königstochter. \"Fort, hinaus mit ihm!\" Und aus mußte","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"er. Nun trat der andere Bruder ein.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Hier ist eine entsetzliche Hitze!\" sagte er.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Jawohl, wir braten heute junge Hähne!\" bemerkte die Königstochter.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Wie be – wie?\" sagte er, und die Schreiber schrieben: \"Wie be – wie?\"","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Taugt nichts!\" sagte die Königstochter. \"Fort, hinaus mit ihm!\"","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Nun kam Tölpel-Hans dran; er ritt auf dem Ziegenbocke geradeswegs in den Saal","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"hinein. \"Na, das ist doch eine Mordshitze hier!\" sagte er.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Jawohl, ich brate aber auch junge Hähne!\" sagte die Königstochter.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Ei, das ist schön!\" erwiderte Tölpel-Hans, \"dann kann ich wohl eine Krähe","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"mitbraten?\"","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Mit dem größten Vergnügen!\" sprach die Königstochter; \"aber haben etwas, worin","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Sie braten können? Denn ich habe weder Topf noch Tiegel.\"","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Oh, das hab ich!\" sagte Tölpel-Hans. \"Hier ist Kochgeschirr mit zinnernem","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Bügel,\" und er zog den alten Holzschuh hervor und legte die Krähe hinein.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Das ist ja ein ganze Mahlzeit,\" sagte die Königstochter, \"aber wo nehmen wir","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"die Brühe her?\"","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Die habe ich in der Tasche!\" sprach Tölpel-Hans. \" Ich habe so viel, daß sogar","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"etwas davon wegwerfen kann!\" Und nun goß er etwas Schlamm aus der Tasche heraus.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Das gefällt mir!\" sagte die Königstochter, \"du kannst doch antworten, und du","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"kannst reden, und ich will dich zum Manne haben! – Aber weißt du auch, daß jedes","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Wort, das wir sprechen und gesprochen haben, niedergeschrieben wird und morgen","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"in die Zeitung kommt? An jedem Fenster, siehst du, stehen drei Schreiber und ein","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"alter Oberschreiber, und dieser alte Oberschreiber ist noch der schlimmste, denn","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"er kann nichts begreifen!\" Und das sagte sie nur, um Tölpel-Hans zu ängstigen.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Und die Schreiber wieherten und spritzten dabei jeder einen Tintenklecks auf den","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Fußboden.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Ah, das ist also die Herrschaft!\" sagte Tölpel-Hans; \"nun, so werde ich dem","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Oberschreiber das Beste geben!\" Und damit kehrte er seine Taschen um und warf","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"ihm den Schlamm gerade ins Gesicht.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"\"Das war fein gemacht!\" sagte die Königstochter, \"das hätte ich nicht tun","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"können, aber ich werde es schon lernen!\" –","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Tölpel-Hans wurde König, bekam eine Frau und eine Krone und saß auf einem","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Throne, und das haben wir ganz naß aus der Zeitung des Oberschreibers und","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Schreiberinnungsmeisters – und auf die ist zu bauen.","book":"Tölpel-Hans"} {"text":"Bei Gudenaa, im Walde von Silkeborg, erhebt sich wie ein großer Wall ein","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Landrücken und am Fuße dieses Landrückens nach Westen zu, lag und liegt noch","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"heute ein kleines Bauernhaus mit einigen mageren Feldern; der Sand schimmerte","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"allerorten unter dem dünnen Roggen- und Gerstenboden hervor. Es sind nun ein","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"gut Teil Jahre vergangen seitdem. Die Leute, die hier wohnten, bebauten ihren","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"kleinen Acker und hielten drei Schafe, ein Schwein und zwei Ochsen; kurz gesagt,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"sie konnten recht wohl davon leben, wenn sie bescheidene Ansprüche stellten.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Ja, sie hätten es wohl auch dazu bringen können, ein paar Pferde zu halten; aber","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"sie sagten wie die anderen Bauern auch: \"Das Pferd frißt sich selbst auf.\" –","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Es zehrt das Gute, was es schafft, reichlich wieder auf. Jeppe-Jäns beackerte","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"sein kleines Feld im Sommer selbst und während des Winters war er ein flinker","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Holzschuhmacher. Dazu hatte er auch einen Gehülfen, einen Knecht, der es","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"verstand, die Holzschuhe zurechtzuschneiden, so daß sie sowohl fest, als auch","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"leicht und wohlgeformt waren. Löffel und Schuhe schnitzten sie, das brachte","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Geld; man konnte Jeppe-Jäns nicht zu den armen Leuten zählen.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Der kleine Ib, ein siebenjähriger Knabe, das einzige Kind des Hauses, saß dabei","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"und sah zu, er schnitzte an einem Stecken, schnitt sich auch wohl in den Finger;","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"aber eines Tages hatte er zwei Stücken Holz zurechtgeschnitzt, die kleinen","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Schuhen gleich sahen. Sie sollten, so sagte er, der kleinen Christine geschenkt","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"werden; das war des Schiffers kleine Tochter. Sie war fein und zart wie","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"vornehmer Leute Kind. Hätte sie Kleider gehabt, die ihrer lieblichen Erscheinung","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"angemessen waren, so hätte niemand geglaubt, daß sie aus dem Torfhaus in der","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Seiser Heide stamme. Dort drüben wohnte ihr Vater. Er war Witwer und ernährte","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"sich damit, aus dem Walde Brennholz nach Silkeborg, ja, oft noch weiter hinauf","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"zu schiffen. Er hatte niemand, der auf die kleine Christine, die ein Jahr jünger","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"als Ib war, geachtet hätte, und so war sie fast immer bei ihm auf dem Kahn oder","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"zwischen dem Heidekraut und den Preißelbeerbüschen; und ging es einmal ganz bis","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"nach Randers hinauf, so kam die kleine Christine zu Jeppe-Jäns hinüber.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Ib und die kleine Christine vertrieben sich prächtig die Zeit mit spielen und","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"essen. Sie wühlten und gruben, sie krochen und liefen, und eines Tages wagten","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"sich die beiden allein gar auf den Landrücken und ein Stück in den Wald hinein.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Dort fanden sie Schnepfeneier; das war eine große Begebenheit.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Ib war bisher noch niemals aus der Seiser Heide fortgewesen, niemals war er","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"durch die Seen geschifft bis nach Gudenaa aber nun sollte es geschehen; der","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Schiffer hatte ihn eingeladen, und am Abend vorher kam er mit zu des Schiffers","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Hause.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Auf den hochaufgestapelten Brennholzstücken im Schiffe saßen die Kinder schon am","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"frühen Morgen und aßen Brot und Himbeeren. Der Schiffer und sein Knecht schoben","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"sich mit ihren Staken vorwärts; es ging mit dem Strome in rascher Fahrt den","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Fluß hinab, durch Seen, die ganz von Wald und Schilf umschlossen schienen; aber","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"zuletzt fand sich doch immer eine Durchfahrt, ob auch die alten Bäume sich tief","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"zu ihnen niederbogen und die Eichen ihre trockenen Äste ihnen entgegenstreckten,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"als hätten sie die Ärmel hochgestreift, um ihre nackten, knorrigen Arme zu","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"zeigen. Alte Erlen, die der Strom vom Ufer gelöst hatte, hielten sich mit den","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Wurzeln am Boden fest und sahen wie kleine Waldinseln aus. Die Seerosen wiegten","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"sich auf dem Wasser; es war eine herrliche Fahrt. – Und dann kam man zu der","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Aalfangstätte, wo das Wasser durch die Schleusen brauste. Das war etwas für Ib","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"und die kleine Christine zum Schauen.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Damals war dort unten weder Fabrik noch Stadt, es stand dort nur das alte Gehöft","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"mit dem Stauwerk, und die Besetzung war nicht stark. Der Fall des Wassers durch","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"die Schleusen und der Schrei der Wildente waren damals fast die einzigen Laute,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"die das Schweigen der Natur unterbrachen. Als nun das Holz ausgeladen war,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"kaufte Christines Vater sich ein großes Bund Aale und ein kleines geschlachtetes","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Ferkel, und alles zusammen wurde in einen Korb hinten auf dem Schiffe verstaut.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Nun ging es stromaufwärts heim; aber der Wind kam von hinten, und als sie","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"das Segel aufgesetzt hatten, ging es ebensogut, als hätten sie zwei Pferde","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"vorgespannt.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Als sie mit dem Kahn bis an die Stelle im Walde gelangt waren, von wo der Knecht","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"nur ein kurzes Stückchen zu laufen hatte, um zu seinem Hause zu kommen, gingen","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"er und Christines Vater an Land, nachdem den Kindern anbefohlen war, sich ruhig","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"und vorsichtig zu verhalten. Das taten sie jedoch nicht lange; sie mußten in den","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Korb gucken, in dem die Aale und das Ferkel aufbewahrt waren, und das Schwein","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"mußten sie herausnehmen und wollten es halten, und da beide es halten wollten,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"ließen sie es fallen, und zwar gerade ins Wasser. Da trieb es mit dem Strome","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"dahin, es war ein schreckliches Ereignis.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Ib sprang ans Land und lief ein kleines Stückchen am Ufer entlang, dann kam auch","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Christine. \"Nimm mich mit\" rief sie und bald waren sie im Gebüsch verschwunden.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Der Kahn und der Fluß waren nicht mehr zu sehen; ein kleines Stück liefen sie","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"noch weiter, dann fiel Christine und weinte; Ib hob sie auf.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Komm nur mit\" sagte er. \"Das Haus liegt dort drüben!\" Aber es lag nicht dort","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"drüben. Sie gingen weiter und weiter über welkes Laub und dürre abgefallene","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Zweige, die unter ihren kleinen Füßen knackten. Nun hörten sie ein starkes","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Rufen – sie standen still und lauschten; ein Adler schrie, es war ein häßlicher","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Schrei, und sie erschraken heftig. Aber vor ihnen im Walde wuchsen die","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"prächtigsten Blaubeeren, eine ganz unglaubliche Menge; es war allzu einladend,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"um nicht zu verweilen, und sie blieben und aßen und wurden ganz blau um Mund und","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Wangen. Nun hörten sie wieder einen Ruf.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Wir bekommen Schläge für das Ferkel\" sagte Christine.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Laß uns zu mir nachhause gehen\" sagte Ib, \"Das muß hier im Walde sein.\" Und sie","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"gingen und kamen auf einen Fahrweg, aber heim führte er nicht; es wurde dunkel","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"und sie fürchteten sich. Die seltsame Stille ringsum wurde von dem dumpfen","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Schrei der Horneulen und anderen unbekannten Vogellauten unterbrochen. Endlich","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"saßen beide in einem Busche fest; Christine weinte und Ib, weinte, und als sie","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"beide wohl eine Stunde geweint hatten, legten sie sich ins Laub und schliefen","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"ein.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als sie erwachten. Sie froren, aber dicht","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"dabei auf dem Hügel oben schien die Sonne zwischen den Bäumen hindurch, dort","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"konnten sie sich wärmen und von dort aus, meinte Ib, müßten sie auch ihrer","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Eltern Haus erblicken können. Aber sie waren weit davon entfernt in einem ganz","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"anderen Teil des Waldes. Sie kletterten den Hügel ganz hinauf und standen nun","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"vor einem Abhang an einem klaren, durchsichtigen See, in dem es von Fischen","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"wimmelte, die in der hellen Sonne blitzten. Was sie sahen, war so unerwartet,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"und dicht daneben stand auch ein großer Busch voller Nüsse; und sie pflückten","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"und knackten und aßen die feinen Kerne, die eben in der Bildung begriffen waren","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"– und dann kam noch eine Überraschung, ein Schrecken. Aus den Büschen hervor","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"trat ein großes, altes Weib, deren Antlitz braun und deren Haare glänzend und","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"schwarz waren; das Weiße in ihren Augen leuchtete wie bei einem Mohren. Sie","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"hatte ein Bündel auf dem Rücken und einen Knotenstock in der Hand; es war eine","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Zigeunerin. Die Kinder verstanden nicht gleich, was sie sagte. Da nahm sie","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"drei große Nüsse aus ihrer Tasche, in einer jeden lägen die herrlichsten Dinge","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"versteckt, erzählte sie, es seien Wünschelnüsse.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Ib sah sie an, sie war so freundlich, und dann faßte er sich ein Herz und","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"fragte, ob er die Nüsse haben dürfe, und das Weib gab sie ihm und pflückte sich","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"eine ganze Tasche voll Nüsse von dem Busch.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Und Ib und Christine saßen mit großen Augen und sahen die drei Wünschelnüsse an.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Ist in dieser ein Wagen mit Pferden davor?\" fragte Ib.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Es ist sogar ein goldener Wagen mit goldenen Pferden\" sagte das Weib.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Dann gib sie mir\" sagte die kleine Christine, und Ib gab sie ihr, während die","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Frau die Nüsse in ihr Halstuch knüpfte.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Ist in dieser hier, so ein hübsches kleines Halstuch, wie Christine es hat?\"","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"fragte Ib.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Es sind zehn Halstücher darin\" sagte das Weib, \"auch feine Kleider und Strümpfe","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"und ein Hut.\"","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Dann will ich sie auch haben\" sagte Christine, und der kleine Ib gab ihr auch","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"die andere Nuß; die dritte war eine kleine schwarze.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Die kannst Du behalten!\" sagte Christine, \"sie ist ja auch ganz hübsch.\"","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Und was ist in dieser?\" fragte Ib.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Das allerbeste für Dich\" sagte das Zigeunerweib.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Und Ib hielt die Nuß fest. Das Weib versprach ihnen, sie auf den rechten Weg","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"nach Hause zu führen, und sie gingen, aber freilich gerade in entgegengesetzter","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Richtung, als sie hätten gehen müssen. Aber deshalb darf man sie noch nicht","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"beschuldigen, daß sie es darauf anlegte, Kinder zu stehlen.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Mitten im dichten Walde trafen sie den Waldläufer Chrän, der Ib kannte, und","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"durch ihn wurden Ib und die kleine Christine wieder nach Hause gebracht, wo","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"man in großer Angst um sie war. Aber es wurde ihnen verziehen, obwohl sie beide","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"tüchtig die Rute verdient hätten, einmal weil sie das Ferkel hatten ins Wasser","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"fallen lassen, und sodann, weil sie davongelaufen waren.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Christine kam heim in die Heide, und Ib blieb in dem kleinen Waldhaus. Das","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"erste, was er dort am Abend tat, war, daß er die Nuß hervorholte, die das","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Allerbeste\" enthielt. – Er legte sie zwischen Tür und Türrahmen, klemmte dann","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"zu und die Nuß knackte. Aber nicht einmal ein Kern war darin. Sie war mit einer","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Art Schnupftabak oder Torferde gefüllt; sie hatte den Wurmstich, wie man es","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"nennt.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Ja, das hätte ich mir wohl denken können!\" meinte Ib. \"Wo sollte auch in der","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"kleinen Nuß Platz für das Allerbeste sein. Christine bekommt ihre feinen Kleider","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"oder die goldene Kutsche auch nicht zu sehen aus ihren zwei Nüssen.\"","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Und der Winter kam und das neue Jahr kam.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Es vergingen mehrere Jahre. Ib sollte Konfirmationsunterricht beim Pfarrer","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"haben, und der wohnte weit entfernt. In jener Zeit kam eines Tages der Schiffer","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"und erzählte bei Ibs Eltern, daß die kleine Christine nun aus dem Hause solle,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"um ihr Brot zu verdienen. Es sei ein wahres Glück für sie, daß sie in gute Hände","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"käme, sie habe bereits eine Stellung bei recht braven Leuten. Sie solle zu den","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"reichen Krugwirtsleuten in Herning, das weiter nach Westen lag, ziehen. Dort","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"solle sie der Hausfrau zur Hand gehen und später, wenn sie sich schickte und","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"eingesegnet war, wollten sie sie behalten.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Ib, und Christine nahmen Abschied voneinander; sie wurden jetzt als versprochen","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"angesehen. Sie zeigte ihm beim Abschied, daß sie noch immer die beiden","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Nüsse habe, die sie damals von ihm bekommen hatte, als sie verirrt im Walde","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"umherliefen; sie sagte auch, daß sie in ihrer Wäschekiste die kleinen Holzschuhe","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"aufbewahrte, die er als Knabe geschnitzt und ihr geschenkt hätte. Dann schieden","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"sie.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Ib wurde eingesegnet, aber er blieb in seiner Mutter Haus; denn er war ein","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"geschickter Holzschuhmacher und bearbeitete auch im Sommer das kleine Ackerfeld,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"daß es aufs beste gedieh. Seine Mutter hatte nur noch ihn, Ibs Vater war tot.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Nur selten, und dann durch einen Postboten oder durch einen Aalhändler, hörte","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"man von Christine. Es ging ihr gut bei dem reichen Krugwirte, und als sie","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"eingesegnet war, schrieb sie an ihren Vater einen Brief mit einem Gruße auch","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"an Ib und seine Mutter. Im Briefe stand noch von sechs neuen Hemden und einem","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"herrlichen Kleid, das Christine von ihrer Herrschaft bekommen hatte. Das waren","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"wirklich gute Nachrichten.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Im nächsten Frühjahr, an einem schönen Tage, klopfte es an Ibs und seiner","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Mutter Tür. Es war der Schiffer mit Christine. Sie war für einen Tag zu Besuch","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"gekommen. Es hatte sich gerade Gelegenheit zu einer Fahrt bis in die Nähe und","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"wieder zurück geboten, und die hatte sie benützt. Sie war hübsch und sah wie ein","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"feines Fräulein aus. Und schöne Kleider hatte sie an, die gut gearbeitet waren","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"und zu ihr paßten. Da stand sie nun in ihrem vollen Staat, und Ib war in seiner","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"alten Werktagskleidung. Er konnte gar keine Worte finden. Wohl nahm er ihre","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Hand, hielt sie fest und war so herzlich froh, aber den Mund konnte er nicht","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"gebrauchen. Dafür konnte es die kleine Christine um so besser, und sie sprach","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"und hatte so viel zu erzählen und küßte Ib mitten auf den Mund.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Kennst Du mich auch wieder?\" fragte sie. Aber selbst als sie beide allein waren","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"und er noch immer mit ihrer Hand in der, seinen stand, war alles, was er sagen","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"konnte: \"Du bist ja eine feine Dame geworden! Und ich sehe so armselig dagegen","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"aus. Wie oft ich an Dich gedacht habe. An Dich und die alten Zeiten.\"","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Und dann gingen sie Arm in Arm den Hügel hinauf und schauten über Gudenaa nach","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"der Seiser Heide mit den großen Heidehügeln hin, aber Ib sagte nichts. Doch","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"als sie sich trennten, war er sich darüber klar geworden, daß sie seine Frau","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"werden müsse; sie waren ja von klein auf Liebesleute genannt worden und waren,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"so schien es ihm, ein verlobtes Paar, obgleich keines von ihnen selbst es gesagt","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"hatte.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Nur einige Stunden noch konnten sie zusammen sein, denn sie mußte wieder","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"dorthin, von wo am nächsten Morgen der Wagen abfuhr. Der Vater und Ib","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"begleiteten sie. Es war heller Mondschein und als sie angekommen waren, hielt","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Ib, noch immer ihre Hand und konnte sie nicht loslassen. In seinen Augen stand","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"sein ganzes Herz geschrieben, aber die Worte fielen nur spärlich, doch jedes","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"einzige kam aus innerstem Herzen: \"Wenn Du Dich nicht zu fein gewöhnt hast,\"","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"sagte er, \"und Du könntest Dir denken, in unserer Mutter Haus mit mir als Deinem","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Ehemann zu leben, dann werden wir beiden einmal Mann und Frau – aber wir können","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"ja noch ein wenig warten!\"","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Ja, laß uns die Zeit abwarten, Ib!\" sagte sie; und dann drückte sie seine Hand","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"und er küßte sie auf den Mund. \"Ich vertraue auf Dich, Ib!\" sagte Christine,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"und ich glaube, daß ich Dich lieb habe! Aber laß es mich beschlafen!\"","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Dann schieden sie. Ib sagte zu dem Schiffer, daß er und Christine nun so gut","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"wie verlobt seien, und der Schiffer fand, daß es so wäre, wie er es sich gedacht","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"bebe; und er ging mit Ib nach Hause und schlief dort in einem Bett mit ihm, und","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"es wurde über die Verlobung nicht mehr gesprochen.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Ein Jahr war darüber vergangen; zwei Briefe waren zwischen Ib, und Christine","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"gewechselt worden; \"Treu bis zum Tode!\" stand als Unterschrift darin. Eines","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Tages trat der Schiffer zu Ib herein, er brachte ihm einen Gruß von Christine;","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"was er weiter zu sagen hatte, ging ihm ein wenig schwer von der Zunge, aber","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"es war daraus zu entnehmen, daß es Christine wohl gehe, mehr als wohl sogar,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"sie wäre ja ein hübsches Mädchen und geachtet und beliebt. Des Krugwirts Sohn","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"wäre zu einem Besuch zu Hause gewesen; er wäre in Kopenhagen in einem Kontor","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"beschäftigt und habe dort eine große Stellung. Er möge Christine wohl leiden und","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"sie fände ihn auch nach ihrem Sinn, seine Eltern wären ebenfalls nicht dagegen,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"aber es lag doch Christine schwer auf dem Herzen, daß wohl Ib noch immer an sie","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"dächte, und so hätte sie beschlossen, das Glück von sich zu stoßen, sagte der","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Schiffer.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Ib sagte zuerst kein Wort, aber er wurde so weiß wie ein leinenes Tuch; dann","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"schüttelte er den Kopf und sagte: \"Christine darf ihr Glück nicht von sich","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"stoßen!\"","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Schreibe ihr das in ein paar Worten!\" sagte der Schiffer.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Und Ib schrieb, aber er konnte nicht recht die Worte setzen, wie er wollte und","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"strich durch und zerriß, aber am Morgen war ein Brief an die kleine Christine","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"zustande gebracht, und hier ist er.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Den Brief an Deinen Vater habe ich gelesen und sehe daraus, daß es Dir in","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"jeder Beziehung wohl geht und Du es noch besser haben könntest! Frage Dein Herz,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Christine! und bedenke wohl, was Deiner wartet, wenn Du mich nimmst! Was mein","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"ist, ist nur geringe. Denke nicht an mich und wie ich es tragen werde, denke nur","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"an Deinen eigenen Nutzen. An mich bist Du durch kein Versprechen gebunden, und","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"hast Du mir in Deinem Herzen eins gegeben, so löse ich Dich davon. Alles Glück","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"der Welt sei mit Dir, kleine Christine. Der liebe Gott wird wohl auch für mein","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Herz Trost wissen.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Immer Dein aufrichtiger Freund","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Ib.\"","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Und der Brief wurde abgesandt und Christine bekam ihn.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Um Martini wurde sie in der Kirche in der Seiser Heide und in Kopenhagen, wo","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"der Bräutigam war, aufgeboten, und dorthin reiste sie mit ihrer Schwiegermutter,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"da der Bräutigam wegen seiner vielen Geschäfte nicht so weit fortreisen konnte.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Christine war, wie verabredet, mit ihrem Vater in einem kleinen Dorfe, das","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"auf ihrem Wege lag, zusammengetroffen; dort nahmen sie voneinander Abschied.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Es fielen darüber ein paar Worte, aber Ib sagte nichts dazu, er wäre so","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"nachdenklich geworden, sagte seine alte Mutter. Ja, nachdenklich war er, und","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"deshalb kamen ihm auch die drei Nüsse nicht aus dem Sinn, die er als Kind","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"von der Zigeunerin bekommen und von denen er zwei Christine abgegeben hatte.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Es waren wirklich Wünschelnüsse gewesen. In den ihren hatten ja ein goldener","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Wagen und Pferde und schöne Kleider gelegen; es traf bei ihr zu. All diese","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Herrlichkeiten sollte sie nun drüben in Kopenhagen haben! Bei ihr ging es in","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Erfüllung. – Für Ib war in der Nuß nur der schwarze Staub. \"Das Allerbeste\" für","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"ihn, hatte das Zigeunerweib zu ihm gesagt, – ja, auch das ging in Erfüllung.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Der schwarze Staub war für ihn das Beste. Nun verstand er deutlich, was das","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Weib damit gemeint hatte: die schwarze Erde, des Grabes Stille waren für ihn das","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Allerbeste.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Und es vergingen Jahre darüber – nicht viele, aber Ib, erschienen sie lang. Die","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"alten Krugwirtsleute starben, einer kurz nach dem anderen; das ganze Vermögen,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"viele tausend Reichstaler, ging auf den Sohn über. Ja, nun konnte Christine wohl","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"eine Kutsche und schöne Kleider bekommen!","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Zwei lange Jahre hindurch, die nun folgten, kam kein Brief von Christine, und","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"als dann der Vater einen bekam, war er nicht mehr in Wohlstand und Vergnügen","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"geschrieben. Arme Christine! Weder sie noch ihr Mann hatten es verstanden, mit","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"dem Reichtum Maß zu halten, er verging, wie er gekommen war, es ruhte kein Segen","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"darauf; sie hatten es selbst so gewollt.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Die Heide stand in Blüte und die Heide verdorrte wieder. Der Schnee hatte","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"manchen Winter über die Heide gefegt und über die Anhöhe, in deren Schutz","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Ib wohnte. Die Frühjahrssonne schien und Ib ließ den Pflug durch die Erde","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"ziehen. Da stieß er damit, wie es ihm schien, an einen Feuerstein. Es kam ein","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"großer, schwarzer Hobelspan über die Erde hervor, und als Ib ihn in die Hand","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"nahm, fühlte er, daß er von Metall war, und an der Stelle, wo der Pflug daran","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"geschlagen war, blitzte es blank. Es war ein schwerer goldener Armring aus dem","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"heidnischen Altertum. Ein Hünengrab war hier geebnet worden und sein kostbarer","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Schmuck gefunden. Ib zeigte ihn dem Pfarrer, der ihm sagte, was das für ein","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"herrliches und wertvolles Stück sei, und von ihm ging Ib, zum Landrat, der","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"darüber nach Kopenhagen berichtete und Ib, anriet, den kostbaren Fund selbst zu","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"überbringen.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Du hast in der Erde das Köstlichste gefunden, was sie Dir zu geben vermag!\"","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"sagte ihm der Landrat.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Das Beste\" dachte Ib, \"Das Allerbeste für mich – in der Erde. Dann hatte das","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Zigeunerweib also auch mit mir recht, wenn dies das Beste war.\"","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Und Ib, fuhr mit der Fähre von Aarhuus nach Kopenhagen; es war für ihn, der","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"bisher nur nach Gudenaa hinübergekommen war, wie eine Reise übers Weltmeer. Und","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"er kam nach Kopenhagen.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Der Wert des gefundenen Goldes wurde ihm ausbezahlt; es war eine große Summe,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"sechshundert Reichstaler. Da wanderte nun Ib, aus dem Walde bei der Seiser","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Heide- in dem großen, lärmenden Kopenhagen umher.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Es war gerade an dem Abend, als er mit einem Schiffer wieder nach Aarhuus","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"zurückfahren wollte, als er sich in den Straßen verirrte und in eine ganz andere","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Richtung geriete als er eigentlich wollte. Er war über die Knippelsbrücke nach","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Christianshafen gekommen anstatt zum Walle beim Westtor. Er war ganz richtig","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"nach Westen gesteuert, aber nicht dorthin, wohin er sollte. Nicht ein Mensch","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"war in den Straßen zu sehen. Da kam ein ganz kleines Mädchen aus einem der","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"ärmlichen Häuser. Ib fragte sie nach dem Wege und die Kleine blickte auf. Da sah","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"er, daß sie heftig weinte. Nun fragte er sie, was ihr fehle; sie sagte etwas,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"was er nicht verstand, und als sie beide unter eine Laterne kamen, deren Schein","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"ihr Gesichtchen beleuchtete, wurde es ihm ganz wunderlich zumute; denn es war","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"leibhaftig die kleine Christine, die da vor ihm stand, ganz wie er sich ihrer","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"erinnerte, als sie beide noch Kinder waren.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Und er ging mit dem kleinen Mädchen in das ärmliche Haus, die schmale,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"ausgetretene Treppe hinauf bis zu einer kleinen, verkommenen Kammer hoch","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"oben unter dem Dache. Es war eine schwere stickige Luft darin, kein Licht war","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"entzündet, und in einer Ecke seufzte es und mühsame Atemzüge drangen daraus","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"hervor. Ib strich ein Zündholz an. Es war die Mutter des Kindes, die in dem","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"ärmlichen Bette lag.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Kann ich Euch mit irgendetwas helfen?\" sagte Ib. \"Die Kleine hat mich auf der","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Straße getroffen, aber ich bin selbst fremd hier in der Stadt. Ist hier kein","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Nachbar oder irgend jemand, den ich Euch rufen könnte?\" – Und er richtete ihr","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Haupt in die Höhe.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Es war Christine aus der Seiser Heide.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Jahre hindurch war ihr Name daheim in Jütland nicht mehr genannt worden, es","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"würde Ibs stillen Gedankengang aufgerührt haben, und es war ja auch nichts","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Gutes, was Gerücht und Wahrheit meldeten, daß das viele Geld, das ihr Mann","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"von seinen Eltern geerbt hatte, ihn übermütig und leichtlebig gemacht hätte.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Er hatte seine feste Stellung aufgegeben und war ein halbes Jahr im Auslande","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"umhergereist, dann kehrte er zurück, machte Schulden über Schulden, der","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Wagen neigte sich immer mehr und endlich stürzte er um. Seine vielen lustigen","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Tischfreunde sagten von ihm, es sei ihm nur nach Verdienst geschehen, er habe","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"ja darauf los gelebt wie ein Narr. Eines Morgens war seine Leiche im Schloßkanal","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"gefunden worden.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Nach seinem Tode ging Christine in sich; ihr jüngstes Kindchen, im Wohlstand","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"empfangen, im Elend geboren, war, nur einige Wochen alt, gestorben und ruhte","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"im Grabe, und jetzt war es mit Christine so weit gekommen, daß sie todkrank","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"und verlassen in einer elenden Kammer lag, so elend, wie sie es in ihren jungen","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Jahren in der Seiser Heide wohl hätte ertragen können; aber nun, da sie es","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"besser gewöhnt war, fühlte sie ihr Elend doppelt. Es war ihr ältestes Kind,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"auch eine kleine Christine, die Not und Hunger mit ihr litt und die Ib zu ihr","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"heraufgebracht hatte.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"Ich habe Angst für das arme Kind, wenn ich sterbe\" brachte sie seufzend hervor,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"\"wo in aller Welt soll es dann hin.\" – Mehr konnte sie nicht sagen.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Ib brannte wieder ein Zündhölzchen an und fand einen Lichtstumpf, den er","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"anzündete, nun fiel der trübe Lichtschein auf all das Elend in der Kammer.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Ib sah des kleine Mädchen an und dachte an Christine in ihren jungen Jahren. Um","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Christines willen konnte er ja an diesem Kinde, das er nicht kannte, Gutes tun.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Die Sterbende sah ihn an, ihre Augen wurden größer und größer. – Erkannte sie","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"ihn? Nie erfuhr er das, kein Wort mehr hörte er sie sprechen.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"––––––––","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Es war im Walde bei Gudenaa in der Seiser Heide; die Luft war grau, die Heide","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"stand ohne Blüten. Die Weststürme trieben das gelbe Laub der Wälder in den Fluß","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"und über die Heide, wo das Torfhaus stand. Fremde Leute wohnten darin; aber am","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Fuße des Landrückens, im Schutze hoher Bäume, stand das kleine Haus, weiß und","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"schmuck. Im Kachelofen in der Stube brannten Torfstücken, in der Stube hier war","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Sonnenschein, er strahlte aus zwei Kinderaugen, Frühling und Lerchengezwitscher","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"klangen aus dem roten, lachenden Mund, Leben und Fröhlichkeit herrschten hier;","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"es war die kleine Christine, die auf Ibs Knien saß. Ib war ihr Vater und Mutter,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"die beide von ihr gegangen waren, wie ein Traum vergeht. Ib saß in dem netten,","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"reinlichen Hause, ein wohlhabender Mann; die Mutter des kleinen Mädchens lag auf","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"dem Armenfriedhof in der Königstadt Kopenhagen.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"Ib hatte Geld im Kasten, sagte man. Gold aus der Erde, und er hatte ja auch die","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"kleine Christine.","book":"Ib und die kleine Christine"} {"text":"So heißt ein altes Märchen: \"Der Ehre Dornenpfad,\" und es handelt von einem","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Schützen mit Namen Bryde, der wohl zu großen Ehren und Würden kam, aber","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"nicht ohne lange und vielfältige Widerwärtigkeiten und Fährnisse des Lebens","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"durchzumachen. Manch einer von uns hat es gewiß als Kind gehört oder es","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"vielleicht später gelesen und dabei an seinen eigenen stillen Dornenweg und die","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"vielen Widerwärtigkeiten gedacht. Märchen und Wirklichkeit liegen einander so","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"nahe, aber das Märchen hat seine harmonische Lösung hier auf Erden, während die","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Wirklichkeit sie meist aus dem Erdenleben hinaus in Zeit und Ewigkeit verlegt.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Die Weltgeschichte ist eine Laterne magica, die uns in Lichtbildern auf dem","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"dunklen Grunde der Zeit zeigt, wie der Menschheit Wohltäter, die Märtyrer des","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Genies, den dornigen Pfad der Ehre wandeln.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Aus allen Zeiten, aus allen Ländern treten diese Glanzbilder hervor, jedes nur","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"für einen Augenblick, und doch jedes ein ganzes Leben mit seinen Kämpfen und","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Siegen. Laß uns hie und da einen aus der Reihe der Märtyrer betrachten, die","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"nicht abschließt, ehe die Erde vergeht.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Wir sehen ein vollbesetztes Amphitheater, Aristophanes' \"Wolken\" senden","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Ströme von Spott und Munterkeit in die Menge: Von der Bühne herab wird Athens","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"bemerkenswertester Mann, der dem Volke ein Schild gegen die dreißig Tyrannen","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"war, körperlich und geistig verspottet. Sokrates, er, der im Schlachtgetümmel","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Alkibiades und Xenophon rettete, er, dessen Geist sich über die Götter des","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Altertums emporgeschwungen hatte – er ist selbst zur Stelle. Er erhebt sich von","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"der Zuschauerbank und stellt sich dar, damit die lachenden Athener sehen können,","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"ob er seinem Spottbild auf der Bühne ähnlich sehe. Aufgerichtet steht er vor","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"ihnen, weit über alle erhaben.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Du saftiger, grüner, giftiger Schierling, Du solltest Athens Wahrzeichen sein,","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"und nicht der Ölbaum.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Sieben Städte stritten sich um die Ehre, Homers Geburtsort zu sein, das heißt,","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"als er tot war. – Sieh ihn während seiner Lebenszeit. – Da wandert er durch eben","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"diese Städte, er singt ihnen seine Verse vor, um zu leben. Der Gedanke an den","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"morgigen Tag läßt sein Haar ergrauen. Er, der mächtigste Seher, ist blind und","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"einsam. Der spitze Dorn reißt den Mantel des Königs aller Dichter in Fetzen.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Seine Gesänge leben noch, und allein durch sie leben die Götter und Helden des","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Altertums.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Bild auf Bild wogt aus dem Morgen- und Abendlande hervor, so fern von einander","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"an Ort und Zeit, und doch stets derselbe Gang auf der Ehre Dornenpfad, an dem","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"die Distel erst blüht, um das Grab zu schmücken.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Unter den Palmen schreiten Kamele, reichbeladen mit Indigo und anderen","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"köstlichen Schätzen. Des Landes Herrscher sendet sie ihm, dessen Gesänge","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"des Volkes Freude, des Landes Ehre sind. Er, den Neid und Lüge aus dem Lande","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"verjagt haben, ist gefunden! – Die Karawane nähert sich der kleinen Stadt, wo","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"er eine Freistatt gefunden hat; ein ärmlicher Leichenzug kommt aus dem Tore, die","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Karawane hält. Der Tote ist eben der, welchen sie suchen: Firdusi – zu Ende ist","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"der Ehre Dornenpfad.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Der Afrikaner mit den plumpen Zügen, den dicken Lippen, dem schwarzen Wollhaar,","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"sitzt an des Palastes Marmortreppe in Portugals Hauptstadt und bettelt – es ist","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Camoens treuer Sklave, ohne ihn und die Kupferschillinge, die ihm zugeworfen","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"werden, müßte sein Herr, der Sänger der \"Lusiade\" verhungern.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Heut steht ein kostbares Monument auf Camoens Grabe.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Wieder ein Bild.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Hinter Eisenstangen zeigt sich ein Mann, totenbleich, mit langem verfilztem","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Bart: \"Ich habe eine Erfindung gemacht, die größte des Jahrhunderte\" ruft er,","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"\"und man hat mich dafür mehr als zwanzig Jahre lang hier eingesperrt gehalten.\"","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"– \"Wo ist er?\" – \"Ein Irrer\" sagt, der Aufseher der Irrenanstalt: \"Auf was","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"ein Mensch nicht alles verfallen kann. Er glaubt, man könne sich durch Dampf","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"fortbewegen.\" Salomon de Caus, der Erfinder der Dampfkraft, der mit den unklaren","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Worten seines ahnenden Gefühls von einem Richelieu nicht verstanden wurde und","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"eingekerkert in der Irrenzelle starb.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Hier steht Columbus, den einst die Straßenjungen verfolgten und verspotteten,","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"weil er eine neue Welt entdecken wollte. – Er hat sie entdeckt: Die Glocken des","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Jubels erklingen bei seiner Heimkehr, aber der Mißgunst Glocken läuten stärker","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"noch; der Weltenentdecker, er, der das amerikanische Goldland über das Meer","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"erhob und es seinem Könige gab, wird mit eisernen Ketten belohnt und sie, die er","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"mit in seinen Sarg zu legen bat, zeugen von der Welt und ihrem Lohn.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Bild drängt sich auf Bild, reich daran ist der Ehre Dornenpfad.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"In Dämmer und Dunkel sitzt hier der welcher die Höhe der Mondgebirge ausmaß,","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"er, welcher über den Raum hinaus zu den Planeten und Sternen drang, er, der","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Mächtige, welcher den Geist der Natur hörte und sah, der vernahm, wie die","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Erde sich unter ihm drehte: Galilei. Blind und taub sitzt er in den Jahren des","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Alters, gefoltert von den Dornen des Leidens: der Verleugnung Qual. Kaum hat er","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"noch die Kraft, seinen Fuß zu heben, den Fuß, mit dem er einst im Seelenschmerz,","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"als das Wort der Wahrheit ausgestrichen wurde, die Erde stampfte mit dem Ausruf:","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"\"Und sie bewegt sich doch.\"","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Hier steht ein Weib mit Kindessinn, Begeisterung und Glauben – sie trägt das","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Banner dem kämpfenden Heere voran und bringt ihrem Vaterland den Sieg und die","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Rettung. Der Jubel erschallt – und der Scheiterhaufen wird angezündet: Jeanne","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"d'Arc, die Hexe, wird verbrannt. – Ja, das kommende Jahrhundert bespie die weiße","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Lilie: Voltaire, der Satyr des Verstandes, sing' von \"La pucelle.\"","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Auf dem Ting in Viborg verbrennt der dänische Adel des Königs Gesetze – sie","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"lodern in Flammen, beleuchten die Zeit und den Gesetzgeber, werfen einen","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Glorienschein in den dunklen Gefängnisturm, wo er sitzt mit grauem Haupt,","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"mit gekrümmtem Rücken, mit den Fingernägeln Furchen in einen steinernen Tisch","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"grabend, er, einst Herr über drei Königreiche, der volkstümliche Herrscher,","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Freund der Bürger und Bauern: Christian der Zweite. Er, der mit hartem Sinn","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"seine harte Zeit regierte. Die Feinde schrieben seine Geschichte. – An die","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"siebenundzwanzigjährige Gefangenschaft wollen wir denken, wenn wir uns seiner","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Blutschuld erinnern.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Dort segelt ein Schiff aus Dänemark fort, ein Mann steht am hohen Mast, er","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"blickt zum letzten Male zur Heimat zurück: Tycho Brahe, der Dänemarks Namen","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"zu den Sternen empor trug, und dafür mit Kränkung und Verdruß belohnt wurde –","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"er zieht nach einem fremden Lande. \"Der Himmel ist allerorten, was brauche ich","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"mehr!\" sind seine Worte. Dort segelt er fort, unser berühmtester Mann, um in","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"fremdem Lande geehrt und frei zu leben.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Wir sind in Amerika an einem der großen Flüsse, eine Menschenmasse hat sich","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"angesammelt. Ein Schiff soll gegen Wind und Wetter fahren können, eine Macht","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"gegen die Elemente sein: Robert Fulton heißt er, welcher dies zu können glaubt.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Das Schiff beginnt seine Fahrt; plötzlich steht es still. – Der Haufen lacht, er","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"schreit und pfeift, der eigene Vater pfeift mit: \"Hochmut. Wahnsinn. Verdienter","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Lohn. Unter Schloß und Riegel mit dem Narren.\" – Da bricht ein kleiner Nagel,","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"der einen","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Augenblick die Maschine hemmte, die Räder drehen sich, die Schaufeln stoßen den","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Widerstand des Wassers beiseite, das Schiff fährt. Die Weberspule des Dampfers","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"wandelt Stunden in Minuten zwischen des Ländern der Welt.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Menschheit! Begreifst Du das Bewußtsein der Seligkeit in solcher Minute,","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"diesen Glauben des Geistes an seine Sendung in einem Augenblick, in dem alle","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Niederlagen auf dem dornigen Pfad der Ehre, selbst die durch eigene Schuld","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"erlittenen, sich in Heilung, Gesundung, Kraft und Klarheit auflösen, die","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Disharmonie sich in Harmonie verwandelt und die Menschen die Offenbarung","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"göttlicher Gnade schauen, die dem einzelnen erwiesen und von ihm zum Nutzen","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"aller verwendet wurde","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Der Dornenpfad der Ehre ist dann vom Glorienschein erleuchtet. Glückselig, zum","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Wanderer auf diesem Wege auserkoren zu sein und ohne Verdienst sich unter den","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Baumeistern der Brücke zu finden, die Menschengeschlecht mit Gott verbindet.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Auf mächtigen Schwingen schwebt der Geist der Geschichte durch die Zeiten und","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"zeigt – zur Ermutigung, zum Troste und zur Nachdenken erweckenden Milde – in","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"leuchtenden Bildern auf nachtschwarzem Grunde den Dornenpfad der Ehre, der nicht","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"wie im Märchen schon auf Erden in Glanz und Freuden endet, sondern über sie","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"hinaus in Zeit und Ewigkeit weist.","book":"Der Ehre Dornenpfad"} {"text":"Unter den anderen Kindern in der Armenschule war auch ein kleines Judenmädchen,","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"aufgeweckt und gut, die flinkeste unter allen; aber an einer der Lehrstunden","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"konnte sie nicht teilnehmen, das war die Religionsstunde, sie war ja in einer","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"christlichen Schule.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Sie durfte ihr Geografiebuch vor sich haben und darin lesen oder ihre","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Rechenaufgaben fertig machen, aber das war bald getan. Es lag wohl ein Buch","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"aufgeschlagen vor ihr, aber sie las nicht darin, sie saß und hörte zu, und bald","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"bemerkte der Lehrer, daß sie seinen Worten folgte, wie fast keines der anderen","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Kinder.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"\"Lies in Deinem Buche!\" sagte er mild und ernst, aber sie sah ihn mit ihren","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"strahlenden schwarzen Augen an, und als er sie auch fragte, wußte sie besser","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Bescheid als die andern alle. Sie hatte gehört, verstanden und wohl behalten.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Ihr Vater war ein armer, braver Mann; er hatte sich, als er seine Tochter","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"der Schule anvertraute, ausbedungen, daß sie nicht im christlichen Glauben","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"unterwiesen werden dürfe. Sie in dieser Lehrstunde fort gehen zu lassen, hätte","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"vielleicht bei den anderen Ärgernis erregt, und den Kleinen Gedanken und Gefühle","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"eingegeben, die nicht berechtigt waren, also war sie geblieben, aber das durfte","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"nicht länger geschehen.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Der Lehrer ging zu dem Vater und sagte ihm, er müsse entweder sein Kind aus","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"der Schule nehmen oder sie Christin werden lassen. \"Ich kann es nicht ertragen,","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"diese brennenden Augen, diese Innigkeit und diesen seelischen Durst nach den","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Worten des Evangeliums\" sagte der Lehrer.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Der Vater brach in Tränen aus: \"Ich selbst weiß nur wenig von unserer eigenen","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Religion, aber ihre Mutter war eine Tochter Israels, fest und stark in ihrem","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Glauben, und ihr gab ich auf ihrem Sterbebette das Versprechen, daß unser Kind","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"niemals christlich getauft werden solle; ich muß mein Versprechen halten, es ist","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"für mich dasselbe, wie ein Pakt mit Gott.\"","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Und das kleine Judenmädchen wurde aus der christlichen Schule genommen.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Jahre waren vergangen. In einem der kleinsten Marktflecken Jütlands diente in","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"einem geringen bürgerlichen Hause ein armes Mädchen mosaischen Glaubens; es","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"war Sara. Ihr Haar war schwarz wie Ebenholz, ihre Augen dunkel und doch voller","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Licht und Glanz, wie es den Töchtern des Orients eigen ist. Der Ausdruck des nun","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"völlig erwachsenen Mädchens war noch der gleiche wie bei dem Kinde, da sie auf","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"der Schulbank saß und mit gedankenvollem Blick zuhörte.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Jeden Sonntag tönte aus der Kirche Orgelklang und der Gesang der Gemeinde;","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"es klang über die Straße bis in das gegenüberliegende Haus hinein, wo das","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Judenmädchen bei seiner Arbeit stand, treu und fleißig in ihrem Beruf. \"Gedenke","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"des Sabbaths und halte ihn heilig\" war ihr Gesetz, aber ihr Sabbath war den","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Christen ein Arbeitstag, und sie konnte ihn nur in ihrem Herzen heilig halten,","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"doch das schien ihr nicht genug. Aber was sind Tag und Stunde vor Gott. Dieser","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Gedanke war in Ihrer Seele erwacht, und am Sonntag der Christen wurde nun ihre","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Andachtsstunde ungestörter. Drang der Orgelklang und der fromme Gesang der","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Gemeinde zu ihr in die Küche hinüber, so wurde selbst dieser Ort still und","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"geheiligt. Das alte Testament, ihres Volkes Schatz und Eigentum, las sie dann,","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"und nur dies, denn was ihr Vater und der Lehrer zu ihr sprachen, als sie von der","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Schule genommen wurde, das Versprechen, das der Vater ihrer sterbenden Mutter","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"gegeben hatte, daß Sara nie Christin werden und den Glauben der Väter verleugnen","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"sollte, hatte einen tiefen Eindruck in ihrer Seele hinterlassen. Das Neue","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Testament war ihr ein verschlossenes Buch und sollte es bleiben, und doch wußte","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"sie soviel noch daraus, leuchtend stand es in den Erinnerungen ihrer Kindheit.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Eines Abends saß sie in einer Ecke der Stube und hörte den Hausherrn laut","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"vorlesen, und sie durfte ihm lauschen, war es doch nicht das Evangelium, nein,","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"aus einem alten Geschichtenbuche wurde vorgelesen; sie durfte getrost zuhören.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Es handelte sich von einem ungarischen Ritter, der von einem türkischen Pascha","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"gefangen worden war und der ihn mit den Ochsen zusammen vor einen Pflug spannen,","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"ihn mit Peitschenschlägen antreiben und endlich verhöhnen und Hunger und Durst","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"leiden ließ.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Des Ritters Gemahlin verkaufte all ihren Schmuck, verpfändete Burg und Land,","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"seine Freunde schossen große Summen zusammen, denn fast unerschwinglich war das","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Lösegeld, das verlangt wurde. Aber es wurde zuwege gebracht und er wurde aus","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Schmach und Sklaverei erlöst. Krank und leidend kam er in seine Heimat zurück.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Aber bald ertönte wieder der Ruf an Alle gegen die Feinde des Christentums.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Der Kranke hörte davon und fand nicht Rast noch Ruhe, er ließ sich auf sein","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Streitroß heben, Blut durchströmte seine Wangen wieder, die Kräfte schienen","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"zurückzukehren und er zog aus zum Siege. Just der Pascha, der ihn hatte vor den","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Pflug spannen, ihn verhöhnen und leiden lassen, wurde jetzt sein Gefangener und","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"wurde von ihm in sein Burgverließ geführt. Aber schon nach der ersten Stunde","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"kam der Ritter und fragte seinen Gefangenen: \"Was glaubst Du wohl, was Deiner","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"wartet?\"","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"\"lch weiß es\" antwortete der Türke, \"Vergeltung\"","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"\"Ja die Vergeltung des Christen!\" sagte der Ritter. \"Das Christentum gebietet","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"uns, unseren Feinden zu vergeben, unsere Nächsten zu lieben. Gott ist die Liebe.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Ziehe in Frieden nach Deiner Heimat zu Deinen Lieben, und werde milde und gut","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"gegen die, welche leiden!\"","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Da brach der Gefangene in Tränen aus. \"Wie hätte ich glauben können, daß solches","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"möglich sei! Peinigungen und Martern schienen mir gewiß und ich nahm ein Gift,","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"das mich in wenigen Stunden töten wird. Ich muß sterben, es gibt keine Hülfe.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Aber bevor ich sterbe, verkünde mir die Lehre, die eine solche Liebe und Gnade","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"in sich schließt, sie ist groß und göttlich! Laß mich in dieser Lehre sterben,","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"als ein Christ sterben.\" Und seine Bitte wurde erfüllt.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Das war die Geschichte, die Legende, die vorgelesen wurde; alle hörten und","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"folgten ihr mit Eifer. Doch am brennendsten, am lebendigsten davon erfüllt war","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"die, welche stumm in der Ecke saß, das Dienstmädchen Sara, das Judenmädchen.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Große schwere Tränen standen in ihren leuchtenden, kohlschwarzen Augen. Sie saß","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"dort mit dem gleichen Kindersinn, mit dem sie einst auf der Schulbank gesessen","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"und die Größe des Evangeliums in sich aufgenommen hatte. Tränen rollten über","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"ihre Wangen.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"\"Laß mein Kind keine Christin werden!\" waren der Mutter letzte Worte auf dem","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Sterbebette. Diese Worte klangen in ihrem Herzen und in ihrer Seele wieder,","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"zugleich mit den Worten des Gesetzes: \"Ehre Deinen Vater und Deine Mutter.\"","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"\"Ich bin ja keine Christin Sie nennen mich das Judenmädchen. Des Nachbars","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Knaben riefen es mir am letzten Sonntag im Spott zu, als ich vor der offenen","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Kirchentür stehen blieb und hinein sah, wie die Altarlichter brannten und die","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Gemeinde sang. Von der Schulzeit bis auf diesen Tag liegt für mich eine Macht","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"im Christentum, die wie Sonnenschein, ob ich auch meine Augen schließe, in","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"mein Herz dringt. Aber, Mutter, ich will Dich im Grabe nicht betrüben. Ich","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"werde das Versprechen, das der Vater Dir gab, nicht brechen! Ich will nicht die","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"christliche Bibel lesen? ich habe ja den Gott der Väter, an den ich mein Haupt","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"lehnen kann.\"","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Und die Jahre vergingen.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Der Hausherr starb, die Hausfrau geriet in mißliche Verhältnisse, das","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Dienstmädchen war entbehrlich. Aber Sara verließ sie nicht, sie war die Hülfe in","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"der Not, sie hielt das Ganze zusammen. Bis in die späte Nacht arbeitete sie und","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"schaffte durch ihrer Hände Arbeit Brot ins Haus. Es gab keinen nahen Verwandten,","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"der sich der Familie annahm, und die Frau wurde Tag für Tag schwacher und lag","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"schon seit Monaten auf dem Krankenlager. Sara wachte, pflegte sie, arbeitete","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"milde und fromm, ein Segen für das arme Haus.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"\"Dort liegt die Bibel\" sagte die Kranke. \"Lies mir an diesem langen Abend etwas","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"vor, ich sehne mich so innig danach, Gottes Wort zu hören.\"","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Sara senkte das Haupt; ihre Hände falteten sich um die Bibel, die sie öffnete","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"und der Kranken vorlas. Oft brach sie in Tränen aus, aber ihre Augen wurden","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"klarer und in ihrer Seele wurde es licht. \"Mutter, Dein Kind wird nicht der","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Christen Taufe empfangen, nicht in ihrer Gemeinschaft genannt werden, das hast","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Du gefordert und das werde ich halten, auf dieser Erde sind wir eins, aber","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"darüber hinaus ist es größer, mit Gott eins zu sein. Er führt uns über den Tod","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"hinaus. Er suchet die Erde heim und macht sie durstig, um sie zu erquicken! Ich","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"verstehe es und weiß doch selbst nicht, wie es gekommen ist. Es geschieht durch","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"ihn und in ihm: Christus.\"","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Und sie zitterte bei der Nennung dieses heiligen Namens, eine Feuertaufe","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"durchströmte sie stärker, als ihr Leib es zu tragen vermochte. Und sie sank","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"zusammen, kraftloser als die Kranke, bei der sie wachte.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"\"Arme Sara\" sagte man, \"sie ist von der Arbeit und den Nachtwachen","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"überanstrengt.\"","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Und sie wurde krank ins Armenhaus gebracht; dort starb sie und wurde begraben,","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"aber nicht auf dem christlichen Friedhofe, da gab es kein Plätzchen für das","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Judenmädchen, nein, draußen an der Mauer wurde sie begraben.","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Und Gottes Sonne, die auf die Gräber der Christen herableuchtete, schien auch","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"auf des Judenmädchens Grab dort an der Mauer, und die Psalmen, die auf dem","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Kirchhofe der Christen gesungen wurden, erklangen auch über ihrem Grabe und auch","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"die Verkündigung drang zu ihr hinaus: \"Es gibt eine Auferstehung in Christo\" in","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"ihm, der zu seinen Jüngern gesprochen hatte: \"Johannes taufte mit Wasser, aber","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Ihr sollt mit dem Heiligen Geiste getauft werden!\"","book":"Das Judenmädchen"} {"text":"Die Eisenbahn in Dänemark erstreckt sich bis jetzt nur von Kopenhagen bis","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Korsör, sie ist ein Stück Perlenschnur, Perlen, an denen Europa so reich ist;","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"die kostbarsten Perlen heißen da: Paris, London, Wien, Neapel! Mancher nennt","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"jedoch nicht diese großen Städte seine schönsten Perlen, aber dagegen zeigt er","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"auf eine kleine unauffällige Stadt, die ist das Heim der Heimat, da wohnen die","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Lieben! Ja, oft ist es nur ein einzelner Hof, ein kleines Haus zwischen grünen","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Hecken verborgen, ein Punkt, der hinfliegt, während der Eisenbahnzug vorbeijagt.","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Wie viele Perlen sind da auf der Schnur von Kopenhagen bis Korsör? Wir wollen","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"sechs betrachten, denen die meisten Aufmerksamkeit schenken müssen, alte","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Erinnerungen und die Poesie selber geben diesen Perlen einen Glanz, daß sie in","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"unsere Gedanken strahlen.","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Nahe vom Hügel, wo Friedrichs VI. Schloß liegt, Oehlenschlägers Kindheitsheim,","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"glänzt im Schutz von dem Waldgrund der Südmark eine der Perlen, man nannte sie","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"\"Philemons und Baucis' Hütte,\" das heißt, das Heim zweier liebevoller alter","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Leute. Hier wohnte Rahbeck mit seiner Frau Camma; hier unter ihrem gastfreien","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Dach versammelten sich ein Menschenalter lang viele der Starken im Geiste aus","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"dem eiligen Kopenhagen, hier war ein Heim des Geistes, ... und nun! Sag nicht:","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"\"Ach wie verändert!\" nein, noch ist es das Heim des Geistes, das Treibhaus für","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"die erkrankten Pflanzen! Die Blumenknospe, die nicht kräftig genug ist, sich zu","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"entfalten, bewahrt doch verborgen, alle Keime zu Blatt und Frucht. Hier glänzt","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"die Sonne des Geistes hinein in ein umschlossenes Heim des Geistes, belebt und","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"macht lebendig; die Welt ringsum strahlt herein durch die Augen in des Geistes","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"unerforschte Tiefe. Das Schwachsinnigenheim, umschwebt von Menschenliebe,","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"ist eine heilige Stätte, ein Treibhaus für die kranke Pflanze, die einmal","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"umgepflanzt werden soll und blühen in Gottes Blumengarten. Die Schwächsten im","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Geiste versammeln sich nun hier, wo einmal die Größten und Kräftigsten sich","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"trafen, Gedanken tauschten und höher erhoben wurden - höher hinauf loht noch die","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Flamme der Seelen hier in \"Philemons und Baucis' Hütte.\"","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Die Stadt der Königsgräber mit Hroars Quelle, das alte Roskilde liegt vor uns!","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Der Kirche schlanke Turmspitze erhebt sich über die niedrige Stadt und spiegelt","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"sich im Iselfjord. Ein Grab nur wollen wir hier besuchen, es betrachten in","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"der Perle Schein; es ist nicht das der mächtigen Unionskönigin Margrethe -","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"nein, drinnen im Kirchhof an dessen weißen Mauern wir dicht vorbeifliegen, ist","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"das Grab, ein geringer Stein ist darübergelegt, der Orgelkönig, der Erwecker","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"dänischer Lieder, ruht hier. Melodien in unserer Seele wurden die alten Sagen;","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"wir empfanden, wie \"die klaren Wogen rollten,\" - \"es lag ein König im Felde!\"","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"- Roskilde, Stadt der Königsgräber, in deiner Perle wollen wir auf das geringe","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Grab blicken, wo in den Stein die Leier und der Name: Weyse gehauen ist.","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Nun kommen wir nach Sigersted, bei der Stadt Ringsted; das Bachbett ist","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"niedrig; das gelbe Korn wächst, wo Hagbarths Boot anlegte, nicht weit von Signes","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Frauengemach. Wer kennt nicht die Sage von Hagbarth, der in der Eiche hing, und","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"von Signelils Gemach, das in Flammen stand, die Sage von der starken Liebe.","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"\"Schönes Sorö, umkränzt von Wäldern!\" Deine stille Klosterstadt hat einen","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Ausguck zwischen den moosbewachsenen Bäumen erhalten; mit Jugendblick sieht","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"es von der Akademie über die See nach der Weltlandstraße hinaus, hört der","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Lokomotive Drachen keuchen, während er durch den Wald fliegt. Sorö, du Perle","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"der Dichtung, die Holbergs Staub bewahrt! Wie ein mächtiger, weißer Schwan","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"liegt dein Wissensschloß an dem tiefen Waldsee, und auf zu ihm, wie die weiße","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Sternblume im Waldgrund, schimmert ein kleines Haus, und das suchen unsere","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Augen, fromme Psalmen klingen von dort aus durch das ganze Land, das Wort","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"wird dort gesprochen, der Bauer selber horcht darauf und kennt Dänemarks","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"entschwundene Zeiten. der grüne Wald und der Vogelgesang gehören zusammen, so","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"auch die Namen Sorö und Ingemann.","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Zu Stadt Slagelse -! Was spiegelt sich hier in der Perle Schein? Verschwunden","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"sind das Antvorwald-Kloster, verschwunden des Schlosses reiche Säle, selbst sein","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"einsam stehender verlassener Flügel; doch ein altes Zeichen steht noch, erneut","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"und wieder erneut, ein Holzkreuz auf der Höhe dort, wo zur Zeit der Legend der","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"heilige Anders, der Priester von Slagelse, erwachte, der in einer Nacht von","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Jerusalem hierhin getragen wurde.","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Korsör - hier wurdest du geboren, der uns gab:","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"\"- Scherz mit Ernst gemischt","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"in Weisen von Knud Seeländer.\"","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Du Meister in Wort und Witz! Die sinkenden, alten Wälle der verlassenen Festung","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"sind nun hier die letzten sichtbaren Zeuges des Heims deiner Kindheit; wenn die","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Sonne untergeht, zeigen ihre Schatten hin auf den Fleck, wo dein Geburtshaus","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"stand; von diesen Wällen nach Sprogös Höhe blickend sahst du, als du \"klein","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"warst,\" - \"den Mond hinter die Insel gleiten\" und besangst ihn unsterblich, wie","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"du später die Berge der Schweiz besangst, du, der herumzog in dem Labyrinth der","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Welt und fand:","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":".\".. nirgends blühen die Rosen so reich,","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"und nirgends sind die Dornen so klein,","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"und nirgends sind die Kissen so weich,","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"als wo unsere Unschuld schlummerte ein.\"","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Der Fröhlichkeit bezaubernder Sänger! Wir flechten dir einen Kranz von","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Waldmeister und werden ihn in die See, und die Woge wird ihn zu der Kieler","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Bucht tragen, in deren Küste dein Staub gelegt ist; er bringt einen Gruß von dem","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"jungen Geschlecht, einen Gruß von der Geburtsstand Korsör - wo die Perlenschnur","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"aufhört.","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"II","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"\"Das ist freilich ein Stück Perlenschnur von Kopenhagen bis Korsör,\" sagte","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"die Großmutter, die vorlesen gehört hatte, was wir nun eben lasen. \"Das ist","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"eine Perlenschnur für mich, und das wurde sie mir schon von nun mehr als","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"vierzig Jahren,\" sagte sie. \"Da hatten wir keine Dampfmaschinen, wir brauchten","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Tage zu dem Weg, wo ihr jetzt nur Stunden braucht. Das war 1815; da war","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"ich einundzwanzig Jahre alt; das ist ein schönes Alter; Aber schon in den","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Sechzigern, das ist auch ein schönes Alter, ein gesegnetes! In meiner Jugend,","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"ja, da war es eine andere Seltenheit als jetzt, nach Kopenhagen zu kommen, der","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Stadt aller Städte, wie es uns schien. Meine Eltern wollten nach zwanzig Jahren","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"wieder einmal einen Besuch dort machen, ich sollte mit; von der Reise hatten wir","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"seit Jahren gesprochen, und nun sollte sie wirklich vor sich gehen! Mir schien,","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"daß ein ganz neues Leben beginnen würde, und in einer Weise begann da auch für","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"mich ein neues Leben.","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Es wurde genäht, und es wurde gepackt, und als wir nun fort sollten, ja, wie","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"viele gute Freunde kamen nicht, um uns Lebewohl zu sagen! Es war eine große","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Reise, die wir vorhatten! Spät am Vormittag fuhren wir aus Odense in meiner","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Eltern holsteinischem Wagen, Bekannte nickten von den Fenstern die ganze Straße","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"entlang, fast bis wir ganz beim St. Jörgens Port heraußen waren. Das Wetter","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"war schön, die Vögel sangen, man vergaß, daß es ein langer, schwerer Weg bis","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Nyborg war; gegen Abend kamen wir dahin; die Post traf erst zur Nacht ein, und","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"früher ging die Fähre nicht ab; wir gingen da an Bord. Da lag nun vor uns das","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"große Wasser, so weit unsere Augen reichten, ganz windstill! Wir legten uns","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"in unseren Kleidern nieder uns schliefen. Als ich in der Morgenstunde erwachte","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"und aufs Deck kam, war nicht das mindeste auf irgendeiner Seite zu sehen, solch","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"einen Nebel hatten wir. Ich hörte die Hähne krähen, nahm war, daß die Sonne","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"aufging, die Glocken klangen; wo waren wir? Der Nebel hob sich, und wir lagen","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"wirklich noch gerade vor Nyborg. Später am Tage wehte endlich ein schwacher","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Wind, aber er stand entgegen; wir kreuzten und kreuzten, und endlich waren wir","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"so glücklich, daß wir etwas nach elf Uhr nachts Korsör erreichten, da hatten wir","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"zweiundzwanzig Stunden zu den vier Meilen gebraucht.","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Es tat gut, ans Land zu kommen; aber dunkel war es, die Laternen brannten","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"schlecht, und alles war so wildfremd für mich, die nie in einer anderen Stadt","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"als in Odense gewesen war.","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"'Sieh, hier wurde Baggesen geboren', sagte mein Vater, 'und hier lebte","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Birckner!'","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Da schien es mir, daß die alte Stadt mit den kleinen Häusern auf einmal größer","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"und lichter wurde; wir fühlten uns auch so froh, wieder festen Boden unter uns","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"zuhaben; schlafen konnte ich diese Nacht nicht über all dem vielen, das ich","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"schon gesehen und erlebt hatte, seit ich am Tag zuvor von zu Hause aufbrach.","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Am nächsten Morgen mußten wir früh auf, wir hatten einen schlimmen Weg vor","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"uns mit schrecklichen Hügeln und vielen Löchern, bis wir Slagelse erreichten,","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"und von dort weiter auf der anderen Seite war es wohl nicht viel besser, und","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"wir wollten so gerne beizeiten nach dem Krebshaus kommen, damit wir von dort","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"noch am Tage nach Sorö hineingehen und Möllers Emil besuchen könnten, wie wir","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"ihn nannten, ja, das war euer Großvater, mein seliger Mann, der Propst, er war","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Student in Sorö und damals gerade mit seinem zweiten Examen fertig.","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Wir kamen am Nachmittag zum Krebshaus; das war damals ein eleganter Ort, das","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"beste Wirtshaus auf dem ganzen Wege und die reizendste Gegend, ja, das müßt ihr","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"doch alle einräumen, daß es das noch ist. Es hatte eine tüchtige Wirtin, Madame","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Plambek, alles im Hause war wie ein glattgescheuertes Hackbrett. An der Wand","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"hing in Glas und Rahmen Baggesens Brief an sie, das war wohl wert anzusehen! Mir","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"war es eine große Merkwürdigkeit. - Dann gingen wir hinauf nach Sorö und trafen","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"da Emil. Ihr könnt glauben, er war froh, uns zu sehen, und wir, ihn zu sehen, er","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"war so gut und aufmerksam. Mit ihm sahen wir dann die Kirche mit Absalons Graf","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"und Holbergs Sarg; wir sahen die alten Mönchsinschriften, und wir fuhren über","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"den See zum 'Parnaß', es war der schönste Abend, dessen ich mich entsinne! Mir","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"schien freilich, wenn man irgendwo in der Welt sollte dichten können, daß das in","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Sorö sein müßte, in diesem Frieden und dieser Schönheit der Natur. Dann gingen","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"wir im Mondschein den Philosophengang, wie sie es nannten, den schönen einsamen","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Weg den See und Sumpf entlang hinaus auf die Landstraße zur Krebshaus; Emil","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"blieb und aß mit uns, Vater und Mutter fanden, daß er so klug geworden war und","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"so gut aussah. Er versprach uns, daß er in fünf Tagen in Kopenhagen bei seiner","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Familie und mit uns zusammen sein würde; es war ja Pfingsten. Die Stunden in","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Sorö und beim Krebshaus,ja, die gehörten zu den schönsten Perlen meines Lebens.","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Am nächsten Morgen brachen wir sehr früh auf, denn wir hatten einen langen","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Weg, ehe wir Roskilde erreichten, und da mußten wir sehr beizeiten sein, damit","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"wir die Kirche sehen und Vater gegen Abend einen alten Schulkameraden besuchen","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"könnte; das geschah auch, und so blieben wir über Nacht in Roskilde und den","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Tag darauf, aber erst zur Mittagszeit, denn das war der schlechteste, der","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"ausgefahrenste Weg, den wir zurückzulegen hatten, kamen wir nach Kopenhagen.","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Es waren ungefähr drei Tage, die wir von Korsör bis Kopenhagen gebraucht haben,","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"nun macht ihr denselben Weg in drei Stunden. Die Perlen sind nicht köstlicher","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"geworden, das können sie nicht; aber die Schnur ist neu und wunderbar geworden.","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Ich blieb mit meinen Eltern drei Wochen in Kopenhagen, mit Emil waren wir da","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"ganze acht Tage zusammen, und als wir dann nach Fünen zurückreisten, begleitete","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"er uns von Kopenhagen bis Korsör; dort verlobten wir uns, bevor wir uns","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"trennten! So könnt ihr doch wohl verstehen, daß auch ich den Weg von Kopenhagen","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"bis Korsör ein Stück Perlenschnur nenne.","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Später, als Emil die Pfründe erhielt, heirateten wir; wir sprachen oft von der","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Kopenhagener Reise und davon, sie wieder einmal zu machen, aber da kam erst eure","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Mutter, und dann bekam sie Geschwister; und da war viel zu tun und zu behüten,","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"und als nun Vater befördert und Propst wurde, ja, da war es schon eine Freude","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"und ein Segen, aber nach Kopenhagen kamen wir nicht. Ich kam nie wieder hin, wie","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"oft wir auch daran dachten und davon sprachen, und nun bin ich zu alt geworden,","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"habe nicht mehr den rechten Körper, um auf der Eisenbahn zu fahren; aber über","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"die Eisenbahnen bin ich froh, es ist ein Segen, daß man sie hat! Da kommt ihr","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"schneller zu mir! Nun ist Odense ja nicht viel weiter von Kopenhagen, als in","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"meiner Jugend Odense von Nyborg war! Ihr könnt nun ebenso schnell nach Italien","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"fliegen, als wir nach Kopenhagen reisten! Ja, das ist etwas! - Trotzdem bleibe","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"ich sitzen, ich lasse die andern reisen, lasse sie zu mir kommen! Aber ihr sollt","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"doch nicht lächeln, weil ich so still sitze! Ich habe eine ganz anders große","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"Reise vor als eure, eine weit schnellere, als mit den Eisenbahnen: wenn Gott","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"will, reise ich hinauf zum Großvater, und wenn ihr dann euer Werk ausgerichtet","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"und euch hier an dieser gesegneten Welt gefreut habt, dann weiß ich, daß ihr zu","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"uns hinaufkommt und wir dann dort von den Tagen unseres Erdenlebens sprechen,","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"glaubt mir, Kinder, ich sage auch dort wie jetzt: von Kopenhagen bis Korsör, ja,","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"das ist freilich ein Stück Perlenschnur.\"","book":"Ein Stück Perlenschnur"} {"text":"\"Ding-dang! Ding-dang!\" klingt es aus der Glockentiefe herauf in den Odense-","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Bach. Jedes Kind in der alten Stadt Odense auf der Insel Fünen kennt den Bach,","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"der die Gärten rings um die Stadt bespült und sich von der Schleuse bis zur","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Wassermühle unter den Holzbrücken hinzieht. Im Bach blühen gelbe Wasserlilien","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"oder Seerosen, und braungefiedertes Röhricht wächst dort mit den schwarzen","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"sammetartigen Rohrkolben, hoch und dick, alte geborstene Weiden, gereckt und","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"gestreckt, hängen weit ins Wasser hinein an der Seite der Mönchswiese und","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"der Bleiche, aber gegenüber liegt Garten an Garten, und keiner gleicht dem","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"andern, bald mit schönen Blumen und Lauben, glatt und zierlich, wie ein kleiner","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Puppenstaat, bald nur mit Kohl und Gemüse bestanden; oder es ist auch gar kein","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Garten zu erblicken, da die großen Holunderbäume sich an den Ufern ausbreiten","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"und weit über das strömende Gewässer hinaushängen, das hier und da tiefer ist,","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"als daß die Ruderstange seinen Grund erreichen könnte. Dem alten Fräuleinkloster","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"gegenüber ist die tiefste Stelle, Glockentiefe genannt, und dort unten wohnt","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"der alte Wassermann. Der schläft den Tag über, wenn die Sonne durch das Wasser","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"hinabstrahlt, aber bei sternenhellen Nächten und Mondschein zeigt er sich. Er","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"ist sehr alt; die Großmutter sagt, sie habe von ihm erzählen hören von ihrer","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Großmutter; er lebe ein einsames Leben, habe gar niemanden, mit dem er reden","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"könne, außer der großen, alten Kirchglocke. Einst hing die Glocke im Kirchturm,","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"ja, jetzt ist keine Spur mehr davon zu sehen, weder vom Turm noch von der","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Kirche, welche St. Albani hieß.","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"\"Ding-dang\" - \"Ding-dang!\" klang die Glocke, als der Turm noch dastand, und","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"eines Abends, als die Sonne sank und die Glocke im stärksten Schwunge sich","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"befand, riß sie sich los und flog dahin durch die Luft; das blanke Metall blitze","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"glühend in den roten Strahlen.","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"\"Ding-dang! Ding-dang! Jetzt will ich mich zur Ruhe betten!\" sang die Glocke","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"und flog hinaus in den Odense-Bach, wo er am tiefsten ist, und deshalb heißt","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"die Stelle die Glockentiefe. Allein ihr ward keine Ruh' und kein Schlaf. Unten","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"bei dem Wassermann singt und klingt sie, daß es zuweilen herauftönt durch die","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Gewässer, und viele Leute sagen, solch Klingen bedeute, daß jemand stirbt, aber","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"es ist nicht so, sie singt und unterhält sich mit dem Wassermann, der jetzt","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"nicht mehr allein ist.","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Und was erzählt wohl die Glocke? Sie ist alt, sehr alt, wie wir schon bemerkten,","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"sie war schon lange da, bevor die Großmutter der Großmutter geboren ward, und","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"doch ist sie dem Alter nach nur ein Kind gegen den Wassermann, der ein alter,","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"stiller Mann, ein Sonderling ist mit seinen Hosen aus Aalhaut und seiner","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Fischjacke mit den gelben Knöpfen, mit dem Schilf- und Seerosenkranz im Haar und","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Wasserlinsen im Bart, aber hübsch sieht er doch aus so.","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Was die Glocke erzählt - das wiederzugeben würde Jahre und Tage erfordern; sie","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"erzählt jahrein, jahraus die alten Geschichten wieder aufs neue, bald kurz, bald","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"lang, wie es ihr die Stimmung eingibt; sie erzählt von alten Zeiten, den harten,","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"finstern Zeiten.","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"\"In die St. Albani-Kirche, hinauf auf dem Turm stieg der Mönch, er war jung","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"und schön, aber versonnen wie kein anderer. Er schaute von der Luke dort oben","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"über den Odense-Bach hinaus, damals hatte er noch sein breites Bett, und die","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Mönchswiese war ein See; er schaute über ihn und über den grünen Wall hinweg zum","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"\"Nonnenhügel\" drüben, wo das Kloster lag, wo das Licht aus der Zelle der Nonne","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"strahlte; er hatte die Nonne sehr gut gekannt, und er erinnerte sich ihrer, und","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"sein Herz klopfte stärker dabei - Ding-dang! Ding-dang!\"","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Ja, so erzählte die Glocke.","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"\"Den Turm hinauf stieg auch der dämliche Diener des Bischofs, und wenn ich,","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"die Glocke, die aus Metall gegossene, hart und gewichtig sang und mich schwang,","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"hätte ich ihm das Gehirn zerschmettern können; er setzte sich dicht unter","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"mich und spielte mit zwei Stöckchen, als wenn dieselben gar ein Saitenspiel","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"wären, und er sang dazu: 'Jetzt darf ich laut heraussingen, was ich sonst nicht","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"flüstern darf, von allem singen, was hinter Schloß und Riegel versteckt gehalten","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"wird. Dort ist es kalt und naß! Die Ratten fressen sie bei lebendigem Leibe.","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Niemand weiß darum! Niemand hört davon! Auch jetzt nicht, denn die Glocke klingt","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"und singt ihr lautes Ding-dang! Ding-dang!'","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Ein König war damals, sie nannten ihn Kanut, er beugte sich vor Bischof und","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Mönch, als er aber den Wendelbauern zu nahe trat mit schweren Steuern und harten","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Worten, da nahmen diese Waffen und Stangen zur Hand und jagten ihn in die Flucht","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"gleich einem wilden Tier; er suchte Schutz in der Kirche, schloß Tor und Tür","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"hinter sich; die gewalttätige Schar lagerte draußen vor der Kirche, ich hörte","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"davon erzählen; Krähen, Raben und Dohlen fuhren auf vor Schreck bei dem Geschrei","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"und Gebrüll, welches ertönte; sie flogen in den Turm hinein und wieder hinaus,","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"sie schauten auf die Menge dort unten hinab, sie blickten auch durch die Fenster","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"der Kirche hinein, sie schrieen es laut heraus, was sie sahen. König Kanut lag","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"betend vor dem Altar, seine Brüder Erich und Benedikt standen dort als Wache mit","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"gezogenen Schwertern, allein der Diener des Königs, der falsche Blake, verriet","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"seinen Herrn; die Menge vor der Kirche wußte, wo der König zu treffen sei, und","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"einer schleuderte einen Stein durch die Fensterscheide, und der König lag tot","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"da! Rufen und Schreien der wilden Schar und der Vögel zitterte durch die Luft,","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"und auch ich stimmte mit ein, ich sang und Klang Ding-dang! Ding-dang!","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Die Kirchglocke hängt hoch; schaut weit umher, sieht die Vögel um sich","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"und versteht ihre Sprache, der Wind braust zu ihr hinein durch Luken und","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Schallblöcher, durch jede Ritze, und der Wind weiß alles, er hat es von der","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Luft, und diese umschließt alles, was Leben hat, sie dringt in die Lungen der","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Menschen hinein, weiß alles, was sich in Laut und Ton kundtut, jedes Wort, jeden","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Seufzer! Die Luft weiß es, der Wind erzählt es, die Kirchglocke versteht seine","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Sprache und läutet es hinaus in die Welt: Ding-dang! Ding-dang!","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"\"Allein es wurde mir zu viel, all dies zu hören und zu erfahren, ich vermochte","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"nicht mehr, es hinauszuläuten. Ich wurde so müde, so schwer, daß der Balken","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"zerbrach und ich in die leuchtende Luft hinausflog, hinab, wo der Bach am","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"tiefsten ist und der Wassermann wohnt, einsam und allein, und dort erzähle ich","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"jahraus, jahrein, was gehört habe und was ich weiß: Ding-dang! Ding-dang!\"","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"So läutet und klagt es aus der Glockentiefe in dem Odense-Bach; das hat die","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Großmutter erzählt.","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Aber der Schulmeister sagt: \"Es gibt keine Glocke, die dort unten läuten kann,","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"denn sie kann es nicht! - Auch keinen Wassermann gibt es dort unten, denn es","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"gibt gar keinen Wassermann!\" Und wenn alle anderen Kirchenglocken gar herrlich","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"klingen, so sagt er, daß es nicht die Glocken seien, sondern eigentlich die","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Luft, die da klingt, die sei es, die das Geläut gebe - und Großmutter erzählt","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"auch, daß es die Glocke selber so gesagt habe - darüber sind sich beide demnach","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"einig, so viel ist gewiß! \"Sei behutsam, behutsam, und achte genau auf dich!\"","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"sagen sie beide.","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Die Luft weiß alles. Sie ist um uns, sie ist in uns, sie spricht von unseren","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"Gedanken und unseren Taten, und sie spricht länger davon als die Glocke unten in","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"der Tiefe des Odense-Baches, wo der Wassermann wohnt; sie tönt es hinauf in die","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"große Himmelstiefe, weit, weit hinauf, ewig und immer, bis die Himmelsglocken","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"klingen: Ding-dang! Ding-dang!","book":"Die Glockentiefe"} {"text":"In der engen, krummen Straße zwischen ärmlichen Häusern stand ein schmales,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"hohes Haus aus Fachwerk, das schon überall aus den Fugen ging. Arme Leute","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"wohnten hier, und am ärmlichsten sah es in der Dachkammer aus, wo vor dem","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"kleinen Fenster im Sonnenschein, ein altes verbeultes Vogelbauer hing, das","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"nicht einmal ein ordentliches Trinknäpfchen hatte, sondern nur einen umgekehrten","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Flaschenhals mit einem Pfropfen unten. So ließ er sich mit Wasser füllen.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Ein altes Mädchen stand an dem offenen Fenster, sie hatte eben den Käfig mit","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Vogelmiere geschmückt, in dem ein kleiner Hänfling von Stange zu Stange hüpfte","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"und sang, daß es schallte.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"\"Ja, Du hast gut singen!\" sagte der Flaschenhals. Freilich sagte er es nicht so,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"wie wir es sagen können, denn ein Flaschenhals kann ja nicht sprechen, aber er","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"dachte es in der Art bei sich, wie wir Menschen auch mit uns selbst sprechen.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"\"Ja, Du hast gut singen, Du hast Deine ganzen Glieder. Du solltest einmal in","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"meiner Lage sein, Deinen Unterleib verlieren und nur noch Hals und Mund übrig","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"behalten, noch dazu mit einem Pfropfen darin, dann würdest Du nicht singen.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Aber es ist doch gut, daß wenigstens einer vergnügt ist. Ich habe keinen Grund","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"zum Singen, und ich kann es auch nicht. Damals, als ich noch eine ganze Flasche","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"war, konnte ich es, wenn man einen Pfropfen gegen mich rieb. Damals wurde ich","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"die wahre Lerche, die große Lerche genannt! – Und dann damals, als ich mit","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"der Kürschnersfamilie im Walde war, und die Tochter sich verlobte – ja, daran","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"erinnere ich mich, als wäre es gestern gewesen! Ich habe doch viel erlebt,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"wenn ich es überdenke! Ich bin durch Feuer und durch Wasser gegangen, unten","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"in der schwarzen Erde bin ich gewesen, und weiter in die Höhe hinauf gekommen","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"als die Meisten, und nun schwebe ich draußen vor dem Vogelbauer in Luft und","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Sonnenschein. Es wäre wohl der Mühe wert, meine Geschichte zu hören, aber ich","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"spreche nicht laut darüber, denn das kann ich nicht.\"","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Und so erzählte sie sich, oder vielmehr, dachte sie sich ihre Geschichte, die","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"merkwürdig genug war. Und der kleine Vogel sang lustig sein Liedchen, und unten","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"auf der Straße fuhr man und ging man, jeder dachte an sich oder an überhaupt gar","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"nichts, aber das tat der Flaschenhals.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Er dachte zurück an den flammenden Schmelzofen in der Fabrik, wo er ins Leben","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"geblasen wurde. Er erinnerte sich noch, daß er ganz warm gewesen war und,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"als er in den glühenden Ofen hineingeschaut hatte, die größte Lust verspürt","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"hatte, gerade wieder hineinzuspringen, sich aber später nach und nach, je nach","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"dem Grade seiner Abkühlung, recht wohl befunden hatte, wo er war. Er stand in","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Reih und Glied in einem ganzen Regiment von Brüdern und Schwestern, alle aus","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"demselben Ofen, aber einige waren zu Champagnerflaschen geblasen worden, andere","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"zu Bierflaschen, und das ist ein Unterschied. Später in der Welt draußen kann","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"freilich eine Bierflasche den köstlichsten Lacrimae Christi in dich fassen und","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"eine Champagnerflasche mit Wichse gefüllt sein, aber wozu man geboren ist, kann","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"man doch am Äußeren erkennen; Adel bleibt Adel, selbst mit Wichse im Leibe.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Bald wurden alle Flaschen eingepackt und unsere Flasche mit. Damals dachte sie","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"noch nicht daran, daß sie einst als Flaschenhals enden würde, um sich nach und","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"nach zu einem Vogelnäpfchen herauf zu dienen, was doch immerhin ein ehrlicher","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Beruf ist; man ist doch etwas. Sie sah erst das Tageslicht wieder, als sie mit","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"anderen Kameraden im Keller eines Weinhändlers ausgepackt und das erste Mal","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"gespült wurde; das war ein wunderliches Gefühl. Da lag sie nun leer und ohne","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Pfropfen und fühlte sich so merkwürdig flau. Es fehlte ihr etwas, aber sie","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"wußte selbst nicht, was es war. Nun wurde sie mit einem guten, herrlichen Wein","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"gefüllt; sie bekam einen Pfropfen, wurde mit Lack geschlossen und bekam die","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Aufschrift: \"Prima Sorte,\" das war gerade, als habe sie beim Examen die beste","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Nummer erhalten. Aber der Wein war gut, und die Flasche war auch gut. Ist man","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"jung, so ist man Lyriker, es sang und klang in ihr von Dingen, die ihr ganz","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"unbekannt waren, von grünen, sonnigen Bergen, wo der Wein wächst und muntere","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Mädchen und fröhliche Burschen singen und sich küssen. Ja, es ist herrlich, zu","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"leben! Von alledem sang und klang es in der Flasche wie in jungen Dichtern, die","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"oft auch nichts von dem wissen, was sie besingen.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Eines Morgens wurde sie gekauft. Der Laufbursche des Kürschners sollte eine","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Flasche Wein vom besten bringen, und so kam sie in den Eßkorb zu Schinken.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Käse und Wurst; dort gab es die herrlichste Butter, das feinste Brot. Die","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Kürschnerstochter selbst packte sie ein, sie war so jung, so schön; die braunen","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Augen lachten, ein Lächeln lag um ihren Mund, das ebenso sprechend war wie die","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Augen. Sie hatte feine weiche Hände; so weiß waren sie, doch Hals und Brust","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"waren weißer noch, man konnte sogleich sehen, daß sie eins der hübschesten","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Mädchen in der Stadt war, und doch war sie noch nicht verlobt.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Der Eßkorb stand auf ihrem Schoß, als die Familie in den Wald hinaus fuhr. Der","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Flaschenhals lugte unter den Zipfeln des weißen Tuches hervor. Der Pfropfen war","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"mit rotem Lack verziert und sie schaute gerade in des jungen Mädchens Antlitz;","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"sie sah auch den jungen Steuermann an, der an des Mädchens Seite saß. Er war","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"ihr Jugendfreund, der Sohn eines Porträtmalers. Vor kurzem hatte er seine","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Steuermannsprüfung mit Ehren bestanden und sollte morgen mit seinem Schiffe fort","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"nach fremden Ländern fahren; hiervon war schon während des Einpackens viel die","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Rede gewesen, und während davon gesprochen wurde, war just nicht viel Vergnügen","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"in den Augen und um den Mund der schönen Kürschnerstochter zu sehen gewesen.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Die beiden jungen Leute gingen in den grünen Wald und sprachen zusammen – wovon","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"sprachen sie wohl? Ja, das hörte die Flasche nicht, sie stand noch immer im","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Eßkorb. Es dauerte merkwürdig lange, bis sie hervorgeholt wurde. Als es jedoch","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"nun geschah, hatten sich auch erfreuliche Dinge ereignet. Aller Augen lachten","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"und auch die Kürschnerstochter lachte, aber sie sprach weniger als zuvor, und","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"ihre Wangen glühten wie zwei rote Rosen.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Der Vater nahm die gefüllte Flasche und den Korkenzieher. – Ja, es ist ein","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"wunderliches Gefühl, so zum ersten Male geöffnet zu werden. Der Flaschenhals","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"konnte seitdem niemals mehr diesen feierlichen Augenblick vergessen; es hatte","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"ordentlich \"Schwupp\" in ihm gesagt, als der Pfropfen herausging, und dann","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"gluckte es, als der Wein hinaus in die Gläser strömte.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"\"Den Verlobten zum Wohle\" sagte der Vater; jedes Glas wurde bis zur Neige","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"geleert und der Steuermann küßte seine schöne Braut.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"\"Glück und Segen!\" sagten die beiden Alten, und der junge Mann füllte die Gläser","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"noch einmal: \"Auf Heimkehr und Hochzeit heut übers Jahr\" rief er, und als die","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Gläser geleert waren, ergriff er die Flasche, hob sie hoch empor und sagte: \"Du","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"bist am schönsten Tage meines Lebens mit dabei gewesen, weiter sollst Du keinem","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"dienen!\"","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Dabei warf er sie hoch empor. Damals dachte die Kürschnerstochter nicht daran,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"daß sie sie wiedersehen sollte, aber sie sollte es. Die Flasche fiel in das","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"dichte Schilf an dem kleinen Waldsee. Der Flaschenhals erinnerte sich so","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"lebhaft daran, als sei es heute geschehen, wie er dort im Schilfe gelegen und","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"nachgedacht hatte: \"Ich gab ihnen Wein und sie geben mir Sumpfwasser, aber es","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"war gutgemeint!\" Er konnte die Verlobten und die fröhlichen Alten nicht mehr","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"sehen, aber noch lange hörte er sie jubilieren und singen. Dann kamen zwei","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"kleine Bauernjungen, guckten zwischen das Schilf, erblickten die Flasche und","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"nahmen sie mit; nun war sie versorgt.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Daheim in dem Waldhäuschen, wo sie wohnten, war gestern ihr ältester Bruder,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"der Seemann, gewesen und hatte Lebewohl gesagt, da er auf eine größere Reise","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"gehen sollte. Die Mutter stand nun und packte noch ein und das andere ein, womit","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"der Vater am Abend in die Stadt gehen sollte, um den Sohn noch einmal vor der","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Abreise zu sehen und ihm seinen und der Mutter Gruß zu bringen. Eine kleine","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Flasche mit Kräuterbranntwein war in das Päckchen gelegt worden, doch nun kamen","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"die Knaben mit der größeren Flasche, die sie gefunden hatten. Dorthinein ging","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"mehr als in die kleine, und außerdem war es doch ein so guter Schnaps gegen","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"verdorbenen Magen; er war auf hypericum abgezogen. Es war kein roter Wein, wie","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"zuvor, den die Flasche nun bekam, sie bekam gar bittere Tropfen, aber die sind","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"auch gut – für den Magen. Die neue Flasche sollte mit, nicht die kleine – so kam","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"die Flasche wieder auf die Wanderschaft, und sie kam an Bord zu Peter Jensen;","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"das war gerade das gleiche Schiff, auf dem auch der junge Steuermann war.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Aber er sah die Flasche nicht, er hätte sie wohl auch nicht wiedererkannt oder","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"daran gedacht, daß es dieselbe sein könne, woraus er auf Verlobung und Heimkehr","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"getrunken hatte.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Freilich war kein Wein mehr darin, aber etwas ebenso Gutes. Sie wurde auch","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"jedesmal, wenn Peter Jensen sie hervorholte, \"Der Apotheker\" genannt. Aus ihr","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"schenkte man die gute Medizin, die dem Magen half, und sie half solange, wie","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"noch ein Tropfen darin war. Das war eine fröhliche Zeit, und die Flasche sang,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"wenn man sie mit dem Pfropfen rieb; damals bekam sie auch den Namen der wahren","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Lerche, \"Peter Jensens Lerche.\"","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Lange Zeit war vergangen, sie stand leer in einer Ecke, da geschah es – ob es","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"auf der Hinreise oder Rückreise war, wußte die Flasche nicht so genau, denn","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"sie war nicht mit an Land gewesen – da erhob sich ein Sturm; hohe Seen, schwarz","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"und schwer, wälzten sich heran, sie hoben das Fahrzeug mit sich empor und","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"schleuderten es wieder hinab. Eine Sturzsee schlug eine Planke ein, die Pumpen","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"konnten nichts mehr ausrichten; es war stockfinstere Nacht und das Schiff sank","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Aber in der letzten Minute schrieb der junge Steuermann auf ein Blatt: \"In Jesu","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Namen. Wir sinken!\" Er schrieb den Namen seiner Braut, den seinen und den des","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Schiffes darauf, steckte den Zettel in eine leere Flasche, die da stand, drückte","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"den Pfropfen fest hinein und warf die Flasche hinaus in das stürmende Meer.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Er wußte nicht, daß es die Flasche war, woraus einst der Hoffnung und der Freude","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Wohl getrunken worden war für ihn und für sie; nun schaukelte sie auf den Wellen","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"mit einem Gruß und einer Todesbotschaft.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Das Schiff sank, die Mannschaft sank aber die Flasche flog wie ein Vogel, sie","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"hatte ja ein Herz, einen Liebesbrief in sich. Und die Sonne ging auf und sie","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"ging unter; es war für die Flasche fast ebenso anzusehen, wie der rote, glühende","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Ofen ihrer Jugend, und sie hatte Sehnsucht, wieder hineinzufliegen. Sie trieb in","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Windstille und neuen Stürmen dahin, doch stieß sie an keine Felsenklippe, kein","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Hai verschluckte sie; länger als Jahr und Tag trieb sie umher, bald nach Nord,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"bald nach Süd, wie die Strömung sie führte. Im übrigen war sie ihr eigener Herr,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"aber auch dessen kann man überdrüssig werden.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Das beschriebene Blatt, das letzte Lebewohl des Bräutigams an die Braut, sollte","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"nur Trauer bringen, wenn es dereinst in die rechten Hände geriet. Aber wo waren","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"die Hände, die so weiß geleuchtet hatten, als sie das Tuch in das frische Gras","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"im grünen Walde ausgebreitet hatten am Verlobungstage? Wo war des Kürschners","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Tochter? Ja, wo war das Land, und welches Land war wohl das nächste? Die Flasche","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"wußte es nicht; sie trieb und trieb und wurde schließlich des Treibens müde;","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"es war ja nicht ihre Bestimmung, aber sie trieb trotzdem, bis sie endlich Land","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"erreichte, ein fremdes Land. Sie verstand nicht ein Wort von dem, was gesprochen","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"wurde, es war nicht die Sprache, die sie zuvor hatte sprechen hören; ja, es geht","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"viel verloren, wenn man die Sprache nicht beherrscht.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Die Flasche wurde aufgehoben und betrachtet. Der Zettel darin wurde gesehen,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"herausgenommen und nach allen Seiten gedreht und gewendet, aber man verstand","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"nicht, was darauf geschrieben stand. Sie begriffen wohl, daß die Flasche aus","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"irgendeinem Grunde über Bord geworfen war und dieser Grund auf dem Papier","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"geschrieben stand, aber was dort stand, war unbegreiflich – und der Zettel wurde","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"wieder in die Flasche gesteckt, und diese kam in einen großen Schrank in einer","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"großen Stube in einem großen Hause.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Jedesmal, wenn Besuch kam, wurde der Zettel hervorgeholt und gedreht und","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"gewendet, so daß die Worte darauf, die nur mit Bleistift geschrieben waren,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"mehr und mehr unleserlich wurden. Zuletzt konnte niemand mehr erkennen, daß","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Buchstaben darauf waren. Die Flasche stand noch ein Jahr lang im Sehranke, dann","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"kam sie auf den Boden und wurde von Staub und Spinnweben bedeckt. Da dachte sie","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"an die besseren Tage zurück, wo sie roten Wein im frischen Walde einschenkte und","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"auf den Wogen schaukelte und ein Geheimnis zu tragen hatte, einen Brief einen","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Abschiedsseufzer.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Und nun stand sie wohl zwanzig Jahre auf dem Boden; sie hätte noch länger dort","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"stehen können, wäre das Haus nicht umgebaut worden. Das Dach wurde abgerissen,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"und die Flasche gefunden und besprochen, aber sie verstand die Sprache nicht.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Die lernt man nicht vom auf dem Boden stehen, selbst in zwanzig Jahren nicht.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"\"Wäre ich unten in der Stube geblieben,\" sagte sie ganz richtig, \"dann hätte ich","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"sie wohl gelernt.\"","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Sie wurde nun gewaschen und gespült und das hatte sie auch nötig; sie fühlte","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"sich ganz klar und durchsichtig, sie wurde wieder jung in ihren alten Jahren;","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"aber der Zettel, den sie in sich trug, war bei der Wäsche verloren gegangen.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Die Flasche wurde nun mit Samenkörnern gefüllt, von welcher Art, wußte sie","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"nicht; sie wurde zugekorkt und gut eingewickelt und sah weder Licht noch","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Laterne, geschweige denn Sonne oder Mond, und etwas müsse man doch sehen,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"wenn man auf Reisen ginge, meinte die Flasche; aber sie sah nichts. Doch das","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Wichtigste tat sie – sie reiste und kam dorthin, wohin sie sollte; dort wurde","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"sie ausgepackt.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"\"Was sie sich dort im Auslande für Umstände mit ihr gemacht haben\" wurde gesagt,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"\"und doch wird sie wohl gesprungen sein.\" Aber sie war nicht gesprungen. Die","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Flasche verstand jedes einzige Wort, das gesagt wurde; es war die Sprache, die","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"sie am Schmelzofen und beim Weinhändler, im Walde und auf dem Schiffe vernommen","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"hatte, die einzig richtige, gute alte Sprache, die man verstehen konnte. Sie war","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"wieder in ihr Heimatland zurückgekommen, sie bekam ihren Willkommensgruß. Vor","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Freude wäre sie ihnen fast aus den Händen gesprungen; sie merkte es kaum, wie","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"der Korken herausgezogen, sie ausgeschüttet und in den Keller gesetzt wurde, um","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"weggestellt und vergessen zu werden. In der Heimat ist es doch am besten, selbst","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"im Keller. Es kam ihr nie in den Sinn, darüber nachzudenken, wie lange sie dort","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"lag, sie lag gut und lag jahrelang. Da kamen eines Tages Leute in den Keller","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"herunter und holten mit den Flaschen auch sie herauf.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Draußen im Garten herrschten Pracht und Herrlichkeit. Brennende Lampen hingen","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"an Girlanden. Papierlaternen strahlten wie transparente Tulpen; es war ein","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"herrlicher Abend. Das Wetter war stille und klar, die Sterne blinkten hell und","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"der Neumond stand am Himmel, eigentlich sah man den ganzen runden Mond wie eine","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"blaugraue Kugel mit goldenem Rande und es sah gut aus für gute Augen.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Die Nebengänge waren auch illuminiert, wenigstens so hell, daß man darin","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"vorwärtskommen konnte. Zwischen den Hecken waren Flaschen mit Lichtern","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"aufgestellt. Dort stand auch die Flasche, die wir kennen und die dereinst","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"als Flaschenhals enden sollte, als Vogelnapf. Sie fand in diesem Augenblicke","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"alles unaussprechlich schön, sie war wieder im Grünen, nahm wieder teil an","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Freud und Fest, vernahm Gesang und Musik. das Geschwirr und Gesumm vieler","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Menschen, besonders von der Seite des Gartens, wo die Lampen brannten und die","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Papierlaternen ihre Farbenpracht zeigten. Sie selbst stand wohl abseits in einem","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Gang, aber just das regte sie zum Nachdenken an. Da stand nun die Flasche und","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"trug ihr Licht, stand hier zum Nutzen und zur Freude, und das ist das Richtige:","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"in solch einer Stunde vergißt man die zwanzig Jahre auf dem Boden, und es ist","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"gut, das zu vergessen.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Dicht an ihr vorbei ging ein einzelnes Paar Arm in Arm wie das Brautpaar damals","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"im Walde, der Steuermann und die Kürschnerstochter. Es war für die Flasche, als","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"erlebe sie es noch einmal. Im Garten gingen Gäste und Leute, die diese und all","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"die Pracht anschauen durften; unter diesen war auch ein altes Mädchen, die keine","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Verwandten mehr, wohl aber Freunde besaß. Sie dachte ganz an dieselben Dinge","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"wie die Flasche, an den grünen Wald und ein junges Brautpaar, das sie recht nahe","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"anging, war sie doch selbst der eine Teil desselben. Das war ihre glücklichste","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Stunde gewesen, und die vergißt sich nie, auch wenn man eine noch so alte","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Jungfer wird. Aber sie erkannte die Flasche nicht, und diese erkannte sie nicht,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"so geht man aneinander vorüber in der Welt – bis man sich wieder begegnet, und","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"das taten die beiden, in der Stadt waren sie ja zusammengekommen.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Die Flasche kam aus dem Garten zum Weinhändler, wurde wieder mit Wein gefüllt","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"und an den Luftschiffer verkauft, der am nächsten Sonntag mit dem Ballon","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"aufsteigen sollte. Das war ein Gewimmel von Menschen, die alle zuschauen","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"wollten; Regimentsmusik erschallte und Vorbereitungen wurden getroffen. Die","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Flasche sah alles von einem Korbe aus, worin sie zusammen mit einem lebendigen","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Kaninchen lag; das war ganz verzagt, weil es wußte, daß es mit aufsteigen","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"sollte, um dann mit einem Fallschirm hinabgelassen zu werden; die Flasche wußte","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"weder etwas von herauf noch herunter, sie sah, daß der Ballon dicker und immer","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"dicker aufschwoll und, als er nicht mehr größer werden konnte, sich emporzuheben","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"begann, höher und höher; immer unruhiger wurde er, da durchschnitt man die Taue,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"die ihn hielten, und er schwebte mit dem Luftschiffer, dem Korbe, der Flasche","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"und dem Kaninchen himmelwärts; die Musik setzte wieder ein und alle Menschen","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"riefen: Hurra!","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"\"Es ist doch ein merkwürdig Ding, so in die Luft zu gehen,\" dachte die Flasche,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"\"das ist eine neue Art zu segeln; da oben kann man doch nicht laufen!\"","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Viele tausend Menschen sahen dem Ballon nach, und die alte Jungfer sah ihm auch","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"nach; sie stand an ihrem offenen Dachkammerfenster, vor dem das Vogelbauer mit","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"dem kleinen Hänfling hing, der damals noch kein Wasserglas hatte, sondern sich","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"mit einer Tasse begnügen mußte. Im Fenster stand ein Myrtenstock, der ein wenig","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"beiseite gerückt worden war, um nicht hinuntergestoßen zu werden, während das","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"alte Mädchen sich vorbeugte, um hinauszusehen. Sie sah deutlich den Luftschiffer","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"im Ballon, der das Kaninchen mit dem Fallschirm hinabließ, dann auf aller","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Menschen Wohl trank und die Flasche hoch in die Luft hinaus warf. Sie dachte","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"nicht daran, daß sie just dieselbe Flasche schon einmal hatte so fliegen sehen,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"und zwar vor ihr und ihrem Freund an dem Freudentage draußen im grünen Walde in","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"ihrer Jugendzeit.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Die Flasche hatte gar keine Zeit zum Denken übrig, so plötzlich, so unerwartet","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"gelangte sie auf den Höhepunkt ihres Lebens, Türme und Dächer lagen tief unten,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"die Menschen waren nur wie kleine Pünktchen zu sehen.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Nun sank sie, und zwar mit einer anderen Geschwindigkeit als das Kaninchen; die","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Flasche schoß Purzelbäume in der Luft, sie fühlte sich so jung, so ausgelassen,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"sie war noch halbberauscht vom Weine in ihr, aber nicht lange. Welch eine","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Reise. Die Sonne schien auf die Flasche nieder, alle Menschen sahen ihrem","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Fluge nach, der Ballon war schon weit weg, und bald war auch die Flasche weg.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Sie fiel auf eins der Dächer und dann war sie entzwei. Aber die Scherben waren","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"noch so vom Fluge benommen, daß sie nicht liegen bleiben konnten, sie sprangen","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"– und rollten, bis sie den Hof erreichten, um dort in noch kleinere Stücke zu","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"zerspringen. Nur der Flaschenhals hielt; er sah aus wie von einem Diamanten","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"abgeschnitten.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"\"Der könnte gut als Wassernäpfchen für einen Vogel verwendet werden!\" sagte","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"der Krämer im Keller, aber er selbst hatte weder einen Vogel noch ein Bauer,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"und es wäre wohl etwas zu weit gegriffen, sich diese anzuschaffen, weil er","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"nun einen Flaschenhals hatte, der als Wassernäpfchen verwendet werden könnte.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Aber die alte Jungfer in der Dachkammer konnte ihn gebrauchen; und so kam der","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Flaschenhals zu ihr hinauf, bekam einen Pfropfen zu schlucken, und was er früher","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"nach oben gekehrt hatte, kam nun nach unten, wie es gar oft bei Veränderungen","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"zu geschehen pflegt, er bekam frisches Wasser und wurde vor das Bauer zu dem","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"kleinen Vogel gehängt, der so herzhaft sang, daß es schallte.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"\"Ja, Du hast gut singen!\" Das war es, was der Flaschenhals sagte, und der war","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"ja etwas Besonderes, weil er in einem Luftballon gewesen war. – Mehr wußte man","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"nicht von seiner Geschichte. Nun hing er da als Vogelnäpfchen, konnte die Leute","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"auf der Straße lärmen und sich tummeln hören und konnte das Gespräch der alten","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Jungfer drinnen in der Kammer mitanhören. Es war eben Besuch gekommen, eine","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"gleichaltrige Freundin, und sie sprachen zusammen, nicht von dem Flaschenhals,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"sondern von dem Myrtenbaum am Fenster.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"\"Du solltest wahrhaftig nicht zwei Reichstaler wegwerfen für einen Brautkranz","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"für Deine Tochter.\" sagte die alte Jungfer. \"Du sollst von mir einen haben, und","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"zwar einen hübschen ganz voller Blüten. Siehst Du, wie herrlich das Bäumchen","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"steht? Ja, das ist ein Ableger von der Myrte, die Du mir am Tage nach meiner","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Verlobung gegeben hast, von dem Stock, von dem ich mir meinen Brautkranz","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"schneiden sollte, wenn das Jahr um war. Aber der Tag kam nicht. Die Augen haben","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"sich geschlossen, die mir zu Glück und Segen in diesem Leben leuchten sollten.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Auf dem Meeresgrund schläft er süß, die Engelsseele. – Das Bäumchen wurde ein","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"alter Baum, aber ich wurde noch älter, und als der Baum verdorrte, nahm ich den","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"letzten frischen Zweig und setzte ihn in die Erde, und dieses Zweiglein ist nun","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"ein großer Baum geworden und kommt nun doch endlich zu seinem Hochzeitsstaat,","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"wird Deiner Tochter Brautkranz!\"","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"Es standen Tränen In des alten Mädchens Augen; sie sprach von dem Freund","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"ihrer Jugend, von der Verlobung im Walde; sie dachte an das Wohl, das damals","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"ausgebracht wurde, dachte an den ersten Kuß, – aber das sagte sie nicht – war","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"sie doch eine alte Jungfer. An so vieles dachte sie, aber daran dachte sie","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"nicht, daß vor ihrem Fenster noch ein Andenken aus jener Zeit hing: der Hals","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"jener Flasche, die damals \"Schwupp\" sagte, als der Pfropfen knallte. Aber","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"der Flaschenhals erkannte sie auch nicht, denn er hörte nicht darauf, was sie","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"erzählte, er dachte nur an sich.","book":"Der Flaschenhals"} {"text":"I. Suppe von einem Wurstspeiler.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Das war gestern ein ausgezeichnetes Mittagessen\" sagte eine alte Mäusedame","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"zu einer anderen, die nicht mit dabei gewesen war. \"Ich saß auf dem","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"einundzwanzigsten Platz von dem alten Mäusekönig ab gerechnet, das ist etwas","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"nichts Geringes. Über die Gänge kann ich Ihnen nur sagen, daß sie ausgezeichnet","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"zusammengesetzt waren! Verschimmeltes Brot, Speckschwarte, Talglichte und Wurst","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"und dann dasselbe noch einmal von vorne an. Es war ebensogut, als hätten wir","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"zweimal Mahlzeit gehalten. Es war eine behagliche Stimmung und ein gemütlicher","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Wirrwar wie in einem Familienkreise. Nichts ist übrig geblieben außer den","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Wurstspeilern. Darüber wurde natürlich gesprochen und jemand meinte sogar,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"man könne aus einem Wurstspeiler Suppe kochen. Gehört hatte ja schon jeder","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"davon, aber niemand hatte solche Suppe je gekostet, geschweige denn, daß er","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"sie zu bereiten verstünde. Es wurde ein sehr hübsches Wohl auf den Erfinder","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"der Suppe ausgebracht, er verdiene, Armenhausvorstand zu werden. War das nicht","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"witzig? Und der alte Mäusekönig erhob sich und gelobte, daß diejenige von den","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"jungen Mäuschen, die die besprochene Suppe am wohlschmeckendsten herzustellen","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"verstünde, seine Königin werden sollte. Jahr und Tag sollten sie Bedenkzeit","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"haben.\"","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Das wäre gar nicht so übel!\" sagte die andere Maus, \"aber wie bereitet man die","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Suppe zu?\"","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Ja, wie bereitet man sie zu?\" Danach fragten alle kleinen Mäuschen, die","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"jungen und die alten. Jede wollte gern Königin werden, aber keine wollte die","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Unbequemlichkeit auf sich nehmen, in die weite Welt hinauszugehen, um es zu","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"erlernen, aber es würde wohl doch notwendig werden. Doch es ist nicht jedem","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"gegeben, die Familie und die alten traulichen Ecken und Winkel zu verlassen.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Da draußen geht man nicht jeden Tag über Käserinden und riecht Speckschwarten,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"nein, man kann sogar dazu kommen, zu hungern, vielleicht auch dazu, lebendigen","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Leibes von einer Katze gefressen zu werden.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Diese Gedanken waren es wohl auch, die die meisten davon abschreckten,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"auf Kundschaft auszuziehen. Endlich fanden sich zur Abreise nur vier","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Mäusejungfrauen, jung und heiter, aber arm, bereit. Jede wollte an eine der","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"vier Ecken der Welt ziehen nun kam es nur darauf an, welcher das Glück folgte.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Jede nahm einen Wurstspeiler mit, um nicht zu vergessen, weshalb sie reiste; er","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"sollte ihr Wanderstab sein.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Anfang Mai zogen sie von dannen, und in den ersten Maitagen, nach einem Jahre,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"kamen sie zurück, doch nur drei von ihnen, die vierte meldete sich nicht und","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"ließ auch nichts von sich hören. Und nun war der Tag der Entscheidung.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Daß doch immer ein bitterer Tropfen im Freudenbecher sein muß\" sagte","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"der Mäusekönig, gab aber doch Befehl, alle Mäuse viele Meilen im Umkreise","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"einzuladen: sie sollten sich in der Küche versammeln. Die drei weitgereisten","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Mäusejungfrauen standen für sich in einer Reihe; für die vierte, die fehlte,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"war ein Wurstspeiler mit schwarzem Flor hingestellt worden. Niemand wagte seine","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Meinung zu sagen, ehe die drei gesprochen und der Mäusekönig gesagt haben würde,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"was weiter geschehen solle.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"II. Was das erste Mäuschen auf der Reise gesehen und gelernt hatte.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Als ich in die weite Welt hinauszog,\" sagte das Mäuschen, \"glaubte ich wie so","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"viele in meinem Alter, daß ich alle Weisheit der Welt in meinem Kopfe hätte.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Ich ging sogleich zur See, und zwar mit einem Schiffe, das nach Norden steuerte.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Ich hatte gehört, daß der Koch auf See es verstehen müsse, sich zu helfen. Aber","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"es ist leicht, sich zu helfen, wenn alles mit Speckseiten, Pökelfleisch und","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"stockigem Mehl gefüllt ist; man lebt ausgezeichnet! Aber man lernt nicht, wie","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"man aus einem Wurstspeiler Suppe bereitet. Wir segelten viele Tage und Nächte","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"lang, bald schlingerte das Schiff, bald hatten wir mit eindringendem Wasser zu","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"kämpfen. Als wir an Ort und Stelle ankamen, verließ ich das Schiff; es war hoch","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"oben im Norden.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"s ist ein wunderlich Ding, aus dem heimatlichen Winkel auf ein Schiff zu kommen,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"das auch eine Art Winkel ist, und sich dann plötzlich über hundert Meilen","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"entfernt im fremden Lande zu finden. Dort gab es wilde Tannen- und Birkenwälder;","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"sie dufteten so stark. Aber ich mag das nicht. Die wilden Kräuter rochen so","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"gewürzig, daß ich niesen und an Wurst denken mußte. Dort waren große Waldseen,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"in der Nähe sah ihr Wasser so klar aus, aber aus einigem Abstand gesehen war","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"es schwarz wie Tinte. Da schwammen weiße Schwäne, ich hielt sie zuerst für","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Schaum, so stille lagen sie auf dem Wasser, doch dann sah ich sie fliegen und","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"gehen und erkannte sie. Sie gehören zum Geschlecht der Gänse, das Blut läßt","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"sich nicht verleugnen! Ich hielt mich zu meiner Art und schloß mich den Wald-","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"und Feldmäusen an, die übrigens, besonders was feine Bewirtung angeht, blutig","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"unwissend sind. Und das war es ja einzig und allein, wofür ich ins Ausland","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"gereist war. Allein die Möglichkeit, aus einem Wurstspeiler Suppe zu kochen,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"schien ihnen ein so außerordentlicher Gedanke, daß es sich wie ein Lauffeuer","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"durch den ganzen Wald verbreitete. Aber die Aufgabe zu lösen, rechneten sie","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"durchaus zur Unmöglichkeit, und ich hätte am allerwenigsten gedacht, daß ich","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"hier und noch in derselben Nacht in deren Zubereitung eingeweiht werden würde.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Es war um Mittsommer; deshalb röche auch der Wald so stark, meinten sie, und","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"deswegen seien auch die Kräuter so gewürzig, die Seen so klar und doch so","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"dunkel mit den weißen Schwänen auf ihrem Wasser. Am Waldessaum, zwischen drei,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"vier Häusern war eine Stange aufgestellt, hoch wie ein Mastbaum, daran hingen","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Kränze und Bänder. Das war die Maistange. Mädchen und Burschen tanzten rund","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"herum und sangen mit der Geige des Spielmanns um die Wette. Da ging es lustig","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"zu beim Sonnenuntergang und im Mondenschein, aber ich ging nicht mit, was soll","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"ein Mäuschen beim Ball im Walde! Ich saß in dem weichen Moos und hielt meinen","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Wurstspeiler in der Hand. Der Mond schien vor allem auf eine Stelle, wo ein Baum","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"mit dem feinsten Moos unter sich stand, ein Moos so fein, ja, ich erkühne mich","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"zu sagen, so fein, wie unseres Mäusekönigs Fell, aber es war von grüner Farbe,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"so daß es für die Augen eine Wohltat war. Da kamen auf einmal die niedlichsten","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"kleinen Personen aufmarschiert, nicht größer, als daß sie gerade bis zu meinen","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Knien reichten. Sie sahen wie Menschen aus, aber besser proportioniert, sie","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"nannten sich Elfen und trugen die feinsten Kleider aus Blumenblättern mit","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Fliegen- und Mückenflügelbesatz, es sah gar nicht übel aus. Bald schien es","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"mir, als suchten sie etwas, ich wußte nicht was. Doch dann kamen ein paar von","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"ihnen auf mich zu, der vornehmste zeigte auf meinen Wurstspeiler und sagte:","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"'Das ist gerade so einer, wie wir ihn brauchen! Er ist zugespitzt, das ist","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"ausgezeichnet!' Und er wurde immer entzückter, während er meinen Wanderstab","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"betrachtete.\"","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Nur leihen, aber nicht behalten!\" sagte ich.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Nicht behalten\" sagten alle, ergriffen den Wurstspeiler, den ich losließ, und","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"tanzten damit zu dem feinen Moosfleckchen. Dort richteten sie den Wurstspeiler","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"mitten im Grünen auf. Sie wollten auch eine Maistange haben, und die, die sie","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"nun hatten, war ja auch wie dafür geschaffen. Nun wurde sie geschmückt; ja, da","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"bekam sie ein Aussehen!","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Kleine Spinnen spannen Goldfäden darum und hängten wehende Schleier und","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Fahnen daran, so feingewebt, so schneeweiß im Mondenschein gebleicht, daß mir","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"ordentlich die Augen schmerzten. Sie nahmen Farbe von den Schmetterlingsflügeln","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"und streuten sie auf das weiße Linnen, da erschienen Blumen und Diamanten","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"darauf, ich erkannte meinen Wurstspeiler nicht wieder. Solch eine Maistange","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"fand gewiß nicht ihresgleichen in der Welt. Und nun kam erst die richtige","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"große Elfengesellschaft, ganz ohne Kleider, das war das Feinste, und ich wurde","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"eingeladen, den Staat mit anzusehen, aber aus einem gewissen Abstand, denn ich","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"war ihnen zu groß.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Nun begann ein Musizieren. Es war, als ob tausend gläserne Glöckchen erklängen,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"so voll und lieblich tönte es; ich glaubte, es wären Schwäne, die dort sängen,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"ja, mir war fast, als hörte ich den Kuckuck und die Drossel heraus. Zuletzt","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"war es gar, als erklänge der ganze Wald mit. Kinderstimmen, Glockenklang","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"und Vogelsang verschmolzen zu einer einzigen lieblichen Melodie, und all die","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Herrlichkeit erklang aus der Maistange heraus wie aus einem Glockenspiel,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"und doch war es nur mein Wurstspeiler. Nie hätte ich geglaubt, daß so viel da","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"herauskommen könnte, aber es kommt wohl immer darauf an, in welche Hände man","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"gerät. Ich wurde wirklich ganz bewegt, ich weinte, wie nur ein Mäuschen weinen","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"kann vor lauter Freude.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Die Nacht war allzu kurz! Aber sie ist nun einmal dort zu jener Zeit nicht","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"länger. Beim Tagesgrauen wehte ein Lüftchen, der Wasserspiegel auf dem Waldsee","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"kräuselte sich, all die feinen, schwebenden Schleier und Fahnen flogen durch","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"die Luft dahin; die schaukelnden Lauben aus Spinneweb, die Hängebrücken","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"und Balustraden oder wie sie nun heißen mögen, die dort von Blatt zu Blatt","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"gespannt waren, verflogen wie nichts. Sechs Elfen kamen und brachten mir meinen","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Wurstspeiler, während sie fragten, ob ich irgend einen Wunsch hätte, den sie","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"mir erfüllen könnten. Da bat ich sie, mir zu sagen, wie man Suppe aus einem","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Wurstspeiler bereiten könne.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Wie wir das machen,\" sagte der Vornehmste und lachte \"ja, das hast Du ja eben","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"gesehen! Du kanntest wohl Deinen Wurstspeiler kaum wieder?\"","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Also so meinen Sie es!\" sagte ich und erzählte geradeheraus, weshalb ich","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"auf Reisen wäre, und was man sich zuhause davon verspräche. \"Welchen Gewinn,\"","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"fragte ich, \"hat der Mäusekönig und unser ganzes mächtiges Reich davon, daß ich","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"all diese Herrlichkeit gesehen habe! Ich kann sie nicht aus dem Wurstspeiler","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"herausschütteln und sagen: Seht, hier ist der Speiler, nun kommt die Suppe! Das","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"wäre doch immerhin eine Art Nachgericht, wenn man satt wäre.\"","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Da tauchte der Elf seinen kleinen Finger in die blaue Blüte eines Veilchens","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"und sagte zu mir: \"Gib acht, ich bestreiche Deinen Wanderstab, und wenn Du","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"heim zum Schlosse des Mäusekönigs kommst, so berühre mit dem Stabe Deines","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Königs warme Brust. Dann werden Veilchen aus dem Stabe hervorblühen selbst","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"in der kältesten Winterszeit, sieh, dann bringst Du doch etwas mit heim von","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"uns, und nun bekommst Du noch etwas dazu.\" Aber bevor das Mäuschen sagte, was","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"dieses Etwas wäre, richtete es den Stab gegen des Königs Brust, und wirklich,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"es sprang der herrlichste Blumenstrauß aus dem Stabe hervor. Er duftete so","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"stark, daß der Mäusekönig den Mäusen, die am dichtesten am Schornstein standen,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"befahl, schnellsten ihre Schwänze über das Feuer zu halten, damit es ein bißchen","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"angebrannt rieche, denn der Veilchenduft war nicht auszuhalten; er war nicht von","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"der Art, wie man ihn hier schätzte.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Aber was war das für ein Etwas dazu, von dem Du eben sprachst?\" fragte der","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Mäusekönig.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Ja,\" sagte das Mäuschen, \"das ist das, was man den Knalleffekt nennt\" und","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"es drehte den Wurstspeiler um; da waren es keine Blumen mehr, nur den nackten","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Speiler hielt es in der Hand und erhob ihn wie einen Taktstock.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Veilchen sind für die Augen, die Nase und das Herz,\" sagte der Elf zu mir,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"doch es fehlt noch etwas für Ohren und Zunge.\" Dabei schlug es Takt und eine","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Musik setzte ein, nicht wie sie im Walde beim Fest der Elfen erklang, sondern","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"wie sie in der Küche laut wird. Na, das war ein Tumult! Urplötzlich kam es,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"sauste wie der Wind durch alle Schornsteinrohre, Kessel und Töpfe kochten über,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"der Feuerhaken donnerte an den Messingkessel, und dann, ebenso plötzlich, war es","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"wieder stille. Man hörte des Teekessels gedämpften Gesang, ganz wunderlich, man","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"wußte nicht, wollte er beginnen oder aufhören. Und der kleine Topf kochte und","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"der große Topf kochte, der eine kümmerte sich nicht um den anderen, es war, als","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"habe der Topf seine Gedanken nicht beisammen. Und das kleine Mäuschen schwang","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"seinen Taktstock wilder und wilder – die Töpfe schäumten, brodelten, kochten","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"über, der Wind sauste, der Schornstein pfiff– hu ha, es wurde so grauenerregend,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"daß das kleine Mäuschen selbst den Stock fallen ließ.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Das war eine schwierige Suppe\" sagte der alte Mäusekönig, \"wird sie nun","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"angerichtet?\"","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Das war alles!\" sagte das Mäuschen und verneigte sich.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Alles! ja, dann wollen wir hören, was die nächste zu sagen hat\" sagte der","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Mäusekönig.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"III. Was das zweite Mäuschen zu erzählen wußte.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Ich bin in der Schloßbibliothek geboren,\" sagte die zweite Maus. \"Ich und","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"noch mehrere andere Mitglieder meiner Familie haben nie das Glück kennen","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"gelernt, in ein Speisezimmer, geschweige denn in eine Speisekammer zu kommen.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Als ich abreiste und dabei diesen Raum hier betrat, sah ich zum ersten Male","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"eine Küche. Wir litten wirklich Hunger auf der Bibliothek, doch dafür eigneten","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"wir uns mancherlei Kenntnisse an. Dort oben erreichte uns das Gerücht von dem","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"königlichen Preise, der für die Bereitung einer Suppe aus einem Wurstspeiler","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"ausgesetzt war. Nach einigem Nachdenken zog meine alte Großmutter ein Manuskript","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"hervor, das sie zwar nicht lesen konnte, aber sie hatte es einst lesen hören.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Darin stand: Ist man ein Dichter, so kann man selbst aus einem Wurstspeiler","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Suppe kochen. Sie fragte mich, ob ich Dichterin wäre. Ich wußte mich frei davon,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"und sie sagte mir, daß ich eben sehen müsse, eine zu werden. Ich erkundigte","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"mich, was dazu nötig sei, denn es schien mir ebenso schwierig zu sein, wie das","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Suppe kochen. Doch meine Großmutter war wohlunterrichtet; sie sagte, daß drei","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Dinge dazu notwendig wären: Verstand, Fantasie und Gefühl! Könnte ich mir diese","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"zu eigen machen, so wäre ich eine Dichterin und würde auch die Sache mit dem","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Wurstspeiler ins rechte Lot bringen. Und so zog ich nach Westen in die weite","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Welt hinaus, um Dichterin zu werden.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Verstand, das wußte ich, ist das Wichtigste bei jedem Dinge, die beiden anderen","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Teile genießen nicht die gleiche Achtung. So ging ich also zunächst auf den","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Verstand aus. Ja, wo mochte er wohnen? Geh zur Ameise und werde weise! hat einst","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"ein großer König der Juden gesagt. Und ich ruhte und rastete nicht, bis ich","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"einen großen Ameisenhaufen gefunden hatte. Dort legte ich mich auf die Lauer, um","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"weise zu werden.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Die Ameisen sind ein sehr respektables Volk, sie sind nur auf Verstand","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"eingestellt. Alles ist bei ihnen ein Rechenstück, bei dem die Probe aufs Exempel","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"gemacht ist; es geht auf. Arbeiten und Eier legen, sagen sie, ist in der Zeit","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"leben und für die Zukunft sorgen, und danach handeln sie. Sie scheiden sich in","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"reine und unreine Ameisen, der Rang besteht in einer Nummer. Die Ameisenkönigin","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"ist Nummer eins, und ihre Meinung ist die einzig richtige. Sie hatte alle","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Weisheit gepachtet und das zu wissen war für mich von Wichtigkeit. Sie sagte","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"vieles, was so klug war, daß es mir dumm vorkam. Sie sagte auch, ihr Haufen","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"sei das Höchste in dieser Welt. Aber dicht bei dem Haufen stand ein Baum, der","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"höher war, viel höher, das ließ sich nicht ableugnen, deshalb sprach man nicht","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"davon. Eines Abends hatte sich eine Ameise dorthin verirrt, war den Stamm","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"hinaufgekrochen, nicht einmal bis zur Krone, aber doch höher, als je eine","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Ameise gekommen war. Und als sie umgekehrt und wieder nachhause gekommen war,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"erzählte sie im Haufen, daß es etwas weit Höheres draußen gäbe. Doch das hatten","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"alle Ameisen als Beleidigung des ganzen Gemeinwesens aufgefaßt, und so wurde","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"die Ameise zum Maulkorb und lebenslänglicher Einsamkeit verurteilt. Aber kurze","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Zeit darauf kam eine andere Ameise zu dem Baum und machte die gleiche Reise und","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Entdeckung. Sie sprach auch davon, jedoch, wie man sagte, mit Besonnenheit und","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"in unklaren Ausdrücken, und da sie außerdem eine geachtete Ameise, eine von den","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"reinen war, so glaubte man ihr, und als sie starb, wurde ihr eine Eierschale","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"als Monument für ihre Verdienste um die Wissenschaften gesetzt.\" - \"Ich sah,\"","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"sagte das Mäuschen, \"daß die Ameisen häufig mit ihren Eiern auf dem Rücken","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"umherliefen. Eine von ihnen verlor das ihre und machte große Anstrengungen,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"es wieder aufzuladen, doch wollte es ihr nicht glücken. Zwei andere kamen Ihr","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"mit allen Kräften zu Hülfe, so daß sie fast ihre eigenen Eier verloren hätten,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"da ließen sie es augenblicklich sein, denn jeder ist sich selbst der Nächste,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"und die Ameisenkönigin äußerte darüber, daß hierbei sowohl Herz als Verstand","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"bewiesen worden wären. Diese beiden Eigenschaften stellen uns Ameisen an die","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Spitze der Vernunftswesen. Der Verstand soll und muß das Überwiegende sein, und","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"ich habe den größten!\" sagte sie und erhob sich auf den Hinterbeinen. Sie machte","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"sich dadurch so deutlich erkennbar – ich konnte gar nicht fehl gehen – und so","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"verschluckte ich sie. Geh zur Ameise und werde weise! Nun hatte ich die Königin!","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Ich ging nun näher an den besprochenen Baum heran; es war eine Eiche mit","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"hohem Stamm und mächtiger Krone, die sehr alt war. Ich wußte, daß hier ein","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"lebendiges Geschöpf, eine Frau, wohne, die Dryade genannt wurde. Sie wird","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"mit dem Baume zugleich geboren und stirbt mit ihm. Ich hatte davon auf der","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Bibliothek gehört. Nun sah ich solch einen Baum, sah solch ein Lebewesen. Sie","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"stieß einen furchtbaren Schrei aus, als sie mich so nahe erblickte; sie hatte,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"wie alle Frauenzimmer, die größte Angst vor einer Maus, doch sie hatte dazu","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"mehr Ursache als die anderen, denn ich hätte ja den Baum durchnagen können,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"an dem ihr Leben hing. Ich redete freundlich und herzlich mit ihr, sprach ihr","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Mut zu, und sie nahm mich auf ihre feine Hand. Als sie erfuhr, weshalb ich in","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"die weite Welt hinausgegangen war, versprach sie mir, daß ich vielleicht schon","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"am gleichen Abend einen der beiden Schätze, nach denen ich suchte, erhalten","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"solle. Sie erzählte mir, das Phantasus ein recht guter Freund von ihr und schön","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"wie der Liebesgott sei. Er pflege manche Stunde der Ruhe hier unter des Baumes","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"dichtbelaubten Zweigen, die dann noch voller über ihnen beiden rauschten. Er","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"nenne, sie seine Dryade, und den Baum seinen Baum. Die knorrige, mächtige schöne","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Eiche sei gerade nach seinem Sinne, die Wurzeln klammerten sich tief und fest in","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"die Erde, Stamm und Krone erhöben sich hoch in die frische Luft und kannten den","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"fegenden Schnee, die scharfen Winde und den warmen Sonnenschein, wie sie gekannt","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"werden sollen. Und die Vögel sängen dort oben und erzählten von den fremden","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Ländern. Auf dem einzigen verdorrten Zweige habe der Storch sein Nest gebaut,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"das schmücke so hübsch, und man erfahre doch einiges vom Lande der Pyramiden.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"AII dies hört Phantasus so gern,\" sagte sie, \"es ist ihm sogar nicht genug,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"ich selbst muß ihm noch vom Leben im Walde erzählen von der Zeit an, wo ich noch","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"klein war und der Baum so zart, daß eine Nessel ihn verbergen konnte, bis auf","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"den heutigen Tag, wo er so groß und mächtig dasteht. Setz Dich nun hier unter","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"den Waldmeister und gib acht: wenn Phantasus kommt, werde ich wohl Gelegenheit","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"finden, ihn am Flügel zu zupfen und ihm dabei eine kleine Feder auszureißen. Die","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"nimm dann, eine bessere bekam kein Dichter;– dann hast Du genug.\"","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Und Phantasus kam, die Feder wurde ihm ausgerissen und ich nahm sie,\" sagte","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"das Mäuschen, \"ich mußte sie aber erst in Wasser legen, damit sie weich würde,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"sie war immer noch sehr schwer verdaulich, aber ich knabberte, sie doch auf. Es","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"ist gar nicht leicht, sich durchzubeißen, bis man ein Dichter ist, es ist gar","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"viel, was man in sich aufnehmen muß. Nun hatte ich schon zwei von den Dingen,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Verstand und Fantasie, und durch diese beiden wußte ich, daß das dritte auf","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"der Bibliothek zu finden sei, denn ein großer Mann hat gesagt und geschrieben,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"daß es Romane gäbe, die nur dazu da seien, die Menschen von den überflüssigen","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Tränen zu befreien, sie seien so eine Art Schwamm, um die Gefühle aufzusaugen.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Ich entsann mich ein paar dieser Bücher, sie waren mir immer ganz appetitlich","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"vorgekommen, sie waren so zerlesen, so fettig, sie mußten ja ganze Gefühlsströme","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"in sich aufgenommen haben.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Ich kehrte wieder nachhause in die Bibliothek zurück, aß sogleich ziemlich","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"einen ganzen Roman auf, das heißt also das Weiche, das Eigentliche, die Rinde","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"dagegen, den Einband, ließ ich liegen. Als ich ihn nun verdaut hatte und noch","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"einen zweiten dazu, verspürte ich schon, wie es sich in mir regte; ich aß ein","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"wenig von dem dritten, da war ich Dichterin. Das sagte ich mir selbst und den","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"anderen auch. Ich hatte Kopfschmerzen. Leibschmerzen, ich weiß nicht mehr alle","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"die Schmerzen, die ich hatte. Ich dachte nun darüber nach, welche Geschichte","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"in Verbindung mit einem Wurstspeiler gesetzt werden könnte, und bald wimmelte","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"es von Speilern in meinen Gedanken; die Ameisenkönigin hat einen ungewöhnlichen","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Verstand gehabt. Ich entsann mich des Mannes, der ein weißes Hölzchen in den","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Mund nahm, wodurch beide unsichtbar wurden, und so gingen über diese Geschichte","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"meine Gedanken über alle Hölzchen und Speiler, von denen je eine Geschichte","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"gehandelt hatte, sie gingen völlig in Speilern auf. Daraus müßte sich ein","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Gedicht machen lassen, wenn man Dichterin ist, und das bin ich, ich habe es","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"mir sauer werden lassen. So werde ich nun jeden Tag mit einem Speiler, einer","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Geschichte, aufwarten können, ja, das ist eine Suppe.\"","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Nun wollen wir also die dritte hören\" sagte der Mäusekönig.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Piep, piep\" sagte es in der Küchentür, eine kleine Maus, es war die vierte von","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"ihnen, die totgeglaubte, eilte herein und rannte dabei den Wurstspeiler mit dem","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Trauerflor um. Sie war Tag und Nacht gelaufen, war auf der Eisenbahn mit einem","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Güterzug gefahren, wozu sie Gelegenheit gefunden hatte, und wäre doch fest zu","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"spät gekommen. Sie drängte sich vor, sah ganz zerzaust aus und hatte wohl ihren","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Wurstspeiler, aber nicht ihre Sprache verloren; sie erzählte sogleich darauf","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"los, als ob man nur auf sie gewartet hatte, das alles kam so unerwartet, daß","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"niemand Zeit fand, sich über sie oder ihre Rede aufzuhalten, bevor sie damit","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"fertig war. Nun wollen wir hören:","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"IV. Was die vierte Maus, die die Rede an sich riß, ehe die dritte Maus","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"gesprochen hatte, zu erzählen wußte.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Ich ging gleich in die Großstadt,\" sagte sie, \"auf den Namen besinne ich mich","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"nicht mehr, ich kann so schlecht Namen behalten. Von der Eisenbahn kam ich mit","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"konfiszierten Gütern nach dem Rathause, und dort lief ich zu dem Kerkermeister.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Er erzählte von seinen Gefangenen, besonders von einem, der unbesonnene Worte","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"hatte fallen lassen, die dann weitererzählt worden waren. Er habe gesagt, daß","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"das Ganze nur eine Suppe aus Wurstspeilern wäre, und diese Suppe könne ihn","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"leicht den Kopf kosten. Das weckte mein Interesse für den Gefangenen,\" sagte","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"die kleine Maus, \"und so nahm ich die Gelegenheit wahr und schlüpfte zu ihm","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"hinein. Hinter verschlossene Türen führt immer ein Mauseloch. Er sah bleich","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"aus, hatte einen großen Bart und große, leuchtende Augen. Die Lampe rußte und","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"die Wände waren daran gewöhnt, sie wurden nicht schwärzer. Der Gefangene ritzte","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Bilder und Verse hinein, Weiß auf Schwarz, aber ich las sie nicht. Ich glaube,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"er langweilte sich, und so war ich ein willkommener Gast. Er lockte mich mit","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Brotkrumen, mit Pfeifen und sanften Worten; er war so froh über mich! Da faßte","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"ich Vertrauen, und wir wurden Freunde. Er teilte Brot und Wasser mit mir und gab","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"mir Käse und Wurst. Ich lebte flott; aber es war hauptsächlich der gute Umgang,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"der mich fesselte. Er ließ mich auf seiner Hand und seinem Arm umherlaufen,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"bis ganz hinauf in den Ärmel. Er ließ mich in seinen Bart kriechen und nannte","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"mich seine kleine Freundin, ich gewann ihn ordentlich lieb, so etwas ist eben","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"gegenseitig. Ich vergaß mein Geschäft draußen in der Welt und vergaß meinen","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Wurstspeiler in einer Fußbodenritze, wo er heute noch liegt. Ich wollte bleiben,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"wo ich war. Wenn ich ging, so hatte ja der arme Gefangene gar niemanden, und das","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"ist zu wenig in dieser Welt! Ich blieb also, aber er blieb nicht. Das letzte Mal","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"sprach er so traurig mit mir; er gab mir doppelt soviel Brot und Käserinde und","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"warf mir noch eine Kußhand zu; er ging und kam niemals wieder. Ich kenne seine","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Geschichte nicht. 'Suppe aus einem Wurstspeiler' sagte der Kerkermeister, und","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"zu ihm ging ich, aber ihm hätte ich nicht trauen sollen. Wohl nahm er mich auf","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"seine Hand, aber er setzte mich in einen Käfig, in eine Tretmühle. Das ist etwas","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Grauenhaftes. Man läuft und läuft und kommt nicht weiter und wird obendrein","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"ausgelacht!","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Des Kerkermeisters Enkelin war ein liebes kleines Ding, mit goldblondem","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Lockenhaar, fröhlichen Augen und einem lachenden Mund. 'Armes kleines Mäuschen'","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"sagte sie, guckte in meinen häßlichen Käfig hinein, schob den eisernen Riegel","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"zurück– und ich sprang hinab auf das Fensterbrett und in die Dachrinne hinaus.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Frei, frei! Daran allein dachte ich, und nicht an meinen Reisezweck.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Es war dunkel, und es ging auf die Nacht zu. In einem alten Turm nahm ich","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Herberge; dort wohnte ein Wächter und eine Eule. Ich traute keinem von ihnen","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"über den Weg, am wenigsten der Eule. Sie gleicht einer Katze und hat den großen","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Fehler, daß sie Mäuse frißt. Doch man kann sich irren, und das tat ich. Es war","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"eine respektable, überaus gebildete alte Eule, sie wußte mehr als der Wächter","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"und ebensoviel wie ich. Die jungen Eulen machten um jede Kleinigkeit ein großes","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Geschrei. 'Kocht keine Suppe aus einem Wurstspeiler' sagte sie, das war das","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Härteste, was sie ihnen sagen konnte, sie hatte soviel Gefühl für ihre eigene","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Familie. Ich faßte ein solches Vertrauen zu ihr, daß ich von der Spalte aus, wo","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"ich saß, Piep sagte. Dies Zutrauen gefiel ihr, und sie versicherte mir, daß ich","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"jetzt unter ihrem Schutze stände. Kein Tier dürfe mir ein Leides tun, das wolle","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"sie selbst im Winter tun, wenn es mit der Kost knapp würde.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Sie war in allen Dingen gleich beschlagen; sie bewies mir, daß der Wächter","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"ohne Horn nicht tuten könne, er bilde sich schrecklich viel darauf ein und","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"glaube, er sei Eule im Turm! Etwas Großes solle es sein und sei doch nur etwas","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"ganz Geringes, Suppe aus einem Wurstspeiler! Ich bat sie um das Rezept, und","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"darauf erklärte sie mir folgendes: Suppe aus einem Wurstspeiler sei nur eine","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"menschliche Redensart, der verschiedener Sinn untergelegt werden könne. Jeder","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"glaube, seine Auslegung sei die rechte. Doch sei das Ganze eigentlich nichts!","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Nichts? fragte ich; ich war tief betroffen. Die Wahrheit ist nicht immer","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"angenehm, aber sie ist das Höchste, das sagte auch die alte Eule, Ich dachte","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"darüber nach und sah ein, wenn ich das Höchste brächte, so brächte ich weit","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"mehr, als die Suppe aus einem Wurstspeiler. Und so eilte ich davon, um noch","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"rechtzeitig nachhause zu kommen und das Höchste und Beste hierher zu bringen:","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"die Wahrheit! Die Mäuse sind ein aufgeklärtes Volk und der König ist es vor","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"ihnen allen. Er ist imstande, mich um der Wahrheit willen zur Königin zu","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"machen!\"","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Deine Wahrheit ist Lüge!\" sagte das Mäuschen, das noch keine Erlaubnis zum","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"sprechen bekommen hatte. \"Ich kann die Suppe bereiten und werde es tun!\"","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Wie es gemacht wird.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Ich bin nicht gereist,\" sagte die vierte Maus, \"ich blieb im Lande, das ist","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"das einzig Richtige! Man braucht nicht zu reisen, man kann ebenso gut alles hier","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"bekommen. Ich blieb! Ich habe meine Weisheit nicht von übernatürlichen Wesen","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"bekommen, habe sie auch nicht gefressen oder habe mit Eulen gesprochen. Ich habe","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"es durch eigenes Denken erreicht. Wollen Sie jetzt den Kessel aufsetzen und mit","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Wasser füllen, ganz bis zum Rand! Machen Sie Feuer darunter! So, und nun lassen","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Sie das Wasser kochen, bis es brodelt. Nun werfen Sie den Speiler hinein! Darauf","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"wollen Seine Majestät der Mäusekönig allerhöchst seinen Schwanz in das kochende","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Wasser tauchen und damit umrühren! Je länger er rührt, umso kräftiger wird die","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Suppe. Das kostet nichts, und man braucht keine Zutaten, nur umrühren!\"","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Kann es nicht ein anderer tun?\" fragte der Mäusekönig.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"\"Nein!\" sagte die Maus, \"die Kraft ist nur im Schwanze des Mäusekönigs!\"","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Und das Wasser brodelte und der Mäusekönig stellte sich daneben, es war ein ganz","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"gefährlicher Anblick! Er streckte seinen Schwanz aus, wie die Mäuse es in der","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Milchkammer tun, wenn sie die Sahne von einer Schüssel schöpfen und sich dann","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"den Schwanz lecken. Doch er brachte ihn nur bis in den heißen Dampf, da sprang","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"er eiligst wieder hinab und sagte: \"Natürlich wirst Du meine Königin! Mit,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"der Suppe wollen wir bis zur goldenen Hochzeit warten, dann haben die Armen in","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"meinem Reiche etwas, worauf sie sich freuen können, das wird eine lange Freude!\"","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Und so hielten sie Hochzeit; aber einige der Mäuse sagten, als sie nachhause","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"kamen, das könne man doch nicht eine Suppe aus einem Wurstspeiler nennen, es","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"wäre eher Mauseschwanzsuppe! Ein und das andere von dem, was erzählt worden war,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"fanden sie ganz gut aber das Ganze hatte anders sein müssen. \"Ich würde es so","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"oder so erzählt haben.\"","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Das war die Kritik, und die ist immer so klug, hinterher.","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Die Geschichte ging durch die ganze Welt, die Meinungen darüber waren geteilt,","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"aber die Geschichte selbst blieb ganz. Und das ist das Wichtigste im großen wie","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"im kleinen, auch für die Suppe aus einem Wurstspeiler. Doch soll man nie auf","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Dank rechnen!","book":"Suppe von einem Wurstspeiler"} {"text":"Da gibt es in Kopenhagen eine Gasse, die den wunderlichen Namen \"Hyskengasse\"","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"trägt. Und weshalb heißt sie so, was hat es zu bedeuten? Es soll deutsch sein,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"aber damit tut man den Deutschen unrecht. \"Häuschen\" müßte es heißen und das","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"bedeutet: kleine Häuser. Diese hier waren damals, und das ist viele Jahre her,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"eigentlich nichts anderes als hölzerne Buden, fast wie man sie heutzutage auf","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"den Märkten aufgestellt sieht. Ein wenig größer waren sie wohl und mit Fenstern","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"versehen, aber die Scheiben waren aus Horn oder Blasenhaut, denn in jener","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Zeit waren gläserne Scheiben zu teuer für die Häuser. Aber die Zeit liegt so","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"weit zurück, daß Urgroßvaters Urgroßvater, wenn er davon sprach, es auch schon","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"die alten Zeiten nannte. Es ist mehrere hundert Jahre her. Damals trieben die","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"reichen Kaufleute in Bremen und Lübeck den Handel in Kopenhagen. Sie selbst","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"kamen nicht herauf, sie sandten nur ihre Handlungsgehülfen, und diese wohnten","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"in den Holzbuden der \"Kleinhäuschengasse\" und besorgten den Verkauf von Bier","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"und Gewürz. Das deutsche Bier war so gut, und es gab so viele Sorten: Bremer,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Prysinger, Emser Bier – ja, Braunschweiger Mumme, und dann alle die Gewürze wie","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Safran, Anis, Ingwer und besonders Pfeffer. Dieser spielte die Hauptrolle hier,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"und daher trug er auch den deutschen Handlungsgehülfen in Dänemark den Namen","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Pfefferschwengel\" ein. Sie mußten sich zuhause sonderbarerweise verpflichten,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"sich hier oben nicht zu verheiraten. Viele von ihnen wurden hier alt; selbst","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"mußten sie für sich sorgen, im Hause umherpusseln und kramen, selbst ihr Feuer","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"machen – daher wurden einige ganz eigenartige alte Burschen mit wunderlichen","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Gedanken und Gewohnheiten. Nach ihnen nannte man bald jede unverheiratete","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Mannsperson, die in ein gesetzteres Alter kam, einen \"Pfefferschwengel.\" Alles","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"dies muß man wissen, um die Geschichte zu verstehen.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Man macht sich über den Junggesellen lustig und sagt, er solle sich seine","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Nachtmütze über die Ohren ziehen und zu Bett gehen:","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Schneidet Holz zu Schwellen,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Ihr alten Junggesellen.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Die Nachtmütz liegt bei Euch im Bett,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Doch kein Feinsliebchen weich und nett.\"","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Ja, so singt man von ihnen! Man verspottet den Junggesellen und seine Nachtmütze","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"– just weil man ihn und sie so wenig kennt – ach, die Nachtmütze soll","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"man sich nie herbeiwünschen! Und weshalb nicht? Ja, hört nur! Die","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Kleinhäuschengasse war in jenen früheren Zeiten nicht gepflastert, die Leute","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"traten von einem Loch in das andere; es war so enge dort, und die Häuser","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"lehnten sich über die Gasse hinweg so dicht zueinander, daß oft von einem","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Haus zum anderen ein Seil gespannt wurde, und immer war in dieser Enge ein","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"gewürziger Geruch von Pfeffer, Safran und Ingwer. Hinter dem Tische standen","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"nicht viel junge Leute, meist waren es alte Burschen, doch waren sie nicht, wie","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"wir sie uns denken, mit Perücke oder Nachtmütze bekleidet oder mit Kniehosen","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"und hoch hinaufgeknöpften Westen und Röcken, nein, so ging Urgroßvaters","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Urgroßvater gekleidet, und so steht er noch heute auf dem gemalten Bilde, die","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Pfefferschwengel hatten nicht die Mittel, sich malen zu lassen, und doch wären","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"sie es wert gewesen, daß man von ihnen ein Bild aufbewahrt hätte, so wie sie","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"dort hinter den Tischen standen und im Feiertagsrocke zur Kirche wanderten.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Der Hut war breitkrempig und hatte einen hohen Kopf, oft schmückte ein junger","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Gesell ihn mit einer Feder. Das wollene Hemd war von einem heruntergeklappten","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Leinenkragen bedeckt, das Wams war eng anliegend und fest zugeknöpft, der Mantel","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"hing lose darüber und die Hosen reichten bis in die breiten Schnabelschuhe","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"hinab, denn Strümpfe trugen sie nicht. Im Gürtel steckten Messer und Löffel","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"und meist noch ein großes Messer, um sich damit wehren zu können, davon mußte","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"man in jenen Zeiten oft Gebrauch machen. Ganz, wie eben beschrieben, ging","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"an den Feiertagen der alte Anton, einer der ältesten Pfefferschwengel der","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Kleinhäuschengasse, gekleidet, nur hatte er nicht den hochköpfigen Hut, sondern","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"eine Kapuze auf, und unter dieser noch eine gestrickte Mütze, eine richtige","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Nachtmütze. An die hatte er sich so gewöhnt, daß sie immer auf seinem Kopfe","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"sitzen blieb. Er besaß zwei Stück davon. Er war zum Malen wie geschaffen; dürr","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"wie ein Stock, mit tiefen Runzeln um Mund und Augen, hatte er lange, knochige","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Finger und buschige, graue Augenbrauen. Über dem linken Auge hing ein zottiges","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Büschel Haare, schön war es nicht, aber man konnte ihn sogleich daran erkennen.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Man wußte von ihm, daß er aus Bremen war, und doch kam er eigentlich nicht","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"daher, nur sein Herr wohnte dort. Er selbst stammte aus Thüringen, aus der Stadt","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Eisenach, dicht unter der Wartburg. Davon pflegte der alte Anton nicht viel zu","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"sprechen, desto mehr dachte er daran.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Die alten Handlungsgehülfen in der Gasse kamen selten zusammen, jeder blieb in","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"seinem Laden, der zeitig am Abend geschlossen wurde. Dann sah es dort düster","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"aus, nur ein matter Lichtschein drang durch das kleine Hornfenster am Dache","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"hinaus, hinter dem gewöhnlich der alte Gesell mit seinem deutschen Gesangbuche","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"auf dem Bettrand saß und sein Abendlied sang. Mitunter ging er auch bis tief in","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"die Nacht hinein im Hause umher und pusselte allerlei Kram zurecht, kurzweilig","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"war es sicherlich nicht. Fremd im fremden Lande leben zu müssen ist ein bitteres","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Los, niemand bekümmert sich um einen, außer, wenn man jemandem im Wege steht.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Oft, wenn draußen die Nacht so recht dunkel war und der Regen herniederströmte,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"konnte es hier gar schauerlich und öde sein. Laternen gab es nicht, außer","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"einer einzigen, die sehr klein war; sie hing gerade vor dem Bilde der heiligen","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Jungfrau, das an dem einen Ende der Gasse an die Wand gemalt war. Man hörte nur","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"das Regenwasser laufen und die Tropfen gegen das Balkenwerk schlagen. Solche","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Abende waren lang und einsam, wenn man sich nicht etwas vornahm. Auspacken und","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"einpacken, Tüten drehen und die Waagschale putzen ist nicht jeden Tag notwendig,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"aber dann nimmt man etwas anderes vor, und das tat der alte Anton. Er nähte sich","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"selbst seine Sachen zurecht oder Dickte seine Schuhe. Wenn er dann endlich ins","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Bett kam, so behielt er nach seiner Gewohnheit seine Nachtmütze auf, zog sie","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"noch ein wenig tiefer über den Kopf, aber sogleich schob er sie wieder hinauf,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"um zu sehen, ob auch das Licht gut gelöscht wäre. Er befühlte es, drückte","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"noch einmal auf den Docht, legte sich dann auf die andere Seite und zog die","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Nachtmütze wieder herab. Doch oft kam ihm im gleichen Augenblick der Gedanke,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"ob wohl auch unten im Laden jede Kohle in dem kleinen Öfchen ganz ausgebrannt","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"und gut abgedämpft sei. Ein kleiner Funke könne vielleicht doch zurückgeblieben","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"sein, sich entzünden und Schaden anrichten. Und so kroch er wieder aus seinem","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Bette heraus und kletterte die Leiter hinunter, denn eine Treppe konnte man es","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"nicht nennen. Kam er dann zum Ofen, so war dort kein Fünkchen mehr zu sehen,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"und er konnte wieder umkehren. Doch oft mußte er auf halbem Wege stehen bleiben,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"denn plötzlich war es ihm ungewiß, ob er auch die eiserne Stange vor die Tür","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"gelegt und die Fensterläden verriegelt habe. Ja, dann mußte er auf seinen","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"dünnen Beinen wieder hinab. Er fror und die Zähne klapperten ihm, wenn er wieder","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"ins Bett kroch, denn die Kälte tritt erst dann richtig zutage, wenn sie weiß,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"daß sie nun fort soll. Er zog das Bett höher hinauf, die Nachtmütze tiefer","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"über die Augen und wandle die Gedanken fort von des Tages Werk und Beschwer.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Aber zu einer richtigen Behaglichkeit kam es doch nicht, denn nun kamen die","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"alten Erinnerungen und hingen ihre Gardinen auf, darinnen stecken manchmal","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Stecknadeln, an denen man sich sticht, daß einem die Tränen in die Augen treten.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Und so geschah es auch dem alten Anton oft; es kamen ihm heiße Tränen, die","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"klarsten Perlen. Sie fielen auf die Bettdecke oder auf den Fußboden nieder und","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"erklangen schmerzlich wie eine zerspringende Herzenssaite. Sie verdunsteten und","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"loderten dabei zu einer hellen Flamme empor, die ein Lebensbild beleuchteten,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"das nie aus seinem Herzen schwand. Trocknete er dann seine Augen mit der","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Nachtmütze, so wunden Träne und Bild zerdrückt; doch die Quellen versiegten","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"nicht, sie lagen in seinem Herzen. Die Bilder kamen nicht, wie sie in der","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Wirklichkeit aufeinander gefolgt waren. Oft kamen allein die schmerzlichen, oft","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"aber leuchteten auch die wehmütig frohen auf, aber just diese waren es, die die","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"stärksten Schatten warfen.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Schön sind die Buchenwälder Dänemarks\" hieß es, doch schöner noch erhoben","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"sich vor Antons innerem Auge die Buchenwälder um die Wartburg. Mächtiger und","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"ehrwürdiger erschienen ihm die alten Eichen droben um die stolze Ritterburg,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"wo die Schlingpflanzen über Felsen und Steinblöcke hinabhingen. Süßer dufteten","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"dort des Apfelbaumes Blüten als im dänischen Land; lebhaft fühlte und empfand er","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"es noch immer. Eine Träne rollte, erklang und leuchtete auf. Deutlich konnte er","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"in dem klaren Schein zwei kleine Kinder, einen Knaben und ein Mädchen, spielen","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"sehen. Der Knabe hatte rote Wangen, blondes Lockenhaar und ehrliche blaue","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Augen, das war des reichen Krämers Sohn, der kleine Anton, er selbst; das kleine","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Mädchen hatte braune Augen und schwarzes Haar; keck und klug sah sie aus, es","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"war des Bürgermeisters Tochter, Molly. Die beiden spielten mit einem Apfel, sie","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"schüttelten ihn und horchten, wie innen die Kerne klapperten. Dann schnitten sie","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"ihn mitten durch, und jedes bekam ein Stück. Die Kerne teilten sie zwischen sich","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"und aßen sie auf bis auf einen, der sollte in die Erde gelegt werden, meinte das","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"kleine Mädchen.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Dann sollst Du einmal sehen, was daraus wird; es wird etwas daraus, was Du Dir","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"gar nicht denken kannst! Ein ganzer Apfelbaum wird daraus, aber nicht gleich.\"","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Den Kern pflanzten sie in einen Blumentopf, beide waren sehr eifrig bei der","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Sache. Der Knabe bohrte mit seinem Finger ein Loch in die Erde, das kleine","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Mädchen legte den Kern hinein und beide bedeckten ihn mit Erde.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Nun darfst Du ihn aber morgen nicht wieder herausnehmen, um zu sehen, ob er","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Wurzeln bekommen hat,\" sagte sie, \"das darf man nicht. Ich habe es mit meinen","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Blumen auch getan, aber nur zweimal, ich wollte sehen, ob sie wüchsen. Damals","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"wußte ich es nicht besser, und die Blumen starben!\"","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Der Blumentopf blieb bei Anton, und jeden Morgen, den ganzen Winter lang, sah er","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"nach ihm, doch es war nur die schwarze Erde zu sehen. Nun kam das Frühjahr, die","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Sonne schien warm, da sproßten aus dem Blumentopf zwei kleine grüne Blättchen","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"hervor.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Das bin ich und Molly!\" sagte Anton, \"ist das hübsch, ach, ist das","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"einzigschön!\"","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Bald kam auch ein drittes Blatt; wen sollte das bedeuten? Da kam wieder eins und","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"noch eins. Jeden Tag und jede Woche wurde das Pflänzchen größer und schließlich","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"wurde es ein ganzer Baum. Alles spiegelte sich in der einen Träne ab, die","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"zerdrückt wurde und verschwand. Aber sie konnte wieder hervorquellen – aus des","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"alten Antons Herzen.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Dicht bei Eisenach dehnt sich eine Kette steiniger Berge aus, einer von ihnen","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"ist stumpf und rund und trägt weder Baum noch Strauch noch Gras, er wird","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"der Venusberg genannt. In seinem Innern wohnt Frau Venus, eine Göttin aus","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"heidnischer Zeit, die auch Frau Holle genannt wird; das wußte und weiß noch","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"jetzt jedes Kind in Eisenach. Zu sich hinein hatte sie den Ritter Tannhäuser","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"gelockt, den Minnesänger aus der Wartburg Sängerkreis.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Die kleine Molly und Anton standen oft an dem Berge, da sagte sie einmal:","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Getraust Du Dich anzuklopfen und zu rufen: Frau Holle, Frau Holle, mach auf,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"hier ist Tannhäuser\" Doch das wagte Anton nicht. Molly wagte es. Doch nur die","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Worte: \"Frau Holle! Frau Holle\" rief sie laut und deutlich, den Rest ließ sie im","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Winde verfliegen, so undeutlich, daß Anton überzeugt war, daß sie eigentlich gar","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"nichts gesagt habe. So keck sah sie dabei aus, so keck wie zuweilen, wenn sie","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"mit anderen Mädchen ihm im Garten begegnete, die ihn alle küssen wollten, gerade","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"weil sie wußten, daß er nicht geküßt sein wollte und um sich schlug; sie allein","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"wagte es.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Ich darf ihn küssen!\" sagte sie stolz und nahm ihn um den Hals; darin lag ihre","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Eitelkeit, und Anton fand sich darein und dachte nicht weiter darüber nach.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Wie reizend sie war und wie keck! Frau Holle im Berge sollte auch schön sein,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"aber ihre Schönheit, sagte man, sei die verführerische Schönheit des Bösen. Die","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"höchste Schönheit dagegen sei die der heiligen Elisabeth, der Schutzheiligen des","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Landes, der frommen thüringischen Fürstin, deren gute Taten in Sage und Legende","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"so manchen Ort hier umraunten. In der Kapelle hing ihr Bild von silbernen Lampen","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"umgeben; – doch sie glich Molly nicht im entferntesten.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Der Apfelbaum, den die beiden Kinder gepflanzt hatten, wuchs Jahr für Jahr; er","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"wurde so groß, daß er in den Garten in die frische Luft gepflanzt werden mußte,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"wo der Tau fiel, die Sonne warm herniederstrahlte und er Kräfte bekam, um dem","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Winter zu widerstehen. Nach des Winters Drangsal war es im Frühjahr gleichsam,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"als setze er vor Freude Blüten an, und im Herbst trug er zwei Äpfel, einen für","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Molly, einen für Anton, weniger hätten es auch nicht sein dürfen.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Der Baum war lustig emporgeschossen, und Molly hielt es wie der Baum, sie war","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"frisch wie eine Apfelblüte; aber nicht lange durfte er die Blüte schauen. Die","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Zeiten wechseln, alles wechselt! Mollys Vater verließ die alte Heimat, und Molly","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"zog mit ihm, weit fort. Ja, in unserer Zeit ist es nur eine Reise von wenigen","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Stunden, doch damals brauchte man mehr als Nacht und Tag, um so weit östlich","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"von Eisenach, ganz an die äußerste Grenze von Thüringen nach der Stadt, die noch","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"jetzt Weimar genannt wird, zu gelangen.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Und Molly weinte und Anton weinte; – alle die Tränen rannen in einer einzigen","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Träne zusammen, und diese hatte den rötlichen, lieblichen Schimmer der Freude.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Molly hatte ihm gesagt, sie mache sich mehr aus ihm als aus aller Herrlichkeit","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Weimars.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Es verging ein Jahr, es vergingen zwei, drei Jahre, und in dieser ganzen","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Zeit kamen zwei Briefe, den einen brachte ein Fuhrmann, den anderen hatte ein","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Reisender mitgenommen. Sie hatten einen langen, beschwerlichen Weg, mit vielen","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Umwegen an Städten und Dörfern vorbei, hinter sich.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Wie oft hatten nicht Anton und Molly zusammen die Geschichte von Tristan und","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Isolde gehört, und ebenso oft hatte er dabei an sich selbst und Molly gedacht,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"obwohl der Name Tristan bedeuten sollte, daß \"er mit Trauer geboren war,\"","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"und das paßte nicht auf Anton. Niemals wollte er auch, gleichwie Tristan, den","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Gedanken hegen müssen, \"sie hat mich vergessen.\" Doch auch Isolde vergaß ja","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"nicht den Freund ihres Herzens, und als sie beide gestorben und einzeln zu","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"beiden Seiten der Kirche begraben waren, wuchsen die Lindenbäume aus ihren","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Gräbern über das Kirchendach hin und trafen einander dort blühend. Das erschien","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Anton so schön und doch zugleich so traurig – aber mit ihm und Molly konnte es","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"nicht traurig ausgehen, und deshalb flötete er ein Lied des Minnesängers Walther","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"von der Vogelweide:","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Unter der Linden.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"An der Heide.\"","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Und so besonders schön erklang es darin:","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Vor dem Wald mit süßem Schall","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Tandaradei.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Sang im Tal die Nachtigall.\"","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Die Weise lag ihm immerfort auf der Zunge, und er sang sie und flötete sie in","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"der mondhellen Nacht, als er zu Pferde durch den tiefen Hohlweg ritt, um nach","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Weimar zu kommen und Molly zu besuchen. Er wollte unerwartet kommen, und er kam","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"unerwartet.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Wohl empfing ihn ein freundliches Willkommen, ein voller Becher Weins, eine","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"muntere Gesellschaft, ja eine vornehme Gesellschaft, eine gemütliche Stube und","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"ein gutes Bett, und doch war es nicht, wie er sich gedacht und erträumt hatte.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Er verstand nicht sich, verstand nicht die anderen; aber wir verstehen es. Man","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"kann in einem Hause, in einer Familie sein, und doch nicht festen Fuß fassen,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"man plaudert miteinander, wie man in einem Postwagen plaudert, kennt einander,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"wie man im Postwagen sich kennt, geniert einander und wünscht sich selbst oder","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"den guten Nachbar Meilen weit fort. Und so erging es Anton.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Ich bin ein ehrliches Mädchen,\" sagte Molly zu ihm, \"ich will es Dir selber","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"sagen. Vieles hat sich verändert, seit wir als Kinder zusammen waren. Äußerlich","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"und innerlich ist es anders geworden, Gewohnheit und Willen haben keine","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Macht über unser Herz. Anton. Ich will nicht, daß Du unfreundlich an mich","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"zurückdenkst, jetzt, wo ich bald so weit fort von hier sein werde. Glaube mir,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"ich werde Dir stets ein gutes Gedenken bewahren, aber geliebt, wie ich nun weiß,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"daß man einen anderen Menschen lieben kann, habe ich Dich nie. Darein mußt Du","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Dich finden. Lebe wohl, Anton!\"","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Und Anton sagte auch Lebewohl; nicht eine Träne kam in seine Augen, doch er","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"fühlte, daß keine Liebe zu Molly mehr in seinem Herzen war. Die glühende","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Eisenstange wie die gefrorene Eisenstange reißen die Haut mit der gleichen","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Empfindung für uns von den Lippen, wenn wir sie küssen, und er küßte gleich","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"stark in Liebe wie in Haß.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Nicht einen Tag gebrauchte Anton, um wieder heim nach Eisenach zu kommen, doch","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"das Pferd, das er ritt, war zugrunde gerichtet.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Was will das sagen\" rief er, \"ich bin zugrunde gerichtet, und ich will","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"alles vernichten, was mich an sie erinnern kann. Frau Holle, Frau Venus, Du","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"heidnisches Weib! – Den Apfelbaum will ich zerbrechen und zerstampfen, mit","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Stumpf und Stiel soll er ausgerissen werden, nie soll er mehr blühen und Frucht","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"tragen!\"","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Aber der Baum wurde nicht vernichtet; er selbst war innerlich vernichtet und lag","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"fiebernd auf dem Bette. Was konnte ihm wieder aufhelfen? Eine Medizin kam, die","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"es vermochte, die bitterste, die sich finden läßt, um den siechen Körper und die","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"verkrampfte Seele wieder aufzurütteln: Antons Vater war nicht mehr der reiche","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Kaufmann. Schwere Tage, Tage der Prüfung, standen vor der Tür. Das Unglück","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"wälzte sich heran, in großen Wogen drang es in das einst reiche Haus. Der Vater","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"war ein armer Mann, die Sorgen und das Unglück lähmten ihn völlig. Da hatte","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Anton an anderes zu denken, als an Liebeskummer und seinen Zorn gegen Molly. Er","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"mußte ordnen, helfen, tüchtig zupacken, selbst in die weite Welt hinaus mußte","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"er, um sein Brot zu verdienen.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Er kam nach Bremen, machte Not und schwere Tage durch; das macht den Sinn","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"entweder hart oder weich, oft allzu weich. So ganz anders waren Welt und","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Menschen, als er sie sich in seiner Kindheit gedacht hatte! Was waren ihm nun","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"der Minnesänger Lieder: Kling und Klang, leere Worte. Ja, das war seine Meinung","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"zuzeiten, doch ein andermal klangen ihn die Weisen zu Herzen und ihm ward fromm","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"zu Sinn.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Gottes Wille ist der beste!\" sagte er dann wohl. \"Gut war es, daß der liebe","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Gott Mollys Herz nicht an mich band. Wozu hätte es wohl geführt, da sich das","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Glück so gewendet hat. Sie ließ von mir, bevor sie noch etwas wußte oder nur","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"ahnte, daß solch ein Umschlag vom Wohlstand in sein Gegenteil bevorstand.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Gott in seiner Gnade hat es so gefügt, und er hat es zum Besten gefügt. Alles","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"geschieht nach seinem weisen Willen. Sie konnte nichts dafür, und doch war ich","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"ihr so bitter feind!\"","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Und Jahre vergingen. Antons Vater war tot, Fremde wohnten in seinem Vaterhause.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Doch Anton sollte es wiedersehen. Sein reicher Herr sandte ihn auf eine","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Geschäftsreise, die ihn durch seine Geburtsstadt Eisenach führte. Die alte","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Wartburg stand unverändert droben auf den Felsen, mit den versteinerten","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Gestalten des \"Mönches und der Nonne.\" Die mächtigen Eichen bildeten noch immer","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"den gleichen Umriß, wie in seiner Kindheit. Der Venusberg schimmerte nackt und","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"grau aus dem Tale herauf. Gern hätte er gesagt: \"Frau Holle, Frau Holle! Schließ","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"auf den Berg, dann bleibe ich doch im Boden der Heimat!\"","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Das war ein sündhafter Gedanke, und er bekreuzigte sich. Da sang ein kleiner","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Vogel aus dem Gebüsch, und das alte Minnelied kam ihm in den Sinn:","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Vor dem Wald mit süßem Schall","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Tandaradei.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Sang im Tal die Nachtigall.\"","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"So vieles fiel ihm wieder ein hier, in der Stadt seiner Kindheit, die er durch","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Tränen wiedersah. Sein Vaterhaus stand wie zuvor, aber der Garten war umgelegt.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Ein Feldweg führte über eine Ecke des alten Gartenlandes, und der Apfelbaum,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"den er damals nicht zerstört hatte, stand noch dort, aber draußen vor dem Garten","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"auf der anderen Seite des Weges. Doch die Sonne beschien ihn noch wie früher, er","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"trug reiche Frucht, und seine Zweige bogen sich unter ihrer Last zu Boden.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Er gedeiht!\" sagte er, \"er kann es.\"","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Einer von seinen großen Zweigen war abgebrochen; leichtfertige Hände hatten es","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"getan, der Baum stand ja am offenen Fahrweg.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Man bricht seine Blüten ohne einen Dank, man stiehlt seine Früchte und knickt","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"seine Zweige; hier kann man sagen, wenn man von einem Baume wie von einem","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Menschen sprechen kann: Es ist ihm nicht an der Wiege gesungen worden, daß","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"er einst so dastehen würde. Seine Geschichte begann so schön, und was ist nun","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"daraus geworden? Verlassen und vergessen, ein Gartenbaum am Graben beim Felde","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"an der Landstraße. Dort steht er ohne Schutz, zerzaust und geknickt. Er verdorrt","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"zwar nicht davon, doch mit den Jahren werden die Blüten weniger, die Früchte","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"bleiben aus und zuletzt – Ja, dann ist seine Geschichte aus.\"","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Das waren Antons Gedanken dort unter dem Baume, und das dachte er noch manche","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Nacht in der kleinen einsamen Kammer seiner Holzhütte im fremden Lande in der","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Kleinhäuschengasse in Kopenhagen, wohin ihn sein reicher Herr, der Kaufmann in","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Bremen, gesandt hatte unter der Bedingung, daß er sich nicht verheirate.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Sich verheiraten! Ho, ho\" lachte er so tief und seltsam.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Der Winter war zeitig gekommen, es fror hart. Draußen pfiff ein solcher","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Schneesturm, daß jeder, der irgend konnte, in seinen vier Wänden blieb. Daher","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"kam es auch, daß Antons Gegenüber es nicht bemerkte, daß sein Laden zwei ganze","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Tage nicht geöffnet wurde und er selbst sich gar nicht zeigte, denn wer ging aus","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"in dem Wetter, der es nicht mußte?","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Es waren graue, dunkle Tage, und im Laden, dessen Fenster ja nicht aus Glas","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"waren, wechselten nur Dämmerlicht und stockfinstere Nacht. – Der alte Anton","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"hatte seit zwei Tagen sein Bett nicht verlassen, er hatte nicht mehr die Kraft","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"dazu. Das harte Wetter draußen hatte er lange schon in seinen Gliedern gespürt.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Verlassen lag der alte Junggeselle und konnte sich nicht helfen; kaum konnte","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"er den Wasserkrug erreichen, den er neben das Bett gestellt hatte; nun war der","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"letzte Tropfen auch ausgetrunken. Es war weder Fieber noch Krankheit, es war das","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Alter, das ihn lähmte. Es war fast wie eine beständige Nacht um ihn dort oben,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"wo er lag. Eine kleine Spinne, die er nicht sehen konnte, spann zufrieden und","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"emsig ihr Netz über ihn hin, als sollte hier doch wenigstens ein klein wenig","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"neuer frischer Trauerflor wehen, falls der Alte seine Augen schlösse.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"So lang und schleppend leer war die Zeit; Tränen hatte er nicht mehr, Schmerzen","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"auch nicht; Molly lebte nicht mehr in seinen Gedanken. Er hatte ein Gefühl,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"als versänken die Welt und ihr Treiben vor ihm, als läge er schon außerhalb der","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Grenze; niemand dachte ja an ihn. Einen Augenblick meinte er Hunger zu fühlen,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"auch Durst – ja, er fühlte es. Aber niemand kam, ihn zu erquicken, niemand","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"wollte kommen. Er dachte an die heilige Elisabeth, seiner Heimat und Kindheit","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Heilige, Thüringens edle Herzogin, die hochvornehme Frau, die, als sie noch","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"hier auf Erden wandelte, selbst in die Hütten der Armen stieg und den Kranken","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Hoffnung und Erquickung brachte. Ihre frommen Taten standen licht vor seiner","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Seele. Er dachte daran, wie sie für alle, die litten, Worte des Trostes fand,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"wie sie der Kranken Wunden wusch und den Hungernden Speise brachte, ob auch ihr","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"gestrenger Gemahl ihr darob zürnte. Er entsann sich der Sage, wie einmal, als","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"sie mit ihrem mit Wein und Brot gefüllten Korbe daherkam, ihr Gemahl, der ihre","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Schritte bewachte, hervortrat und zornig fragte, was sie im Korbe trüge, und wie","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"sie da voller Schrecken antwortete, es seien Rosen, die sie im Garten gepflückt","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"habe, wie er dann das Tuch vom Korbe riß und das Wunder um der frommen Frau","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"willen geschah, daß Wein und Brot, ja alles, was im Korbe lag, sich in Rosen","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"verwandelte.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"So lebte die Heilige in den Gedanken des alten Anton, so stand sie leibhaftig","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"vor seinem matten Blick vor dem Bette in der geringen Holzhütte im dänischen","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Land. Er entblößte sein Haupt, sah in ihre milden Augen, und alles ringsum war","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"voller Glanz und Rosen, die sich immer duftender ausbreiteten. Da drang auch","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"ein lieblicher Äpfelduft zu ihm; ein blühender Apfelbaum streckte seine Zweige","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"über ihn hin, es war der Baum, den er mit Molly einst als kleinen Kern gepflanzt","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"hatte.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Und der Baum streute seine duftenden Blüten auf seine heiße Stirn nieder und","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"kühlte sie; sie fielen auf seine verschmachtenden Lippen und taten ihm wohl","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"wie stärkender Wein und Brot, sie fielen auf seine Brust, und er fühlte sich so","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"leicht, so wohlig wie zum schlummern.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Nun schlafe ich\" flüsterte er stille; \"der Schlaf tut wohl. Morgen bin ich","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"wieder richtig frisch und kann aufstehen. Herrlich, herrlich! Den Apfelbaum, in","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Liebe gepflanzt, sehe ich in all seiner Pracht.\"","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Und er schlief.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Am Tage darauf, es war der dritte Tag, seit der Laden geschlossen blieb –","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"der Schnee fegte nicht mehr vom Himmel – suchte der Nachbar nach dem alten","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Anton, der sich noch immer nicht zeigte. Er lag ausgestreckt, tot, seine alte","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Nachtmütze fest zwischen die Hände gedrückt. Im Sarge bekam er sie nicht auf, er","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"hatte ja noch eine, rein und weiß.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Wo waren jetzt die Tränen, die er geweint hatte? Wo waren die Perlen? In","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"der Nachtmütze blieben sie – die echten gehen in der Wäsche nicht aus – mit","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"der Mütze wurden sie verwahrt und vergessen. – Die alten Gedanken, die alten","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Träume sind noch immer in des Junggesellen Nachtmütze. Wünsch sie Dir nicht.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Sie würde Dir den Kopf allzu heiß machen, den Puls stärker schlagen lassen,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Dir Träume bringen, schwer, als seien sie Wirklichkeit. Das erlebte der Erste,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"der sie aufsetzte, und doch war es ein halbes Jahrhundert später und der","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Bürgermeister selber, der mit einer Frau und elf Kindern wohlversorgt zwischen","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"seinen vier Wänden saß. Er träumte sogleich von unglücklicher Liebe, Fallit und","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Nahrungssorgen.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Puh! wie die Nachtmütze einheizt!\" sagte er und riß sie vom Kopfe, und es","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"rollte eine Perle und noch eine Perle zu Boden, sie erklangen und leuchteten.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Das ist die Gicht!\" sagte der Bürgermeister, \"die mir vor den Augen flimmert!\"","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Es waren Tränen, vor einem halben Jahrhundert geweint, geweint von dem alten","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Anton aus Eisenach.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Wer auch später die Nachtmütze aufsetzte, immer bekam er Gesichte und Träume,","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"seine eigene Geschichte verwandelte sich in die Geschichte Antons. Es wurde ein","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"ganzes Märchen, es wurden viele daraus, die mögen andere erzählen. Nun haben","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"wir die erste erzählt, und das ist unser letztes Wort: Wünsche Dir nie des","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"Junggesellen Nachtmütze.","book":"Des Junggesellen Nachtmütze"} {"text":"\"Ich will etwas sein,\" sagte der älteste von fünf Brüdern, \"ich will etwas","book":"Etwas"} {"text":"nützen in de Welt; mag es eine noch so geringe Stellung sein, wenn nur das,","book":"Etwas"} {"text":"was ich ausrichte, etwas Gutes ist, dann ist es in der Tat etwas. Ich will","book":"Etwas"} {"text":"Ziegelsteine machen, die sind nicht zu entbehren, und ich habe wirklich etwas","book":"Etwas"} {"text":"gemacht!\"","book":"Etwas"} {"text":"\"Aber etwas gar zuwenig!\" sprach der zweite Bruder. \"Das, was du tun willst,","book":"Etwas"} {"text":"ist so gut wie gar nichts, das ist Handlangerarbeit und kann durch eine Maschine","book":"Etwas"} {"text":"ausgeführt werden. Nein, dann lieber Maurer sein, das ist doch etwas, das will","book":"Etwas"} {"text":"ich sein. Das ist ein Stand! Durch den wird man in die Zunft aufgenommen, wird","book":"Etwas"} {"text":"Bürger, bekommt seine eigene Fahne, seine Herberge; ja, wenn alles gut geht,","book":"Etwas"} {"text":"kann ich Gesellen halten, werde ich Meister, und meine Frau wird Frau Meisterin","book":"Etwas"} {"text":"heißen; das ist doch etwas!\"","book":"Etwas"} {"text":"\"Das ist gar nichts,\" sagte der dritte, \"das ist doch außerhalb der eigentlichen","book":"Etwas"} {"text":"Stände, und es gibt viele in einer Stadt, die weit über einen Handwerksmeister","book":"Etwas"} {"text":"stehen. Du kannst ein braver Mann sein, allein du gehörst als \"Meister\" doch nur","book":"Etwas"} {"text":"zu denen, die man den \"gemeinen\" Mann nennt, nein, da weiß ich etwas Besseres!","book":"Etwas"} {"text":"Ich will Baumeister erden, will mich auf das Gebiet der Kunst, auf das des","book":"Etwas"} {"text":"Denkens begeben, will zu den Höherstehenden im Reiche des Geistes zählen. Zwar","book":"Etwas"} {"text":"muß ich von der Pike auf dienen, je, daß ich es geradeheraus sage: ich muß als","book":"Etwas"} {"text":"Zimmerlehrling anfangen, muß als Bursche mit der Mütze einhergehen, obgleich","book":"Etwas"} {"text":"ich daran gewöhnt bin, einen seidenen Hut zu tragen, muß den gewöhnlichen","book":"Etwas"} {"text":"Gesellen Schnaps und Bier holen, und diese werden mich \"du\" nennen, das ist","book":"Etwas"} {"text":"beleidigend! Aber ich werde mir einbilden, daß das Ganze ein Mummenschanz, daß","book":"Etwas"} {"text":"es Narrenfreiheit ist! Morgen - das heißt, wenn ich Geselle bin, gehe ich meinen","book":"Etwas"} {"text":"eigenen Weg, die andern gehen mich nichts an! Ich gehe auf die Akademie, bekomme","book":"Etwas"} {"text":"Zeichenunterricht und heiße Architekt! Das ist etwas, das ist viel! Ich kann","book":"Etwas"} {"text":"Wohl-, ja Hochwohlgeboren werden, ja, gar noch etwas mehr bekommen vorn und","book":"Etwas"} {"text":"hinten, und ich baue und baue, ganz wie die andern vor mir gebaut. Das ist immer","book":"Etwas"} {"text":"etwas, worauf man eben bauen kann! Das Ganze ist etwas!\"","book":"Etwas"} {"text":"\"Ich aber mache mir aus diesem Etwas gar nichts,\" sprach der vierte, \"ich will","book":"Etwas"} {"text":"nicht im Kielwasser anderer segeln, nicht eine Kopie werden; ich will ein Genie","book":"Etwas"} {"text":"werden, will tüchtiger dastehen als ihr alle miteinander! Ich werde der Schöpfer","book":"Etwas"} {"text":"eines neuen Stils, ich gebe die Idee zu einem Gebäude, passend für das Klima und","book":"Etwas"} {"text":"das Material des Landes, für die Nationalität des Volkes, für die Entwicklung","book":"Etwas"} {"text":"des Zeitalters, und gebe außerdem noch ein Stockwerk zu für mein eigenes Genie!\"","book":"Etwas"} {"text":"\"Wenn nun aber das Klima und das Material nichts taugen,\" sagte der fünfte,","book":"Etwas"} {"text":"\"das wäre unangenehmem, denn die üben ihren Einfluß aus! Die Nationalität kann","book":"Etwas"} {"text":"auch dermaßen übertrieben werden, daß sie affektiert wird, die Entwicklung des","book":"Etwas"} {"text":"Zeitalters kann mit dir durchgehen. Ich sehe es schon kommen, daß keiner von","book":"Etwas"} {"text":"euch eigentlich etwas werden wird, wie sehr ihr es auch selber glaubt! Aber tut,","book":"Etwas"} {"text":"was ihr wollt, ich werde euch nicht ähnlich sein, ich stelle mich außerhalb der","book":"Etwas"} {"text":"Dinge, ich will über das räsonieren, was ihr ausrichtet! An jeder Sache klebt","book":"Etwas"} {"text":"etwas, das nicht richtig ist, etwas Verkehrtes, das werde ich heraustüfteln und","book":"Etwas"} {"text":"besprechen, das ist etwas!\"","book":"Etwas"} {"text":"Und das tat er dann auch, und die Leute sagten von dem fünften: \"An dem ist","book":"Etwas"} {"text":"bestimmt etwas! Er ist ein kluger Kopf! Aber er tut nichts!\" Doch gerade dadurch","book":"Etwas"} {"text":"war er etwas!","book":"Etwas"} {"text":"Seht, das ist nur eine kleine Geschichte, und doch hat sie kein Ende, solange","book":"Etwas"} {"text":"die Welt steht!","book":"Etwas"} {"text":"Aber wurde denn weiter nichts aus den fünf Brüdern? Das war ja nichts und nicht","book":"Etwas"} {"text":"etwas!","book":"Etwas"} {"text":"Hören wir weiter, es ist ein ganzes Märchen.","book":"Etwas"} {"text":"Der älteste Bruder, der Ziegelsteine fabrizierte, wurde bald inne, daß von jedem","book":"Etwas"} {"text":"Ziegel, wenn er fertig war, eine kleine Münze, wenn auch nur von Kupfer, abfiel;","book":"Etwas"} {"text":"doch viele Kupferpfennige, aufeinandergelegt, machen einen blanken Taler, und","book":"Etwas"} {"text":"wo man mit so einem anklopft, sei es beim Bäcker, beim Schlachter, Schneider,","book":"Etwas"} {"text":"ja bei allen, dort fliegt die Tür auf, und man bekommt, was man braucht; seht,","book":"Etwas"} {"text":"das werfen die Ziegel ab; einige zerbröckelten zwar oder sprangen entzwei, aber","book":"Etwas"} {"text":"selbst die konnte man brauchen.","book":"Etwas"} {"text":"Auf dem hohen Erdwall, dem schützenden Deich an der Meeresküste, wollte","book":"Etwas"} {"text":"Margarethe, die arme Frau, sich ein Häuschen bauen; sie bekam all die","book":"Etwas"} {"text":"zerbröckelten Ziegel und dazu noch einige ganz denn ein gutes Herz hatte der","book":"Etwas"} {"text":"älteste Bruder, wenn er es auch in der Tat nicht weiterbrachte, als Ziegelsteine","book":"Etwas"} {"text":"anzufertigen. Die arme Frau baute selbst ihr Häuschen; es war schmal und eng,","book":"Etwas"} {"text":"das eine Fenster saß ganz schief, die Tür war zu niedrig, und das Strohdach","book":"Etwas"} {"text":"hätte besser gelegt werden können, aber Schutz bot es immerhin, und weit","book":"Etwas"} {"text":"über das Meer, das sich mit Gewalt am Wall brach, konnte man von dem Häuschen","book":"Etwas"} {"text":"hinausschauen; die salzigen Wogen spritzten ihren Schaum über das ganze Haus,","book":"Etwas"} {"text":"das noch dastand, als der, der die Mauersteine dazu fabriziert hatte, schon tot","book":"Etwas"} {"text":"und begraben war.","book":"Etwas"} {"text":"Der zweite Bruder, ja der verstand nun das Mauern besser, war er doch auch dazu","book":"Etwas"} {"text":"angelernt. Als er die Gesellenprüfung bestanden hatte, schnürte er seinen Ranzen","book":"Etwas"} {"text":"und stimmte das Lied des Handwerkers an:","book":"Etwas"} {"text":"Weil ich jung bin, will ich wandern,","book":"Etwas"} {"text":"draußen will ich Häuser baun,","book":"Etwas"} {"text":"ziehen von einem Ort zum andern;","book":"Etwas"} {"text":"Jugendsinn gibt mir Vertrauen.","book":"Etwas"} {"text":"Und kehr ich heim ins Vaterland,","book":"Etwas"} {"text":"wo mein die Liebst harrt!","book":"Etwas"} {"text":"Hurra, der brave Handwerksstand!","book":"Etwas"} {"text":"Wie bald ich Meister ward!","book":"Etwas"} {"text":"Und das war er dann auch. Als er zurückgekehrt und Meister geworden war, baute","book":"Etwas"} {"text":"er in der Stadt ein Haus neben dem andern, eine ganze Straße, und als die Straße","book":"Etwas"} {"text":"vollendet war, sich gut ausnahm und der Stadt zur Zierde gereichte, bauten die","book":"Etwas"} {"text":"Häuschen ihm wieder ein Haus, das sein Eigentum sein sollte. Doch wie können die","book":"Etwas"} {"text":"Häuser wohl bauen? Frage sie, und sie werden dir die Antwort schuldig bleiben;","book":"Etwas"} {"text":"aber die Leute antworten und sagen: \"Allerdings hat ihm die Straße sein Haus","book":"Etwas"} {"text":"gebaut!\" Klein war es und der Fußboden war mit Lehm belegt, aber als er mit","book":"Etwas"} {"text":"seiner Braut über den Lehmboden dahintanzte, da wurde dieser blank wie poliert,","book":"Etwas"} {"text":"und aus jedem Stein in der Wand sprang eine Blume hervor und schmückte das","book":"Etwas"} {"text":"Zimmer wie die kostbarste Tapete. Es war ein hübsches Haus und ein glückliches","book":"Etwas"} {"text":"Ehepaar. Die Fahne der Innung flatterte vor dem Hause, Gesellen und Lehrburschen","book":"Etwas"} {"text":"schrieen: \"Hurra!\" Ja, war der etwas! Und dann starb er, das war auch etwas!","book":"Etwas"} {"text":"Nun kam der Architekt, der dritte Bruder, der erst Zimmermannslehrling gewesen","book":"Etwas"} {"text":"und mit der Mütze gegangen war und den Laufburschen gemacht hatte, aber von der","book":"Etwas"} {"text":"Akademie bis zum Baumeister aufgestiegen war, \"Hoch- und Wohlgeborner Herr!\"","book":"Etwas"} {"text":"Ja, hatten die Häuser der Straße den Bruder, der Maurermeister gewesen war, ein","book":"Etwas"} {"text":"Haus gebaut, so erhielt nun die Straße seinen, des Architekten Namen, und das","book":"Etwas"} {"text":"schönste Haus der Straße wurde sein Eigentum; das war etwas, und er war etwas -","book":"Etwas"} {"text":"und das mit einem langen Titel vorn und hinten. Seine Kinder hieß man \"vornehme\"","book":"Etwas"} {"text":"Kinder, und als er starb, war seine Witwe eine \"Witwe von Stand\" - das ist","book":"Etwas"} {"text":"etwas! Und sein Name blieb für immer an der Straßenecke geschrieben und lebte in","book":"Etwas"} {"text":"aller Munde als Straßenname - ja, das ist etwas!","book":"Etwas"} {"text":"Darauf kam das Genie, der vierte Bruder, der etwas Neues, etwas Apartes und noch","book":"Etwas"} {"text":"ein Stockwerk darüber erfinden wollte, aber das fiel herunter, und er selbst","book":"Etwas"} {"text":"fiel auch herunter und brach sich das Genick - allein er bekam ein schönes","book":"Etwas"} {"text":"Begräbnis mit Zunftfahnen und Musik, Blumen in der Zeitung und auf der Straße","book":"Etwas"} {"text":"über das Pflaster hin, und man hielt ihm drei Leichenreden, eine länger als die","book":"Etwas"} {"text":"andere, und das hätte ihn sehr erfreut, denn er hatte es sehr gern, wenn von ihm","book":"Etwas"} {"text":"geredet wurde; auch ein Monument wurde ihm auf seinem Grab errichtet, zwar nur","book":"Etwas"} {"text":"ein Stockwerk hoch, aber das ist immerhin etwas!","book":"Etwas"} {"text":"Er war nun gestorben wie die drei anderen Brüder; der letzte aber, der, welcher","book":"Etwas"} {"text":"räsonierte, überlebte sie alle, und das war ja eben richtig so, wie es sein","book":"Etwas"} {"text":"sollte, denn dadurch hatte er ja das letzte Wort, und ihm war es von großer","book":"Etwas"} {"text":"Wichtigkeit, das letzte Wort zu haben. War er doch ein kluger Kopf, wie die","book":"Etwas"} {"text":"Leute sagten. Endlich schlug aber auch seine Stunde, er starb und kam an die","book":"Etwas"} {"text":"Pforten des Himmels. Dort treten stets je zwei heran; er stand da mit einer","book":"Etwas"} {"text":"anderen Seele, die auch gern hineinwollte, und das war gerade die alte Frau","book":"Etwas"} {"text":"Margarethe aus dem Haus auf dem Deich.","book":"Etwas"} {"text":"\"Das geschieht wohl des Kontrastes halber, daß ich und diese elende Seele hier","book":"Etwas"} {"text":"zu gleicher Zeit antreten müssen!\" sprach der Räsoneur. \"Nur, wer ist Sie,","book":"Etwas"} {"text":"Frauchen? Will Sie auch hier hinein?\" fragte er.","book":"Etwas"} {"text":"Und die alte Frau verneigte sich, so gut sie es vermochte, sie glaubte, es sei","book":"Etwas"} {"text":"Sankt Petrus selber, der zu ihr sprach. \"Ich bin eine alte, arme Frau ohne alle","book":"Etwas"} {"text":"Familie, bin die alte Margarethe aus dem Haus auf dem Deich.\"","book":"Etwas"} {"text":"\"Nun, was hat Sie getan, was hat Sie ausgerichtet dort unten?\"","book":"Etwas"} {"text":"\"Ich habe wahrscheinlich gar nichts in dieser Welt ausgerichtet! Nichts, wodurch","book":"Etwas"} {"text":"mir könnte aufgeschlossen werden! Es ist wahre Gnade, wenn man erlaubt, daß ich","book":"Etwas"} {"text":"durchs Tor hineinschlüpfe!\"","book":"Etwas"} {"text":"\"Auf welche Weise hat Sie diese Welt verlassen?\" fragte er weiter, um doch von","book":"Etwas"} {"text":"etwas zu reden, da es ihm Langeweile machte, dort zu stehen und zu warten.","book":"Etwas"} {"text":"\"Ja, wie ich sie verlassen habe, das weiß ich nicht! Krank und elend war ich","book":"Etwas"} {"text":"ja während der letzten Jahre, und ich habe es wohl nicht verragen können, aus","book":"Etwas"} {"text":"dem Bett zu kriechen und in Frost und Kälte so plötzlich hinauszukommen. Es","book":"Etwas"} {"text":"war ein harter Winter, doch jetzt habe ich ihn ja überstanden. Es war einige","book":"Etwas"} {"text":"Tage ganz stilles Wetter, aber sehr kalt, wie Euer Ehrwürden ja selbst wissen,","book":"Etwas"} {"text":"die Eisdecke ging so weit ins Meer hinaus, als man nur schauen konnte; alle","book":"Etwas"} {"text":"Leute aus der Stadt spazierten aufs Eis hinaus, dort war, wie sie sagten,","book":"Etwas"} {"text":"Schlittschuhlaufen und Tanz, glaube ich, große Musik und Bewirtung war auch","book":"Etwas"} {"text":"da; die Musik schallte in mein ärmliches Stübchen hinein, wo ich lag. Und","book":"Etwas"} {"text":"dann war es so gegen Abend, der Mond war schön aufgegangen, aber noch nicht","book":"Etwas"} {"text":"in seinem vollen Glanze, ich blickte von meinem Bett über das ganze weite Meer","book":"Etwas"} {"text":"hinaus, und dort draußen, grade am Rande zwischen Himmel und Meer, tauchte","book":"Etwas"} {"text":"eine wunderliche Wolke empor; ich lag da und sah die Wolke an, ich sah auch das","book":"Etwas"} {"text":"schwarze Pünktchen inmitten der Wolke, das immer größer und größer wurde, und","book":"Etwas"} {"text":"da wußte ich, was das zu bedeuten hatte; ich bin alt und erfahren, obwohl man","book":"Etwas"} {"text":"das Zeichen nicht oft sieht. Ich kannte es, und ein Grausen überkam mich. Habe","book":"Etwas"} {"text":"ich doch zweimal früher bei Lebzeiten das Ding kommen sehen, und wußte ich doch,","book":"Etwas"} {"text":"daß es einen entsetzlichen Sturm mit Springflut geben würde, die über die armen","book":"Etwas"} {"text":"Menschen draußen käme, die jetzt tranken, umhersprangen und jubilierten; jung","book":"Etwas"} {"text":"und alt, die ganze Stadt war ja draußen; wer sollte sie warnen, wenn niemand","book":"Etwas"} {"text":"dort das sah und zu deuten wußte, was ich wohl kannte. Mir wurde ganz angst,","book":"Etwas"} {"text":"ich wurde so lebendig wie seit langer Zeit nicht mehr. Aus dem Bett heraus kam","book":"Etwas"} {"text":"ich zum Fenster hin, weiter konnte ich mich vor Mattigkeit nicht schleppen. Es","book":"Etwas"} {"text":"gelang mir aber doch, das Fenster zu öffnen; ich sah die Menschen draußen auf","book":"Etwas"} {"text":"dem Eis laufen und springen, ich sah auch die schönen Flaggen, die im Winde","book":"Etwas"} {"text":"wehten, ich hörte die Knaben Hurra schreien, Knechte und Mägde sangen, es ging","book":"Etwas"} {"text":"fröhlich her, aber - die weiße Wolke mit dem schwarzen Punkt! Ich rief, so","book":"Etwas"} {"text":"laut ich konnte, aber niemand hörte mich; ich war zu weit weg von den Leuten","book":"Etwas"} {"text":"entfernt. Bald mußte das Unwetter losbrechen, das Eis platzen und alles, was","book":"Etwas"} {"text":"draußen war, ohne Rettung verloren sein. Mich hören konnten sie nicht, zu","book":"Etwas"} {"text":"ihnen hinauskommen konnte ich nicht; oh, könnte ich sie doch an Land führen!","book":"Etwas"} {"text":"Da gab der gute Gott mir den Gedanken, mein Bett anzuzünden, lieber das Haus","book":"Etwas"} {"text":"niederzubrennen, als daß die Vielen so jämmerlich umkommen sollten. Es gelang","book":"Etwas"} {"text":"mir, ein Licht anzuzünden; die rote Flamme loderte hoch empor - ja, ich entkam","book":"Etwas"} {"text":"glücklich durch die Tür, aber davor blieb ich liegen, ich konnte nicht weiter;","book":"Etwas"} {"text":"die Flamme leckte nach mir heraus, flackerte aus den Fenstern, loderte hoch","book":"Etwas"} {"text":"aus dem Dach empor; die Menschen alle draußen auf dem Eis wurden sie gewahr,","book":"Etwas"} {"text":"und alle liefen sie, was sie konnten, um einer Armen zu Hilfe zu eilen, die","book":"Etwas"} {"text":"sie lebendig verbrennen wähnten; nicht einer war da, der nicht lief; ich hörte","book":"Etwas"} {"text":"sie kommen, aber ich vernahm auch, wie es mit einemmal in der Luft brauste, ich","book":"Etwas"} {"text":"hörte es dröhnen wie schwere Kanonenschüsse; die Springflut hob die Eisdecke,","book":"Etwas"} {"text":"die in tausend Stücke zerschellte; aber die Leute erreichten den Damm, wo die","book":"Etwas"} {"text":"Funken über mir dahinflogen; ich rettete sie alle! Doch ich habe wohl die Kälte","book":"Etwas"} {"text":"nicht vertragen können und auch nicht den Schrecken, und so bin ich nun hier","book":"Etwas"} {"text":"herauf an das Tor des Himmels gekommen; man sagt ja, es wird auch so einem armen","book":"Etwas"} {"text":"Menschen, wie ich es bin, aufgetan, und jetzt habe ich ja kein Haus mehr auf dem","book":"Etwas"} {"text":"Deich, doch das gibt mir wohl noch keinen Eintritt hier!\"","book":"Etwas"} {"text":"Da öffnete sich des Himmels Pforte, und der Engel führte die alte Frau hinein;","book":"Etwas"} {"text":"sie verlor einen Strohalm draußen, einen der Strohhalme, die in ihrem Lager","book":"Etwas"} {"text":"gewesen waren, als sie es anzündete, um die vielen zu retten, und das hatte","book":"Etwas"} {"text":"sich in das reinste Gold verwandelt, und zwar in Gold, das wuchs und sich in den","book":"Etwas"} {"text":"schönsten Blumen und Blättern emporrankte.","book":"Etwas"} {"text":"\"Sieh, das brachte die arme Frau!\" sagte der Engel. \"Was bringst du? Ja, ich","book":"Etwas"} {"text":"weiß es wohl, daß du nichts ausgerichtet hast, nicht einmal einen Ziegelstein","book":"Etwas"} {"text":"hast du gemacht; wenn du nur wieder zurückgehen und es wenigstens so weit","book":"Etwas"} {"text":"bringen könntest; wahrscheinlich würde der Stein, wenn du ihn gemacht hättest,","book":"Etwas"} {"text":"nicht viel wert sein, doch mit gutem Willen gemacht, wäre es doch immerhin","book":"Etwas"} {"text":"etwas; aber du kannst nicht zurück, und ich kann nichts für dich tun!\"","book":"Etwas"} {"text":"Da legte die arme Seele, das Mütterchen aus dem Haus auf dem Deich, ein gutes","book":"Etwas"} {"text":"Wort für ihn ein: \"Sein Bruder hat mir die Ziegelsteine und Brocken geschenkt,","book":"Etwas"} {"text":"aus denen ich mein armseliges Haus zusammengebaut habe, und das war sehr viel","book":"Etwas"} {"text":"für mich Arme! Könnten nun nicht all die Brocken und ganzen Ziegelsteine als ein","book":"Etwas"} {"text":"Ziegelstein für ihn gelten? Es ist ein Akt der Gnade gewesen. Er ist ihrer jetzt","book":"Etwas"} {"text":"bedürftig, und hier ist ja der Urquell der Gnade!\"","book":"Etwas"} {"text":"\"Dein Bruder, der, den du den Geringsten nanntest,\" sagte der Engel, \"der,","book":"Etwas"} {"text":"dessen ehrliches Tun dir am niedrigsten erschien, schenkt dir seine Himmelsgabe.","book":"Etwas"} {"text":"Du sollst nicht abgewiesen werden, es soll dir erlaubt sein, hier draußen zu","book":"Etwas"} {"text":"stehen und nachzusinnen und deinem Leben dort unten aufzuhelfen, aber hinein","book":"Etwas"} {"text":"gelangst du nicht, bevor du nicht in guter Tat - etwas ausgerichtet hast!\"","book":"Etwas"} {"text":"\"Das hätte ich besser sagen können,\" dachte der Räsoneur, aber er sprach es","book":"Etwas"} {"text":"nicht laut aus, und das war wohl schon \"Etwas.\"","book":"Etwas"} {"text":"Da stand einmal im Walde, an der Steilküste des Meeres, so eine recht alte","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Eiche, die gerade dreihundertfünfundsechzig Jahre zählte. Aber diese lange","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Zeit hatte für den Baum nicht mehr zu bedeuten, als ebenso viele Tage für uns","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Menschen. Wir wachen am Tage, schlafen des Nachts und haben dann unsere Träume;","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"aber mit dem Baume ist es anders, der Baum wacht drei Jahreszeiten hindurch,","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"erst gegen den Winter versinkt er in Schlaf, der Winter ist seine Schlafzeit, er","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"ist seine Nacht nach dem langen Tage, der Frühling, Sommer und Herbst heißt.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Manchen warmen Sommertag hatte die Eintagsfliege um seine Krone getanzt,","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"gelebt, geschwebt und sich glücklich gefühlt, und ruhte dann das kleine","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Geschöpfeinen Augenblick in stiller Glückseligkeit auf einem der großen frischen","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Eichenblätter, dann sagte der Baum immer: »Du armes kleines Wesen! Nur einen","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Augenblick währt Dein ganzes Leben! Wie kurz doch! Es ist traurig!«","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"»Traurig?« antwortete dann immer die Eintagsfliege, »was meinst Du damit. Alles","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"ist ja so unvergleichlich licht und klar, so warm und herrlich, und ich bin so","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"froh!«","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"»Aber nur einen Tag, und dann ist alles vorbei!«","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"»Vorbei?« sagte die Eintagsfliege. »Was ist vorbei?« Bist Du auch vorbei?«","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"»Nein, ich lebe viele Tausende von Deinen Tagen, und mein Tag umfasst ganze","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Jahreszeiten. Das ist etwas so Langes, dass Du es gar nicht auszurechnen","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"vermagst!«","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"»Nein, denn ich verstehe Dich nicht! Du hast Tausende von meinen Tagen, aber ich","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"habe Tausende von Augenblicken, um darin froh und glücklich zu sein! Hört alle","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Herrlichkeit dieser Welt auf, wenn du einmal stirbst?«","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"»Nein«, sagte der Baum, »sie besteht sicher länger, unendlich länger, als ich","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"denken kann!«","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"»Aber dann haben wir ja gleichviel Lebenszeit, nur dass wir verschieden","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"rechnen.«","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Und die Eintagsfliege tanzte und schwang sich in die Luft empor, freute sich","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"ihrer feinen künstlichen Flügel, die wie aus Flor und Samt waren. Sie freute","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"sich der warmen Luft, die durchwürzt war mit dem Dufte der Kleefelder und der","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Heckenrosen, des Flieders und des Geißblattes; von Waldmeister, Schlüsselblumen","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"und Krauseminze gar nicht zu reden. Der Duft war so stark, dass die","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Eintagsfliege glaubte, sie hätte davon einen kleinen Rausch bekommen. Der Tag","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"war lang und herrlich, voller Freude und süßer Lust, und sobald die Sonne sank,","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"fühlte sich immer die kleine Fliege so angenehm müde von all dem Vergnügen. Die","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Flügel wollten sie nicht länger tragen, und leise glitt sie auf den weichen,","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"schaukelnden Grashalm hinab, nickte mit dem Kopfe, wie sie nun eben nicken kann,","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"und schlief dann fröhlich ein. Das war ihr Tod.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"»Arme, kleine Eintagsfliege!« sagte der Eichbaum, »es war doch ein allzu kurzes","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Leben!«","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Und jeden Tag wiederholten sich derselbe Tanz, dasselbe Gespräch, dieselbe","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Antwort und das gleiche Hinüberschlummern; es wiederholte sich in allen","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Geschlechtern der Eintagsfliegen, und alle waren sie gleich glücklich, gleich","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"froh. Der Eichbaum durchwachte seinen Frühlingsmorgen, Sommermittag und","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Herbstabend; jetzt aber nahte seine Schlafzeit, seine Nacht. Der Winter rückte","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"heran.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Schon sangen die Stürme: »Gute Nacht! Gute Nacht! Hier fiel ein Blatt, da fiel","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"ein Blatt! Wir pflücken! Wir pflücken! Sieh zu, dass du schlafen kannst! Wir","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"singen dich in Schlaf, wir schütteln dich in Schlaf; aber, nicht wahr, das","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"tut den alten Zweigen gut! Sie krachen dabei aus lauter Vergnügen! Schlafe","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"süß! Schlafe süß! Es ist deine dreihundertfünfundsechzigste Nacht; eigentlich","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"bist du nur ein Zwölfmonatekind! Schlafe süß! Die Wolke lässt Schnee auf dich","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"herabrieseln; das wird ein ganzes Laken, eine warme Bettdecke um deine Füße!","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Schlafe süß und träume!«","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Alles Laubes entkleidet stand der Eichbaum da, um für den ganzen langen Winter","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"schlafenzugehen und unterdes manchen Traum zu träumen – immer aus seinem Erleben","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"heraus, gerade wie in den Träumen der Menschen.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Er war auch einmal klein gewesen, ja, eine Eichel war seine Wiege gewesen; nach","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"menschlicher Rechnung stand er jetzt schon in seinem vierten Jahrhundert. Er","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"war der größte und schönste Baum im Walde, mit seiner Krone ragte er hoch über","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"allen anderen Bäumen hervor und wurde von der See aus schon in weiter Ferne","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"gesichtet, er diente den Schiffen als Wahrzeichen. Er dachte gar nicht daran,","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"wie viele Augen ihn suchten. Hochoben in seiner grünen Krone bauten die wilden","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Tauben, und reif der Kuckuck seinen Namen, und im Herbste, wenn die Blätter wie","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"gehämmerte Kupferplatten aussahen, erschienen die Zugvögel und rasteten dort,","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"ehe sie über das Meer flogen. Aber jetzt war Winter, blätterlos stand der Baum","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"da, und man konnte recht deutlich sehen, in welchen Bogen und Krümmungen seine","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Zweige gewachsen waren. Krähen und Dohlen kamen und ließen sich scharenweise auf","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"ihm nieder und plauderten von den strengen Zeiten, die jetzt begannen, und wie","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"schwer es wäre, im Winter sein Futter zu finden.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Es war gerade die heilige Weihnachtszeit, als der Baum seinen schönsten Baum","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"träumte; den wollen wir hören.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Der Baum empfand ganz deutlich, daß es eine festliche Zeit war; er glaubte","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"ringsum alle Kirchenglocken läuten zu hören, und dabei war es ihm wie an einem","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"herrlichen Sommertage zumute, mild und warm. Frisch und grün breitete er seine","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"mächtige Krone aus, die Sonnenstrahlen spielten zwischen seinen Blättern und","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Zweigen, die Luft war mit dem Duft von Kräutern und Büschen erfüllt; bunte","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Schmetterlinge spielten Haschen miteinander, und die Eintagsfliegen tanzten,","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"als ob alles nur dazu wäre, dass sie tanzen und sich freuen sollten. Alles,","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"was der Baum Jahre hindurch erlebt und um sich gesehen hatte, zog wie in einem","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Festzuge an ihm vorüber. Er sah aus alter Zeit, wie Ritter und Frauen zu Pferde,","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"mit Federn auf dem Hute und mit Falken auf der Hand, durch den Wald ritten.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Das Jagdhorn tönte, und die Hunde schlugen an. Er sah feindliche Soldaten","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"mit blanken Waffen und in bunten Trachten, mit Spießen und Hellebarden, ihre","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Zelte aufschlagen und wieder abbrechen; Wachtfeuer loderten und unter des","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Baumes weitausgebreiteten Zweigen wurde gesungen und geschlafen. Er sah, wie","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Liebesleute sich in stillem Glück hier im Mondenschein trafen und ihre Namen,","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"den ersten Buchstaben, in die graugrüne Rinde einschnitten. Zither und Äolsharfe","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"waren einmal – ja da lagen Jahre dazwischen – von muntern fahrenden Schülern in","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"die Zweige der Eiche aufgehängt worden; nun hingen sie wieder da, nun klangen","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"sie wieder so lieblich. Die wilden Tauben gurrten, als ob sie erzählen wollten,","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"was der Baum dabei fühlte, und der Kuckuck rief, wie viel Sommertage er noch","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"leben sollte.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Da war es, als ob ihn ein neuer Lebensstrom von den kleinsten Wurzelfasern bis","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"hinauf zu den höchsten Zweigen, ja bis in die Blätter hinaus, durchrieselte.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Der Baum fühlte, wie er sich dadurch streckte, er empfand mit den Wurzeln, dass","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"auch unten in der Erde Leben und Wärme war; er fühlte seine Stärke zunehmen, er","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"wuchs höher und höher. Der Stamm schoss empor, da war kein Stillstand, er wuchs","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"mehr und immer mehr, die Krone wurde voller, breitete sich aus, hob sich empor –","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"und je mehr der Baum wuchs, um so mehr wuchs auch sein Wohlgefühl, seine ihn mit","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"unaussprechlichem Glücke erfüllende Sehnsucht, immer höher zu kommen, bis zu der","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"glänzenden warmen Sonne.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Schon war er bis hoch über die Wolken gewachsen, die wie dunkle Scharen von","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Zugvögeln oder wie große weiße Züge von Schwänen unter ihm hinzogen.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Und jedes von den Blättern des Baumes konnte sehen, als ob es ein besonderes","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Auge hätte, alles damit anzuschauen. Die Sterne wurden am Tage sichtbar, so","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"groß und blitzend waren sie; jeder von ihnen leuchtete wie ein paar Augen, so","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"mild und so klar. Sie erinnerten an bekannte liebe Augen, an Kinderaugen, an die","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Augen von Liebespaaren, wenn sie unter dem Baume zusammentrafen.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Es war ein unendlich beglückender Augenblick, so freudevoll, und doch, in all","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"der Wonne empfand der Eichbaum eine Sehnsucht danach, dass alle anderen Bäume","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"des Waldes dort unten, alle Büsche, Kräuter und Blumen sich mit ihm zu erheben","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"vermöchten, um auch diesen Glanz und diese Freude zu empfinden. Der mächtige","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Eichbaum war in dem Träume von all dieser Herrlichkeit doch nicht vollkommen","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"glücklich, wenn er sein Glück nicht mit allen, groß und klein, teilen konnte,","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"und dies Gefühl durchbebte die Zweige und Blätter ebenso innig und stark, wie","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"eine Menschenbrust.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Die Krone des Baumes bewegte sich, als ob er etwas suchte, als ob ihm etwas","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"fehlte; er schaute zurück und da drang der Duft des Waldmeisters und bald","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"noch stärker der Duft von Geißblatt und Veilchen zu ihm empor; er glaubte, den","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Kuckuck locken zu hören.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Ja, durch die Wolken sprossten die grünen Waldwipfel hervor; er sah die anderen","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Bäume unter sich wachsen und sich gleich ihm erheben. Büsche und Kräuter wuchsen","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"hoch in die Luft, einzelne rissen sich mit den Wurzeln los und flogen schneller.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Die Birke war am schnellsten; wie ein weißer Blitzstrahl sprühte ihr schlanker","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"stamm hinauf, ihre Zweige wallten wie grüner Flor und Fahnen. Die ganze","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Waldnatur, selbst das braungefiederte Rohr, wuchs mit, und die Vögel folgten","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"nach und sangen, und auf dem Halme, der wie ein langes, grünes Seidenband lose","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"flatterte und flog, saß die Heuschrecke und spielte mit dem Flügel auf ihrem","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Schienbeine. Die Maikäfer brummten und die Bienen summten, jeder Vogel sang, wie","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"ihm der Schnabel gewachsen war.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"»Aber die kleine rote Blume am Wasser, die sollte auch mit!« sagte die Eiche,","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"»und die blaue Glockenblume und das kleine Gänseblümchen!« – Ja, die Eiche","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"wollte, dass sie alle dabei wären.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"»Wir sind dabei, wir sind dabei!« sang und klang es.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"»Aber der schöne Waldmeister vom vorigen Sommer – und das Jahr vorher war ein","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"wahrer Flor von Maiblümchen – und der wilde Apfelbaum, wie stand er doch so","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"herrlich! – und all die Waldespracht seit Jahren, seit vielen Jahren -! wäre sie","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"doch bis jetzt am Leben geblieben, dann hätte sie auch können mit dabei sein!«","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"»Wir sind mit dabei! Wir sind mit dabei!« sang und klang es noch höer oben, es","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"schien, als ob sie voraufgeflogen wären.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"»Nein, das ist zu unglaublich schön!« jubelte die alte Eiche. »Ich habe","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"sie alle, klein und groß, nicht eines ist vergessen! Wie ist doch all diese","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Glückseligkeit nur möglich und denkbar!«","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"»In Gottes Himmel ist es möglich und denkbar!« klang es.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Und der Bau, der immer wuchs, fühlte, dass sich seine Wurzeln aus der Erde","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"lösten.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"»Das ist nun das allerbeste!« sagte der Baum, »nun hält mich kein Band mehr!","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Ich kann mich zu den Allerhöchsten in Licht und Glanz emporschwingen! Und alle","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Lieben habe ich bei mir, klein und groß, alle bei mir!«","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"»Alle!«","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Das war der Traum des Eichbaums; und während er träumte, ging ein heftiger Sturm","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"über das Meer und Land in der heiligen Weihnacht. Die See wälzte schwere Wogen","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"gegen den Strand, der Baum krachte, brach, und wurde mit der Wurzel ausgerissen,","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"gerade während er träumte, dass sich seine Wurzeln lösten. Er fiel. Seine","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"dreihundertfünfundsechzig Jahre waren nun auch nichts anderes als der Tag einer","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Eintagsfliege.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Am Weihnachtsmorgen, als die Sonne wieder zum Vorschein kam, hatte sich der","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Sturm gelegt. Alle Kirchenglocken läuteten festlich, und aus jedem Schornstein,","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"selbst aus dem kleinsten auf dem Dache des Häuslers, erhob sich der Rauch","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"bläulich, wie vom Altare beim Feste der Druiden, ein Opferrauch des Dankes.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Die See wurde ruhiger und ruhiger, und auf einem großen Schiffe draußen auf dem","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Meere, das während der Nacht das harte Wetter wohl überstanden hatte, wurden","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"jetzt alle Flaggen gehisst.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"»Der Baum ist fort! Der alte Eichbaum, unser Wahrzeichen auf dem Lande!« sagten","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"die Seeleute. »Er ist gefallen in dieser Sturmnacht! Wer wird ihn uns ersetzen","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"können? Das kann keiner!«","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Eine solche Leichenrede, kurz, aber wohlgemeint, erhielt der Baum, der auf der","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Schneedecke am Ufer ausgestreckt lag. Und über ihn hin erklang ein feierlicher","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Choral vom Schiffe, ein Lied von der Weihnachtsfreude und der Erlösung der","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Menschenseelen in Christo und vom ewigen Leben:","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"»Nun jauchzet laut, o Christeng’mein!","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Nun senken wir den Anker ein;","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Die Freud ist ohnegleichen!","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Halleluja! Hallelujah!«","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"So lautete das Kirchenlied, und jeder draußen auf dem Schiffe fühlte sich durch","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Lied und Gebet in seiner Weise so erhoben, wie der alte Baum in seiner letzten,","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"seiner schönsten Traumweihnacht.","book":"Der Traum der alten Eiche (Ein Weihnachtsmärchen)"} {"text":"Es war einmal ein Mann, der hatte einige neue Verse zu einem \"ABC-Buch\"","book":"Das ABC Buch"} {"text":"geschrieben, solche zwei Zeilen für jeden Buchstaben wie in dem alten ABC; ihm","book":"Das ABC Buch"} {"text":"schien, daß man etwas Neues haben sollte, die alten Verse waren so abgenutzt,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"und der fand seine eigenen gerade immer so gut. Das neue ABC lag noch","book":"Das ABC Buch"} {"text":"geschrieben da, und es war neben das alte, gedruckte in den großen Büchschrank","book":"Das ABC Buch"} {"text":"gestellt worden, in dem so viele gelehrte Bücher und unterhaltende Bücher","book":"Das ABC Buch"} {"text":"standen, aber das alte ABC wollte wohl nicht Nachbar des neuen sein und war","book":"Das ABC Buch"} {"text":"deshalb vom Bord gesprungen und hatte zugleich dem neuen einen Stoß gegeben,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"so daß es auch auf dem Boden lag, und zwar waren alle seine losen Blätter","book":"Das ABC Buch"} {"text":"ringsum verstreut. Das alte ABC kehrte die erste Seite nach oben, und das ist","book":"Das ABC Buch"} {"text":"die wichtigste darin; da stehen alle Buchstaben, die großen und die kleinen.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Das Blatt hat nun alles, wovon alle die übrigen Bücher leben, daß Alphabet, die","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Buchstaben, die doch die Welt regieren; eine schreckliche Macht haben Sie! Es","book":"Das ABC Buch"} {"text":"kommt nur darauf an, in welche Stellung sie kommandiert sind; sie können Leben","book":"Das ABC Buch"} {"text":"geben, töten, erfreuen und betrüben. Einzeln aufgestellt, bedeuten sie nichts,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"aber in Reih und Glied aufgestellt, ja, als Gott sie seine Gedanken ausdrücken","book":"Das ABC Buch"} {"text":"ließ, vernahmen wir mehr, als wir zu ertragen vermochten, wir beugten uns tief,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"aber die Buchstaben vermochten die Gedanken zu ertragen.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Da lag es nun und kehrte sich nach oben! Und der Hahn in dem großen A strahle","book":"Das ABC Buch"} {"text":"von roten, blauen und grünen Federn; er brüstete sich, denn er wußte, was die","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Buchstaben bedeuten und daß er der einzige lebendige darunter war.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Da das alte ABC-Buch auf den Boden fiel, schlug er mit den Flügeln, flog heraus","book":"Das ABC Buch"} {"text":"und setzte sich auf eine Ecke des Bücherschranks, zupfte sich mit dem Schnabel","book":"Das ABC Buch"} {"text":"glatt und krähte, so daß es nachhallte. Jedes Buch im Schrank, das sonst Tag und","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Nacht wie in einem Halbschlag stand, wenn es nicht gebraucht wurde, vernahm den","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Trompetenstoß, und dann sprach der Hahn laut und deutlich von dem Unrecht, das","book":"Das ABC Buch"} {"text":"dem würdigen, alten ABC-Buch geschehen war.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"\"Alles soll nun neu, soll anders sein!\" sagte er, \"alles soll so fortschreiten!","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Die Kinder sind so klug, daß sie nun lesen können, bevor sie die Buchstaben","book":"Das ABC Buch"} {"text":"kennen.\" - \"Sie sollen etwas Neues haben!\" sagte er, der die neuen ABC-Verse","book":"Das ABC Buch"} {"text":"schrieb, die da auf dem Boden verstreut liegen. \"Ich kenne Sie! Mehr als zehnmal","book":"Das ABC Buch"} {"text":"habe ich ihn gehört, sie sich selber vorlesen. Das war ihm so ein Vergnügen,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"nein, ich muß um meine eignen, die guten alten und Xanthus bitten, und um die","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Bilder, die dazu gehören, für die will ich kämpfen, danach will ich krähen!","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Jedes Buch im Schrank kennt sie wohl. Nun werde ich die geschriebenen neuen","book":"Das ABC Buch"} {"text":"vorlesen, sie alle in Ruhe vorlesen: laßt uns dann darüber einig werden, daß sie","book":"Das ABC Buch"} {"text":"nichts taugen!\"","book":"Das ABC Buch"} {"text":"A Amme","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Eine Amme geht im Sohntagskleide,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"einer andern Kind ist ihre Freude.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"B Bauer","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Ein Bauer litt einst großen Schaden,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"jetzt hat er zu viel in der Laden.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"\"Den Vers finde ich nun wirklich schwach!\" sagte der Hahn, \"Aber ich lese","book":"Das ABC Buch"} {"text":"weiter!\"","book":"Das ABC Buch"} {"text":"C Columbus","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Columbus fuhr hin übers Meer,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"und doppelt so groß war die Welt nachher.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"D Dänemark","book":"Das ABC Buch"} {"text":"In Dänemark der Glaube gilt,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"daß Gott ihm stets bleibt gut gewillt.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"\"Was werden nun manche nett Finden!\" sagte der Hahn, \"aber das tue ich nicht!","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Ich finde nun nichts Nettes hier! Weiter!\"","book":"Das ABC Buch"} {"text":"E Elefant","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Der Elefant geht schwer genug,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"wenn auch sein Herz noch leicht und jung.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"F Finsternis","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Finsternis tut dem Monde gut,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"er trägt solang den Priesterhut.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"G Glücksschwein","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Das Glücksschwein mit dem Nasenring","book":"Das ABC Buch"} {"text":"bleibt, war es ist, ein plumpes Ding!","book":"Das ABC Buch"} {"text":"H Hurra","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Hurra kann oft auf unser Erden","book":"Das ABC Buch"} {"text":"von Toren nur gerufen werden.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"\"Wie sollen das nun die Kinder verstehen?\" sagte der Hahn, \"es steht freilich","book":"Das ABC Buch"} {"text":"auf dem Titelblatt 'ABC-Buch für Große und Kleine', aber die Großen haben anders","book":"Das ABC Buch"} {"text":"zu tun, als ABC-Verse zu lesen, und die Kleinen können das nicht verstehen!","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Alles hat seine Grenzen! Weiter!\"","book":"Das ABC Buch"} {"text":"I Irdisch","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Irdisch ist die Erde, rund und groß,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"und wir Irdischen alle ruh'n einst ihr im Schoß.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"\"Das ist nun roh!\" sagte der Hahn.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"K Kuh, Kalb","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Eine Kuh ist immer die Frau vom Stier,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"und ein Kalb wird eins von beiden hier.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"\"Wie soll man nun einem Kinde die Verwandtschaft erklären?\"","book":"Das ABC Buch"} {"text":"L Löwe, Lorgnette","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Der wilde Löwe hat keine Lorgnette,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"die hat nur der zahme im Nummernparkett.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"M Morgensonne","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Der Morgensonne Gold aufgeht,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"doch nie bevor der Hofhahn kräht.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"\"Nun bekomme ich Grobheiten zu hören!\" sagte der Hahn, \"aber ich bin da in guter","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Gesellschaft, in Gesellschaft der Sonne! Weiter!\"","book":"Das ABC Buch"} {"text":"N Neger","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Schwarz ist der Neger, daß ihr's wißt,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"noch keiner Weiß gewaschen ist.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"O Oberstübchen","book":"Das ABC Buch"} {"text":"In manchem Oberstübchen steckt","book":"Das ABC Buch"} {"text":"mehr, als man jemals hat entdeckt.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"P Palme","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Das schönste Blatt, das ein Baum hat,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"des ist des Friedens Palmenblatt.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Q Qual","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Es kennt so mancher manchesmal","book":"Das ABC Buch"} {"text":"vom andern nicht die Not und Qual.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"R Rundturm","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Sei groß, zum runden Turm, erkoren,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"du bist drum doch nicht hochgeboren.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"S Schwein","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Laß dich vom Schaden nicht betrüben,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"den Schweine dir im Wald verüben!","book":"Das ABC Buch"} {"text":"\"Gestatten Sie nun, daß ich krähe!\" sagte der Hahn, \"das verbraucht Kräfte, so","book":"Das ABC Buch"} {"text":"viel vorzulesen! Man muß Atem schöpfen!\" Und dann krähte er, daß es schrillte","book":"Das ABC Buch"} {"text":"wie eine Messingtrompete, und das war ein großes vergnügen zu hören – für den","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Hahn nämlich. \"Weiter!\"","book":"Das ABC Buch"} {"text":"T Teekessel, Teemaschine","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Teekessel hat nur Küchenrang,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"hat doch der Teemaschin' Gesang.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"U Unrecht","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Ob uns das Unrecht stets bekriegt,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"in Ewigkeit wird doch gesiegt!","book":"Das ABC Buch"} {"text":"\"Das soll nun so tief sein,\" sagte der Hahn, \"Aber ich kann es nicht ergründen!\"","book":"Das ABC Buch"} {"text":"V Vieh","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Besitzt von Vieh, ein schönes Ding.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Ein Vieh zu sein, scheint mir gering.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"W Waschbär","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Waschbären waschen Zuckersachen,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"bis sie sie ganz zunichte machen.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"X Xanthippe","book":"Das ABC Buch"} {"text":"\"Hier hat er doch nichts Neues finden können!\"","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Im Ehemeer gibt's eine Klippe,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"die heißt seit Sokrates Xanthippe.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"\"Er mußte doch Xanthippe nehmen, Xanthus ist noch besser!\"","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Y Yggdrasil","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Yggdrasil hieß der Götter Baum,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"der Baum ward gefällt, die Götter sind Traum!","book":"Das ABC Buch"} {"text":"\"Nun sind wir gleich durch,\" sagte der Hahn, \"Das ist immer ein Trost! Weiter!","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Vorwärts!\"","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Z Zephir","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Auf dänisch ist Zephir ein westlicher Wind,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"der weht, daß im Pelze erfrieret das Kind.","book":"Das ABC Buch"} {"text":"\"Da liegt es! Aber es ist nicht überstanden! Nun soll's gedruckt werden! Und","book":"Das ABC Buch"} {"text":"dann soll's gelesen werden! Es soll an Stelle der würdigen, alten Buchstaben in","book":"Das ABC Buch"} {"text":"meinem Buch geboten werden! Was sagt die Versammlung, gelehrte und ungelehrte,","book":"Das ABC Buch"} {"text":"einzelne und gesammelte Schriften? Was sagt der Bücherschrank? Ich habe","book":"Das ABC Buch"} {"text":"gesprochen – nun können die andern handeln!\"","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Und die Bücher standen, und der Schrank stand, aber der Hahn flog wieder zurück","book":"Das ABC Buch"} {"text":"in sein großes A und sah sich stolz um. \"Ich habe gut gesprochen, ich habe gut","book":"Das ABC Buch"} {"text":"gekräht! Das soll mir das neue ABC-Buch nachmachen! Das stirbt bestimmt. Das ist","book":"Das ABC Buch"} {"text":"schon tot! Das hat keinen Hahn!\"","book":"Das ABC Buch"} {"text":"Es war ein Preis ausgesetzt, ja, es waren zwei ausgesetzt, ein kleiner und ein","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"großer, für die größte Schnelligkeit, aber nicht etwa bei einem Laufe, sondern","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"über das ganze Jahr verteilt.","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"\"Ich bekam den ersten Preis\" sagte der Hase; \"Gerechtigkeit muß doch sein, wenn","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"die eigene Familie und gute Freunde mit im Rate sitzen; aber daß die Schnecke","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"den zweiten Preis bekam, finde ich beinahe beleidigend für mich!\"","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"\"Nein,\" versicherte der Zaunpfahl, der bei der Preisverteilung Zeuge gewesen","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"war,\" es muß auch Fleiß und guter Wille berücksichtigt werden, das wurde von","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"mehreren achtbaren Personen gesagt, und das habe ich sehr wohl verstanden. Die","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"Schnecke hat freilich ein halbes Jahr gebraucht, um über die Türschwelle zu","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"kommen, aber sie hat sich den Schenkel bei der übereilten Arbeit, die es doch","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"für sie war, gebrochen. Sie hat einzig und allein für den Lauf gelebt, und","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"außerdem lief sie mit ihrem Hause. – Das ist aller Achtung wert. Und deshalb","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"bekam sie den zweiten Preis.\"","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"\"Ich hätte doch auch in Betracht gezogen werden können!\" sagte die Schwalbe.","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"\"Hurtiger in Flug und Schwenkung, glaube ich, hat sich keiner bewiesen, und wo","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"bin ich nicht überall gewesen: weit, weit, weit.\"","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"\"Ja, das ist eben Ihr Unglück\" sagte der Zaunpfahl, \"Sie bummeln zu viel herum.","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"Immer wollen Sie weiter fort nach dem Auslande, wenn es hier zu frieren beginnt.","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"Sie haben keine Vaterlandsliebe. Sie können nicht in Betracht kommen!\"","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"\"Aber wenn ich nun den ganzen Winter lang im Moore gelegen habe\" sagte die","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"Schwalbe, \"und die ganze Zeit verschlafen hätte, käme ich dann in Betracht?\"","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"\"Schaffen Sie ein Attest von der Moorfrau herbei, daß Sie die halbe Zeit im","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"Vaterland verschlafen haben, dann sollen Sie in Betracht gezogen werden!\"","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"\"Ich hätte freilich den ersten Preis verdient und nicht den zweiten\" sagte","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"die Schnecke. \"Eins weiß ich genau, der Hase ist nur aus Feigheit gelaufen,","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"jedesmal, wenn er glaubte, daß Gefahr drohe. Ich dagegen habe meinen Lauf als","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"Lebensaufgabe aufgefaßt und bin im Dienste zum Krüppel geworden. Wenn überhaupt","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"jemand den ersten Preis erhalten sollte, so wäre ich es! – Aber ich mache kein","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"Aufhebens davon, das verachte ich!\"","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"Und dann spuckte sie.","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"\"Ich kann mit Wort und Rede dafür gerade stehen, daß jeder Preis, wenigstens","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"meine Stimme da zu, nur vom Gerechtigkeitsstandpunkte aus gegeben worden ist\"","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"sagte das alte Landvermessungszeichen im Walde, das Mitglied des entscheidenden","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"Richterkollegiums war. \"Ich gehe immer mit Ordnung, Überlegung und Berechnung","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"zu Werke. Sieben Mal habe ich schon die Ehre gehabt, zur Preisverteilung","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"herangezogen zu werden, aber außer heute habe ich noch niemals meinen","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"Willen durchsetzen können. Bei jeder Verteilung bin ich von etwas Bestimmten","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"ausgegangen. Beim ersten Preis habe ich bei den Buchstaben immer von vorne","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"angefangen und beim zweiten Preis von rückwärts. Wollen Sie nun bemerken, daß,","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"wenn man von vorne rechnet, der achte Buchstabe nach dem A das H ist, da haben","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"wir den Hasen, und so stimmte ich beim ersten Preise für den Hasen; der achte","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"Buchstabe von rückwärts ist das S, deshalb stimmte ich für die Schnecke bei der","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"zweiten Prämie. Beim nächsten Male wird das I der erste und das R der zweiter –","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"jedes Ding muß seine Ordnung haben. Man muß immer etwas haben, wonach man sich","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"richten kann.\"","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"\"Ich hätte für mich selbst gestimmt, wäre ich nicht einer der Richter gewesen,\"","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"sagte der Maulesel, der auch unter den Preisrichtern war. \"Man soll nicht","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"nur berücksichtigen, wie schnell man vorwärts kommt, sondern auch die anderen","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"Eigenschaften, zum Beispiel, wie viel man ziehen kann. Das wollte ich dieses","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"Mal nicht hervorheben, auch nicht die Klugheit des Hasen, bei seiner Flucht","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"mit einem Mal einen Sprung zur Seite zu tun, um die Leute auf falsche Spur zu","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"fahren. Nein, es gibt noch etwas, worauf viele Leute Wert legen, und was man","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"keinesfalls außer acht lassen darf, das ist das, was man das Schöne nennt.","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"Darauf habe ich hier gesehen, ich betrachtete die schönen, wohlgeformten Ohren","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"des Hasen, es ist ein Vergnügen zu sehen, wie lang sie sind. Ich meinte schier,","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"mich selbst zu erblicken, als ich noch klein war, und deshalb stimmte ich für","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"ihm\"","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"\"Pst.\" sagte die Fliege, \"ich will keine Rede halten, ich will nur eben etwas","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"sagen. Ich weiß, daß ich mehr als einen Hasen in Grund und Boden gelaufen habe.","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"Neulich habe ich einem von den Jüngsten die Hinterbeine zerbrochen. Ich saß","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"auf der Lokomotive vor dem Eisenbahnzuge, das tue ich oft, man kann dort seine","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"eigene Schnelligkeit am besten beobachten. Ein junger Hase lief weit voraus, er","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"ahnte nicht, daß ich da war. Zuletzt mußte er abschwenken, aber da hatte ihm die","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"Lokomotive schon die Hinterbeine gebrochen, denn ich saß darauf. Der Hase blieb","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"liegen, ich fuhr weiter. Das heißt doch wohl, ihn besiegen! Aber ich dränge mich","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"nicht nach dem Preis.\"","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"\"Mir scheint eigentlich,\" dachte die wilde Rose, aber sie sprach es nicht aus,","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"es liegt nicht in ihrer Natur, sich auszusprechen, obwohl es ganz gut gewesen","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"wäre, wenn sie es getan hätte, \"mir scheint eigentlich, daß der Sonnenstrahl","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"den ersten Ehrenpreis hätte bekommen müssen, und den zweiten dazu. Er fliegt in","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"einem Augenblick den unermeßlichen Weg von der Sonne zu uns hinab und kommt mit","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"einer Stärke, daß die ganze Natur dabei erwacht. Er ist von einer Schönheit, daß","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"all wir Rosen erröten und zu duften anfangen. Die hohe urteilfällende Behörde","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"scheint ihn gar nicht bemerkt zu haben! Wäre ich der Sonnenstrahl, so bekäme","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"jeder von ihnen einen Sonnenstich – aber das würde sie nur närrisch machen,","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"übrigens werden sie es ohnedies werden. Ich sage nichts!\" dachte die wilde Rose.","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"\"Frieden im Walde. Herrlich ist es zu blühen, zu duften, zu erquicken und in","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"Sage und Sang fortzuleben. Der Sonnenstrahl überlebt uns doch alle zusammen!\"","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"\"Was ist der erste Preis?\" fragte der Regenwurm, der es verschlafen hatte, und","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"jetzt erst dazu kam.","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"\"Er besteht im freien Eintritt in einen Kohlgarten.\" sagte der Maulesel; \"ich","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"habe diesen Preis vorgeschlagen. Der Hase mußte und sollte ihn bekommen, und","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"deshalb nahm ich als vernüftig denkendes und handelndes Mitglied Rücksicht","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"auf den Nutzen dessen, der ihn erhalten sollte. Nun ist der Hase versorgt. Die","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"Schnecke hat Erlaubnis, auf der steinernen Mauer zu sitzen und sich an Moos","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"und Sonnenschein zu delektieren; außerdem wurde sie zu einem der ersten Richter","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"für den Schnellauf ernannt. Es ist immer gut, einen Fachmann mit im Komitee","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"zu haben. Ich muß sagen, ich erwarte viel von der Zukunft, es hat schon so gut","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"angefangen!\"","book":"Die Schnellläufer"} {"text":"Du kennst doch die Geschichte von Holger Danske; wir wollen sie Dir nicht","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"erzählen, nur fragen, ob Du Dich noch erinnerst, daß \"Holger Danske das große","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Land Indien nach Osten zu am Ende der Welt gewann bis zu dem Baume, der der","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Baum der Sonne genannte wird,\" wie Christian Pedersen es erzählte. Kennst Du","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Christian Pedersen? Es kommt auch nicht darauf an, daß Du ihn kennst. Holger","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Danske gab dort dem Priester Jon, Macht und Herrscherwürde über das ganze Land","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Indien. Kennst Du den Priester Jon? Ja, darauf kommt es auch nicht viel an,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"denn er kommt in dieser Geschichte gar nicht vor. Hier sollst Du von dem Baum","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"der Sonne hören \"im Lande Indien nach Osten zu am Ende der Welt,\" wie man einst","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"glaubte, als man noch nicht Geographie gelernt hatte, wie wir es heute lernen.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Aber darauf kommt es auch nicht an.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Der Baum der Sonne war ein prächtiger Baum, wie wir nie einen gesehen haben","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"und auch Du nie einen zu sehen bekommen wirst. Seine Krone erstreckte sich","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"mehrere Meilen weit in der Runde, er bildete eigentlich einen ganzen Wald,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"und jeder seiner kleinsten Zweige war wieder ein ganzer Baum; Palmen, Buchen,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Pinien und Platanen, alle Arten von Bäumen, die sich in der ganzen Welt finden,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"trieben hier als kleine Zweige aus den größeren Zweigen hervor, und diese","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"selbst glichen mit ihren Knoten und Krümmungen Tälern und Höhen. Sie waren mit","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"einem samtweichen Grün bekleidet, das von Blumen wimmelte. Jeder Zweig war wie","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"eine ausgedehnte, blühende Wiese oder der lieblichste Garten. Die Sonne sandte","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"ihm liebreich Ihre wohltuendsten Strahlen herab, denn es war ja der Baum der","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Sonne. Die Vögel von allen Enden der Welt versammelten sich hier, Vögel aus","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"den fernen Urwäldern Amerikas, aus Damaskus, Rosengärten, aus den waldigen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Wüsten des inneren Afrika, wo Elefant und Löwe, allein zu regieren vermeinen.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Der Polarvogel kommt, und Storch und Schwalbe natürlich auch. Aber die Vögel","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"waren nicht die einzigen lebenden Geschöpfe, die hierher kamen. Der Hirsch, das","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Eichhörnchen, die Antilope und Hunderte von anderen Tieren, flüchtig und schön,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"waren hier zu Hause. Ein großer, duftender Garten war ja des Baumes Krone, und","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"innen, wo sich die allergrößten Zweige wie grüne Höhen emporstreckten, lag ein","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"kristallenes Schloß mit einer Aussicht auf alle Länder der Welt. Jeder Turm","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"hob sich liliengleich, durch den Stengel konnte man emporsteigen, denn es waren","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Treppen darin. Da kannst Du es wohl auch verstehen, daß man auf die Blätter","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"hinaus treten konnte, die Altane bildeten, und oben, in der Blume selbst,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"war der herrlichste, strahlendste Festsaal, der als Dach nichts anderes als","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"den blauen Himmel mit Sonne und Sternen hatte. Ebenso herrlich, nur auf eine","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"andere Weise, waren die weitläufigen Säle. Hier spiegelte sich an den Wänden","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"ringsum die ganze Welt ab. Man konnte alles dort sehen, was geschah, so daß","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"man keine Zeitungen zu lesen brauchte, die gab es hier auch nicht. Alles war","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"hier in lebenden Bildern zu sehen, man konnte und mochte es nur nicht alles","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"ansehen, denn zuviel ist zuviel, selbst für den weisesten Mann, und hier wohnte","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"der weiseste Mann. Sein Name ist so schwer auszusprechen, Du könntest ihn doch","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"nicht aussprechen, und deshalb kann er Dir gleichgültig sein. Er wußte alles,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"was ein Mensch wissen kann und je auf dieser Welt wissen wird; jede Erfindung,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"die gemacht worden war oder noch gemacht werden sollte, kannte er, aber auch","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"nicht mehr, denn alles hat ja seine Grenzen. Der weise König Salomo war nur halb","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"so klug, und der war doch ein recht kluger Mann; er herrschte über die Kräfte","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"der Natur, über mächtige Geister, ja, der Tod selbst mußte ihm jeden Morgen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Botschaft bringen und die Liste derer, die an diesem Tage sterben sollten.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Aber König Salomo selbst mußte auch sterben, und das war der Gedanke, der oft","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"seltsam lebhaft den Forscher, den mächtigen Herrn in dem Schlosse auf dem Baume","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"der Sonne erfüllte. Auch er, der so hoch über der Weisheit der Menschen stand,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"mußte einst sterben, das wußte er, und auch seine Kinder mußten sterben. Wie des","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Waldes Laub würden sie fallen und zu Staub werden. Das Menschengeschlecht sah er","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"vergehen, wie die Blätter vom Baume wehen, und neue kamen an deren Stelle. Aber","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"die abgefallenen Blätter wuchsen niemals wieder, sie wurden zu Staub oder gingen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"in andere Pflanzen über. Was geschah mit den Menschen, wenn der Engel des Todes","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"zu ihnen kam. Was hieß es, zu sterben? Der Körper löste sich auf und die Seele","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"– Ja, was wurde aus ihr? Wohin ging sie? \"Zum ewigen Leben!\" sagt die Religion","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"zum Troste. Aber wie war der Übergang? Wo lebte man und wie? \"Oben im Himmel.\"","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"sagten die Frommen. \"Dort hinauf gehen wir.\" – \"Dort hinauf\" wiederholte der","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Weise und sah zu Sonne und Sternen empor. \"Dort hinauf!\" und er sah aus der","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"runden Erdkugel, daß oben und unten ein und dasselbe waren, je nachdem, wo","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"man auf der schwebenden Kugel stand; stieg er hinauf, so hoch wie der Erde","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"höchste Berge ihre Gipfel erheben, so wurde die Luft, die wir hier unten klar","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"und durchsichtig nennen, zu einem kohlschwarzen Dunkel, dicht wie ein Tuch; die","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Sonne war wie ein glühender Ball ohne Strahlen anzusehen, und die Erde lag von","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"orangefarbenen Nebeln verhüllt. Hier lag die Grenze für unser körperliches und","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"seelisches Sehvermögen; wie gering ist unser Wissen, selbst der Weiseste wußte","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"nur wenig von dem, was für uns das Wichtigste ist!","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"In der Geheimkammer des Schlosses lag der Erde größter Schatz: \"Das Buch der","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Wahrheit.\" Blatt für Blatt las er es. Das war ein Buch, in dem jedweder Mensch","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"zu lesen vermag, aber nur stückweise. Für manches Auge zittert die Schrift, so","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"daß es nicht möglich ist, die Buchstaben zu entziffern. Auf einzelnen Blättern","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"verblaßt Schrift und verschwindet fast, so daß man ein leeres Blatt zu sehen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"vermeint. Je weiser man ist, desto mehr kann man lesen, und der Weiseste","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"liest das Allermeiste. Der Weise wußte das Licht der Sterne, der Sonne, der","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"verborgenen Kräfte und des Geistes zu sammeln. Im Glanze dieses verstärkten","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Lichtscheins trat bei ihm noch mehr von der Schrift hervor, jedoch bei dem","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Abschnitt des Buches: \"Das Leben nach dem Tode\" war auch nicht ein Tipfelchen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"mehr zu sehen. Das betrübte ihn; – sollte es keine Macht geben, die ihn hier","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"auf Erden ein Licht finden hieße, bei dessen Scheine sichtbar wurde, was hier im","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Buche der Wahrheit stand?","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Wie der weise König Salomo verstand er die Sprache der Tiere, er hörte ihre","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Gesänge und Gespräche, aber dadurch wurde er nach jener Richtung nicht klüger.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Er erkundete die geheimen Kräfte der Pflanzen und Metalle, kannte die Kräfte,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"um Krankheiten zu vertreiben, um den Tod fernzuhalten, aber kein Mittel, um ihn","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"zu vernichten. In allem Erschaffenen, das ihm erreichbar war, suchte er nach dem","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Lichte, das die Vergewisserung eines ewigen Lebens beleuchtete, aber er fand es","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"nicht; das Buch der Wahrheit lag wie mit unbeschriebenen Blättern vor ihm. Das","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Christentum verwies ihn auf der Bibel Vertröstung auf ein ewiges Leben, aber er","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"wollte es in seinem Buche lesen, und darin sah er nichts.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Fünf Kinder hatte er, vier Söhne, klug belehrt, wie nur der weiseste Vater seine","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Kinder belehren kann, und eine Tochter, schön, sanft und klug, aber blind, doch","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"es schien für sie keinen Verlust zu bedeuten. Der Vater und die Brüder waren","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"ihre Augen, und ein inneres Gefühl ließ sie die Dinge recht erkennen.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Nie hatten sich die Söhne weiter vom Schlosse entfernt, als die Zweige des","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Baumes sich erstreckten, die Schwester noch weniger; sie waren glückliche Kinder","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"in der Kindheit Heim, in der Kindheit Land, im herrlichen, duftenden Baume der","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Sonne. Wie alle Kinder hörten sie gerne erzählen, und der Vater erzählte ihnen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"vieles, was andere Kinder nicht verstanden haben würden, aber diese Kinder","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"waren so klug wie bei uns die alten Menschen es sind. Er erklärte ihnen, was","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"sie als lebende Bilder an den Wänden des Schlosses sahen, der Menschen Tun und","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"der Begebenheiten Gang in allen Ländern der Erde, und oft wünschten die Söhne,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"mit dort draußen zu sein und an all den Heldentaten teilzunehmen. Da sagte ihnen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"der Vater, daß es schwer und bitter sei, in der Welt zu leben, sie wäre nicht","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"ganz so licht, wie sie es von ihrer herrlichen Kinderwelt aus sähen. Er sprach","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"zu ihnen von dem Schönen, dem Wahren und dem Guten, sagte ihnen, daß diese drei","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Dinge die Welt zusammenhielten, und unter dem Druck, den sie erlitten, entstünde","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"ein Edelstein, klarer als der Diamanten Wasser; sein Glanz habe Wert sogar vor","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Gott, alles überstrahle er, und er sei es, den man \"den Stein der Weisen\" nenne.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Er sagte ihnen, daß man, eben wie man durch das Erschaffene zu der Erkenntnis","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Gottes, so durch die Menschen selbst zur Erkenntnis gelange, daß ein solcher","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Edelstein sich finden müsse. Mehr konnte er darüber nicht sagen, mehr wußte er","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"nicht. Diese Erzählung wäre nun für andere Kinder schwer zu begreifen gewesen,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"aber diese Kinder verstanden sie, und später wird das Verständnis wohl auch für","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"die anderen kommen.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Sie befragten den Vater nach dem Schönen, Wahren und Guten, und er erklärte es","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"ihnen; vieles sagte er ihnen, sagte ihnen auch, daß Gott, als er den Menschen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"aus Erde erschuf, seinem Geschöpfe fünf Küsse, Feuerküsse, Herzensküsse, innige","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Gottesküsse gab, und diese gaben ihm das, was wir jetzt die fünf Sinne nennen.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Durch sie wird das Schöne, Wahre und Gute sichtbar, fühlbar und erkennbar, durch","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"sie wird es geschätzt, beschirmt und gefördert.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Darüber dachten die Kinder nun viel nach, Tag und Nacht beschäftigte es ihre","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Gedanken; da träumte der älteste der Brüder einen herrlichen Traum, und seltsam","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"genug, der zweite Bruder träumte ihn auch, und der dritte träumte ihn und der","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"vierte. Jeder von ihnen träumte ein und dasselbe. Er träumte, daß er in die Welt","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"zöge und den Stein der Weisen fände. Wie eine leuchtende Flamme erstrahlte er","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"auf seiner Stirn, als er im Morgenschimmer auf seinem pfeilschnellen Roß zurück","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"über die samtgrünen Wiesen im Garten der Heimat zu seinem väterlichen Schlosse","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"ritt, und der Edelstein wärfe ein so himmlisches Licht, einen solchen Glanz über","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"die Blätter des Buches, daß sichtbar wurde, was dort geschrieben stand über das","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Leben jenseits des Grabes. Die Schwester träumte nicht davon. In die weite Welt","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"hinaus zu ziehen, kam ihr nicht in den Sinn, ihre Welt war ihres Vaters Haus.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Ich reite in die weite Welt hinaus!\" sagte der Älteste; \"erproben muß ich doch","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"einmal ihren Gang und mich zwischen den Menschen umhertummeln; nur das Gute und","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Wahre will ich, mit diesem werde ich das Schöne beschützen. Vieles soll anders","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"werden, wenn ich mich seiner annehme!\" Ja, er dachte kühn und groß, wie wir alle","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"es in unserer Ofenecke tun, ehe wir in die Welt hinauskommen und Regen und Sturm","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"und Dornen zu fühlen bekommen.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Die fünf Sinne waren innerlich und äußerlich, bei ihm wie auch bei den anderen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Brüdern, außergewöhnlich fein entwickelt, aber jeder von ihnen hatte in","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Sonderheit einen Sinn, der in Stärke und Entwicklung die anderen weit übertraf.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Bei dem Ältesten war es das Gesicht, das ihm besonders zugute kommen sollte.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Er hatte Augen für alle Zeiten, sagte er selbst, Augen für alle Völkerschaften,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Augen, die bis unter die Erde hinab, wo die Schätze lagen, und bis in die","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"tiefste Tiefe der Menschenbrust sehen konnten, als sei nur eine gläserne Scheibe","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"darüber – das heißt, er sah mehr, als wir beim Erröten und Erbleichen der Wange,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"im Lächeln und Weinen des Auges sehen können. – Hirsch und Antilope begleiteten","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"ihn bis an die Grenze nach Westen, dort kamen wilde Schwäne, die nach Nordwesten","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"flogen, und ihnen folgte er. Nun war er in der weiten Welt, fern dem Lande des","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Vaters, das sich \"gegen Osten am Ende der Welt\" erstreckte.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Hei, wie er die Augen aufriß. Da gab es vieles zu sehen; es ist immer etwas","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"anderes, die Orte und Dinge selbst zu sehen, als sie in Bildern zu erfassen,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"mögen diese auch noch so gut sein, und sie waren außergewöhnlich gut, die Bilder","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"daheim in seines Vaters Schloß. Er war nahe daran, gleich im ersten Augenblick","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"beide Augen vor Verwunderung über all das Gerümpel, den Fastnachtsaufputz, der","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"als das Schöne hingestellt wurde, zu verlieren, aber er verlor sie nicht, er","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"hatte eine andere Bestimmung für sie.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Gründlich und ehrlich wollte er bei der Erkenntnis des Schönen, des Wahren und","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"des Guten zu Werke gehen; aber wie stand es damit? Er sah, wie oft das Häßliche","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"die Krone errang, wo das Schöne sie verdiente, wie das Gute nicht bemerkt wurde","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"und die Mittelmäßigkeit an seiner Stelle die Bewunderung einheimste. Die Leute","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"sahen wohl die Verpackung, aber nicht den Inhalt, sahen das Kleid, aber nicht","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"den Mann, sahen den Ruf, aber nicht die Berufung. Aber das ist einmal so.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Da werde ich wohl tüchtig zupacken müssen!\" dachte er, und er packte zu. Aber","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"während er das Wahre suchte, kam der Teufel, der Vater der Lüge und die Lüge","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"selbst. Gern hätte er dem Seher gleich beide Augen ausgeschlagen, aber das","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"wäre zu grob gewesen; der Teufel geht feiner zu Werke. Er ließ ihn das Wahre","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"suchen und das Gute zugleich, aber während er sich danach umblickte, blies ihm","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"der Teufel einen Splitter ins Auge, ja in beide Augen, einen Splitter nach dem","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"anderen; das ist nicht gut für das Gesicht, selbst nicht für das beste Gesicht.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Dann blies der Teufel die Splitter auf, bis sie zu einem Balken wurden, da war","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"es mit den Augen vorbei, und der Seher stand gleich einem blinden Manne mitten","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"in der weiten Welt und traute ihr nicht mehr. Er gab seine gute Meinung über sie","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"und sich selbst auf, und wenn man beides, die Welt und sich selbst aufgibt, ja,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"dann ist es wirklich mit einem vorbei.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Vorbei!\" sagten die wilden Schwäne, die über das Meer hin nach Osten zu flogen;","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Vorbei!\" sangen die Schwalben, die gen Osten zum Baume der Sonne flogen, und","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"das waren keine guten Nachrichten für die daheim.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Wohl ist es dem Seher übel ergangen!\" sagte der zweite Bruder, \"doch kann es","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"dem Hörer besser ergehen\" Der Gehörsinn war es, der bei ihm besonders geschärft","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"war, er konnte das Gras wachsen hören, so weit hatte er es gebracht.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Herzlich nahm er Abschied und ritt von dannen mit guten Gaben und guten","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Vorsätzen. Die Schwalben begleiteten ihn, und er folgte den Schwänen, und dann","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"war er fern von der Heimat draußen in der weiten Welt.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Man kann auch des guten zuviel bekommen; diese Wahrheit mußte er bald erfahren.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Das Gehör war bei ihm zu stark, er hörte ja das Gras wachsen, und deshalb hörte","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"er auch jedes Menschenherz in Freude und Schmerz schlagen; zuletzt war ihm,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"als sei die ganze Welt eine große Uhrmacherwerkstatt, wo alle Uhren gingen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Tik tik\" und alle Turmuhren schlugen \"Kling, klang!\" nein, das war nicht","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"auszuhalten! Aber er hielt die Ohren steif, so lange er konnte. Doch zuletzt","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"wurde all der Lärm und das Geschrei zuviel für einen einzigen Menschen. Da","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"gab es Straßenjungen bis zu sechzig Jahren, das Alter tut es ja nicht immer;","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"sie schrien und lärmten, darüber konnte man noch lachen, aber dann kamen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Klatsch und Tratsch, die durch alle Häuser, Gäßchen und Straßen bis auf die","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Landstraßen hinaus zischelten; die Lüge hatte die lauteste Stimme und spielte","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"den Herrn, die Narrenschelle klingelte und sagte, daß sie die Kirchenglocke","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"sei, da wurde es dem Hörer zu bunt, er steckte die Finger in beide Ohren, –","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"aber noch immer hörte er falschen Gesang und bösen Klang. Klatsch und Tratsch;","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"zäh festgehaltene Behauptungen, die nicht einen sauren Hering wert waren,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"schwirrten über die Zungen, daß sie ordentlich knickten und knackten vor lauter","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Eifer. Da waren Leute und Geräusche, Lärm und donnernder Spektakel, innerlich","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"und äußerlich, bewahre das war ja nicht zum Aushalten, es war gar zu toll! Er","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"steckte die Finger tiefer in seine beiden Ohren und noch tiefer, da sprang ihm","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"das Trommelfell. Nun hörte er gar nichts mehr, auch nicht das Schöne, Wahre und","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Gute, zu dem ihm das Gehör eine Brücke hatte sein sollen. Er wurde mißtrauisch","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"und still, traute niemandem, traute sich selbst zuletzt nicht mehr, und das","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"machte ihn sehr unglücklich; er wollte nicht mehr den mächtigen Edelstein finden","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"und mit heimbringen, er gab das Suchen danach auf, und sich selbst gab er auch","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"auf, das war das Allerschlimmste. Die Vögel, die nach Osten flogen, brachten","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"die Botschaft davon mit, bis sie auch das Schloß des Vaters im Baume der Sonne","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"erreichte. Ein Brief kam nicht, es ging ja auch keine Post dorthin.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Nun will ich es versuchen!\" sagte der Dritte, \"ich habe eine feine Nase!\"","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Das war nun nicht gerade fein gesagt, aber es war seine Art, und man muß","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"ihn hinnehmen, wie er war. Er war die Verkörperung der guten Laune und dazu","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"ein Dichter, ein wirklicher Dichter; er konnte singen, was er nicht zu sagen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"vermochte. Seine Auffassungsgabe überstieg die der anderen an Schnelligkeit","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"bei weitem. \"Ich rieche Lunte\" sagte er wohl bei Gelegenheit, und es war der","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Geruchssinn, der bei ihm in hohem Grade entwickelt war und ihm ein großes Gebiet","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"im Reiche des Schönen zusicherte. \"Einer liebt den Äpfelduft und einer den","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Stallduft!\" sagte er. \"Jedes Duftgebiet im Reiche des Schönen hat sein Publikum.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Manche fühlen sich heimisch in der Kneipenluft beim Qualm des Talglichtdochtes,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"wo der Schnapsgestank sich mit schlechtem Tabaksrauch vermengt, andere sitzen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"lieber im schwülen Jasminduft oder reiben sich mit starkem Nelkenöl ein.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Einige suchen die frische Seebrise auf, andere wieder steigen zu den hohen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Bergesgipfeln hinauf und betrachten von oben das geschäftige Leben und Treiben","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"der anderen!\" Ja, so sagte er. Es war fast, als sei er schon früher in der","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Welt draußen gewesen, hätte mit den Menschen gelebt und sie erkannt, aber diese","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Weisheit kam aus ihm selbst, es war die dichterische Gabe in ihm, die ihm der","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"liebe Gott als Geschenk in die Wiege gelegt hatte.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Nun sagte er dem väterlichen Heim im Baume Lebewohl und ging durch des Baumes","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Herrlichkeit. Draußen setzte er sich auf den Strauß, der geschwinder läuft","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"als das Pferd, und als er später die wilden Schwäne sah, schwang er sich auf","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"den Rücken des stärksten. Er liebte die Veränderung, und so flog er über das","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Meer in fremde Länder mit großen Wäldern, tiefen Seen, mächtigen Bergen und","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"stolzen Städten, und wohin er kam war es, als ginge ein Sonnenschein über das","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Land. Jede Blume, jeder Strauch duftete stärker in der Empfindung, daß ihm ein","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Freund, ein Beschützer nahe, der ihn zu schätzen wußte und ihn verstand, ja,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"der verkrüppelte Rosenstrauch erhob seine Zweige, entfaltete seine Blätter und","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"trug die lieblichste Rose; jeder konnte sie sehen, selbst die schwarze, nasse","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Waldschnecke bemerkte ihre Schönheit.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Ich will der Blume mein Zeichen aufprägen!\" sagte die Schnecke, \"nun habe ich","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"sie bespuckt, mehr kann ich nicht tun.\"","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"So geht es mit dem Schönen in der Welt\" sagte der Dichter, und er sang ein Lied","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"davon, sang es auf seine Weise, aber niemand hörte darauf. Deshalb gab er dem","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Trommelschläger zwei Schillinge und eine Pfauenfeder; da setzte er das Lied für","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"die Trommel um und trommelte es in der Stadt in allen Straßen und Gassen aus.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Nun hörten es die Leute und sagten, sie verstünden es, es sei so tief! Und nun","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"konnte der Dichter mehr Lieder singen, und er sang von dem Schönen, dem Wahren","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"und dem Guten, und es wurde in der Kneipe gehört, wo das Talglicht qualmte, es","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"wurde auf der frischen Kleewiese im Walde und auf offener See gehört. Es ließ","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"sich an, als habe dieser Bruder mehr Glück, als die beiden anderen es gehabt","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"hatten. Aber das war dem Teufel nicht recht. Gleich kam er daher mit allen Arten","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"der Beweihräucherung, die sich auf der Welt finden und auf deren Bereitung sich","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"der Teufel so vorzüglich versteht. Den allerstärksten Weihrauch schleppte er","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"herbei, der alles andere erstickt und selbst einen Engel konfus machen kann,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"geschweige denn einen armen Dichter. Der Teufel weiß recht gut, wie er seine","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Leute zu nehmen hat. Den Dichter nahm er mit Weihrauch, so daß er ganz aus","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"dem Häuschen war, und seine Sendung, sein Vaterhaus – alles, sogar sich selbst","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"vergaß. Er ging völlig auf in all dem Räucherwerk.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Alle Vögelchen trauerten, als sie es hörten, und sangen drei Tage lang nicht.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Die schwarze Waldschnecke wurde noch schwärzer, aber nicht vor Trauer, sondern","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"vor Neid. \"Ich bin es,\" sagte sie, \"die beräuchert werden sollte, denn ich war","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"es, die ihm die Idee zu seinem berühmtesten Lied, der Gang der Welt, das für die","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Trommel gesetzt wurde, gab. Ich war es, die auf die Rose spuckte, dafür kann ich","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Zeugen bringen!\"","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Aber daheim in Indien verlautete nichts davon. Alle Vögelchen trauerten ja und","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"schwiegen drei Tage lang, und als die Trauerzeit um war, ja, da war die Trauer","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"so stark gewesen, daß sie vergessen hatten, um was sie trauerten. So geht es.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Nun muß ich wohl auch in die Welt hinaus und fortbleiben wie die anderen\" sagte","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"der vierte Bruder. Er hatte eine ebenso sonnige Laune wie der vorhergehende","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Bruder, aber er war kein Dichter, und so hatte er allen Grund zu guter Laune.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Die beiden hatten Fröhlichkeit ins Schloß gebracht. Nun ging die letzte","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Munterkeit mit ihm hinaus. Das Gesicht und das Gehör sind stets von den","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Menschen als die wichtigsten Sinne angesehen worden, die man sich besonders","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"stark und scharf wünscht, die drei anderen Sinne werden für minder wesentlich","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"gehalten. Doch das war durchaus nicht die Meinung dieses Sohnes, denn er hatte","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"einen besonders entwickelten Geschmack, und zwar in jeder Richtung, in der","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"dieser Begriff aufgefaßt werden kann, und dieser hat gewaltige Macht und große","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Herrschermöglichkeiten, er regiert über alles, was durch den Mund und Geist","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"geht. Deshalb kostete der vierte Bruder an allem in Pfannen und Töpfen, in","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Flaschen und Schüsseln. Das wäre das Grobe in seinem Berufe, sagte er; jedes","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Menschen Stirn wäre für ihn eine Pfanne, in der es koche, jedes Land eine","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"ungeheure Küche, geistig genommen; das wäre das Feine und nun wolle er hinaus","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"und das Feine erproben.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Vielleicht will mir das Glück besser, als meinen Brüdern!\" sagte er. \"Ich","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"reise nun; aber welches Beförderungsmittel soll ich wählen? Sind die Luftballons","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"schon entdeckt?\" fragte er seinen Vater, der ja von allen Erfindungen wußte,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"die gemacht waren oder gemacht werden würden. Aber der Luftballon war noch","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"nicht entdeckt, auch nicht die Dampfschiffe und Eisenbahnen. \"Ja, dann werde","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"ich doch einen Luftballon nehmen!\" sagte er. \"Mein Vater weiß, wie sie gemacht","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"und gelenkt werden müssen, und ich lerne es. Niemand kennt die Erfindung und","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"so werden sie glauben, es sei ein Trugbild. Wenn ich den Ballon benutzt habe,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"verbrenne ich ihn, wozu Du mir noch ein paar von der zukünftigen Erfindung","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"mitgeben mußt, die 'chemische Schwefelhölzer' genannt wird.\"","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Dies alles bekam er, und dann flog er davon. Die Vögel folgten ihm länger, als","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"sie den anderen gefolgt waren, denn sie wollten doch gern sehen, wie dieser","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Flug ablief. Immer mehr kamen herbei, alle waren neugierig und glaubten, es sei","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"ein neuer Vogel, der dort flöge. Ja, er bekam ein stattliches Gefolge. Die Luft","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"wurde schwarz von Vogelscharen, sie flogen einher wie eine große Wolke, wie die","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Heuschreckenschwärme über Ägypten, und dann war er in der weiten Welt draußen.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Ich habe einen guten Freund und Gehülfen an dem Ostwind gehabt!\" sagte er.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Ostwind und Westwind, meinst Du wohl\" sagten die Winde. \"Wir sind zu zweit","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"gewesen, um uns abzulösen, sonst wärest Du nicht nach Nordwesten gekommen.\"","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Aber er hörte nicht, was die Winde sagten, und das war ja auch gleichgültig.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Die Vögel kamen nun auch nicht länger mit. Als das Gefolge am größten geworden","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"war, wurde einigen die Fahrt über, und sie sagten, es würde zuviel aus der Sache","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"gemacht, sie würde noch ganz eingebildet werden. \"Es lohnt das Hinterherfliegen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"nicht, es ist im Grunde gar nichts, jedenfalls nicht der Rede wert.\" Dann","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"blieben sie zurück, und das blieben nach und nach die anderen auch. Das Ganze","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"war ja nichts.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Der Luftballon ging über einer der größten Städte nieder und der Luftschiffer","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"setzte sich an den höchsten Platz, das war der Kirchturm. Der Ballon stieg","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"wieder himmelwärts, was er nicht sollte. Wo er geblieben ist, ist nicht gut zu","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"sagen, aber das war auch gleich, denn er war ja noch nicht erfunden.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Da saß er nun oben auf dem Kirchturm. Die Vögel flogen nicht zu ihm heran, denn","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"sie hatten es über mit ihm und er mit ihnen ebenfalls. Alle Schornsteine in der","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Stadt rauchten und dufteten.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Es sind Altäre, die für Dich errichtet sind\" sagte der Wind, der ihm etwas","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Angenehmes sagen wollte. Keck saß er dort oben und sah auf die Leute in den","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Straßen hinab; der eine war stolz auf seinen Geldbeutel, der andere auf seinen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Schlüssel, obgleich er nichts aufzuschließen hatte. Einer war stolz auf seinen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Rock, in dem die Motten saßen, ein anderer auf seinen Leib, an dem schon die","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Würmer nagten.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Eitelkeit, ja, ich muß wohl bald hinunter und den Topf anrühren und kosten!\"","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"sagte er. \"Aber hier will ich noch ein wenig sitzen bleiben, der Wind kitzelt","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"mir so herrlich den Rücken, mir ist richtig behaglich zumute. Ich bleibe hier so","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"lange sitzen, wie der Wind bläst. Ich will ein wenig Ruhe haben. Es ist gut, am","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Morgen lange liegen zu bleiben, wenn man viel zu tun hat, sagt der Faule. Aber","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Faulheit ist die Wurzel alles Übels, und Übles gibt es in unserer Familie nicht.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Das sage ich und das sagt wohl jeder Sohn. Ich bleibe sitzen, solange dieser","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Wind bläst, es schmeckt mir.\"","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Und er blieb sitzen; aber er saß auf des Turmes Wetterhahn, der drehte und","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"drehte sich mit ihm, sodaß er glaubte, es sei noch immer derselbe Wind. Also","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"blieb er sitzen, und da konnte er lange sitzen und schmecken!","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Aber im Lande Indien auf dem Baum der Sonne war es leer und stille geworden, als","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"die Brüder einer nach dem anderen fortgezogen waren.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Es geht ihnen nicht gut\" sagte der Vater; \"nie werden sie den leuchtenden","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Edelstein heimbringen, er wird für mich nie gefunden, und sie sind fort, tot.\"","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Und er beugte sich über das Buch der Wahrheit, starrte auf das Blatt, wo er über","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"das Leben nach dem Tode lesen sollte, aber dort war für ihn nichts zu sehen und","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"zu erfahren.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Die blinde Tochter war sein Trost und seine Freude; so innig und liebevoll","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"schloß sie sich ihm an; denn seine Freude und sein Glück wünschte sie, das","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"köstliche Juwel mußte gefunden und heimgebracht werden. In Trauer und Sehnsucht","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"gedachte sie der Brüder. Wo waren sie? Wo lebten sie? Von ganzem Herzen wünschte","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"sie sich, von ihnen zu träumen, aber wunderlich genug, selbst im Traume konnte","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"sie ihnen nicht begegnen. Endlich träumte ihr eines Nachts, daß ihre Stimmen bis","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"zu ihr herüber klängen, sie riefen ihr zu, flehten zu ihr aus der weiten Welt,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"und sie mußte hinaus, weit fort, und doch schien es ihr, als sei sie noch in","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"ihres Vaters Hause. Die Brüder traf sie nicht, aber in ihrer Hand fühlte sie es","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"wie Feuer brennen, doch es schmerzte nicht; sie hielt den leuchtenden Edelstein","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"und brachte ihn ihrem Vater. Als sie erwachte, glaubte sie einen Augenblick","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"lang daß sie ihn noch hielte; es war ihr Rocken, den ihre Hand krampfhaft","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"umklammerte. In den langen Nächten hatte sie unablässig gesponnen; der Faden auf","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"ihrer Spindel war feiner, als das Gewebe der Spinne, Menschenaugen hätten den","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"einzelnen Faden überhaupt nicht entdecken können. Sie hatte ihn mit ihren Tränen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"genetzt, und er war stark wie ein Ankertau. Sie erhob sich, ihr Entschluß war","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"gefaßt, der Traum mußte zur Wahrheit werden. Es war Nacht, ihr Vater schlief,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"sie küßte seine Hand, nahm ihre Spindel und band das Ende des Fadens am Hause","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"ihres Vaters fest, sonst würde sie ja, die Blinde, niemals wieder heimfinden.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"An den Faden wollte sie sich halten, auf ihn verließ sie sich, nicht auf sich","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"selbst und andere. Sie pflückte vier Blätter vom Baume der Sonne, die wollte","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"sie mit Wind und Wetter gehen lassen, damit sie zu den Brüdern als Brief und","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Gruß gelangten, wenn es geschehen sollte, daß sie sie draußen in der weiten Welt","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"nicht fand. Wie würde es ihr wohl dort ergehen, dem armen blinden Kind! Doch sie","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"hatte den unsichtbaren Faden, an dem sie sich halten konnte; weit war sie allen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"den anderen voraus, denn sie nannte eine Gabe ihr eigen: das Gefühl, und durch","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"dieses hatte sie gleichsam Augen in jeder Fingerspitze und Ohren im Herzen.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"So ging sie hinaus in die laute, lärmende, wunderliche Welt, und wohin sie","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"kam, wurde der Himmel sonnenklar, sie konnte die warmen Strahlen empfinden,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"der Regenbogen spannte sich aus der schwarzen Wolke über die blaue Luft, sie","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"hörte der Vögel Gesang, spürte den Duft der Orangen- und Äpfelgärten so stark,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"daß sie fast glaubte, ihn zu schmecken. Weiche Töne und lieblicher Gesang","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"erreichten sie, doch auch Heulen und Schreien; seltsam im Streit miteinander","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"standen Gedanken und Urteil. Tief in ihrem Herzen klangen die Herzens- und","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Gedankenstimmen der Menschenbrust wieder; es erbrauste im Chor:","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Nur Sturm ist unser Erdenlos,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"eine Nacht, darin wir weinen.\"","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Aber es ertönte auch der Gesang:","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Unser Leben ist die lieblichste Ros'","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Und Freudensonnen uns scheinen.\"","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Und klang es bitter:","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Ein jeder denket nur an sich,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Auf den Nutzen geht alles Streben.\"","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"So lautete es als Antwort:","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Ein Strom der Liebe geht inniglich","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Durch unser Erdenleben.\"","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Wohl hörte sie die Worte:","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Das Ganze ist so klein und dumm,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Man kehr einmal die Dinge um.\"","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Aber sie hörte auch:","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Soviele Taten sind groß und gut","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"In der Welt man nichts davon wissen tut.\"","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"und klang es ringsum in brausendem Chor:","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Schab Rübchen nur, lach alles aus,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Bell mit, wenn Hunde bellen!\"","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"so erklang es in des blinden Mädchens Herzen:","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Vertrau auf Gott in Nacht und Graus","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Stets rinnen seine Quellen\"","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Und wo sie im Kreise von Männern und Frauen, bei Alten und Jungen erschien,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"da leuchtete in den Seelen die Erkenntnis des Wahren, Guten und Schönen auf;","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"wohin sie kam, in des Künstlers Werkstätte, in den reichen Festsaal oder in die","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Fabrik zwischen die schnurrenden Räder, war es, als ob ein Sonnenstrahl leuchte,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"eine Seite erklänge, eine Blume dufte oder ein erquickender Tautropfen auf ein","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"verschmachtendes Blatt fiele.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Aber darin konnte sich der Teufel nicht finden. Er hatte mehr Verstand als","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"zehntausend Männer, und so wußte er sich zu helfen. Er ging in den Sumpf, nahm","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"die aus dem fauligen Wasser aufsteigenden Blasen, ließ das siebenfache Echo des","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Lügenwortes über sie hinschallen, um sie kräftiger zu machen. Er pulverisierte","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"bezahlte Ehrenverse und lügenhafte Leichenpredigten, so viele sich nur finden","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"ließen, kochte sie in Tränen, die der Neid geweint hatte, streute oben etwas","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Schminke darauf, die von einer vergilbten Jungfernwange gekratzt war, und schuf","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"hieraus eine Mädchengestalt, die in Bewegung und Aussehen der des segensreichen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"blinden Mädchens glich. \"Den milden Engel des Gefühls\" nannten sie die Menschen,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"und so darauf legte der Teufel sein Spiel an. Die Welt wußte nicht, wer von den","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"beiden die Richtige war, und woher sollte die Welt das auch wissen.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Vertrau auf Gott in Nacht und Graus,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Stets rinnen seine Quellen.\"","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Sang das blinde Mädchen in vollem Glauben. Die vier grünen Blätter vom Baume","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"der Sonne hatte sie Wind und Wetter übergeben, um sie als Brief und Gruß an","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"ihre Brüder gelangen zu lassen, und sie war dessen ganz sicher, daß ihr Wunsch","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"sich erfüllen würde, ja, und auch das Juwel würde sich finden, das alle irdische","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Herrlichkeit überstrahlte; von der Menschheit Stirn würde es bis zu ihres Vaters","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Haus leuchten.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Bis zu meines Vaters Hause\" wiederholte sie, \"ja, auf der Erde ist des","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Edelsteines Stätte, und mehr als die Überzeugung davon bringe ich mit. Ich spüre","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"bereite seine Glut, stärker und stärker schwillt sie in meiner geschlossenen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Hand. Jedes Wahrheitskörnchen, so fein, daß der scharfe Wind es tragen und","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"mit sich fahren konnte, fing ich auf und bewahrte es. Ich ließ es vom Dufte","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"alles Schönen durchdringen, und es gibt in der Welt soviel davon, selbst für","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Blinde. Ich nahm den Klang vom Herzschlage guter Menschen und legte ihn dazu.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Staubkörnchen sind alles, was ich bringe, aber doch der Staub jenes Edelsteines","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"in reicher Fülle, meine ganze Hand ist voll davon\" und sie streckte sie aus –","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"dem Vater entgegen. Sie war in der Heimat; mit der Schnelle des Gedankenfluges","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"hatte sie sie erreicht, während sie den unsichtbaren Faden nach ihres Vaters","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Hause nicht fahren ließ.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Die bösen Mächte fuhren mit Orkangewalt über der Sonne Baum hin, drangen mit","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"einem Windstoß durch die offene Tür in die verborgene Schatzkammer ein.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Der Wind weht es fort\" rief der Vater und griff um die Hand, die sie geöffnet","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"hatte.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"\"Nein\" rief sie mit gläubigem Bewußtsein. \"Es kann nicht verwehen. Ich fühle wie","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"sein Strahl tief innen meine Seele wärmt.\"","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Und der Vater erschaute eine leuchtende Flamme, als der Staub aus ihrer Hand","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"über die weißen Blätter des Buches wehte, die von der Gewißheit des ewigen","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Lebens Kunde geben sollten; in blendendem Glanze stand dort eine Schrift, ein","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"einziges sichtbares Wort nur, das eine Wort:","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Glaube.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Und bei ihnen waren wieder die vier Brüder; Sehnsucht nach der Heimat hatte","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"sie ergriffen und geführt, als das grüne Blatt auf ihre Brust gefallen war. Sie","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"waren gekommen, und die Zugvögel folgten ihnen und der Hirsch, die Antilope und","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"alle Tiere des Waldes. Sie wollten auch teilnehmen an der Freude, und weshalb","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"sollten es die Tiere nicht, wenn sie es fühlen konnten.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Wie eine leuchtende Staubsäule sich vor unseren Augen dreht, wenn durch ein","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Löchlein in der Tür ein Sonnenstrahl in die staubige Stube fällt, nur schöner","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"– denn selbst der Regenbogen ist zu schwer und nicht leuchtend genug an Farbe","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"gegen den Anblick, der sich hier zeigte – erhob sich aus den Blättern des Buches","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"von dem leuchtenden Worte \"Glauben\" jedes Wahrheitskörnchen mit dem Glanze des","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Schönen, mit dem Klange des Guten; stärker erstratalte es, als die Feuersäule,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"die in der Nacht, als Moses mit dem Volke Israel nach dem Lande Canaan zog,","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"geleuchtet hatte. Vom Worte Glauben führte der Hoffnung Brücke hinüber zur","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Alliebe Gottes in die Unendlichlkeit.","book":"Der Stein der Weisen"} {"text":"Wenn der Wind über das Gras dahinläuft, kräuselt es sich wie ein Gewässer,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"läuft er über die Saaten hin, dann wogen und wallen sie wie die hohe See; dies","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"ist des Windes Tanz; doch der Wind tanzt nicht nur, er erzählt auch, und wie","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"singt er dann alles so recht aus voller Brust heraus, und wie klingt es gar","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"verschieden in des Waldes Wipfeln, durch die Schallöcher und Ritzen und Sprünge","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"der Mauer! Siehst du, wie der Wind dort oben die Wolken jagt, als seien sie eine","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"verängstigte Lämmerherde! Hörst du, wie der Wind hier unten durch das offene","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Tor heult, als sei er ein Wächter und blase in sein Horn! Mit wunderlichen Tönen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"saust und pfeift er die Esse herab, in den Kamin hinein; das Feuer flammt und","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"knistert dabei und leuchtet weit in das Zimmer, und warm und gemütlich ist das","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Stübchen, gar schön sitzt sich's dort, dem Spuk lauschend.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Lasset den Wind nur erzählen, weiß er doch in Hülle und Fülle Märchen und","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Geschichten, viel mehr als wir alle insgesamt. Hört einmal zu, wie der Wind","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"erzählt: Huh-uh-usch! Dahingebraust! Das ist der Refrain des Liedes.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"\"An den Ufern des Großen Belts, einer der großen Wasserstraßen, die das","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Kattegatt mit der Ostsee verbinden, liegt ein alter Herrensitz mit dicken, roten","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Mauern,\" sagt der Wind; \"ich kenne jeden Stein darin, ich habe sie schon damals","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"gesehen, als sie noch zu der Burg des Marks Stig auf der Landzunge gehörten;","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"aber dort mußte der herunter! Die Steine kamen wieder hinaus und wurden zu","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"einer neuen Mauer, einem neuen Herrensitz an einem anderen Ort, sie wurden zum","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Herrensitz Borreby, wie er jetzt noch steht an der Küste.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Ich habe sie gekannt, die hochadeligen Herren und Frauen, die wechselnden","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Geschlechter, die darinnen gehaust haben; jetzt erzähle ich von Waldemar Daa","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"und seinen Töchtern. Wie stolz trug er die Stirn, war er doch von königlichem","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Geblüt! Er konnte mehr als bloß den Hirsch jagen und den Humpen leeren; das wird","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"sich schon machen,\" pflegte er zu sagen.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Seine Gemahlin schritt stolz in goldgewirkten Gewändern über den blanken,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"getäfelten Fußboden dahin; die Tapeten waren prächtig, die Möbel teuer gekauft,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"sie waren kunstvoll geschnitzt. Gold- und Silberzeug hatte sie ins Haus","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"gebracht, deutsches Bier lagerte im Keller; schwarze, mutige Hengste wieherten","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"im Stall; reich sah es drinnen im Herrenhause von Borreby aus, damals als der","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Reichtum noch herrschte.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Und Kinder waren auch dort: drei feine Jungfräulein, Ida, Johanna und Anna","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Dorothea; die Namen sind mir noch immer geblieben. Reiche Leute waren es,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"vornehme Leute, in Herrlichkeit geboren, in Herrlichkeit erzogen! - \"Huh-uh-","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"usch! Dahingebraust\" sang der Wind, und dann erzählte er weiter:","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"\"Hier sah ich nicht, wie auf anderen alten Herrensitzen, die hochgeborene Frau","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"unter ihren Mägden im Saale und mit ihnen den Spinnrocken drehen; die schlug die","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"klingenden Saiten der Zither und sag dazu, aber nicht immer die alten dänischen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Weisen, sondern Lieder in fremder Sprache. Hier war ein Leben und Lebenlassen,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"fremde Gäste kamen, herangezogen von nah und fern, die Musik klang, die Becher","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"klangen, ich vermochte nicht, diese Klänge zu übertönen! \" sprach der Wind.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"\"Hochmut und Hoffart mit Prunk und Pracht, Herrschaft war da, aber der Herrgott","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"war nicht da!","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Es war gerade am Abend des ersten Maientages,\" sprach der Wind, \"ich kam aus dem","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Westen, hatte gesehen, wie die Schiffe mit Mann und ŽMaus von den Meereswellen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"zermalmt und an die Westküste Jütlands geworfen wurden, ich war über die Heide","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"und über Jütlands waldumsäumte östliche Küste, über die Insel Fünen dahingejagt","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"und fuhr nun über den Großen Belt, ächzend und pustend.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Da legte ich mich zum Ruh auf den Strand von Seeland, in der Nähe vom Herrensitz","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Borreby, wo damals noch der herrlichen Eichenwald prangte.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Die jungen Knechte aus der Gegend lasen Reisig und Äste unter den Eichen auf;","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"die größten und dürrsten, die sie fanden, trugen sie in das Dorf, türmten sie zu","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"einem Haufen auf, zündeten diesen an, und Knechte und Mägde tanzten singend im","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Kreise um den flammenden Scheiterhaufen.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Ich lag ganz ruhig,\" sagte der Wind, \"allein ich berührte leise einen Ast,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"der von dem schönsten Knecht hinzugetragen worden war, und sein Holz flammte","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"am höchsten, er war der Auserkorene und trug von Stund an den Ehrennamen \"Der","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Maienbock\"; er als erster wählte unter den Mägden sein \"Maienlämmchen\" aus, es","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"war eine Freude, ein Jubel, größer als je da drinnen in den Sälen des reichen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Herrensitzes.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Und auf den Herrensitz zu fuhren die hohe Frau und ihre drei Töchter,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"sechsspännig in vergoldeter Karosse; und die Töchter waren zart und jung, drei","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"reizende Blumen: Rose, Lilie und die blasse Hyazinthe. Die Mutter war eine","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"prahlende Tulpe, sie dankte nicht einem aus der ganzen Schar der Knechte und","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Mägde, die im Spiel innehielten und nickend grüßten; man hätte glauben können,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"die gnädige Frau sei etwas steif im Stengel.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Rose, Lilie und die blasse Hyazinthe, ja, ich sah sie alle drei! Wessen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Maienlämmchen würden sie wohl einst werden, dachte ich; ihr Maienbock wird ein","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"stattlicher Ritter sein, ein Prinz vielleicht! - Huh-uh-usch! Dahingebraust!","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Hingebraust?","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Ja, die Karosse brauste dahin mit Ihnen, und die Bauersleute brausten im Tanze","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"dahin. Sie ritten den Sommer ein in alle Dörfer der Gegend.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Aber nachts, als ich mich erhob,\" sprach der Wind, \"legte die hochfürnehme","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Frau sich nieder, um sich nimmermehr zu erheben, es überkam sie das, was alle","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Menschen überkommt, das ist nichts Neues.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Waldemar Daa stand ernst und gedankenschwer eine Weile; der stolzeste Baum kann","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"gebeugt, aber nicht geknickt werden, sprach es in seinem Innern; die Töchter","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"weinten, und alle Leute auf dem Herrensitz trockneten sich die Augen, aber die","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Frau Daa war dahingefahren - und ich fuhr auch dahin, brauste dahin! Huh-uh-","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"usch!\" sprach der Wind.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Ich kehrte wieder, ich kehrte oft wieder über Fünenland und des Beltes Strand,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"ließ mich nieder bei Borreby an dem prächtigen Eichenwald; dort nisteten die","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Fischreiher, die Waldtauben, die blauen Raben und gar der schwarze Storch. Es","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"war Frühjahr, einige hatten noch Eier und brüteten, andere hatten schon die","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Jungen ausgebrütet. Nein, wie sie aufflogen, wie sie schrieen! Die Axt erklang","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Schlag auf Schlag, der Wald sollte gefällt werden, Waldemar Daa wollte ein","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"prächtiges Schiff, ein Kriegsschiff, einen Dreidecker bauen, welchen der König","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"sicher kaufen würde, deshalb fiel der Wald, das Wahrzeichen der Seefahrt,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"der Vögel Obdach. Der Habicht schreckte auf und flog davon, sein Nest wurde","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"zerstört; der Fischreiher und alle Vogel des Waldes wurden heimatlos, sie flogen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"irrend umher in Ängsten und Zorn, ich verstand es wohl, wie ihnen zumute war.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Krähen und Dohlen, schrieen laut wie zum Spott: Krach! Krach! Das Nest kracht!","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Krah, Krah!","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Weit drinnen im Walde, wo die Schar der Arbeiter tobte, standen Waldemar Daa","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"und seine Töchter; und alle lachten sie bei dem wilden Geschrei der Vögel;","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"nur einer, der jüngsten der Töchter, Anna Dorothea, tat es im Herzen weh, und","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"als man darangehen wollte, auch einen schon fast eingegangenen Baum zu fällen,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"auf dessen nacktem Gezweig der schwarze Storch sein Nest gebaut hatte und die","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"kleinen jungen Störche die Köpfe hervorstreckten, bat sie um Schonung für die","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Kleinen und tat es mit nassem Auge, und deshalb ließ man den Baum mit dem Nest","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"des schwarzen Storches stehen. Der Baum war nicht der Rede wert.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Es wurde gehauen und gesägt, ein Schiff mit drei Verdecken wurde gebaut. Der","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Baumeister selber war von geringem Holz, aber von bestem Stolz; Augen und Stirn","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"sprachen davon, wie klug er sei, und Waldemar Daa hörte ihn gern erzählen, und","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"auch sein Töchterklein Ida, die älteste, fünfzehnjährige, hörte ihm gern zu,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"und während er dem Vater ein Schiff baute, baute er sich selber ein Luftschloß,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"in das er und Ida als Mann und Frau einzögen, was auch geschehen wäre, wenn das","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Schloß nur aus steinernen Mauern mit Wällen und Gräben und Wald und Park gewesen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"wäre. Aber seines klugen Kopfes ungeachtet blieb der Meister doch nur ein armer","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Vogel, und was will überhaupt ein Spatz beim Pfauentanz? Huh-uh-usch! - Ich fuhr","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"davon und er auch, denn bleiben durfte er doch nicht und Idalein verschmerzte","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"es, weil sie es verschmerzen mußte!","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Im Stalle wieherten die stolzen Rappen, sie waren das Anschauen wert, und","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"sie wurden auch angeschaut. Der Admiral, der vom König selber gesandt war, um","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"das neue Kriegsschiff zu besichtigen und dessen Kauf einzuleiten, sprach in","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"lauter Bewunderung von den schönen Pferden; ich hörte das Alles!\" sagte der","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Wind, \"ich begleitete die Herren durch die offenen Tür und streute Strohhalme","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"gleich Goldbarren vor ihre Füße. Gold wollte Waldemar Daa, der Admiral wollte","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"die stolzen Rappen, deshalb lobte er sie auch so sehr; allein das wurde nicht","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"verstanden, und darum wurde das Schiff auch nicht gekauft; es blieb auf dem","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Strande liegen, überdeckt mit Brettern, eine Arche Noah, die nie ins Wasser","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"gelangte. Huh-uh-usch, dahingebraust! Hin! Und das war kläglich!","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Zur Winterzeit, wenn die Felder mit Schnee bedeckt und die Gewässer voll","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Treibeis waren, das ich auf die Küste hinaufschob,\" sprach der Wind, \"kamen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Krähen und Raben, einer schwärzer als der andere, große Scharen, und sie ließen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"sich auf das Öde, tote, vereinsamte Schiff am Strand nieder und schrieen in","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"heiseren Tönen vom Wald, der dahin war, von den vielen prächtigen Vogelnestern,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"den heimatlosen Kleinen und alles, alles um des großen Gerümpels, des stolzen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Fahrzeugs willen, das nie hinaussegelte.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Ich machte das Schneegestöber wirbeln, und der Schnee lag wie große Brecher hoch","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"um das Schiff herum, über das Schiff hin! Ich ließ es meine Stimme vernehmen,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"damit er lerne, was ein Sturm zu sagen hat; gewiß, ich tat das meinige, daß es","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Schiffskenntnisse bekam. Huh-uh-usch! Fahr dahin!","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Und der Winter fuhr dahin; Winter und Sommer, sie fuhren und fahren, wie ich","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"dahinfahre, wie der Schnee stiebt, die Apfelblüten stieben, das Laub fällt!","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Dahin, dahin, dahin fahren auch die Menschen!","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Doch die Töchter waren noch jung. Idalein eine Rose, schön zu schauen wie","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"damals, als der Schiffsbaumeister sie sah. Oft faßte ich in ihr langes, braunes","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Haar, wenn sie im Garten am Apfelbaum stand, sinnend und nicht achtend, daß","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"ich ihr Blüten übers Haar streute und es löste, während sie die rote Sonne und","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"den goldenen Himmelsgrund durch das dunkle Gebüsch und die Bäume des Gartens","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"hindurch anblickte.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Ihre Schwester war wie die Lilie, glänzend und schlank, Johanna hatte Haltung","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"und Gestalt, wie die Mutter, etwas steif im Stengel. Gar gern durchwandelte sie","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"den großen Saal, wo die Ahnenbilder hingen; die Frauen waren in Sammet und Seide","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"gemalt, ein kleines perlengesticktes, winziges Hütchen auf die Haarflechten","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"gedrückt; da waren schöne Frauen! Die Herren erblickte man dort in Stahl oder","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"in kostbaren Mänteln, die mit Eichhörnchenfell gefüttert waren, sie trugen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"kleine Halskrausen, und das Schwert war ihnen um die Lende, nicht um die Hüfte","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"geschnallt. Wo würde wohl einst das Bild Johannas dort an der Wand hängen, und","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"wie würde wohl er, der adelige Herr und Gemahl aussehen? Ja, daran dachte sie,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"davon sprach sie leise in sich hinein, ich hörte es, wenn ich durch den langen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Gang in den Saal hineinfuhr und drinnen wieder umkehrte!","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Anna Dorothea, die blasse Hyazinthe, ein vierzehnjähriges Kind nur, war still","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"und versonnen, die großen wasserblauen Augen schauten gedankenschwer drein,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"aber das Lächeln eines Kindes umspielte noch ihre Lippen, ich konnte es nicht","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"hinwegblasen, und ich wollte es auch nicht.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Wir begegneten und im Garten, im Hohlweg, auf Feld und Flur; sie sammelte","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Kräuter und Blumen von denen sie wußte, daß ihr Vater sie zu den Getränken und","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Tropfen gebrauchte, die er zu destillieren wußte; Waldemar Daa war hochmütig und","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"stolz, aber auch kenntnisreich, und er wußte gar vielen; das war kein Geheimnis,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"es wurde auch viel davon gemunkelt; das Feuer brannte selbst zur Sommerzeit","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"in seinem Kamin; er schloß die Kammertür ab, während das Feuer Tage und Nächte","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"lang geschürt wurde, aber davon sprach er nicht viel; die Naturkräfte muß man","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"schweigend bannen, er würde schon bald das Beste ausfindig machen - das rote","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Gold.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Deshalb rauchte es aus dem Kamin, deshalb knistete und flammte es! Ja, ich","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"war dabei!\" erzählte der Wind, \"laß fahren! laß fahren! sang ich durch den","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Schornstein hinab; es wird zu Rauch, Schmauch, Kohle und Asche! Du wirst dich","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"selbst verbrennen! Huh-uh-usch, fahr dahin, fahr dahin! Aber Waldemar Daa ließ","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"es nicht fahren.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Die prächtigen Rappem im Stall - wo blieben die? Die alten silbernen und","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"goldenen Gefäße in Schränken und Kisten, die Kühe auf dem Feld, Haus und Hof?","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Ja, die können schmelzen, in dem goldenen Tiegel schmelzen, und geben doch kein","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Gold.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Es wurde leer in der Scheune und in der Vorratskammer, im Keller und auf dem","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Boden. Die Leute nahmen ab, die Mäuse nahmen zu. Eine Fensterscheibe zersprang,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"eine andere barst, ich brauchte nicht durch die Tür hineinzugehen!\" sagte der","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Wind. \"Wo der Schornstein raucht, wird die Mahlzeit gebraten, der Schornstein","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"rauchte, er, der alle Mahlzeiten verschlang, um des roten Goldes willen.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Ich blies durch das Hoftor, als sei es ein Wächter, der ins Horn blase, aber","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"kein Wächter war da!\" sprach der Wind; \"ich drehte den Wetterhahn an der","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Turmspitze, er schnarrte, als wenn der Turmwächter schnarche, aber es war kein","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Wächter da, Ratten und Mäuse waren da; Armut deckte den Tisch, Armut saß dort","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"im Kleiderschrank und im Küchenschrank; die Tür ging aus den Angeln, Risse und","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Sprünge kamen zum Vorschein, ich ging dort aus, ich ging dort ein,\" sprach der","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Wind, \"deshalb weiß ich auch Bescheid über alles!","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"In Rauch und Asche, in Kummer und in schlafloser Nacht ergraute das Haar im Bart","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"und um die Schläfen, die Haut erblaßte und vergilbte, die Augen schauten gierig","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"nach Gold, nach dem ersehnten Gold.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Ich blies ihm Rauch und Asche in Gesicht und Bart, Schulden statt Gulden, kamen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"heraus. Ich sang durch die zersprungenen Fensterscheiben und die klaffenden","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Mauerritzen hindurch, ich blies hinein in die Truhen der Töchter, in welchen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"die Kleider verblaßt, fadenscheinig dalagen, weil sie immer und immer wieder","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"getragen werden mußten. Dies Lied war den Kindern nicht an der Wiege gesungen!","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Aus dem Herrenleben wurde ein Kummerleben! Ich allein jubelte laut im Schloß,\"","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"sprach der Wind. \"Ich schneite sie ein, das macht warm, sagt man; Holz hatten","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"sie nicht, der Wald war umgehauen, aus dem sie es hätten herbeiholen können.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Es war schneidender Frost; ich schwang mich durch Schallöcher und Gänge, über","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Giebel und Mauern, damit ich flink bliebe. Drinnen lagen sie im Bett, der Kälte","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"wegen, die adeligen Töchter, der Papa kroch unter das lederne Deckbett. Nichts","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"zu beißen, nichts zu brechen, kein Feuer im Kamin, das ist ein Herrenleben! Huh-","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"uh-usch! Laß fahren! Doch das konnte Herr Daa nicht, er konnte es nicht lassen!","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Nach dem Winter kommt der Frühling!,\" sagte er, \"nach der Not kommen die guten","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Zeiten, man muß nur nicht die Geduld verlieren, man muß sie erwarten können!","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Jetzt ist Haus und Hof verpfändet, jetzt ist es die äußerste Zeit - und alsdann","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"wird das Gold schon kommen! Zu Ostern!\"","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Ich hörte, wie er in das Gewebe der Spinne hineinsprach: \"Du flinker kleiner","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Weber! Du lehrst mich ausharren! Zerreißt man dein Gespinst, so beginnst du","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"wieder von neuem und vollendest es! wieder zerrissen - und unverdrossen gehst du","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"wieder an die Arbeit, von neuem! von neuem! Das ist es, war wir tun müssen, und","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"das wird belohnt.\"","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Es war am Ostermorgen, die Glocken klangen herüber von der nahen Kirche, die","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Sonne tanzte am Himmel. In Fieberwallung hatte er die Nacht durchwacht, hatte","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"geschmolzen und abgekühlt, gemischt und destilliert. Ich hörte ihn seufzen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"wie eine verzweifelte Seele, ich hörte ihn beten, ich vernahm, wie er seinen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Atem anhielt. Die Lampe war ausgebrannt, er bemerkte es nicht; ich blies das","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Kohlenfeuer an, es warf den roten Schein in sein kreideweißes Antlitz, das","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"dadurch Farbe bekam, die Augen starrten zusammengekniffen aus ihren tiefen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Höhlen heraus - doch nun wurden sie größer und größer -, als wollten sie","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"zerspringen.\"","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"\"Seht das alchimistische Glas! Es glänzt in dem Glas, glühend, pur und schwer!\"","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Er hob es mit zitternder Hand, er rief mit zitternder Zunge: \"Gold! Gold!\"","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Ihm schwindelte dabei, ich hätte ihn umblasen können,\" erzählte der Wind,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"\"allein ich fachte nur die glühenden Kohlen an, begleitete ihn durch die Tür","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"hinein, wo die Töchter saßen und froren. Sein Rock war mit Asche bestreut, Asche","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"hin in seinem Bart, in seinem verworrenen Haar. Er richtete sich hoch auf, hob","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"seinen reichen Schatz in dem zerbrechlichen Glas empor: \"Gefunden! Gewonnen! -","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Gold!\" rief er und hielt das Glas hoch in die Höhe, daß es in den Sonnenstrahlen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"blitzte; uns seine Hand zitterte, und das alchimistische Glas fiel klingend zu","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Boden und zersprang in tausend Stücke, zerplatzt war die letzte Blase seines","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Glückes. Huh-uh-usch! Dahingefahren! Und ich fuhr davon vom Herrenhof des","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Goldmachers.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Im Spätherbst, in den kurzen Tagen, wenn der Nebel kommt und nasse Tropfen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"auf die roten Beeren und die entblätterten Zweige setzt, kehrte ich zurück in","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"frischer Stimmung, jagte durch die Luft, fegte den Himmel rein und knickte die","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"dürren Zweige, was freilich keine große Arbeit ist, aber es muß getan werden. Da","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"wurde auch in anderer Weise reingefegt auf dem Herrensitz Borreby bei Waldemar","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Daa. Sein Feind, Owe Ramel von Basnäs war dort, in der Tasche den Schuldbrief","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"über Haus und Hof und alles, was sich im Hause befand. Ich trommelte an die","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"zersprungenen Fensterscheiben, schlug mit den alten morschen Türen, pfiff durch","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Ritzen und Spalten: Huh-ih! - Herr Owe sollte nicht gerade Lust verspüren,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"dazubleiben. Ida und Anna Dorothea weinten bitterlich; Johanna stand stolz","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"und blaß da, biß sich in den Daumen, daß er blutete, das sollte was helfen!","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Owe Ramel gestattete Herrn Daas bis ans Ende seines Lebens auf dem Herrenhof","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"zu bleiben, aber man dankte ihm nicht für sein Anerbieten; ich lauschte genau","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"darauf; ich sah den obdachlosen Herrn seinen Kopf stolzer erheben und empor","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"werfen, und ich warf mich dermaßen gegen das Haus und die alten Linden, daß","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"einer der dicksten Zweige bracht, der nicht verdorrt war; der Zweig blieb an der","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Einfahrt liegen, ein Reisigbesen, wenn jemand auskehren wollte, und ausgekehrt","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"wurde dort; ich dachte es mir wohl.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Es war ein harter Tag, um Haltung zu bewahren, aber der Sinn war hart. Nichts","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"konnten sie ihr Eigentum nennen, außer was sie an Kleidern am Leib trugen; und","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"doch etwas; das alchimistische Glas, ein neues, das kürzlich gekauft und mit dem","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"angefüllt worden war, was man als verschüttet vom Boden wieder aufgelesen hatte,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"dem Schatz, der viel versprach, aber sein Versprechen nicht hielt. Waldemar","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Daa verbarg des Glas an seiner Brust, nahm darauf seinen Stock zur Hand, und","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"der einst so reiche Herr wanderte mit seinen drei Töchtern aus dem Herrensitz","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Borreby. Ich blies kalt auf seine heißen Wangen, ich strich seinen grauen Bart,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"sein langes weißes Haar, ich sang,, wie ich es eben verstand: Huh-uh-usch!","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Dahingefahren! Dahingefahren! Fahren! Das war das Ende der reichen Herrlichkeit.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Ida schritt an der einen Seite, Anna Dorothea an der anderen Seite des alten","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Mannes dahin: Johanna wandte sich an der Einfahrt um - wozu? Das Glück wollte","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"sich doch nicht wenden. Sie blickte auf das rote Gemäuer der alten Burg des","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Marsk Stig, dachte sie vielleicht an dessen Töchter?","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Die Älteste reicht der Jüngsten die Hand,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"und weit sie fuhren ins fremde Land.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Dachte sie an dieses alte Lied? Hier waren sie ihrer drei, und auch der Vater","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"war dabei. Sie schritten den Weg entlang, wo sie einst dahingefahren waren in","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"der reichen Karosse; sie gingen den Bettlergang mit dem Vater, wanderten hinaus","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"auf das offenen Feld, auf die Heide in die Lehmhütte, die sie für anderthalb","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Taler jährlich Mietzins erstanden hatten, in den neuen Herrensitz mit leeren","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Wänden und leeren Gefäßen, Krähen und Dohlen flogen über die dahin und schrieen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"wie zum Spott: \"Krah, krah, aus dem Nest! Krah, krah!\" wie sie es geschrieen im","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Wald bei Borreby, als die Bäume gefällt wurden.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Herr Daa und seine Töchter hörten es schon; ich strich ihnen um die Ohren, was","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"sollten sie auch viel noch horchen!","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Und sie zogen hinein in die Lehmhütte auf dem offenen Feld, und ich fuhr dahin","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"über Moor und Feld, durch nacktes Gebüsch und entblätterte Wälder, den offenen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Gewässern zu, freien Stranden, anderen Landen, huh-uh-usch! Dahingefahren!","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Fahren! Jahraus, jahrein!\"","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Wie erging es Waldemar Daa? Wie erging es seinen Töchtern? Der Wind erzählt es:","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"\"Die, welche ich zuletzt sah, ja zum letztenmal, war Anne Dorothea, die blasse","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Hyazinthe, damals war sie alt und gebeugt, es war ein halbes Jahrhundert später.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Sie blieb länger am Leben als die anderen, sie wußte alles.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Drüben auf der Heide, bei der alten jütländischen Kreisstadt Wiborg, lag das","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"neue schöne Haus des Dompropstes aus roten Mauersteinen mit gezacktem Giebel;","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"der Rauch quoll dicht aus dem Schornstein heraus. Die sanfte Frau Propstin und","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"die holden Töchter saßen im Erker und schauten über das hängende Hagedorngebüsch","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"des Gartens hinaus in die braune Heide. Wonach schauten sie? Ihre Blicke blieben","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"an dem Storchennest draußen auf der baufälligen Hütte haften; das Dach bestand","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"aus Moos und Laub, soweit überhaupt ein Dach da war, am meisten deckte das Nest","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"des Storches, und das allein wurde auch instand gehalten, der Storch hielt es","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"instand.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Das war ein Haus zum Anschauen, nicht zum Anfassen, ich mußte behutsam damit","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"umgehen!\" sagte der Wind. \"Um des Storchennestes willen ließ man das Häuschen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"noch stehen, es verunstaltete sonst die Heidelandschaft. den Storch wollte","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"man nicht wegjagen, deshalb ließ man die Hütte stehen, und die Arme, die darin","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"wohnte, konnte denn auch da wohnen bleiben; das hatte sie dem ägyptischen Vogel","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"zu verdanken, oder war es vielleicht Vergeltung, weil sie einst Fürbitte für das","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Nest seines schwarzen Bruders im Wald bei Borreby getan hatte? Damals war sie,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"die Arme, ein junges Kind, eine zarte, blasse Hyazinthe in dem adeligen Garten.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Sie erinnerte sich alles dessen, Anna Dorothea.\"","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"\"Oh! oh!\" - - \"Ja, die Menschen können seufzen, wie es der Wind tut im Schilf","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"und im Röhricht. Oh! - keine Glocken läuteten bei deinem Begräbnis, Waldemar","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Daa! Die armen Schulknaben sangen nicht, als der ehemalige Herr zu Borreby","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"in die Erde gebettet ward! - Oh! Alles hat doch ein Ende, auch das Elend! -","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Schwester Ida wurde das Weib eines Bauern! Das war unserem Vater die härteste","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Prüfung! Der Mann der Tochter ein elender Leibeigener, der vom Gutsherrn aufs","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"hölzerne Pferd gebracht werden konnte! Jetzt ist er wohl unter der Erde? Und","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"auch du, Ida? - O ja! O ja! Es ist doch noch nicht zu Ende, ich Arme! Vergönne","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"mir zu sterben, reicher Christ!\"","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Das war Anna Dorotheas Gebet in der elenden Hütte, die man noch des Storches","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"wegen stehen ließ.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Der flinksten der Schwestern nahm ich mich an!\" sprach der Wind, mannhaft war","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"ihr Sinn, und in Manneskleidern, als Knecht, verdingte sie sich an Bord eines","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Schiffes; wie war karg mit Worten, finster von Gesicht, aber willig bei ihrer","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Arbeit; doch das Klettern verstand sie nicht - so blies ich sie denn über Bord,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"ehe noch jemand erfuhr, daß sie ein Weib war, und das war meiner Ansicht nach","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"gut gemacht!\" sagte der Wind.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"\"An einem Ostermorgen wie damals, als Waldemar Daa wähnte, er habe das rote","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Gold gefunden, vernahm ich Psalmenklänge unter dem Strochennest, zwischen den","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"mörschen Wänden, es war Anna Dorotheas letztes Lied.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Ein Fenster war nicht da, nur ein Loch in der Wand. Die Sonne kam herauf,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"einem Goldklumpen gleich, und setzte sich hinein. Das war ein Glanz! Ihre Augen","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"brachen, ihr Herz brach! Das hätten sie auch getan, wenn die Sonne an jedem","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Morgen nicht auf Anna Dorothea geschienen hätte.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Der Storch deckte ihre Hütte bis zu ihrem Tod! Ich sang an ihrem Grab!\" sprach","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"der Wind, \"ich sang am Grab ihres Vaters, ich weiß, wo sein Grab und auch wo das","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"ihrige ist, das weiß sonst niemand.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Neue Zeiten, andere Zeiten! Die alte Heerstraße führt in das umzäunte Feld; wo","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"die gehegten Gräber lagen, schlängelt sich die Landstraße, und bald kommt der","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Dampf mit seiner Wagenreihe und braust über die Gräber hin, die vergessen sind","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"wie die Namen, huh-uh-usch! Dahingefahren!","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Das ist die Geschichte von Waldemar Daa und seinen Töchtern. Erzählt sie besser,","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"ihr anderen, wenn ihr könnt!\" sprach der Wind und drehte sich. Dahin war er.","book":"Der Wind erzählt von Waldemar Daa und seinen Töchtern"} {"text":"Die Geschichte von dem Mädchen, das auf das Brot trat, um sich die Schuhe nicht","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"zu beschmutzen, und dem es dann gar schlecht erging, ist wohlbekannt, sie ist","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"geschrieben und sogar gedruckt.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Inge hieß das Mädchen; sie war ein armes Kind, stolz und hochmütig; es war ein","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"schlechter Kern in ihr, wie man sagt. Schon als ganz kleines Kind hatte sie","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"ihre Freude daran, Fliegen zu fangen diesen die Flügel auszurupfen und sie so","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"in Kriechtiere zu verwandeln. Später nahm sie den Maikäfer und den Mistkäfer,","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"steckte jeden an eine Nadel, schob dann ein grünes Blatt oder ein kleines Stück","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Papier zu ihren Füßen hin, und das arme Tier faßte es und hielt es fest, drehte","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"und wendete es, um von der Nadel loszukommen.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"»Jetzt liest der Maikäfer!« sagte Inge, sieh mal, wie er das Blatt wendet!« Mit","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"den Jahren wurde sie eher immer schlechter als besser, aber hübsch war sie, und","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"das war ihr Unglück, sonst wäre sie schon anders hergenommen worden, als sie es","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"eben wurde.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"»Der Kopf braucht eine scharfe Lauge!« sagte ihre eigene Mutter. »Als Kind hast","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"du mir oft auf der Schürze herumgetrampelt, ich fürchte, du wirst mir später","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"aufs Herz treten.« Und das tat sie auch.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Sie kam aufs Land in Dienst zu vornehmen Leuten, und diese hielten sie wie ihr","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"eigenes Kind, als solches ging sie auch gekleidet; gut sah sie aus, und der","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Hochmut nahm zu.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Als sie etwa ein Jahr dort war, sagte ihre Herrschaft zu ihr: »Du sollst doch","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"einmal deine Eltern besuchen, Inge!«","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Und Inge begab sich auch auf den Weg zu ihren Eltern, aber nur, um sich in der","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Heimat zu zeigen; dort sollten die Leute sehen, wie fein sie geworden war; doch","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"als sie am Eingang des Dorfes anlangte und die jungen Burschen und Mädchen dort","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"plaudernd stehen sah und auch ihre Mutter darunter erkannte, die auf einen Stein","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"saß und sich ausruhte, vor sich ein Bündel Reisig, das sie im Wald gesammelt","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"hatte, da kehrte Inge um, sie schämte sich, daß sie, die so fein angekleidet","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"war, eine solch zerlumpte Frau, die Reisig auflas, zur Mutter hatte. Es reute","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"sie gar nicht, daß sie umkehrte, sie war nur ärgerlich.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Und wieder verstrich ein halbes Jahr. »Du solltest doch wieder einmal in deine","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Heimat gehen und deine alten Eltern besuchen, Inge!« sagte ihre Dienstherrin.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"»Ich schenke dir ein großes Weißbrot, das du ihnen geben kannst; sie werden sich","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"gewiß freuen, dich wiederzusehen!«","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Und Inge zog ihren besten Staat und ihre neuen Schuhe an und hob die Kleider","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"hoch und schritt gar vorsichtig einher, damit sie rein und nett um die Füße","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"bleibe, und das konnte man ihr auch nicht verargen! Als sie aber dorthin","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"gelangte, wo der Fußweg über das Moor führt und wo Lachen und Schmutz sind,","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"warf sie das Brot in den Schmutz und trat darauf, damit sie mit reinen Schuhen","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"hinüberkäme. Allein, wie sie so dastand, den einen Fuß auf dem Brot, den anderen","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"in der Luft, um weiterzuschreiten, sank das Brot mit ihr tiefer und tiefer,","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"sie verschwand ganz und gar, und nur eine große Lache, die Blasen warf, war zu","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"sehen. Das ist die Geschichte.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Aber wohin geriet Inge? Sie versank in den Moorgrund und kam zu der Moorfrau","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"hinunter, die dort braut. Die Moorfrau ist die Base der Elfenmädchen, die","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"bekannt genug sind, von denen man Lieder singt und die man abgemalt findet,","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"aber von der Moorfrau wissen die Leute nur, daß sie es ist, die braut, wenn","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"die Wiesen im Sommer dampfen. Hier in die Brauerei der Moorfrau hinab versank","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Inge, und dort ist es nicht lange auszuhalten. Die Schlammgrube ist ein helles","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Prunkgemach gegen die Brauerei der Moorfrau! Jedes Gefäß stinkt so, daß die","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Menschen davon ohnmächtig werden und dann stehen die Gefäße eng aneinander","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"gepreßt und gibt es irgendeine kleine Öffnung zwischen ihnen, durch welche","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"man sich hindurchdrängen könnte, so ist das doch nicht möglich, wegen all der","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"nassen Kröten und fetten Schlangen, die sich hier förmlich verfilzen; hier hinab","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"versank Inge; all das Ekelhafte, lebendige Gekrieche war so eisig kalt, daß ihr","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"alle Glieder fröstelten, ja, daß sie immer mehr erstarrte. An dem Brot blieb sie","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"fest hängen, und das Brot zog sie hinab, wie ein Bernsteinknopf einen Strohalm","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"anzieht.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Die Moorfrau war zu Hause, die Brauerei hatte an dem Tag Besuch, wie wurde","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"besichtigt vom Teufel und seiner Großmutter, und des Teufels Großmutter ist","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"ein altes, sehr giftiges Frauenzimmer, das nimmer müßig ist; sie reitet nie auf","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Besuch aus, ohne ihre Handarbeit mit sich zu führen, und die hatte sie denn auch","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"hier bei sich. Sie nähte Leder für die Schuhe der Mensch, so daß diese immer","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"umherwuzeln mußten und kein Sitzfleisch haben konnten; sie stickte Lügengewebe","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"und häkelte unbesonnene Worte, die zur Erde gefallen waren, alles zum Schaden","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"und Verderben. Ja, die konnte nähen, sticken und häkeln, die alte Großmutter.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Sie gewahrte Inge, hielt ihr Brillenglas vors Auge und besah sich das Mädchen","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"noch einmal: »Das ist ein Mädchen, das Fähigkeiten besitzt!« sprach sie, »und","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"ich bitte mir die Kleine zur Erinnerung an meinen Besuch hier aus! Sie wird ein","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"passendes Postament in dem Vorgemach meines Enkels bekommen!« Und sie bekam sie.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Auf diese Weise kam Inge in die Hölle. Dahinein fahren die Leute nicht immer","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"auf direktem Wege, aber sie können auf Umwegen hinkommen, wenn sie Fähigkeiten","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"besitzen.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Das war ein Vorgemach ohne Ende; es schwindelte einem, wenn man vorwärts","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"schaute, und es schwindelte einem, wenn man rückwärts schaute, und eine Schar","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"von Verschmachtenden stand hier, die da harrte, daß ihnen das Tor der Gnade","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"aufgetan werden sollte; sie hatte lange zu warten! Große, fette, watschelnde","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Spinnen spannen tausendjähriges Gewebe über ihre Füße hinweg, und dieses","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Gewebe schnitt ein wie Fußangeln und fesselte wie kupferne Ketten; und außerdem","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"gärte noch eine ewige Unruhe in jeder Seele, eine Unruhe voll des Jammers. Der","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Geizige stand da und hatte den Schlüssel zu seinem Geldkasten vergessen, und der","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Schlüssel steckte darin, das wußte er. Ja, es wäre zu weitläufig, alle Arten der","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Peinigungen und des Jammers herzuzählen, die dort erlitten wurden. Inge empfand","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"es als entsetzliche Pein, dort auf einem Postament stehen zu müssen; sie war","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"gleichsam von unten an das Brot genagelt.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"»Das hat man davon, wenn man sich die Füße rein und sauber bewahren will!«","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"sprach sie zu sich selber. »Seht mal, wie sie mich anglotzen!« Ja, freilich","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"waren die Blicke aller auf sie gerichtet; ihre bösen Gelüste leuchteten ihnen","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"aus den Augen und sprachen ohne Laute aus ihrem Mund, sie waren entsetzlich","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"anzusehen.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"»Mich anzuschauen, muß ein Vergnügen sein!« dachte Inge, »ich habe ein hübsches","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Gesicht und schöne Kleider an!« und nun drehte sie die Augen, den Nacken konnte","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"sie nicht drehen, der war zu steif dazu. Nein, wie war sie im Brauhaus der","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Moorfrau beschmutzt worden, das hatte sie nicht bedacht. Ihre Kleider waren","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"wie mit Schleim berzogen, eine Schlange hatte sich in ihr Haar festgehangen","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"und baumelte ihr am Rücken herab, und aus jeder Falte ihres Kleides guckte","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"eine große Kröte hervor, die wie ein engbrüstiger Mops bellte. Das war sehr","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"unangenehmen. »Aber die anderen hier unten sehen ja auch entsetzlich aus!«","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"meinte sie, und damit tröstete sie sich selber.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Das Schlimmste von allem war jedoch der gräßliche Hunger, den sie verspürte.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Konnte sie sich denn nicht bücken und ein Stück von dem Brot brechen, auf","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"welchem sie stand? Nein, der Rücken war steif, Arme und Hände waren erstarrt,","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"ihr ganzer Körper war wie eine Steinsäule, nur die Augen konnte sie noch im","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Kopfe drehen, ringsherum drehen, so daß sie auch rückwärts zu schauen vermochte;","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"das war ein häßlicher Anblick. Und dann kamen die Fliegen heran, die krochen","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"über ihre Augen hin, hinüber und herüber, sie blinzelte mit den Augen, aber die","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Fliegen flogen nicht davon, denn fliegen konnten sie nicht, die Flügel waren","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"ihnen ausgezupft; sie waren in Kriechtiere verwandelt worden; das war eine Pein,","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"und dazu der Hunger, ja, zuletzt schien es ihr, als fräßen sich ihre Eingeweide","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"selber auf und als würde sie inwendig ganz leer, ganz entsetzlich leer. »Wenn","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"das länger andauern soll, dann halte ich es nicht aus!« sprach sie, aber sie","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"mußte aushalten, und es dauerte immerfort.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Da fiel eine heiße Träne auf ihren Kopf herab, rollte über ihr Antlitz und ihre","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Brust bis ganz auf das Brot, auf welchem sie stand, und es fielen mehr Tränen,","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"viele noch. Wer weinte wohl über Inge? Hatte sie doch auf Erden noch eine","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Mutter! Die Tränen des Kummers, welche eine Mutter über ihr Kind weint, gelangen","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"stets zu dem Kind, aber sie erlösen es nicht, sie brennen, sie vergrößern die","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Pein. Und nun dieser unleidige Hunger und die Qual, das Brot nicht erreichen","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"zu können, auf welchem sie doch mit den Füßen stand! Sie hatte das Gefühl,","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"als wenn ihr ganzes Inneres sich selber verzehrt habe, sie war wie ein dünnes,","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"hohles Rohr, daß jeden Laut einsaugt; sie hörte deutlich alles, was oben auf der","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Erde von ihr gesprochen wurde, und was sie hörte, war hart und bös. Ihre Mutter","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"weinte zwar sehr und war ihretwegen betrübt, aber sie sprach dessenungeachtet:","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"»Hochmut kommt vor den Fall! Das war dein Unglück, Inge! Du hast deine Mutter","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"sehr betrübt!«","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Ihre Mutter und alle oben auf der Erde wußten um die Sünde, die sie begangen","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"hatte, wußten, daß sie auf das Brot getreten war, daß sie versunken und","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"verschwunden war; der Kuhhirt hatte es vom Abhang, vom Moorweg aus gesehen.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"»Wie hast du doch deine Mutter betrübt, Inge!« sagte die Mutter; »Ja, ich hatte","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"es schon geahnt!« »Wäre ich doch nie geboren!« dachte Inge dann, »das wäre weit","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"besser für mich gewesen. Wozu nützt es aber jetzt, daß meine Mutter weint?«","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Sie vernahm, wie ihre Herrschaft, die guten Leute, die sie wie Eltern gehegt","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"und gepflegt hatten, jetzt sprachen und sagten: »Sie war ein sündhaftes Kind,","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"sie hat die Gaben Gottes nicht geachtet, sondern sie mit Füßen getreten, die Tür","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"der Gnade wird sich ihr nur langsam auftun!« »Sie hätten mich züchtigen, mir die","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Mucken austreiben sollen, falls ich welche gehabt habe.«","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Sie hörte, daß ein ganzes Lied auf sei gereimt wurde, das Lied von dem","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"hochmütigen Mädchen, das auf das Brot trat, damit ihre Schuhe rein blieben, und","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"daß man das Lied im ganzen Lande sang.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"»Daß man deshalb so viel Böses hören muß und so viel leiden!« dachte Inge: »die","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"anderen müßten auch ihrer Sünden wegen bestraft werden! Ja, dann wäre freilich","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"viel zu bestrafen! Ach wie ich gepeinigt werde!« Und ihr Sinn verhärtete sich","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"noch mehr als ihr Äußeres. »Hier unten in dieser Gesellschaft kann man nun","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"einmal nicht besser werden! Und ich will auch nicht besser werden! Sieh, wie sie","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"mich anglotzen!« Und ihr Sinn war voll Zorn und Bosheit gegen alle Menschen.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"»Jetzt haben sie endlich dort oben etwas zu erzählen! Ach, wie ich gepeinigt","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"werde!« Und sie hörte auch, wie ihre Geschichte den Kindern erzählt wurde, und","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"die Kleinen nannten sie die gottlose Inge, sie sei so häßlich, sagten sie, so","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"garstig, sie müsse recht gepeinigt werden. Immerfort kamen harte Worte über sie","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"aus Kindermund.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Doch eines Tages, während Gram und Hunger im Innern ihres hohlen Körpers nagten","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"und sie hörte, wie man ihren Namen nannte und ihre Geschichte einem unschuldigen","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Kind, einen kleinen Mädchen, erzählte da vernahm sie, daß die Kleine in Tränen","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"ausbrach bei der Geschichte von der hochfahrenden putzsüchtigen Inge.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"»Aber kommt Inge denn nie mehr herauf?« fragte das kleine Mädchen. Und man","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"antwortete: »Sie kommt nimmermehr herauf!« »Aber wenn sie nun 'bitte, bitte'","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"sagen, um Verzeihung bitten und es nie wieder tun würde!« »Dann wohl, doch sie","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"will nicht um Verzeihung bitten!« hieß es hierauf. »Ich möchte so gern, daß","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"sie es täte!« sagte die Kleine und war ganz untröstlich. »Ich will meine Puppe","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"und all mein Spielzeug darum geben, wenn sie nur heraufkommen darf. Es ist zu","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"schrecklich – die arme Inge!«","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Und diese Worte reichten bis in Inges innerstes Herz, sie taten ihr gleichsam","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"wohl; es war das erste Mal, daß jemand sagte: »Die arme Inge!« und nichts von","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"ihren Fehlern hinzufügte; ein kleines, unschuldiges Kind weinte und bat um Gnade","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"für sie, es wurde ihr dabei ganz sonderbar zumute, sie selber hätte jetzt gern","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"geweint, aber sie vermochte es nicht, sie konnte nicht weinen, und das war auch","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"eine Qual.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Während Jahre dort oben verstrichen – unten, wo sie war, gab es keinen Wechsel","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"–, hörte sie immer seltener Worte von oben, man sprach weniger von ihr. Da drang","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"plötzlich eines Tages ein Seufzer zu ihrem Ohr: »Inge! Inge! Wie du mich betrübt","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"hast! Ich habe es ja gesagt!« Es war ihrer sterbenden Mutter letzter Seufzer.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Zuweilen hörte sie ihren Namen von ihrer früheren Herrschaft nennen, und","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"das waren sanfte Worte, wenn die Frau sagte: »Ob ich Dich doch wohl jemals","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"wiedersehe, Inge? Man weiß nicht, wohin man kommt!« Aber Inge sah wohl ein,","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"daß ihre gute Dienstherrin nie hierher kommen könnte, wo sie war. So verstrich","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"wiederum eine Zeit, eine lange, bittere Zeit.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Da hörte Inge noch einmal ihren Namen nennen und sah über sich gleichsam zwei","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"klare Sterne funkeln; es waren zwei sanfte Augen, die sich auf Erden schlossen.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"So viele Jahre waren seit damals verstriche, als das kleine Mädchen untröstlich","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"war und über 'die arme Inge' weinte, daß das Kind eine alte Frau geworden war,","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"die Gott nun wieder zu sich rufen wollte; und gerade in dieser Stunde, in der","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"die Gedanken alle aus des Lebens ganzem Tun wieder emportauchen, entsann sie","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"sich auch, wie sie einst als kleines Kind recht wehmütig hatte weinen müssen","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"bei der Geschichte von Inge. Jene Stunde und jener Eindruck wurden der alten","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Frau in ihrer Todesstunde dermaßen wieder lebendig, daß sie ganz laut in die","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Worte ausbrach: »Mein Gott und Herr, ob ich nicht auch, wie Inge, oft deine","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Segensgaben mit Füßen getreten und mir nichts Böses dabei gedacht habe. Ob ich","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"nicht auch umhergegangen bin mit hochmütigem Sinn – du hast in deiner Gnade mich","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"nicht sinken lassen, sondern mich aufrecht erhalten! Oh, lasse nicht ab von mir","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"in meiner letzten Stunde!«","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Und die Augen der Alten schlossen sich, und ihrer Seele Auge erschloß sich, das","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Verborgene zu schauen. Sie, in deren letzten Gedanken Inge so lebhaft zugegen","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"gewesen war, sie sah jetzt auch, wie tief hinab Inge gezogen war, und bei dem","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Anblick brach die Fromme in Tränen aus; im Himmel stand sie wie ein Kind und","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"weinte um die arme Inge. Und diese Tränen und Gebete klangen wie ein Echo hinab","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"in die hohle, leere Hülle, welche die gefesselte, gepeinigte Seele umschloß, die","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"nie erwartete Liebe von oben überwältigte sie: ein Engel Gottes weinte um sie!","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Weshalb ward ihr dies wohl vergönnt? Die gepeinigte Seele sammelte gleichsam in","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Gedanken jede Erdenhandlung, die sie verübt hatte, und sie, Inge, zitterte unter","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Tränen, wie sie solche niemals geweint hatte; Kummer über sich selber erfüllte","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"sie, ihr war es, als können sich ihr die Pforte der Gnade nimmer öffnen, und","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"als sie in Zerknirschung dieses erkannte, schoß leuchtend ein Strahl in den","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Abgrund zu ihr hinab, und zwar mit einer Kraft, die weit stärker war als die des","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Sonnenstrahls, durch den der Schneemann auftaut, den die Knaben hinstellen; und","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"weit schneller als die Schneeflocke schmilzt und zu einem Tropfen wird, der auf","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"die warmen Lippen des Kindes fällt, löste sich die versteinerte Gestalt Inges","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"in Nebel auf, ein kleiner Vogel schwang sich im Zickzack des Blitzes hinauf in","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"die Menschenwelt. Aber der Vogel war ängstlich und scheu gegen alles ringsum,","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"er schämte sich seiner selbst, schämte sich vor allen lebenden Geschöpfen und","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"suchte eiligst sich in ein finsteres Loch in einem alten, verwitterten Gemäuer","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"zu verbergen, dort saß er und kauerte, zitternd am ganzen Körper, keinen Laut","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"vermochte er von sich zu geben, er hatte keine Stimme; lange saß er, bevor er","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"all die Herrlichkeit ringsum klar sehen und vernehmen konnte; ja, herrlich war","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"es! Die Luft war frisch und mild, der Mond warf seinen klaren Schein über die","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Erde; Bäume und Gebüsch sandten Düfte aus, und gar traulich war es, wo er saß,","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"sein Federgewand war ganz rein und fein. Nein, wie war doch alles Geschaffenen","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"in Liebe und Herrlichkeit dargebracht! Alles, was sich in der Brust des Vogels","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"regte, wollte sich hinaussingen, aber der Vogel vermochte es nicht, gern hätte","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"er gesungen wie im Frühling der Kuckuck und die Nachtigall. Unser Herrgott, der","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"auch den lautlosen Lobgesang des Wurmes vernimmt, hörte auch hier den Lobgesang,","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"der sich in Gedankenakkorden erhob, so wie der Psalm im Innern Davids klang,","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"bevor er zu Wort und Melodie wurde.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Wochenlang regten diese lautlosen Lieder sich in Gedanken, sie mußten zum","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Ausbruch kommen, mußte es bei dem ersten Flügelschlag einer guten Tat, eine","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"solche mußte getan werden!","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Das heilige Weihnachtsfest kam heran. Der Bauer pflanzte in der Nähe der Mauer","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"eine Stange auf und befestigte daran eine Garbe Hafer, damit die Vögel in der","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Luft auch ein fröhliches Weihnachtsfest und eine gute Mahlzeit hätten, in dieser","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Zeit des Erlösers.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Und die Sonne erhob sich am Weihnachtsmorgen und schien auf die Garbe, und","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"zwitschernde Vögel in Scharen umflatterten die Futterstange, da klang es","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"auch aus dem Mauerloch heraus: »Piep, piep!« Der schwellende Gedanke ward zum","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Laut, das schwache Piepen eine ganze Freudenhymne, der Gedanke einer guten","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Tat erwachte, und der Vogel schwang sich aus seinem Versteck heraus, im Himmel","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"wußten sie schon, was das für ein Vogel war!","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Der Winter war streng, die Gewässer waren zugefroren, die Vögel und die Tiere","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"des Waldes hatten knappe Futterzeiten. Unser kleiner Vogel schwang sich über","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"die Landstraße dahin, und dort in dem Geleise der Schlitten fand er auch hin und","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"wieder ein Körnchen, an den Haltestellen einige Brotkrümelchen, und er selber","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"fraß nur wenig, aber er rief all die anderen verhungerten Sperlinge herbei,","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"damit sie etwas Futter bekämen. Er flog in die Städte hinein, spähte ringsum,","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"und wo eine liebe Hand Brot auf das Fensterbrett für die Vögel gestreut hatte,","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"dort fraß er selber nur ein einzelnes Krümelchen, gab aber alles den anderen","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Vögeln.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Im Verlauf des Winters hatte der Vogel so viele Brotkrümelchen gesammelt und","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"den anderen Vögeln gespendet, daß sie zusammen das ganze Brot aufwogen, aus","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"das Inge getreten hatte, damit ihre Schuhe rein blieben, und als das letzte","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"Brotkrümelchen gefunden und gespendet war, wurden die grauen Flügel des Vogels","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"weiß und breiteten sich weit aus.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"»Dort fliegt eine Seeschwalbe über das Wasser hin!« sagten die Kinder, die","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"den weißen Vogel sahen; nun tauchte er in den See hinab, nun hob er sich empor","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"in den klaren Sonnenschein, er glänzte, es war nicht möglich, zu sehen, wo er","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"blieb; sie sagten, er sei geradewegs in die Sonne geflogen.","book":"Das Mädchen, das auf das Brot trat"} {"text":"In der Welt geht es immer hinauf und hinunter und hinunter und hinauf! – \"Jetzt","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"kann ich nicht höher hinauf!\" sagte der Turmwächter Ole, \"Hinauf und hinunter","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"müssen die meisten Leute erleben; im Grunde genommen werden wir alle zuletzt","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Turmwächter, schauen das Leben und die Dinge von oben an.\" So sprach Ole, mein","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Freund, der alte Wächter, ein kurioser, gesprächiger Kauz, der alles zu sagen","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"schien und der doch gar vieles in seinem ersten Sinn tief im Herzen verbarg.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Ja, er war guter Leute Kind, es gab welche, die da sagten, er sei der Sohn","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"eines Geheimrates oder hätte es sein können; studiert hatte er, war Hilfslehrer,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Hilfsküster gewesen, wozu nützte ihm das Alles! Damals wohnte er bei dem Küster,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"sollte dort alles im Hause haben, freien Unterhalt, wie man sagt, und war noch,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"wie es heißt, ein junger, feiner Herr. Er wollte seine Stiefel mit Glanzwichse","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"geputzt haben, aber der Küster wollte nur Schmiere hergeben und darüber wurden","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"sie uneins; der eine sprach von Geiz, der andere von Eitelkeit, die Wichse ward","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"der schwarze Grund ihrer Feindschaft, und endlich trennten sie sich.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Was er vom Küster forderte, das forderte er von der Welt überhaupt: Glanzwichse,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"und er bekam stets nur Schmiere; deshalb zog er sich endlich von allen Menschen","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"zurück und wurde ein Eremit; aber Eremitentum, Amt und Brot zugleich inmitten","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"einer großen Stadt gibt es nur oben im Kirchturm. Dort stieg er denn auch hinauf","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"und schmauchte seine Pfeife während seines einsamen Turmganges; er blickte hinab","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"und hinauf, dachte nach dabei und erzählte in seiner Art und Weise von dem,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"was er sah und was er nicht sah, was er in Büchern und in sich selber las. Ich","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"lieh ihm oft Bücher, gute Bücher, und an dem Umgang mit ihnen erkennt man den","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Mann. Er liebe weder die englischen Gouvernanten-Romane noch die französischen,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"die ein Gebräu aus Zugwind und Rosinenstengel seien, sagte er, nein, er wolle","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Lebensbeschreibungen, Bücher von den Wundern der Erde haben. Ich besuchte ihn","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"mindestens einmal im Jahre, gewöhnlich gleich nach Neujahr, er sprach dann immer","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"von diesem und jenem, das ihm beim Jahreswechsel in den Sinn gekommen war.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Ich will von drei Besuchen erzählen und werde seine eigenen Worte wiedergeben,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"wenn ich es vermag.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Erster Besuch","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Unter den Büchern, die ich letzthin Ole geliehen hatte, war eins, welches ihn","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"namentlich erfreute und erfüllte, nämlich ein Buch von den Gesteinen.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"\"Ja, das sind wahrhaftige Jubelgreise, diese Gesteine!\" sagte er, \"und an","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"ihnen geht man gedankenlos vorüber! Ich selber habe es getan auf dem Feld","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"und am Strand, wo sie in Mengen liegen. Und über das Straßenpflaster, die","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Pflastersteine, diese Brocken der allerältesten Überreste des Altertums,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"schreitet man auch so ohne weiteres dahin! Auch dies habe ich getan. Jetzt","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"aber zolle ich jedem Pflasterstein meine Hochachtung. Schönsten Dank für das","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Buch, es hat mich mit Gedanken erfüllt und alte Ansichten und Gewohnheiten","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"zum Weichen gebracht, hat mich erpicht gemacht, mehr von der Art zu lesen. Der","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Roman der Erde ist doch der ehrwürdigste aller Romane! Schade nur, daß man die","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"ersten Teile nicht lesen kann, weil sie in einer Sprache abgefaßt sind, die","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"wir nicht gelernt haben; man muß in den Erdschichten, in den Kieselsteinen, in","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"allen Erdperioden lesen, und die handelnden Personen, Herr Adam und Frau Eva,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"treten erst in dem sechsten Teil auf; das ist dann vielen Lesern zu spät, sie","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"möchten sie gleich im ersten Teil haben – mir ist das auch so recht. Ja, das","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"ist ein Roman, ein höchst abenteuerlicher Roman, und wir alle kommen in ihm","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"vor. Wir kribbeln und krabbeln umher und bleiben doch an demselben Ort, aber","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"die Kugel dreht sich, ohne daß das Weltmeer über uns ausgegossen wird; die","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Scholle, auf der wir uns bewegen, hält schon, wie fallen nicht durch; und dann","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"ist es eine Geschichte, die sich durch Millionen von Jahren hindurchzieht und","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"die ewig weitergeht. Besten Dank für das Buch von den Gesteinen, das sind Kerle!","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Die könnten was erzählen, wenn sie es überhaupt könnten! Es ist so recht ein","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Vergnügen, einmal dann und wann ein Nichts zu werden, und vollends, wenn man so","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"hoch sitzt wie ich, und dann zu denken, daß wir alle, selbst mit Glanzwichse,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"weiter nichts sind als Minutenameisen auf dem Erdenhaufen, wenn wir auch Ameisen","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"mit Ordensbändern sind, Ameisen, die gehen und sitzen können! Es wird einem ganz","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"grünschnabelig zumute neben diesen millionenjahralten, ehrwürdigen Gesteinen.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Ich las am Neujahrsabend in dem Buch und hatte mich dermaßen darin vertieft,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"daß ich mein gewöhnliches Neujahrsvergrünen vergaß, nämlich 'Die wilde Jagd nach","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Amack', die kennen Sie sicher nicht!","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Der Ritt der Hexen auf dem Besenstiel ist bekannt genug, der geht in der ersten","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Mainacht zum Brocken, aber wir haben auch eine wilde Jagd, die ist einheimisch","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"und neuzeitig, die geht nach Amack in der Neujahrsnacht.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Alle schlechten Poeten, Poetinnen, Musikanten, Zeitungsschreiber und","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"künstlerischen Notlabilitäten, die, welche nichts taugen, reiten in der","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Neujahrsnacht durch die Luft nach Amack hinaus; sie sitzen rittlings auf","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"ihren Pferden oder Federkielen, Stahlfedern tragen sie nicht, die sind zu","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"steif. Ich sehe das, wie gesagt, in jeder Neujahrsnacht, die Mehrzahl von","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"den Reitern könnte ich beim Namen nennen, aber ich möchte doch nicht ihre","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Feindschaft auf mich laden, sie lieben es nicht, daß die Leute von ihrer","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Amackfahrt auf Federkielen etwas erfahren. Ich habe eine Art Nichte, die","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Fischweib ist und, wie sie sagt, drei geachteten Zeitungsblättern die Schmäh-","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"und Schimpfwörter liefert; sie ist selber dort auf Amack als geladener Gast","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"gewesen, sie wurde hinausgetragen, sie selber hält keinen Federkiel und","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"kann nicht reiten. Die hat es erzählt. Die Hälfte von dem, was sie sagt, ist","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Lüge, aber die andere Hälfte unterrichtet uns zur Genüge. Als sie draußen","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"war, begannen sie die Festlichkeiten mit Gesang, jeder der Gaste hatte sein","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Lied geschrieben, und jeder sang auch sein eigen Lied, denn das Lied war das","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"beste, alles war eins, alles dieselbe Melodie. Darauf marschierten in kleinen","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Kameradschaften diejenigen auf, die nur mit dem Maulwerk tätig sind, als da","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"sind die Glockenspiele, die wechselweise singen; darauf kamen die kleinen","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Trommelschläger, die in den Familienkreisen austrommeln. Bekanntschaft wurde","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"mit denjenigen gemacht, die da schreiben, ohne daß sie ihren Namen dazu","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"hergeben, das heißt hier so viel wie diejenigen, die Schmiere anstatt der","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Glanzwichse gebrauchen; da war der Büttel und sein Bursche, und der Bursche","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"war der Schlimmste, denn sonst beachtet man ihn nicht; da war auch der gute","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Straßenkehrer mit seinem Karren, der den Kehrichtkübel umstülpt und ihn","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"'gut', 'Sehr gut', 'ausgezeichnet' nennt. Und in all dem Vergnügen, das schon","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"die Zusammenkunft gewähren mochte, schloß aus der großen Aasgrube auf Amack","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"ein Stengel, ein Baum, eine ungeheure Blüte, ein großer Erdpilz, ein ganzes","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Dach hervor, das war die Schlaraffenschlange der geehrten Versammlung, an","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"der alles hing, was sie während des alten Jahres der Welt geschenkt hatte;","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"aus dem Baum sprühten Funken wie Feuerflammen, das waren all die von andern","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"entliehenen Gedanken und Ideen, die sie benutzt hatten und die nun sich lösten","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"und dahinfuhren, ein ganzes Feuerwerk. Man spielte 'der Prügel brennt', und die","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"kleinen Poeten spielten 'das Herz brennt'; die Witzigen witzelten, und die Witze","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"rollten donnernd dahin, als schlüge man leere Töpfe an den Türen entzwei. Es war","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"höchst vergnüglich, sagte meine Nichte; eigentlich sagte sie noch vieles, was","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"aber sehr maliziös, aber auch sehr amüsant war – ich sage es nicht wieder, man","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"soll ein guter Mensch und kein Räsoneur sein. Sie werden indes wohl einsehen,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"daß wenn man wie ich einmal Bescheid über das Fest draußen auf Amack weiß, es","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"natürlich ist, daß man jede Neujahrsnacht aufpaßt, damit man die wilde Jagd","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"dahinfahren sieht; vermisse ich in einem Jahr einzelne, die früher dabei waren,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"so sind wiederum neue hinzugekommen, aber dieses Jahr versäumte ich es, mir","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"die Gästen anzusehen, ich rollte davon auf den Gesteinen, rollte dahin durch","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Millionen von Jahren und sah die Steine sich losreißen hoch oben im Norden,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"sah sie auf den Eisschollen umhertreiben, lange bevor die Arche Noah gezimmert","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"ward, sah sie auf dem Meeresgrund hinabsinken und wieder auftauchen mit einer","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Sandbank, die aus den Gewässern emporragte und sagte: 'Dies soll Seeland sein!'","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Ich sah sie die Heimat von Vögeln werden, die wir nicht kennen, bis endlich","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"die Axt ihre Runenzeichen in ein paar von den Steinen hieb, die alsdann in","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"die Zeitrechnung hineingerieten, aber ich war dabei aus aller Zeitrechnung","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"herausgeraten und ganz und gar zu null und nichts geworden. Da fielen drei,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"vier herrliche Sternschnuppen, die klärten wieder auf, gaben den Gedanken einen","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"anderen Schwung: Sie wissen doch, was eine Sternschnuppe ist? Die Gelehrten","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"wissen das sonst nicht! Ich habe nun so meine eigenen Gedanken vom Sternschuß,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"wie der gemeine Mann die Sternschnuppen in vielen Gegenden nennt, und ich","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"gehe von folgendem aus: wie oft wird nicht im geheimen Dank und Segen jedwedem","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"gespendet, der etwas Schönes und Gutes ausgerichtet hat, öfter ist der Dank","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"lautlos, aber er geht nicht verloren! Ich denke mir, er wird vom Sonnenschein","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"aufgefangen, und der Sonnenstrahl bringt den stillempfundenen, verborgenen","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Dank über das Haupt des Wohltäters; ist es ein ganzes Volk, welches durch die","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Zeiten seinen Dank sendet, ja, dann erscheint der Dank als ein Blumenstrauß,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"fällt als eine Sternschnuppe auf das Grab des Wohltäters herab. Mir ist es in","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"der Tat ein großes Vergnügen, wenn ich eine Sternschnuppe, namentlich in der","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Neujahrsnacht, erblicke und dann herausfinden, wem wohl der Dankesstrauß gelten","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"mag. Letzthin fiel eine leuchtende Sternschnuppe im Südwest: ein Danksagen an","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"viele, viele! Wem mochte die Sternschnuppe wohl gelten? Die fiel gewiß, dachte","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"ich, auf den Abhang an dem Flensburger Meerbusen, wo der Danebrog über die","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Gräber Schleppergrells, Lässoes und deren Kameraden weht. Eine fiel auch mitten","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"ins Land hinein, fiel auf Sorö herab, ein Strauß auf Holbergs Ruhestätte, eine","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Danksagung des Jahres von gar vielen, Dank für die herrlichen Komödien!","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Es ist ein großer, ein freudiger Gedanke, zu wissen, daß eine Sternschnuppe","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"auf unser Grab herabfällt; auf das meinige fällt nun freilich keine, kein","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Sonnenstrahl bringt mir eine Danksagung, denn hier ist nichts des Dankes wert!","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Ich bringe es nicht zu Glanzwichse,\" sagte Ole, \"mein Los auf Erden ist nun","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"einmal Schmiere.\"","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Zweiter Besuch","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Es war am Neujahrstag, ich stieg auf den Turm. Ole sprach von den Trinksprüchen,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"die beim Übergang vom alten ins neue Jahr, von der einen Traufe in die Andere,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"wie er sagte, ausgebracht werden. Und so gab er mir seine Geschichte von den","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Gläsern zum besten, und die hatte einen tiefen Sinn.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"\"Wenn in der Neujahrsnacht die Uhr zwölf schlägt, erheben sich die Leute an der","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Tafel, das volle Glas in der Hand, und leeren es und bringen dem neuen Jahr ein","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Hoch. Man beginnt das Jahr mit dem Glas in der Hand, das ist ein guter Anfang","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"für Säufer! Man beginnt das Jahr damit, daß man sich zu Bett legt, das ist ein","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"guter Anfang für Faule! Der Schlaf wird im Verlaufe des Jahres schon eine große","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Rolle spielen, das Glas desgleichen. Wissen Sie wohl, was in den Gläsern wohnt?\"","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"fragte Ole. \"Ja, es wohnen im Glase Gesundheit, Freude und der maßloseste","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Sinnenrausch, es wohnen Verdruß und das herbste Unglück im Glase. Zählen wir","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"einmal die Gläser, ich spreche natürlich von der unterschiedlichen Bedeutung der","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"einzelnen für die verschiedenen Menschen.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Siehst du, das erste Glas, das ist das Glas der Gesundheit, in dem wächst das","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Kraut der Gesundheit; stelle es auf den Balken an der Decke, und am Ende des","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Jahres kannst du dann in der Laubhütte der Gesundheit sitzen.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Nimmst du das zweite Glas – ja, aus dem schwingt sich ein kleiner Vogel empor,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"der zwitschert unschuldig fröhlich, so daß der Mensch seinem Gezwitscher lauscht","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"und vielleicht mit einstimmt: schön ist das Leben! Keine Kopfhängerei! Frischen","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Mut, freudig vorwärts!","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Aus dem dritten Glas erhebt sich ein kleines geflügeltes Kerlchen ein Engelskind","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"darf es freilich nicht genannt werden, denn das Blut eines Kobolds steckt in","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"seinen Adern, und es hat auch das Gemüt eines Kobolds, nicht um dich zu ärgern","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"und dir Verdruß zu bereiten, sondern nur zum Schabernack. Es setzt sich hinter","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"dein Ohr und flüstert dir lustige Einfälle zu, es legt sich in deine Herzgrube","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"und erwärmt dich, daß du recht ausgelassen, der 'gute Kopf' wirst, wie das","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Urteilsvermögen der anderen Köpfe es nennt.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"In dem vierten Glas ist weder Kraut, Vogel noch Kerlchen, in dem Glas ist der","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Gedankenstrich für den Verstand, und über den Strich darf man nie hinaus!","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Nimm das fünfte Glas, und du wirst über dich selber weinen, du wirst so recht","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"innig-vergnüglich gerührt werden, oder es knallt in anderer Weise; aus dem Glas","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"springt mit einem Knall Prinz Karneval, neunfach und über die Maßen lustig; er","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"zieht dich mit sich fort, du vergißt deine Würde, wenn du eine hast, du vergißt","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"mehr, als du vergessen sollst und darfst. Alles ist Tanz, Sang und Klang; die","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Masken reißen dich mit sich fort. Des Teufels Töchter, in Schleier und Seide,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"kommen, herzen mit aufgelöstem Haar und wunderherrlichen Gliedern – reiße dich","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"los, wenn du es vermagst!","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Das sechste Glas – ja, in dem sitzt der Satan selber, ein kleiner,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"wohlgekleideter, einnehmender, höchst angenehmer Mann, der dich durch und","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"durch begreift, dir Recht in allem gibt, dein ganze zweites Ich ist! Er hat","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"eine Laterne bei sich, um dir zu leichten, wenn er dich nach Hause begleitet.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Es gibt eine alte Legende, die vom Heiligen, der eine von den sieben Todsünden","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"wählen sollte und, wie ihm schien, die geringste, die Trunksucht, wählte, in","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"dieser aber alle noch übrigen sechs Sünden beging. Der Mensch und der Teufel","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"vermischten ihr Blut, es ist das sechste Glas, und mit dem treiben alle bösen","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Keime in unserm Innern – ein jeder erhebt sich mit einer Kraft wie das biblische","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Senfkorn, wird zum ganzen Baum und breitet sich über die ganze Welt aus, und die","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"meisten Leute haben dann keine andere Wahl, als in den Schmelzofen zu kommen um","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"umgegossen zu werden.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Das ist die Geschichte der Gläser,\" sagte der Turmwächter Ole, \"und die kann mit","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Glanzwichse und auch mit Schmiere zum besten gegeben werden, je nach Belieben!","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Ich gebe sie mit beiden!\"","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Dritter Besuch","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Dieses Mal stieg ich an dem allgemeinen Umzugstag zu Ole hinauf, weil es an dem","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Tag durchaus nicht angenehm auf den Straßen unten in der Stadt ist; sind sie","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"doch über und über mit Kehricht, Scherben und Überbleibseln aller Art bedeckt,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"nicht zu reden von dem ausgedienten Bettstroh, in dem man umherwaten muß.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Dabei kam ich gerade dazu, wie ein paar Kinder in diesem Schwall von Kehricht","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"umherspielten; sie spielten \"zu Bette gehen,\" das Feld schien ihnen recht","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"passend zu diesem Spiele und höchst einladend zu sein, sie verkrochen sich in","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"dem Bettstroh und zogen ein altes Stück zerfetzter Tapete als Deckbett über","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"sich. \"Das ist gar zu schön!\" sagten sie; mir war das nun ein bißchen zu stark,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"und überhaupt mußte ich ja fort, mußte zu Ole hinauf.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"\"Es ist heute Umzugstag,\" sprach er, \"Straßen und Gassen dienen als","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Kehrichtkübel, als großartige Kehrichtkübel! Mir genügt aber schon ein Wagen","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"voll. Aus dem kann ich schon etwa herauskriegen und ich fand auch manches,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"einmal kurz nach Weihnachten. Ich ging die Straße hinaus, es war ein rauhes","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Wetter, naß, schmutzig, so recht ein Wetter zum Schnupfenholen; der Kehrichtmann","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"war da mit seiner Karre, die war gefüllt, eine Art Farbkarte der Straßen, wie","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"sie es am Umzugstage sind. Hinten in der Karre stand eine Tanne, noch ganz grün","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"und mit Rauschgold an den Zweigen, die war zwar zum Weihnachtsfest bestimmt","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"gewesen, jetzt aber war sie auf die Straße geworfen und vom Kehrichtmann hinten","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"in der Karre aufgestellt worden. Es war lustig anzusehen oder auch zum Weinen;","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"es kommt darauf an, was man sich dabei denkt; ich dachte mir etwas dabei und","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"dachte ganz gewiß auch an dieses und jenes von dem, was auf der Karre lag, oder","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"hätte daran wenigstens denken können, was ja ungefähr dasselbe ist. Da lag auch","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"ein alter Damenhandschuh; was dachte der wohl? Soll ich es Ihnen sagen? Der","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Handschuh lag dort und zeigte mit dem kleinen Finger gerade auf die Tanne. 'Mich","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"jammert der Baum,' dachte er, 'auch ich bin beim Fest mit Kronleuchtern gewesen!","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Mein eigentliches Leben war eine Ballnacht, ein Händedruck, und ich platzte!","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Dort bleibt meine Erinnerung stehen, und ich habe weiter nichts, wofür ich leben","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"könnte!' Das dachte der Handschuh – oder hätte es denken können.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"'Das ist dumm mit der Tanne!' sagten die Scherben. Scherben finden nun alles","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"summ. 'Wenn man auf dem Kehrichtkarren ist', sagten sie, 'soll man sich nicht","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"brüsten und Rauschgold tragen; ich weiß, daß ich in dieser Welt genützt habe,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"mehr genützt als so ein grüner Stecken!' 'Das war nun auch so eine Ansicht, und","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"ich glaube, sie steht nicht gerade allein da; die Tanne sah doch gut aus, sie","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"war gleichsam ein wenig Poesie auf dem Kehrichthaufen, und wahrlich, Kehricht","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"gibt es in Mengen auf den Straßen am Umzugstage.' Der Weg wird einen schwer und","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"mühsam, und ich muß dann vorwärts, aus dem Trubel heraus, und wenn ich auf dem","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Turm bin, muß ich oben bleiben und mit Humor hinabschauen.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Da spielen die lieben Leute unten Häusertausch! Sie schleppen und rackern sich","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"ab mit ihrem Hab und Gut, und der Kobold sitzt im alten Fasse und zieht aus","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"mit ihnen; all die kleinen Leiden der Wohnung und der Familie, die wirkliche","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Sorgen und der Kummer ziehen mit aus der alten Wohnung in die neue, und was","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"kommt dann für sie und für uns bei der ganzen Geschichte heraus? – Ja, das steht","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"freilich schon längst geschrieben in dem alten, guten Sinnspruch: 'Denke an den","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"großen Umzugstag des Todes!' Das ist ein ernster Gedanken, es ist Ihnen doch","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"nicht unangenehm, daß ich ihn anrege? Der Tod ist und bleibt der zuverlässigste","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Beamte, und zwar trotz seiner vielen Nebenbeschäftigungen. Ja, der Tod ist","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Omnibusschaffner, er ist Paßschreiber, er bescheinigt unser Führungszeugnis,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"und er ist Direktor der großen Sparkasse des Lebens. Verstehen Sie? Alle","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Taten unseres Erdenlebens, große und kleine, legen wir auf diese Sparkasse,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"und wenn der Tod dann kommt mit seinem Umzugsomnibus und wir steigen ein und","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"müssen mitfahren in das Land der Ewigkeit, dann gibt er uns an der Grenze unser","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Führungszeugnis als Reisepaß. Als Zehrpfennig auf der Reise nimmt er aus der","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Sparkasse diese oder jene Tat, die wir verübt haben, und gibt sie uns mit; es","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"kann dies sehr erfreulich, aber auch ganz entsetzlich sein. Noch niemand ist","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"dieser Omnibusfahrt entronnen, man spricht und erzählt freilich von einem,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"dem es nicht gewährt ward, mitzufahren, dem Ewigen Juden, der mußte hinter","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"dem Omnibus einherrennen; hätte man ihm einzusteigen erlaubt, so wäre er der","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Behandlung durch die Poeten entgangen.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Schau einmal in Gedanken in jeden großen Umzugsomnibus hinein. Die Gesellschaft","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"ist gemischt: König und Bettler, Genie und Idiot sitzen nebeneinander; mit","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"müssen sie, ohne Geld und Gut, nur das Führungszeugnis und den Sparkassenpfennig","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"führen sie mit sich. Doch welche von unseren Taten wird wohl hervorgesucht","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"und uns mitgegeben? Vielleicht eine ganz kleine, eine vergessene, aber doch","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"eingeschriebene, klein wie eine Erbse, aber die Erbse kann eine blühende Ranke","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"treiben. Der arme Tolpatsch, der auf dem niedrigen Schemel im Winkel saß und","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"gepufft und geschimpft wurde, bekommt vielleicht seinen abgenutzten Schemel","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"als Zehrpfennig mit; der Schemel wird zum Tragesessel ins Land der Ewigkeit,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"hebt sich dort als Thron empor, strahlend wie Gold, blühend wie eine Laubhütte.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Derjenige, der hier auf Erden niemals umherschlenderte und der den Kräutertrank","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"der Vergnügungen schlurfte, damit er das Verkehrte vergäße, das er hier tat,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"bekommt sein Fäßchen mit auf die Reise und muß aus demselben während der","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Omnibusfahrt trinken, und der Trank ist so rein und klar, so daß die Gedanken","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"sich erhalten, alle guten und edlen Gefühle erweckt werden und er das sieht und","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"empfindet, was er früher nicht sehen mochte oder sehen konnte, und alsdann hat","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"er in seinem Innern die Strafe, den nagenden Wurm, der nicht stirbt in endlosen","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Zeiten. Stand auf den Gläsern geschrieben Vergessenheit, so steht auf de Fäßchen","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"geschrieben Erinnerung.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Wenn ich ein gutes Buch, eine historische Schrift lese, so muß ich mir stets","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"zuletzt die Person, von der das Buch handelte, und den Omnibus des Todes","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"vorstellen, muß darüber nachdenken, welche von dessen Taten der Tod wohl aus","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"der Sparkasse herausgenommen, welchen Zehrpfennig er ihm mit auf die Reise in","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"die Ewigkeit gegeben haben mag. Es war einmal ein französischer König, ich habe","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"seinen Namen vergessen, der Name guter Leute wird manchmal vergessen, auch von","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"mir, allein er taucht schon wieder auf – es war ein König, der während einer","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Hungersnot der Wohltäter seines Volkes wurde, und das Volk errichtete ihm","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"ein Monument aus Schnee, mit der Inschrift: 'Schneller als dieses schmilzt,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"brachtest du Hilfe!' Ich denke mir, daß der Tod ihn nun, im Hinblick auf das","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Monument, eine einzige Schneeflocke als Zehrpfennig gab, eine Flocke, die nie","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"schmilzt, und diese flog, ein weißer Schmetterling, über seinem königlichen","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Haupt in das Land der Unsterblichkeit. – So gab es auch einen Ludwig den","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Elften, ja, seinen Namen habe ich behalten, das Böse behält man schon. Ein","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Zug seines Charakters kommt mir oft in die Gedanken, ich wollte, man könnte","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"sagen, die Geschichte sei unwahr. Er ließ seinen Oberstallmeister hinrichten,","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"und er konnte ihn hinrichten lassen, mit Recht oder Unrecht, aber er ließ","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"auch die unschuldigen Kinder des Oberstallmeisters, eines von acht, eines","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"von sieben Jahren, auf den Richtplatz bringen und mit dem warmen Blut ihres","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Vaters bespritzen, ließ sie darauf in die Bastille führen und in eiserne","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Käfige sperren, woselbst sie nicht einmal eine Decke zum Schutz gegen die Kälte","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"bekamen. Und König Ludwig sandte jede Woche den Henker zu ihnen und ließ jedem","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"einen Zahn ausziehen, damit sie es nicht zu gut hätten; und der älteste Knabe","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"sagte: 'Meine Mutter würde vor Kummer sterben, wenn sie wüßte, daß mein kleiner","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Bruder so sehr leiden muß, deshalb zieh mir zwei Zähne aus und verschone ihn!'","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Dem Henker traten die Tränen in die Augen, allein des Königs Wille war stärken","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"als die Tränen, und jede Woche wurden dem König zwei Kinderzähne auf einem","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"silbernen Teller überbracht; er hatte sie verlangt, und er bekam sie. Diese","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"zwei Zähne, denke ich mir, nahm der Tod aus der Sparkasse des Lebens und gab sie","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Ludwig dem Elften mit auf die Reise in das große Land der Unsterblichkeit; sie","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"fliegen wie zwei Feuerflammen ihm voran, sie leuchten, sie brennen, sie zwacken","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"ihn, die unschuldigen Kinderzähne.","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Ja, das ist eine ernste Fahrt, die Omnibusfahrt an dem großen Umzugstag! Und","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"wann muß sie wohl angetreten werden? Das ist eben der Ernst: jeden Tag, jede","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Stunde, jede Minute muß man den Omnibus erwarten. Welche von unseren Taten wird","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"wohl der Tod aus der Sparkasse herausnehmen und uns mitgeben? – Gedenken wir des","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Umzugstages, der nicht im Kalender steht.\"","book":"Turmwächter Ole"} {"text":"Anne Lisbeth war wie Milch und Blut, jung, frisch und fröhlich, wunderschön","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"sah sie aus, blendend weiße Zähne, klare Augen hatte sie, leicht war ihr Fuß","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"im Tanze und ihr Sinn noch leichter! Was kam aber dabei heraus? \"Ein häßlicher","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Bube!\" Nein, schön war er nicht!\" Er wurde bei der Frau des Feldarbeiters","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"\"abgegeben.\" Anne Lisbeth kam ins gräfliche Schloß, saß dort im Prunkzimmer,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"angetan mit Sammet und Seide, kein Wind durfte sie anwehen, niemand ihr ein","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"hartes Wort sagen, hätte ihr das doch Schaden bringen können, und das dufte ja","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"nicht sein. Sie stillte das gräfliche Kind, und das war fein und zart wie ein","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Prinz, schön wie ein Engel; wie liebte sie dieses Kind! Ihr eigenes, ja, das","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"war untergebracht, war bei dem Feldarbeiter, wo nicht der Topf, wohl aber der","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Mund überkochte und wo in der Regel niemand zu Hause war bei dem Knaben. Dieser","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"weinte dann - aber was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß -, er weinte sich","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"in den Schlaf und im Schlaf empfindet man weder Hunger noch Durst; der Schlaf","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"ist eine gar gute Erfindung. Mit den Jahren - auch Unkraut schießt empor - schoß","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Anne Lisbeths Knabe in die Höhe, und doch war er im Wachstum zurück, sagte man;","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"aber in die Familie war er ganz und gar hineingewachsen, sie hatten Geld dafür","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"erhalten. Anne Lisbeth war ihn ganz los, sie war eine Stadtdame geworden, hatte","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"es gut und gemütlich zu Hause und trug Hut und Schleier, wenn sie spazierenging;","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"aber sie spazierte nie zu dem Feldarbeiter hinaus, das war zu weit von der","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Stadt entfernt, und sie hatte ja dort auch nichts zu tun, der Knabe gehörte den","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Arbeiterleuten, und sein Essen hatte er, sagte Sie, und was tun fürs Essen müsse","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"er auch, und deshalb hütete er Matz Matzens rote Kuh, er konnte schon Vieh hüten","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"und sich nützlich machten.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Der Kettenhund auf der Bleiche des Herrenhofes sitzt stolz im Sonnenschein oben","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"auf seiner Hütte und bellt jeden an, der vorübergeht; gibt es Regen, verkriecht","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"er sich in die Hütte und liegt dort warm und trocken. Anne Lisbeths Knaben","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"saß auf dem Feldzaun im Sonnenschein und schnitzte einen Spannpflock, denn","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"im Frühling hatte er drei Erdbeerpflanzen entdeckt, die in Blüte standen, die","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"würden sicher Beeren tragen. Er saß draußen in Regen und Wetter und ward naß bis","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"auf die Haut, der scharfe Wind trocknete ihm nachher die Kleider am Leib. Kam er","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"einmal auf den Herrenhof, wurde er geknufft und gestoßen, er sei gar zu häßlich,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"sagten die Mägde und Knechte, daran war er gewöhnt, niemand liebte ihn!","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"So erging es Anne Lisbeths Knaben, und wie sollte es ihm anders ergehen! Sein","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Los war nun einmal, niemals geliebt zu werden.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Bisher eine \"Landkrabbe,\" wurde er nun vom Land \"über Bord\" geworfen, er fuhr","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"zur See mit einem elenden Fahrzeug, saß am Ruder, während der Schiffer beim","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Schnapsglas saß; schmutzig und häßlich war er, durchgefroren und heißhungrig,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"man sollte meinen, er sei nie satt gewesen, und das war auch der Fall. Es war","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Spätherbst, rauhes, nasses, windiges Wetter; der Wind schnitt kalt durch die","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"dicken Kleider, namentlich auf See; und da fuhr ein elendes Fahrzeug mit einem","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"einzigen Segel und nur zwei Mann an Bord, ja, nur anderthalb, hätte man sagen","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"können, dem Schiffer und seinem Schiffsjungen. Dämmerlicht war den ganzen Tag","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"über gewesen, jetzt wurde es finster; es herrschte eine schneidende Kälte Der","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Schiffer trank einen Schnaps, der ihn von innen erwärmen konnte! Die Flasche","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"war alt, das Glas auch, oben war es ganz, aber der Fuß war abgebrochen, und nun","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"stand es auf einem geschnitzten, blau angestrichenen Holzklötzchen. Ein Schnaps","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"tut wohl, zwei tun noch wohler, meinte der Schiffer. Der Junge saß am Ruder,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"das er mit seinen harten, schwieligen Händen festkeilt; häßlich war er, das Haar","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"struppig, er selber verkrüppelt und verkümmert, er war des Feldarbeiters Kind -","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"im Kirchenbuch hieß er Anne Lisbeths Kind.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Der Wind flog auf seine Weise, das Fahrzeug auf seine dahin. Das Segel blähte","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"sich, der Wind war hineingesprungen, es ging in sausender Fahrt, rauh, naß","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"ringsumher, und noch ärger konnte es kommen! Halt! Was war nur das? Was stieß","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"da, was zersprang dort, was ergriff das Schiff? Es drehte sich, legte sich um!","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"War das ein Wolkenbruch? erhob sich eine Sturzsee? Der Junge am Ruder schrie","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"laut auf: \"In Jesu Namen!\" Das Fahrzeug war auf einen großen Fels am Meeresoden","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"gestoßen und sank wie ein alter Schuh in der Gosse, versank mit Mann und Maus,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"wie man sagt; und Mäuse waren an Bord, aber nur anderthalb Mann: Der Fischer","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"und des Feldarbeiters Junge. Niemand sah es, außer den schwimmenden Möwen und","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"den Fischen dort unten, und die sahen es auch nicht einmal recht, denn sie","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"fuhren erschrocken auseinander, als das Wasser ins Schiff hineinbrauste und es","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"versank. Kaum einen Faden unter dem Wasserspiegel lag es; diese beiden waren","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"untergebracht, begraben und vergessen! Nur das Glas mit dem blauen hölzernen Fuß","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"sank nicht. der Fuß hielt es oben; das Glas trieb dahin um zerbrochen und an die","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Küste gespült zu werden - wo und wann? Ja, wem läge wohl daran? Hatte es doch","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"jetzt ausgedient und war es doch geliebt worden, nicht so Anne Lisbeths Knaben\"","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Doch im Himmel wird keine Seele mehr sagen können: \"Niemals geliebt!\"","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Anne Lisbeth wohnte in der Stadt, und zwar seit vielen Jahren hieß Madame und","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"fühlte sich erst recht, wenn sie auf die alten Erinnerungen zu sprechen kam,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"auf die \"gräfliche\" Zeit, als sie in der Kutsche fuhr und mit Gräfinnen und","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Baroninnen verkehren konnte. Ihr süßes Grafenkind war der schönste Engel, die","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"liebste Seele, es hatte sie so sehr geliebt und sie es wieder geliebt; sie","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"hatten sich geküßt und geherzt, der Knabe war ihre Freude, ihr halbes Leben.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Jetzt war er groß, vierzehn Jahre alt, schön und gelehrt; sie hatte ihn nicht","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"wiedergesehen, seit sie ihn auf ihren Armen getragen; sie war seit vielen","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Jahren nicht mehr im gräflichen Schloß gewesen, war es doch eine ganze Reise bis","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"dorthin!","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"\"Ich muß mich mal aufraffen!\" sagte Anna Lisbeth, \"ich muß hin zu meiner","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Herrlichkeit, zu meinem süßen Grafenkind! Ja, er sehnt sich gewiß auch nach","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"mir. Der junge Graf denkt an mich, liebt mich wie damals, als er mit seinen","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Engelsarmen an meinem Halse hing und rief \"An-Lis!\" es klang wie eine Violine!","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Ja, ich muß mich aufraffen und ihn wiedersehen!\"","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Sie fuhr in einem Schlächterwagen ins Land hinein, ging weiter zu Fuß und","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"gelangte auf das gräfliche Schloß. Es war groß und prächtig, wie es immer","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"gewesen, der Garten wie früher, von außen gesehen, aber die Leute drinnen im","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Hause waren ihr alle fremd, nicht einer unter ihnen kannte Anne Lisbeth, sie","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"wußten nicht, was sie einst hier bedeutet hatte, aber die Gräfin würde es ihnen","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"schon sagen, auch ihr eigener süßer Knabe; wie sehnte sie sich nach ihm!","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Nun war Anne Lisbeth da; lange mußte sie oben warten, und dem Wartenden wird die","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Zeit lang! Ehe die Herrschaft zur Tafel ging, wurde sie zur Gräfin beschieden","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"und sehr freundlich angesprochen. Ihren süßen Knaben sollte sie nach der Tafel","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"sehen, sie sollte wieder hereingerufen werden.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Wie war er groß und lang und dünn geworden! Aber die wunderschönen Augen hatte","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"er noch und den engelsüßen Mund! Er sah sie an, aber er sprach kein Wort. Er","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"erkannte sie gewiß nicht wieder. Er wandte sich um, wollte weitergehen, da","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"ergriff sie seine Hand und drückte sie an ihren Mund. \"Gut, gut!\" sagte er, und","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"daraufhin ging er aus der Stube, er, der Gedanke ihrer Liebe, er, den sie am","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"meisten geliebt hatte und am meisten liebte, er, ihr ganzer Erdenstolz!","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Anne Lisbeth ging vor das Schloß und auf die offene Landstraße, ihr war traurig","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"zumute; hatte er doch so fremd mit ihr getan, hatte er doch keinen Gedanken,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"kein Wort für sie gehabt, er, den sie einst bei Tag und Nacht getragen und immer","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"noch in ihren Gedanken trug!","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Ein großer, schwarzer Rabe schoß vor ihr auf der Landstraße nieder und","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"schrie wieder und wieder auf. \"Eia\" sagte sie, \"was bist du doch für ein","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Unglücksvogel!\" Sie kam an dem Haus des Feldarbeiters vorüber; die Frau stand in","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"der Tür, und beide sprachen miteinander.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"\"Du siehst gut aus!\" sagte die Frau, \"du bist dick und fett, dir geht es gut!\" -","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"\"Oh ja! antwortete Anne Lisbeth. \"Das Schiff ist mit ihnen untergegangen!\" sagte","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"die Frau. \"Lars Schiffer und der Junge sind ertrunken, alle beide. Mit ihnen hat","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"es ein Ende. Hatte ich doch immer geglaubt, der Junge würde mir einmal mit ein","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"paar Talern aushelfen können, dich kostet er nun nichts mehr, Anne Lisbeth!\"","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"\"Sie sind ertrunken?\" sagte Anne Lisbeth, und sie sprachen nicht mehr über die","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Angelegenheit. Anne Lisbeth war recht betrübt, weil ihr Grafenkind keine Lust","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"gehabt hatte, mit ihr zu sprechen, mit ihr, die sie ihn so sehr liebte und den","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"langen Weg zurückgelegt hatte, um zu ihm zu gelangen; und Geld hatte die Reise","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"auch gekostet, aber das Vergnügen, welches ihr auf dem Schloß zuteil geworden,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"war nicht groß, doch hier sprach sie davon kein Wort, sie wollte ihr Herz","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"nicht dadurch erleichtern, daß sie der Arbeitersfrau davon erzählte, könnte","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"die doch leicht glauben, sie genieße nicht mehr das frühere Ansehen bei der","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Grafenfamilie.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Da schrie der Rabe wieder und flog über sie hin. \"Das schwarze Untier!\" sagte","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Anne Lisbeth. \"Wird mir heute noch einen Schrecken einjagen!\"","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Sie hatte Kaffeebohnen und Zichorie mitgebracht, weil sie dachte, es wäre für","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"die arme Frau eine Wohltat, wenn sie ihr dies gab, damit sie eine Tasse Kaffee","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"kochen könne; sie selbst könnte dann auch eine Tasse trinken. Die Frau machte","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"sich daran, den Kaffe zu kochen, während Anne Lisbeth sich auf einem Stuhl","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"niederließ und dort ermüdet einschlief. Es träumte ihr von dem, von dem ihr noch","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"nie geträumt hatte; sonderbar, ihr träumte von ihrem eigenen Kind, das hier in","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"der armen Hüte des Feldarbeiters gehungert und geweint hatte, sich in Wind und","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Wetter umhergetrieben hatte und jetzt in der Meerestiefe lag, der liebe Gott","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"wußte, wo! Ihr träumte, daß sie säße, wo sie gerade saß, und daß die Frau mit","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Kaffeekochen beschäftigt wein, sie roch sogar die Bohnen, und in der Tür der","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Hütte, auf der Schwelle, stand eine wunderschöne Gestalt, die war ebenso schön","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"wie das Grafenkind, und dieses Kind sprach zu ihr:","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"\"Jetzt geht die Welt unter! Halte dich an mir fest, denn du bist doch meine","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Mutter. Du hast einen Engel im Himmel! Halte dich an mir fest!\" Und das Kind,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"der Engel, griff nach ihr, und ein grausiges Gekrach ertönte, die Welt ging","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"aus den Fugen, und der Engel erhob sich über die Erde und hielt sie fest an","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"ihrem Hemdärmel, so fest, schien ihr, daß sie von der Erde emporgehoben wurde;","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"aber es hängte sich wiederum etwas sehr schwer an ihre Füße, lag schwer über","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"ihrem Körper, es war, als klammerten sich Hunderte von Weibern fest an sie und","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"als riefen sie: \"Sollst du gerettet werden, müssen wir auch gerettet werden!","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Angeklammert! Angeklammert!\" Und dann klammerten sie sich alle an; es waren","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"zu viele, ritsch ratsch! und der Ärmel riß, und Anne Lisbeth fiel entsetzt","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"herunter, so daß sie dabei erwachte! - und sie war in der Tat eben nahe daran,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"mitsamt dem Stuhl, auf dem sie saß, umzustürzen; sie war dermaßen erschrocken","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"und verwirrt, daß sie sich dessen nicht entsinnen konnte, was sie geträumt","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"hatte, aber etwas Böses war es gewesen.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Nun wurde der Kaffee getrunken, dann wurde geplaudert, und endlich ging Anne","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Lisbeth weiter auf das Städtchen zu, wo sie den Fuhrmann antreffen wollte, um","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"noch in derselben Nacht mit diesem in ihre Heimat zu fahren. Als sie aber mit","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"dem Fuhrmann sprach, sagte derselbe, er könne erst am Abend des nächsten Tages","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"zum Fahren fertig sein. Sie sann jetzt über die Kosten und die Länge des Weges","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"nach, und indem sie bedachte, daß der Weg, wenn sie längs der Meeresküste ging,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"schon zwei Meilen kürzer sei als der Fahrweg und daß es klares Wetter und wohl","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"auch Mondschein geben würde, da entschloß sie sich, ihn zu Fuß zurückzulegen und","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"sogleich weiterzuwandern, so würde sie schon am nächsten Tage zu Hause sein.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Die Sonne war untergegangen, das Abendläuten von den Glocken der Dorfkirchen","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"hallte noch durch die Luft - doch nein, es waren die Glocken nicht, sondern","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"die Unken, die im Schilfe klagten. Jetzt schwiegen sie, alles ringsum war","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"still, nicht einen Vogel vernahm man, alle waren zur Ruhe gegangen, selbst die","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Eule mochte nicht zu Hause sein; lautlose Stille herrschte am Waldesrand und","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Meeresstrand; wie sie dahinschritt am Ufer, hörte sie ihre eigenen Fußtritte im","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Sand; das Meer hatte keinen Wellenschlag, alles draußen über dem tiefen Gewässer","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"war verstummt. Alle waren verstummt, die Lebendigen und die Toten des Meeres.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Anne Lisbeth schritt dahin, sie dachte, wie man sagt, an gar nichts, sie war","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"abwesend von ihren Gedanken, aber die Gedanken waren von ihr nicht abwesend,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"die sind niemals von uns abwesend, sie schlummern nur so, sowohl die gedachten","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Gedanken, die untergetaucht sind, als auch diejenigen, die sich noch nicht","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"gerührt haben. Aber diese Gedanken brechen zu ihrer Zeit hervor, sie rühren sich","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"bald im Herzen, bald im Kopfe; sie stürzen sich gleichsam auf uns herab!","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Es steht geschrieben: \"Eine gute Tat trägt ihre segensreiche Frucht!\" Und so","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"steht auch geschrieben: \"In der Sünde ist der Tod!\" Vieles steht geschrieben,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"vieles ist gesagt worden, man weiß es nicht, man entsinnt sich dessen nicht, so","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"erging es Anne Lisbeth; allein es kann einem ein Licht aufgehen, das Vergessene","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"kann sich einem nahen!","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Alle Laster, alle Tugenden liegen in unserm Herzen: in deinem, in meinem;","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"sie liegen dort als kleine unscheinbare Samenkörner; von außen her kommt dann","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"ein Sonnenstrahl, die Berührung einer bösen Hand. Du biegst um die Ecke, nach","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"rechts oder links, ja, das kann entscheidend sein, und das kleine Samenkorn wird","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"erschüttert, es schwillt auf dabei, es zerspringt und ergießt seine Säfte in","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"all dein Blut, und nun bist du schon getrieben von dir selbst! Es gibt qualvolle","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Gedanken, die hat man nicht, wenn man so gleichsam schlummernd umherwandelt,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"aber sie sind da, sie gären im Herzen; Anne Lisbeth schritt so mit schlummernden","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Sinnen dahin, die Gedanken gärten! Von Lichtmeß zu Lichtmeß ist dem Herzen viel","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"aufgerechnet worden, es hat eine ganze Jahresrechnung. Vieles ist vergessen,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Sünden in Worten und Gedanken gegen Gott, unseren Nächsten und gegen unser","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"eigenes Gewissen, wir denken nicht darüber nach, und Anne Lisbeth tat das auch","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"nicht; sie hatte nichts verbrochen gegen das öffentliche Recht und Gesetz, sie","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"war sehr gut angesehen, eine ehrenwerte, geachtete Person, das wußte sie. Und","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"wie sie so einherschritt am Meeresufer - was lag denn dort? Sie blieb stehen;","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"was war dort angeschwemmt? Ein alter Männerhut lag da. Wo möchte der wohl über","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Bord gegangen sein? Sie trat näher heran, blieb stehen und blickte den Hut","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"an. Ja, was lag den dort? Sie fuhr erschrocken zusammen; allein es war nichts,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"worüber sie erschrocken war, es war Seegras und Schilf, das sich über einen","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"großen länglichen Stein gelegt hatte, sah es doch ganz aus wie ein Mensch, es","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"war nur Schilf und Seegras, aber sie erschrak doch, und indem sie weiterschritt,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"kam ihr so vieles in den Sinn, was sie als Kind gehört hatte, alter Aberglaube","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"von Gespenstern am Meeresufer, dem Geist des Ertrunkenen und nicht Begrabenen,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"der an der öden Meeresküste angeschwemmt liegt. Der tote Leib, der tue niemandem","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"etwas zu Leide, aber sein Geist, ja, der verfolge den einsamen Wanderer, hänge","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"sich an denselben und fordere, zum Kirchhof getragen zu werden, um in geweihter","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Erde zu liegen. Angeklammert! Angeklammert! rufe das Gespenst. Und als Anne","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Lisbeth still für sich diese Worte wiederholte, stand ihr plötzlich ihr ganzer","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Traum vor Augen, leibhaftig wie er gewesen war, wie die Mutter sich an sie","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"angeklammert und dieses Wort immerfort gerufen hatten, als die Welt versank, ihr","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Hemdärmel zerriß und sie aus den Händen ihres Kindes fiel, das sie in der Stunde","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"des Jüngsten Gerichts hatte retten wollen. Ihr Kind, ihr eigenes, leibliches","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Kind, das sie nie geliebt hatte, ja, für das sie nicht einmal einen Gedanken","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"gehabt hatte, dieses Kind lag jetzt auf dem Meeresgrunde, es konnte als Gespenst","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"aus den Wellen auftauchen und rufen: \"Angeklammert! Trage mich in geweihte","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Erde!\" Und als sie daran dachte, prickelte ihr die Angst in den Fersen, so daß","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"sie schneller dahinschritt; die Furcht kam heran als eine kalte, nasse Hand und","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"legte sich in ihre Herzgrube, so daß sie fast ohnmächtig ward, und wie sie nun","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"über das Meer hinausblickte, wurde dort alles dicker und dichter; ein schwerer","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Nebel wälzte sich heran, legte sich um Gebüsch und Baum, diese sonderbar","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"gestaltend. Sie wandte sich um und schaute nach dem Mond, der hinter ihr stand;","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"der war wie eine blasse Scheibe, ohne Strahlen, es war, als habe sich ein Etwas","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"schwer auf alle ihre Gliedmaßen gelegt. Angekammert! Angeklammert! dachte sie,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"und als sie sich wieder umdrehte und den Mond anblickte, schien es ihr, als sei","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"dessen weißes Gesicht ihr ganz nahe, und der Nebel hing ihr wie ein Gewand von","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"den Schultern herab. \"Angeklammert! Trage mich in geweihte Erde!\" klang es in","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"ihren Ohren, so hohl, so gar sonderbar, der Laut kam nicht von den Unken, nicht","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"von den Raben oder Krähen, es war nichts von ihnen zu sehen. \"Ein Grab! Grab","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"mir ein Grab!\" klang es ganz laut; ja, es war der Strandgeist von ihrem Kinde,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"das auf dem Meeresgrunde lag, das keinen Frieden fand, bevor es nicht auf den","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Kirchhof getragen und ihm ein Grab in geweihter Erde geschaufelt worden war.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Dorthin wollte sie gehen, dort wollte sie graben, und sie schritt dahin in der","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Richtung, in der die Kirche lag, und es schien ihr dabei, als werde die Last","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"ihr leichter, ja, sie verschwand, und da wollte sie wieder umkehren und auf dem","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"kürzesten Wege nach Hause gehen, aber da faßte es sie wieder an: \"Angeklammert!","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Angeklammert!\" Es hörte sich an wie das Quaken der Frösche, wie das Klagen eines","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Vogels, nein, es klang ganz deutlich: \"Ein Grab! Grab mir ein Grab!\"","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Der Nebel war kalt und feucht, Hand und Gesicht waren ihr kalt und naß vor","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Entsetzen, an ihren Körper faßte es und legte sich schwer darauf, in ihrem","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Innern öffnete sich ein unendlicher Raum für Gedanken, die niemals früher","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"gekommen waren.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Hier im Norden schlägt der Buchenwald oft während einer einzigen Frühlingsnacht","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"aus und steht im Tagessonnenschein da in seiner jungen, hellgrünen Pracht - in","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"einer einzigen Sekunde kann in unserm Innern die Saat der Sünde in Gedanken,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Worten und Taten aufgehen, die in unser bisheriges Leben gesät worden ist;","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"sie sprießt empor und entfaltet sich während einer einzigen Sekunde, wenn das","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Gewissen erwacht, und Gott weckt es, wenn wir es am wenigsten vermuten. Alsdann","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"ist nichts zu entschuldigen,die Tat ist da und zeugt wider uns; die Gedanken","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"werden zu Worten, und die Worte klingen laut in die Welt hinaus. Wir entsetzen","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"uns über das, was wir in uns getragen und nicht erstickt haben, über das, war","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"wir in Übermut und Gedankenlosigkeit ausgesät haben. Das Herz birgt in sich alle","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Tugenden, aber auch alle Laster, und die gedeihen selbst auf kargstem Boden.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Anne Lisbeth hatte Raum für all die Gedanken, die wir hier in Worte gekleidet","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"haben; sie war von ihnen überwältigt, sie brach zusammen und kroch eine Stecke","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"auf der Erde hin. \"Ein Grab, grab mir ein Grab!\" ertönte es wieder, und am","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"liebsten hätte sie sich selber begraben, wenn das Grab ein ewiges Vergessen","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"jeglicher Tat wäre. Es war die ernste Stunde der Erweckung in Ängsten und","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Grauen. Der Aberglaube machte sie bald fröstelnd zittern, bald trieb er","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Fieberglut in ihr Blut. Gar vielen, von dem sie nie hatte reden mögen, kam ihr","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"in den Sinn. Lautlos, wie die Wolkenschatten im hellen Mondenschein, fuhr eine","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"gespenstische Erscheinung an ihr vorüber, sie hatte davon früher schon gehört.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Dicht an ihr jagten vorüber vier schnaubende Rosse, das Feuer sprühte ihnen aus","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Augen und Nüstern, sie zogen eine glühende Kutsche, in der Kutsche saß der böse","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Gutsherr, der vor mehr als hundert Jahren in dieser Gegend sein Wesen getrieben","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"hatte. Um jede Mitternacht, hieß es, fahre er in seinen Herrenhof hinein und","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"kehre sogleich wieder um. Da! Da! Er war nicht bleich, wie man es von Toten","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"sagt, nein, er war schwarz wie Kohle. Er nickte Anne Lisbeth zu und winkte ihr:","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"\"Angeklammert! Angeklammert! Dann kannst du wieder in gräflicher Kutsche fahren","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"und kannst dein Kind vergessen. \"","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Sie raffte sich zusammen und eilte zum Kirchhof; aber die schwarzen Kreuze","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"und die schwarzen Raben tanzten vor ihren Augen, und sie vermochte es nicht,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"die einen von den anderen zu unterscheiden. Die Raben schrien, wie der Rabe am","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Tage geschrien hatte, doch jetzt verstand sie, was sie schrien: \"Ich bin die","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Rabenmutter! Die Rabenmutter\" schrie jeder Rabe, und Anne Lisbeth wußte jetzt,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"daß dieser Name auch ihr galt; sie würde vielleicht in einen solchen schwarzen","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Vogel verwandelt werden und müßte vielleicht immerfort schreien, was die","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"schrien, wenn sie das Grab nicht grübe.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Und sie warf sich auf die Erde, und sie grub mit ihren Händen ein Grab in den","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"harten Boden, daß das Blut ihr aus den Nägeln sprang.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"\"Ein Grab, grab mir ein Grab!\" tönte es immerfort, sie fürchtete, daß der","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Hahnenschrei und der erste rote Streifen im Osten kommen konnten, bevor sie ihre","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Arbeit beendigt hatte, dann war sie verloren.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Und der Hahn schrie, und es leuchtete im Osten auf - das Grab war nur halb","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"gegraben; eine eisige Hand glitt über ihr Haupt und Antlitz hin bis in","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"die Herzgrube. \"Nur halbes Grab,\" seufzte es und entschwebte hinab auf den","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Meeresgrund, ja, es war der Strandgeist; Anne Lisbeth sank überwältigt und","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"erstarrt zu Boden, alle Sinne schwanden ihr.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Es war heller Tag, als sie wieder zu sich kam, zwei Männer hoben sie auf; sie","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"lag nicht auf dem Kirchhof, sondern unten am Meeresufer, und dort hatte sie ein","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"tiefes Loch vor sich in den Sand gegraben und ihre Finger blutig geschnitten","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"an einem zerbrochenen Glas, dessen scharfer Stiel in einem kleinen Holzklotz","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"steckte. Anne Lisbeth war krank; das Gewissen hatte die Karten des Aberglaubens","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"gemischt, hatte diese Karten gelegt und aus denselben herausbekommen, daß sie","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"nunmehr nur eine halbe Seele hatte, die andere Hälfte hatte ihr Kind mit auf den","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Meeresgrund genommen; nimmer würde sie sich emporschwingen können zu der Gnade","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"des Himmels, ehe sie nicht die andere Hälfte besäße, die festgehalten wurde","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"in dem tiefen Wasser. Anne Lisbeth kam wieder in ihre Heimat, sie war nicht","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"mehr dieselbe, die sie früher gewesen war, ihre Gedanken waren verwirrt wie","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"verwirrtes Garn; nur einen Faden, nur einen Gedanken hatte sie frei gemacht, das","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"war der, daß sie den Strandgeist zum Kirchhofe tragen und ihm ein Grab graben","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"müsse, um dadurch ihre ganze Seele wiederzugewinnen.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Manche Nacht wurde sie in ihrer Wohnung vermißt, und immer fand man sie wieder","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"an der Meeresküste, wo sie des Strandgeistes harrte; auf solche Weise verstrich","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"ein ganzes Jahr, da verschwand sie wieder einmal eine Nacht, war aber nicht","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"aufzufinden; der ganze folgende Tag verging mit vergeblichem Suchen.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Gegen Abend, als der Küster in die Kirche trat, um die Vesperglocke zu läuten,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"erblickte er dort vor dem Altar Anna Lisbeth, hier hatte sie seit dem frühesten","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Morgen verweilt; ihr Körper was fast unterlegen, aber ihre Augen strahlten,","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"ihr Antlitz hatte einen rosigen Glanz, die letzten Sonnenstrahlen beschienen","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"sie, strahlten über den Altar hin auf die blanken Beschläge der Bibel, die dort","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"aufgeschlagen lag mit den Worten des Propheten Joel: \"Zerreißet eure Herzen und","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"nicht eure Kleider, kehret um zum Herrn!\" - \"Das war nur so zufällig!\" sagten","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"die Leute, \"Wie so vieles zufällig ist!\"","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Im Antlitz Anne Lisbeths, bestrahlt von der Sonne, war zu lesen von Frieden und","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Gnade. Ihr sei so wohl, sagte sie. Nun habe sie überwunden! Diese Nacht sei der","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Strandgeist, ihr eigenes Kind, bei ihr gewesen, er habe zu ihr gesagt: du grubst","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"mir nur ein halbes Grab - aber du hast jetzt Jahr und Tag mich ganz in deinem","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Herzen begraben, und dort birgt eine Mutter ihr Kind am besten! Und darauf","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"habe er ihr ihre verlorene Seele wiedergegeben und habe sie hier in die Kirche","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"hineingeleitet.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"\"Jetzt bin ich in Gottes Haus!\" sprach sie, \"und in dem Hause ist man selig!\"","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Als die Sonne ganz unten war, war Anne Lisbeths Seele ganz oben, wo keine Furcht","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"ist, wenn man hier ausgelitten hat und Anne Lisbeth hatte ausgelitten.","book":"Anne Lisbeth"} {"text":"Drinnen bei dem reichen Kaufmann war eine Kindergesellschaft, reicher Leute","book":"Kinderschnack"} {"text":"Kinder und vornehmer Leute Kinder; der Kaufmann war ein gelehrter Mann, er","book":"Kinderschnack"} {"text":"hatte einst das Studentenexamen gemacht, dazu hatte ihn sein ehrlicher Vater","book":"Kinderschnack"} {"text":"angehalten, der von Anfang an nur Viehhändler gewesen wahr, aber ehrlich und","book":"Kinderschnack"} {"text":"betriebsam; der Handel hatte Geld gebracht, und die Gelder hatte der Kaufmann","book":"Kinderschnack"} {"text":"zu mehren gewußt, Klug war er, und Herz hatte er auch, aber von seinem Herzen","book":"Kinderschnack"} {"text":"wurde weniger gesprochen als von seinem vielen Geld. Bei dem Kaufmann gingen","book":"Kinderschnack"} {"text":"vornehmen Leute ein und aus, wohl Leute von Geblüt, wie es heißt, als von","book":"Kinderschnack"} {"text":"Geist, auch Leute, die beides hatten oder keines von beiden. Diesmal war eine","book":"Kinderschnack"} {"text":"Kindergesellschaft dort und Kindergeschwätz, und Kinder sprechen frei von der","book":"Kinderschnack"} {"text":"Leber weg. Unter anderem war dort ein wunderschönes kleines Mädchen, aber die","book":"Kinderschnack"} {"text":"Kleine war ganz entsetzlich stolz, das hatten die Dienstleute in sie geküßt,","book":"Kinderschnack"} {"text":"nicht die Eltern, denn dazu waren die gar zu vernünftige Leute, ihr Vater war","book":"Kinderschnack"} {"text":"Kammerjunker, und das ist was gar Großes, das wußte sie.","book":"Kinderschnack"} {"text":"\"Ich bin ein Kammerkind!\" sagte sie. Sie hätte nun ebensogut ein Kellerkind sein","book":"Kinderschnack"} {"text":"können, jeder kann selber dafür gleich viel; und dann erzählte sie den anderen","book":"Kinderschnack"} {"text":"Kindern, daß sie \"geboren\" sei, und sagte, wenn man nicht geboren sei, könne","book":"Kinderschnack"} {"text":"man nichts werden; das nütze einem nichts, daß man lesen und fleißig sein wolle;","book":"Kinderschnack"} {"text":"wenn man nicht \"geboren\" sei, könne man nichts werden. \"Und diejenigen, deren","book":"Kinderschnack"} {"text":"Namen mit \"sen\" endigen,\" sagte sie, \"aus denen kann nun ganz und gar nichts","book":"Kinderschnack"} {"text":"werden! Man muß die Arme in die Seite stemmen und sie recht weit fern von sich","book":"Kinderschnack"} {"text":"halten, diese 'sen! 'sen!\" Und dabei stemmte sie ihre wunderschönen kleinen","book":"Kinderschnack"} {"text":"Arme in die Seite und machte den Ellenbogen ganz spitz, um zu zeigen, wie man","book":"Kinderschnack"} {"text":"es machen sollte; und die Ärmchen waren gar niedlich. Es war ein recht süßes","book":"Kinderschnack"} {"text":"Mädchen.","book":"Kinderschnack"} {"text":"Doch die kleine Tochter des Kaufmanns wurde bei dieser Rede gar zornig; ihr","book":"Kinderschnack"} {"text":"Vater hieß Petersen, und von dem Namen wußte sie, daß er auf \"sen\" endigte, und","book":"Kinderschnack"} {"text":"deshalb sagte sie so stolz, wie sie konnte: \"Aber mein Vater kann für hundert","book":"Kinderschnack"} {"text":"Taler Bonbons kaufen und sie unter die Kinder werfen! Kann dein Vater das?\"","book":"Kinderschnack"} {"text":"\"Nein, aber mein Vater,\" sagte das Töchterlein eines Schriftstellers, \"kann","book":"Kinderschnack"} {"text":"deinen Vater und deinen Vater und alle Väter in die Zeitung setzen! Alle","book":"Kinderschnack"} {"text":"Menschen fürchten ihn, sagt meine Mutter, denn mein Vater ist es, der in der","book":"Kinderschnack"} {"text":"Zeitung regiert!\"","book":"Kinderschnack"} {"text":"Und das Töchterlein schaute gar stolz dabei aus, als wenn es eine wirkliche","book":"Kinderschnack"} {"text":"Prinzessin wäre, die stolz ausschauen muß.","book":"Kinderschnack"} {"text":"Aber draußen vor der nur angelehnten Tür stand ein armer Knabe und blickte","book":"Kinderschnack"} {"text":"durch die Türspalte. Er war so gering, daß er nicht einmal mit in die Stube","book":"Kinderschnack"} {"text":"hinein durfte. Er hatte der Köchin den Bratspieß gedreht, und die hatte ihm nun","book":"Kinderschnack"} {"text":"erlaubt, hinter der Tür zu stehen und zu den geputzten Kindern, die sich einen","book":"Kinderschnack"} {"text":"vergnügten Tag machten, hineinzublicken, und das war für ihn recht viel.","book":"Kinderschnack"} {"text":"\"Wer doch einer von ihnen wäre!\" dachte er, und dabei hörte er, was gesprochen","book":"Kinderschnack"} {"text":"wurde, und das war nun freilich so, um recht mißmutig zu werden. Nicht einen","book":"Kinderschnack"} {"text":"Pfennig besaßen die Eltern zu Hause, den sie hätten zurücklegen können, um dafür","book":"Kinderschnack"} {"text":"eine Zeitung zu halten, geschweige denn eine solche zu schreiben, mitnichten!","book":"Kinderschnack"} {"text":"Und nun noch das Allerschlimmste: seines Vaters Name und also auch der seinige","book":"Kinderschnack"} {"text":"endigte ganz und gar auf \"sen,\" aus ihm konnte denn somit auch ganz und gar","book":"Kinderschnack"} {"text":"nichts werden. Das war zu traurig! Doch geboren war er, schien es ihm, so recht","book":"Kinderschnack"} {"text":"ordentlich geboren, das konnte doch unmöglich anders sein. Das war nun an diesem","book":"Kinderschnack"} {"text":"Abend.","book":"Kinderschnack"} {"text":"Seitdem verstrichen viele Jahre, und währenddessen werden Kinder zu erwachsenen","book":"Kinderschnack"} {"text":"Menschen. In der Stadt stand ein prächtiges Haus, es war angefüllt mit lauter","book":"Kinderschnack"} {"text":"schönen Sachen und Schätzen, die Leute wollten es sehen, selbst Leute, die","book":"Kinderschnack"} {"text":"außerhalb der Stadt wohnten, kamen in die Stadt, um es zu sehen. Wer von den","book":"Kinderschnack"} {"text":"Kindern, von denen wir erzählt haben, mochte wohl jetzt dieses Haus das seinige","book":"Kinderschnack"} {"text":"nennen? Ja, das zu erraten, ist natürlich sehr leicht! Nein, nein, es ist doch","book":"Kinderschnack"} {"text":"nicht so sehr leicht. Das Haus gehörte dem kleinen, armen Knaben, der an jenem","book":"Kinderschnack"} {"text":"Abend hinter der Tür gestanden hatte; aus ihm wurde doch etwas, obgleich sein","book":"Kinderschnack"} {"text":"Name auf \"sen\" endigte - Thorwaldsen.","book":"Kinderschnack"} {"text":"Und die drei anderen Kinder? Die Kinder des Blutes, des Geldes und des","book":"Kinderschnack"} {"text":"Geisteshochmutes, ja, eins hat dem anderen nichts vorzuwerfen, sie sind gleiche","book":"Kinderschnack"} {"text":"Kinder - aus ihnen wurde alles Gute, die Natur hatte sie gut ausgestattet; was","book":"Kinderschnack"} {"text":"sie damals gedacht und gesprochen hatten, war eben nur Kinderschnack.","book":"Kinderschnack"} {"text":"Trauer erfüllte das Haus, Trauer die Herzen; das jüngste Kind, ein Knabe von","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"vier Jahren, die Freude und Hoffnung der Eltern, war gestorben. Es blieben ihnen","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"zwar noch zwei Töchter, von denen die älteste gerade konfirmiert werden sollte,","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"brave, herrliche Mädchen beide, aber das Kind, das man verloren hat, ist doch","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"immer das liebste, und hier war es das jüngste und ein Sohn. Es war eine schwere","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Prüfung. Die Schwestern trauerten, wie es junge Herzen tun, und waren namentlich","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"von dem Schmerz der Eltern ergriffen, der Vater war tief gebeugt, die Mutter","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"aber von dem großen Kummer überwältigt. Tag und Nacht war sie um das kranke Kind","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"gewesen, hatte es gepflegt, gehoben, getragen; sie hatte gefühlt, wie es ein","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Teil ihrer selbst war. Sie konnte es nicht fassen, daß das Kind tot war, daß es","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"in den Sarg gelegt werden und im Grabe ruhen sollte. Gott könne ihr dies Kind","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"nicht nehmen, hatte sie gemeint, und als es doch so geschah und kein Zweifel","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"mehr darüber aufkommen konnte, da sprach sie in ihrem krankhaften Schmerz:","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"\"Gott hat es nicht gewußt; er hat herzlose Diener hier auf Erden, die nach","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"eigenem Gutdünken verfahren, die die Gebete einer Mutter nicht beachten:\" Sie","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"ließ in ihrem Schmerz von Gott ab, und siehe, da kamen finstere Gedanken, die","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Gedanken des Todes, des ewigen Todes herauf, daß der Mensch Erde in der Erde","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"werden und daß damit alles vorbei sei. Bei solchen Gedanken hatte sie aber","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"keinen Halt, nichts, an das sie sich anklammern konnte, und die versank in das","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"bodenlose Nichts der Verzweiflung.","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"In den schwersten Stunden konnte sie nicht mehr weinen, sie dachte nicht an","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"die jungen Töchter, die sie noch besaß; die Tränen des Mannes fielen auf ihre","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Stirn, aber sie blickte ihn nicht an; ihre Gedanken waren bei dem toten Kind,","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"ihr ganzes Sinnen und Trachten war nur darauf gerichtet, jede Erinnerung an den","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Kleinen, jedes seiner unschuldigen Kindesworte zurückzurufen.","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Der Tag der Beerdigung kam heran; Nächte vorher hatte die Mutter nicht","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"geschlafen; in der Morgendämmerung dieses Tages aber schlummerte sie, von","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Müdigkeit überwältigt, ein wenig ein; unterdessen trug man den Sarg in ein","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"abgelegene Zimmer, und dort wurde er zugenagelt, damit sie den Schlag des","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Hammers nicht höre.","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Als sie erwachte und ihr Kind sehen wollte, sagte der Mann unter Tränen: \"Wir","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"haben den Sarg geschlossen; es mußte geschehen.\"","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"\"Wenn Gott hart gegen mich ist, wie sollten die Menschen dann besser sein?\" rief","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"sie unter Schluchzen und Tränen.","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Der Sarg wurde zu Grabe getragen; die untröstliche Mutter saß bei ihren jungen","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Töchtern; sie sah die Töchter an und sah sie doch nicht, ihre Gedanken hatten","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"nunmehr nichts am heimatlichen Herd zu schaffen, sie gab sich dem Kummer hin,","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"und dieser warf sie ruhelos hin und her wie die See ein Schiff ohne Ruder","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"und Führer. So verstrich der Tag des Begräbnisses und ähnliche Tage, voll","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"des dumpfen, lastenden Schmerzes, folgten. Mit feuchten Augen und betrübten","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Blicken betrachteten die trauernden Töchter und der gebeugte Mann sie, die ihre","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Trostworte nicht hörte, und was konnten sie ihr auch zum Trost sagen, waren sie","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"doch selber schwer gebeugt.","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Es war, als kennte sie den Schlaf nicht mehr, und der allein wäre doch jetzt ihr","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"bester Freund gewesen, hätte den Körper gestärkt, Friede in die Seele gegossen;","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"man überredete sie, das Lager aufzusuchen, und sie lag auch still dort, wie","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"eine Schlafende. Eines Nachts lauschte der Mann, wie so oft, ihrem Atemzug und","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"war überzeugt, daß sie nun Ruhe und Erleichterung gefunden habe; er faltete","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"betend die Hände und schlief bald selber gesund und fest ein, merkte nicht,","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"wie die Frau sich erhob, ihre Kleider über sich warf und still aus dem Hause","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"schlich, um dorthin zu gelangen, wo ihre Gedanken bei Tag und bei Nacht weilten,","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"zu dem Grab, das ihr Kind barg. Sie schritt durch den Garten des Hauses, über","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"die Felder, wo ein Pfad zum Friedhof führte; niemand sah sie auf ihrem Gang,","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"sie hätte auch niemanden erblickt, ihr Auge war starr nur auf das eine Ziel","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"gerichtet.","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Es war eine herrliche, sternenklare Nacht; die Luft war noch mild, es war Anfang","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"September. Sie betrat den Kirchhof, sie stand an dem kleinen Grab, das gleíchsam","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"nur ein großer Strauß von duftenden Blumen war. Sie setzte sich hin und beugte","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"ihr Haupt tief über das Grab, als konnte sie durch die feste Erdenschicht","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"hindurch ihr Knäblein schauen, dessen Lächeln ihr doch so lebhaft vorschwebte,","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"dessen liebevoller Ausdruck der Augen, selbst auf dem Krankenlager, ja nimmer","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"zu vergessen war; wie sprechend war sein Blick gewesen, wenn sie sich über ihn","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"beugte und seine zarte Hand ergriff, die er selber nicht mehr erheben konnte.","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Wie sie an seinem Lager gesessen hatte, so daß sie jetzt an seinem Grabe, nur","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"daß ihre Tränen hier freien Lauf hatten; sie fielen auf das Grab.","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"\"Du möchtest zu deinem Kinde hinab,\" sprach eine Stimme ganz in ihrer Nähe;","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"sie tönte so klar, so tief, sie klang ihr ins Herz hinein. Sie schaute empor,","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"und neben ihr stand ein Mann, in einem schwarzen Mantel gehüllt, die Kapuze","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"tief über den Kopf gezogen; aber sie blickte hinauf und in sein Gesicht unter","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"der Kapuze hinein, es war streng, aber doch Zutrauen erweckend, seine Augen","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"strahlten mit dem Glanz der Jugend.","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"\"Hinab zu meinem Kinde!\" wiederholte sie, und eine Bitte der Verzweiflung sprach","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"aus ihren Worten.","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"\"Getraust du dich, mir zu folgen?\" fragte die Gestalt. \"Ich bin der Tod.\"","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Und sie senkt bejahend ihr Haupt. Da war es in einem Nu, als leuchteten droben","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"die Sterne alle mit dem Glanz des Vollmondes, sie sah die bunte Farbenpracht","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"der Blumen auf dem Grab, die Erddecke hier gab sanft und allmählich nach wie","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"ein schwebendes Tuch, sie sank, und die Gestalt deckte sie mit dem schwarzen","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Mantel zu; es ward Nacht, die Nacht des Todes, sie sank tiefer, als der Spaten","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"eindringen kann. Der Kirchhof lag wie ein Dach über ihrem Haupt.","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Der Zipfel des Mantels glitt herunter, sie stand in einer mächtigen Halle,","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"die sich groß und freundlich ausdehnte. Dämmerung herrschte ringsum, aber in","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"demselben Augenblick lag ihr Kind eng an ihr Herz geschmiegt, ihr zulächelnd,","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"und zwar in einer Schönheit, wie sie es noch nie zuvor gesehen hatte. Sie","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"stieß einen Schrei aus, doch ward derselbe nicht hörbar, denn ganz nahe und","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"dann wieder weit entfernt und wieder ihr näher tönte eine herrliche, lieblich","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"schwellende Musik; noch nie hatten solche seligstimmenden Töne ihr Ohr erreicht;","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"sie tönten jenseits des nachtschwarzen, dichten Vorhangs, der die Halle von dem","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"großen Land der Ewigkeit trennte.","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"\"Meine süße, meine Herzensmutter,\" hörte sie ihr Kind sprechen. Es war die","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"bekannte, geliebte Stimme, und Kuß folgte auf Kuß in unendlicher Glückseligkeit;","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"und das Kind deutete auf den dunklen Vorhang. \"So schön ist es doch nicht auf","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Erden! Siehst du, Mutter, siehst du sie alle? Oh, welche Seligkeit!\"","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Aber die Mutter sah nichts dort, wohin das Kind zeigte, nichts als finstere","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Nacht; sie sah mit irdischen Augen, sah nicht wie das Kind, welches Gott zu","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"sich gerufen hatte, sie hörte auch nur den Klang der Musik, die Töne, allein sie","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"vernahm das Wort nicht, das Wort, an das sie zu glauben hatte.","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"\"Jetzt kann ich fliegen, Mutter, fliegen mit all den anderen fröhlichen Kindern,","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"ganz dort hinein zu Gott. Ich möchte es so gerne; wenn du aber weinst, wie du","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"jetzt weinst, könnte ich dir verloren gehen, und ich möchte doch so gerne! Nicht","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"wahr, ich darf fliegen? Du wirst ja doch recht bald zu mir dort hineinkommen,","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"liebe Mutter!\"","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"\"O bleibe, o bleibe!\" sprach die Mutter, \"nur noch einen Augenblick, nur noch","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"ein einziges Mal möchte ich dich anschauen, dich küssen, dich in meine Arme","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"drücken.\" Und sie küßte und herzte das Kind. Da tönte ihr Name von oben her,","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"wie klagend tönte er. Was das doch sein mochte? \"Hörst du,\" sagte das Kind, \"der","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Vater ist es, der dich ruft.\" Und wiederum, nach wenigen Augenblicken, wurden","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"tiefe Seufzer laut wie von weinenden Kindern. \"Es sind meine Schwestern,\" sagte","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"das Kind, \"Mutter, du hast sie doch nicht vergessen?\"","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Und sie erinnerte sich der Zurückgebliebenen. Angst überkam sie, sie schaute","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"in den Raum hinaus, und immer schwebten Gestalten vorüber. Sie glaubte","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"einige derselben zu erkennen, sie schwebten durch die Halle des Todes auf den","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"dunklen Vorhang zu, dort verschwanden sie. Ob wohl ihr Mann, ihre Töchter auch","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"vorüberschweben wurden? Nein, ihr Rufen, ihre Seufzer tönten noch von dort oben","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"her, fast hätte sie sie über den Toten ganz vergessen.","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"\"Mutter, jetzt läuten die Glocken des Himmelreichs,\" sagte das Kind, \"Mutter,","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"jetzt geht die Sonne auf!\"","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Und ein überwältigendes Licht strömte auf sie ein - das Kind war verschwunden,","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"und sie wurde in die Höhe getragen; es ward kalt rings um sie, sie erhob den","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Kopf und gewahrte, daß sie auf dem Friedhof lag, auf dem Grabe ihres Kindes.","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Allein Gott war im Traum eine Stütze für ihren Fuß geworden, ein Licht für ihren","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Verstand; sie beugte ihr Knie und betete:","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"\"Herr, mein Gott! Vergib mir, daß ich eine ewige Seele von ihrem Flug","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"zurückhalten wollte, daß ich meine Pflichten vergaß gegen die Lebenden, die du","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"mir hier geschenkt hast!\"","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Und bei diesen Worten war es, als finde ihr Herz Erleichterung. Da brach die","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Sonne hervor, ein Vöglein sang über ihrem Haupt, und die Kirchenglocken läuteten","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"zum Frühgottesdienst. Alles ward heilig um sie her, geweiht wie in ihrem Herzen.","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Sie erkannte ihren Gott, sie erkannte ihre Pflichten, und mit Sehnsucht eilte","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"sie nach Hause. Sie beugte sich über ihren noch schlummernden Gatten, ihr","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"warmer, inniger Kuß weckte ihn, und Worte des Herzens und der Innigkeit flossen","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"von beider Lippen; und sie war stark und mild, wie es sie Gattin sein kann, von","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"ihr kam der Quell des Trostes: \"Das Beste stets ist Gottes Wille.\" Und der Mann","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"fragte sie: \"Woher kam dir auf einmal diese Kraft, dieser tröstenden Sinn?\" Und","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"sie küßte ihn und küßte ihre Kinder: \"Sie kamen mir von Gott, durch das Kind im","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"Grabe!\"","book":"Das Kind im Grabe"} {"text":"In der Stube eines Dichters, wo sein Tintenfaß auf dem Tisch stand, wurde","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"gesagt: \"Es ist merkwürdig, was doch alles aus dem Tintenfaß herauskommen kann!","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"Was wohl nun das Nächste sein wird? Ja, es ist merkwürdig!\"","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"\"Ja, freilich!\" sagte das Tintenfaß. \"Es ist merkwürdig, was alles aus mir","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"herauskommen kann! Ja, es ist schier unglaublich! Und ich weiß wirklich selber","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"nicht, was das Nächste sein wird, wenn der Mensch erst beginnt, aus mir zu","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"schöpfen. Ein Tropfen aus mir genügt für eine halbe Seite Papier, und was kann","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"nicht alles auf der stehen! Ich bin etwas ganz Merkwürdiges! Von mir gehen alle","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"Werke des Dichters aus, all diese lebendigen Menschen, die die Leute zu kennen","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"wähnen, diese innigen Gefühle, dieser Humor, diese anmutigen Naturschilderungen;","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"ich selber begreife es nicht, denn ich kenne die Natur nicht, aber es steckt nun","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"einmal in mir! Von mir sind sie ausgegangen und gehen sie aus, die Heerscharen","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"schwebender, anmutiger Mädchen, tapferer Ritter auf schnaubenden Rossen, Blinder","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"und Lahmer; ja ich weiß selber nicht, was alles; ich versichere Ihnen, ich denke","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"nichts dabei!\"","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"\"Da haben Sie recht,\" sagte die Feder, \"denken tun Sie gar nichts, denn wenn Sie","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"es täten, würden Sie auch begreifen, daß Sie nur die Flüssigkeit hergeben. Sie","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"geben das Flüssige, damit ich auf dem Papier das, was mir innewohnt, das, was","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"ich schreibe, zur Anschauung bringen kann. Die Feder ist es, die schreibt! Daran","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"zweifelt kein Mensch, und die meisten Menschen haben nur ebensoviel Ahnung von","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"der Poesie wie ein altes Tintenfaß.\"","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"\"Sie haben nur wenig Erfahrung,\" antwortete das Tintenfaß; Sie sind ja kaum","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"eine Woche im Dienst - und schon halb abgenutzt. Bilden Sie sich ein, Sie wären","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"der Dichter? Sie sind nur ein Dienstbote, und ehe Sie kamen, habe ich viele von","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"der Art gehabt, sowohl aus der Gänsefamilie wie aus englischem Fabrikat, ich","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"kenne so gut den Federkiel wie die Stahlfeder. Viele habe ich im Dienst gehabt,","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"und ich werde noch viele bekommen, wenn erst der Mensch kommt, der für mich","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"die Bewegung macht und niederschreibt, was er aus meinem Innern herausbekommt.","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"Ich möchte wohl wissen, was er jetzt zuerst aus mir herausheben wird!\" -","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"\"Tintentopf!\" sagte die Feder.","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"Spät am Abend kam der Dichter nach Hause, er war in einem Konzert gewesen, hatte","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"einen ausgezeichneten Violinspieler gehört und war ganz erfüllt und entzückt","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"von dessen herrlichem Spiel. Einen erstaunlichen Schwall von Tönen hatte der","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"Spieler dem Instrument entlockt: bald hatte es wie klingende Wassertropfen, wie","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"rollende Perlen getönt, bald wie zwitschernde Vögel im Chor, dann wieder war","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"es dahingebraust wie der Wind durch Tannenwälder; er meinte sein eigenes Herz","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"weinen zu hören, aber in Melodien, wie sie in der Stimme einer Frau ertönen","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"können, als hätten nicht allein die Saiten der Violine, sondern auch der Steg,","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"ja selbst die Schrauben und der Resonanzboden geklungen! Es war außerordentlich","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"gewesen! Und schwer war es auch gewesen, hatte aber ausgesehen wie eine","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"Spielerei, als fahre der Bogen nur so über die Saiten hin und her, man hätte","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"glauben können, jeder könne das nachmachen. Die Violine klang von selbst, der","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"Bogen spielte von selbst, die beiden waren es, die das Ganze taten, man vergaß","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"den Meister, der sie führte, ihnen Leben und Seele einhauchte; den Meister","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"vergaß man; aber seiner erinnerte sich der Dichter, er nannte ihn und schrieb","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"seine Gedanken dabei nieder:","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"\"Wie töricht, wollten die Violine und der Bogen sich eitel über ihr Tun","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"gebärden! Und wir Menschen tun es doch so oft, der Dichter, der Künstler, der","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"Erfinder auf dem Gebiet der Wissenschaft, der Feldherr, wir tun es alle, wir","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"alle sind doch nur die Instrumente, auf denen Gott, der Herr, spielt. Ihm allein","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"die Ehre! Wir haben nichts, worauf wir stolz sein könnten!\" Ja, das schrieb der","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"Dichter nieder, schrieb es wie eine Parabel und nannte dieselbe: \"Der Meister","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"und die Instrumente.\"","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"\"Da kriegen Sie was ab, Madame,\" sprach die Feder zum Tintenfaß, als die","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"beiden wieder allein waren. \"Sie hörten ihn doch laut vorlesen, was ich","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"niedergeschrieben hatte?\"","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"\"Ja, das, was ich Ihnen zu schreiben gab!\" sagte das Tintenfaß. \"Das war ja","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"ein Hieb für Sie, Ihres Übermuts wegen. Daß Sie nicht einmal begreifen können,","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"daß man Sie zum besten hat! Ich versetzte Ihnen einen Hieb direkt aus meinem","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"Innersten heraus, ich muß doch meine eigene Bosheit kennen.\"","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"\"Tintenscherbe!\" sagte die Feder. \"Schreibstecken!\" sagte das Tintenfaß.","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"Und beide hatten das Bewußtsein, gut geantwortet zu haben, und das ist ein","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"angenehmes Bewußtsein, zu wissen, daß man gut geantwortet hat, darauf kann man","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"schlafen, und sie schliefen darauf. Allein der Dichter schlief nicht. Gedanken","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"sprudelten aus ihm hervor gleich den Tönen aus der Violine, rollend wie Perlen,","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"brausend wie der Sturmwind durch die Wälder, er empfand sein eigenes Herz in","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"diesen Gedanken, verspürte einen Blitzstrahl vom ewigen Meister. Ihm allein die","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"Ehre!","book":"Feder und Tintenfaß"} {"text":"Zwei Hähne waren da, einer auf dem Misthaufen, einer auf dem Dach, hoffärtig","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"waren sie beide, wer von den beiden richtete aber am meisten aus? Sage uns deine","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Meinung, wir behalten dessen ungeachtet doch unsere eigene bei.","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Der Hühnerhof war durch einen Holzzaun von einem anderen Hof getrennt, in","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"welchem ein Misthaufen lag, und auf dem Misthaufen lag und wuchs eine große","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Gurke, die das Bewußtsein hatte, ein Mistbeetgewächs zu sein.","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"\"Dazu wird man geboren,\" sprach es im Innern der Gurke, \"nicht alle können als","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Gurken geboren werden, es muß auch andere Arten geben! Die Hühner, die Enten","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"und der ganze Viehbestand des Nachbarhofes sind auch Geschöpfe. Zu dem Hofhahn","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"auf dem Holzzaun sehe ich nun empor, er ist freilich von ganz anderer Bedeutung","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"als der Wetterhahn, der so hochgestellt ist und nicht einmal kämpfen, geschweige","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"dann krähen kann; er hat weder Hühner noch Küchlein; er denkt nur an sich und","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"schwitzt Grünspan! Nein, der Hofhahn, das ist ein Hahn! Sein Auftreten ist","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Tanz! Sein Krähen ist Musik; wo er hinkommt, wird es einem gleich klar, was ein","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Trompeter ist! Wenn er nur hier herein käme! Und wenn er mich auch mit Stumpf","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"und Stiel auffräße, wenn ich auch in seinem Körper aufgehen müßte, es wäre ein","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"seliger Tod!\" sprach die Gurke.","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Nachts kam ein entsetzliches Wetter; Hühner, Küchlein und selbst der Hahn","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"suchten Schutz; den Holzzaun zwischen den beiden Höfen riß der Wind nieder, daß","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"es krachte; die Dachziegel fielen herunter, aber der Wetterhahn saß fest; er","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"drehte sich nicht einmal, er konnte sich nicht drehen, und doch war er jung,","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"frisch gegossen, aber besonnen und gesetzt; er war alt geboren, ähnelte durchaus","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"nicht den fliegenden Vögeln im Himmelsraum, den Sperlingen, den Schwalben,","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"nein, die verachtete er, sie seien Piepvögel von geringer Größe, ordinäre","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Piepvögel! Die Tauben, meinte er, die seien groß und blank und schimmernd wie","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Perlmutt, sähen aus wie eine Art Wetterhahn, allein sie seien dick und dumm, ihr","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"ganzes Sinnen und Trachten gehe darauf aus, den Wams zu füllen, auch seien sie","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"langweilige Dinger im Umgang, sagte der Wetterhahn. Auch die Zugvögel hatten dem","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Wetterhahn ihre Visite gemacht, ihm von fremden Ländern, von Luftkarawanen und","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"haarsträubenden Räubergeschichten mit den Raubvögeln erzählt, das war neu und","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"interessant, das heißt, das erste Mal, aber später, das wußte der Wetterhahn,","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"wiederholten sie sich, erzählten stets dieselben Geschichten, und das ist","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"langweilig. Sie waren langweilig, und alles war langweilig, mit niemandem konnte","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"man Umgang pflegen, jeder und alle waren fade und borniert.","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"\"Die Welt taugt nichts!\" sprach er. \"Das Ganze ist dummes Zeug!\"","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Der Wetterhahn war, was man blasiert nennt, und diese Eigenschaft hätte ihn","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"gewiß für die Gurke interessant gemacht, wen sie es gewußt hätte, allein sie","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"hatte nur Augen für den Hofhahn, und der war jetzt auf dem Hof bei ihr.","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Den Holzzaun hatte der Wind umgeblasen, aber das Ungewitter war vorüber.","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"\"Was sagt ihr zu dem Hahnenschrei?\" sprach der Hofhahn zu den Hühnern und","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Küchlein. \"Das war ein wenig roh, die Eleganz fehlte.\"","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Und Hühner und Küchlein traten auf den Misthaufen, und der Hahn betrat ihn mit","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Reiterschritten.","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"\"Gartengewächs!\" sprach er zu der Gurke, und durch dieses eine Wort wurde ihr","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"seine ganze tiefe Bildung klar, und sie vergaß, daß er in sie hackte und sie","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"auffraß.","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"\"Ein seliger Tod!\"","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Und die Hühner kamen, und die Küchlein kamen, und wenn das eine läuft, so läuft","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"das andere auch, und sie glucksten und piepten, und sie schauten den Hahn an und","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"waren stolz darauf, daß er von ihrer Art war.","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"\"Kikeriki,\" krähte er, \"die Küchlein werden sofort zu großen Hühnern, wenn ich","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"es ausschreie in den Hühnerhof der Welt!\"","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Und Hühner und Küchlein glucksten und piepten!","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Und der Hahn verkündete eine große Neuigkeit:","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"\"Ein Hahn kann ein Ei legen! Und wißt ihr, was in dem Ei liegt? In dem Ei liegt","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"ein Basilisk. Den Anblick seines solchen vermag niemand auszuhalten; das wissen","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"die Menschen, und jetzt wißt ihr es auch, wißt, was in mir wohnt, was ich für","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"ein Allerhühnerhofskert bin!\"","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Und darauf schlug der Hofhahn mit den Flügeln, ließ den Hahnenkamm schwellen","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"und krähte wieder; und es schauderte ihnen allen, den Hühnern und den","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"kleinen Küchlein, aber sie waren gar stolz, daß einer von ihren Leuten so ein","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Allerhühnerhofskerl war; sie glucksten und piepten, daß der Wetterhahn es hören","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"mußte, und er hörte es, aber er rührte sich nicht dabei.","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"\"Das Ganze ist dummes Zeug!\" sprach es im Innern des Wetterhahns. \"Der Hofhahn","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"legt keine Eier, und ich bin zu faul dazu; wenn ich wollte, ich könnte schon","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"ein Windei legen, aber die Welt ist kein Windei wert. Das Ganze ist dummes Zeug!","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Jetzt mag ich nicht einmal länger hier sitzen.\"","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Und damit bracht der Wetterhahn ab, aber er schlug nicht den Hofhahn tot,","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"obgleich er es darauf abgesehen hatte, wie die Hühner sagten; und was sagt die","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Moral?","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"\"Immerhin noch besser zu krähen als blasiert zu sein und abzubrechen!\"","book":"Hofhahn und Wetterhahn"} {"text":"Der Bildhauer Alfred - du kennst ihn doch! Wir alle kennen ihn, er gewann die","book":"Wunderschön"} {"text":"große goldene Medaille, bekam ein Reisestipendium ging nach Italien und kehrte","book":"Wunderschön"} {"text":"wieder zurück in die Heimat; damals war er jung, das ist er zwar noch, aber doch","book":"Wunderschön"} {"text":"immerhin zehn Jahre älter als zu jener Zeit.","book":"Wunderschön"} {"text":"Nach seiner Heimkehr besuche er eine von den kleinen Provinzstädten der Insel","book":"Wunderschön"} {"text":"Seeland. Das ganze Städtchen wußte, wer der Fremde war; seinetwegen gab eine","book":"Wunderschön"} {"text":"der reichsten Familien eine Gesellschaft, und dazu war alles, was etwas war","book":"Wunderschön"} {"text":"oder etwas besaß, eingeladen; das war ein Ereignis, die Stadt wußte darum, ohne","book":"Wunderschön"} {"text":"daß es ausgetrommelt worden war. Handwerkslehrlinge und Kinder kleiner Leute,","book":"Wunderschön"} {"text":"ja, ein paar der kleinen Leute selber standen vor dem Hause und schauten zu","book":"Wunderschön"} {"text":"den herabgelassenen beleuchtete Vorhängen hinauf; der Nachtwächter konnte sich","book":"Wunderschön"} {"text":"einbilden, er selber gebe eine Gesellschaft, so viele Leute befanden sich auf","book":"Wunderschön"} {"text":"der Straße, das schien ein wahres Vergnügen zu sein, und drinnen war auch das","book":"Wunderschön"} {"text":"Vergnügen. Herr Aflred, der Bildhauer, war da. Er sprach, erzählte, und alle","book":"Wunderschön"} {"text":"hörten ihm mit Freuden, ja mit einer Art Ehrfurcht zu, doch keiner in dem Maße","book":"Wunderschön"} {"text":"wie die ältere Witwe eines Beamten; sie war allem gegenüber, was Herr Alfred","book":"Wunderschön"} {"text":"sprach, ein unbeschriebenes Stückchen Löschpapier, das sofort das Gesprochene","book":"Wunderschön"} {"text":"in sich einsog und nach mehr verlangte, sie war höchst empfänglich, unglaublich","book":"Wunderschön"} {"text":"unwissend, ein weiblicher Kaspar Hauser.","book":"Wunderschön"} {"text":"\"Rom möchte ich wohl sehen!\" sagte sie, \"das muß eine liebliche Stadt sein mit","book":"Wunderschön"} {"text":"all den Fremden, die dort ankommen, beschreibe Sie uns doch Rom. Wie sieht die","book":"Wunderschön"} {"text":"Stadt denn aus, wenn man zum Tor hineinkommt?\"","book":"Wunderschön"} {"text":"\"Ja, das ist nicht leicht zu beschreiben,\" sagte der junge Bildhauer. \"Ein","book":"Wunderschön"} {"text":"großer Platz, mitten auf dem Platz ein Obelisk, welcher tausend Jahre alt ist!\"","book":"Wunderschön"} {"text":"\"Ein Organist\" rief die Frau, sie hatte das Wort Obelisk noch nie gehört; einige","book":"Wunderschön"} {"text":"konnten sich des Lachens nicht erwehren, auch der Bildhauer nicht, allein das","book":"Wunderschön"} {"text":"Lächeln, welches schon um seine Lippen spielte, glitt vorüber, verlor sich in","book":"Wunderschön"} {"text":"Betrachtung, denn er gewahrte dicht neben der Frau ein paar große meerblaue","book":"Wunderschön"} {"text":"Augen, diese gehörten der Tochter, von der sie gesprochen hatte, und wenn","book":"Wunderschön"} {"text":"man eine solche Tochter hat, kann man nicht einfältig sein! Die Mutter war","book":"Wunderschön"} {"text":"eine immer sprudelnde Fragenquelle, die Tochter die schöne Najade der Quelle,","book":"Wunderschön"} {"text":"die immer nur zuhört. Wie war sie wunderschön! Sie war ein Gegenstand der","book":"Wunderschön"} {"text":"Betrachtung für den Bildhauer, nicht aber der Sprache, und sie sprach auch","book":"Wunderschön"} {"text":"nicht, wenigstens sehr wenig.","book":"Wunderschön"} {"text":"\"Hat der Papst eine große Familie?\" fragte die Frau. Und der junge Mann","book":"Wunderschön"} {"text":"antwortete, als sei die Frage besser gestellt gewesen: \"Nein, er ist nicht aus","book":"Wunderschön"} {"text":"einer großen Familie.\" - \"Das meine ich nicht,\" wandte die Frau ein; \"ich meine,","book":"Wunderschön"} {"text":"ob er Frau und Kinder hat?\" - \"Der Papst darf sich nicht vermählen,\" antwortete","book":"Wunderschön"} {"text":"er. \"Das gefällt mir nicht!\" sagte die Frau. Sie hätte nun zwar klügere Fragen","book":"Wunderschön"} {"text":"stellen können, aber wenn sie nicht gefragt und gesprochen hätte, wie sie es","book":"Wunderschön"} {"text":"eben tat, ob dann wohl die Tochter sich so an ihre Schulter gelehnt und mit","book":"Wunderschön"} {"text":"diesem fast rührenden Lächeln um sich geblickt hätte?","book":"Wunderschön"} {"text":"Und Herr Alfred sprach, sprach von der Farbenpracht Italiens, von den bläulichen","book":"Wunderschön"} {"text":"Bergen, dem blauen Mittelmeer, dem blauen Himmel des Südens, einer Herrlichkeit","book":"Wunderschön"} {"text":"und Schönheit, die man im hohen Norden nur von den blauen Augen der nordischen","book":"Wunderschön"} {"text":"Jungfrau übertroffen finde. Und das war hier als Anspielung gemeint, aber die,","book":"Wunderschön"} {"text":"welche diese Anspielung hätte verstehen sollten, tat, als habe sie sie nicht","book":"Wunderschön"} {"text":"verstanden. und das war den wiederum wunderschön! \"Italien!\" seufzten einige,","book":"Wunderschön"} {"text":"\"Reisen!\" seufzten andere. \"Wunderschön! Wunderschön!\"","book":"Wunderschön"} {"text":"Ja. wenn ich hunderttausend Taler in der Lotterie gewinne,\" sagte die","book":"Wunderschön"} {"text":"Obersteuereinnehmerin, \"dann reisen wir: Ich und meine Tochter, und Sie, Herr","book":"Wunderschön"} {"text":"Alfred, Sie werden uns führen! Wir reisen alle drei und noch ein paar gute","book":"Wunderschön"} {"text":"Freunde mit uns!\" Und dabei nickte sie allen vergnüglich zu, ein jeder konnte","book":"Wunderschön"} {"text":"sich einbilden: ich bin es, den sie mitnehmen will nach Italien. \"Ja, nach","book":"Wunderschön"} {"text":"Italien wollen wir! Aber wir wollen nicht dahin, wo Räuber sind, wir bleiben in","book":"Wunderschön"} {"text":"Rom und auf den großen Landstraßen, wo man sicher ist.\"","book":"Wunderschön"} {"text":"Und die Tochter seufzte ganz unmerklich; wie viel kann nicht in einem kleinen","book":"Wunderschön"} {"text":"Seufzer liegen oder in ihm hineingelegt werden! Der junge Mann legte viel","book":"Wunderschön"} {"text":"hinein; die zwei blauen Augen, an diesem Abend ihm zu Ehren so hell, verbargen","book":"Wunderschön"} {"text":"Schätze, Schätze des Geistes und des Herzens, reich wie alle Herrlichkeiten","book":"Wunderschön"} {"text":"Roms, und als er die Gesellschaft verließ - ja, da war er ganz weg - weg in das","book":"Wunderschön"} {"text":"Fräulein.","book":"Wunderschön"} {"text":"Das Haus der Frau Obersteuereinnehmerin wurde von allen Häusern dasjenige,","book":"Wunderschön"} {"text":"welches Herr Alfred, der Bildhauer, am häufigsten besuchte; man sah ein,","book":"Wunderschön"} {"text":"daß sein Besuch nicht der Mutter gelten konnte, auch wenn er und sie stets","book":"Wunderschön"} {"text":"diejenigen waren, die das Wort führten, es konnte nur der Tochter wegen sein.","book":"Wunderschön"} {"text":"Man nannte sie Kala, sie hieß Karen Malena, diese zwei Namen waren in den einen","book":"Wunderschön"} {"text":"Namen Kala zusammengezogen worden; wunderschön sei sie, aber ein wenig träge,","book":"Wunderschön"} {"text":"sagten einige; sie schlafe gewiß morgens etwas lange.","book":"Wunderschön"} {"text":"\"Daran ist sie von Kindheit an gewöhnt,\" sagte die Mutter, \"sie ist immer ein","book":"Wunderschön"} {"text":"Venuskind gewesen, und die werden leicht müde. Sie liegt etwas lange, aber davon","book":"Wunderschön"} {"text":"hat sie ihre klaren Augen!\"","book":"Wunderschön"} {"text":"Welche Macht lag in diesen klaren Augen, diesen tiefblauen Fluten! Diesen","book":"Wunderschön"} {"text":"stillen Gewässern mit dem tiefen Grund! So empfand es der junge Mann, er saß","book":"Wunderschön"} {"text":"fest auf dem tiefen Grund. Er sprach und erzählte, und Mama frage stets gleich","book":"Wunderschön"} {"text":"lebhaft, gleich ungeniert und flott, wie bei der ersten Begegnung. Es war","book":"Wunderschön"} {"text":"eine Freude, Herrn Alfred erzählen zu hören; er erzählte von Neapel, von den","book":"Wunderschön"} {"text":"Wanderungen auf den Vesuv und zeigte dabei bunte Bilder von mehreren Eruptionen.","book":"Wunderschön"} {"text":"Und die Frau Obersteuereinnehmerin hatte früher nie davon gehört oder Zeit","book":"Wunderschön"} {"text":"gehabt, sich die Sache zu überlegen.","book":"Wunderschön"} {"text":"\"Gott bewahre!\" rief sie, \"Das ist ja ein feuerspeiender Berg! Kann denn niemand","book":"Wunderschön"} {"text":"dabei zu Schaden kommen?\" - \"Ganze Städte sind zugrunde gegangen,\" antwortete","book":"Wunderschön"} {"text":"er, \"Pompeji, Herculaneum!\" - \"Aber die unglücklichen Menschen! Und das alles","book":"Wunderschön"} {"text":"haben Sie selber gesehen?\" - \"Nein, von den Ausbrüchen, die hier auf den Bildern","book":"Wunderschön"} {"text":"vorliegen, sah ich keinen; aber ich werde ihnen ein Bild von mir selber zeigen,","book":"Wunderschön"} {"text":"die Eruption darstellend, die ich gesehen habe.\"","book":"Wunderschön"} {"text":"Er legte eine Bleistiftskizze auf den Tisch, und Mama, die in den Anblick der","book":"Wunderschön"} {"text":"stark kolorierten Bilder vertieft war, sah die blasse Beistiftskizze an und","book":"Wunderschön"} {"text":"rief voller Überraschung: \"Sie haben ihn weiß speien sehen!?\" Es wurde einen","book":"Wunderschön"} {"text":"Augenblick schwarz in der Hochachtung des Herrn Alfred vor Mama, aber bald","book":"Wunderschön"} {"text":"begriff er im Lichte Kalas, daß ihre Mutter keinen Farbensinn hatte, weiter war","book":"Wunderschön"} {"text":"es nichts, sie hatte aber das Beste, das Schönste, sie hatte Kala.","book":"Wunderschön"} {"text":"Und Alfred verlobte sich mit Kala, das war ganz natürlich; und die Verlobung","book":"Wunderschön"} {"text":"stand im Tageblatt des Städtchens. Mama ließ sich dreißig Exemplare davon holen","book":"Wunderschön"} {"text":"und schnitt die Annoncen heraus und übersandte sie Freunden und Bekannten.","book":"Wunderschön"} {"text":"Und die Verlobten waren glücklich und die Schwiegermama auch, sie war ja jetzt","book":"Wunderschön"} {"text":"sozusagen mit Thorwaldsen verwandt.","book":"Wunderschön"} {"text":"\"Sind Sie doch eine Fortsetzung von Thorwaldsen!\" sagte sie zu Alfred. Und es","book":"Wunderschön"} {"text":"schien Alfred, als habe die Mama hier etwas Geistreiches gesagt. Kala sagte gar","book":"Wunderschön"} {"text":"nichts, aber ihre Augen leuchteten, ihre Lippen lächelten, jede ihrer Bewegungen","book":"Wunderschön"} {"text":"war schön, und wunderschön war sie, das kann nicht oft genug gesagt werden.","book":"Wunderschön"} {"text":"Alfred machte eine Büste von Kala und seiner Schwiegermama; sie saßen ihm und","book":"Wunderschön"} {"text":"sahen zu, wie er mit dem Finger den weichen Ton glättete und gestaltete. \"Das","book":"Wunderschön"} {"text":"ist nur unsertwegen,\" sagte die Schwiegermama, \"daß Sie selber diese gewöhnliche","book":"Wunderschön"} {"text":"Arbeit tun und nicht Ihren Diener das Zusammenkleben überlassen.\"","book":"Wunderschön"} {"text":"\"Es ist gerade notwendig, daß ich den Ton forme,\" antwortete er. \"Ja, Sie sind","book":"Wunderschön"} {"text":"nun einmal stets so artig!\" sagte Mama, und Kala drückte schweigend seine Hand,","book":"Wunderschön"} {"text":"an welcher noch der Ton saß.","book":"Wunderschön"} {"text":"Und er entwickelte beiden die Herrlichkeit der Natur in der Schöpfung, wies","book":"Wunderschön"} {"text":"darauf hin, wie das Lebendige über dem Toten, die Pflanze über dem Mineral, das","book":"Wunderschön"} {"text":"Tier über der Pflanze, der Mensch über dem Tier stehe; setzt ihnen auseinander,","book":"Wunderschön"} {"text":"wie Geist und Schönheit sich durch die Form offenbarten und wie der Bildhauer","book":"Wunderschön"} {"text":"der irdischen Gestalt des Herrlichsten ihre Erscheinung gebe. Kala stand","book":"Wunderschön"} {"text":"schweigend und nickte dem ausgesprochenen Gedanken zu, Schwiegermama gestand:","book":"Wunderschön"} {"text":"\"Es ist schwer, dem zu folgen! Aber ich komme langsam nach mit den Gedanken, sie","book":"Wunderschön"} {"text":"drehen sich dabei um und um, aber ich halte sie fest!\"","book":"Wunderschön"} {"text":"Und die Schönheit hielt Alfred fest, sie erfüllte ihn, faßte und beherrschte","book":"Wunderschön"} {"text":"ihn. Schönheit leuchtete aus der ganzen Gestalt Kalas, aus ihrem Blick, aus","book":"Wunderschön"} {"text":"ihren Mundwinkeln, selbst aus der Bewegung ihrer Finger. Alfred sprach dies aus,","book":"Wunderschön"} {"text":"und er verstand etwas davon, er sprach nur von ihr, dachte nur an sie, die zwei","book":"Wunderschön"} {"text":"wurden eins, und so sprach auch sie viel, denn er sprach sehr viel.","book":"Wunderschön"} {"text":"Das war die Verlobung, und nun kam die Hochzeit mit Brautjungfern und","book":"Wunderschön"} {"text":"Hochzeitsgeschenken, und diese wurden in der Hochzeitsrede erwähnt.","book":"Wunderschön"} {"text":"Schwiegermama hatte im Brauthause am Ende der Tafel Thorwaldsens Büste, angetan","book":"Wunderschön"} {"text":"mit einem Schlafrock, aufgestellt, er sollte Gast ein, das war ihre Idee;","book":"Wunderschön"} {"text":"Lieder wurden gesungen und Hochrufe wurden ausgebracht, es war eine vergnügliche","book":"Wunderschön"} {"text":"Hochzeit, ein schönes Paar: \"Pygmalion bekam seine Galathea,\" hieß es in einem","book":"Wunderschön"} {"text":"der Lieder. \"Das ist so eine Mythologik!\" sagte Schwiegermama.","book":"Wunderschön"} {"text":"Tags darauf reiste das junge Paar nach Kopenhagen, um dort zu wohnen.","book":"Wunderschön"} {"text":"Schwiegermama begleitete sie, um sich des Groben anzunehmen, wie sie sagte, das","book":"Wunderschön"} {"text":"heißt des Hauswesens. Kala war die Puppe im Puppenhaus. Alles war neu, blank","book":"Wunderschön"} {"text":"und schön! Dort saßen sie nun alle drei, und Alfred, ja, um eine Redensart zu","book":"Wunderschön"} {"text":"gebrauchen, die bezeichnet, wie er saß, saß wie die Made im Speck!","book":"Wunderschön"} {"text":"Der Zauber der Form hatte ihn betört, er hatte auf das Futteral und nicht auf","book":"Wunderschön"} {"text":"das gesehen, was im Futteral steckte, und das bedeutet Unglück, viel Unglück","book":"Wunderschön"} {"text":"im Ehestand; geht das Futteral aus dem Leim und blättert das Flittergold ab, so","book":"Wunderschön"} {"text":"bereut man den Handel. In einer großen Gesellschaft ist es höchst unangenehm, zu","book":"Wunderschön"} {"text":"bemerken, daß man beide Knöpfe der Hosenträger eingebüßt hat, und noch obendrein","book":"Wunderschön"} {"text":"zu wissen, daß man sich nicht auf seine Gürtelschnalle verlassen kann weil man","book":"Wunderschön"} {"text":"keine Schalle hat; doch noch schlimmer ist es, in großer Gesellschaft zu hören,","book":"Wunderschön"} {"text":"daß Frau und Schwiegermama dummes Zeug reden, und dann sich nicht auf sich","book":"Wunderschön"} {"text":"selber verlassen zu können, daß man irgendeinen witzigen Einfall bekommt, der","book":"Wunderschön"} {"text":"die Dummheit in den Wind schlägt.","book":"Wunderschön"} {"text":"Gar oft saß das junge Ehepaar Hand in Hand da, und er sprach, und sie ließ dann","book":"Wunderschön"} {"text":"und wann ein Wort wie einen Tropfen fallen, dieselbe Melodie, dieselben zwei,","book":"Wunderschön"} {"text":"drei Glockentöne. Es war eine Erfrischung für den Geist, wenn Sophie, eine der","book":"Wunderschön"} {"text":"Freundinnen, dann zu Besuch kam.","book":"Wunderschön"} {"text":"Sophie war wenig hübsch; sie war freilich ohne Körperfehler, doch ein wenig","book":"Wunderschön"} {"text":"schief sei sie allerdings, sagte Kala, aber in der Tat nicht mehr, als es eben","book":"Wunderschön"} {"text":"von einer Freundin wahrgenommen werden konnte; sie war ein sehr vernünftiges","book":"Wunderschön"} {"text":"Mädchen, es fiel ihr gar nicht ein, daß sie hier gefährlich werden könnte. Ihre","book":"Wunderschön"} {"text":"Erscheinung war wie ein erfrischender Luftzug in dem Puppenhaus, und frischer","book":"Wunderschön"} {"text":"Luft bedurfte man, das sahen sie alle ein; gelüftet werden mußte, und so kamen","book":"Wunderschön"} {"text":"sie denn an die Luft hinaus: Schwiegermama und das junge Ehepaar reisten nach","book":"Wunderschön"} {"text":"Italien.","book":"Wunderschön"} {"text":"\"Gottlob, daß wir wieder zu Hause sind in unseren vier Wänden!\" sagten Mutter","book":"Wunderschön"} {"text":"und Tochter ein Jahr später, als sie mit Alfred zurückgekehrt waren. \"Es ist","book":"Wunderschön"} {"text":"kein Vergnügen, zu reisen,\" sagte Schwiegermama; \"eigentlich ist es langweilig!","book":"Wunderschön"} {"text":"Ich bitte um Vergebung, daß ich es sage. Ich langweilte mich, obwohl ich meine","book":"Wunderschön"} {"text":"Kinder bei mir hatte, und es ist teuer, sehr teuer, zu reisen! All die Galerien,","book":"Wunderschön"} {"text":"die man ansehen muß! All das, wonach man laufen muß! Man muß es ja, weil man","book":"Wunderschön"} {"text":"sich sonst schämt, wenn man zurückkommt und ausgefragt wird! Und dann muß man","book":"Wunderschön"} {"text":"sich noch sagen lassen, daß das das Schönste sei, was man anzuschauen vergaß.","book":"Wunderschön"} {"text":"Mich langweilten auf die Dauer diese ewigen Madonnen, man wird selber zur","book":"Wunderschön"} {"text":"Madonna dabei!\"","book":"Wunderschön"} {"text":"\"Und was für ein Essen man bekommt!\" sagte Kala. \"Ja, nicht eine echte","book":"Wunderschön"} {"text":"Fleischbrühe!\" sagte Mama. \"Das ist das reinste Elend mit der Kochkunst dort","book":"Wunderschön"} {"text":"unten!\"","book":"Wunderschön"} {"text":"Und Kala war von der Reise müde, fortwährend müde, das war das Schlimmste.","book":"Wunderschön"} {"text":"Sophie wurde ins Haus genommen, und Nutzen brachte sie.","book":"Wunderschön"} {"text":"Das müsse man sagen, meinte Schwiegermama, daß Sophie sich aufs Hauswesen","book":"Wunderschön"} {"text":"und Kunstwesen, kurz, auf alles verstehen, worauf sie sich ihren Mitteln","book":"Wunderschön"} {"text":"entsprechend eigentlich nicht verstehen konnte, und sie sei dazu ein","book":"Wunderschön"} {"text":"ehrenwertes, treues Mädchen; das habe sie so recht gezeigt, als Kala krank lag","book":"Wunderschön"} {"text":"und dahinsiechte.","book":"Wunderschön"} {"text":"Wo das Futteral alles ist, da muß das Futteral aushalten, sonst ist es aus","book":"Wunderschön"} {"text":"- und es war aus mit dem Futteral - Kala starb. \"Sie war wunderschön!\" sagte","book":"Wunderschön"} {"text":"die Mutter, \"sie war wirklich etwas ganz anderes als die Antiken, die sind so","book":"Wunderschön"} {"text":"ramponiert! Kala war ganz und eine Schönheit muß ganz sein.\"","book":"Wunderschön"} {"text":"Alfred weinte, und die Mutter weinte, und beide trugen schwarze Kleider; Mama","book":"Wunderschön"} {"text":"stand Schwarz besonders gut, und sie trug auch am längsten Trauer, und obendrein","book":"Wunderschön"} {"text":"erlebte sie noch die Trauer, daß Alfred sich wieder verheiratete und zwar mit","book":"Wunderschön"} {"text":"Sophie, \"die gar kein Äußeres hatte.\"","book":"Wunderschön"} {"text":"\"Er ist bis zum Extrem gegangen!\" sagte Schwiegermama, \"ist von dem","book":"Wunderschön"} {"text":"Wunderschönsten ans Häßlichste geraten, hat seine erste Frau vergessen können.","book":"Wunderschön"} {"text":"Die Männer haben keine Ausdauer! Mein Mann war anders! Er starb auch vor mir.\"","book":"Wunderschön"} {"text":"\"Pygmalion bekam seine Galathea!\" sagte Alfred; \"ja, so hieß es im","book":"Wunderschön"} {"text":"Hochzeitslied; ich hatte mich einst wirklich in die schöne Statue verliebt, die","book":"Wunderschön"} {"text":"in meinen Armen zum Leben erwachte! Aber die verwandte Seele, die uns der Himmel","book":"Wunderschön"} {"text":"sendet, einen Engel, der mit uns empfinden und mit uns denken, uns erheben kann,","book":"Wunderschön"} {"text":"wo wir gebeugt werden, den habe ich erst jetzt gefunden und gewonnen. Du kamst,","book":"Wunderschön"} {"text":"Sophie, nicht in Formschönheit, in Strahlenglanz - aber schöner als nötig!","book":"Wunderschön"} {"text":"Die Hauptsache bleibt Hauptsache! Du kamst und lehrtest den Bildhauer, daß","book":"Wunderschön"} {"text":"sein Werk nur Ton, Staub ist, nur eine Form in diesem vergänglichen Material,","book":"Wunderschön"} {"text":"dessen inneren Kern wir suchen müssen. Arme Kala! Unser Erdenleben war wie ein","book":"Wunderschön"} {"text":"Reiseleben! Dort oben, wo man sich in Sympathie vereinigt, sind wir einander","book":"Wunderschön"} {"text":"vielleicht halb entfremdet!\"","book":"Wunderschön"} {"text":"\"Das war nicht liebevoll gesprochen!\" sagte Sophie, \"nicht christlich! Droben,","book":"Wunderschön"} {"text":"wo nicht geheiratet wird, sondern, wie du sagst, die Seelen einander anziehen","book":"Wunderschön"} {"text":"durch Sympathie, dort, wo alles Herrliche sich entfaltet und erhebt, wird ihre","book":"Wunderschön"} {"text":"Seele vielleicht so vollkräftig klingen, daß sie die meinige übertönt, und du","book":"Wunderschön"} {"text":"- du wirst dann wieder deinen ersten Liebenausruf tun, wieder ausrufen: Schön!","book":"Wunderschön"} {"text":"Wunderschön!\"","book":"Wunderschön"} {"text":"Es ist eine Geschichte aus den jütländischen Sanddünen, die aber nicht in","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Jütland anhebt, sondern weit weg von dieser nördlichen Halbinsel, im Süden,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"in Spanien beginnt; das Meer ist die Straße zwischen den Ländern; versetze","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"dich in Gedanken dorthin, hin nach dem sonnigen Spanien! Dort ist es warm","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und wunderherrlich, dort wachsen die feuerroten Granatblüten zwischen dunklen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Lorbeerbäumen; von den Bergen weht ein frischer, labender Wind herab über","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die Orangengärten, über die prächtigen maurischen Hallen mit ihren goldenen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Kuppeln und farbigen Wänden; durch die Straßen ziehen Kinder in Prozessionen mit","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Lichtern und flatternden Fahnen, und über Ihnen, hoch und klar, erhebt sich der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Himmel mit funkelnden Sternen; Gesang und Kastagnetten erklingen, Burschen und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Mädchen schwingen sich im Tanz unter blühenden Akazien, während der Bettler auf","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"dem behauenen Marmorstein sitzt, sich an der saftigen Wassermelone labt und das","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Leben halb träumend genießt; es ist wie ein herrlicher Traum das Ganze, und sich","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"dem hinzugeben - ja, das taten so recht zwei junge Neuvermählte, und ihnen waren","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"auch alle Güter der Erde gegeben: Gesundheit, froher Sinn, Reichtum und Ehre.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Wir sind so glücklich, wie nur irgend jemand es sein kann!\" sprachen sie","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"aus vollster Herzensüberzeugung; doch noch eine Stufe des Glücks konnten sie","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"erklimmen, wenn nämlich Gott ihnen ein Kind, einen Sohn, ihnen ähnlich an Körper","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und Seele, schenken wollte.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Das glückliche Kind würde mit Jubel begrüßt werden, die größte Sorgfalt und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Liebe finden, all des Wohlseins und Reichtums teilhaftig werden, den eine","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"einflußreiche Familie zu spenden vermag. Wie ein Fest verstrichen ihnen die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Tage.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Das Leben ist ein Gnadengeschenk der Liebe, eine fast unbegreiflich große","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Gabe!\" sprach die junge Frau, \"und die Fülle der Glückseligkeit soll im","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"jenseitigen Leben noch wachsen, und zwar ewig und immer - ich fasse diesen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Gedanken nicht!\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Und der Gedanke ist in der Tat auch Übermut des Menschen!\" versetzte der Mann.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Es ist im Grunde ein entsetzlicher Stolz, zu glauben, daß man ewig lebt -","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"werden soll wie Gott! Waren es doch auch die Worte der Schlange, und sie war der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Lüge Urheberin.\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Du zweifelst doch nicht an einem Leben im Jenseits?\" fragte die junge Frau, und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"es war, als gleite zum ersten Mal ein Schatten durch ihr sonniges Gedankenreich.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Der Glaube verheißt es, die Priester sagen es!\" sprach der junge Mann,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"aber gerade in all meinem Glück fühle und erkenne ich, daß es ein Stolz, ein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"übermütiger Gedanke wäre, ein anderes Leben nach diesem, eine fortgesetzte","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Glückseligkeit zu verlangen - ist uns nicht in dem Erdendasein so viel gegeben,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"daß wir wohl zufrieden sein können und sein müssen?\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Ja, uns ward es gegeben!\" sagte die junge Frau, \"allein wie vielen Tausenden","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ward nicht dieses Leben zu einer schweren Prüfung; wie viele sind nicht in diese","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Welt hineingeworfen worden, gleichsam zur Armut nur, zur Schande, zur Krankheit","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und zum Unglück; nein, wenn es kein Leben nach diesem gäbe, dann wäre alles auf","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Erden zu ungleich verteilt, dann wäre Gott nicht die Gerechtigkeit!\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Der Bettler dort unten hat Freuden, die er ebenso sehr schätzt, die ihn ebenso","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"groß dünken, wie der König sie in seinem reichen Schloß hat!\" versetzte der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Mann, \"und glaubst du nicht, daß das Arbeitstier, das geprügelt wird, hungert","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und sich zu Tode schleppt, seine schweren Lebenstage empfindet! Das Tier könnte","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"auch ein jenseitiges ewiges Leben fordern, es ein Unrecht heißen, daß es nicht","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"in ein höheres Reich der Schöpfung gestellt wurde!\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen, hat Christus gesagt\"; antwortete","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die junge Frau, \"das Himmelreich ist das Unendliche, wie Gottes Liebe unendlich","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ist - auch das Tier ist ein Geschöpf Gottes, und ich glaube fest daran, daß kein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Leben verloren gehen wird, sondern all die Glückseligkeit genießen wird, die es","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"empfangen kann und die ihm genügt.\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Mir aber genügt nun diese Welt!\" rief der Mann und umschlang sein schönes,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"liebliches Weib, rauchte eine Zigarre auf dem offenen Altan, wo die kühle","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Luft erfüllt war mit dem Duft der Orangen und Nelken; Musik und Kastagnetten","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"erklangen von der Straße herauf, die Sterne flimmerten von oben herab, und zwei","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Augen voller Liebe, die Augen seines Weibes, schauten ihn mit dem ewigen Leben","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"der Liebe an.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Eine solche Minute,\" sprach er, \"ist es wohl wert, daß man geboren wird,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"empfindet und - verschwindet!\" und er lächelte; die junge Frau hob die Hand mit","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"mildem Vorwurf - und der Schatten auf ihrer Welt war wieder verschwunden, sie","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"waren gar zu glücklich.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Und alles schien sich ihnen zu fügen, sie schritten voran in Ehre, in Wohlsein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und Freude; ein Wechsel fand zwar statt, aber nur ein Ortswechsel, keiner im","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Genuß und in des Lebensfreude und Lust. Der junge Mann wurde von seinem König","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"als Gesandter an den kaiserlichen Hof in Rußland geschickt, es war ein Ehrenamt,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"seine Geburt und seine Kenntnisse gaben ihm ein Recht zu diesem Posten; ein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"großes Vermögen besaß er, seine junge Frau hatte ihm ein nicht geringeres","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"eingebracht, sie war die Tochter eines reichen, angesehenen Kaufmannes. Eines","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"der größten, besten Schiffe dieses Kaufherrn sollte gerade in diesem Jahr","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"nach Stockholm gehen, es wurde bestimmt, daß es die lieben Kinder, Tochter und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Schwiegersohn, nach St. Petersburg führen solle, und an Bord ward alles prächtig","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"eingerichtet, reiche Teppiche für die Füße, Seide und Luxus überall.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Ein altes Heldenlied heißt: \"Des Königs von England Sohn\"; der segelte auch an","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Bord eines prächtigen Schiffes, der Anker ward ausgelegt mit rotem Gold, jedes","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Tau mit Seide durchflochten - an dieses Schiff mußte man unwillkürlich denken,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wenn man das aus Spanien sah, denn hier war dieselbe Pracht, und derselbe","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Abschiedsgedanke drängte sich einem auf, der Gedanke:","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Gott lasse uns alle in Freuden","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"einst wieder zusammenfinden!","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Und der Wind blies schön seewärts an der spanischen Küste, der Abschied war nur","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ein kurzer; in wenigen Wochen würden sie das Ziel ihrer Reise erreichen können;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"aber als sie auf die hohe See kamen, legte sich der Wind, das Meer ward blank","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und still, die Sterne des Himmels strahlten, es waren gleichsam Festabende, die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"in der reichen Kajüte verstrichen.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Endlich wünschte man doch, daß es ein wenig Luft und Fahrtwind geben möge, aber","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"er blies nicht, und erhob sich ja einmal der Wind, da war es immer Gegenwind;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"so vergingen Wochen, ja volle zwei Monde, erst dann stellte sich der rechte Wind","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ein, er blies aus Südwest; das Schiff fuhr auf der hohen See zwischen Schottland","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und Jütland, und der Wind nahm zu, ganz wie in der alten Weise von \"Des Königs","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"von England Sohn.\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Da gab es ein Wetter und Wolkenguß,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"kein Land, keinen Schutz sie fanden,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und sie warfen ihr Ankergold -","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"doch der Wind blies westeinwärts auf Dänemark.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Das ist nun lange her. König Christian der Siebente saß damals auf dem dänischen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Thron und war noch ein junger Mann. Vieles ist seit der Zeit geschehen, vieles","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hat gewechselt und sich verändert; See und Moorland haben sich in grünende","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Wiesen verwandelt, Heide ist Ackerland geworden, und im Schutz der Westjüten-","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Hütten wachsen Apfelbäume und Rosen, wenn man sie auch freilich suchen muß, denn","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sie ducken sich vor dem scharfen Westwind.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Man kann sich im westlichen Jütland so recht in die alte Zeit zurückversetzen,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"weiter zurück als in die Regierungszeit Christian des Siebten; wie damals, so","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"erstreckt sich auch jetzt in Jütland die braune Heide meilenweit hin mit ihren","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Hünengräbern, ihren Luftspiegelungen, mit den sich kreuzenden holprigen und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sandigen Wegen; westwärts, wo große Bäche in die Fjorde münden, breiten sich","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Wiesen und Moorland aus, umzäunt von hohen Sanddünen, die einer Alpenkette","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gleich sich mit ausgezackten Gipfeln gegen das Meer hin erheben, sie werden","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"nur von hohen Lehmabhängen unterbrochen, von welchen die Fluten Jahr für","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Jahr Riesenbissen abbeißen, so daß die jähen Küstenufer, wie durch Erdbeben","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"erschüttert, einstürzen. So sieht es dort noch am heutigen Tage aus, so war es","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"auch vor vielen Jahren, damals, als die zwei Glücklichen draußen auf dem reichen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Schiff segelten.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Es war in dem letzten Tagen des Septembers, es war Sonntag und sonniges Wetter,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"das Läuten der Kirchenglocken am Fjord von Nissum rollte dahin in der Luft","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wie eine tönende Kette; die Gotteshäuser dort sind fast nur aus behauenen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Feldsteinen erbaut, jedes ist ein Stückchen Felsen; die Nordsee könnte über","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sie dahinbrausen, und sie würden stehenbleiben; an den meisten fehlte der Turm","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und die Glocken hingen dann im Freien zwischen zwei Balken. Der Gottesdienst","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"war zu Ende; die Gemeinde trat aus der Kirche auf den Friedhof, wo damals wie","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"heutzutage weder Baum noch Busch zu erblicken war, nicht eine Blume war dort","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gepflanzt, nicht ein Kreuz auf die Gräber hingelegt; knorrige Hügel zeigen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"an, wo die Toten eingesenkt sind, schneidendes Gras, vom Winde gepeitscht,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"überwuchert den ganzen Kirchhof; irgendein einzelnes Grab hat vielleicht ein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Grabmal aufzuweisen, das heißt, einen, fast verwitterten Holzblock, zugehauen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"in der Form eines Sarges; der Holzblock ist dann aus dem Walde der jütländischen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Westgegend geholt, und der Wald dieser Gegend ist das wilde Meer, dort wachsen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"für den Küstenbewohner die behauenen Balken, Bohlen und Hölzer, welche die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Brandung ihm ans Land führt. Der Wind und die Seenebel verwittern bald das Holz;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ein solcher Holzblock war hier auf ein Kindergrab von lieben Händen hingetragen,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und eine der Frauen, die aus der Kirche kamen, schritt auf das Grab zu; sie","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"blieb vor dem Grab stehen und ließ ihre Blicke auf dem verwitterten Grabmal","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ruhen; wenige Augenblicke später trat ihr Mann zu ihr heran; beide sprachen kein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Wort, er ergriff aber ihre Hand, und sie wanderten vom Grab auf die braune Heide","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hinaus, über Moor und Wiese dahin auf die Sanddünen zu: lange Zeit gingen Sie","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"schweigend nebeneinander her.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Das war heute eine gute Predigt,\" sprach der Mann, \"hätte man nicht den lieben","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Gott, man hätte gar nichts!\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Ja,\" versetzte die Frau, \"er schenkt Freude und Betrübnis, und er hat das Recht","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"dazu! Morgen wäre unser kleiner Knabe fünf Jahre alt geworden, hätten wir ihn","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"behalten dürfen.\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Es Kommt nichts dabei heraus, daß du trauerst, Frauchen,\" sagte der Mann. \"Ist","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"der Knabe doch gut davongekommen! Er ist ja dort, wo wir durch unser Gebet","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hinkommen wollen!\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Und darauf sprachen sie nichts weiter und gingen auf ihr Haus zwischen den","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Sanddünen zu; plötzlich erhob sich von einer dieser Dünen, an der das Strandgras","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"den Sand nicht mit seinen langen Wurzelgeflecht festhielt, gleichsam eine","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"dicke Rauchwolke, ein Windstoß bohre sich in die Dünen und wirbelte die feinen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Sandteilchen hoch auf, noch ein Windstoß, und all die mit Fischen zum Trocknen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"behangenen, ausgespannten Schnüre schlugen mit Macht gegen die Wand des","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Häuschens, und alles war wieder still; die Sonne strahle warm herab.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Mann und Frau traten ins Haus; bald hatten sie sich ihrer Sonntagskleider","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"entledigt, und wieder hinaustretend, eilten sie nun über die Dünen, die wie","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ungeheure Wogen aus Sand, plötzlich in ihrer Bewegung aufgehalten, dastanden;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"der Sandhafer und das Dünengras mit ihren blaugrünen Halmen gaben dem weißen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Sand etwas Farbe. Ein paar Nachbarn kamen noch hinzu, man war einander","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"behilflich, die Boote höher auf den Sand hinaufzuziehen; der Wind blies jetzt","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gewaltiger als zuvor, er war scharf und kalt, und als die zurück über die Dünen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"eilten, wehten ihnen Sand und scharfe Steinchen ins Gesicht, die Wellen türmten","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sich mit weißen Schaumkronen hoch auf, und der Wind schnitt den Kamm ab, daß der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Schaum weit umherspritzte.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Der Abend kam heran, in der Luft tönte ein heranschwellendes Sausen, heulend,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"klagend, wie eine Heerschar verzweifelter Geister, es übertönte das dröhnende","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Rollen des Meeres, obwohl das Fischerhaus ganz in seiner Nähe lag. Der Sand","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"prasselte an die Fensterscheiben, und zuweilen kam ein Windstoß so gewaltig","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"heran, daß das Häuschen gleichsam in seinem Grund erbebte. Es war finster, doch","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gegen Mitternacht würde der Mond aufgehen.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Die Luft klärte sich auf, aber der Sturm raste in seiner ganzen gewaltigen Macht","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"über das tief aufgewühlte Meer dahin. Die Fischersleute hatten schon längst ihr","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Lager aufgesucht, allein bei dem Unwetter war nicht daran zu denken, ein Auge zu","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"schließen; da klopfte es an das Fenster, die Tür tat sich auf, und jemand sagte:","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Ein großes Schiff liegt fest auf dem äußersten Riff!\" Mit einem Sprung waren","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die Fischersleute vom Lager auf und in den Kleidern.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Der Mond war aufgegangen, es wäre hell genug gewesen, um zu sehen, hätte man","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die Augen wegen der Wirbel des Flugsandes auftun können; es war ein Wind, daß","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"man sich gleichsam auf denselben legen konnte; nur mit großer Mühe, zwischen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"den Windstößen dahinkriechend, gelangte man über die Dünen hinweg, und hier","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"nun flog wie Schwanendaunen in der Luft der Salzige Gischt und Schaum vom Meere","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hoch empor, das sich wie ein rollender, kochender Wasserfall gegen die Küste","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wälzte. Ein geübtes Auge gehörte dazu, um das Fahrzeug draußen zu erblicken; es","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"war ein prächtiger Zweimaster; gerade jetzt hoben die Fluten es über das Riff;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"drei, vier Kabellängen außerhalb der gewöhnlichen Brandung, es trieb gegen das","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Land an, lief auf das zweite Riff auf und saß fest. Hilfe zu bringen war eine","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Unmöglichkeit, die See war zu gewaltig, sie schlug gegen das Schiff und rollte","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"immerfort über dasselbe hinweg. Man glaubt die Notschreie, die Angstrufe der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"dem Tode Geweihten zu vernehmen, man gewahrte die emsige, hilflose Tätigkeit an","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Bord. Jetzt rollte eine Woge heran, die wie ein zermalmendes Felsstück auf den","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Bugspriet stürzte, der wurde dem Schiff entrissen. Das Heck hob sich hoch über","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die Flut. Zwei Menschen sprangen zu gleicher Zeit, einander umschlingend, in","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die Fluten - ein Augenblick - und eine der größten Wellen, die gegen die Dünen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"rollten, warf einen Körper auf die Küste - es war ein Weib, eine Leiche, wie die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Schiffer dachten; ein paar von den Frauen erfaßten sie, glaubten noch Leben in","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ihr zu spüren, man brachte die Fremde über die Dünen hinweg in die Fischerhütte.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Wie schön und fein war sie, gewiß eine vornehme Dame. Sie legten sie in das","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ärmliche Bett, aber es war schön warm.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Das Leben kehrte ihr wieder, aber im Fieber; sie wußte nichts von dem, was","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"geschehen war oder wo sie sich befand, und so war es ja gerade gut, denn","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"alles, was ihr lieb und wert war, lag auf dem Meeresgrund; es erging Schiff und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Menschen draußen, wie es das Heldenlied von \"Des Königs von England Sohn\" singt.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Es war ein Grauen zu sehen -","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"in Stücke klein das Schiff verwehen.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Wrackstücke und Späne trieben an Land, sie war die einzig Überlebende von allen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"an Bord. Noch fegte der Wind heulend über die Küste. Einige kurze Augenblicke","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"schien sie zu ruhen, aber bald traten Schmerzein ein, und ein Angstschrei tönte","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"von ihren Lippen, sie schlug ihre wunderbar schönen Augen auf, sprach einige","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Worte, aber niemand hier verstand sie.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Und sieh, als Lohn für Kampf und Schmerzen hielt sie in ihren Armen ein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"neugeborenes Kind, ein Kind, das auf einem Prachtlager, umwallt von seidenen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Vorhängen in dem reichen Hause hätte ruhen sollen! Es hätte mit Jubel begrüßt","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"werden sollen zu einem Leben reich an allen Gütern der Erde, und jetzt hatte es","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Gott in diesem armen Winkel geboren werden lassen!","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Die Fischersfrau legte das Kind an die Brust der Mutter, aber es lag an einem","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Herzen, daß nicht mehr schlug, sie war tot. Das Kind, dessen Amme Reichtum und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Glück hätte sein sollen, war in die Welt hineingeworfen, in die Sanddünen von","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"der See hineingespült worden, um das Los und die schweren Tage der Armen zu","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"kosten. Und wieder kommt uns hier in den Sinn das alte Lied von dem englischen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Königssohn, in welchem auch der damals durch Ritter und Knappen üblichen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Ausplünderung der vom Schiffbruch Erretteten gedacht wird.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Eine Strecke südlich von dem Nissumfjord war das Schiff gestandet. Die harten,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"unmenschlichen Zeiten, in denen die Bewohner der Westküste Jütlands den","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Schiffbrüchigen Böses zufügten, wie man erzählt, waren damals schon längst","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"vorüber; Liebe und Mitgefühl, Aufopferung für die Schiffbrüchigen waren","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"dort zu finden, wie sie in unserer Zeit zu finden sind und in edlen Zügen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hervorleuchten; die sterbende Mutter und das elende Kind hätten überall, wohin","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"der Wind sie auch geweht hätte, Sorgfalt und Pflege gefunden, aber nirgends","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"inniger als bei der armen Fischersfrau, die noch gestern schweren Herzens an dem","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Grab gestanden hatte, welches ihr Kind barg, das heute fünf Jahre alt geworden","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wäre, wenn Gott ihm zu leben vergönnt hätte. Niemand wußte, wer das fremde tote","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Weib war oder wohl sein könnte. Die Wrackstücke des Schiffes sprachen kein Wort","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hiervon.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Nach Spanien, in das reiche Haus, kam niemals ein Brief oder eine Botschaft über","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"das Geschick der Tochter und des Schwiegersohnes, sie waren nicht an dem Ort","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ihrer Bestimmung angelangt, heftige Stürme hatten während der letztverflossenen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Wochen gerast; man harrte Monate. \"Total gescheitert; alle untergegangen!\" das","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"erfuhr man endlich. Aber in den Dünen bei Huusby, in dem Fischerhause, hatte die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"reiche spanische Familien nun einen kleinen Sprößling.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Wo Gott zweien Nahrung beschert, findet der dritte wohl auch eine Mahrzeit,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und in der Tiefe des Meeres gibt es schon ein weiteres Gericht Fische für einen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hungrigen Magen. Jürgen nannte man den Knaben.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Er ist gewiß ein Judenkind,\" hieß es, \"er sieht so schwarz aus!\" Es könnte auch","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ein Italiener oder Spanier sein, sagte der Pfarrer. Der Fischersfrau schien es","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"aber, als seien diese drei Nationen ganz gleich, und sie tröstete sich mit dem","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Gedanken, daß das Kind als Christ getauft war.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Der Knabe gedieh, das adelige Blut blieb warm und kräftigte sich bei der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ärmlichen Kost, er wuchs heran in dem geringen Haus; der dänische Dialekt, wie","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ihn der Westjüte spricht, wurde seine Sprache. Der Granatkern aus dem Boden","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Spaniens wurde eine Strandhaferpflanze auf der Küste von Westjütland. So kann es","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"einem Menschen ergehen! An diese Heimat klammerte er sich mit den erstjährigen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Wurzeln seines Lebens. Hunger und Kälte, Drangsal und Not armer Leute sollte er","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"kennenlernen, aber auch der Armen Freude genießen.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Das Kindesalter hat für jeden seine Lichthöhen, die später durchs ganze","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Leben hindurchsrahlen. Wie hatte er doch vollauf Freude am Spiel; die ganze","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Küste, meilenweit, lag voll Spielzeug, sie war ein Mosaik aus Steinen,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"rot wie Korallen, gelb wie Bernstein und weiß und gerundet, als seien es","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Vogeleier, in allen Farben und alle geschliffen und geglättet vom Meer.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Selbst das gebleichte Fischskelett, die im Winde getrockneten Wasserpflanzen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"des Seetangs, schimmerndweiß, lang und schmal, wie leinene Bänder, flatternd","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"zwischen den Steinen, waren wie alles zum Spielen und zur Freude für das","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Auge und den Gedanken da; und der Knabe war ein aufgeweckter Kopf, viele und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"große Fähigkeiten wohnten in ihm. Wie leicht behielt er im Gedächtnis die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Geschickten und Lieder, die er hörte, und wie fingerfertig war er! Aus Steinen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und Muschelschalen setzte er ganze Schiffe und Bilder zusammen, mit denen man","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die Stube ausputzen konnte; er könne seine Gedanken merkwürdig in einen Stecken","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"schnitzen, sagte die Pflegemutter, und der Knabe sei doch noch sehr jung und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"klein! Herrlich klang seine Stimme, jede Melodie floß sogleich von seiner Zunge.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Viele Saiten waren in der Brust gespannt, die hätten in die Welt hinausklingen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"können, wenn er anderswohin gestellt worden wäre als in das Fischerhaus an der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Nordsee.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Eines Tages strandete wieder ein Schiff hier; unter anderem schwamm eine Kiste","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"mit seltenen Blumenzwiebeln ans Land; einige wurden in den Kochtopf getan,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"man glaubte, sie seien genießbar, andere lagen und vermoderten im Sande, sie","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gelangten nicht zu ihrer Bestimmung, die Farbenpracht zu entfalten, die ihnen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"innewohnte - würde es wohl Jürgen besser ergehen? Die Blumenzwiebeln hatten bald","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ihre Rolle ausgespielt, er hatte noch die Jahre seiner Lehrzeit vor sich.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Weder ihm noch irgend einem andern fiel es auf, wie einsam und einförmig der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Tag auf ihrer Scholle verstrich, gab es doch vollauf zu tun und zu sehen. Das","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Meer selber war ein großes Lehrbuch, jeden Tag bot es ein neues Blatt dar.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Meeresstille, Brandung, Kühle und Sturm, Strandungen waren die Glanzpunkte;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"der Kirchenbesuch war ein Festbesuch, doch von den Festbesuchen zeichnete sich","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"im Fischerhaus selber namentlich einer aus, der besonders willkommen war, er","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wiederholte sich zweimal jährlich, es war der Besuch des Bruders von Jürgens","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Pflegemutter, des Aalbauern aus Fjaltring, oben in der Nähe des Bowberges;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"er kam in einem rotangestrichenen Wagen, gefüllt mit Aalen, der Wagen war","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"verschlossen und verdeckt wie eine Kiste und bemalt mit blauen und weißen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Tulpen; er wurde von zwei fahlgelben Ochsen gezogen, und Jürgen durfte diese","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Ochsen lenken.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Der Aalbauer war ein guter Kopf, ein fröhlicher Gast, er führte ein Lägel voll","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Branntwein mit sich. Jedermann bekam aus demselben ein Schnapsglas oder eine","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Tasse voll, wenn es an Schnapsgläsern fehlte, selbst Jürgen bekam einen großen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Fingerhut voll, damit er den fetten Aal verdauen könne, sagte der Aalbauer","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und erzählte dann immer wieder dieselbe Geschichte, und wenn man ihm darob","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"zulächelte, erzählte er sie denselben Zuhörern sofort noch einmal. Da Jürgen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"während seiner ganzen Kindheit und selbst später aus dieser Geschichte des","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Aalbauern mehrere Redensarten gebrauchte und überhaupt die Geschichte vielfach","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"zur Anwendung brachte, so müssen wie sie wohl einmal mitanhören.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"In die Bucht gingen die Aale, und die Aalmutter sagte zu ihren Töchtern, die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sie um Erlaubnis baten, die Bucht eine kleine Strecke hinaufwandern zu dürfen:","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Geht nicht zu weit, der häßliche Aalstecher könnte leicht kommen und euch alle","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wegschnappen!\" Aber sie gingen zu weit hinaus, und von acht Töchtern kehrten","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"nur drei zur Aalmutter wieder zurück, und diese jammerten: \"Wir waren bloß","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ein wenig vor die Tür gegangen, als gleich der häßliche Aalstecher kam und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"fünf unserer Geschwister zu Tode stach.\" - \"Die kommen schon wieder!\" sprach","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die Aalmutter.- \"Nein,\" sagten die Töchter, \"Denn er verspeiste sie.\" - \"Sie","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"kommen schon wieder!\" sagte die Aalmutter. - \"Aber er trank Branntwein darauf!\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"versetzten die Töchter. - \"Au, au\" dann kehren sie nimmer wieder!\" heulte die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Aalmutter, \"der Branntwein begräbt die Aale.\" - \"Und deshalb muß man immer ein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Glas Branntwein zu dem Gericht trinken!\" sagte der Aalbauer.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Und diese Geschichte wurde der Flittergoldfaden, der humoristische Faden im","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Leben Jürgens. Auch er wollte gern ein wenig vor die Tür gehen und ein wenig","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die Bucht hinauf, das heißt, mit einem Schiff in die Welt hinaus, und die Mutter","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sprach wie der Aalbauer, \"es gibt so viele schlechte Menschen, Aalstecher!\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Doch ein wenig über die Sanddünen hinaus, nur ein wenig in die Heide hinein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"mußte er, und das gelang ihm denn auch. Vier fröhliche Tage, die lichtesten","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"seiner Kindheit, rollten herauf, die ganze Herrlichkeit und Schönheit Jütlands,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"alle Freuden, aller Sonnenschein der Heimat lag in ihnen; er sollte zu einem","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Festgelage - ein Leichenschmaus war es allerdings.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Ein wohlhabender Verwandter der Fischerfamilie war gestorben; das Gehöft lag","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"tief im Lande, ostwärts, einen Strich gegen Norden, wie es hieß. Vater und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Mutter mußten dorthin, Jürgen sollte mit. Von den Dünen kamen sie über Heide","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und Moorland an die grüne Wiese, wo der Skjernfluß sich seine Bahn bricht,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"der Fluß mit den vielen Aalen, wo Aalmutter mit ihren Töchtern wohnte, die von","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"schlechten Menschen gefangen und zerschnitten wurden: doch besser hatten die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Menschen gar oft gegen ihre Mitmenschen nicht gehandelt; auch Herr Ritter Bugge","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wurde von bösen Menschen ermordet, und wie gut man ihn auch nannte, wollte er","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"doch den Baumeister totschlagen, wie es in einer alten Legende heißt, der ihm","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sein Schloß mit den dicken Mauern und Türmen errichtet hatte, wo Jürgen mit","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"seinen Pflegeeltern stand, wo der Fluß in die Bucht fällt. Die Auffahrt auf","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"den Schloßwall war noch übriggeblieben, rote, zerbröckelte Mauerstücke lagen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ringsumher. Hier hatte Ritter Bugge, als der Baumeister ihn verlassen hatte,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"zu seinem Knappen gesagt: \"Geh ihm nach und sage: Meister, der Turm wackelt!","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Wendet er sich um, so schlägst du ihn tot und nimmst ihm das Geld ab, das ich","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ihm gab, wendet er sich aber nicht um, so läßt du ihn in Frieden ziehen!\" Der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Knappe gehorchte, und der Baumeister antwortete und sah sich nicht um: \"Der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Turm wackelt beileibe nicht, aber dereinst wird aus dem Westen ein Mann in","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"einem blauen Mantel kommen, der wird ihn zum Wackeln bringen!\" Und so geschah es","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hundert Jahre später, die Nordsee brach ein, und der Turm brach zusammen, doch","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"der damalige Besitzer des Schlosses, Prebjörn Gyldenstjerne, baute höher hinauf,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wo die Wiese aufhört, ein neues Schloß und das steht heute noch, es ist Nörre","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Vosborg.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"An diesem vorüber ging die Reise Jürgens und seiner Pflegeeltern; während der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"langen Winterabende hatte man ihm davon erzählt, jetzt sah er den Herrenhof","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"mit seinen doppelten Gräben, mit Bäumen und Gebüsch; der Wall, mit Farnkräutern","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"überwuchert, erhob sich innerhalb des Grabens; aber das schönste waren die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hohen Linden, die bis an die Dachfenster reichten und die Luft mit süßem Duft","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"erfüllten. In einer Ecke des Garten nach Nordwesten zu stand ein großer Busch","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"mit Blüten, gleich Winterschnee im Sommergrün; es war ein Holunderbusch, der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"erste, welchen Jürgen so hatte blühen sehen; den und die Linden vergaß er nie,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die Kinderseele barg diese Erinnerungen voll Duft und Herrlichkeit für den alten","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Mann.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Von Nörre Vosborg an, wo der Holunder blühte, ging es bequemer weiter, denn","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sie trafen andere Gäste, die auch zu der Leichenfeier wollten und die zu Wagen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"waren; zwar mußten die drei hinten im Wagen auf einer kleinen Kiste sitzen, aber","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"es war doch besser, als zu gehen, meinten sie. Die Reise ging nun zu Wagen über","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die holperige Heide dahin; die Ochsen, die den Wagen zogen, blieben dann und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wann stehen, wo ein frischer Rasenfleck zwischen dem Heidekraut zum Vorschein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"kam, die Sonne schien warm, und wunderlich war es zu sehen, wie weit in der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Ferne gleichsam ein Rauch wogte, und dieser Rauch war doch klarer als die Luft,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"er war durchsichtig, es war, als rollten und tanzten die Lichtstrahlen über die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Heide dahin.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Das ist der Lokemann, der seine Schafherde treibt,\" hieß es, und das war","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"genug gesagt, um die Phantasie Jürgens zu wecken, ihm schien es, als führen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sie nun in das Land der Märchen hinein und waren doch in der Wirklichkeit. Wie","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"war es hier still! Weit und groß dehnte sich die Heide aus, aber gleich einem","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"köstlichen Teppich; das Heidekraut blühte, die zypressengrünen Wacholderbüsche","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und die frischen Eichenschößlinge ragten gleich Buketts in der Heide hervor; wie","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"einladend, um sich hier zu tummeln, wären nur nicht die vielen giftigen Nattern","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"dagewesen, von denen sprach man und von den vielen Wölfen, die es hier gegeben","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hatte, weshalb auch der Kreis noch Wolfsborg-Kreis hieß. Der alte Mann, der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die Ochsen lenkte, erzählte, wie zu Lebzeiten seines Vaters die Pferde hier oft","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"einen harten Kampf gegen die jetzt ausgerotteten wilden Tiere hatten bestehen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"müssen und daß er eines Morgens, als er hierher kam, um die Pferde zu holen,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"eines von ihnen gefunden hatte, das mit beiden Vorderhufen auf einem Wolf stand,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"den es getötet hatte, wie aber auch das Fleisch von den Beinen des Pferdes ganz","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"heruntergebissen gewesen war.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Zu schnell ging der Weg über die Heide und den tiefen Sand. Sie hielten vor dem","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Trauerhaus, woselbst es vollauf Gäste gab, drinnen und draußen; Wagen reihte","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sich an Wagen, Pferde und Ochsen grasten auf der mageren Weide; große Sanddünen,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wie zu Hause an der Nordsee, erhoben sich hinter dem Gehöft und erstreckten sich","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"weit und breit. Wie waren die hier heraufgekommen, drei Meilen ins Land hinein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und ebenso hoch und groß wie die an der Meeresküste? Der Wind hatte sie gehoben","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und getragen, sie hatten auch ihre Geschichte.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Psalmen wurden gesungen, geweint wurde auch von einigen alten Leuten, sonst war","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"alles fröhlich und vergnügt, wie es Jürgen schien, Essen und Trinken gab es in","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Hülle und Fülle, die herrlichsten fetten Aale, und auf diese muß man Branntwein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gießen, \"das fesselt den Aal,\" hatte der Aalbauer gesagt, und die Worte wurden","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"freilich hier zur Tat.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Jürgen ging hier ein und aus; am dritten Tage fühlte er sich wie zu Hause, wie","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"in dem Fischerhaus an den Sanddünen, wo er seine früheren Tage alle verlebt","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hatte. Hier auf der Heide war freilich ein ganz anderer Reichtum, hier wucherten","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Blumen und Preiselbeeren und Heidelbeeren, so groß und so süß und in solchen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Mengen, daß sie beim Auftreten zerquetscht wurden, so daß das Heidekraut von dem","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"roten Saft troff.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Hier ein Hünengrab, dort ein zweites; Rauchsäulen hoben sich in die stille Luft,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"es sei der Heidebrand, hieß es, der leuchtete schön am späten Abend. Jetzt kam","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"der vierte Tag heran, und mit dem ging der Leichenschmaus zu Ende - nun ging es","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wieder von den Landdünen in die Stranddünen.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Unsere sind doch die richtigen!\" sagte der alte Fischer, Jürgens Pflegevater,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Diese hier haben keine Macht.\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Und man sprach davon, wie die Sanddünen so ins Land hineingekommen waren,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und das war alles sehr begreiflich. An der Küste war eine Leiche aufgefunden","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"worden, die Bauern hatten sie auf dem Kirchhof begraben,da begann der Sandsturm,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"das Meer brach gewaltsam ein; ein kluger Mann im Kirchspiel riet, das Grab zu","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"öffnen und nachzusehen, ob nicht der Begrabene da liege und an seinem Daumen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"lutsche, denn dann wäre es ein Meermann, den sie begraben hätten, und das Meer","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"würde nicht ruhen, bis es ihn wieder geholt habe; das Grab wurde geöffnet -","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und richtig, er lag da und lutschte an dem Daumen, und nun legten sie ihn auf","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"einen Karren, spannten zwei Ochsen vor denselben, und wie von einer Natter","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gebissen jagten sie nun dahin mit dem Meermann über Heide und Moorland in das","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Meer hinaus, da hielt der Flugsand inne, aber die Dünen liegen noch da. Dies","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"alles hörte und behielt Jürgen im Gedächtnis aus den glücklichsten Tagen seiner","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Kindheit, den Tagen des Leichenschmauses.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Wie herrlich war das, hinauszukommen in fremde Gegenden und fremde Menschen zu","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sehen, und er sollte noch weiter kommen. Er war keine vierzehn Jahre als, noch","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ein Kind; er ging auf ein Schiff, kam hinaus, um zu erfahren, was die Welt gibt:","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"böses Wetter, starken Seegag, bösen Sinn, harte Menschen lernte er kennen, er","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wurde Schiffsjunge! Schlechte Kost, kalte Nächte, Prügel und Faustschläge gab","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"es; da spürte er etwas in seinem hochadeligen spanischen Blut, das gleichsam","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"aufwallte und mit bitteren Worten ihm die Lippen schäumen machte - aber es war","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"doch wohl das klügste, sie wieder zu verschlucken, und das war ein Gefühl, wie","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"es dem Aal zumute sein muß, wenn er gehäutet, zerschnitten und in die Bratpfanne","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gelegt, wird.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Ich komme wieder!\" sprach es in seinem Innern. Er sah die spanische Küste, das","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Vaterland seiner Eltern, die Stadt selbst, wo sie in Wohlstand und Glück gelegt","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hatten, sah er, aber er wußte nicht von Heimat und Familie, seine Familie wußte","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"noch viel weniger von ihm.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Der arme Schiffsjunge durfte auch nicht an Land gehen - doch am letzten Tag,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"an dem das Schiff hier im Hafen lag, kam er ans Land; es sollten verschiedene","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Einkäufe gemacht werden, und er sollte sie an Bord tragen.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Da stand Jürgen in schlechten Kleidern, die sahen aus, als seien sie im Graben","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gewaschen und im Schornstein getrocknet worden; zum ersten Mal sah er, der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Dünenbewohner, eine große Stadt. Wie waren doch die Häuser hoch, die Straßen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ganz mit Menschen überfüllt, einige drängten hier-, andere dorthin, es war","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wie ein ganzer Mahlstrom von Städtern und Bauern, von Mönchen und Soldaten,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ein Schreien und Rufen, ein Klingeln von Esel- und Mauleselglöckchen, die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Kirchenglocken läuteten sogar dazwischen! Sang und Klang, Hämmern und Klopfen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"durcheinander; jeder Berufsstand hatte seine Werkstatt im Hausflur oder auf dem","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Bürgersteig, und dazu brannte die Sonne so heiß, die Luft war so schwül, es war,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"als befände man sich in einem Backofen voll Mistkäfern, Maikäfern, Bienen und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Fliegen, es summte und brummte; Jürgen wußte weder wo er ging, noch wo er stand.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Da erblickte er aber gerade vor sich das mächtige Portal des Doms, die Lichter","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"strahlten heraus aus den dunklen Wölbungen, und ein Duft von Weihrauch strömte","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ihm entgegen. Selbst der ärmste Bettler in Lumpen wagte sich die Treppe hinan","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"in den Tempel. Der Matrose, dem Jürgen mitgegeben war, nahm den Weg durch die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Kirche, und Jürgen stand im Heiligtum. Bunte Bilder strahlen auf goldenem Grund;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die Gottesmutter mit dem Jesuskind stand auf dem Altar, umgeben von Lichtern","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und Blumen, Priester in festlichen Gewändern sangen; und schön geschmückte","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Chorknaben schwenkten die silbernen Räuchergefäße, welche Herrlichkeit, welche","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Pracht sah er hier, es durchströmte seine Seele, es überwältigte ihn; die Kirche","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und der Glaube seiner Eltern umfingen ihn und schlugen einen Akkord in seiner","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Seele an, so daß ihm Tränen in die Augen traten.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Von der Kirche ging es auf den Marktplatz, hier bekam er eine Menge Eßwaren","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"zu tragen; der Weg bis zum Hafen war nicht kurz, müde und überwältigt von den","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wechselnden Eindrücken ruhte er einige Augenblicke aus vor einem prächtigen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Haus mit marmornen Säulen, Statuen und breiten Treppenaufgängen; hier lehnte er","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"seine Last an die Mauer, da trat ein betreßter Türsteher hervor, erhob seinen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"silberbeschlagenen Stock gegen ihn und jagte ihn fort, ihn - den Enkel des","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Hauses; aber das wußte niemand dort, er selber am allerwenigsten. Und nachher","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ging es wieder an Bord; Knuffe und harte Worte, wenig Schlaf und viel Arbeit","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"- so hatte er denn auch das versucht! Und es soll gar gut sein, in der Jugend","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Böses zu leiden, sagt man - ja, wenn das Alter dann Gutes bringt.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Seine Verdingzeit auf dem Schiff war abgelaufen, das Fahrzeug lag wieder bei","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Ringkjöbing in Jütland, er kam an Land und nach Hause in die Sanddünen bei","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Huusby, allein die Pflegemutter war gestorben, während er auf der Reise gewesen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"war.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Ein strenger Winter folgte dem Sommer, Schneestürme jagten über Meer und Land","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"dahin, man hatte Mühe, irgendwohin zu gelangen. Wie unterschiedlich war doch","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"alles in dieser Welt verteilt! Hier heftige Kälte und Schneestürme, während im","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"spanischen Land brennende Sonnenglut und starke Hitze herrschten; und doch, wenn","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"es hier in der Heimat einen recht frostklaren Tag gab und Jürgen die Schwäne","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"in Scharen über das Meer landeinwärts nach Vosborg hinausziehen sah, schien es","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ihm doch, als wenn man hier am leichtesten atme, und auch hier war herrlicher","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Sommer! In Gedanken sah er dann die Heide blühen und wuchern mit reifen,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"saftigen Beeren, sah den Holunder und die Linden bei Vosborg in Blüte stehen;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"dorthin mußte er doch noch einmal.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Der Frühling kam heran, die Fischerei begann, Jürgen war dabei ein tüchtiger","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Gehilfe; er war gewachsen im verflossenen Jahr und war flink bei der Arbeit,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"er war voll Leben, er konnte schwimmen, Wasser treten, sich wenden und tummeln","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"draußen in den Fluten, oft warnte man ihn, sich vor den Schwärmen der Makrelen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"zu hüten; die packen den besten Schwimmer, ziehen ihn hinab, fressen ihn auf,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und fort ist er; aber das wurde nicht Jürgens Los.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Beim Nachbarn in der Düne war ein Knabe namens Martin, mit dem Jürgen sich gut","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"vertrug; beide nahmen auf ein und demselben Schiff nach Norwegen Dienst, gingen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"auch zusammen nach Holland, und sie hatten nie Zank miteinander, aber Zank kann","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"es einmal leicht geben, und ist man von Natur aus heftig, so zeigt man leicht","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"etwas zu starke Gebärden, und das tat Jürgen einmal bei einer Gelegenheit, als","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sie an Bord in Streit gerieten über gar nichts. Sie saßen gerade hinter der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Kajüte und aßen aus einem tönernen Teller, welchen sie zwischen sich gestellt","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hatten; Jürgen hielt sein Taschenmesser in der Hand, zückte es gegen Martin und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wurde dabei kreideweiß und blicke bös aus den Augen. Und Martin sagte nur: \"Ach","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"so, du bist einer von denen, die das Messer ziehen!\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Kaum war das gesagt, so fiel auch die Hand Jürgens herab, er erwiderte keine","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Silbe, aß weiter und ging darauf an seine Arbeit; als sie sich wieder ausruhten,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"trat er auf Martin zu und sagte:","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Schlage mich nur geradezu ins Gesicht! Ich habe es verdient! Ich habe so etwas","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wie einen Topf in mir, der überkocht!\" - \"Laß das man gut sein!\" sprach Martin,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und darauf waren sie fast doppelt so gute Freunde wie vorher, ja, als sie später","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"nach Hause in die Dünen kamen und ihre Erlebnisse erzählten, wurde auch dieses","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"erzählt, und Martin sagte, Jürgen sei zwar heftig, aber ein guter Kerl. Jung und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gesund waren sie beide, wohlgewachsen und stark, aber Jürgen war der gewandtere.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"In Norwegen ziehen die Bauersleute auf die Berge und führen das Vieh auf die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Höhen, um es dort zu weiden; an der Westküste Jütlands hat man zwischen den","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Sanddünen Hütten errichtet, die aus Wrackteilen gezimmert und mit Heidetorf","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und Heidekraut gedeckt sind, Schlafstellen befinden sich rings an den Wänden,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"in ihnen schläft und wohnt das Fischervolk während der ersten Frühlingszeit.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Jeder Fischer hat seine Gehilfin, seine Schaffnerin wie sie genannt wird,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"deren Tun besteht darin, den Köder an die Fischhaken zu stecken, die Fischer,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wenn sie an Land kommen, mit Warmbier zu empfangen, ihnen Essen zu bereiten,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wenn sie ermüdet und hungrig in die Hütte zurückkehren. Ferner schleppen die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Schaffnerinnen die Fische vom Boote weg, schneiden sie auf, nehmen sie aus und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"haben viel zu tun.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Jürgen, sein Vater, ein paar andere Fischer und deren Schaffnerinnen hatten","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"eine Hütte gemeinsam; Martin wohnte in der Nachbarhütte. Eins von den Mädchen,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"namens Else, hatte Jürgen von Kindheit an gekannt, sie sahen sich gern und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hatten in vielen Dingen denselben Sinn, aber im Äußeren waren sie ganz und gar","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"verschieden: er war braun, sie war weiß und hatte flachsgelbes Haar und Augen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"so blau wie das Meer bei Sonnenschein. Eines Tages, als sie zusammen gingen und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Jürgen ihre Hand in der seinigen hielt, recht fest und innig hielt, sagte sie zu","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ihm:","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Jürgen, ich habe etwas auf dem Herzen! Laß mich Schaffnerin bei dir sein, denn","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"du bist mir wie ein Bruder. Martin aber, der mich gemietet hat - er und ich sind","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Liebesleute, doch das brauchst du den andern nicht zu erzahlen.\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Und es war Jürgen, als wenn der Flugsand sich unter ihm bewegte, er sagte kein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Wort, nickte aber mit dem Kopf und das bedeutete so viel wie \"ja\"; mehr war","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"nicht nötig, aber er fühlte mit einem Mal in seinem Herzen, daß er Martin nicht","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ausstehen konnte, und je länger er darüber nachsann, so hatte er früher nie an","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Else gedacht, desto klarer wurde es ihn, daß Martin ihm das einzige, das er lieb","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hatte, gestohlen hatte, und was war wirklich Else, jetzt war es ihm plötzlich","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"klar.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Ist die See einigermaßen bewegt und kehren die Fischer in ihrem großen Boot","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"zurück, dann sieh einmal, wie sie über die Riffe hinwegsetzen: einer der Leute","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"steht aufrecht im Vorderteil des Bootes, die andern geben auf ihn acht, sitzen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"an den Rudern, die sie vor dem Riff so gebrauchen, als wollten sie nicht an","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Land, sondern in die See hinaus, so lange, bis endlich derjenige, der im Boot","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"aufrecht steht, ihnen ein Zeichen gibt, daß jetzt die größere Woge herankommt,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die das Boot über das Riff hebt; und das Boot wird nun auch hochgehoben,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"dermaßen gehoben, daß man vom Land aus seinen Kiel erblickt, im nächsten","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Augenblick ist das ganze Fahrzeug von den hohen Wellen gänzlich dem Auge","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"entrückt, weder Boot noch Leute noch Mast sind zu sehen, man könnte glauben,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"das Meer habe sie alle verschlungen; wenige Augenblicke aber, und sie tauchen so","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"empor, als krieche ein großes Seetier die Woge hinan, die Ruderstangen bewegen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sich, als habe das Tier Beine; beim zweiten und dritten Riff geht es wie beim","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ersten, und nun springen die Fischer ins Wasser, ziehen das Boot ans Land, jeder","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Wellenschlag ist ihnen behilflich und bringt es einen guten Ruck vorwärts, bis","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sie es endlich aus dem Bereich der Brandung heraus haben.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Ein falscher Befehl vor dem Riff, nur ein Zaudern, und sie scheitern unfehlbar.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Dann wäre es mit mir vorbei und auch mit Martin!\" Der Gedanken überkam Jürgen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"draußen auf See, wo gerade sein Pflegevater ernstlich erkrankt war. Das Fieber","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"packte ihn; es war wenige Ruderschläge vor dem Riff, Jürgen sprang vom Sitz auf","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und stellte sich in das Vorderteil.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Vater, laß mich vor!\" sprach er, und sein Blick schweifte über Martin und über","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die Wogen dahin, aber als jede Ruderstange sich bei den kräftigen Zügen bewegte","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und er an die größte Woge herankam, da sah er das blasse Antlitz seines Vaters","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und - konnte nicht seiner bösen Eingebung gehorchen. Das Boot kam gut über das","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Riff und aufs Land; allein der böse Gedanke blieb ihm im Blut, und dieser ließ","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"jede kleine Faser der Bitterkeit wieder hochkommen, die in seiner Erinnerung aus","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"der Zeit der Kameradschaft zurückgeblieben war, doch zusammenzuspinnen vermöchte","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"er die Faser nicht, und so unterließ er es, Martin hatte ihn beraubt, das fühlte","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"er, und das genügte freilich, ihn zu hassen. Einige der Fischer bemerkten das","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wohl, Martin selber nicht, er war wie früher dienstwillig uni gesprächig, das","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"letztere ein wenig zu sehr.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Jürgens Vater mußte das Bett hüten, und es wurde sein Totenbett. Die Woche","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"darauf starb er - und nun bekam Jürgen als Erbe das Hauschen hinter den Dünen,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"zwar ein geringes Haus, aber immerhin etwas; so viel besaß Martin nicht.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Jetzt wirst du doch keinen Seedienst mehr nehmen, Jürgen? Wirst wohl jetzt","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"immer bei uns bleiben!\" sprach einer der alten Fischer. Das war aber nicht","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"nach Jürgens Sinn, er dachte gerade daran, sich wieder ein wenig in der Welt","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"umzuschauen. Der Aalbauer aus Fjaltring hatte einen Ohm in Alt-Skagen, der war","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Fischer, aber zugleich ein wohlhabender Kaufmann, der Schiffe zur Seite hatte;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"der sollte ein recht lieber, alter Mann sein, in dessen Dienst zu treten, wäre","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wohl nicht übel. Alt-Skagen liegt im hohen Norden Jütlands, so weit von den","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Huusby-Dünen entfernt, wie man hierzulande nur kommen kann, und das war es","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gerade, was Jürgen am meisten gefiel, er wollte nicht einmal bis zur Hochzeit","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Elses und Martins hierbleiben, die sollte in einigen Wochen stattfinden.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Das sei unklug, die Gegend zu verlassen, meinte der alte Fischer, Jürgen habe ja","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"jetzt ein Haus, Else würde noch geneigt sein, ihn lieber zu nehmen als Martin.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Jürgen antwortete hierauf so unzusammenhängend, daß es nicht leicht war, aus","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"seiner Rede klug zu werden, aber der Alte führte Else zu ihm; sie sprach wenig,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"aber das sagte sie: \"Du hast jetzt ein Haus, das muß bedacht werden.\" Und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Jürgen bedachte vieles. Das Meer hat schwere Wogen, das Menschenherz hat noch","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"schwerere, viele Gedanken, starke und schwache, gingen Jürgen wirr durch den","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Kopf und Sinn und er fragte Else:","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Wenn nun Martin ein Haus hätte, so wie ich, wen nähmst du dann am liebsten?\" -","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Aber Martin hat keins und wird auch keins kriegen!\" - \"Aber denken wir uns, daß","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"er eins bekäme!\" - \"Ja, dann nähme ich wohl Martin, denn so ist mir jetzt ums","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Herz - aber davon kann man doch nicht leben!\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Und Jürgen dachte darüber nach, die ganze Nacht. Etwas gärte in seinem Innern,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"er selber vermochte nicht recht, es sich klar zu machen, aber er hatte einen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Gedanken, der stärker war als seine Liebe zu Else; und so ging er zu Martin,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und was er dort sagte und tat, war wohl überlegt, er überließ Martin unter den","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"billigsten Bedingungen das Haus, er selber wollte wieder zur See gehen, weil es","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ihn so gelüstete. Und Else küßte ihn mitten auf den Mund, als sie das erfuhr,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"denn sie zog ja Martin allen vor.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"In früher Morgenstunde wollte Jürgen fort. Am Abend vorher, es war schon spät,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"überkam ihn die Lust, Martin noch einmal zu besuchen, er ging, und zwischen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"den Dünen begegnete ihm der alte Fischer, dem seine Abreise nicht gefiel. Der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Alte witzelte über Martin und meinte, das gehe nicht mit rechten Dingen zu, daß","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"alle Mädchen den so gern hätten. Jürgen schlug diese Rede in den Wind, sagte","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"dem Alten Lebewohl und ging auf das Haus zu, wo Martin wohnte, darinnen vernahm","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"er lautes Gerede, Martin war nicht allein; Jürgen wurde deshalb schwankend in","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"seinem Vorsatz, mit Else mochte er am wenigsten zusammentreffen, und wenn er es","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sich recht überlegte, mochte er auch nicht, daß Martin sich noch einmal bei ihm","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"bedankte, und er kehrte wieder um.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Am folgenden Morgen, vor Tagesanbruch, schnürte er seinen Ranzen, nahm sein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hölzernes Eßkästchen zur Hand und schritt zwischen den Sanddünen hindurch auf","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"den Strandweg zu; der Weg war hier leichter zu gehen, als der schwere Sandweg","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und außerdem kürzer, denn er wollte erst nach Fjaltring bei Bowberg, wo der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Aalbauer wohnte, dem er einen Besuch versprochen hatte.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Das Meer lag blank und blau vor ihm, Muschelschalen und Muscheln, das Spielzeug","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"seiner Kindheit, knirschten ihm untern den Füßen. Während er so dahinschritt,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"begann plötzlich seine Nase zu bluten, ein geringfügiges Ereignis, das aber","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"auch seine Bedeutung haben kann; ein Paar große Blutstropfen fielen auf seinen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Ärmel, er wischte sie ab, stillte das Blut wieder, und es schien ihm, als habe","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"der Blutverlust ihm ordentlich Kopf und Sinn erleichtert. Im Sande glühte hin","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und wieder der Meerkohl, er brach einen Stengel davon ab und steckte ihn auf","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"seinen Hut; fröhlich und guter Dinge wollte er sein, ging es doch in die weite","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Welt, \"ein wenig vor die Tür, die Bucht hinaus,\" wie die jungen Aale gesagt","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hatten. \"Hütet euch vor den bösen Menschen, die euch fangen, das Fell abziehen,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"entzweischneiden und in die Bratpfanne legen!\" wiederholte er in seinem stillen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Sinn und lächelte dabei, er würde schon mit heiler Haut durch die 'Welt kommen,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"frischer Mut ist eine gute Wehr!","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Die Sonne stand schon hoch, als er sich der schmalen Einfahrt des Nissumfjordes","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"näherte, er blickte zurück und sah eine weite Strecke hinter sich zwei Reiter","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"heransprengen, noch von anderen Leuten begleitet, allein das ging ihn nichts an.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Die Fähre lag auf der entgegengesetzten Seite des Fjordes; Jürgen rief den","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Fährmann heraus, und als dieser mit dem Boot herüberkam, stieg er ein; doch ehe","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"er noch die halbe Strecke der Überfahrt zurückgelegt hatte, kamen die Männer,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die so eilig hinter ihm geritten waren, heran, riefen dem Fährmann zu, drohten","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und nannten den Namen der Obrigkeit. Jürgen begriff nicht, wozu, aber er meinte,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"es sei das beste, umzukehren, nahm selber die eine Ruderstange zur Hand und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ruderte zurück; in demselben Augenblick, als das Boot wieder am Land anlegte,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sprangen die Leute auch hinein, und eh er es sich versah, schlangen sie einen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Strick um seine Hände. \"Deine böse Tat wird dich das Leben kosten!\" sprachen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sie, \"Gut, daß wir dich haben!\" Nichts Geringeres als einen Mord warfen sie ihm","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"vor; man hatte Martin tot mit einem Messerstich durch den Hals, aufgefunden;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"einer der Fischer war gestern abend spät Jürgen begegnet, der zu Martin ging,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"es war nicht das erste Mal, daß Jürgen das Messer gegen Martin erhoben hatte,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"das wußte man, er mußte der Mörder sein; die Stadt und das Gericht waren weit","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"entfernt, der Wind blies ihnen entgegen, aber um zur Fahrstelle und über die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Bucht zu gelangen, brauchten sie keine halbe Stunde, von dort war es nur eine","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Viertelmeile nach Nörre Vosborg, dem großen Schloß mit Wällen und Gräben. Ein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Fischer, ein Bruder des Großknechts dort, war einer der Reiter, und der meinte,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"man könnte wohl erwirken, daß Jürgen bis auf weiteres in das Loch auf Vosborg","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gesteckt würde, wo die Zigeunerin Langenmarthe bis zu ihrer Hinrichtung gesessen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hatte.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Was Jürgen zu seiner Verteidigung sagte, wurde nicht beachtet; ein paar","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Blutstropfen auf seinem Hemdärmel sprachen schwer gegen ihn. Jürgen war","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sich aber seiner Unschuld bewußt, und da es hier und sogleich zu keiner","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Rechtfertigung kommen konnte, so ergab er sich in sein Schicksal.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Man ging nun an Land, gerade an der Stelle, wo Ritter Bugges Schloß gestanden","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hatte, wo Jürgen mit seinen Pflegeeltern nach dem Fest, der Begräbnisfeier,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"umhergegangen war, die viel seligsten, lichtvollsten Tage seiner Kindheit","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"verlebt hatte. Er wurde denselben Weg über die Wiese nach Vosborg hinangeführt,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und wieder blühte hier der Holunder, die hohen Linden dufteten, ihm war, als sei","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"er gestern hier gewesen.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"In den beiden Flügeln des Schlosses führt eine Treppe unter dem Aufgang","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hinüber, von da aus gelangt man in einen niedrigen, gewölbten Keller; hier","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hatte Langenmarthe gesessen, von hier aus war sie aufs Hochgericht gewandert;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sie hatte fünf Kinderherzen gegessen und war in dem Wahne gewesen, daß sie,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wenn sie noch zwei mehr bekommen hätte, denn fliegen und sich unsichtbar hätte","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"machen können. In der Mitte des Kellers befand sich ein kleines enges Luftloch","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ohne Fenster; die duftenden Linden vermochten nicht, hier hinein eine Labung zu","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"senden, drinnen war alles dunkel und moderig; eine Pritsche nur stand hier, aber","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ein gutes Gewissen ist ein gutes Ruhekissen, ja, und deshalb konnte Jürgen auch","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gut ruhen.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Die aus dicken Bohlen gezimmerte Tür war geschlossen, eine eiserne Stange","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"außen vorgeschoben; allein der Kobold des Aberglaubens schleicht sich durch ein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Schlüsselloch, auf den Herrenhof so gut wie in die Fischerhütte, warum nicht","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hier herein, wo Jürgen saß und an Langenmarthe und ihre Untaten dachte; ihre","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"letzten Gedanken, die Nacht vor der Hinrichtung hatten diesen Raum erfüllt;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ihm kam all der Zauber in den Sinn, der hier in alten Zeiten gespukt hatte, als","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"der Herr Schwanwedel hier hauste, und es war ja bekannt genug, daß heutzutage","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"noch der Kettenhund, der auf der Brücke stand, jeden Morgen über dem Geländer","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"an der Kette erhängt gefunden wurde. Dies alles erfüllte und durchschauerte","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Jürgen, doch ein Sonnenstrahl, ein labender Gedanke drang auch an diesen Ort von","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"außen in sein Inneres, es war die Erinnerung an den blühenden Holunder und die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"duftenden Linden. Lange blieb er hier nicht sitzen; man führte ihn in die Stadt","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Ringkjöbing, wo sein Gefängnis ebenso streng war.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Jene Zeiten waren nicht unsere; gegen den gemeinen Mann verfuhr man hart,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"es war nur kurz nach den Zeiten, wo Bauerngehöfte und Bauerndörfer in neuen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Rittergütern aufgingen, und bei diesem Regiment wurden Kutscher und Bediente oft","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Gerichtsamtmänner und hatten es in der Gewalt, den Geringen und Armen oft wegen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"eines kleinen Vergehens zum Verlust von Hab und Gut und zum Auspeitschen zu","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"verurteilen; noch fanden sich hier und dort Richter dieser Art, und in Jütland,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"weit von der Hauptstadt und dem aufgeklärten, wohlgesinnten Lenker der Regierung","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"entfernt, wurde das Gesetz zuweilen noch gehandhabt, wie es eben ging, und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"das war noch das kleinste Ungemach, das Jürgen betreffen konnte, daß man seine","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Untersuchung in die Länge zog.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Kalt und schaurig war sein Aufenthaltsort; wann würde diese Lage wohl ein Ende","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"haben? Unverschuldet war er in Trübsal und Elend geraten, das war sein Los!","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Zeit hatte er jetzt, über sein Los in dieser Welt nachzudenken und weshalb","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wohl gerade ihm ein solches beschieden war; ja, das würde sich im jenseitigen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Leben erst aufklären, in dem Leben nach diesem, das uns gewißlich erwartet; der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Glaube war fest in ihm geworden in der armen Fischerhütte, das, was in der Fülle","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und dem Sonnenschein Spaniens in seines Vaters Gedanken nicht hineingeleuchtet","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hatte, wurde ihm in der Dürftigkeit und Finsternis ein Licht des Trostes, ein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Gnadenmittel Gottes, und das trügt nie.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Die Frühlingsstürme stellten sich ein. Man hört das Rollen und Dröhnen der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Nordsee meilenweit ins Land hinein, aber erst wenn der Sturmwind aufhört; es","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"klingt, als wenn schwere Wagen zu Hunderten über einen harten unterhöhlten Weg","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"dahinfahren; Jürgen vernahm diese Töne in seinem Gefängnis, und es war ihm eine","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Abwechslung, keine Melodie hätte ihm mehr zu Herzen gehen können als gerade","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"diese Töne, das rollende Meer, das freie Meer, auf welchem man durch die Welt","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"getragen wird, mit den Winden dahinfliegt und, wohin man auch gerät, sein eigen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Haus bei sich führt, wie die Schnecke immer auf eigenem, auf heimatlichem Grund","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und Boden steht, selbst in fremdem Land.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Wie lauschte er auf das tiefe Dröhnen, wie tauchten ihm die Erinnerungen herauf:","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Frei, frei!\" Wie glücklich, frei zu sein, selbst ohne Schuhe und mit zerlumpten","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Hemd!\" Dann und wann flammte es bei solchen Gedanken auf in seinem Innern, und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"er schlug mit geballter Faust gegen die dicke Wand.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Wochen, Monate, ein ganzes Jahr war verstrichen, da ergriff man einen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Herumtreiber, Nils Dieb, der \"Roßhändler\" wurde er auch genannt, und nun kamen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die besseren Zeiten, es wurde bekannt, welches Unrecht Jürgen hatte erdulden","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"müssen.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"In der Nähe von Ringkjöbing bei einem Häusler, der einen Ausschank hatte, waren","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"an dem Nachmittag vor Jürgens Abreise von der Heimat, und vor dem Mord, Nils","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Dieb und Martin zusammengetroffen; es wurden ein paar Gläser getrunken, und die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sollten wohl keinem Mann in den Kopf steigen, aber sie genügten doch, um bei","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Martin die Redseligkeit zu steigern, er schnitt auf, erzählte, daß er ein Haus","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"bekommen habe und heiraten wolle, und als Nils fragte, wo das Geld dazu sei,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"schlug Martin hochmütig auf die Tasche und sagte: \"Das Geld ist da, wo es sein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"soll!.\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Diese Prahlerei kostete ihm das Leben; als er sich nach Hause begab, ging Nils","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ihm nach und jagte ihm ein Messer durch die Kehle, um dem Ermordeten das Geld zu","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"nehmen, das nicht vorhanden war.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Dies wurde weitläufig auseinandergesetzt; uns genügt es nun, zu wissen, daß","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Jürgen wieder frei kam, aber was erhielt er als Ersatz dafür, daß er Jahr und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Tag im Gefängnis gelitten hatte, vor allem Verkehr mit Menschen ausgestoßen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gewesen war? Man sagte ihm, es sei noch sein Glück, daß er unschuldig war, er","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"könne jetzt gehen. Der Bürgermeister gab ihm zwei Taler Reisegeld, und mehrere","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Bürger der Stadt setzten ihm Essen und Bier vor; es gab doch noch gute Menschen!","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Nicht alle \"schinden und braten.\" Aber das beste war doch, daß Kaufmann Brönne","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"aus Skagen, derselbe, bei dem Jürgen vor einem Jahr Dienst nehmen wollte,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sich gerade in diesen Tagen in Geschäften in der Stadt Ringkjöbing aufhielt;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Brönne erfuhr den ganzen Zusammenhang. Herz hatte der Mann, er begriff, was","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Jürgen empfunden und gelitten haben mußte, und er nahm sich nun vor, das wieder","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gutzumachen und Jürgen spüren zu lassen, daß es auch noch gute Menschen gebe.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Es ging jetzt aus dem Gefängnis in die Freiheit, ins Himmelreich zu Liebe und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Herrlichkeit; auch diesen Gang sollte er wandern; kein Becher des Lebens ist","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"reiner Wermut, kein guter Mensch könnte einem anderen Menschen den einschenken,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sollte denn Gott, die Alliebe selber, es können?","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Lassen wir das alles nun begraben und vergessen sein!\" sagte der Kaufmann","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Brönne; \"ziehen wir einen recht dicken Strich unter das letzte Jahr, ja, wir","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wollen den Kalender sogar verbrennen! Und in zwei Tagen reisen wir in das","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"friedliche, liebe und fröhliche Skagen! Ein abgelegener Winkel, sagen sie, ist","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Skagen; ein lieber guter Ofenwinkel ist es, mit offenen Fenstern in die weite","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Welt hinaus.\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Das war eine Reise! Das hieß wieder Atemholen! Aus der kalten Gefängnisluft","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"in den warmen Sonnenschein hinaus. Die Heide stand über und über mit blühendem","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Ginster in vollem Flor, und der Hirtenknabe saß auf dem Hünengrab und blies","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"seine Flöte, die er sich aus einem Schafsknochen geschnitzt hatte. Fata morgana,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die reizende Lufterscheinung der Wüste, zeigte sich mit hängenden Gärten","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und schwimmenden Wäldern und auch die wunderlich leichte Luftwallung, der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Höhenrauch, von dem es hier heißt, es sei Lokemann, der seine Herde treibt.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Hinauf durch das Land der Wendeln, hinauf nach Skagen ging es, von wo die Männer","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"mit den langen Bärten, die Langobarden, ausgewandert waren, damals, als unter","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"König Snio alle Kinder und alten Leute getötet werden sollten, das edle Weib","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Gambaruck aber den Vorschlag machte, die jungen Leute sollten lieber auswandern;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"dies alles war Jürgen bekannt, so gelehrt war er, und kannte er auch nicht","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"das Land der Langobarden hinter den hohen Alpen, so wußte er doch, wie es dort","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"aussehen mußte, war er doch als Knabe selber im Süden, in Spanien gewesen, er","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gedachte der dort aufgetürmten Südfrüchte, der roten Granatblüten, des Summens,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Brummens und Glockenklanges in dem großen Bienenkorb, der Stadt dort, aber am","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"schönsten ist es doch in dem Lande der Heimat; Jürgens Heimat war Dänemark.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Endlich erreichten Sie \"Wendilskaga,\" wie Skagen in alten norwegischen und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"isländischen Schriften heißt. Schon damals dehnten sich Alt-Skagen und die West-","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und Oststadt meilenweit hin mit Sanddünen und Ackerland bis zu dem Leuchtturm","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"in der Nähe von \"Skagens Horn\"; die Häuser lagen dort wie jetzt, hingestreut","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"zwischen aufgewehten, wechselnden Sandhügeln, eine Wüste, wo der Wind in dem","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"losen Sand spielt und wo Möwen und wilde Schwäne sich hören lassen, daß es ins","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Ohr schneidet! Im Südwesten, eine Meile vom Meer, liegt Alt-Skagen, und hier","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wohnte Kaufmann Brönne, hier sollte Jürgen nun leben. Das große Wohnhaus war mit","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Teer angestrichen, die kleineren Wirtschaftshäuser hatten jedes ein umgestülptes","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Boot als Dach, der Schweinestall war aus Wrackstücken gezimmert, eine Umzäunung","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gab es hier nicht, war doch auch nichts da zu umzäunen, aber an Leinen in langen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Reihen, eine über der anderen, hingen aufgeschnittene Fische, um im Winde zu","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"trocknen. Das ganze Meerufer war mit verdorbenen Heringen überhäuft, das Netz","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"war kaum ins Meer geworfen, als auch schon die Heringe fuderweise an Land","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gezogen wurden, es gab dort zuviel davon, man warf sie wieder ins Meer oder ließ","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sie am Strand liegen.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Frau und Tochter des Kaufmanns, ja, auch die Hausleute kamen dem zurückkehrenden","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Alten jubelnd entgegen, da war ein Händedrücken, ein Rufen, ein Reden, und die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Tochter, welch liebes Gesicht und welche lieblichen Augen hatte sie! Im Hause","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"war's gemütlich und geräumig. Goldbutten, die ein König als ein Prachtgericht","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"angesehen hätte, kamen auf den Tisch, Wein aus den Weinbergen Skagens, dem","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"großen Meer, wurde aufgetragen, die Trauben rollten gekeltert an Land in Fässern","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und auch in Flaschen.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Als Mutter und Tochter nachher erfuhren, wer Jürgen war und wie unschuldig er","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gelitten hatte, blickten sie ihn noch freundlicher an, und am freundlichsten","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"strahlten die Augen der lieblichen Jungfrau Clara. Jürgen fand eine liebe Heimat","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"in Alt-Skagen, es tat seinem Herzen wohl, und sein Herz hatte ja viel ertragen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"müssen, auch den bitteren Kelch der Liebe, der verhärtet oder erweicht, ja nach","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"den Umständen; Jürgens Herz war noch weich, es war jung, es hatte noch Raum","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"übrig, und deshalb war es gewiß sehr gut, daß es sich so traf, daß Jungfrau","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Clara in drei Wochen mit dem Schiff des Vaters nach Christiansand in Norwegen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hinauffahren sollte, um eine Tante zu besuchen und den ganzen Winter dort zu","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"verweilen.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Am Sonntag vor der Abreise waren alle in der Kirche zum heiligen Abendmahl; die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Kirche war groß und schön, Schotten und Holländer hatten sie vor Jahrhunderten","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gebaut, sie lag eine kleine Strecke von der Stadt entfernt, etwas beschädigt","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"war sie, und der Weg in dem tiefen Sande war beschwerlich, doch man schritt","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gern dahin, um in Gottes Haus zu gelangen, Psalmen zu singen und die Predigt zu","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hören. Der Sand lag bis über die Ringmauer des Kirchhofs hin, aber die Gräber","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hielt man noch immer frei vom Sand.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Es war die größte Kirche nördlich den Limfjords. Jungfrau Maria mit goldener","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Krone auf dem Haupt und dem Jesuskind im Arme stand wie lebendig auf dem","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Altar, die heiligen Apostel waren im Chor ausgemeißelt, an der Wand dort hingen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Porträts von den alten Bürgermeistern und Ratsherren des Städtchens Skagen; die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Kanzel war Schnitzwerk. Die Sonne schien belebend in die Kirche hinein, und ihr","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Glanz fiel über den blanken messingnen Kronleuchter und das kleine Schifflein,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"das von der Decke herabhing.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Jürgen war überwältigt von einem heiligen kindlichen Gefühl wie damals, da","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"er als Knabe in den reichen Dom in Spanien gestanden hatte, hier aber war das","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Gefühl doch anders, weil er sich bewußt war, ein Glied der Gemeinde zu sein.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Nach der Predigt folgte das heilige Abendmahl, er genoß das Brot und den Wein,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und es fügte sich so, daß er neben Jungfrau Clara kniete; allein seine Gedanken","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"waren so ausschließlich auf Gott und die heilige Handlung gerichtet, daß er","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"erst, als sie sich erhob, seine Nachbarin bemerkte; er sah Tränen über ihre","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Wangen rollen.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Zwei Tage später verließ sie Skagen und ging nach Norwegen; er blieb zurück","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und machte sich im Hause und in der Wirtschaft nützlich; er ging auf Fischfang,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und da waren Fische, damals in noch größerer Menge als jetzt; die Scharen der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Makrelen leuchteten in finsteren Nächten und zeigten selber an, wo sie zogen,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"der Knurrhahn knurrte, und die Kohlkrabbe heulte, wenn sie gejagt wurde, die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Fische sind nicht so stumm, wie man von ihnen sagt; Jürgen aber war stumm mit","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"dem, was er im Herzen trug - aber einmal würde das wohl auch ans Tageslicht","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gelangen.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Jeden Sonntag, wenn er in der Kirche saß und sein Blick sich auf die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Muttergottes am Altar richtete, haftete sein Auge auch eine Weile auf der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Stelle, wo Jungfrau Clara an seiner Seite gekniet hatte, und er gedachte ihrer","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und wie herzlich und gut sie gegen ihn gewesen war.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Der Herbst kam mit Regen- und Schneewetter, das Wasser blieb auf den Wegen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"stehen, der Sand konnte all das Wasser nicht einsaugen, man mußte von Haus","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"zu Haus waten, wenn nicht sogar im Kahn fahren; die Stürme warfen ein Schiff","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"nach dem andern auf die todbringenden Riffe, Schnee- und Sandstürme rasten,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"der Sand flog um die Häuser herum und legte sich hoch an ihnen hinaus, so","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"daß die Bewohner oben aus dem Schornstein hinauskriechen mußten, aber hier","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"oben an der Nordsee Strand war das nichts Bemerkenswertes; im Zimmer war es","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gemütlich, gab es Schutz und Wärme, Heidetorf und Wrackstücke knisterten im","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Ofen, und Kaufmann Brönne las laut vor aus einer alten Chronik, las von dem","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Dänenprinzen Hamlet, der von England aus hier bei Bowberg an Land gegangen und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"eine Schlacht geliefert hatte; bei Ramme sei sein Grab, nur einige Meilen von","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"dem Ort entfernt, wo der Aalbauer wohnte; Hünengräber zu Hunderten erhoben sich","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"dort auf der Heide, ein großer Kirchhof. Kaufmann Brönne war dort gewesen am","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Grabe Hamlets; von alten Zeiten sprach man, von den Nachbarn, den Engländern und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Schotten, und Jürgen sang das Lied von \"Des Königs von England Sohn,\" von dem","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"prächtigen Schiff:","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Vergoldet war es von Bord zu Bord,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und geschrieben darauf stand Gottes Wort.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Und gemalt es stand, wie der Königssohn","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"seine Braut umarmte um Minnelohn.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Diesen letzten Vers namentlich sang Jürgen mit inniger Stimme, seine Augen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"leuchteten dabei, sie waren ja ohnedies schwarz und strahlend von Geburt an.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Und so verstrich die Winterzeit bei Lesen und Singen; Wohlstand war da und ein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wahres Familienleben bis zu den Haustieren herab, und alles war gut gehalten;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die Küche blitzte von Kupfer und Zinn und weißen Tellern, und von der Decke","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"herab hingen Würste, Schinken, Wintervorrat vollauf; ja, das alles ist noch","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"heute zu sehen, drüben in vielen reichen Bauerngehöften der jütländischen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Westküste, vollauf Essen und Trinken, geschmückte reine Zimmer, kluge Köpfe,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"fröhliche Gemüter, Gastfreundschaft ist dort zu Hause wie in dem Zelt des","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Arabers.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Nie wieder hatte Jürgen, seit er als Kind vier Tage bei der Begräbnisfeier","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gewesen war, eine so angenehme Zeit verlebt, und doch war Jungfrau Clara","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"abwesend, nur nicht in den Gedanken und der Rede.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Im April sollte ein Schiff nach Norwegen abgehen, Jürgen sollte mit demselben","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"fahren. Er war freilich jetzt voll Leben und Humor, und gut sah er aus,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wohlgenährt, sagte Mutter Brönne, es sei eine Freude, ihn anzusehen.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Es ist auch eine Freude, dich anzusehen!\" sagte der alte Kaufmann, \"Jürgen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hat Leben in die Winterabende gebracht und in dich auch, Mutter! Du bist","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"jünger geworden dieses Jahr, du siehst gut und nett aus! Du warst aber auch das","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"schönste Mädchen in Wiborg, und das will viel heißen, denn dort habe ich immer","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die Mädchen am schönsten gefunden.\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Jürgen sprach nichts dazu, das schickte sich nicht, aber er dachte an ein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Mädchen aus Skagen; und zu ihr segelte er hinauf, das Schiff steuerte auf","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Christiansand zu und günstiger Wind führte ihn schnell zu dieser Stadt.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Eines Morgens ging Kaufmann Brönne zum Leuchtturm hinaus, der weit von Alt-","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Skagen steht, die Kohlen dort oben waren schon längst erloschen, die Sonne stand","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"bereits hoch, als er den Turm erstieg; eine ganze Meile von der äußersten Spitze","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"des Landes aus erstrecken sich die Sandbänke unter Wasser, von diesen zeigten","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sich heute viele Schiffe, und unter ihnen glaubte er mit Hilfe des Fernrohres","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"Karen Brönne,\" so hieß das Schiff, zu erkennen, und ganz richtig, es war dabei,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"herzusegeln, Clara und Jürgen waren an Bord. Die Kirche und der Leuchtturm","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Skagens zeigten sich ihnen als ein Reiher und ein Schwan auf dem blauen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Gewässer. Clara saß auf Deck und sah die Sanddünen allmählich emportauchen;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"blieb der Wind stehen, so konnten sie in etwa einer Stunde die Heimat erreichen;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"so nahe waren sie ihr und der Freude - so nahe waren sie dem Tod und seiner","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Angst.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Eine Planke im Schiff zersprang, das Wasser drang herein; gestopft und gepumpt","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wurde sofort, alle Segel wurden gesetzt, die Notflagge gehißt; sie waren aber","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"noch eine ganze Meile vom Land entfernt, Fischerboote waren zwar zu sehen, aber","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"in der Ferne, der Wind stand landeinwärts, die Strömung war ihnen auch günstig,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"doch das genügte alles nicht, das Schiff sank. Jürgen schlang seinen rechten Arm","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"um Clara und preßte sie fest an sich.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Mit welchem Blick schaute sie ihm ins Auge, als er sich im Namen des Herrn mit","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ihr ins Wasser stürzte; sie stieß einen Schrei aus, aber die fühlte sich doch","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sicher, er würde sie nicht sinken lassen.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Was das alte Lied sang:","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Und gemalt es stand, wie der Königssohn","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"seine Braut umarmt um Minnelohn","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"das tat Jürgen in der Stunde der Gefahr und Angst; wie nützte es ihm jetzt,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ein guter Schwimmer zu sein, er arbeitete sich vorwärts mit den Füßen und einem","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Arm, den andern hielt er fest um das junge Mädchen geschlungen, er ruhte aus","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"auf dem Wasser, er trat Wasser, er machte all die Bewegungen, die er kannte,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"damit er Kraft übrig behalte, das Land zu erreichen. Er hörte, wie Clara einen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"lauten Seufzer ausstieß, spürte, wie ein Zucken sie durchfuhr und er drückte","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sie fester an sich; dann und wann rollte eine Woge über sie dahin, eine andere","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Hob sie empor, das Wasser war so tief, so klar, einen Augenblick schien es","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ihm, als sähe er eine blitzende Makrelenschar dort unten, oder war es Leviathan","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"selber, der sie zu verschlingen drohte? Die Wolken waren Schatten über die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Wasserfläche, dann kamen blendende Sonnenstrahlen; schreiende Vögel in großen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Scharen zogen über ihn hin, und die wilden Enten, die schwer und schläfrig sich","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"von der Strömung treiben ließen, fuhren erschrocken beim Anblick des Schwimmers","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"auf; aber seine Kräfte nahmen ab, das fühlte er, von Land war er noch ein paar","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Kabellängen entfernt, doch die Hilfe kam heran, es näherte sich ein Boot - aber","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"unter dem Wasser stand, er sah es deutlich, eine weiße, ihn anstarrende Gestalt","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"- eine Welle hob ihn empor, die Gestalt näherte sich - er fühlte einen Stoß, es","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ward Nacht, alles verschwamm vor seinen Augen.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Auf der Sandbank lag des Wrack eines Schiffes, die See ging darüber hin, die","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"weiße Galionsfigur lehnte an einem Anker, das scharfe Eisen ragte gerade bis an","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"den Wasserspiegel herauf; Jürgen war dagegen gestoßen, die Strömung hatte ihn","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"mit doppelter Kraft herangetrieben; ohnmächtig versank er mit seiner Last, aber","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die nächste Woge hob ihn und das junge Mädchen wieder empor.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Die Fischer erhaschten sie und zogen sie ins Boot hinein, das Blut strömte","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"über Jürgens Antlitz herab, er war wie tot, aber das Mädchen hielt er so","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"fest umklammert, daß man es mit Gewalt aus Arm und Hand herauswinden mußte;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"totenblaß, leblos lag Clara in dem Boot ausgestreckt, das nun aufs Land","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"zusteuerte.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Alle Mittel wurden angewendet, Clara ins Leben zurückzurufen, sie blieb tot;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"schon lange war er draußen auf den Fluten mit einer Leiche umhergeschwommen,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hatte sich angestrengt und ermattet um einer Toten willen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Jürgen atmete noch, die Fischer trugen ihn in das nächste Haus auf den","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Sanddünen; eine Art Chirurg, der dort wohnte, der übrigens zugleich Schmid und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Kleinhändler war, legte Jürgen einen Notverband an, bis man am folgenden Tag den","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Arzt aus der nächsten Stadt holte.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Das Gehirn des Kranken war angegriffen, er raste, er stieß wilde Schreie aus,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"aber am dritten Tag blieb er still und ermattet auf dem Lager liegen, sein Leben","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"schien nur an einem Faden zu hängen; der Arzt sagte, es wäre am besten, wenn","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"dieser Faden reißen würde. \"Beten wir zu Gott, daß er ihn zu sich nimmt. Er wird","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"nie wieder ein Mensch werden.\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Doxh das Leben ließ nicht von ihm ab, der Faden wollte nicht reißen; aber der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Faden der Erinnerung riß, der Faden aller Geisteskräfte war durchschnitten, das","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"was das Entsetzliche, ein lebendiger Körper blieb; ein Körper, der gesunden,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"aber wie ein Gespenst umherwandeln sollte. Jürgen blieb im Haus des Kaufmanns","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Brönne. \"Seine Krankheit hat er sich geholt, als er unser Kind retten wollte,\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sprach der alte Mann, \"er ist jetzt unser Sohn.\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Die Leute nannten Jürgen albern, allein das war nicht der rechte Ausdruck; er","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"war wie ein Instrument, bei dem die Saiten zu locker gespannt sind, nicht mehr","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"klingen können - nur einzelne Augenblicke, wenige Minuten bekamen sie eine","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Spannkraft, und alsdann ertönten sie wieder - alte Melodien klangen, einzelne","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Takte; Bilder rollten sich auf und schwinden wieder in Nebel hin, er saß aufs","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"neue vor sich hinstarrend, gedankenlos da; wir dürfen glauben, daß er dabei","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"nicht litt; die dunklen Augen verloren dann ihren Glanz, sie schienen nur ein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"schwarzes, angelaufenes Glas zu sein. \"Der arme blöde Jürgen!\" sagten die Leute.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Er war es, der unter dem Herzen seiner Mutter einem Erdenleben entgegengetragen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wurde so reich, daß es Übermut, ja Stolz wein würde, ein jenseitiges Leben","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"zu wünschen, geschweige denn an ein solches zu glauben. All die großen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Geistesanlagen waren demnach verloren Nur harte Tage, Schmerz und Enttäuschung","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"waren ihm geworden; eine Prachtzwiebel war er gewesen, aus ihrem reichen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Erdboden herausgerissen und auf den Sand hingeworfen, um dort zu verdorren. Das","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"in Gott geschaffene Bild sollte keinen besseren Wert haben? Das Ganze sollte nur","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ein Spiel des Zufalls sein? Nein! Der alliebende Gott mußte und würde ihm Ersatz","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"in einem anderen Leben geben für das, was er hier erlitt und vermißte. \"Der Herr","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ist barmherzig, und seine Güte währet ewiglich!\" Diese Worte aus Davids Psalter","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sprach im Glauben und in Ergebung die alte, fromme Frau des Kaufmanns, und das","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Gebet ihres Herzens ging dahin, daß Gott Jürgen bald abrufen möge, damit er","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"eingehen könne zum ewigen Leben.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Auf dem Kirchhof, wo der Sand über die Mauer hinweht, lag Clara begraben; es","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"schien, als sei Jürgen sich dessen nicht bewußt, es gehörte nicht in seine","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Gedankensumme, die wußte nur Wrackstücke aus einer vergangenen Zeit. Jeden","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Sonntag ging er mit den Alten zur Kirche und saß dort still mit gedankenlosem","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Blick; eines Tages, während des Psalmengesanges, stieß er einen lauten Seufzer","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"aus, seine Augen leuchteten, sie waren dem Altar, der Stelle zugewandt, wo er","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"vor Jahr und Tag mit seiner toten Freundin zusammen gekniet hatte, er nannte","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ihre Namen und wurde blaß wie eine Leiche, Tränen rollten über seine Wangen.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Man geleitete ihn aus der Kirche, und er sagte den Umstehenden, er befinde","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"sich wohl, er sei nicht krank gewesen, er, der von Gott Geprüfte, in die Welt","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Hinausgeworfene, erinnerte sich dessen nicht. Und Gott, unser Schöpfer, ist","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"weise und voller Liebe, wer kann das bezweifeln? Unser Herz und unser Verstand","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"bestätigen es: \"Seine Güte währet ewiglich!\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"In Spanien, wo zwischen Orangen- und Lorbeerbäumen die maurischen Kuppeln von","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"warmen Luftwellen umwogt sind, wo Gesang und Kastagnetten ertönen, saß in dem","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"prächtigen Haus ein kinderloser Greis, der reichte Kaufmann des Ortes; durch","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die Straßen zogen Kinder in Prozessionen mit flatternden Fahnen und flammenden","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Lichten. Wieviel hätte dieser Greis von seinem Reichtum gegeben, um seine Kinder","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"an sein Herz drücken zu können, seine Tochter oder deren Kind, das vielleicht","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"nie das Licht der Welt erblickt hatte, geschweige denn das der Ewigkeit des","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Paradieses? \"Armes Kind!\" Ja, armes Kind! Ein Kind zwar und doch an die dreißig","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Jahre alt - so alt war Jürgen hier oben in Alt-Skagen geworden.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Der Flugsand hatte sich über die Gräber des Kirchhofs gelegt, ganz um die Mauer","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"der Kirche herum, aber hier bei den Vorangegangenen, bei ihren Verwandten und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Lieben, wollten und mußten die Toten doch bestattet werden. Kaufmann Brönne und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"seine Gattin ruhten hier bei ihren Kindern unter dem weißen Sande.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Es war Frühjahr, die Zeit der Stürme; die Sanddünen rauchten und wirbelten","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"empor, das Meer warf hohe Wogen, die Vögel jagten schreiend in Scharen, wie","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Wolken im Sturm, über die Dünen dahin; ein Schiffbruch folgte dem andern an den","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Riffen von Skagens Horn bis zu den Huusby-Dünen.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Eines Nachmittags saß Jürgen allein im Zimmer; da wurden seine Sinne plötzlich","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"klarer, ein Gefühl der Unruhe, das ihn oft in jüngeren Jahren in die Dünen und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"auf die Heide hinausgetrieben hatte, bemächtigte sich seiner.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"\"In die Heimat! In die Heimat!\" sprach er; niemand hörte ihn; er ging aus dem","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Haus, auf die Dünen zu; Sand und Steinchen wehten ihm ins Gesicht, wirbelten","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"um ihn herum. Er schritt immer weiter, auf die Kirche zu; der Sand lag hoch","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"an der Mauer, halb über die Fenster hinauf, aber vor dem Eingang war der Sand","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"weggeschaufelt, die Kirchentür war nicht verschlossen und leicht zu öffnen;","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Jürgen trat in die Kirche.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Der Sturm fuhr heulend über das Städtchen Skagen dahin; es war ein Orkan wie","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"seit Menschengedenken nicht, ein entsetzliches Unwetter, aber Jürgen befand sich","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"im Gotteshaus, und während es draußen finstre Nacht war, leuchtete es in seinem","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Innern, es war das Licht der Seele, das nimmer erlöschen kann; den schweren","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Stein, der in seinem Kopf lag, fühlte er wie mit einem Knall zerspringen. Ihm","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"schien die Orgel zu tönen, allein es war der Sturm und das dröhnende Meer; er","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"ließ sich auf einem der Kirchenstühle nieder und siehe, die Lichter flammten","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"auf, Licht an Licht; ein Reichtum entfaltete sich, wie er einen solchen nur im","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Lande Spanien erblickt hatte, und all die Bilder von den alten Ratsherren und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Bürgermeistern wurden lebendig, sie traten aus der Wand heraus, so wie seit","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"langen Jahren gehangen hatten, sie setzten sich unters Tor der Kirche; Tore und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Türen der Kirche flogen auf, und eintraten die Toten alle, festlich gekleidet","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wie zu ihrer Zeit, sie schritten bei schöner Musik dahin und füllten die Plätze","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"der Kirche; da brauste das Psalmlied wie ein dröhnendes Meer, und seine alten","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Pflegeeltern aus dem Huusby-Dünen waren hier und der alte Kaufmann Brönne und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"seine Gattin, und ihnen zur Seite, dicht neben Jürgen, saß ihre freundliche,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"liebliche Tochter Clara, sie reichte Jürgen die Hand, und beide schritten","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"nun zum Altar hin, wo sie früher gekniet hatten, und der Pfarrer legte ihre","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Hände ineinander, weihte sie dem Leben in Liebe. - Da brauste der Klang der","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Posaunen, wundervoll wie eine Kinderstimme voll Sehnen und Lust, schwoll an zum","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Orgelklang, zu einem Orkan von vollen, erhebenden Tönen, lieblich und beseligend","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"anzuhören und doch mächtig zum Zersprengen der Gräber Gestein.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Und das Schifflein, das im Chor von der Decke herabhing, ließ sich nieder","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"vor beiden, wurde wunderbar groß, prachtvoll, mit seidenen Segeln und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"goldenen Rahen, die Anker waren aus rotem Gold, und jedes Tau war mit Seide","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"durchflochten, wie es in dem alten Liede hieß. Und das Brautpaar ging an Bord","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"und die ganze Gemeinde der Kirche mit ihn, und dort war Platz und Herzlichkeit","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"für sie alle. Und die Wände und Bögen der Kirche blühten wie der Holunder und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"die duftenden Linden, und lieblich schaukelten und fächerten die duftenden","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Zweige und Blätter Kühlung, bogen sich auseinander, trennten sich, und das","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Schiff erhob sich und segelte mit ihnen durch das Meer, durch die Luft,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"jedes Kirchenlicht war ein Stern, und der Wind stimmte ein Psalmlied an, und","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"alle sangen mit dem Winde: \"In Liebe zur Herrlichkeit!\" - \"Kein Leben soll","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"verlorengehen!\" - \"Voll seliger Freude! Halleluja!\"","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Und diese Worte waren auch die letzten, die Jürgen in dieser Welt sprach. Das","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Band zerriß, daß die unsterbliche Seele zurückhielt - nur ein toter Körper","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"lang in der finsteren Kirche, über die der Sturm dahinbrauste, sie mit Flugsand","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"umwirbelnd.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Am folgenden Morgen war Sonntag, die Gemeinde und der Pfarrer begaben sich","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"zum Gottesdienst. Der Weg zur Kirche war mühsam gewesen, der Sand hatte den","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Weg fast ungangbar gemacht, und jetzt, wo sie endlich am Ziel waren, lag ein","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"großer Sandhügel hoch aufgetürmt vor dem Eingang zur Kirche, die Kirchentür war","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"verschüttet. Der Pfarrer sprach ein kurzes Gebet und sagte, Gott habe die Tür","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"dieses seines Hauses verschlossen, die Gemeinde müsse zurückkehren und dem Herrn","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"anderswo ein neues Haus errichten. So sangen sie ein Psalmlied unter freiem","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Himmel und wanderten zurück in die Häuser.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Jürgen war nirgends aufzufinden, weder in der Stadt Skagen noch in den Dünen,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wie sehr man ihn auch suchte; die Wellen, die den Sand hinaufgerollt waren,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"hatten ihn wohl mit sich in die Fluten hinabgezogen, so meinte man. Sein Körper","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"lag bestattet in dem größten Sarkophag, in der Kirche selbst; Gott hatte im","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Sturm eine Handvoll Erde auf seinen Sarg geworfen, die schwere Sandschicht lag","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"darauf und liegt noch heute dort.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Der Flugsand hat die mächtigen Gewölbe überdeckt, Dünenweißdorn und wilde Rosen","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"wachsen über die Kirche hin, über die der Wanderer jetzt zum Turm hinschreitet,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"der, ein riesiger Leichenstein auf dem Grabe, aus dem Sande emporragend,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"meilenweit zu sehen ist; keinem Könige setzte man einen prächtigeren Stein.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Niemand stört die Ruhe der Toten; niemand wußte es, und auch niemand weiß es,","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"erst jetzt kennen wir sein Grab - der Sturm hat mir in den Sanddünen davon","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"gesungen.","book":"Eine Geschichte aus den Sanddünen"} {"text":"Auf einer der dänischen Inseln, wo alte Thingsteine, der Urväter Gerichtssitzes,","book":"Zwei Brüder"} {"text":"sich in den Kornfeldern erheben und große Bäume in den Buchenwäldern, liegt","book":"Zwei Brüder"} {"text":"ein kleines Städtchen, dessen niedrige Häuser mit roten Ziegeln gedeckt","book":"Zwei Brüder"} {"text":"sind. In einem dieser Häuser wurden über glühenden Kohlen auf dem offenen","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Herd wunderliche Dinge gebraut, es wurde in Gläsern gekocht, gemischt und","book":"Zwei Brüder"} {"text":"destilliert, und Kräuter wurden zerhackt und in Mörsern zerstoßen; ein älterer","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Mann stand dem Ganzen vor.","book":"Zwei Brüder"} {"text":"\"Man muß nur das Rechte tun,\" sprach er, \"ja, das Rechte, das Richtige, die","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Wahrheit in jedem erschaffenen Teil muß man kennen und sich an sie halten.\"","book":"Zwei Brüder"} {"text":"In der Stube bei der braven Hausfrau saßen ihre zwei Söhne, noch klein, aber","book":"Zwei Brüder"} {"text":"mit erwachsenen Gedanken. Auch die Mutter hatte ihnen stets von Recht und","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Gerechtigkeit gesprochen, sie ermahnt, an der Wahrheit festzuhalten, die sei das","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Antlitz Gottes in dieser Welt.","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Der älteste der Knaben sah schelmisch und unternehmend aus, seine Lust war es,","book":"Zwei Brüder"} {"text":"von den Naturkräften, von Sonne und Sternen zu lesen, kein Märchen liebte er so.","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Oh, wie schön mußte es sein auf Entdeckungsreisen zu gehen oder herauszufinden,","book":"Zwei Brüder"} {"text":"wie die Flügel der Vögel nachzumachen seien, und dann fliegen zu können; ja, das","book":"Zwei Brüder"} {"text":"herauszufinden, das sei das Rechte. Vater hatte recht, und Mutter hatte Recht;","book":"Zwei Brüder"} {"text":"die Wahrheit hielt die Welt zusammen.","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Der jüngere Bruder war stiller und vertiefte sich ganz in die Bücher. Las er","book":"Zwei Brüder"} {"text":"vom Jakob, der sich in Schafsfelle kleidete, um Esau zu ähneln und sich dadurch","book":"Zwei Brüder"} {"text":"das Erstgeburtsrecht zu erschleichen, so ballte sich seine kleine Faust im Zorn","book":"Zwei Brüder"} {"text":"gegen den Betrüger; las er von den Tyrannen und all dem Unrecht und der Bosheit","book":"Zwei Brüder"} {"text":"der Welt, so standen ihm Tränen in den Augen, der Gedanke an das Recht, an die","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Wahrheit, die siegen sollte und mußte, erfüllte ihn ganz. Eines Abends – er","book":"Zwei Brüder"} {"text":"lag schon im Bett, aber die Vorhänge waren noch nicht ganz zusammengezogen,","book":"Zwei Brüder"} {"text":"das Licht strahlte zu ihm hinein – hatte er sein Buch mit ins Bett genommen, er","book":"Zwei Brüder"} {"text":"wollte durchaus die Geschichte von Solon zu Ende lesen.","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Und die Gedanken hoben und trugen ihn gar wunderlich weit, es war ihm, als würde","book":"Zwei Brüder"} {"text":"das Bett ein Schiff, das mit vollen Segeln dahinjagte. Träumte ihm, oder was","book":"Zwei Brüder"} {"text":"ging mit ihm vor? Es glitt dahin über rollende Gewässer, die großen Seen der","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Zeit, er vernahm die Stimme Solons; ihm verständlich und doch in fremder Zunge","book":"Zwei Brüder"} {"text":"vernahm er den dänischen Wahlspruch: \"Mit Gesetz regiert man das Land!\"","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Und der Genius des Menschengeschlechts stand in der ärmlichen Stube, beugte sich","book":"Zwei Brüder"} {"text":"über das Bett und drückte dem Knaben einen Kuß auf die Stirn: \"Werde stark im","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Ruhm und stark im Kampf des Lebens! Die Wahrheit in der Brust, fliege dem Land","book":"Zwei Brüder"} {"text":"der Wahrheit entgegen!\"","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Der ältere Bruder war noch nicht zu Bett, er stand am Fenster, schaute auf die","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Nebel hinaus, die sich von den Wiesen erhoben; es waren nicht die Elfen, die","book":"Zwei Brüder"} {"text":"dort tanzten, wie die alte Kindermuhme ihm gesagt hatte, sondern er wußte es","book":"Zwei Brüder"} {"text":"besser, es waren Dämpfe, wärmer als die Luft, und deshalb stiegen sie. Eine","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Sternschnuppe leuchtete und die Gedanken des Knaben waren im Nu von den Dünsten","book":"Zwei Brüder"} {"text":"der Erde oben bei dem leuchtenden Meteor. Die Sterne des Himmels blitzten, es","book":"Zwei Brüder"} {"text":"war, als hingen lange, goldene Fäden von ihnen herab bis auf die Erde.","book":"Zwei Brüder"} {"text":"\"Fliege mit mir,\" sang und klag es in das Herz des Knaben hinein, und der","book":"Zwei Brüder"} {"text":"mächtige Genius der Geschlechter, schneller als der Vogel, als der Pfeil, als","book":"Zwei Brüder"} {"text":"alles Irdische, was fliegen kann, trug ihn hinaus in den Raum, wo der Strahl","book":"Zwei Brüder"} {"text":"von Stern zu Stern die Himmelskörper aneinanderband; unsere Erde kreiste in der","book":"Zwei Brüder"} {"text":"dünnen Luft; eine Stadt schien ganz in der Nähe der anderen zu liegen. Durch die","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Sphären klang es:","book":"Zwei Brüder"} {"text":"\"Was ist nah, was ist fern, wenn der mächtige Genius des Geistes dich erhebt!\"","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Und wiederum stand der Kleine am Fenster und schaute hinaus, der jüngere Bruder","book":"Zwei Brüder"} {"text":"lag in seinem Bett; die Mutter rief sie bei Namen: Anders Sandöe und Hans","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Christian!","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Dänemark kennt sie, die Welt kennt sie; die beiden Brüder Oersted.","book":"Zwei Brüder"} {"text":"Der Schmetterling wollte eine Braut haben und sich unter den Blumen eine recht","book":"Der Schmetterling"} {"text":"niedliche aussuchen. Zu dem Ende warf er einen musternden Blick über den ganzen","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Blumenflor und fand, daß jede Blume recht still und eher ehrsam auf ihrem","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Stengel saß, gerade wie es einer Jungfrau geziemt, wenn sie nicht verlobt ist;","book":"Der Schmetterling"} {"text":"allein es waren gar viele da, und die Wahl drohte mühsam zu werden. Diese Mühe","book":"Der Schmetterling"} {"text":"gefiel dem Schmetterling nicht, deshalb flog er auf Besuch zu dem Gänseblümchen.","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Dieses Blümlein nennen die Franzosen 'Margarete'; sie wissen auch, daß Margarete","book":"Der Schmetterling"} {"text":"wahrsagen kann, und das tut sie, wenn die Liebesleute, wie es oft geschieht, ein","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Blättchen nach dem andern von ihr abpflücken, während sie an jedes eine Frage","book":"Der Schmetterling"} {"text":"über den Geliebten stellen: 'Von Herzen? – Mit Schmerzen? – Liebt mich sehr?","book":"Der Schmetterling"} {"text":"– ein klein wenig? – Ganz und gar nicht?' und dergleichen mehr. Jeder fragt in","book":"Der Schmetterling"} {"text":"seiner Sprache. Der Schmetterling kam auch zu Margarete um zu fragen; er zupfte","book":"Der Schmetterling"} {"text":"ihr aber nicht die Blätter aus, sondern er drückte jedem Blatte einen Kuß auf,","book":"Der Schmetterling"} {"text":"denn er meinte, man käme mit Güte besser fort.","book":"Der Schmetterling"} {"text":"\"Beste Margarete Gänseblümlein!\" sprach er zu ihr, \"Sie sind die klügste Frau","book":"Der Schmetterling"} {"text":"unter den Blumen, Sie können wahrsagen – bitte, bitte, mir zu sagen, bekomme","book":"Der Schmetterling"} {"text":"ich die oder die? Welche wird meine Braut sein? – Wenn ich das weiß, werde ich","book":"Der Schmetterling"} {"text":"geradeswegs zu ihr hinfliegen und um sie anhalten.\"","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Allein Margarete antwortete ihm nicht, sie ärgerte sich, daß er sie 'Frau'","book":"Der Schmetterling"} {"text":"genannt hatte, da sie doch noch eine Jungfrau sei – das ist ein Unterschied! Er","book":"Der Schmetterling"} {"text":"fragte zum zweiten und zum dritten Male; als sie aber stumm blieb und ihm kein","book":"Der Schmetterling"} {"text":"einziges Wort entgegnete, so mochte er zuletzt auch nicht länger fragen, sondern","book":"Der Schmetterling"} {"text":"flog davon, und zwar unmittelbar auf die Brautwerbung.","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Es war in den ersten Tagen des Frühlings, ringsum blühten Schneeglöckchen und","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Krokus. 'Die sind sehr niedlich', dachte der Schmetterling, 'allerliebste kleine","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Konfirmanden, aber ein wenig zu sehr Backfisch!' – Er, wie alle jungen Burschen,","book":"Der Schmetterling"} {"text":"spähte nach älteren Mädchen aus.","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Darauf flog er auf die Anemonen zu; diese waren ihm ein wenig zu bitter, die","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Veilchen ein wenig zu schwärmerisch, die Lindenblüten zu klein und hatten eine","book":"Der Schmetterling"} {"text":"zu große Verwandtschaft; die Apfelblüten – ja, die sahen zwar aus wie Rosen,","book":"Der Schmetterling"} {"text":"aber sie blühten heute, um morgen schon abzufallen, meinte er. Die Erbsenblüte","book":"Der Schmetterling"} {"text":"gefiel ihm am besten, rot und weiß war sie, auch zart und fein, und gehörte zu","book":"Der Schmetterling"} {"text":"den häuslichen Mädchen, die gut aussehen und doch für die Küche taugen; er stand","book":"Der Schmetterling"} {"text":"eben im Begriffe, seinen Liebesantrag zu stellen – da erblickte er dicht neben","book":"Der Schmetterling"} {"text":"ihr eine Schote, an deren Spitze eine welke Blüte hing. \"Wer ist die da?\" fragte","book":"Der Schmetterling"} {"text":"er. \"Es ist meine Schwester,\" antwortete die Erbsenblüte.","book":"Der Schmetterling"} {"text":"\"Ah, so! Sie werden später auch so aussehen?\" fragte er und flog davon, denn er","book":"Der Schmetterling"} {"text":"hatte sich darob entsetzt.","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Das Geißblatt hing blühend über den Zaun hinaus, da war die Hülle und Fülle","book":"Der Schmetterling"} {"text":"derartiger Fräulein, lange Gesichter, gelber Teint, nein, die Art gefiel ihm","book":"Der Schmetterling"} {"text":"nicht. Aber welche liebte er denn?","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Der Frühling verstrich, der Sommer ging zu Ende; es war Herbst; er aber war noch","book":"Der Schmetterling"} {"text":"immer unschlüssig.","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Die Blumen erschienen nun in den prachtvollsten Gewändern – doch vergeblich.","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Es fehtle ihnen der frische, duftende Jugendsinn. Duft begehrt das Herz, wenn","book":"Der Schmetterling"} {"text":"es selbst nicht mehr jung ist, und gerade hiervon ist bitter wenig bei den","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Georginen und Klatschrosen zu finden. So wandte sich denn der Schmetterling der","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Krauseminze zu ebener Erde zu.","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Diese hat nun wenig Blüte, sie ist ganz und gar Blüte, duftet von unten","book":"Der Schmetterling"} {"text":"bis oben, hat Blumenduft in jedem Blatte. \"Die werde ich nehmen!\" sagte der","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Schmetterling.","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Und nun hielt er um sie an.","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Aber die Krauseminze stand steif und still da und hörte ihn an; endlich sagte","book":"Der Schmetterling"} {"text":"sie: \"Freundschaft, ja! Aber weiter nichts! Ich bin alt, und Sie sind alt; wir","book":"Der Schmetterling"} {"text":"können zwar sehr wohl füreinander leben, aber uns heiraten – nein! Machen wir","book":"Der Schmetterling"} {"text":"uns nicht zum Narren in unserem Alter!\"","book":"Der Schmetterling"} {"text":"So kam es denn, daß der Schmetterling keine Frau bekam. Er hatte zu lange","book":"Der Schmetterling"} {"text":"gewählt, und das soll man nicht! Der Schmetterling blieb ein Hagestolz, wie man","book":"Der Schmetterling"} {"text":"es nennt.","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Es war im Spätherbste, Regen und trübes Wetter. Der Wind blies kalt über den","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Rücken der alten Weidenbäume dahin, so, daß es in ihnen knackte. Es war kein","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Wetter, um im Sommeranzuge herumzufliegen; aber der Schmetterling flog auch","book":"Der Schmetterling"} {"text":"nicht draußen umher; er war zufälligerweise unter Dach und Fach geraten, wo","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Feuer im Ofen und es so recht sommerwarm war; er konnte schon leben; doch \"Leben","book":"Der Schmetterling"} {"text":"ist nicht genug!\" sprach er. \"Sonnenschein, Freiheit und ein kleines Blümchen","book":"Der Schmetterling"} {"text":"muß man haben!\"","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Und er flog gegen die Fensterscheibe, wurde gesehen, bewundert, auf eine Nadel","book":"Der Schmetterling"} {"text":"gesteckt und in dem Raritätenkasten ausgestellt; mehr konnte man nicht für ihn","book":"Der Schmetterling"} {"text":"tun.","book":"Der Schmetterling"} {"text":"\"Jetzt setze ich mich selbst auf einen Stengel wie die Blumen!\" sagte der","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Schmetterling, \"so recht angenehm ist das freilich nicht! So ungefähr wird es","book":"Der Schmetterling"} {"text":"wohl sein, wenn man verheiratet ist, man sitzt fest!\" – Damit tröstete er sich","book":"Der Schmetterling"} {"text":"dann einigermaßen.","book":"Der Schmetterling"} {"text":"\"Das ist ein schlechter Trost!\" sagten die Topfgewächse im Zimmer.","book":"Der Schmetterling"} {"text":"\"Aber,\" meinte der Schmetterling, \"diesen Topfgewächsen ist nicht recht zu","book":"Der Schmetterling"} {"text":"trauen, sie gehen zuviel mit Menschen um!\"","book":"Der Schmetterling"} {"text":"Das Leibroß des Kaisers bekam goldene Hufbeschläge, ein goldenes Hufeisen an","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"jedes Bein.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Aber weshalb das?","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Es war ein wunderschönes Tier, hatte feine Beine, kluge und helle Augen und eine","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Mähne, die ihm wie ein Schleier über den Hals herabhing. Es hatte seinen Herrn","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"durch Pulverdampf und Kugelregen getragen, hatte die Kugeln singen und pfeifen","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"hören, hatte gebissen, ausgeschlagen und mitgekämpft, als die Feinde eindrangen,","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"war mit seinem Kaiser in einem Sprung über das gestürzte Pferd des Feindes","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"gesetzt, hatte die Krone aus roten Gold, das Leben seines Kaisers gerettet,","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"und das war mehr wert als das rote Gold, deshalb bekam des Kaisers Roß goldene","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Hufeisen.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Und ein Mistkäfer kam hervorgekrochen.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Erst die Großen, dann die Kleinen,\" sagte er, \"aber die Größe allein macht es","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"nicht.\" Und dabei streckte er seine dünnen Beine aus.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Was willst du denn?\" fragte der Schmied.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":".. ..","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Goldene Beschläge, jawohl!\" sagte der Mistkäfer. \"Bin ich denn nicht ebenso","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"gut wie das große Tier da, das gewartet und gebürstet wird und dem man Essen und","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Trinken vorsetzt! Gehöre ich nicht auch in den kaiserlichen Stall?\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Weshalb aber bekommt das Roß goldene Beschläge?\" sagte der Schmied, \"begreifst","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"du das nicht?\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Begreifen? Ich begreife, daß es eine Geringschätzung meiner Person ist,\" sagte","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"der Mistkäfer, \"es geschieht, um nicht zu kränken - und ich gehe deshalb auch in","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"die weite Welt!\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Nur zu!\" sagte der Schmied.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Grober Kerl, du!\" sagte der Mistkäfer, und dann ging er aus dem Stall","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"hinaus, flog eine kleine Strecke und befand sich bald darauf in einem schönen","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Blumengarten, wo es nach Rosen und Lavendel duftete.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Ist es hier nicht wunderschön?\" fragte einer der kleinen Marienkäfer, die","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"mit ihren roten, schildstarken, mit schwarzen Pünktchen besäten Flügeln darin","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"umherflogen. \"Wie süß es hier ist, wie ist es hier schön!\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Ich bin es besser gewöhnt,\" sagte der Mistkäfer, \"ihr nennt das hier schön?","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Nicht einmal ein Misthaufen ist hier!\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Dann ging er weiter, unter den Schatten einer großen Levkoje; da kroch eine","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Kohlraupe umher.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Wie ist doch die Welt schön!\" sprach die Kohlraupe, \"die Sonne ist so warm,","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"alles so vergnüglich! Und wenn ich einmal einschlafe und sterbe, wie sie es","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"nennen, so erwache ich als ein Schmetterling.\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Was du dir einbildest!\" sagte der Mistkäfer, \"als Schmetterling umherfliegen!","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Ich komme aus dem Stall des Kaisers, aber niemand dort, selbst nicht des Kaisers","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Leibroß, das doch meine abgelegten goldenen Schuhe trägt, bildet sich so etwas","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"ein: Flügel kriegen! Fliegen! Ja, jetzt aber fliegen wir!\" Und nun flog der","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Mistkäfer davon. \"Ich will mich nicht ärgern, aber ich ärgere mich doch!\" sprach","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"er im Davonfliegen.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Bald darauf aber fiel er auf einem großen Rasenplatz nieder; hier lag er eine","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Weile und simulierte; endlich schlief er ein.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Ein Platzregen stürzte plötzlich aus den Wolken! Der Mistkäfer erwachte bei","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"dem Lärm und wollte sich in die Erde verkriechen, aber es gelang ihm nicht, er","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"wurde um und um gewälzt; bald schwamm er auf dem Bauch, bald auf dem Rücken,","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"an Fliegen war nicht zu denken; er zweifelte daran, lebendig von diesem Ort","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"fortzukommen. Er lag, wo er lag, und blieb auch liegen.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Als das Unwetter ein wenig nachgelassen hatte und der Mistkäfer das Wasser aus","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"seinen Augen weggeblinzelt hatte, sah er etwas Weißes schimmern, es war Leinen,","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"das auf der Bleiche lag; er gelangte zu ihm hin und kroch zwischen eine Falte","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"des nassen Leinens. Da lag es sich freilich anders als in dem waren Haufen im","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Stall, aber etwas Besseres war hier nun einmal nicht vorhanden, und deshalb","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"blieb er wo er war, blieb einen ganzen Tag, eine ganze Nacht, und auch der Regen","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"blieb. Gegen Morgen kroch er hervor; er ärgerte sich sehr über das Klima.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Auf dem Leinen saßen zwei Frösche; ihre hellen Augen strahlten vor lauter","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Vergnügen. \"Das ist ein herrliches Wetter!\" sagte der eine, \"wie erfrischend!","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Und die Leinwand hält das Wasser so schön beisammen; es krabbelt mich in den","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Hinterfüßen, als wenn ich schwimmen sollte.\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Ich möchte wissen,\" sagte der andere, \"ob die Schwalbe, die so weit","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"umherfliegt, auf ihren vielen Reisen im Ausland ein besseres Klima als das","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"unsrige gefunden hat: eine solche Nässe! Es ist wahrhaftig, als läge man","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"in einem nassen Graben! Wer sich dessen nicht freut, liebt in der Tat sein","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Vaterland nicht!\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Seid ihr denn nicht im Stall des Kaisers gewesen?\" fragte der Mistkäfer. \"Dort","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"ist das Nasse warm und würzig, das ist mein Klima, aber das kann man nicht mit","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"auf Reisen nehmen. Gibt's hier im Garten kein Mistbeet, wo Standespersonen wie","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"ich sich heimisch fühlen und logieren können?\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Die Frösche aber verstanden ihn nicht, oder wollten ihn nicht verstehen.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Ich frage nie zweimal!\" sagte der Mistkäfer, nachdem er bereits dreimal gefragt","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"und keine Antwort erhalten hatte.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Darauf ging er eine Strecke weiter und stieß hier auf einen Tonscherben, der","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"freilich nicht da hätte liegen sollen, aber so wie er lag, gewährte er Schutz","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"gegen Wind und Wetter. Hier wohnten mehrere Ohrwurmfamilien; diese beanspruchen","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"nicht viel - bloß Geselligkeit. Die weiblichen Individuen sind voll der","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"zärtlichsten Mutterliebe, und deshalb hielt auch jede Mutter ihr Kind für das","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"schönste und klügste.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Unser Söhnchen hat sich verlobt!\" Sagte eine Mutter, \"die süße Unschuld!","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Sein ganzes Streben geht dahin, dermaleinst in das Ohr eines Geistlichen zu","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"kommen. Er ist recht kindlich liebenswürdig; die Verlobung bewahrt ihn vor","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Ausschweifungen! Welche Freude für eine Mutter!\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Unser Sohn,\" sprach eine andere Mutter, \"kaum aus dem Ei gekrochen, war auch","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"gleich auf der Fahrt; er ist ganz Leben und Feuer! Er läuft sich die Hörner ab!","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Welch eine Freude für eine Mutter! Nicht war, Herr Mistkäfer?\" - Sie erkannten","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"den Fremden an seiner Form.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Sie haben beide recht!\" sagte der Mistkäfer, und nun bat man ihn, in das Zimmer","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"einzutreten, soweit er nämlich unter den Tonscherben kommen konnte.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Jetzt sehen Sie auch mein kleines Ohrwürmchen,\" rief eine dritte und vierte","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Mutter. \"Es sind gar liebliche Kinder, und sie machen sehr viel Spaß. Sie sind","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"nie unartig, außer sie haben Bauchgrimmen; leider kriegt man das aber gar zu","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"leicht in ihrem Alter.\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Und in der Weise sprach jede Mutter von ihrem Püppchen, und die Püppchen","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"sprachen mit und gebrauchten ihre kleinen Scheren, die sie am Schwanze hatten,","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"um den Mistkäfer an seinem Bart zu zupfen.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Ja, die machen sich immer was zu schaffen, die kleinen Schelme!\" sagten die","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Mütter und dampften ordentlich vor Mutterliebe; allein das langweilte den","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Mistkäfer, und er fragte deshalb, ob es noch weit bis zu dem Mistbeet sei.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Das ist ja draußen in der weiten Welt, jenseits des Grabens!\" antwortete ein","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Ohrwurm, \"So weit wird hoffentlich keines meiner Kinder gehen, das wäre mein","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Tod!\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"So weit will ich doch zu kommen versuchen,\" sagte der Mistkäfer und entfernte","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"sich, ohne Abschied zu nehmen; denn so ist es ja am feinsten.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Am Graben traf er noch mehr von seinesgleichen, alles Mistkäfer.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Hier wohnen wir!\" sagten sie. \"Wir haben es ganz gemütlich! Dürfen wir Sie","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"wohl bitten, in den fetten Schlamm hinabzusteigen? Die Reise ist für Sie gewiß","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"ermüdend gewesen!\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Allerdings!\" sprach der Mistkäfer. \"Ich war dem Regen ausgesetzt und habe auf","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Leinen liegen müssen, und Reinlichkeit nimmt mich vor allem mit. Auch habe ich","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Reißen in dem einen Flügel, weil ich unter einem Tonscherben im Zug gestanden","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"habe. Es ist in der Tat ein wahres Labsal, wieder einmal unter seinesgleichen zu","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"sein.\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Kommen Sie vielleicht aus dem Mistbeet?\" fragte der älteste.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Oho! Von höheren Orten!\" rief der Mistkäfer. \"Ich komme aus dem Stall des","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Kaisers, wo ich mit goldenen Schuhen an den Füßen geboren wurde; ich reise in","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"einem geheimen Auftrag. Sie dürfen mich darüber aber nicht ausfragen, denn ich","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"verrate es nicht.\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Darauf stieg der Mistkäfer in den fetten Schlamm hinab. Dort saßen drei junge","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Mistkäferfräuleins; sie kicherten weil sie nicht wußten, was sie sagen sollten.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Sie sind alle drei noch nicht verlobt,\" sagte die Mutter; und die jungen","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Mistkäferfräuleins kicherten aufs neue, diesmal aus Verlegenheit.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Ich habe in den kaiserlichen Ställen keine schöneren gesehen,\" sagte der","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Mistkäfer, der sich ausruhte.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Verderben Sie mir meine Mädchen nicht; sprechen Sie nicht mit Ihnen, es sei","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"denn, Sie haben reelle Absichten! Doch die haben Sie sicher, und ich gebe meinen","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Segen dazu!\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Hurra!\" riefen all die andern Mistkäfer, und unser Mistkäfer war nun verlobt.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Der Verlobung folgte sogleich die Hochzeit auf dem Fuße, denn es war kein Grund","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"zum Aufschub vorhanden.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Der folgende Tag verging sehr angenehm, der nächstfolgende noch einigermaßen,","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"aber am dritten Tag mußte man schon auf Nahrungssuche für die Frau gehen,","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"vielleicht sogar an Kinder denken.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Ich habe mich übertölpeln lassen!\" dachte der Mistkäfer, \"es bleibt mir daher","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"nichts anderes übrig, als sie wieder zu übertölpeln!\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Gedacht, getan! Weg war er, den ganzen Tag blieb er aus, die ganze Nacht blieb","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"er aus - und die Frau saß da als Witwe. \"Oh,\" sagten die andern Mistkäfer,","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"der, den wir in die Familie aufgenommen haben, ist nichts weiter als ein echter","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Landstreicher; er ist auf und davon gegangen und läßt die Frau uns nun zur Last","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"fallen!\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Ei, dann mag sie wieder als Jungfrau gelten,\" sprach die Mutter, \"und als mein","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Kind hierbleiben. Pfui über den Bösewicht, der sie verließ.\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Der Mistkäfer war unterdes immer weiter gereist, auf einem Kohlblatt über den","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Wassergraben gesegelt. In der Morgenstunde kamen zwei Menschen an den Graben;","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"als sie ihn erblickten, hoben sie ihn auf, drehten ihn um und um, taten beide","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"sehr gelehrt, namentlich der eine von ihnen - ein Knabe. \"Allah sieht den","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"schwarzen Mistkäfer in dem schwarzen Gestein in dem schwarzen Felsen! Nicht","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"wahr, so steht es im Koran geschrieben?\" Dann übersetzte er den Namen des","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Mistkäfers ins Lateinische und verbreitete sich über dessen Geschlecht und","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Natur. Der zweite Mensch, ein älterer Gelehrter, stimmte dagegen, ihn mit nach","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Hause zu nehmen; sie hätten, sagte er, dort ebenso gute Exemplare, und das,","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"so schien es unserem Mistkäfer, war nicht höflich gesprochen, deshalb flog","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"er ihm auch plötzlich aus der Hand. Da er jetzt trockenen Flügel hatte, flog","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"er eine ziemlich große Strecke und erreichte das Treibhaus, wo er mit aller","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Bequemlichkeit, da hier ein Fenster angelehnt war, hineinschlüpfte und sich in","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"dem frischen Mist vergrub.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Hier ist es wonnig!\" sagte er.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Bald darauf schlief er ein, und es träumte ihm, daß des Kaisers Leibroß","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"gestürzt sei und ihm seine goldenen Hufeisen gegeben habe und obendrein das","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Versprechen, ihn noch zwei anlegen zu lassen. Das war sehr angenehm. Als der","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Mistkäfer erwachte, kroch er hervor und schaute sich um. Welche Pracht war in","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"dem Treibhaus! Im Hintergrund große Palmen, hoch emporragend; die Sonne ließ sie","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"transparent erscheinen, und unter ihnen, welche Fülle von Grün und strahlenden","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Blumen, rot wie Feuer, gelb wie Bernstein, weiß wie frischer Schnee!","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Das ist eine unvergleichliche Pflanzenpracht, die wird schmecken, wenn sie","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"fault!\" sagte der Mistkäfer. \"Das ist eine gute Speisekammer! Hier wohnen gewiß","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Anverwandte; ich will doch nachspüren, ob ich jemanden finde, mit dem ich Umgang","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"pflegen kann. Stolz bin ich, das ist mein Stolz!\" Und nun lungerte er in dem","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Treibhaus herum und gedachte seines schönen Traumes von dem toten Pferd und den","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"ererbten goldenen Hufeisen.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Da ergriff plötzlich eine Hand den Mistkäfer, drückte ihn und drehte ihn um und","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"um.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Der kleine Sohn des Gärtners und ein Kamerad waren an das Mistbeet","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"herangetreten, hatten den Mistkäfer gesehen und wollten nun ihren Spaß mit ihm","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"treiben. Zuerst wurde er in ein Weinblatt gewickelt und alsdann in eine warme","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Hosentasche gesteckt; er kribbelte und krabbelte dort nach Kräften; dafür bekam","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"er aber einen Druck von der Hand des Knaben und wurde so zur Ruhe gewiesen.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Der Knabe ging darauf raschen Schrittes zu dem großen See hin, der am Ende des","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Gartens lag. Hier wurde der Mistkäfer in einen alten, halbzerbrochenen Holzschuh","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"ausgesetzt, auf denselben ein Stäbchen als Mast gesteckt und an diesen der","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Mistkäfer mit einem wollenen Faden festgefunden. Jetzt war er Schiffer und mußte","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"segeln.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Der See war sehr groß, dem Mistkäfer schien er wie ein Weltmeer, und er","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"erstaunte dermaßen, daß er auf den Rücken fiel und mit den Füßen zappelte.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Das Schifflein segelte, und die Strömung des Wassers ergriff es; fuhr es aber","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"zu weit vom Land weg, krempelte sofort einer der Knaben seine Beinkleider auf,","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"trat ins Wasser und holte es wieder ans Land zurück. Endlich aber, gerade als","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"es wieder in bester Fahrt seeinwärts ging, wurden die Knaben gerufen, ganz","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"ernstlich gerufen; sie beeilten sich zu kommen, liefen vom Wasser fort und","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"ließen Schifflein Schifflein sein. Dieses trieb nun immer mehr und mehr vom Ufer","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"ab, immer mehr in den offenen See hinaus; es war entsetzlich für den Mistkäfer,","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"da er nicht fliegen konnte, weil er an den Mast gebunden war.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Da bekam er Besuch von einer Fliege.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Was für schönes Wetter!\" sagte die Fliege. \"Hier will ich ausruhen und mich","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"sonnen; Sie haben es hübsch hier.\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Sie reden, wie Sie's verstehen! sehen Sie denn nicht, daß ich fest angebunden","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"bin?\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Ich bin nicht angebunden,\" sagte die Fliege und flog davon.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Na, jetzt kenne ich die Welt!\" sprach der Mistkäfer. \"Es ist eine","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"niederträchtige Welt! Ich bin der einzig Honette auf der Welt! Erst verweigert","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"man mir goldene Schuhe, dann muß ich auf nassem Leinen liegen, in Zugluft","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"stehen, und zu guterletzt hängen sie mir noch eine Frau auf. Tue ich dann einen","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"raschen Schritt in die Welt hinaus um zu erfahren, wie man es dort bekommen kann","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"und wie ich es haben sollte, so kommt so ein Menschenjunge, bindet mich fest und","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"überläßt mich den wilden Wogen, während das Leibpferd des Kaisers in goldenen","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Schuhen einherstolziert! Das ärgert mich am meisten. Aber auf Anteilnahme","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"darf man in dieser Welt nicht rechnen! Mein Lebenslauf ist sehr interessant;","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"doch was nützt es, wenn ihn niemand kennt! Die Welt verdient es gar nicht, ihn","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"kennenzulernen, sie hätte mir sonst auch goldene Schuhe im Stall des Kaisers","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"gegeben, damals, als das Leibroß des Kaisers beschlagen wurde und ich meine","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Beine deshalb ausstreckte. Hätte ich goldenen Schuhe bekommen, so wäre ich","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"eine Zierde des Stalles geworden; jetzt hat mich der Stall verloren, die Welt","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"verloren, alles ist aus!\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"..","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Sieh, da segelt ein alter Holzschuh,\" sagte eines der Mädchen.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Ein kleines Tier ist darin angebunden!\" rief ein anderes.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Das Boot kam ganz in die Nähe des Schiffleins mit unserem Mistkäfer; die jungen","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Mädchen fischten es aus dem Wasser; eine von ihnen zog eine kleine Schere aus","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"ihrer Tasche, durchschnitt den wollenen Faden, ohne dem Mistkäfer ein Leid","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"zuzufügen, und als sie an Land stieg, setzte sie ihn in das Gras.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Krieche, Krieche! Fliege, fliege! wenn du kannst,\" sprach sie, \"Freiheit ist","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"ein herrlich Ding.\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Und der Mistkäfer flog auf und gerade durch das offene Fenster eines großen","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Gebäudes; dort sank er matt und müde herab auf die feine, weiche, lange","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Mähne des kaiserlichen Leibrosses, das im Stall stand, in dem es und auch der","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Mistkäfer zu Hause waren. Der Mistkäfer klammerte sich in der Mähne fest, saß","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"eine kurze Zeit ganz still und erholte sich. \"Hier sitze ich auf dem Leibroß","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"des Kaisers, sitze als Kaiser auf ihm! Doch was wollte ich noch sagen? Ja,","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"jetzt fällt mir's wieder ein! Das ist ein guter Gedanke, und der hat seine","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Richtigkeit. Weshalb bekommt das Pferd die goldenen Hufbeschläge? so fragte mich","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"doch der Schmied. Jetzt erst wird mir diese Frage klar. Meinetwegen bekam das","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Roß die goldenen Hufbeschläge!\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Und jetzt wurde der Mistkäfer guter Laune.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Man kriegt einen klaren Kopf auf Reisen!\" sagte er.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Die Sonne warf ihre Strahlen in den Stall auf ihn herab und machte es dort","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"hell und freundlich. \"Die Welt ist genau besehen doch nicht so arg,\" sagte der","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Mistkäfer, \"man muß sie nur zu nehmen wissen!\" Ja, die Welt war schön, weil","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"des Kaisers Leibroß nur deshalb goldene Hufbeschläge bekommen hatte, damit der","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Mistkäfer sein Reiter sein konnte.","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"\"Jetzt will ich zu den andern Käfern hinabsteigen und ihnen erzählen, wie viel","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"man für mich getan hat, ich will ihnen die Unannehmlichkeiten erzählen, die ich","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"auf meiner Reise im Ausland genossen habe, und ihnen sagen, daß ich jetzt so","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"lange zu Hause bleiben werde, bis das Roß seine goldenen Hufbeschläge abgetreten","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"hat.\"","book":"Der Mistkäfer"} {"text":"Eine Geschichte werde ich dir erzählen, die ich hörte, als ich noch ein kleiner","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Knabe war. Jedesmal, wenn ich an die Geschichte dachte, kam es mir vor, als","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"würde sie immer schöner; denn es geht mit Geschichten wie mit vielen Menschen,","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"sie werden mit zunehmendem Alter schöner.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Auf dem Lande warst du doch gewiß schon einmal; du wirst wohl auch so ein recht","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"altes Bauernhaus mit Strohdach gesehen haben. Moos und Kräuter wachsen von","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"selber auf dem Dach; ein Storchennest befindet sich auf dem First desselben, der","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Storch ist unvermeidlich! Die Wände des Hauses sind schief, die Fenster niedrig,","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"und nur ein einziges Fenster ist so eingerichtet, daß es geöffnet werden","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"kann; der Backofen springt aus der Wand hervor, gerade wie ein kleiner dicker","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Bauch; der Fliederbaum hängt über den Zaun, und unter seinen Zweigen ist ein","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Wassertümpel, in dem eine oder mehrere Enten liegen. Ein Kettenhund, der alle","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"und jeden anbellt, ist auch da.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Gerade so ein Bauernhaus stand draußen auf dem Lande, und in diesem Hause","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"wohnten zwei alte Leute, ein Bauer und eine Bäuerin. Wie wenig sie hatten, ein","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Stück war darunter, das nicht entbehrlich war – ein Pferd, das sich von dem Gras","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"nährte, das es an den Einzäunungen der Landstraße fand. Der alte Bauer ritt zur","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Stadt auf diesem Pferd, oft liehen es sich auch seine Nachbarn aus und erwiesen","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"den alten Leuten manch andern Dienst dafür. Aber am geeignetsten war es doch","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"wohl, wenn sie das Pferd verkauften oder es gegen irgend etwas anderes, was","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"ihnen mehr nützen könnte, weggaben.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Aber was konnte dies wohl sein?","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Das wirst du, Alter, am besten wissen!\" sagte die Frau zu ihm. \"Heute ist","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"gerade Jahrmarkt, reite in die Stadt, gib das Pferd für Geld hin oder mache","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"einen guten Tausch; wie du es auch machst, mir ist's immer recht. Reite zum","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Jahrmarkt!\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Und sie knüpfte ihm sein Halstuch um, denn das konnte sie besser als er, sie","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"knüpfte es ihm mit einer Doppelschleife um: das macht sich sehr hübsch! Sie","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"strich seinen Hut glatt mit ihrer flachen Hand und küßte ihn dann auf seinen","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"warmen Mund. Dann ritt er fort auf dem Pferd, welches verkauft oder eingetauscht","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"werden sollte. Ja, der Alte verstand dies schon!","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Die Sonne brannte heiß, keine Wolke war am Himmel zu sehen. Auf dem Weg staubte","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"es sehr, die vielen Leute, die den Jahrmarkt besuchen wollten, fuhren, ritten","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"oder legten den Weg zu Fuß zurück. Nirgends gab es Schatten gegen den Brand der","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Sonne.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Unter anderen kam auch einer des Weges, der eine Kuh zum Markt trieb. Die Kuh","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"war so schön, wie eine Kuh nur sein kann. \"Die gibt gewiß auch schöne Milch!\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"dachte der Bauer, \"Das wäre ein ganz guter Tausch: die Kuh für das Pferd!\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Heda, du da, mit der Kuh!\" sagte er, \"weißt du was, ein Pferd, sollte ich","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"meinen, kostet mehr als eine Kuh, aber mir ist das gleichgültig, ich habe mehr","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Nutzen von der Kuh; hast du Lust, so tauschen wir!\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Freilich will ich das,\" sagte der Mann mit der Kuh, und nun tauschten sie. Das","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"war also abgemacht, und der Bauer hätte nun füglich wieder umkehren können, denn","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"er hatte ja das abgemacht, um was es ihm zu tun war; allein da er nun einmal den","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Jahrmarkt im Kopf hatte, so wollte er auch hin, bloß um ihn sich anzusehen, und","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"deshalb ging er mit seiner Kuh auf die Stadt zu.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Die Kuh führend, schritt er mit ihr rasch aus, und nach kurzer Zeit waren sie","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"einem Mann zur Seite, der ein Schaf trieb. Es war ein gutes Schaf, fett und mit","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"guter Wolle.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Das möchte ich haben,\" dachte unser Bauersmann, \"es würde an unserem Zaun genug","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Gras finden, und über den Winter könnten wir es in der Stube halten. Eigentlich","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"wäre es angemessenen, ein Schaf statt einer Kuh zu besitzen.\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Wollen wir tauschen?\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Dazu war der Mann mit dem Schaf sogleich bereit, und der Tausch fand statt.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Unser Bauer ging nun mit seinem Schaf auf der Landstraße weiter.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Bald gewahrte er abermals einen Mann, der vom Feld her die Landstraße betrat und","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"eine große Gans unter dem Arm trug.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Das ist ein schweres Ding, das du da hast; es hat Federn und Fett, daß es","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"eine Lust ist; die würde sich erst gut ausnehmen, wenn sie bei uns daheim an","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"einer Leine am Wasser ginge. Das wäre etwas für meine Alte, für die könnte sie","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"allerlei Abfall sammeln. Wie oft hat sie nicht gesagt: 'Wenn wir nur eine Gans","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"hätten'. Jetzt kann sie vielleicht eine kriegen, und geht es, so soll sie sie","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"haben! – Wollen wir tauschen? Ich gebe dir das Schaf für die Gans und schönen","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Dank dazu.\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Dagegen hatte der andere nichts einzuwenden, und so tauschten sie denn. Unser","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Bauer bekam die Gans.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Jetzt befand er sich schon ganz nahe der Stadt; das Gedränge auf der Landstraße","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"nahm immer mehr zu; Menschen und Vieh drängten sich; sie gingen auf der Straße","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"und längs der Zäune, ja, am Schlagbaum gingen sie sogar in des Einnehmers","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Kartoffelfeld hinein, wo dessen einziges Huhn an einer Schnur einherspazierte,","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"damit es über das Gedränge nicht erschrecken, sich verirren oder verlaufen","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"sollte. Das Huhn hatte kurze Schwanzfedern, es blinzelte mit einem Auge und sah","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"sehr klug aus. \"Kluck; Kluck!\" sagte das Huhn. Was es sich dabei dachte, weiß","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"ich nicht zu sagen, aber unser Bauersmann dachte sogleich, als er es zu Gesicht","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"bekam: das ist das schönste Huhn, das ich je gesehen habe, es ist sogar schöner","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"als des Pfarrers Bruthenne. Potztausend! Das Huhn möchte ich haben! Ein Huhn","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"findet immer ein Körnchen, es kann sich fast selber ernähren, ich glaube, es","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"wäre ein guter Tausch, wenn ich es für die Gans kriegen könnte. – \"Wollen wir","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"tauschen?\" fragte er den Einnehmer. \"Tauschen?\" fragte dieser, \"ja, das wäre","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"nicht übel!\" Und so tauschten sie. Der Einnehmer am Schlagbaum bekam die Gans,","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"der Bauer das Huhn.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Es war gar viel, was er auf der Reise zur Stadt erledigt hatte; heiß war es","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"auch, und er war müde. Ein Schnaps und ein Imbiß taten ihm not; bald befand er","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"sich am Wirtshaus. Er wollte gerade hineingehen, als der Hausknecht heraustrat","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"und sie sich daher in der Tür begegneten. Der Knecht trug einen Sack.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Was hast du denn in dem Sack?\" fragte der Bauer.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Verschrumpelte Äpfel!\" antwortete der Knecht, \"einen ganzen Sack voll, genug","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"für die Schweine.\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Das ist doch eine zu große Verschwendung. Den Anblick gönnte ich meiner Alten","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"daheim. Voriges Jahr trug der alte Baum am Torfstall nur einen einzigen Apfel;","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"der wurde aufgehoben und lag auf de Schrank, bis er ganz verdarb und zerfiel.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"'Das ist doch immerhin Wohlstand', sagte meine Alte; hier könnte sie aber erst","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Wohlstand sehen, einen ganzen Sack voll! Ja, den Anblick würde ich ihr gönnen!\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Was gebt Ihr für den Sack voll?\" fragte der Knecht.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Was ich gebe? Ich gebe mein Huhn in Tausch,\" und er gab das Huhn in Tausch,","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"bekam die Äpfel und trat mit diesen in die Gasstube ein. Den Sack lehnte er","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"behutsam an den Ofen, er selber trat an den Schanktisch. Aber im Ofen war","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"eingeheizt, das bedachte er nicht. Es waren viele Gäste anwesend; Pferdehändler,","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Ochsentreiber und zwei Engländer, und die Engländer waren so reich, daß ihre","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Taschen von Goldstücken strotzten und fast platzten, und wetten tun sie, das","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"sollst du erfahren.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Susss! Susss!\" Was war denn das am Ofen? – Die Äpfel begannen zu braten.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Was ist denn das?\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Ja, wissen sie,\" sagte unser Bauersmann; – und nun erzählte er die ganze","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Geschichte von dem Pferd, das er gegen eine Kuh vertauscht und so weiter","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"herunter bis zu den Äpfeln.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Na, da wird dich deine Alte derb knuffen, wenn du nach Hause kommst, da setzt","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"es was!\" sagten die Engländer.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Was? Knuffen?\" sagte der Alte, \"küssen wird sie mich und sagen: wie's der Alte","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"macht, ist's immer richtig.\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Wollen wir wetten?\" sagten die Engländer, \"gemünztes Gold tonnenweise! Hundert","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Pfund machen ein Schiffspfund!\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Ein Scheffel genügt schon,\" entgegnete der Bauer, \"ich kann nur den Scheffel","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"mit Äpfeln dagegen setzen und mich selber und meine alte Frau dazu, das dächte","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"ich, wäre doch auch ein gehäuftes Maß!\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Topp! Angenommen!\" und die Wette war gemacht.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Der Wagen des Wirts fuhr vor, die Engländer stiegen ein, und der Bauersmann","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"stieg ein; vorwärts ging es, und bald hielten sie vor dem Häuschen des Bauern","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"an.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Guten Abend, Alte!\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Guten Abend, Alter!\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Der Tausch wäre gemacht!\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Ja, du verstehst schon deine Sache!\" sagte die Frau, umarmte ihn und beachtete","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"weder den Sack noch die fremden Gäste.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Ich habe eine Kuh für das Pferd eingetauscht.\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Gott sei Lob! Die schöne Milch, die wir nun haben werden, und Butter und Käse","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"auf dem Tisch! Das war ein herrlicher Tausch!\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Ja, aber die Kuh tauschte ich wieder gegen ein Schaf ein.\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Ach, das ist um so besser!\" erwiderte die Frau, \"du denkst immer an alles; für","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"ein Schaf haben wir gerade Grasweide genug; Schafsmilch, Schafskäse, wollene","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Strümpfe und wollene Jacken! Das gibt uns die Kuh nicht, sie verliert ja die","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Haare! Wie du doch alles bedenkst!\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Aber das Schaf habe ich wieder gegen eine Gans eingetauscht!\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Also dieses Jahr werden wir wirklich Gänsebraten haben, mein lieber Alter! Du","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"denkst immer daran, mir eine Freude zu machen. Wie herrlich ist das! Die Gans","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"kann man an einen Strick anbinden und sie noch fetter werden lassen, bevor wir","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"sie braten!\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Aber die Gans habe ich gegen ein Huhn eingetauscht!\" sagte der Mann.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Ein Huhn! Das war ein guter Tausch!\" entgegnete die Frau. \"Das Huhn legt Eier,","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"die brütet es aus, wir kriegen Küchlein, wir kriegen nun einen ganzen Hühnerhof!","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Ei, den habe ich mir gerade erst recht gewünscht!\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Ja! Aber das Huhn gab ich wieder für einen Sack voll verschrumpelter Äpfel","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"hin!\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Was? Nein, jetzt muß ich dich erst recht küssen!\" versetzte die Frau. \"Mein","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"liebes, gutes Männchen! Ich werde dir etwas erzählen. Siehst du, als du kaum","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"fort warst heute morgen, dachte ich darüber nach, wie ich dir heute abend einen","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"recht guten Bissen machen könnte. Speckeierkuchen mit Schnittlauch, dachte ich","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"dann. Die Eier hatte ich, den Speck auch, der Schnittlauch fehlte mir nur. So","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"ging ich denn hinüber zu Schulmeisters, die haben Schnittlauch, das weiß ich,","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"aber die Schulmeistersfrau ist geizig, so süß sie auch tut. Ich bat sie, mir","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"eine Handvoll Schnittlauch zu leihen. 'Leihen?' gab sie zur Antwort. 'Nichts,","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"gar nichts wächst in unserm Garten, nicht einmal ein verschrumpelter Apfel;","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"nicht einmal einen solchen kann ich dir leihen, liebe Frau!' Jetzt kann ich ihr","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"aber zehn, ja, einen ganzen Sack voll leihen. Das freut mich zu sehr, das ist","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"zum Totlachen!\" Und dabei küßte sie ihn, daß es schmatzte.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Das gefällt uns!\" riefen die Engländer wie aus einem Mund. \"Immer bergab und","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"immer lustig. Das ist schon das Geld wert!\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Und nun zahlten sie ein Schiffspfund Goldmünzen an den Bauersmann, der nicht","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"geknufft, sondern geküßt wurde.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Ja, das lohnt sich immer, wenn die Frau einsieht und auch immer sagt, daß der","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Mann der Klügste und sein Tun das Richtige ist.","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"Seht, das ist meine Geschichte. Ich habe sie schon als Kind gehört, und jetzt","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"hast du sie auch gehört und weißt, \"wie's der Alte macht, ist's immer richtig!\"","book":"Wie's der Alte macht, ist's immer richtig"} {"text":"\"Eine so wunderbare Kälte ist es, daß mir der ganze Körper knackt!\" sagte der","book":"Der Schneemann"} {"text":"Schneemann. \"Der Wind kann einem wirklich Leben einbeißen. Und wie die Glühende","book":"Der Schneemann"} {"text":"dort glotzt!\" Er meinte die Sonne, die gerade im Untergehen begriffen war. \"Mich","book":"Der Schneemann"} {"text":"soll sie nicht zum Blinzeln bringen, ich werden schon die Stückchen festhalten.\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"Er hatte nämlich statt der Augen zwei große, dreieckige Stückchen von einem","book":"Der Schneemann"} {"text":"Dachziegel im Kopf; sein Mund bestand aus einem alten Rechen, folglich hatte","book":"Der Schneemann"} {"text":"sein Mund auch Zähne.","book":"Der Schneemann"} {"text":"Geboren war er unter dem Jubelruf der Knaben, begrüßt vom Schellengeläut und","book":"Der Schneemann"} {"text":"Peitschenknall der Schlitten.","book":"Der Schneemann"} {"text":"Die Sonne ging unter, der Vollmond ging auf, rund, groß, klar und schön in der","book":"Der Schneemann"} {"text":"blauen Luft.","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Da ist sie wieder von einer anderen Seite!\" sagte der Schneemann. Damit wollte","book":"Der Schneemann"} {"text":"er sagen: die Sonne zeigt sich wieder. \"Ich habe ihr doch das Glotzen abgewöhnt!","book":"Der Schneemann"} {"text":"Mag sie jetzt dort hängen und leuchten, damit ich mich selber sehen kann. Wüßte","book":"Der Schneemann"} {"text":"ich nur, wie man es macht, um von der Stelle zu kommen! Ich möchte mich gar","book":"Der Schneemann"} {"text":"zu gern bewegen! Wenn ich es könnte, würde ich jetzt dort unten auf dem Eis","book":"Der Schneemann"} {"text":"hingleiten, wie ich die Knaben gleiten gesehen habe; allein ich verstehe mich","book":"Der Schneemann"} {"text":"nicht darauf, weiß nicht, wie man läuft.\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Weg! weg!\" bellte der alte Kettenhund; er war etwas heiser und konnte nicht","book":"Der Schneemann"} {"text":"mehr das echte \"Wau! wau!\" aussprechen; die Heiserkeit hatte er sich geholt,","book":"Der Schneemann"} {"text":"als er noch Stubenhund war und unter dem Ofen lag. \"Die Sonne wird dich schon","book":"Der Schneemann"} {"text":"laufen lehren! Das habe ich vorigen Winter an deinem Vorgänger und noch früher","book":"Der Schneemann"} {"text":"an dessen Vorgänger gesehen. Weg! weg! und weg sind sie alle!\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Ich verstehen dich nicht, Kamerad,\" sagte der Schneemann. \"Die dort oben soll","book":"Der Schneemann"} {"text":"mich laufen lehren?\" Er meinte den Mond; \"ja, laufen tat sie freilich vorhin,","book":"Der Schneemann"} {"text":"als ich sie fest ansah, jetzt schleicht sie heran von einer anderen Seite.\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Du weißt gar nichts!\" entgegnete der Kettenhund, \"du bist aber auch eben erst","book":"Der Schneemann"} {"text":"aufgekleckst worden. Der, den du da siehst, das ist der Mond; die, welche vorhin","book":"Der Schneemann"} {"text":"davongegangen ist, das war die Sonne; die kommt morgen wieder, die wird dich","book":"Der Schneemann"} {"text":"schon lehren, in den Wallgraben hinabzulaufen. Wir kriegen bald anderes Wetter,","book":"Der Schneemann"} {"text":"ich fühle es schon in meinem linken Hinterbein, es sticht und schmerzt; das","book":"Der Schneemann"} {"text":"Wetter wird sich ändern!\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Ich verstehe ihn nicht,\" sagte der Schneemann, \"aber ich habe es im Gefühl, daß","book":"Der Schneemann"} {"text":"es etwas Unangenehmes ist, was er spricht. Sie, die so glotzte und sich alsdann","book":"Der Schneemann"} {"text":"davonmachte, die Sonne, wie er sie nennt, ist auch nicht meine Freundin, das","book":"Der Schneemann"} {"text":"habe ich im Gefühl!\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Weg! weg!\" bellte der Kettenhund, ging dreimal um sich selbst herum und kroch","book":"Der Schneemann"} {"text":"dann in seine Hütte um zu schlafen.","book":"Der Schneemann"} {"text":"Das Wetter änderte sich wirklich. Gegen Morgen lag ein dicker, feuchter Nebel","book":"Der Schneemann"} {"text":"über der ganzen Gegend; später kam der Wind, ein eisiger Wind; das Frostwetter","book":"Der Schneemann"} {"text":"packte einen ordentlich, aber als die Sonne aufging, welche Pracht! Bäume und","book":"Der Schneemann"} {"text":"Büsche waren mit Reif überzogen, sie glichen einem ganzen Wald von Korallen,","book":"Der Schneemann"} {"text":"alle Zweige schienen mit strahlend weißem Blüten über und über besät. Die","book":"Der Schneemann"} {"text":"vielen und feinen Verästelungen, die der Blätterreichtum während der Sommerzeit","book":"Der Schneemann"} {"text":"verbirgt, kamen jetzt alle zum Vorschein. Es war wie ein Spitzengewebe, glänzend","book":"Der Schneemann"} {"text":"weiß, aus jedem Zweig strömte ein weißer Glanz. Die Hängebirke bewegte sich","book":"Der Schneemann"} {"text":"im Wind, sie hatte Leben wie alle Bäume im Sommer; es war wunderbar und schön!","book":"Der Schneemann"} {"text":"Und als die Sonne schien, nein, wie flimmerte und funkelte das Ganze, als läge","book":"Der Schneemann"} {"text":"Diamantenstaub auf allem und als flimmerten auf dem Schneeteppich des Erdbodens","book":"Der Schneemann"} {"text":"die großen Diamanten, oder man konnte sich auch vorstellen, daß unzählige kleine","book":"Der Schneemann"} {"text":"Lichter leuchteten, weißer selbst als der weiße Schnee.","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Das ist wunderbar schön!\" sagte ein junges Mädchen, das mit einem jungen","book":"Der Schneemann"} {"text":"Mann in den Garten trat. Beide blieben in der Nähe des Schneemanns stehen","book":"Der Schneemann"} {"text":"und betrachteten von hier aus die flimmernden Bäume. \"Einen schöneren Anblick","book":"Der Schneemann"} {"text":"gewährt der Sommer nicht!\" sprach sie, und ihre Augen strahlten.","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Und so einen Kerl wie diesen hier hat man im Sommer erst recht nicht,\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"erwiderte der junge Mann und zeigte auf den Schneemann. \"Er ist hübsch.\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"Das junge Mädchen lachte, nickte dem Schneemann zu und tanzte darauf mit ihrem","book":"Der Schneemann"} {"text":"Freund über den Schnee dahin, der unter ihren Schritten knarrte und pfiff, als","book":"Der Schneemann"} {"text":"gingen sie auf Stärkemehl.","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Wer waren die beiden?\" fragte der Schneemann.","book":"Der Schneemann"} {"text":"..","book":"Der Schneemann"} {"text":"..","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Liebesleute!\" Gab der Kettenhund zur Antwort. \"Sie werden in eine Hütte ziehen","book":"Der Schneemann"} {"text":"und zusammen am Knochen nagen. Weg! weg!\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Sind denn die beiden auch solche Wesen wie du und ich?\" fragte der Schneemann.","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Die gehören ja zur Herrschaft!\" versetzte der Kettenhund, \"freilich weiß man","book":"Der Schneemann"} {"text":"sehr wenig, wenn man den Tag zuvor erst zur Welt gekommen ist. Ich merke es dir","book":"Der Schneemann"} {"text":"an! Ich habe das Alter, auch die Kenntnisse; ich kenne alle hier im Haus, und","book":"Der Schneemann"} {"text":"auch eine Zeit habe ich gekannt, da lag ich nicht hier in der Kälte und an der","book":"Der Schneemann"} {"text":"Kette. Weg! weg!\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Die Kälte ist herrlich!\" sprach der Schneemann. \"Erzähle, erzähle! Aber du","book":"Der Schneemann"} {"text":"darfst nicht mit den Ketten rasseln; es knackt in mir, wenn du das tust.\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Weg! weg!\" bellte der Kettenhund. \"Ein kleiner Junge bin ich gewesen, klein und","book":"Der Schneemann"} {"text":"niedlich, sagte man; damals lag ich auf einem mit Sammet überzogenen Stuhl dort","book":"Der Schneemann"} {"text":"oben im Herrenhaus, im Schoß der obersten Herrschaft; mir wurde die Schnauze","book":"Der Schneemann"} {"text":"geküßt, und die Pfoten wurden mir mit einem gestickten Taschentuch abgewischt,","book":"Der Schneemann"} {"text":"ich hieß Ami! lieber Ami! süßer Ami! Aber später wurde ich ihnen dort oben zu","book":"Der Schneemann"} {"text":"groß, und sie schenkten mich der Haushälterin. Ich kam in die Kellerwohnung!","book":"Der Schneemann"} {"text":"Du kannst dorthin hinunterschauen, wo ich Herrschaft gewesen bin, denn das war","book":"Der Schneemann"} {"text":"ich bei der Haushälterin. Es war zwar ein geringerer Ort als oben, aber er war","book":"Der Schneemann"} {"text":"gemütlicher, ich wurde nicht in einem fort von Kindern angefaßt und gezerrt wie","book":"Der Schneemann"} {"text":"oben. Ich bekam ebenso gutes Futter wie früher, ja besseres noch! Ich hatte mein","book":"Der Schneemann"} {"text":"eigenes Kissen, und ein Ofen war da, der ist um diese Zeit das Schönste von der","book":"Der Schneemann"} {"text":"Welt! Ich ging unter den Ofen, konnte mich darunter ganz verkriechen. Ach, von","book":"Der Schneemann"} {"text":"ihm träume ich noch. Weg! weg!\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Sieht denn ein Ofen so schön aus?\" fragte der Schneemann. \"Hat er Ähnlichkeit","book":"Der Schneemann"} {"text":"mit mir?\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Der ist gerade das Gegenteil von dir! Rabenschwarz ist er, hat einen langen","book":"Der Schneemann"} {"text":"Hals mit Messingtrommel. Er frißt Brennholz, daß ihm das Feuer auf dem Munde","book":"Der Schneemann"} {"text":"sprüht. Man muß sich an der Seite von ihm halten, dicht daneben, ganz unter ihm,","book":"Der Schneemann"} {"text":"da ist es sehr angenehm. Durch das Fenster wirst du ihn sehen könne, von dort","book":"Der Schneemann"} {"text":"aus, wo du stehst.\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"Und der Schneemann schaute danach und gewahrte einen blank polierten Gegenstand","book":"Der Schneemann"} {"text":"mit messingner Trommel; das Feuer leuchtete von unten heraus. Dem Schneemann","book":"Der Schneemann"} {"text":"wurde ganz wunderlich zumute, es überkam ihn ein Gefühl, er wußte selber nicht","book":"Der Schneemann"} {"text":"welches, er konnte sich keine Rechenschaft darüber ablegen; aber alle Menschen,","book":"Der Schneemann"} {"text":"wenn sie nicht Schneemänner sind, kennen es.","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Und warum verließest du sie?\" fragte der Schneemann. Er hatte es im Gefühl,","book":"Der Schneemann"} {"text":"daß es ein weibliches Wesen sein mußte. \"Wie konntest du nur einen solchen Ort","book":"Der Schneemann"} {"text":"verlassen?\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Ich mußte wohl!\" sagte der Kettenhund. \"Man warf mich zur Tür hinaus und legte","book":"Der Schneemann"} {"text":"mich hier an die Kette. Ich hatte den jüngsten Junker ins Bein gebissen, weil","book":"Der Schneemann"} {"text":"er mir den Knochen wegstieß, an dem ich nagte: Knochen um Knochen, so denke ich!","book":"Der Schneemann"} {"text":"Das nahm man mir aber sehr übel, und von dieser Zeit an bin ich an die Kette","book":"Der Schneemann"} {"text":"gelegt worden und habe meine Stimme verloren, hörst du nicht, daß ich heißer","book":"Der Schneemann"} {"text":"bin? Ich kann nicht mehr so sprechen wie die anderen Hunde: weg! weg! Das war","book":"Der Schneemann"} {"text":"das Ende vom Lied!\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"Der Schneemann hörte ihm aber nicht mehr zu, er schaute immerfort in die","book":"Der Schneemann"} {"text":"Kellerwohnung der Haushälterin, in ihre Stube hinein, wo der Ofen auf","book":"Der Schneemann"} {"text":"seinen vier eisernen Beinen stand und sich in derselben Größe zeigte wie der","book":"Der Schneemann"} {"text":"Schneemann.","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Wie das sonderbar in mir knackt!\" sagte er. \"Werde ich nie dort hineinkommen?","book":"Der Schneemann"} {"text":"Es ist doch ein unschuldiger Wunsch, und unsere unschuldigen Wünsche werden","book":"Der Schneemann"} {"text":"gewiß in Erfüllung gehen. Ich muß dort hinein, ich muß mich an sie anlehnen, und","book":"Der Schneemann"} {"text":"wollte ich auch das Fenster eindrücken!\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Dort hinein wirst du nie gelangen!\" sagte der Kettenhund, \"und kommst du an den","book":"Der Schneemann"} {"text":"Ofen hin, so bist du weg! weg!\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Ich bin schon so gut wie weg!\" erwiderte der Schneemann, \"ich breche zusammen,","book":"Der Schneemann"} {"text":"glaube ich.\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"Den ganzen Tag stand der Schneemann und schaute durchs Fenster hinein; in der","book":"Der Schneemann"} {"text":"Dämmerstunde wurde die Stube noch einladender; vom Ofen her leuchtete es mild,","book":"Der Schneemann"} {"text":"gar nicht wie der Mond, nicht wie die Sonne; nein, wie nur der Ofen leuchten","book":"Der Schneemann"} {"text":"kann, wenn er etwas zu verspeisen hat. Wenn die Stubentür aufging, hing ihm die","book":"Der Schneemann"} {"text":"Flamme zum Munde heraus, diese Gewohnheit hatte der Ofen; es flammte deutlich","book":"Der Schneemann"} {"text":"rot auf um das weiße Gesicht des Schneemannes, es leuchtete rot seine ganze","book":"Der Schneemann"} {"text":"Brust herauf.","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Ich halte es nicht mehr aus!\" sagte er. \"Wie schön es ihr steht, die Zunge so","book":"Der Schneemann"} {"text":"herauszustrecken!\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"Die Nacht war lang, dem Schneemann ward sie aber nicht lang, er stand in seine","book":"Der Schneemann"} {"text":"eigenen schönen Gedanken vertieft, und die froren, daß es knackte.","book":"Der Schneemann"} {"text":"Am Morgen waren die Fensterscheiben der Kellerwohnung mit Eis bedeckt; sie","book":"Der Schneemann"} {"text":"trugen die schönsten Eisblumen, die nur ein Schneemann verlangen konnte,","book":"Der Schneemann"} {"text":"allein sie verbargen den Ofen. Die Fensterscheiben wollten nicht auftauen; er","book":"Der Schneemann"} {"text":"konnte den Ofen nicht sehen, den er sich als ein so liebliches weibliches Wesen","book":"Der Schneemann"} {"text":"dachte. Es knackte und knickte in ihm und rings um ihn her; es war gerade so ein","book":"Der Schneemann"} {"text":"Frostwetter, an dem ein Schneemann seine Freude haben mußte. Er aber freute sich","book":"Der Schneemann"} {"text":"nicht – wie hätte er sich auch glücklich fühlen können, er hatte Ofensehnsucht.","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Das ist eine schlimme Krankheit für einen Schneemann,\" sagte der Kettenhund,","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"ich habe an der Krankheit gelitten; aber ich habe sie überstanden. Weg! weg!\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"bellte er. \"Wir werden anderes Wetter bekommen!\" fügte er hinzu.","book":"Der Schneemann"} {"text":"Und das Wetter änderte sich; es wurde Tauwetter.","book":"Der Schneemann"} {"text":"Das Tauwetter nahm zu, der Schneemann nahm ab. Er sagte nichts, er klagte nicht,","book":"Der Schneemann"} {"text":"und das ist das richtige Zeichen.","book":"Der Schneemann"} {"text":"Eines Morgens brach er zusammen. Und sieh, es ragte so etwas wie ein Besenstiel","book":"Der Schneemann"} {"text":"da, wo er gestanden hatte, empor. Um den Stiel herum hatten die Knaben ihn","book":"Der Schneemann"} {"text":"aufgebaut.","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Ja, jetzt begreife ich es, jetzt verstehe ich es, daß er die große Sehnsucht","book":"Der Schneemann"} {"text":"hatte!\" sagte der Kettenhund. \"Da ist ja ein Eisen zum Ofenreinigen an dem","book":"Der Schneemann"} {"text":"Stiel, der Schneemann hat einen Ofenkratzer im Leib gehabt! Das ist es, was sich","book":"Der Schneemann"} {"text":"in ihm geregt hat, jetzt ist das überstanden; weg! weg!\"","book":"Der Schneemann"} {"text":"Und bald darauf war auch der Winter überstanden.","book":"Der Schneemann"} {"text":"\"Weg! weg!\" bellte der heisere Kettenhund; aber die Mädchen aus dem Hause","book":"Der Schneemann"} {"text":"sangen:","book":"Der Schneemann"} {"text":"Waldmeister grün! Hervor aus dem Haus,","book":"Der Schneemann"} {"text":"Weide! Die wollenen Handschuhe aus;","book":"Der Schneemann"} {"text":"Lerche und Kuckuck! Singt fröhlich drein,","book":"Der Schneemann"} {"text":"Frühling im Februar wird es sein!","book":"Der Schneemann"} {"text":"Ich singe mit: Kuckuck! Kiwitt!","book":"Der Schneemann"} {"text":"Komm, liebe Sonne, komm oft – kiwitt!","book":"Der Schneemann"} {"text":"Und dann denkt niemand an den Schneemann.","book":"Der Schneemann"} {"text":"Es kam eine Ente aus Portugal, einige sagten, aus Spanien, doch das bleibt sich","book":"Im Entenhof"} {"text":"gleich; genug, sie wurde die Portugiesin genannt, legte Eier, wurde geschlachtet","book":"Im Entenhof"} {"text":"und angerichtet – das war ihr Lebenslauf. Alle Enten, die aus ihren Eiern","book":"Im Entenhof"} {"text":"auskrochen, wurden später auch Portugiesin genannt, und das wollte schon etwas","book":"Im Entenhof"} {"text":"heißen. Jetzt war von der ganzen Familie nur noch eine im Entenhof, einem","book":"Im Entenhof"} {"text":"Hof, zu dem auch die Hühner Zutritt haben und in dem der Hahn mit viel Hochmut","book":"Im Entenhof"} {"text":"auftrat.","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Er ärgert mich durch sein lautes Krähen,\" sagte die Portugiesin. \"Aber bübisch","book":"Im Entenhof"} {"text":"ist er, das ist nicht zu leugnen, wenn er auch kein Enterich ist. Er sollte","book":"Im Entenhof"} {"text":"sich mäßigen, aber das ist eine Kunst, die von höherer Bildung zeugt, die haben","book":"Im Entenhof"} {"text":"bloß die kleinen Singvögel, drüben im Nachbargarten, in den Linden. Wie lieblich","book":"Im Entenhof"} {"text":"sie singen! Es liegt so etwas Rührendes in ihrem Gesang, ich nenne es Portugal!","book":"Im Entenhof"} {"text":"Hätte ich nur solch einen kleinen Singvogel, ich würde ihm eine Muter sein, lieb","book":"Im Entenhof"} {"text":"und gut, das liegt mir im Blut, in meinem portugiesischen Blut!\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"Und während sie noch so sprach, kam ein kleiner Singvogel kopfüber vom Dach","book":"Im Entenhof"} {"text":"herab in den Hof. Der Kater war hinter ihm her, aber der Vogel kam dessen","book":"Im Entenhof"} {"text":"ungeachtet mit einem gebrochenen Flügel davon, deshalb fiel er in den Entehof.","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Das sieht dem Kater ähnlich, er ist ein Bösewicht!\" sagte die Portugiesin; \"ich","book":"Im Entenhof"} {"text":"kenne ihn noch von der Zeit her, wo ich Kinder hatte. Daß so ein Wesen leben und","book":"Im Entenhof"} {"text":"auf den Dächern umhergehen darf! Ich glaube nicht, daß dies in Portugal der Fall","book":"Im Entenhof"} {"text":"ist!\" Und sie bemitleidete den kleinen Singvogel, und die anderen Enten, die","book":"Im Entenhof"} {"text":"nicht portugiesischer Abkunft waren, bemitleideten ihn auch.","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Das kleine Tierchen!\" sagten sie, während eine nach der andern herankam. \"Wir","book":"Im Entenhof"} {"text":"können zwar nicht singen,\" sprachen sie, \"aber wir haben den Resonanzboden, oder","book":"Im Entenhof"} {"text":"so etwas, innerlich, das fühlen wir, wenn wir auch nicht davon sprechen!\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Ich aber werde davon sprechen!\" sagte die Portugiesin, \"und ich will etwas für","book":"Im Entenhof"} {"text":"die Kleine tun, das ist Pflicht!\" und sie trat in den Wassertrog und schlug mit","book":"Im Entenhof"} {"text":"den Flügeln so in das Wasser, daß der kleine Singvogel in dem Bad, das er bekam,","book":"Im Entenhof"} {"text":"fast ertrank; aber es war gut gemeint. \"Das ist eine gute Tat,\" sprach sie; \"Die","book":"Im Entenhof"} {"text":"andern sollten sich ein Beispiel daran nehmen!\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Piep!\" sagte der kleine Vogel, dem einer seiner Flügel gebrochen war und dem es","book":"Im Entenhof"} {"text":"schwer wurde, sich zu schütteln; aber er begriff sehr gut das wohlgemeinte Bad.","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Sie sind herzensgut, Madame!\" sagte er, aber es verlange ihm nicht nach einem","book":"Im Entenhof"} {"text":"zweiten Bade.","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Ich habe nie über mein Herz nachgedacht\"; fuhr die Portugiesin fort, \"aber das","book":"Im Entenhof"} {"text":"eine weiß ich, daß ich alle meine Mitgeschöpfe liebe; nur nicht den Kater, das","book":"Im Entenhof"} {"text":"kann aber auch niemand von mir verlangen. Er hat zwei der meinigen gefressen;","book":"Im Entenhof"} {"text":"doch tun Sie so, als seien Sie zu Hause, das kann man schon. Ich selber bin auch","book":"Im Entenhof"} {"text":"aus einer fremden Gegend, wie Sie schon aus meiner Haltung und meinem Federkleid","book":"Im Entenhof"} {"text":"ersehen werden; mein Enterich dagegen ist ein Eingeborener, er ist nicht von","book":"Im Entenhof"} {"text":"meinem Geblüt, aber ich bin nicht hochmütig! Versteht Sie jemand hier im Hof, so","book":"Im Entenhof"} {"text":"darf ich wohl sagen, daß ich es bin!\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Sie hat Portulak im Magen!\" sagte ein kleines, gewöhnliches Entlein, das","book":"Im Entenhof"} {"text":"witzig war, und alle die andern gewöhnlichen Enten fanden das Wort Portulak","book":"Im Entenhof"} {"text":"ganz ausgezeichnet: es klang wie Portugal, und sie stießen sich an und sagen","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Rapp\" Es war zu witzig! Und alle anderen Enten gaben sich dann mit dem kleinen","book":"Im Entenhof"} {"text":"Singvogel ab.","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Die Portugiesin hat zwar die Sprache mehr in ihrer Gewalt,\" äußerten sie. \"Was","book":"Im Entenhof"} {"text":"uns aber anbelangt, wir brüsten uns nicht so mit großen Worten im Schnabel;","book":"Im Entenhof"} {"text":"unsere Teilnahme jedoch ist ebenso groß. Tun wir nichts für Sie, so gehen wir","book":"Im Entenhof"} {"text":"still mit umher; und das finden wir am schönsten!\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Sie haben eine liebliche Stimme!\" sagte eine der ältesten. \"Es muß ein schönes","book":"Im Entenhof"} {"text":"Bewußtsein sein, so vielen Freude zu bereiten, wie Sie dieses zu tun vermögen.","book":"Im Entenhof"} {"text":"Ich verstehe mich freilich auf Ihren Gesang nicht, deshalb halte ich auch den","book":"Im Entenhof"} {"text":"Schnabel, und dies ist immer besser, als ihnen etwas Dummes zu sagen, wie dies","book":"Im Entenhof"} {"text":"gar viele andere tun!\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Quäle ihn nicht so,\" sagte die Portugiesin, \"er bedarf der Ruhe und Pflege.","book":"Im Entenhof"} {"text":"Wünschen Sie, mein kleiner Singvogel, daß ich Ihnen wieder ein Bad bereite?\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Ach nein, lassen sie mich trocken bleiben!\" bat er.","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Die Wasserkur ist die einzige, die mir hilft, wenn mir etwas fehlt,\" antwortete","book":"Im Entenhof"} {"text":"die Portugiesin. \"Zerstreuung ist auch etwas Gutes! Jetzt werden bald die","book":"Im Entenhof"} {"text":"Nachbarhühner ankommen und Visite machen, unter ihnen befinden sich auch zwei","book":"Im Entenhof"} {"text":"Chinesinnen; diese haben Höschen an, besitzen viel Bildung und sind importiert;","book":"Im Entenhof"} {"text":"deshalb stehen sie höher in meiner Achtung als die anderen.\" Und die Hühner","book":"Im Entenhof"} {"text":"kamen, und der Hahn kam; er war heute so höflich, daß er nicht grob war.","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Sie sind ein wirklicher Singvogel,\" sprach er, \"und Sie machen aus Ihrer","book":"Im Entenhof"} {"text":"kleinen Stimme alles, was aus so einer kleinen Stimme zu machen ist. Aber etwas","book":"Im Entenhof"} {"text":"mehr Lokomotive muß man haben, damit jeder hört,daß man männlichen Geschlechts","book":"Im Entenhof"} {"text":"ist.\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"Die zwei Chinesinnen standen ganz entzückt da beim Anblick des Singvogels;","book":"Im Entenhof"} {"text":"er sah recht struppig aus von dem Bad, das er bekommen hatte, so daß es ihnen","book":"Im Entenhof"} {"text":"schien, er sehe fast wie ein chinesisches Küchlein aus. \"Er ist reizend!\" sagten","book":"Im Entenhof"} {"text":"sie, ließen sich mit ihm in ein Gespräch ein und sprachen nur flüsternd und mit","book":"Im Entenhof"} {"text":"Pa-Lauten, d. h. in vornehmem Chinesisch, mit ihn.","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Wir sind von Ihrer Art,\" führen sie fort. \"Die Enten, selbst die Portugiesin,","book":"Im Entenhof"} {"text":"sind Schwimmvögel, wie Sie wohl bemerkt haben werden. Uns kennen Sie noch","book":"Im Entenhof"} {"text":"nicht; nur wenige kennen uns oder geben sich die Mühe, uns kennenzulernen;","book":"Im Entenhof"} {"text":"selbst von den Hühnern niemand, obwohl wir dazu geboren sind, auf einer höheren","book":"Im Entenhof"} {"text":"Sprosse zu sitzen als die meisten anderen; das kümmert uns aber nicht; wir","book":"Im Entenhof"} {"text":"gehen ruhig unseres Weges inmitten der anderen, deren Grundsätze nicht die","book":"Im Entenhof"} {"text":"unseren sind, denn wir beachten nur die guten Sitten und sprechen nur von dem","book":"Im Entenhof"} {"text":"Guten, obwohl es schwierig ist, da etwas zu finden, wo nichts ist. Außer uns","book":"Im Entenhof"} {"text":"beiden und dem Hahn gibt es im ganzen Hühnerhof niemanden, der talentvoll und","book":"Im Entenhof"} {"text":"zugleich honett ist! Das kann nicht einmal von den Bewohnern des Entenhofs","book":"Im Entenhof"} {"text":"gesagt werden. – Wir warnen Sie, kleiner Singvogel! Trauen Sie nicht der da mit","book":"Im Entenhof"} {"text":"den kurzen Schwanzfedern; sie ist hinterlistig. Die Bunte da, mit der schiefen","book":"Im Entenhof"} {"text":"Zeichnung auf den Flügeln, ist streitsüchtig und läßt keinem das letzte Wort,","book":"Im Entenhof"} {"text":"und obendrein hat sie noch immer unrecht. Die fette Ente dort spricht Böses über","book":"Im Entenhof"} {"text":"alle; dies ist unserer Natur zuwider; kann man nicht Gutes sprechen, so muß man","book":"Im Entenhof"} {"text":"den Schnabel halten. Die Portugiesin ist die einzige, die ein wenig Bildung hat","book":"Im Entenhof"} {"text":"und mit der man Umgang pflegen kann; aber sie ist leidenschaftlich und spricht","book":"Im Entenhof"} {"text":"zu viel von Portugal!\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Was die beiden Chinesinnen nur immer zu flüstern haben!\" flüsterte sich ein","book":"Im Entenhof"} {"text":"Entenpaar zu, \"mich langweilen sie, wir haben nie mit ihnen gesprochen.\" Jetzt","book":"Im Entenhof"} {"text":"kam der Enterich herbei. Er glaubte, der Singvogel sei ein Spatz. \"Ja ich kenne","book":"Im Entenhof"} {"text":"den Unterschied nicht,\" sagte er, \"und das ist auch einerlei! Er gehört zu den","book":"Im Entenhof"} {"text":"Spielwerken, und hat man sie, so hat man sie!\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Legen Sie nur kein Gewicht auf das, was er sagt,\" flüsterte die Portugiesin,","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"er ist in Geschäftssachen sehr respektabel, und Geschäfte gehen ihm über alles.","book":"Im Entenhof"} {"text":"Aber jetzt lege ich mich zur Ruhe! Das ist man sich selber schuldig, damit man","book":"Im Entenhof"} {"text":"hübsch fett wird, wenn man mit Äpfeln und Pflaumen balsamiert werden soll.\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"Und sie legte sich nun in die Sonne und blinzelte mit einem Auge; sie lag sehr","book":"Im Entenhof"} {"text":"gut, war auch sehr gut und schließ außerdem sehr gut.","book":"Im Entenhof"} {"text":"Der kleine Singvogel machte sich an seinem gebrochenen Flügel zu schaffen,","book":"Im Entenhof"} {"text":"endlich legte er sich auch hin und drückte sich eng an seine Beschützerin; die","book":"Im Entenhof"} {"text":"Sonne schien warm und herrlich, er hatte einen recht guten Ort gefunden.","book":"Im Entenhof"} {"text":"Die Nachbarhühner dagegen waren wach, sie liefen umher und kratzten den Boden","book":"Im Entenhof"} {"text":"auf; im Grunde genommen hatten sie den Besuch einzig und allein nur gemacht, um","book":"Im Entenhof"} {"text":"Nahrung zu sich zu nehmen. Die Chinesinnen waren die ersten, die den Entenhof","book":"Im Entenhof"} {"text":"verließen, die anderen Hühner folgten ihnen bald darauf. Das witzige Entlein","book":"Im Entenhof"} {"text":"sagte von der Portugiesin, die Alte werde nun bald \"entenkindisch.\" Die anderen","book":"Im Entenhof"} {"text":"Enten lachten darüber, daß es nur so schnatterte. \"Entenkindisch!\" flüsterten","book":"Im Entenhof"} {"text":"sie, \"das ist zu witzig!\" Und sie wiederholten nun auch den ersten Witz:","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Portulak!\" Das war zu amüsant, meinten sie, dann legten sie sich nieder.","book":"Im Entenhof"} {"text":"Als sie eine Weile gelegen hatte, wurde plötzlich etwas zum Schnabulieren","book":"Im Entenhof"} {"text":"in den Entenhof geworfen; es kam mit einem solchen Klatsch herab, daß die","book":"Im Entenhof"} {"text":"ganze Besatzung aus dem Schlaf auffuhr und mit den Flügeln schlug; auch die","book":"Im Entenhof"} {"text":"Portugiesin erwachte, wälzte sich auf die andere Seite und quetschte dabei den","book":"Im Entenhof"} {"text":"kleinen Singvogel sehr unsanft.","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Piep,\" sagte er. \"Sie traten sehr hart auf, Madame!\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Ja, warum liegen Sie mir auch im Weg!\" rief sie. \"Sie dürfen nicht so","book":"Im Entenhof"} {"text":"empfindlich sein! Ich habe auch Nerven, aber ich habe noch niemals Piep","book":"Im Entenhof"} {"text":"gesagt!\" - \"Seien Sie nicht böse!\" sagte der kleine Vogel, \" das Piep fuhr mir","book":"Im Entenhof"} {"text":"unwillkürlich aus dem Schnabel.\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"Die Portugiesin hörte nicht darauf, sondern führ schnell in das Fressen und","book":"Im Entenhof"} {"text":"hielt eine gute Mahlzeit. Als diese zu Ende war und sie sich wieder hinlegte,","book":"Im Entenhof"} {"text":"nahte sich ihr der kleine Singvogel und wollte liebenswürdig sein:","book":"Im Entenhof"} {"text":"Tilleleleit! Von Herzen dein","book":"Im Entenhof"} {"text":"will ich singen fein,","book":"Im Entenhof"} {"text":"fliegen so weit, weit, weit!","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Jetzt will ich nach dem Essen ruhen!\" sprach die Portugiesin. \"Sie müssen hier","book":"Im Entenhof"} {"text":"auf die Sitten des Hauses achten. Jetzt will ich schlafen!\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"Der kleine Singvogel war ganz verdutzt, denn er hatte es gut gemeint. Als die","book":"Im Entenhof"} {"text":"Madame später erwachte, stand er vor ihr mit einem Körnchen, das er gefunden","book":"Im Entenhof"} {"text":"hatte; er legte es ihr zu Fußen; da sie aber nicht gut geschlafen hatte, war sie","book":"Im Entenhof"} {"text":"natürlich sehr schlechter Laune.","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Geben Sie das einem Küken!\" sagte sie; \"Stehen Sie mir überhaupt hier nicht","book":"Im Entenhof"} {"text":"immer im Weg!\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Warum zürnen Sie mir?\" antwortete das Vöglein. \"Was habe ich gemacht?\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Gemacht?\" fragte die Portugiesin, \"dieser Ausdruck ist nicht gerade fein,","book":"Im Entenhof"} {"text":"darauf möchte ich Ihre Aufmerksamkeit lenken!\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Gerstern war hier Sonnenschein,\" sagte der kleine Vogel, \"heute ist hier trübe","book":"Im Entenhof"} {"text":"und dicke Luft.\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Sie wissen wohl wenig Bescheid mit der Zeitrechnung,\" entgegnete die","book":"Im Entenhof"} {"text":"Portugiesin, \"der Tag ist noch nicht zu Ende; stehen Sie nicht so dumm da!\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Aber Sie sehen mich gerade so an wie die bösen Augen, als ich hier in den Hof","book":"Im Entenhof"} {"text":"herabfiel.\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Unverschämter!\" sagte die Portugiesin; \"vergleichen Sie mich mit dem Kater, dem","book":"Im Entenhof"} {"text":"Raubtier? Kein falscher Blutstropfen ist in mir; ich habe mich Ihrer angenommen","book":"Im Entenhof"} {"text":"und werde Ihnen gute Manieren beibringen!\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"Und sofort biß sie dem Singvogel den Kopf ab; tot lag er da.","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Was ist nun das wieder?\" sagte sie, \"das konnte er nicht vertragen! Ja, dann","book":"Im Entenhof"} {"text":"war er freilich auch nicht für diese Welt geschaffen. Ich bin ihm eine Mutter","book":"Im Entenhof"} {"text":"gewesen, das weiß ich, denn ein Herz habe ich.\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"Da steckte des Nachbars Hahn seinen Kopf in den Hof hinein und krähte mit","book":"Im Entenhof"} {"text":"Lokomotivkraft.","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Sie bringen mich um mit Ihrem Krähen!\" rief sie. \"Sie haben Schuld an allem; er","book":"Im Entenhof"} {"text":"hat den Kopf verloren, und ich bin nahe daran, ihn auch zu verlieren.\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Da wo er hinfiel, liegt nicht viel!,\" sagte der Hahn.","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Sprechen Sie mit Achtung von ihm!\" erwiderte die Portugiesin, \"er hatte Ton,","book":"Im Entenhof"} {"text":"Gesang und hohe Bildung: Liebevoll war er und weich, und das schickt sich sowohl","book":"Im Entenhof"} {"text":"für die Tiere wie für die sogenannten Menschen.\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"Und alle Enten drängten sich um den kleinen toten Singvogel. Die Enten haben","book":"Im Entenhof"} {"text":"starke Passionen, mögen sie nun Neid oder Mitleid fühlen, und da hier nun","book":"Im Entenhof"} {"text":"nichts zu beneiden war, so kam das Mitleid zum Vorschein, selbst bei den beiden","book":"Im Entenhof"} {"text":"Chinesinnen.","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Einen solchen Singvogel werden wir nimmer wieder bekommen; er war fast ein","book":"Im Entenhof"} {"text":"Chinese,\" flüsterte sie, und dabei weinten sie, daß es gluckste, und alle Hühner","book":"Im Entenhof"} {"text":"glucksten, aber die Enten gingen mit roten Augen umher.","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Herz haben wir!\" sagten sie, \"das kann uns niemand absprechen.\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Herz!\" wiederholte die Portugiesin, \"ja, das haben wir beinahe ebensoviel wie","book":"Im Entenhof"} {"text":"in Portugal!\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"Denken wir jetzt daran, etwas in den Magen zu bekommen!\" sagte der Enterich,","book":"Im Entenhof"} {"text":"\"das ist das Wichtigste! Wenn auch eins von den Spielwerken entzwei geht, wir","book":"Im Entenhof"} {"text":"haben genug dergleichen!\"","book":"Im Entenhof"} {"text":"I. Klein-Rudi","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Laßt uns die Schweiz besuchen, laßt uns in dem herrlichen Berglande umsehen,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wo die Wälder die steilen Felsenwände hinaufwachsen; laßt uns die blendenden","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schneegefilde emporsteigen und wieder in die grünen Wiesen hinabgehen, wo","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Flüsse und Bäche dahinbrausen, als befürchteten sie, das Meer nicht früh genug","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"erreichen und verschwinden zu können. Die Sonne brennt in dem tiefen Tale; sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"brennt auch auf die schweren Schneemassen, so daß sie im Laufe der Jahre zu","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"schimmernden Eisblöcken zusammenschmelzen und rollende Lawinen, aufgetürmte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gletscher werden. Zwei solcher Gletscher liegen in den breiten Felsenklüften","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"unterhalb des Schreckhorns und des Wetterhorns bei dem kleinen Bergstädtchen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Grindelwald. Sie gehören zu den merkwürdigsten und ziehen deshalb während der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Sommerzeit viele Fremde aus allen Ländern der Welt herbei. Sie kommen über","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die hohen schneebedeckten Berge; sie kommen aus den tiefen Tälern und müssen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"dann stundenlang steigen, und während sie steigen, senkt sich das Tal tiefer","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und tiefer, sie sehen tief hinein, als schauten sie aus einen Luftballon. Oben","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hängen oft die Wolken wie dicke, schwere Vorhänge um die Berggipfel, während","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"unten im Tale, wo die vielen braunen hölzernen Häuser verstreut liegen, noch","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ein Sonnenstrahl glänzt und ein grünes Plätzchen wie durchsichtig hervortaucht.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Das Wasser braust, rauscht und gießt herab; das Wasser rieselt und plätschert","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hernieder; es sieht aus, als ob silberne Bänder von den Felsen hinabflatterten.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Auf beiden Seiten des Weges liegen Balkenhäuser; jedes Haus hat seinen kleinen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Kartoffelacker, und der ist ein Bedürfnis; denn hinter der Tür gibt es viele","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Münder, gibt es einen Reichtum an Kindern, denen allen es vortrefflich schmeckt.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Aus allen Häusern wimmeln sie hervor, drängen sie sich um die Reisenden, ob sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nun zu Fuß oder zu Wagen kommen. Ganze Kinderscharen treiben Handel; die kleinen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"bieten niedlich ausgeschnitzte Häuschen feil, wie man sie hier im Gebirge gebaut","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"findet. Mag es nun Regen oder Sonnenschein sein, das Kindergewimmel kommt mit","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"seinen Waren zum Vorschein.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Vor etwa 30 Jahren stand hier bisweilen, aber stets von den anderen Kindern","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"getrennt, ein kleiner Knabe, der auch Waren zum Verkauf bei sich hatte. Er stand","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"mit einem so ernsten Antlitz da und hielt mit beiden Händen seine Holzschachtel","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"so fest umklammert, als wollte er sie doch nicht loslassen. Aber gerade dieser","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Ernst und die Kleinheit des Bürschchens waren die Ursache, daß er oftmals","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"bemerkt, ja, angerufen wurde und nicht selten den besten Handel machte, er wußte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"selbst nicht weshalb. Höher hinauf wohnte sein Großvater mütterlicherseits,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der die feinen niedlichen Häuser schnitzte; und in der Stube stand ein alter","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schrank, vollgestopft von allerlei Schnitzwerk. Da gab es Nußknacker, Messer,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gabeln und Kästchen mit schönem Laubwerk und springenden Gemsen; da gab","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"es alles, was Kinderaugen erfreuen konnte; aber der Kleine, Rudi hieß er,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"betrachtete mit größerer Lust und Sehnsucht das alte Gewehr unter dem Balken,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"das er einmal, wie Großvater gesagt hatte, bekommen sollte, aber er müßte erst","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"groß und stark genug werden, um es meistern zu können.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"So klein der Knabe war, wurde ihm doch schon das Hüten der Ziegen anvertraut","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und, wenn es zu den Vorzügen eines guten Ziegenhirten gehört, mit seinen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Untergebenen um die Wette klettern zu können, ja dann war Rudi ein guter Hirt.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Er kletterte sogar noch höher als sie; die Vogelnester im Gipfel hoher Bäume","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"auszunehmen, war seine Lust. Keck und verwegen war er, aber lächeln sah man","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ihn nur, wenn er im brausenden Wasserfalle stand oder eine Lawine rollen hörte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Nie spielte er mit den anderen Kindern: er kam nur mit ihnen zusammen, wenn ihn","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sein Großvater zum Verkauf hinabsandte, und daran war Rudi nicht viel gelegen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Er zog es vor, sich allein auf den Bergen umherzutummeln oder beim Großvater","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zu sitzen und auf seine Erzählungen aus alter Zeit und über den Volksstamm zu","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"lauschen, der in seiner alten Heimat Meiringen ansässig war. Der Stamm gehörte,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wie man sich erzählte, nicht zu den Ureinwohnern, sondern war erst in späterer","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Zeit eingewandert. Hoch oben vom Norden war er herabgekommen, wo die Schweden","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wohnten. Es gehört schon immer eine gewisse Klugheit dazu, das zu wissen, und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi wußte es; aber eine noch ungleich größere Klugheit verdankte er einem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"anderen guten Umgange, und zwar mit den Hausbewohnern aus der Tierwelt. Sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"teilten das Häuschen mit einem großen Hunde, Ajola, den Rudis Vater hinterlassen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hatte, und mit einem Kater. Besonders dieser Kater hatte für Rudi große","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Bedeutung gewonnen, denn er hatte ihm das Klettern beigebracht.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Komm mit auf das Dach hinaus!\" hatte der Kater völlig deutlich und verständlich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"gesagt; denn wenn man ein Kind ist und noch nicht sprechen kann, versteht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"man Hühner und Enten, Katzen und Hunde ganz vortrefflich; sie sprechen ebenso","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"verständlich wie Vater und Mutter, nur muß man recht klein sein. Selbst","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Großvaters Stock kann dann wiehern, kann sich in ein Pferd mit Kopf, Beinen und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schwanz verwandeln. Bei einigen Kindern verliert sich dieses Verständnis später","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"als bei anderen, und von diesen sagt man, daß sie weit zurück sind, daß sie sich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sehr spät entwickeln. Man sagt ja so viel!","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Komm mit, Rudichen, komm mit hinaus aufs Dach!\" war mit das erste, was der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Kater sagte, und Rudi verstand. \"Das Hinunterfallen kommt nur in der Einbildung","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"vor. Man fällt nicht, wenn man sich davor nicht fürchtet.. Komm, setz Dein eines","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Pfötchen so, das andere so! Setze die Vorderpfötchen voreinander! Habe Augen im","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Kopf und sei gewandt! Ist eine Spalte da, so spring hinüber und halte Dich fest,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ich mache es auch so!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und Rudi machte es gleichfalls so. Deshalb saß er so oft bei ihm auf dem Dache,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"saß mit ihm in den Baumgipfeln, ja hoch oben auf den Felsenrändern, wohin der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Kater nicht kam.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Höher, höher!\" sagten Bäume und Büsche. \"Siehst Du, wie wir hinaufklettern,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wie hoch wir gelangen, wie fest wir uns selbst auf den äußersten schmalen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Felsenspitzen halten!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und Rudi kletterte den Berg hinauf, oft ehe die ersten Sonnenstrahlen auf ihn","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"fielen, und dort bekam er seinen Morgentrunk, die frische stärkende Bergluft,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"den Trunk, den nur Gott bereiten kann. Die Menschen lesen sein Rezept und darauf","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"steht geschrieben: der frische Duft der Gebirgskräuter und der Krauseminze und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"des Thymians im Tale. Alles, was schwer ist, saugen die hängenden Wolken in sich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und strömen es dann auf die Nachbarwälder aus, aber der Geist des Duftes wird","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Luft, leicht und frisch und immer frischer; sie war Rudis Morgentrunk.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Die Sonnenstrahlen, der Sonne segenspendende Töchter, küßten seine Wangen, und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der Schwindel stand daneben und lauerte auf ihn, durfte sich ihm aber nicht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nahen. Die Schwalben unten von Großvaters Hause, an dem sich nicht weniger als","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sieben Nester befanden, flogen zu ihm und den Ziegen empor, lustig zwitschernd:","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Wir und ihr! Ihr und wir!\" Grüße brachten sie von daheim, selbst von den beiden","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Hühnern, den einzigen Vögeln in der Stube, mit denen sich Rudi nie einließ.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Wie klein er auch war, so hatte er sich doch schon in der Welt umgesehen. Für","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"so einen kleinen Knirps war seine Reise ziemlich bedeutend gewesen. Geboren","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"war er drüben im Kanton Wallis und über die Berge hierher getragen. Vor kurzem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hatte er zu Fuß den nahegelegenen Staubbach besucht, der vor der Jungfrau,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"diesem schneebedeckten blendenweißen Berge, wie ein Silberschleier in der Luft","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"flattert. Auch in Grindelwald war er bei dem großen Gletscher gewesen, aber das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"war eine traurige Geschichte. Seine Mutter hatte hier den Tod gefunden. \"Der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hat dem kleinen Rudi die Kinderlust fortgetragen,\" sagte der Großvater. Als der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Knabe noch kein Jahr alt war, da hatte er, wie die Mutter schrieb, mehr gelacht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"als geweint, seit er aber in der Gletscherspalte gesteckt hatte, war ein ganz","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"anderer Sinn über ihn gekommen. Großvater sprach sonst nicht viel davon, aber","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"auf dem ganzen Berge wußte man Bescheid.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudis Vater war Postillon gewesen, der große Hund dort in der Stube","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hatte ihn auf seinen Fahrten über den Simplon nach dem Genfer See hinab","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"regelmäßig begleitet. Im Rhonetale im Kanton Wallis wohnte noch Rudis Familie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"väterlicherseits. Der Bruder seines Vaters war ein geschickter Gemsenjäger und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wohlbekannter Führer. Rudi war erst ein Jahr alt, als er seinen Vater verlor.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Seine Mutter wollte nun gern mit ihrem kleinen Kinde zu ihrer Familie im Berner","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Oberlande zurück. Einige Stunden Weges von Grindelwald entfernt wohnte ihr","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Vater, er war Holzschnitzer und verdiente sich durch seine Arbeit so viel, daß","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"er sich durchschlagen konnte. Im Monat Juni ging sie mit ihrem kleinen Kinde","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"in Gesellschaft zweier Gemsjäger über die Gemmi, um auf dem kürzesten Wege ihre","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Heimat zu erreichen. Schon hatten sie den größten Teil ihres Weges zurückgelegt,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"schon hatten sie den Kamm des Gebirges mit seinem ewigen Schnee überschritten,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"schon überblickte sie ihr heimisches Tal mit all seinen ihr wohlbekannten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zerstreuten Holzhäusern, und es galt nur noch einen großen Gletscher zu","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"passieren. Frischgefallener Schnee bedeckte ihn und verhüllte eine Spalte, die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zwar nicht bis auf den Boden hinabbreichte, wo das Wasser rauschte, aber doch","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"tiefer als Manneshöhe war. Die junge Frau, die ihr Kind trug, glitt aus, sank","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hinein und war verschwunden. Man hörte keinen Schrei, keinen Seufzer, aber man","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hörte ein kleines Kind weinen. Mehr als eine Stunde verging, ehe ihre beiden","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Begleiter aus dem nächstgelegenen Hause Stricke und Stangen geholt hatten, womit","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sie ihr möglicherweise Hilfe bringen konnten; und nach unendlicher Mühe wurden","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zwei Leichen, wie es schien, aus der Eisspalte hervorgezogen. Alle Mittel wurden","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"angewendet, und es glückte wirklich, das Kind wieder ins Leben zurückzurufen,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nicht aber die Mutter; und deshalb bekam der Großvater einen Tochtersohn anstatt","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"einer Tochter ins Haus, jenen Kleinen, der mehr lachte als weinte. Aber das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"schien er sich jetzt abgewöhnt zu haben; die Veränderung war wahrscheinlich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"in der Gletscherspalte vor sich gegangen, in der kalten wunderbaren Eiswelt,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wo, wie der Schweizerbauer glaubt, die Seelen der Verdammten bis zum Tage des","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gerichts eingesperrt sind.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Nicht unähnlich einem brausenden Wasser, zu grünen Glasblöcken erstarrt","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und zusammengedrückt, liegt der Gletscher da, ein großes Eisstück immer","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"über das andere gewälzt. Unten in der Tiefe rauscht der reißende Strom von","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"geschmolzenem Schnee und Eis. Tiefe Löcher, mächtige Spalten zeigen sich in","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ihm, er bildet einen wunderbaren Glaspalast, und darin wohnt die Eisjungfrau,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die Gletscherkönigin. Sie, die Todbringende, die Zerschmetternde, ist halb ein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Kind der Luft, halb des Flußes mächtige Beherrscherin. Deshalb vermag sie sich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"mit der Geschwindigkeit der Gemse zu dem höchsten Gipfel des Schneegebirges zu","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"erheben, wo sich die kühnsten bergbesteiger, um festen Fuß fassen zu können,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Tritte in das Eis hauen müssen. Sie schwebt auf dem dünnen Tannenzweige zu dem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"reißenden Fluße hinab und springt dort von Felsblock zu Felsblock, von ihrem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"langen schneeweißen Haare und ihrem blaugrünen Gewande umflattert, welches wie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"das Wasser der tiefen Schweizer Seen glänzt und schimmert.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Zerschmettre, halte fest, mein ist die Macht!\" ruft sie. \"Einen schönen Knaben","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"stahl man mir, einen Knaben, den ich geküßt hatte. Er ist wieder unter den","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Menschen, er weidet die Ziegen auf dem Berge, er klettert hinauf, immer hinauf,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"fort von den anderen, nicht von mir! Mein ist er, ich hole ihn!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und sie bat den Schwindel, ihren Auftrag auszuführen. Im Sommer war es der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Eisjungfrau zu schwül im Grünen, wo die Krauseminze wächst. Und der Schwindel","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"erhob und verbeugte sich. Da kam einer, nein, da kamen drei. Der Schwindel hat","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"viele Brüder, eine ganze Schar. Die Eisjungfrau wählte die stärksten aus der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"großen Menge, die draußen in der Natur wie drinnen in den Gebäuden herrschen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Sie sitzen auf den Treppen, und auf dem Turmgeländer, sie laufen wie ein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Eichhörnchen am Felsenrand entlang, sie springen von ihm hinab und treten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Luft, wie der Schwimmer Wasser tritt, und locken ihre Opfer über den Abgrund","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hinaus und hinab. Der Schwindel und die Eisjungfrau, beide greifen sie nach den","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Menschen, wie der Polyp nach allem greift, was sich um ihn bewegt. Der Schwindel","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sollte Rudi ergreifen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Ja, greift ihn mir nur!\" sagte der Schwindel, \"Ich vermag es nicht, die böse","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Katze hat ihn ihre Künste gelehrt. Dem Menschenkinde steht eine Macht bei, die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"mich fortstößt. Ich kann den kleinen Burschen nicht erreichen, so oft er an","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"einem Zweige über den Abgrund hinaushängt, wenn ich ihn auch unter den Fußsohlen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"kitzelte oder ihn tief unter die Luft tauchte! Ich vermag es nicht!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Wir vermögen es!\" sagte die Eisjungfrau, \"Du oder ich, ich, ich!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Nein, nein!\" schallte es zu ihnen hinüber, als wäre es das Echo der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Kirchenglocken; aber es war Gesang, es war Rede, es war der zusammenschmelzende","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Chor anderer Naturgeister, milder, liebevoller und guter, der Töchter der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Sonnenstrahlen. Sie lagern sich jeden Abend auf den Gipfeln der Bergesgipfeln","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und breiten ihre rosigen Schwingen aus, die, je tiefer die Sonne sinkt, desto","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"röter und röter aufflammen. Die hohen Alpen glühen, die Menschen nennen es","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"das \"Alpenglühen.\" Wenn dann die Sonne hinunter ist, flüchten sie sich in die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Felsenspitzen, in den weißen Schnee hinein, schlafen dort, bis sich die Sonne","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"erhebt, und kommen dann wieder hervor. Besonders lieben sie die Blumen, die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schmetterlinge und die Menschen, und unter diesen hatten sie sich vorzüglich den","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"kleinen Rudi erkoren. \"Ihr fangt ihn nicht! Ihr fangt ihn nicht!\" sangen sie.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Größere und Stärkere habe ich gefangen und bekommen!\" erwiderte die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Eisjungfrau.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Da sangen die Töchter der Sonne ein Lied von dem Wandersmann , dem der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Wirbelwind den Mantel entriß und in stürmischer Eile entführte. \"Die Hülle trug","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der Wind fort, aber nicht den Mann. Ihn könnt Ihr Kinder der Kraft ergreifen,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"aber nicht halten. Er ist stärker, er ist geistiger als wir selbst. Er steigt","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"höher als die Sonne, unsere Mutter. Er kennt das Zauberwort, das Wind und Wasser","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"bindet, so daß sie ihm dienen und gehorchen müssen. Ihr löst nur das schwere","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hinabziehende Gewicht, und er erhebt sich desto höher.\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"So herrlich lautete der glockenklingende Chor.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und jeden Morgen schienen die Sonnenstrahlen durch das einzige kleine Fenster","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"in Großvaters Haus, zu dem stillen Kinde, hinein. Die Töchter der Sonnenstrahlen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"küßten ihn, sie wollten die Eisküsse auftauen, erwärmen, vernichten, welche","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ihm die königliche Maid der Gletscher gegeben hatte, als er im Schoße seiner","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"toten Mutter in der tiefen Eiskluft lag und wie durch ein Wunder daraus gerettet","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wurde.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"II. Die Reise nach der neuen Heimat","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi war jetzt acht Jahre alt; sein Onkel im Rhonetal auf der anderen Seite des","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gebirges wollte den Knaben zu sich nehmen. Dort konnte er besser unterrichtet","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"werden und es einmal weiter bringen; das sah auch sein Großvater ein und setzte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sich deshalb dem Plane nicht entgegen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi sollte fort. Großvater war es nicht allein, von dem es nun galt Abschied zu","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nehmen; da war zuerst Ajola, der alte Hund.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Dein Vater war Postillon, und ich war Posthund,\" sagte Ajola. \"Wir sind auf","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und ab gefahren; ich kenne die Hunde und Menschen auch auf der anderen Seite","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"des Gebirges. Viel zu reden war nicht meine Gewohnheit, aber jetzt, wo wir","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"leider nicht mehr lange miteinander sprechen können, will ich etwas mehr als","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sonst reden. Ich will Dir eine Geschichte erzählen, die ich schon lange mit mir","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"herumgetragen habe. Ich kann sie nicht verstehen und Du kannst es auch nicht,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"aber das tut auch weiter nichts, denn so viel habe ich doch daraus ersehen, daß","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"in der Welt die Lose der Hunde und der Menschen nicht völlig richtig verteilt","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sind. Nicht alle sind dazu geschaffen, auf dem Schoße zu liegen oder Milch zu","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"schlürfen. Ich bin nicht daran gewöhnt worden, aber ich habe ein Hündchen mit","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"im Postwagen fahren und einen Menschenplatz einnehmen sehen. Die Frau, die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"seine Herrin war (wenn nicht etwa das Hündchen ihre Herrschaft war), hatte eine","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Milchflasche bei sich, aus der sie ihm zu trinken gab. Es erhielt Zuckerbrot,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"mochte es aber nicht einmal fressen, sondern schnüffelte nur daran, und sie aß","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"es dann selbst. Ich lief in der Sonnenhitze neben dem Wagen her, hungrig wie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ein Hund nur sein kann, und kaute an meinen eigenen Gedanken. Das war nicht in","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Ordnung aber wie vieles gibt es freilich noch außerdem, was nicht in Ordnung","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ist. Möchtest Du doch auf den Schoß kommen und in der Kutsche fahren können!","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Aber das kann man sich leider nicht selbst verschaffen, ich habe es wenigstens","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nicht vermocht, weder durch Bellen noch durch Heulen.\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"So lautete Ajolas Rede, und Rudi fasste ihn um den Hals und küßte ihn gerade auf","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"seine feuchte Schnauze. Dann nahm er den Kater in seine Arme, der sich jedoch","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"seinen Liebkosungen entzog.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Du wirst mir zu stark, und gegen Dich will ich meine Krallen nicht gebrauchen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Klettere nur über die Berge: ich habe Dir das Klettern ja beigebracht! Bilde Dir","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nie ein, daß Du hinabfällst, dann hältst Du Dich gewiß fest!\" Nach diesen Worten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"lief der Kater davon, denn er wollte Rudi nicht sehen lassen, daß ihm der Kummer","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"aus den Augen leuchtete.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Rudi will über die Berge!\" sagte das Huhn.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Er hat immer Eile!\" versetzte das andere, \"und ich liebe die Abschiedsszenen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nicht!\" Und schnell trippelten sie beide fort.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Den Ziegen sagte er gleichfalls Lebewohl, und sie riefen: \"Mit! Mit! Meck!","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Meck!\" Was gar traurig klang.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Zwei Leute aus der Gegend, tüchtige, flinke Führer, mußten gerade über die Berge","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und wählten den Weg über die Gemmi. Rudi begleitete sie, und zwar zu Fuß. Es war","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ein anstrengender Marsch für einen so kleinen Burschen, aber Kräfte hatte er und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"einen Mut, der unermüdlich war.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Die Schwalben flogen eine Strecke mit. \"Wir und ihr, ihr und wir!\" sangen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sie. Der Weg führte über die reißende Lütschine, die in vielen kleinen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Bächlein aus der schwarzen Kluft des Grindelwaldgletschers hervorstürzt. Frei","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"daliegende schwankende Baumstämme und zertrümmerte Felsenblöcke dienen hier","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"als Brücken. Jetzt waren sie oberhalb des Erlengebüsches und begannen den Berg","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hinaufzusteigen, dicht neben der Stelle, wo sich der Gletscher vom Berge gelöst","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hat. Darauf traten sie auf den Gletscher selbst hinaus über Eisblöcke, fort oder","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"um sie herum. Bald mußte Rudi kriechen, bald gehen. Seine Augen strahlten vor","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Entzücken. Mit seinen eisenbeschlagenen Bergschuhen trat er so fest auf, als","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wollte er in dem zurückgelegten Wege seine Fußstapfen zurücklassen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Aufwärts, immer aufwärts ging es; hoch erstreckte sich der Gletscher. Er glich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"einer Flut wild übereinandergetürmter Eismassen, die zwischen steilen Felsen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"eingeklemmt dalagen. Rudi dachte einen Augenblick an das, was ihm erzählt worden","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"war, dachte daran, daß er mit seiner Mutter in einer dieser Kälte aushauchenden","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Spalten gelegen hatte, aber bald lenkte er seine Gedanken wieder auf andere","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gegenstände. Es galt ihm nicht mehr als jede andere der vielen Geschichten,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die er gehört hatte. Ein und das andere mal, wenn die Männer das unaufhörliche","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Steigen zu beschwerlich für den kleinen Buben hielten, reichten sie ihm die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Hand, aber er ermüdete nicht und stand auf dem Glatteise fest wie eine Gemse.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Jetzt gelangten sie auf Felsenboden; bald gingen sie zwischen nackten Steinen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hindurch, bald unter niedrigen Tannen fort und wieder auf grüne Weideplätze","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hinaus, fortwährend dem Blicke Neues darbietend. Ringsumher erhoben sich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"schneebedeckte Berge, deren Namen er wie jedes Kind hiesiger Gegend kannte:","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Jungfrau, Mönch und Eiger.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi war nie zuvor so hoch gewesen, hatte nie zuvor das ausgedehnte Schneemeer","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"betreten. Es lag mit seinen unbeweglichen Schneewogen da, von denen der Wind die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"einzelnen Flocken weggeblasen hatte, wie er den Schaum von den Wellen des Meeres","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"bläst. Ein Gletscher reicht, wenn man so sagen kann, dem anderen die Hand; jeder","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ist ein Glaspalast der Eisjungfrau, deren Macht und Wille ist: zu fangen und zu","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"begraben. Die Sonne brannte heiß, der Schnee war blendend und wie mit bläulich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"blitzendem Diamantengefunkel übersät.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Unzählige Insekten, hauptsächlich Schmetterlinge und Bienen, lagen massenhaft","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"tot auf dem Schnee; sie hatten sich zu hoch gewagt, oder der Wind hatte sie,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die in dieser Kälte notwendig zugrunde gehen mußten, so hoch getrieben. Um das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Wetterhorn hing gleich ein Büschel schwarzer Wolle eine drohende Wolke. Sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"senkte sich, von dem, was sie in sich barg, dem Föhn, immer mehr anschwellend.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Zerstörend und schreckerregend mußte sich seine Macht offenbaren, wenn er","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"losbrach. Der Eindruck der ganzen Wanderung, das Nachtquartier hier oben,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der Weg am folgenden Tage, die tiefen Felsenspalten, welche das Wasser in","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"unvordenklicher Zeit in die harten Steinblöcke hineingerissen hatte, hafteten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"unvergeßlich in Rudis Erinnerung.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Ein verlassenes steinernes Gebäude jenseits des Schneemeeres gewährte ihnen für","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die Nacht ein sicheres Obdach. Hier fanden sie Holzkohlen und Tannenzweige; bald","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"war das Feuer angezündet und das Nachtlager, so gut man konnte, hergestellt.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Die Männer setzten sich um das Feuer, rauchten ihr Pfeifchen und erquickten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sich an dem warmen gewürzreichen Tranke, den sie sich selbst bereitet hatten.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi erhielt redlich seinen Anteil. Die Unterhaltung drehte sich um die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"geheimnisvollen Wesen des Alpenlandes, um die seltsamen Riesenschlangen in","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"den tiefen Seen, um die nächtlichen Erscheinungen, das Gespensterheer, das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"den Schlafenden nach der wunderbaren schwimmenden Stadt Venedig durch die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Luft trägt, den wilden Hirten, der seine schwarzen Schafe über die Weideplätze","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"triebt. Hatte sie man auch nicht gesehen, so hatte man doch den Ton ihrer","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Glocken, das unheimliche Gebrüll der Herde gehört. Rudi lauschte neugierig, aber","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ohne alle Furcht zu, die kannte er nicht; und während er zulauschte, glaubte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"er das spukartige, hohle Gebrüll zu vernehmen. Ja, es wurde immer lauter und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"deutlicher, die Männer hörten es auch, unterbrachen ihr Gespräch, horchten und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"forderten Rudi auf, nicht zu schlafen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Es war ein Föhn, der einherblies, der gewaltige Sturmwind, der sich von den","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Bergen in die Täler hinabstürzt und in seiner Heftigkeit Bäume bricht, als","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wären sie Rohrstengel, und die Blockhäuser von einem Flussufer auf das andere","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"versetzt, wie wir die Schachfiguren hin- und herrücken.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Erst nach einer Stunde sagten sie zu Rudi, daß es nun überstanden wäre und er","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"jetzt schlafen könnte, und, müde vom Marsch, schlief er wie auf Befehl.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Früh am folgenden Morgen brachen sie auf. Die Sonne zeigte dem kleinen Rudi","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"heute neue Berge, neue Gletscher und Schneefelder. Sie hatten die Grenzen des","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Kanton Wallis überschritten und befanden sich jetzt auf der anderen Seite des","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Bergrückens, den man von Grindelwald aus wahrnahm, waren aber von des Knaben","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"neuer Heimat noch immer weit entfernt. Andere Bergklüfte, andere Weideplätze,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Wälder und Felsenpfade entfalteten sich, andere Häuser, andere Menschen zeigten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sich, aber welche Menschen er auch sah, alle waren Mißgestalten, widerliche,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"fette, weißlichgelbe Gesichter, der Hals ein schwerer, häßlicher, tief hängender","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Fleischklumpen. Es waren Kretins. Siech und elend schleppten sie sich weiter","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und glotzten mit dummen Augen die anlangenden Fremden an. Die Weiber sahen am","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"gräßlichsten aus. Wie, waren das die Menschen in seiner neuen Heimat?","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"III. Der Onkel","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"In Onkels Haus, in das nun Rudi eintrat, sahen, Gott sei Lob! die Menschen aus,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wie Rudi sie zu sehen gewohnt war. Nur ein einziger Kretin wohnte augenblicklich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hier; ein armer, blödsinniger Bursche, eines dieser armen Geschöpfe, die in","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ihrer Armut und Verlassenheit von den Familien des Kanton Wallis abwechselnd","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"unterhalten werden und in jedem Hause ein paar Monate bleiben. Der arme Saperli","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"war gerade hier, als Rudi ankam.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Onkel war noch ein kräftiger Jäger und verstand sich außerdem auf das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Böttcherhandwerk. Seine Frau war eine kleine lebhafte Person mit einem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"vogelähnlichen Antlitze, mit Augen wie ein Adler und einem langen, von oben bis","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"unten mit Flaum bedeckten Halse.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Alles war Rudi neu: Kleidung, Sitte und Gebrauch, die Sprache sogar, aber","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"diese konnte das Kindesohr bald verstehen lernen. Im Vergleich zu dem Hause","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"seines Großvaters machte sich überall eine gewisse Wohlhabenheit bemerkbar. Die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Stube, in der sie wohnten, war größer, die Wände waren mit Gemsenhörnern und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"blankpolierten Büchsen geschmückt, über der Tür hing das Bild der Mutter Gottes.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Frische Alpenrosen und eine brennende Lampe standen davor.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Onkel war, wie gesagt, einer der tüchtigsten Gemsenjäger der Gegend und außerdem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der geschickteste und beste Führer. Es war alle Aussicht, daß Rudi hier im Hause","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"bald der Liebling werden würde; freilich gab es einen solchen schon. Es war","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ein alter, blinder, tauber Jagdhund, der nicht mehr Dienste verrichten konnte,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"es aber einst treu und fleißig getan hatte. Man vergaß die Tüchtigkeit des","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Tieres in früheren Jahren nicht, und deshalb gehörte es jetzt mit zur Familie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und sollte das Gnadenbrot haben. Rudi streichelte den Hund, der sich aber mit","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Fremden, und das war ja Rudi bis jetzt noch, nicht mehr einließ. Lange sollte es","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi jedoch nicht bleiben; in Haus und Herz schlug er bald feste Wurzeln.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Hier im Kanton Wallis lebt es sich nicht so übel!\" sagte der Onkel. \"Gemsen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"haben wir, sie sterben nicht so schnell wie die Steinböcke aus; es ist jetzt","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hier weit besser als in alter Zeit. Wie viel auch immer zu ihrer Ehre erzählt","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wird, die unsrige ist doch besser. Der Sack hat ein Loch bekommen, ein frischer","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Luftzug weht jetzt durch unser eingeschlossenes Tal. Wenn das Veraltete und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Überlebte fällt, kommt immer etwas Besseres zum Vorschein\" sagte er, und wurde","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Onkel recht gesprächig, dann erzählte er von seinen Jugendjahren, die in seines","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Vaters kräftigste Manneszeit fielen, wo noch Wallis, wie er sich ausdrückte,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ein verschlossener Sack mit allzuviel siechen Leuten, elenden Kretins war.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Aber die französischen Soldaten kamen, sie waren die richtigen Ärzte, schlugen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die Krankheiten und die Menschen gleich dazu tot. Auf das Schlagen verstehen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sich die Franzosen, sie teilen Schläge mancherlei Art aus, und auch die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Französinnen können Schläge versetzen!\" und dabei nickte Onkel seiner Frau,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die eine Französin von Geburt war, freundlich zu und lachte. \"Die Franzosen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"verstehen das Steineschlagen meisterlich! Die Simplonstraße haben sie in die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Felsen hineingeschlagen, haben dort eine Straße angelegt, daß ich jetzt zu einem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"dreijährigen Kinde sagen kann: Gehe nach Italien hinab, halte Dich immer nur auf","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der Landstraße! Und das Kleine findet sich nach Italien hinunter, wenn es nicht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"von der Landstraße abweicht!\" Dann sang der Onkel ein französisches Lied und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"brachte ein Hoch auf Napoleon Bonaparte aus.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Damals hörte Rudi zum erstenmal von Frankreich, von Lyon, der großen Stadt an","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der Rhone, wo Onkel gewesen war.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"In nicht allzu vielen Jahren würde Rudi gewiß ein flinker Gemsenjäger werden,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Anlagen hätte er dazu, meinte Onkel, und er lehrte ihn, eine Büchse im Anschlage","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zu halten, zielen und sie abschießen. Während der Jagdzeit nahm er ihn mit","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"auf die Berge, ließ ihn von dem warmen Gemsenblute trinken, was, wie man dort","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"allgemein glaubt, den Jäger schwindelfrei machen soll. Er machte ihn mit der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Zeit bekannt, in den auf den verschiedenen Bergseiten die Lawinen zu rollen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"pflegen, um Mittag oder zur Abendzeit, je nach den Wirkungen der Sonnenstrahlen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Er hielt ihn an, die Gemsen recht zu beobachten und von ihnen zu lernen, wie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"man nach dem Sprunge auf die Füße fallen und feststehen müßte. Fände man in","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der Felsenspalte keine Stütze für den Fuß, so müßte man zusehen, sich mit den","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Ellenbogen zu stützen, sich mit den Muskeln in Waden und Schenkeln anzuklammern.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Selbst der Nacken könnte sich im Notfalle förmlich festbeißen. Die Gemsen wären","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"klug und stellten Vorposten aus, aber der Jäger müßte klüger sein und ihnen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"den Wind abzugewinnen suchen. Er verstände es, sie in ergötzlicher Weise zu","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"überlisten, hinge seinen Rock und Hut auf den Alpenstock, und die Gemsen nähmen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"das Kleid für den Mann. Diesen Spaß trieb Onkel eines Tages, als er mit Rudi auf","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der Jagd war.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Der Felsenpfad war schmal, ja es war eigentlich keiner vorhanden, sondern ein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nur kaum bemerkbarer Sims dicht neben dem schwindelnden Abgrund. Der Schnee","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"dort war halb aufgetaut, das Gestein so verwittert, das es beim Auftreten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zerbröckelte; Onkel legte sich deshalb, so lang er war, hin, und kroch vorwärts.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Jeder Stein, der sich löste, fiel, prallte gegen, sprang, rollte und machte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"viele Sprünge von Felsenwand zu Felsenwand, ehe er in der dunklen Tiefe zur","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Ruhe kam. Hundert Schritte hinter dem Onkel stand Rudi auf dem äußersten festen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Felsenknoten und erblickte in der Luft, langsam über Onkel hinschwebend, einen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Lämmergeier, der mit seinen Flügelschlägen den kriechenden Wurm mit seinen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Flügelschlägen in den Abgrund schleudern wollte, um ihn zur künftigen Nahrung","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"in Aas zu verwandeln. Onkel hatte nur für die Gemse, die jenseits der Kluft mit","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ihrem Zicklein sichtbar wurde, Augen. Rudi verließ den Vogel mit keinem Blicke,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"verstand, was er wollte, und behielt deshalb die Hand am Drücker, um schnell","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"feuern zu können. Da setzte die Gemse zum Sprunge an, Onkel schoß, und das Tier","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"war von der tödlichen Kugel getroffen, während das Zicklein, das ein ganzes","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Leben in Flucht und Gefahr zugebracht hatte, in weiten Sätzen entsprang. Der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ungeheure Vogel, vom Knalle erschreckt, schlug eine andere Richtung ein, Onkel","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wußte nichts von der Gefahr, in der er geschwebt hatte, hörte sie erst von Rudi.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Als sie sich jetzt in bester Stimmung auf den Weg machten und Onkel ein Lied","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"aus seinen Knabenjahren pfiff, erschallte auf einmal ein eigentümlicher Laut","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"in nicht allzu weiter Ferne. Sie schauten nach allen Seiten, sie schauten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"aufwärts, und dort in der Höhe, auf dem schrägen Felsenabsatz, erhob sich die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schneedecke, es wogte, wie wenn der Wind unter ein ausgebreitetes Stück Leinwand","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"fährt. Die hochgehobenen Wogen brachen plötzlich in sich zusammen und lösten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sich in scheinbar schäumende Wasserstrudel auf, die prasselnd wie gedämpftes","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Donnergeroll hinabstürzten. Es war eine Lawine, die hinabfiel, nicht über Rudi","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und seinen Onkel, aber nahe, nur allzu nahe neben ihnen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Halte Dich fest, Rudi!\" reif er. \"Fest, aus allen Kräften!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi umklammerte den nächsten Baum, Onkel kletterte über ihn in die Zweige","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"des Baumes hinauf und hielt sich fest, während die Lawine viele Meter von","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ihnen entfernt hinabrollte; aber der durch sie erregte Sturm, der Wirbelwind,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der sie begleitet, knickte und brach ringsum Bäume und Büsche, als wären sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"dürre Rohrstengel und warf sie weit umher. Rudi wurde zu Boden geschmettert;","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der Baumstamm, an dem er sich hielt, war wie zersägt, und die Krone ein weites","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Stück fortgeschleudert. Zwischen den zerknickten Zweigen lag mit zerschmettertem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Haupte der Onkel, seine Hand war noch warm, aber sein Gesicht nicht zu erkennen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Bleich und zitternd stand Rudi da; es war der erste Schreck in seinem Leben, das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"erste Gefühl von Furcht, das er empfand.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Mit der Todesbotschaft kam er spät am Abend nach Hause, wo nun die Trauer","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"einzog. Wortlos, tränenlos stand die Gattin da, und erst als die Leiche gebracht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wurde, kam der Schmerz zum Ausbruch. Der arme Kretin kroch in sein Bett, man sah","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ihn den ganzen Tag nicht. Gegen Abend kam er zu Rudi.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Schreibe mir einen Brief! Saperli kann nicht schreiben! Saperli kann aber den","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Brief auf die Post tragen!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Einen Brief für Dich?\" fragte Rudi. \"Und an wen?\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"An den Herrn Christus!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Wen meinst Du damit?\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und der Halbblödsinnige, den sie einen Kretin nannten, sah Rudi mit einem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"rührenden Blicke an, faltete seine Hände und sagte dann feierlich und fromm:","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Jesus Christus! Saperli will ihm einen Brief senden, will ihn bitten, daß","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Saperli tot daliegen muß und nicht der Mann hier im Hause!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi drückte ihm Die Hand \"Der Brief kommt nicht an sein Ziel! Der Brief gibt","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ihn uns nicht zurück.\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Es war Rudi schwer, ihm die Unmöglichkeit zu erklären.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Nun bist die Stütze des Hauses,\" sagte die Pflegemutter, und Rudi wurde es.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"IV. Babette","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Wer ist der beste Schütze im Kanton Wallis? Nun, die Gemsen wußten es. \"Nimm","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Dich vor Rudi in acht!\" konnten sie sagen. \"Wer ist der schönste Schütze?\" - \"Je","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nun, das ist der Rudi!\" sagten die Mädchen, aber sie setzten nicht hinzu: \"Nimm","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Dich in acht!\" Nicht einmal die ernsten Mütter sagten es, denn er nickte ihnen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ebenso freundlich zu wie den jungen Mädchen. Er war kühn und frohgesinnt, seine","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Wangen waren braun, seine Zähne weiß und seine Augen leuchteten kohlschwarz; ein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"schöner Bursch war er und nur zwanzig Jahre. Das Eiswasser kam ihm nicht kalt","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"vor, wenn er schwamm; wie ein Fisch konnte er sich im Wasser wenden und drehen,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"klettern wie kein anderer, wie eine Schnecke an die Felsenwände kleben; es war","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Mark in ihm; stahlfest waren seine Muskeln und Sehnen. Das bewies er auch beim","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Springen, der Kater hatte ihn ja zuerst gelehrt und später die Gemsen. Er war","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der zuverlässigste Führer, er hätte als solcher ein ganzes Vermögen sammeln","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"können. Für das Böttcherhandwerk, in dem ihn Onkel ebenfalls unterrichtet","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hatte, fehlte es ihm an Sinn; Gemsen zu schießen war seine Lust und Sehnsucht;","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"das brachte nicht weniger Geld ein. Rudi war, wie man sagte, eine gute Partie,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wollte er nur seinen Augen nicht über seinen Stand erheben. Er war beim Tanze","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ein Tänzer, von dem die Mädchen träumten, und eine und die andere dachte seiner","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"auch wachend.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Mich hat er im Tanze geküßt!\" sagte Schullehrers Anette zu ihrer liebsten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Freundin, aber das hätte sie nicht erzählen sollen, nicht einmal ihrer liebsten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Freundin. Dergleichen ist nicht leicht bei sich zu behalten, es gleicht dem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Sande im durchlöcherten Sacke, der ausläuft. Bald wußte man, wie gut und brav","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi auch sonst war, daß er im Tanze küßte, und doch hatte er nicht einmal die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"geküßt, die er am liebsten geküßt hätte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Paß auf ihn auf!\" sagte ein alter Jäger, \"er hat Anette geküßt; er hat mit A","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"angefangen und wird das ganze Alphabet durchküssen.\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Ein Kuß bei Tanze war bisher alles, was die Klatschschwestern über ihn zu","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"berichten wußten, aber geküßt hatte er wirklich Anette, und sie war keineswegs","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"seines Herzens Blume.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Unten in der Nähe von Bex, zwischen den großen Walnußbäumen, hart an einem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"kleinen, reißenden Bergstrome wohnte der reiche Müller. Das Wohnhaus, ein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"großes, dreistöckiges Gebäude mit kleinen Türmen, war mit Schindeln gedeckt","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und mit Blechplatten beschlagen, die im Sonnen- wie im Mondenscheine weithin","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"leuchteten. Der größte Turm hatte einen schimmernden Pfeil, der einen Apfel","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"durchbohrte, als Wetterfahne. Es sollte damit auf Tells Pfeilschuß hingedeutet","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"werden. Die Mühle verriet schon im Äußern Wohlhabenheit und sah schön und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"stattlich aus; der Maler, der sie sah, griff unwillkürlich zum Pinsel, um","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sie zu malen, aber des Müllers Tochter ließ sich nicht malen, ließ sich nicht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"beschreiben. Dies behauptete Rudi wenigstens, während doch ihr Bild in seinem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Herzen lebte. Ihre Augen strahlten darin so, daß es in hellen Flammen loderte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Der Brand war so plötzlich wie jede andere Feuersbrunst ausgebrochen, und das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Wunderbarste dabei war, daß des Müllers Töchterlein, die niedliche Babette,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"keine Ahnung davon hatte; sie und Rudi hatten in ihrem Leben auch nicht zwei","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Worte miteinander gesprochen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Der Müller war reich, der Reichtum machte, daß Babette zu hoch für viele Wünsche","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"stand. Aber nichts steht so hoch, dachte Rudi, daß man es nicht erreichen kann.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Man muß klettern, und man fällt nicht, wenn man es sich nicht einbildet. Die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Lehre hatte er von Hause mitgebracht.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Nun traf es sich, daß Rudi Geschäfte in Bex hatte. Es war eine nicht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"unbedeutende Reise dorthin, denn die einzige Eisenbahn dorthin war damals noch","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nicht gebaut. Vom Rhonegletscher aus, den Fuß des Simplon entlang, dehnt sich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zwischen vielen und abwechselnden Bergen das breite Walliser Tal mit seinem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"mächtigen Flusse, der Rhone, aus, die häufig anschwillt und alles verheerend","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Felder und Wege überschwemmt. Zwischen den Städten Sion und St. Maurice bildet","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"das Tal eine Krümmung, biegt sich wie ein Ellbogen und wird unterhalb Maurice so","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"schmal, daß es nur für das Flußbett und die schmale Forststraße Raum darbietet.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Ein alter Turm steht gleichsam als Schildwache des Kanton Wallis, der hier","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"endet, auf dem Berge und schaut über die steinerne Brücke nach dem Zollhause auf","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der anderen Seite hinüber. Dort beginnt der Kanton Waadt, und die nächstgelegene","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Stadt darin ist Bex. Hier drüben nimmt alles bei jedem Schritte vorwärts","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"an Fülle und Fruchtbarkeit zu, man wandelt in einem Garten von Walnuß- und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Kastanienbäumen. Hier und da tauchen Zypressen und Granatbäume auf; es herrscht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hier eine südliche Wärme, als wäre man schon nach Italien hinabgekommen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi langte in Bex an, verrichtete sein Geschäft, sah sich um, aber kein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Müllerbursche, geschweige denn Babette ließ sich blicken. Es war nicht, wie es","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sein sollte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Es wurde Abend, die Luft war mit dem Dufte des wilden Thymian und der blühenden","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Linden geschwängert. Es lag gleichsam ein schimmernder, luftblauer Schleier","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"um die waldgrünen Berge. Eine tiefe Stille herrschte überall, nicht die des","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schlafes, nicht die des Todes, nein, es war, als hielte die Natur ihre Atemzüge","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"an, als hätte sie diese feierliche Ruhe angenommen, damit ihr Bild auf dem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"blauen Himmelsgrunde photografiert werden könnte. Hier und da standen das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ganze Feld entlang zwischen den Bäumen hohe Stangen, die den Telegraphendraht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hielten, der durch das stille Tal geführt war. Gegen eine lehnte sich ein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gegenstand, so unbeweglich, daß man hätte glauben können, es wäre ein verdorrter","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Baumstamm; aber es war Rudi, der hier ebenso stillstand wie seine ganze","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Umgebung in diesem Augenblicke. Er schlief nicht, war noch weniger tot, aber","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wie durch den Telegraphendraht oft große Weltbegebenheiten, Lebensmomente von","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"entscheidender Bedeutung für den einzelnen hindurchfliegen, ohne daß der Draht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"durch ein Zittern oder durch einen Ton darauf hindeutet, so zogen dort durch","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi Gedanken, mächtige, überwältigende, das Glück seines Lebens, von nun an","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"seine einzigen, seine beständigen Gedanken. Seine Augen waren auf den Punkt","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zwischen dem Laube gerichtet, auf ein Licht in der Wohnstube des Müllers, wo","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Babette wohnte. Bei der unerschütterlichen Ruhe, mit der Rudi dastand, hätte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"man annehmen können, er zielte nach einer Gemse, aber er selbst glich in diesem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Augenblicke einer Gemse, die minutenlang wie aus dem Felden herausgemeißelt","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"dastehen kann, und plötzlich, wenn ein Stein rollt, einen Satz macht und von","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"dannen jagt. Und das tat Rudi gerade auch. Ein Gedanke rollte durch seine Seele.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Niemals verzagen!\" rief er. \"Besuch in der Mühle! Guten Abend zum Müller, Guten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Tag zu Babette! Man fällt nicht, wenn man es sich nicht einbildet. Soll ich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Babettes Mann werden, so muß sie mich doch einmal sehen.\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und Rudi lachte, war guten Muts und ging nach der Mühle; er wußte, was er","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wollte, er wollte Babette haben.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schäumend brauste der Fluß mit seinem weißlichgelben Wasser, Linden und Weiden","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"neigten sich tief über den rauschenden Strom. Schnell schritt Rudi auf das Haus","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zu, aber wie es in dem alten Kinderliede heißt:","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"im Müllerhaus","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"War keine Seele heut daheim,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Nur eine Katze guckt heraus!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Die Stubenkatze stand vorn auf der Treppe, machte einen krummen Buckel und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sagte: \"Miau!\" aber Rudi hatte jetzt keinen Sinn für diese Sprache. Er klopfte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"an; niemand hörte, niemand öffnete. \"Miau!\" sagte die Katze. Wäre Rudi noch","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"klein gewesen, so hätte er die Sprache der Tiere verstanden und gehört, daß","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die Katze sagte: \"Es ist niemand zu Hause.\" Nun muß er erst zur Mühle hinüber","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und sich dort erkundigen. Da erhielt er Bescheid. Der Hausherr befand sich auf","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Reisen, weit fort in der Stadt Interlaken, \"inter lacus, zwischen den Seen,\" wie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"es ihnen der Schullehrer, Anettes Vater, beim Unterricht erklärt hatte. So weit","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"war der Müller verreist und hatte Babette mitgenommen. Ein großes Schützenfest","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wurde daselbst gefeiert, morgen sollte es beginnen und dauerte acht Tage lang.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Die Schweizer aus allen deutschen Kantonen strömten dort zusammen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Armer Rudi, konnte man sagen, es war nicht die glücklichste Zeit, daß er nach","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Bex kam, er konnte nur getrost wieder umkehren; und das tat er und schlug den","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Weg über St. Maurice und Sion nach seinem eigenen Tale, seinen eigenen Bergen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ein. Doch verzagt war er deshalb nicht. Als die Sonne am nächsten Morgen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"aufging, war seine gute Laune längst wieder zurückgekehrt, lange verließ sie ihn","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nie.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Babette ist in Interlaken, viele Tagereisen von hier entfernt,\" sprach er","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"bei sich selbst. \"Es ist ein weiter Weg dorthin, will man die große Landstraße","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"benutzen, aber er ist lange nicht so weit, wenn man über die Berge klettert,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und das ist gerade ein Weg für einen Gemsenjäger. Den Weg bin ich schon früher","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"gegangen, dort drüben ist ja meine Heimat, wo ich als Kind beim Großvater lebte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Außerdem ist Schützenfest in Interlaken! Dabei will ich der erste sein; und das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"will ich auch bei Babette sein, wenn ich erst ihre Bekanntschaft gemacht habe.\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Mit seinem leichten Ränzel, mit dem Sonntagsstaat darin, Gewehr und Jagdtasche","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"über der Schulter, stieg Rudi den Berg hinauf, ging den kurzen Weg, der doch","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ziemlich lang war. Aber das Schützenfest hatte ja heute erst seinen Anfang","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"genommen und dauert über eine Woche. Die ganze Zeit über blieben, hatte man","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"gesagt der Müller und Babette bei ihren Verwandten in Interlaken. Rudi ging über","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die Gemmi und wollte bei Grindelwald hinabsteigen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Munter und fröhlich schritt er vorwärts, in die frische, die stärkende","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Bergesluft hinein. Das Tal sank tiefer, der Gesichtskreis wurde weiter; hier","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ein Schneegipfel, dort ein Schneegipfel und bald die weithin leuchtende, weiße","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Alpenkette. Rudi kannte jeden schneebedeckten Berg. Er schritt geradewegs auf","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"das Schreckhorn zu, das seinen weißgepuderten Steinfinger hoch in die blaue Luft","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"streckte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Endlich hatte er den Höherücken überschritten. Die Weideplätze neigten sich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"abwärts nach dem Tale seiner Heimat. Die Luft war leicht, sein Herz war leicht.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Berg und Tal waren voller Blumen und Grün, sein Herz voller Jugendgedanken: man","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wird nie alt, man kann nie sterben; leben, herrschen, genießen! Frei wie ein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Vogel, leicht wie ein Vogel war er. Und die Schwalben flogen vorüber und sangen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wie in seiner Kindheit: \"Wir und ihr, ihr und wir!\" Alles war Flug und Freude!","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Unten lag die samtgrüne Wiese, mit braunen Holzhäusern gleichsam bestreut;","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die Lütschine schlängelte sich murmelnd und plätschernd hindurch. Er sah den","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gletscher mit seinen glasgrünen Rändern, seinen tiefen Spalten; den obersten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und untersten Gletscher erblickte er. Die Glocken klangen von der Kirche auf der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Höhe zu ihm hinüber, als wollten sie zu seinem Willkommen in der Heimat läuten.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Sein Herz klopfte stärker, erweiterte sich, so daß Babette einen Augenblick","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"daraus verschwand, so groß wurde sein Herz, so voller Erinnerungen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Er ging wieder denselben Weg entlang, auf dem er als kleiner Bursche mit den","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"anderen Kindern am Grabenrande gestanden und ausgeschnitzte Holzhäuser verkauft","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hatte. Dort oben hinter der Tanne lag noch Großvaters Haus, Fremde wohnten jetzt","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"darin. Kinder kamen ihm auf dem Wege entgegengelaufen, sie wollten ihren kleinen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Handel betreiben; das eine reicht ihm eine Alpenrose, Rudi nahm sie als gutes","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Zeichen an und dachte an Babette. Bald hatte er die Brücke im Tale erreicht, wo","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sich die beiden Lütschinen vereinigen. Die Laubbäume nahmen zu, die Walnußbäume","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"gaben Schatten. Jetzt sah er die wehende Flagge, das weiße Kreuz im roten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Grunde, wie der Schweizer und der Däne sie führt. Vor ihm lag Interlaken.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Nach Rudis Gedanken war es wirklich eine Prachtstadt, wie keine andere. Eine","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schweizer Stadt im Sonntagsstaate. Sie war nicht, wie die anderen kleinen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Städte, eine Masse schwerfälliger, steinerner Häuser, plump, fremd und vornehm;","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nein, hier sah es so aus, als ob sich die hölzerne Häuser oben von den Bergen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"unten in das grüne Tal an den klaren pfeilschnellen Fluß verlaufen und sich,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hier ein wenig auswärts, dort ein wenig einwärts, in Reihe gestellt hätten, um","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"eine Straße zu bilden. Die prächtigste von allen Straßen, ja, die war freilich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ordentlich in die Höhe geschossen, seitdem Rudi als Kind zum letzten Male","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hier gewesen war. Es kam ihm vor, als ob alle die niedlichen hölzernen Häuser,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"welche Großvater ausgeschnitzt hatte und mit denen das Spind zu Hause angefüllt","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"war, sich hier aufgestellt hätten und ebenso kräftig wie die alten, edlen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Kastanienbäume aufgewachsen wären. Jedes Haus hieß ein Hotel, Fenster und Altane","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zeichneten sich durch treffliche Holzarbeiten aus, die durch ihre Schönheit","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und Zierlichkeit dem Ganzen einen eigentümlichen Reiz verliehen, und vor jedem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Hause dehnte sich ein reizender Blumengarten bis an die breite, asphaltierte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Landstraße aus. Längs der Straße standen nur auf der einen Seite die Häuser,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sie würden sonst die frische, grüne Wiese unmittelbar davor versteckt haben,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"auf welcher die Kühe mit ihren Glocken gingen, die gerade wie auf den hohen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Alpenweiden klangen. Die Wiese war von hohen Bergen eingeschlossen, die gerade","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"in der Mitte gleichsam zur Seite traten, so daß man die Jungfrau, diesen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"leuchtenden, schneebedeckten Berg, recht überschauen konnte, den schönsten aller","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schweizerberge.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Was für eine Menge geputzter Herren und Damen aus fremden Ländern, was für ein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gewimmel von Landleuten aus den verschiedenen Kantonen! Die Schützen trugen ihre","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schießnummer am Hute. Überall war Musik und Gesang, ließen sich Leierkasten und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Blasinstrumente, Rufen und Lärmen vernehmen. Häuser und Brücken waren mit Versen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und Emblemen geschmückt. Flaggen und Fahnen wehten, die Büchsen knallten Schuß","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"auf Schuß. Das war die schönste Musik in Rudis Ohren, er vergaß unter all diesen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Babette völlig, um derentwillen er doch allein hergekommen war.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Die Schützen drängten sich zum Scheibenschießen, Rudi war bald unter ihnen, und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zwar der Geschickteste, der Glücklichste. Immer traf er mitten in das Schwarze.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Wer ist nur der fremde, blutjunge Jäger?\" fragte man. \"Er spricht die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"französische Sprache, wie sie im Kanton Wallis geredet wird. Er drückt sich aber","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"auch in unserer deutschen Sprache ganz verständlich aus!\" sagten einige. \"Als","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Kind soll er hier in der Gegend von Grindelwald gelebt haben!\" wußte jemand zu","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"berichten.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Es war Leben in dem Burschen, seine Augen leuchteten, sein Blick und Arm waren","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sicher. Glück verleiht Mut, und Mut hatte Rudi ja immer. Bald hatte er hier","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"schon einen großen Kreis von Freunden um sich, man ehrte ihn; man huldigte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ihm; Babette war ihm fast ganz aus den Gedanken entschwunden. Da schlug ihm","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"plötzlich eine schwere Hand auf die Schulter, und eine grobe Stimme redete ihn","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"in französischer Sprache an: \"Ihr seid aus dem Kanton Wallis?\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi wandte sich um und sah ein rotes, vergnügtes Gesicht, eine dicke Gestalt;","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"es war der reiche Müller aus Bex. Er verbarg mit seinem breiten Körper die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"feine niedliche Babette, die jedoch bald mit ihren strahlenden, dunklen Augen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hervorguckte. Für den reichen Müller diente zum Beweise, daß er ein Jäger seines","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Kantons war, lediglich der Umstand, daß er die besten Schüsse abgab und der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gefeiertste war. Rudi war wahrlich ein Glückskind; wonach er hierher gewandert","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"war, was er aber an Ort und Stelle beinahe vergessen hatte, das suchte ihn auf.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Wo sich Landsleute fern von der Heimat treffen, da kennen sie einander, da reden","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sie einander an. Rudi war beim Schützenfeste durch seine Schüsse offenbar der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Erste, geradeso wie der Müller daheim in Bex durch sein Geld und seine gute","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Mühle war, und deshalb drückten die beiden Männer einander die Hände, was sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nie zuvor getan hatten. Auch Babette reichte Rudi treuherzig die Hand, und er","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"drückte sie ihr wieder und sah sie an, daß sie ganz rot dabei wurde.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Der Müller erzählte von dem langen Wege, den sie zurückgelegt, von den vielen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Städten, die sie gesehen hatten. Es war eine ordentliche Reise gewesen; sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hatten das Dampfschiff benutzt, waren mit der Eisenbahn und mit der Post","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"gefahren.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Ich bin den kürzeren Weg gegangen,\" sagte Rudi. \"Ich bin über die Berge","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"gegangen. Kein Weg ist so hoch, daß man ihn nicht passieren kann!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Aber auch den Hals dabei brechen,\" sagte der Müller. \"Und Ihr seht mir gerade","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"danach aus, daß Ihr den Hals einmal brechen müßt, so verwegen wie Ihr seid!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Man fällt nicht, wenn man es sich nicht selbst einbildet!\" sagte Rudi.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Des Müllers Verwandte in Interlaken, bei denen der Müller und Babette auf Besuch","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"waren, baten Rudi, bisweilen bei ihnen vorzusprechen, er wäre ja mit ihnen aus","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"demselben Kanton. Das war für unseres Rudi Pläne ein gar günstiges Anerbieten,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"das Glück war mit ihm, wie es immer mit denjenigen ist, der sich auf sich selbst","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"verläßt und dessen eingedenk bleibt: \"Gott gibt uns zwar die Nüsse, aber er","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"knackt sie uns nicht auf.\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi saß, als ob er mit zur Familie gehörte, bei den Verwandten des Müllers; ein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Hoch wurde auf den besten Schützen ausgebracht, und Babette stieß mit an, und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi bedankte sich für die ihm erzeigte Ehre.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gegen Abend durchschritten sie alle die schöne Straße längs den prächtigen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Hotels unter den alten Walnußbäumen, und es bewegte sich dort eine solche","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Volksmenge, es war ein so großes Gedränge, daß Rudi Babette den Arm bieten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"mußte. Er wäre so froh darüber, daß er Leute aus Waadt getroffen hätte, sagte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"er. Waadt und Wallis wären gute Nachbarkantone. Er sprach seine Freude so","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"aufrichtig und ungeheuchelt aus, daß es Babette durchaus notwendig erschien,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ihm dafür die Hand zu drücken. Sie gingen fast wie alte Bekannte nebeneinander,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und drollig war sie, das kleine, allerliebste Menschenkind. Es stand ihr in","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudis Augen so niedlich, auf das Lächerliche und Übertriebene in der Kleidung","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und den Moden aufmerksam zu machen, welche die fremden Damen zur Schau trugen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Es geschah übrigens durchaus nicht , um sich über sie lustig zu machen, denn","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"es konnten sehr rechtschaffene, ja gute und liebenswürdige Menschen sein, wie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Babette sehr wohl wußte, hatte sie doch eine solche vornehme englische Dame zur","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Patin. Vor achtzehn Jahren befand sie sich, als Babette getauft wurde, gerade in","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Bex; sie hatte Babette die kostbare Nadel geschenkt, die sie an der Brust trug.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Zweimal hätte ihre Patin bereits geschrieben, und in diesem Jahr hätte sie mit","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ihr und ihren Töchtern, alten Jungfern an die Dreißig heran, wie sich Babette","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ausdrückte, sie selbst war ja nur achtzehn, hier in Interlaken zusammentreffen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sollen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Der süße kleine Mund stand nicht einen Augenblick still, und alles, was Babette","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sagte, klang Rudi wie Dinge von der größten Wichtigkeit, und er erzählte wieder,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"was er zu erzählen hatte, erzählte, wie oft er in Bex gewesen wäre, wie gut","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"er die Mühle kenne, wie oft er Babette gesehen, sie ihn dagegen wahrscheinlich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nie bemerkt hätte. Als er nun das letztemal zur Mühle gekommen, und zwar","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"mit allerlei Gedanken, die er ihr nicht sagen könnte, wäre sie und ihr Vater","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"fortgewesen, weit fort, aber doch nicht so weit, daß man nicht hätte die Mauer","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"überspringen können, die den Weg weit machte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Ja, das sagte er, und er sagte so vieles. Er sagte, wie lieb er sie hätte, und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"daß er nur um ihretwillen und nicht wegen des Schützenfestes gekommen wäre.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Babette wurde ganz still; es war fast zu viel, was er ihr zu tragen anvertraute.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und während sie gingen, sank die Sonne hinter die hohe Felsenwand, die Jungfrau","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"erhob sich in Pracht und Glanz, umgeben vom waldgrünen Kranze der nahen Berge.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Die vielen Menschen blieben stehen und schauten dorthin; auch Rudi und Babette","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"weideten ihre Augen an der erhabenen Pracht.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Nirgends ist es schöner als hier!\" sagte Babette","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Nirgends!\" wiederholte Rudi und sah Babette dabei an.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Morgen muß ich fort!\" fügte er kurz darauf hinzu.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Besuche uns in Bex!\" flüsterte Babette. \"Das wird meinen Vater erfreuen!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"V. Auf dem Heimwege","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Oh, wie vieles hatte Rudi zu tragen, als er am nächsten Tage über die hohen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Berge heimwärts ging! Ja, er hatte drei silberne Becher, zwei ausgezeichnete","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Büchsen und eine silberne Teekanne, von der man Gebrauch machen konnte, wenn man","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"einen Hausstand begründete. Das war jedoch noch nicht das am meisten ins Gewicht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Fallende. Etwas Gewichtigeres, Mächtigeres trug er, oder trug ihn vielmehr","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"über die Berge nach Hause. Aber das Wetter war rauh, der Himmel grau, trüb und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"schwer. Die Wolken senkten sich wie Trauerschleier über die Bergeshöhen und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hüllten die weithin leuchtenden Berggipfel ein. Aus dem Waldgrunde schallten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die letzten Axtschläge, und die Berge abwärts rollten Baumstämme, die sich von","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der Höhe aus wie leichtes Schnitzwerk, in der Nähe dagegen wie schwere Mastbäume","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ausnahmen. Die Lütschine rauschte in ihren einförmigen Akkorden, der Wind","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sauste, die Wolken segelten. Dicht neben Rudi ging plötzlich ein junges Mädchen,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"das er nicht eher bemerkt hatte, als bis es ihm unmittelbar zur Seite ging. Es","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wollte ebenfalls über das Gebirge. Des Mädchens Augen hatten eine eigentümliche","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Macht, man mußte in sie hineinschauen, sie waren so sonderbar glashell, so tief,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"so bodenlos.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Hast Du einen Liebsten?\" fragte Rudi. Seine Gedanken drehten sich nur darum,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"daß man eine Liebste haben müßte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"ich habe keinen!\" sagte das Mädchen und lachte, aber es war, als ob es nicht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die Wahrheit spräche. \"Laß uns keinen Umweg machen!\" fuhr es fort. \"Wir müssen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"uns mehr nach links halten; es ist kürzer!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Ja, um in eine Eisspalte zu fallen!\" erwiderte Rudi. \"Weißt Du den Weg nicht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"besser und willst Führerin sein?\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Ich kenne den Weg recht gut und habe meine vollen Gedanken beisammen. Deine","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"weilen wahrscheinlich noch unten im Tale. Hier oben muß man an die Eisjungfrau","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"denken. Sie ist den Menschen nicht gut, sagen die Menschen.\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Ich fürchte sie nicht,\" versetzte Rudi, \"hat sie mich loslassen müssen, als","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ich noch ein Kind war, so werde ich ihr jetzt, wo ich älter bin, auch wohl","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"entgehen.\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und die Finsternis nahm zu, der Regen fiel, der Schnee kam, er leuchtete, er","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"blendete.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Reiche mir Deine Hand, damit ich Dir beim Steigen helfen kann!\" sagte das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Mädchen und berührte sie mit eiskalten Fingern.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Du mir helfen!\" rief Rudi. \"Noch nie bedurfte ich Weiberhilfe zum Klettern!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Er ging rascher zu, fort von ihr. Das Schneegestöber hüllte ihn gleichsam in","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"einen Vorhang ein, der Wind sauste, und hinter sich hörte er, wie das Mädchen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"lachte und sang. Es klang so seltsam. Es gab soviel Zauberspuk im Dienste der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Eisjungfrau. Rudi hatte davon gehört, wie er als Kind auf seiner Wanderung über","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die Berge hier oben übernachtete.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Der Schnee fiel dünner, die Wolken lagen unter ihm. Er schaute zurück, und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"niemand war mehr zu sehen, aber er hörte Lachen und Jodeln, und es tönte nicht,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"als ob es von einem Menschen herrührte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Als Rudi endlich die obersten Gipfel des Berges erreichte, wo sich der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gebirgspfad nach dem Rhonetale abwärts senkte, erblickte er in dem hellen blauen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Luftstreifen, in der Richtung auf Chamonix, zwei funkelnde Sterne, und er dachte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"an Babette, an sich und sein Glück, und wurde bei den Gedanken warm.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"VI. Der Besuch in der Mühle","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Sachen, wie sie für Herrschaften passen, bringst Du in das Haus!\" rief die alte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Pflegemutter, und ihre sonderbaren Adleraugen blitzten, sie bewegte den mageren","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Hals noch geschwinder in seltsamen Verdrehungen. \"Das Glück ist mit Dir, Rudi!","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Ich muß Dich küssen, mein süßer Junge!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und Rudi ließ sich küssen, aber es war seinem Gesicht anzusehen, daß er sich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"in die Umstände, in die kleinen häuslichen Beschwerden nur mit Mühe fand. \"Wie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"schön Du bist, Rudi!\" sagte die alte Frau.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Bilde mir nichts ein!\" versetzte Rudi lachend, aber es war ihm doch angenehm.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Ich sage es noch einmal,\" fuhr die Alte fort, \"Das Glück ist mit Dir!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Ja, darin schenke ich Dir Glauben!\" antwortete er und dachte an Babette.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Nie hatte er sich vorher so wie jetzt nach dem tiefen Tale gesehnt.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Sie müssen jetzt zurückgekommen sein!\" sagte er bei sich selbst. \"Es sind schon","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zwei Tage über die festgesetzte Zeit. Ich muß nach Bex!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und Rudi kam nach Bex, und Müllers waren daheim. Gut wurde er aufgenommen und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"empfing Grüße von der Familie in Interlaken. Babette sprach nicht viel, sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"war schweigsam geworden, aber ihre Augen sprachen, und das war auch Rudi völlig","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"genug. Der Müller, der sonst gerne das Wort führte, denn er war gewöhnt, daß","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"man seine Einfälle und Wortspiele stets belachte, war er doch der reiche Müller,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"fand merkwürdigerweise ein Vergnügen daran, Rudi seine Jagdabenteuer, die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Beschwerden und Gefahren, welche die Gemsenjäger auf den hohen Felsenzacken zu","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"bestehen haben, erzählen zu hören. Aufmerksam lauschte er der Erzählung, wie sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"über die unsicheren Schneegesimse, welche Wind und Wetter fest an den Felsenrand","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"kitten, kriechen müßten, über die kühnen Brücken hinwegkriechen, welche das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schneegestöber über die tiefen Abgründe gezogen hat. So kühn sah Rudi dabei aus,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"seine Augen glänzten, während er von dem Jägerleben, von der Klugheit und den","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"verwegenen Sprüngen der Gemsen, vom wütenden Föhn und von den rollenden Lawinen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"erzählte. Er merkte sehr wohl, daß er bei jeder neuen Beschreibung mehr und mehr","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"bei dem Müller gewann. Das, was diesen aber ganz besonders ansprach, war sein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Bericht über die Lämmergeier und die kühnen Königsadler.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Nicht weit von hier befand sich im Kanton Wallis ein unter einem überhängenden","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Felsenrande sehr schlau angelegtes Adlernest. Es war ein Junges darin, das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"niemand auszunehmen wagte. Ein Engländer hatte Rudi vor wenigen Tagen eine ganze","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Handvoll Gold geboten, wenn er ihm das Junge lebendig verschaffen wollte. Aber","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"es hat alles seine bestimmten Grenzen,\" hatte er geantwortet. \"Der junge Adler","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"läßt sich nicht ausnehmen, es wäre eine Torheit, sich darauf einzulassen.\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und der Wein floß, und die Rede floß, aber der Abend deuchte Rudi zu kurz, und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"doch war es weit über Mitternacht, als er nach seinem ersten Besuch in der Mühle","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Abschied nahm.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Einen kurzen Augenblick blinkten die Lichter noch durch das Fenster und zwischen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die grünen Zweige hindurch. Aus der offenen Dachluke kam die Stubenkatze und die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Dachrinne entlang spazierte die Küchenkatze.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Weißt Du was Neues aus der Mühle?\" fragte die Stubenkatze. \"Es gibt hier im","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Hause eine heimliche Verlobung! Vater weiß noch nichts davon. Rudi und Babette","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"haben sich während des ganzen abends einander unter dem Tische auf die Füße","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"getreten. Mich traten sie zweimal, aber ich miaute doch nicht, es hätte sonst","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Aufmerksamkeit erregt!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Ich würde es doch getan haben!\" entgegnete die Küchenkatze.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Was sich in der Küche schickt, schickt sich nicht in der Stube!\" erwiderte die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Stubenkatze. \"Ich möchte nur wissen, was der Müller sagen wird, wenn er von der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Verlobung hört!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Ja, was würde der Müller sagen, das hätte auch Rudi gern wissen mögen; aber","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"lange darauf zu warten, bis er es erfuhr, vermochte er nicht. Und deshalb saß","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi nicht viele Tage später, als der Omnibus über die Rhonebrücke zwischen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Wallis und Waadt rollte, guten Mutes wie immer darin und wiegte sich in","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"herrliche Träume von dem Jaworte, das er noch heute abend zu erhalten hoffte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Weißt Du es schon, Du aus der Küche! Der Müller weiß jetzt alles. Es hat ein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"merkwürdiges Ende genommen. Rudi kam hier gegen Abend an, und er und Babette","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hatten viel miteinander zu flüstern und zu tuscheln; sie standen auf dem Gange","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"gerade vor des Müllers Zimmer. Ich lag zu ihren Füßen, aber sie hatten für","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"mich weder Auge noch Sinn. 'Ich gehe direkt zu Deinem Vater hinein,' sagte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi, 'es ist eine ehrliche Sache.' 'Soll ich Dich begleiten?' fragte Babette.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"'Meine Gegenwart wird Dir Mut einflößen!' 'An Mut fehlt es mir nicht!' versetzte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi, 'aber bist Du zugegen, muß er wenigstens Ruhe bewahren, er mag wollen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"oder nicht!' Und darauf gingen sie hinein. Rudi trat mir dabei heftig auf den","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schwanz. Rudi ist schrecklich linkisch. Ich miaute, aber weder er noch Babette","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hatten Augen, um zu hören. Sie öffneten die Tür und traten beide ein, ich voran,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"schnell sprang ich auf eine Stuhllehne, konnte ich doch nicht wissen, was für","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Kratzfüße Rudi machen würde. Aber jetzt kam die Reihe an den Müller, seine","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Füße zu gebrauchen. Ohne Fußtritte ging es nicht ab. 'Hinaus zur Tür und zu","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"den Gemsen ins Gebirge hinauf! Nach ihnen kann nun Rudi zielen und nicht nach","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"unserer kleinen Babette!'\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Aber was wurde denn gesagt?\" fragte die Küchenkatze.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Gesagt? Nun, es wurde alles gesagt, was die Leute bei einer Bewerbung zu sagen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"pflegen: Ich habe sie lieb und sie hat mich lieb; und wenn Milch im Topfe für","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"einen da ist, so ist auch genug Milch im Topfe für zwei!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"'Aber sie steht viel zu hoch für Dich!' erwiderte der Müller, 'sie steht,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"das weißt Du ja, auf einem Berge, auf einem Goldberge! Zu ihr klimmst Du nicht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hinauf!' 'Nichts steht so hoch, daß man es nicht erreichen könnte, wenn man","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ernstlich will!' sagte Rudi, denn um eine Antwort ist er nicht verlegen. 'Aber","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"das Adlernest ist Dir doch zu hoch; den jungen Adler kannst Du Dir doch nicht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"erbeuten, sagtest Du selbst das letzte Mal. Babette steht höher!' 'Ich erbeute","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sie alle beide!' rief Rudi rasch. 'Ja, ich will sie Dir schenken, wenn Du mir","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"den jungen Adler lebendig bringst,' versetzte der Müller und lachte, daß ihm die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Tränen in die Augen traten. 'Aber nun habe schönen Dank für Deinen freundlichen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Besuch, Rudi; komm morgen wieder, dann ist hier niemand zuhause! Lebe wohl,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi!' Und Babette sagte ebenfalls 'Lebewohl,' so kläglich, wie ein junges","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Kätzchen, das seine Mutter nicht sehen kann. 'Ein Mann, ein Wort!' sprach Rudi","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"entschlossen. 'Weine nicht, Babette, ich bringe den jungen Adler!' 'Ich hoffe,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Du brichst Dir den Hals!' entgegnete der Müller, 'und dann sind wir Dich los!'","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Das heiße ich einen Fußtritt versetzen! Rudi ist nun fort, und Babette sitzt und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"weint, aber der Müller singt ein deutsches Lied, das er auf der Reise gelernt","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hat. Ich will mich nicht weiter über die Geschichte grämen; es hilft doch","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nichts!\" - \"Es kann ja immer noch anders kommen!\" sagte die Küchenkatze.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"VII. Das Adlernest","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Ein lustiger und lauter Jodler schallte von dem Felsenpfade herab und drückte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"gute Laune und unerschrockenen Mut aus. Rudi war es, er ging zu seinem Freunde","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Vesinand.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Du mußt mir helfen! Wir nehmen Ragli mit, ich muß den jungen Adler aus dem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Neste oben am Felsenrande ausnehmen!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Willst Du nicht lieber gleich den Mann aus dem Monde holen, das ist ungefähr","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ebenso leicht!\" erwiderte Vesinand. \"Du bist heut gut gelaunt!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Ja, denn ich denke, Hochzeit zu feiern. Doch nun ernstlich geredet: Du mußt","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wissen, wie meine Angelegenheiten stehen!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und bald wußten Vesinand und Ragli, um was es sich handelte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Du bist ein waghalsiger Bursche!\" sagten sie. \"Es geht nicht, Du brichst Dir","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"den Hals!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Man fällt nicht, wenn man es sich nicht einbildet!\" entgegnete Rudi.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Um Mitternacht brachen sie auf, mit Stangen, Leitern und Stricken reichlich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"versehen. Der Weg führte zwischen Sträuchern und Büschen hindurch, über rollende","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Steine hinweg, immer aufwärts, aufwärts in die dunkle Nacht hinein. Das Wasser","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"rauschte hernieder, das Wasser rieselte auf der Höhe, feuchte Wolken trieben in","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der Luft. Die Jäger erreichten den steilen Felsenrand, dunkler wurde es hier,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die Felsenwände stießen fast zusammen, und nur hoch oben in der schmalen Spalte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zeigte sich ein geringer Lichtschimmer. Dicht vor ihnen war ein tiefer Abgrund","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"mit einem rauschenden Wasserfall. Still saßen sie alle drei da, sie wollten die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Dämmerung erwarten, in welcher der Adler ausflog. War er nicht erst geschossen,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"konnte man gar nicht daran denken, sich des Jungen zu bemächtigen. Rudi saß","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zusammengekauert, so still, als wäre er ein Stück des Steines, auf dem er saß.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Das Gewehr hielt er schußfertig vor sich, die Augen unverwandt auf die oberste","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Spalte gerichtet, wo sich das Adlernest unter den herabhängenden Felsen verbarg.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Die drei Jäger warteten lange.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Plötzlich ertönte über ihnen ein krachender, rauschender Laut; ein großer","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"schwebender Gegenstand überschattete sie. Zwei Büchsenläufe richteten sich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"auf die schwarze Adlergestalt, als sie aus dem Neste aufflog. Ein Schuß fiel.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Einen Augenblick bewegten sich die ausgebreiteten Schwingen und dann senkte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sich der Vogel langsam hinab, als wollte er durch seine Größe und seine","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ausgestreckten Flügel die ganze Kluft ausfüllen und die Jäger in seinem Falle","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"mit hinunterreißen. Der Adler sank in die Tiefe; es krachte in den Baumzweigen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und Büschen, die durch den Fall des Vogels zerknickt wurden.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und jetzt begann eine emsige Geschäftigkeit. Drei der längsten Leitern","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wurden, damit sie bis oben hinaufreichten, zusammengebunden. Sie wurden auf","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"dem äußersten festen Punkte am Rande des Abgrundes aufgestellt, reichten aber","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"trotzdem noch nicht. Und noch ein ganzes Stück höher hinauf, bis dorthin, wo","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sich das Nest im Schutze des obersten hinüberragenden Felsenknotens verbarg, war","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die Felswand glatt wie eine Mauer. Nach kurzer Beratung wurde man darüber einig,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"daß sich nichts Besseres tun ließe, als von obenher zwei zusammengebundene","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Leitern in die Kluft hinabzulassen und dann diese mit den dreien, die schon","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"unten aufgestellt waren, in Verbindung zu setzen. Mit großer Mühe gelang es,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die beiden Leitern hinaufzuschleppen und die Stricke zu befestigen. Die Leitern","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wurden über den hervorspringenden Felsen hinausgeschoben und hingen frei mitten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"über dem Abgrunde. Rudi saß bereits auf der untersten Sprosse. Es war ein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"eiskalter Morgen; Nebelwolken erhoben sich von unten aus der schwarzen Kluft.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi saß draußen, wie eine Fliege auf dem schaukelnden Strohhalme sitzt, welchen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ein sein Nest bauender Vogel auf dem Rande des hohen Fabrikschornsteins verloren","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hat, aber die Fliege kann eben fliegen, Rudi konnte sich nur den Hals brechen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Der Wind umsauste ihn, und im Abgrunde unter ihm brauste das aus dem aufgetauten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gletscher, dem Palaste der Eisjungfrau, schnell herabströmende Wasser.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Nun setzte er die Leitern in eine schwingende Bewegung, wie die Spinne, die sich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"von ihrem langen schwebenden Faden aus an irgendeinen Haltepunkte festklammern","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"will, und als Rudi zum viertenmal die von untenher angelehnten Leitern berührte,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"faßte er sie und band sie mit sicherer und kräftiger Hand zusammen, was aber","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"doch nicht verhinderte, daß sie unaufhörlich hin und her schwankten.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Einem schwebenden Rohre glichen die fünf langen Leitern, die bis zum Neste","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hinaufreichten und sich fast senkrecht an die Felsenwand lehnten. Doch das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gefährlichste kam jetzt erst; nun galt es wie eine Katze zu klettern; aber","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi verstand es auch, sein alter Kater hatte es ihn gelehrt. Er empfand keinen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schwindel, gewahrte nicht, daß der Schwindel hinter ihm Luft trat und seine","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Polypenarme nach ihm ausstreckte. Jetzt stand er auf der obersten Sprosse","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der Leiter und bemerkte, daß er immer noch nicht in das Nest hineinzusehen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"vermochte, nur mit der Hand konnte er an dasselbe reichen. Vorsichtig prüfte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"er, wie fest die untersten Zweige saßen, die den Boden des Nestes bildeten, und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nachdem er einen dicken und haltbaren Zweig ergriffen hatte, schwang er sich von","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der Leiter auf den Zweig hinauf und lag nun mit Brust und Kopf über dem Neste;","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"aber ein erstickender Leichengeruch strömte ihm entgegen. Verfaulte Lämmer,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gemsen und Vögel lagen in großen Fetzen umher. Der Schwindel, der ihn nicht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zu berühren vermochte, blies ihm die giftigen Dünste ins Antlitz, um ihn zu","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"betäuben; und unten in der schwarzen gähnenden Tiefe, auf dem rauschenden Wasser","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"saß die Eisjungfrau selbst mit ihren langen weißlichgrünen Haaren und starrte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ihn mit todbringenden Augen, wie mit zwei Büchsenläufen an.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Jetzt fange ich Dich!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"In einer Ecke des Nestes saß groß und mächtig der junge Adler, der noch nicht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"fliegen konnte. Rudi richtete seine Augen auf ihn, hielt sich mit der einen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Hand kräftig fest und warf mit der anderen Hand die Schlinge um den jungen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Adler. Lebendig war er gefangen, die Schnur hatte sich um seine Füße gewunden,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und Rudi warf die Schlinge mit dem Vogel über seine Schulter, so daß das Tier","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ein gutes Stück unter ihm hinabhing, während er sich an einem zu seiner Hilfe","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"herabgelassenen Stricke festhielt, bis er wieder mit der Fußspitze den obersten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rand der Leiter erreichte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Halte Dich fest, bilde Dir nicht ein, daß Du fällst, dann fällst Du auch","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nicht!\" so lautete die alte Lehre, und er befolgte sie, hielt sich fest, kroch,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"war dessen gewiß nicht zu fallen, und er fiel nicht.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Ein Jodler, kräftig und froh, schallte weithin. Rudi stand mit seinem jungen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Adler wieder auf festem Felsengrunde.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"VIII. Welche Neuigkeiten die Stubenkatze wieder zu erzählen hatte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Hier ist das Verlangte!\" sagte Rudi, der zu dem Müller in Bex in das Zimmer","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"trat und einen großen Korb auf den Fußboden setzte. Als er das Tuch abnahm,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"starrten zwei gelbe, schwarz umränderte Augen daraus, so funkelnd, so wild","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hervor, daß man ihm die Lust anmerkte, sich in alles, was er sah, einzubeißen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Der kurze starke Schnabel öffnete sich zum Bisse, der Hals war rot und mit","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Daunen bedeckt.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Der junge Adler!\" rief der Müller. Babette stieß einen Schrei aus und sprang","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"auf die Seite, vermochte aber ihre Augen weder von Rudi noch von dem jungen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Adler abzuwenden.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Du läßt Dich nicht verblüffen!\" sagte der Müller.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Und Ihr haltet stets Wort!\" sagte Rudi. \"Jeder hat sein besonderes Merkmal!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Aber weshalb brachest Du Dir nicht den Hals?\" fragte der Müller","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Weil ich festhielt!\" erwiderte Rudi, \"und das tue ich auch jetzt, ich halte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"fest an Babette!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Sieh erst zu, daß Du sie hast!\" sagte der Müller und lachte; und das war, wie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Babette wußte, ein gutes Zeichen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Laß uns erst den jungen Adler aus dem Korbe schaffen, es ist ja schrecklich mit","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"anzusehen, wie er uns anglotzt! Wie hast Du ihn denn gefangen?\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und Rudi mußte erzählen, und der Müller betrachtete ihn mit Augen, die immer","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"größer und größer wurden.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Mit Deinem Mute und Deinem Glücke kannst Du drei Frauen versorgen!\" hob endlich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der Müller an.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Dank, herzlichen Dank!\" rief Rudi.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Ja, Babette hast Du deshalb doch noch nicht!\" entgegnete der Müller und klopfte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"dem jungen Alpenjäger scherzend auf die Schulter.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Weißt Du das Neueste aus der Mühle?\" fragte die Stubenkatze die Küchenkatze;","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Rudi hat uns den jungen Adler gebracht und tauscht Babette dafür ein. Sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"haben einander geküßt und den Vater zusehen lassen, das ist so gut wie eine","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Verlobung! Der Alte versetzte keine Fußtritte mehr, zog die Krallen ein, hielt","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ein Mittagsschläfchen und ließ die beiden sitzen und schön miteinander tun. Sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"haben sich soviel zu erzählen, sie werden bis Weihnachten nicht fertig!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und sie wurden auch bis Weihnachten nicht fertig. Der Wind wirbelte in braunen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Kreisen das Laub umher, der Schnee stöberte im Tale wie auf den hohen Bergen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Die Eisjungfrau saß in ihrem stolzen Schloß, das zur Winterszeit sich ausdehnte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und vergrößerte. Die Felsenwände waren mit Eis überzogen und klafterdicke,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"elefantenschwere Eiszapfen hingen da, wo im Sommer der Gebirgsstrom seinen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Wasserschleier flattern ließ. Eisgirlanden von fantastischen Eiskristallen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"glitzerten über den schneebepuderten Tannen. Die Eisjungfrau ritt auf dem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sausenden Winde, über die tiefsten Täler dahin. Bis nach Bex hinab lag eine","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"feste Schneedecke, und wenn sie dort ankam, konnte sie Rudi weit mehr als er","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"gewohnt war, hinter der Tür sehen; saß er doch bei seiner Babette. Im Sommer","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sollte die Hochzeit gefeiert werden; freunde und Bekannte sprachen so oft davon,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"daß ihnen ordentlich die Ohren klangen. Es war ewiger Sonnenschein, wie die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"schönste Alpenrose glühte die muntere, lachende Babette, schön wie der Frühling,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der jetzt nahte, der Frühling, der alle Vögel vom Sommer, vom Hochzeitstage","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"singen ließ.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Wie die beiden nur so ewig beieinander sitzen und sich übereinander neigen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"können!\" sagte die Stubenkatze. \"Das stete Einerlei ihres Miauens ist mir nun","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"doch zu langweilig!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"IX. Die Eisjungfrau","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Der Frühling hatte seinen saftgrünen Kranz von Walnuß- und Kastanienbäumen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"entfaltet, der besonders von der Brücke bei St. Maurice die Rhone entlang bis","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zum Ufer des Genfer Sees an Üppigkeit stets zunahm. In schnellem Lauf rauschte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"dieser Strom von seiner Quelle unter dem grünen Gletscher, dem Eispalaste,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"daher, rauschte stürmisch von dorther, wo die Eisjungfrau wohnt, wo sie sich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"vom scharfen Wind auf das oberste Schneefeld tragen läßt und sich im warmen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Sonnenscheine auf den rein gefegten Kissen ausstreckt. Dort saß sie und blickte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"weitschauend in die tiefen Täler hinab, wo sich die Menschen wie Ameisen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"geschäftig bewegten.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Geisteskräfte, wie Euch die Kinder der Sonne nennen!\" sagte die Eisjungfrau,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Gewürm seid Ihr! Ein rollender Schneeball, und Ihr und Eure Häuser seid","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zerdrückt und ausgewischt von der Tafel des Lebens!\" Und höher erhob sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ihr stolzes Haupt und blickte mit todsprühenden Augen weit umher und tief","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hinab. Aber aus dem Tale schallte ein eigentümliches Rollen empor: der Donner","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"von Felsensprengungen, Menschenwerk! Wege und Tunnel wurden für Eisenbahnen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"angelegt.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Die niedrigen Maulwürfe!\" sagte sie; \"sie graben Gänge und deshalb lassen sich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Töne wie Flintenschüsse vernehmen. Verlege ich meine Schlösser, dann klingt es","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"stärker als Donnergeroll!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Aus dem Tale erhob sich Rauch, der sich vorwärts bewegte wie ein flatternder","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schleier, ein von der Lokomotive wehender Federbusch, von der Lokomotive,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die auf der neueröffneten Eisenbahn die Wagenreihe zog, diese sich windende","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schlange, deren Glieder Wagen an Wagen bilden; pfeilschnell schoß der Zug dahin.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Sie spielen die Herren da unten, diese Geisteskräfte!\" fuhr die Eisjungfrau","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"in ihrem Selbstgespräche fort. \"Die Kräfte der Naturmächte sind doch allein die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"herrschenden!\" und sie lachte, sie sang, und es hallte im Tale wider.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Dort rollte soeben eine Lawine!\" sagten die Menschen da unten. Aber die Kinder","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der Sonne sangen noch lauter von dem Menschengedanken, welcher gebietet; das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Meer unter dem Joche hält, Berge versetzt, Täler füllt; der Menschengedanke,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"er ist der Herr der Naturkräfte. Gerade in demselben Augenblicke ging über das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schneefeld, auf dem die Eisjungfrau saß, eine Gesellschaft Reisender. Sie hatten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sich mit Stricken aneinander festgebunden, um gleichsam einen einzigen größeren","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Körper auf der glatten Eisfläche, an den tiefen Abgründen zu bilden.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Gewürm!\" sagte sie. \"Ihr wäret die Herren der Naturmächte!\" und sie wandte sich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"von ihnen ab und sah spöttisch in das tiefe Tal hinab, wo der Eisenbahnzug eben","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"vorüberbrauste.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Da sitzen sie, diese Gedanken. Sie sitzen in der Gewalt der Kräfte, ich sehe","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sie, sehe jeden einzelnen Menschen im Zuge! Einer sitzt stolz wie ein König,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"allein; dort sitzen sie in einem Haufen zusammen, die Hälfte schläft, und wenn","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der Dampfdrache hält, steigen sie aus und gehen ihre Wege. Die Gedanken gehen in","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die Welt hinaus!\" Und sie lachte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Da rollt schon wieder eine Lawine!\" sagten sie unten im Tale.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Uns trifft sie nicht!\" sagten zwei auf dem Rücken des Dampfdrachens, \"zwei","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Seelen und ein Gedanke,\" wie es im Liede heißt. Es waren Rudi und Babette, auch","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der Müller war dabei.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Als Gepäck!\" sagte er. \"Ich reise mit als das notwendige Übel!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Da sitzen die beiden!\" sagte die Eisjungfrau. \"Viele Gemsen habe ich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zerschmettert, Millionen von Alpenrosen habe ich geknickt und gebrochen, nicht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die Wurzel blieb. Ich vertilge sie, die Gedanken, die Geisteskräfte!\" Und sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"lachte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Es rollt schon wieder eine Lawine!\" sagten sie unten im Tale.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"X. Die Frau Patin","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"In Montreux, einem der nächsten Städtchen, das mit Clarens, Vernex und Crin","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"einen Kranz um den nordöstlichen Teil des Genfer Sees bildet, wohnte Babettes","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Patin, die vornehme Engländerin mit ihren Töchtern und einem jungen Verwandten.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Sie waren vor kurzem eingetroffen, doch hatte ihnen der Müller schon seinen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Besuch abgestattet, hatte ihnen Babettes Verlobung mitgeteilt und von Rudi und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"dem jungen Adler, von dem Besuche in Interlaken, kurzum die ganze Geschichte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"erzählt, und das alles hatte sie im höchsten Grade unterhalten und ihnen ein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"lebhaftes Interesse für Rudi und Babette und auch für den Müller eingeflößt.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schließlich sollen sich alle drei vorstellen, und deshalb kamen sie. Babette","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"soll ihre Patin, die Patin Babette sehen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Bei der kleinen Stadt Villeneuve, am Ende des Genfer Sees, lag das Dampfschiff,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"das die Reisenden in halbstündiger Fahrt nach Bernex, gerade unterhalb Montreux,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"befördert. Es ist ein von Dichtern besungenes Ufer; hier, unter den Walnußbäumen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"an dem tiefen blaugrünen See, saß Byron und schrieb seine melodischen Verse","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"von dem Gefangenen in dem unheimlichen Felsenschloß Chillon. Dort, wo Clarens","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sich mit seinen Trauerweiden im Wasser spiegelte, wanderte Rousseau, von seiner","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Heloïse träumend. Die Rhone gleitet unter Savoyens hohen schneebedeckten Bergen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hervor. Hier liegt nicht weit von ihrer Mündung in den See eine kleine Insel,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ja sie ist so klein, daß sie vom Ufer aus wie ein Schiff erscheint. Es ist ein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Felseneiland, das eine Dame vor länger als hundert Jahren eindämmen, mit Erde","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"belegen und mit drei Akazienbäumen, die jetzt die ganze Insel überschatten,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"bepflanzen ließ. Babette war über das kleine Plätzchen völlig entzückt, in","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ihren Augen war es das schönste auf der ganzen Fahrt, dort sollte man hin, dort","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"müßte man hin, dort müßte es unvergleichlich lieblich sein, meinte sie. Aber das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Dampfschiff fuhr vorüber und legte, wie es sollte, bei Vernex an.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Die kleine Gesellschaft wanderte von hier zwischen den weißen sonnigen Mauern","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"aufwärts, welche die Weingärten vor dem kleinen Bergstädtchen Montreux umgeben.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Feigenbäume gewähren vor den Bauernhäusern Schatten, Lorbeeren und Zypressen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wachsen in den Gärten. Den Berg halb hinauf lag die Pension, in welcher die Frau","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Patin wohnte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Der Empfang war sehr herzlich. Die Patin war eine große freundliche Frau","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"mit rundem lächelndem Gesicht. Als Kind mußte sie ein wahres Raffaelsches","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Engelsköpfchen gewesen sein, aber jetzt war sie ein alter Engelskopf, den sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"silberweißen Haare reich umlockten. Die Töchter waren zierlich, fein, lang und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"schlank. Der junge Vetter, der sie begleitet und vom Scheitel bis zu den Zehen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ganz in Weiß gekleidet war, mit rötlichem Haar und rötlichem Backenbarte, so","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"lang, daß sich drei Gentlemen darein hätten teilen können, erzeigte der kleinen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Babette sofort die größte Aufmerksamkeit.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Reich eingebundene Bücher, Notenblätter und Zeichnungen lagen zerstreut auf dem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"großem Tische, die Tür zu dem Balkon, von dem eine herrliche Aussicht auf den","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sich weithin ausdehnenden See hatte, stand geöffnet. Still und ruhig lag der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"klare Wasserspiegel da, in dem sich Savoyens Berge mit ihren Städtchen, Wäldern","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und Schneegipfeln umgekehrt spiegelten.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi, der sonst immer kühn, lebensfrisch und unbefangen war, fühlte sich sehr","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"beklommen und unbehaglich. Hier bewegte er sich, als ob er auf einem glatten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Boden über Erbsen ginge. Wie entsetzlich träge die Zeit verstrich! Er glaubte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sich in einer Tretmühle zu befinden. Nun wollte man spazieren gehen. Es ging","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"genau ebenso langsam. Rudi mußte zwei Schritte vorwärts und einen rückwärts","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"machen, um den anderen nicht zuvorzukommen. Nach Chillon, dem alten düstern","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schloß auf der Felseninsel, gingen sie hinab, um den Marterpfahl, die Kerker,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die verrosteten Ketten an der Felsenmauer, die steinerne Pritsche für die zum","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Tode Verurteilten und die Falltür anzusehen, von welcher die Unglücklichen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hinabgestürzt und auf eisernen Stacheln mitten in der Brandung gespießt wurden.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Ein Richtplatz war es, durch Byrons Lied in die Welt der Poesie gehoben. Rudi","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"war es zumute, als würde er selbst zur Richtstätte geführt; er lehnte sich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"an den steinernen Fensterrahmen und schaute in das tiefe bläulichgrüne Wasser","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hinab, schaute hinüber zu der kleinen einsamen Insel mit den drei Akazien; weit","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"fort wünschte er sich von der ganzen schwatzenden Gesellschaft, während Babette","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"in der heitersten Laune war. Sie hätte sich vortrefflich amüsiert, sagte sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"später. Den Vetter fand sie vollkommen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Ja, ein vollkommenes Schatzmaul ist er!\" erwiderte Rudi, und das war das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"erstemal, daß Rudi etwas sagte, was Babette unangenehm berührte. Ein kleines","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Buch hatte ihr der Engländer zur Erinnerung an Chillon geschenkt. Es war Byrons","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gedicht \"Der Gefangene in Chillon\" in französischer Übersetzung, so daß Babette","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"imstande war, es zu lesen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Das Buch kann vielleicht gut sein,\" sagte Rudi, \"aber der feingekämmte Bursche,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der es Dir gab, hat bei mir wenigstens kein Glück gehabt.\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Er sah wie ein Mehlsack ohne Mehl aus!\" sagte der Müller und belachte seinen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Witz. Rudi brach ebenfalls in Gelächter aus und meinte, daß es eine ganz","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"richtige Bezeichnung wäre.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"XI. Der Vetter","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Als Rudi ein paar Tage später zu dem Müller auf Besuch kam, fand er den jungen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Engländer daselbst; Babette setzte ihm gerade gekochte Forellen vor, die sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"jedenfalls eigenhändig mit Petersilie ausgeputzt hatte, sonst hätten sie nicht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"so einladend aussehen können. Das hatte sie durchaus nicht nötig. Was wollte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"überhaupt der Engländer hier? Was konnte er nur hier wollen? Sich etwa von","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Babette traktieren und sie den Mundschenk spielen lassen? Rudi war eifersüchtig","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und das amüsierte Babette; es machte ihr Freude, ihn von allen Seiten seines","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Herzens, den starken, wie den schwachen, kennen zu lernen. Die Liebe war ihr","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"bis jetzt noch ein Spiel, und sie spielte mit Rudis Herzen, und dennoch, das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"muß man zugestehen, war er allein ihr Glück, der einzige Gedanke ihres Lebens,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"das beste und herrlichste in dieser Welt. Aber je finsterer er dreinschaute,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"desto mehr lachten ihre Augen, sie würde den blonden Engländer mit dem rötlichen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Backenbarte gern geküßt haben, hätte sie es dadurch zuwege gebracht, daß Rudi","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"rasend und wütend fortliefe. Das hätte ihr ja gerade den Beweis geliefert,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wie sehr sie von ihm geliebt wurde. Recht und klug handelte die kleine Babette","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"darin freilich nicht, aber sie war ja auch erst neunzehn Jahre. Sie bedachte das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nicht, bedachte noch weniger, wie ihr Betragen ausgelegt werden konnte, von dem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"jungen Engländer sicherlich leichtfertiger und lebensfroher, als sich für des","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Müllers ehrbare und neuverlobte Tochter schickte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Wo die Landstraße von Bex unter der schneebedeckten Felsenspitze hinläuft, die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"in der Landessprache Diablerets heißt, lag die Mühle unweit eines reißenden","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gebirgsstromes, der eine weißlichgraue Farbe wie gepeitschtes Seifenwasser","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hatte. Die Mühle trieb er aber nicht, vielmehr tat das ein kleiner Gießbach","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der auf dem anderen Ufer des Flusses vom Felsen hinabstürzte und sich durch","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"einen steinernen Abzugskanal unter der Straße hindurch infolge seiner Kraft","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und Schnelligkeit wieder erhob und dann in einer breiten, von starken Balken","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"gezimmerten und auf allen Seiten geschlossenen Rinne über den reißenden Fluß","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"lief. Die Rinne war so reichhaltig an Wasser, daß es überströmte und deshalb","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"demjenigen, der auf den Einfall geriet, die Mühle auf diesem Weg schneller zu","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"erreichen, nur einen nassen und schlüpfrigen Pfad darbot. Und auf diesen Einfall","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"geriet ein junger Mann: der Engländer. Weißgekleidet wie ein Müllerbursche","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"trat er in der Abendstunde, von dem Lichtschimmer geleitet, der aus Babettes","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Kammer fiel, seine Kletterwanderung an. Klettern war seine Stärke nicht, das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hatte er nicht gelernt, und beinahe wäre er häuptlings in den Strom gefallen,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"kam aber mit durchnäßten Ärmeln und bespritzten Beinkleidern fort. Durchnäßt","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und beschmutzt kam er unter Babettes Fenstern an, wo er in die alte Linde","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hinaufkletterte und das Geschrei einer Eule nachahmte; das war der einzige","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Vogel, dessen Töne er einigermaßen nachmachen konnte. Babette hörte es und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"guckte durch die dünnen Vorhänge hindurch, als sie aber den weißen Mann gewahrte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und sich denken konnte, wer es war, schlug ihr kleines Herz vor Schrecken und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zugleich vor Zorn. Schnell löschte sie das Licht, fühlte, ob alle Fensterriegel","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"vorgeschoben waren, und ließ ihn dann tuten und heulen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schrecklich müßte es sein, wenn Rudi jetzt hier in der Mühle wäre; aber Rudi war","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nicht in der Mühle, nein, es war weit schlimmer er befand sich gerade davor.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Laute zornige Worte wurden gewechselt; es schien zur Schlägerei kommen zu","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wollen; vielleicht gab es gar Mord und Totschlag.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"In ihrer Angst öffnete Babette ihr Fenster, rief Rudi bei Namen und bat ihn,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"doch zu gehen; sie könnte, sagte sie, es nicht dulden, daß er hierbliebe.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Du duldest es nicht, daß ich bleibe!\" brach er zornig aus, \"es ist also eine","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Verabredung! Du erwartest gute Freunde, bessere als ich! Schäme Dich, Babette!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Du bist abscheulich!\" erwiderte Babette. \"Ich hasse Dich!\" und dabei brach sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"in Tränen aus. \"Geh, geh!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Das habe ich nicht verdient!\" entgegnete er und ging; seine Wangen brannten wie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Feuer, sein Herz brannte wie Feuer.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Babette warf sich auf ihr Bett und weinte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"So innig liebe ich Dich, Rudi, und Du kannst so übel von mir denken!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und sie war böse, und das war gut für sie, sonst wäre sie tief betrübt gewesen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Nun konnte sie in Schlaf fallen und den stärkenden Schlaf der Jugend schlafen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"XII. Böse Mächte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi verließ Bex, begab sich auf den Heimweg und suchte die Berge mit ihrer","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"frischen, kühlenden Luft auf, die Berge, wo der Schnee lag, wo die Eisjungfrau","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"herrschte. Die Laubbäume standen tief unten, als wären sie nur Kartoffelkraut.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Tannen und Sträucher wurden kleiner, die Alpenrosen wuchsen aus dem Schnee","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hervor, der in einzelnen Flecken wie Leinwand auf der Bleiche dalag. Ein blaues","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Blümchen wiegte sich in der balsamischen Luft, er zerschlug es mit seinem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gewehrkolben.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Höher hinauf zeigten sich zwei Gemsen; Rudis Augen erhielten Glanz, seine","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gedanken neuen Flug. Aber er war nicht nahe genug, um sich seines Schußes sicher","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zu sein. Höher stieg er, wo nur noch struppiges Gras zwischen den Steinblöcken","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wuchs. Ruhig gingen die Gemsen auf dem Schneefeld weiter. In Eile beflügelte er","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"seine Schritte. Die Nebelwolken senkten sich rings um ihn, und plötzlich stand","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"er vor der steilen Felsenwand. Der Regen begann hinabzuströmen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Er fühlte einen brennenden Durst, Hitze im Kopfe, Kälte in seinen anderen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gliedern; er griff nach seiner Jagdflasche, aber diese war leer; er hatte, als","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"er in die Berge hinaufstürmte, nicht daran gedacht. Nie war er krank gewesen,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"aber jetzt hatte er ein Gefühl davon. Müde war er; Lust, sich hinzuwerfen und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zu schlafen, überschlich ihn, doch strömte das Wasser überall und er suchte sich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"deshalb zusammenzunehmen. Sonderbar zitterten die Gegenstände vor seinen Augen,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und plötzlich gewahrte er, was er vorher nie bemerkt hatte: ein neu gezimmertes","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"niedriges Haus, das sich an den Felsen lehnte. In der Tür stand ein junges","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Mädchen; im ersten Augenblicke hielt er es für Schullehrers Anette, die er","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"einmal beim Tanzen geküßt hatte, allein Anette war es nicht, und doch mußte er","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sie schon vorher gesehen haben, vielleicht bei Grindelwald, an jenem Abend, als","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"er vom Schützenfest in Interlaken heimkehrte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Wie kommst Du hierher?\" fragte er.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Ich bin hier zu Hause!\" entgegnete sie. \"Ich hüte meine Herde!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Deine Herde? Wo weidet sie?\" versetzte er und lachte. \"Hier gibt es nur Schnee","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und Felsen.\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Du weißt wirklich gut Bescheid!\" erwiderte sie lachend. \"Hier hinten, ein klein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wenig unten, ist ein herrlicher Weideplatz. Dort gehen meine Ziegen! Ich hüte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sie gut. Nicht eine verliere ich, was mein ist, bleibt mein!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Du bist kühn!\" sagte Rudi.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Auch Du!\" lautete die Antwort.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Hast Du Milch, so gib mir einen Schluck. Ich durste ganz unerträglich.\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Ich habe etwas Besseres als Milch!\" entgegnete sie, \"das sollst Du bekommen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gestern waren einige Reisende mit ihren Führern hier; sie vergaßen eine halbe","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Flasche Wein, wie Du ihn noch nie gekostet hast. Sie holen sie nicht und ich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"trinke sie nicht; trinke Du!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und sie holte den Wein hervor, goß ihn in eine hölzerne Schale und reichte sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Der ist gut!\" sagte er. \"Nie kostete ich einen so wärmenden, so feurigen Wein.\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Seine Augen strahlten, es kam ein Leben, eine Glut in ihn, als ob alles, was","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ihn traurig gemacht und bedrückt hatte, verdunstet wäre. Die sprudelnde, frische","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Menschennatur bewegte sich in ihm.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Aber es ist doch Schullehrers Anette!\" rief er mit einem Male aus. \"Gib mir","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"einen Kuß!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Wenn Du mir den schönen Ring gibst, den Du am Finger trägst!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Meinen Verlobungsring?\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Gerade den!\" sagte das Mädchen, goß Wein in die Schale und setzte sie ihm an","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die Lippen; und er trank. Echte Lebensfreude strömte da in sein Blut, die ganze","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Welt schien ihm zu gehören; weshalb sich mit Grillen plagen? Alles ist da, um","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"uns Genuß und Glück zu gewähren! Der Lebensstrom ist ein Freudenstrom; sich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"von ihm forttragen zu lassen, das ist Glückseligkeit. Er sah das junge Mädchen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"an, es war Anette und doch auch wieder nicht, noch weniger das Spukphantom,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wie er es genannt hatte, das er bei Grindelwald traf. Das Mädchen hier auf dem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Berge war wie frisch wie der neugefallene Schnee, schwellend wie die Alpenrose","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und leicht wie ein Reh, doch immer aus Adams Rippe geschaffen, ein Mensch wie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi. Und er schlang seine Arme um sie, schaute in ihre wunderbaren hellen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Augen hinein, nur eine einzige Sekunde war es, und in dieser ja wer erklärt,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"was geschah? war es das Leben des Geistes oder des Todes, was ihn erfüllte?","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Wurde er erhoben oder sank er in den tiefen tödlichen Eisschlund hinab, tiefer,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"immer tiefer? Er sah die Eiswände wie bläulichgrünes Glas glänzen; unendliche","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Spalten und Klüfte gähnten ringsum und das Wasser tröpfelte klingend wie ein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Glockenspiel hinab, und dabei in blauweißen Flammen strahlend. Die Eisjungfrau","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"gab ihm einen Kuß, der ihn durch das Rückenmark bis in die Stirn erstarren ließ.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Er stieß einen Schmerzensschrei aus, riß sich los, taumelte und fiel; es wurde","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Nacht vor seinen Augen, aber er öffnete sie wieder. Böse Mächte hatten ihr Spiel","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"getrieben.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Fort war das Alpenmädchen, fort die bergende Hütte; das Wasser rann von der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nackten Felsenwand hinab, der Schnee lag ringsum. Rudi schauderte vor Kälte,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"bis auf die Haut war er durchnäßt, und sein Verlobungsring war fort, der Ring,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"den ihm Babette an den Finger gesteckt hatte. Sein Gewehr lag neben ihm im","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schnee, er hob es auf, wollte es abschießen, aber es versagte. Feuchte Wolken","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"lagerten sich wie feste Schneemassen über die Kluft, der Schwindel saß darin und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"lauerte auf seine kraftlose Beute, und unter ihm klang es in der tiefen Kluft,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wie wenn ein Felsenblock fiele und alles, was seinen Fall aufhalten wollte,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zerschmetterte und mit sich fortrisse.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Aber in der Mühle saß Babette und weinte. Rudi war sechs Tage lang nicht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"dagewesen, er, der unrecht hatte, er. Der sie hätte um Verzeihung bitten müssen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und den sie doch von ganzem Herzen liebte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"XIII. Im Hause des Müllers","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Die Menschen machen doch schrecklichen Unsinn,\" sagte die Stubenkatze zur","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Küchenkatze. \"Zwischen Babette und Rudi ist schon wieder alles aus. Sie weint","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und er denkt wahrscheinlich gar nicht mehr an sie.\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Das gefällt mir nicht!\" erwiderte die Küchenkatze, \"aber deswegen will ich mich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"grämen! Babette kann ja die Braut des Rotbärtigen werden! Er ist übrigens auch","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"nicht hier gewesen, seitdem er auf das Dach klettern wollte.\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Böse Mächte treiben ihr Spiel, in und außer uns. Rudi hatte es empfunden und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"darüber nachgedacht. Was war doch um ihn und in ihm vorgegangen, dort oben auf","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"dem Berge? Waren es Visionen oder ein Fiebertraum? Nie hatte er früher etwas","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"von Fieber oder Krankheit gewußt. Während er Babette verurteilte, hatte er einen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Einblick in sich selbst getan. Er dachte an die wilde Jagd in seinem Herzen,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"an den heißen Föhn, der neulich darin losbrach. Konnte er Babette alles, jeden","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gedanken beichten, der bei ihm in der Stunde der Versuchung zur Tat werden","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"konnte? Ihren Ring hatte er verloren, und gerade durch diesen Verlust hatte sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ihn wiedergewonnen. Konnte sie ihm beichten? Es war, als sollte ihm das Herz","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"brechen, wenn er an sie dachte. So viele Erinnerungen wurden in ihm wach. Er","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sah sie vor sich, wie sie leibte und lebte, lachend, ein mutwilliges Kind. Manch","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zärtliches Liebeswort, das sie aus der Fülle ihres Herzens geredet hatte, flog","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wie ein Sonnenblick durch seine Brust, und bald leuchtete Babette nur in hellem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Sonnenschein vor ihm.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Sie mußte ihm beichten und sollte es.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Er kam zur Mühle und es kam zur Beichte. Sie begann mit einem Kuß und endete","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"damit, daß Rudi der eigentliche Sünder war. Sein großer Fehler bestand darin,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"an Babettes Treue zweifeln zu können. Es wäre geradezu abscheulich von ihm!","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Solches Mißtrauen, solche Heftigkeit könnte nur sie beide ins Unglück stürzen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Ja, ja, ganz gewiß, und deshalb hielt ihm Babette eine kleine Predigt; es machte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ihr selbst Spaß und kleidete sie so reizend. In einem Punkte hätte Rudi jedoch","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"recht, der Vetter der Frau Patin wäre ein Schwatzmaul! Sie würde das Buch, das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"er ihr geschenkt hätte, verbrennen, und nicht das geringste im Besitze halten,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"was sie an ihn erinnern könnte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Nun ist es überstanden!\" sagte die Stubenkatze. \"Rudi ist wieder hier; sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"haben sich miteinander verständigt und versichert, es sei das größte Glück!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Heute nacht,\" erwiderte die Küchenkatze, \"hörte ich die Ratten sagen, das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"größte Glück bestehe darin, Talglichter zu fressen und eine gehörige Portion","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"verdorbenen Speck vor sich zu haben. Wem soll man nun glauben, den Ratten oder","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"den Liebesleuten?\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Keinem von ihnen,\" versetzte die Stubenkatze. \"Das ist immer das Sicherste.\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Das größte Glück für Rudi und Babette war gerade in seinem Aufgange begriffen,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"den schönsten Tag, wie er genannt wird, den Hochzeitstag, hatten sie zu","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"erwarten.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Aber nicht in der Kirche zu Bex, nicht in dem Hause des Müllers sollte die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Trauung stattfinden. Die Frau Patin wünschte, daß die Hochzeit bei ihr gefeiert","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"würde und die Trauung in der hübschen kleinen Kirche zu Montreux geschähe.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Der Müller bestand darauf, daß man auf dieses Verlangen einginge. Er allein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wußte, was die Frau Patin für die Neuvermählten bestimmt hatte. Sie sollten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ein Brautgeschenk erhalten, das wohl diese kleine Nachgiebigkeit wert war.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Der Tag war festgesetzt. Schon den Abend vorher beabsichtigten sie, nach","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Villeneuve zu reisen, um mit dem Schiffe früh am nächsten Morgen nach Montreux","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hinüberzufahren, damit die Töchter der Frau Patin die Braut schmücken könnten.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Es wird wohl am nächsten Tage hier im Hause eine Nachfeier geben,\" sagte die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Stubenkatze. \"Sonst ist das Ganze auch nicht ein einziges Miau wert.\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Hier gibt es natürlich ein Fest,\" sagte die Küchenkatze. \"Enten sind","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"geschlachtet, Tauben gerupft und eine ganze Gemse hängt an der Wand. Mir wässert","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ordentlich der Mund, wenn ich sie mir betrachte! Morgen begeben sie sich schon","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"auf die Reise.\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Ja morgen! Diesen Abend saßen Rudi und Babette zum letztenmal als Verlobte in","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der Mühle.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Draußen war Alpenglühen, die Abendglocke klang, die Töchter der Sonnenstrahlen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sangen: \"Das Beste geschehe!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"XIV. Nächtliche Gesichte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Die Sonne war untergegangen; die Wolken senkten sich zwischen die hohen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Berge im Rhonetal hinab; ein Südwind, der über die heißen Sandwüsten Afrikas","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hinweggebraust war, blies über die hohen Alpen fort, ein Föhn, welcher die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Wolken zerriß. Als der Wind vorübergejagdt war, wurde es einen Augenblick ganz","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"still. Die zerrissenen Wolken lagerten sich in phantastischen Gestalten zwischen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"den waldbedeckten Bergen über die schnell dahinfließende Rhone. Sie bildeten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die Gestalten der Seetiere der Urwelt, des schwebenden Adlers der Luft und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der springenden Frösche des Sumpfes; sie senkten sich auf den reißenden Strom","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hinab, sie segelten auf ihm und segelten doch in der Luft. Der Strom führte eine","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"mit den Wurzeln ausgerissenen Tanne mit sich, vor ihr zeigten sich im Wasser","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"kreiselnde Wirbel. Es war der Schwindel, es war mehr als einer seiner Brüder,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die sich auf dem rauschenden Strome im Kreise drehten. Der Mond beleuchtete den","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schnee der Berggipfel, die dunklen Wälder und die weißen, sonderbaren Wolken,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die Gesichte der Nacht, die Geister der Naturkräfte. Der Bauer im Gebirge sah","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sie durch die Scheiben, scharenweise schwebten sie vor der Eisjungfrau her. Sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"kam von ihrem Gletscherschloß, sie saß auf ihrem zerbrechlichen Schiff, einer","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ausgerissenen Tanne, das Gletscherwasser trug sie den Strom abwärts nach dem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"offenen See.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Die Hochzeitsgäste kommen!\" brauste und sang es in Luft und Wasser.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gesichte draußen, Gesichte drinnen. Babette hatte einen merkwürdigen Traum.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Es kam ihr vor, als wäre sie mit Rudi verheiratet, und zwar schon seit vielen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Jahren. Er befand sich auf der Gemsenjagd, sie aber war in ihrer Heimat, und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"neben ihr saß der junge Engländer mit dem rötlichen Backenbarte. Seine Augen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"blickten so warm, seine Worte hatten solche Zaubermacht, er reichte ihr die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Hand, und sie mußte ihm folgen. Sie verließen miteinander die Heimat. Beständig","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ging es aufwärts! Babette war es, als läge ihr eine schwere Last auf dem Herzen,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sie wurde immer schwerer, eine Sünde war es gegen Rudi, eine Sünde gegen Gott.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Plötzlich stand sie verlassen da, ihre Kleider waren von den Dornen zerrissen,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ihr Harr war grau, voll Schmerz schaute sie aufwärts und auf dem Felsenrande","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"gewahrte sie Rudi. Sie streckte ihre Arme gegen ihn aus, wagte es aber nicht,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ihn zu rufen oder zu bitten, und das würde ihr auch nichts geholfen haben, denn","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"bald sah sie, daß er es nicht selbst war, sondern nur seine Jägerjacke und Hut,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die auf dem Alpenstocke hingen, wie die Jäger sie hinstellen, um die Gemsen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"zu überlisten. Und in grenzenlosem Schmerze jammerte Babette: \"O wäre ich doch","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"an meinem Hochzeitstage, meinem glücklichsten Tage, gestorben! Herr, Du mein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gott, es wäre eine Gnade, ein unsägliches Glück gewesen! Dann wäre das Beste","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"geschehen, was für mich und Rudi geschehen konnte! Niemand weiß seine Zukunft","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"vorher!\" Und in frevelhaftem Schmerze stürzte sie sich in die tiefe Felsenkluft","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hinab. Es riß eine Saite, es klang ein Trauerton...!","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Babette erwachte, der Traum war zu Ende und verwischt, jedoch wußte sie, daß","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sie etwas Schreckliches geträumt und von dem jungen Engländer geträumt hatte,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"den sie seit Monaten nicht gesehen und an den sie noch weniger gedacht. Ob er","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sich in Montreux befand? Sollte sie ihn bei der Hochzeit zu sehen bekommen? Ein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"leichter Schatten glitt um ihren feinen Mund. Ihre Augenbrauen runzelten sich.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Aber bald kehrte ein Lächeln und ein eigentümlicher Schimmer in ihr Auge zurück:","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die Sonne schien draußen so schön, und morgen war ihre und Rudis Hochzeit.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Er war schon in der Stube, als sie herunterkam, und bald machten sie sich auf","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"den Weg nach Villeneuve. Sie waren so glücklich, die beiden und der Müller","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"gleichfalls, er lachte und strahlte in der herrlichsten Laune, ein guter Vater,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"eine ehrliche Seele war er.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Nun sind wir die Herrinnen zu Hause!\" sagte die Stubenkatze.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"XV. Schluß","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Es war noch nicht Abend, als die drei frohen Menschen Villeneuve erreichten und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ihre Mahlzeit hielten. Der Müller setzte sich mit seiner Pfeife in den Lehnstuhl","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und hielt ein kleines Schläfchen. Die jungen Brautleute gingen Arm in Arm zur","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Stadt hinaus, die Landstraße unter den mit Buschwerk bewachsenen Felsen hinab,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"den bläulichgrünen tiefen See entlang. Das düstre Chillon spiegelte seine grauen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Mauern und schwarzen Türme in dem klaren Wasser. Die kleine Insel mit den drei","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Akazien lag noch näher, sie sah aus wie ein Blumenstrauß auf dem See.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Dort drüben muß es lieblich sein!\" sagte Babette, sie hatte wieder die größte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Lust, hinüberzukommen, und der Wunsch ließ sich sofort erfüllen. Ein Boot lag","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"am Ufer; der Strick, der es hielt, war leicht zu lösen. Man sah niemand, den man","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hätte um Erlaubnis fragen können, und deshalb nahm man ohne weiteres das Boot.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Mit der Ruderkunst war Rudi ganz vertraut.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Die Ruder griffen wie Fischflossen in das nachgiebige Wasser; es ist so gefügig","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und doch so stark, es ist ganz Rücken zum Tragen, ganz Mund zum Verschlingen,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sanft lächeln, die Weichheit und Sanftmut selbst, und doch Schrecken einjagend","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und stark zum Zerschmettern. Schäumend spritzte das Kielwasser hinter dem Boote","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"auf, das in wenigen Minuten die beiden zur Insel hinübertrug. Dort stiegen sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ans Land. Hier gab es keinen größeren Platz, als gerade zu einem Tänzchen für","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die beiden hinreichte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Rudi schwenkte Babette zwei-, dreimal herum, und dann setzten sie sich auf","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die kleine Bank unter den herabhängenden Akazien, schauten einander in die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Augen, hielten einander an den Händen, und alles ringsumher strahlte im Glanze","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der sinkenden Sonne. Die Tannenwälder auf den Bergen erhielten dem blühenden","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Heidekraut gleich ein rötlichlila Aussehen, und wo die Bäume aufhörten und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der nackte Fels hervortrat, glühte er, als ob er durchsichtig wäre. Die Wolken","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"am Himmel leuchteten wie das rote Gold, der ganze See glich einem frischen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"flammenden Rosenblatte. Während sich die Schatten bis zu den schneebedeckten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Bergen Savoyens erhoben, wurden diese dunkelblau, aber der oberste Rand","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"leuchtete wie die rote Lava. Er enthüllte einen Moment aus der Gebirgsschöpfung,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"als sich diese Massen glühend aus dem Schoße der Erde erhoben und noch nicht","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"erloschen waren. Es war ein Alpenglühen, wie Rudi und Babette nie ein ähnliches","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"gesehen zu haben meinten. Der schneebedeckte \"Dent Du Midi\" hatte einen Glanz","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wie die Scheibe des Vollmondes, wenn er sich am Horizonte erhebt.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Soviel Schönheit, soviel Glück!\" riefen beide. \"Mehr hat die Erde nicht zu","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"geben!\" sagte Rudi. \"Eine Abendstunde wie diese ist doch ein ganzes Leben! Wie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"oft empfand ich mein Glück, wie ich es jetzt empfinde, und dachte, wenn jetzt","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"plötzlich alles endete, wie glücklich hätte ich doch gelebt! Wie voller Segen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"ist doch diese Welt! Und der Tag endete, allein ein neuer begann wieder, und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"es kam mir vor, als wäre dieser noch schöner! Der liebe Gott ist doch unendlich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"gut, Babette!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Ich bin so glücklich!\" erwiderte sie.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Mehr hat die Erde mir nicht zu geben!\" brach Rudi stürmisch aus.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und die Abendglocken klangen von den Bergen Savoyens, von den Bergen der Schweiz","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"herab. Im Goldglanz erhob sich gegen Westen das dunkelblaue Juragebirge.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Gott gebe Dir das Herrlichste und Beste!\" sagte Babette sanft und zärtlich.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Das will er!\" entgegnete Rudi. \"Morgen habe ich es! Morgen bist Du ganz die","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Meine, mein trautes, reizendes Weibchen!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Das Boot!\" rief Babette in demselben Augenblicke.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Das Boot, welches sie zurückbringen sollte, hatte sich gelöst und trieb von der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Insel ab.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Ich hole es!\" entgegnete Rudi, warf seinen Rock ab, zog schnell die Stiefel","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"aus, sprang in den See und schwamm mit kräftigen Bewegungen dem Boote nach.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Kalt und tief war das klare, blaugrüne Eiswasser aus dem Gletscher. Rudi schaute","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"in die Tiefe, nur einen einigen Blick warf er herab; und es kam ihm vor, als","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sähe er einen goldenen Ring rollen, blinken und spielen. Er gedachte seines","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"verlorenen Verlobungsringes, und der Ring wurde größer, dehnte sich zu einem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"funkelnden Kreise aus und darin leuchtete der helle Gletscher. Ringsum gähnten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"unendlich tiefe Klüfte, und das Wasser tropfte wie ein Glockenspiel und in","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"weißlichblauen Flammen erglänzend hinab. In einem Augenblicke überschaute er,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"was wir in langen vielen Worten erzählen müssen. Junge Jäger und junge Mädchen,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Männer und Weiber, einst in die Spalten des Gletschers gesunken, standen hier","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"lebendig mit offenen Augen und lächelndem Munde. Tief unter ihnen erschallte","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der Klang der Kirchenglocken aus den begrabenen Dörfern. Die Gemeinde kniete","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"unter dem Kirchengewölbe, Eisstücke bildeten die Orgelpfeifen, der Gebirgsstrom","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"spielte die Orgel. Die Eisjungfrau saß auf dem hellen, durchsichtigen Grunde,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sie schwang sich zu Rudi empor, küßte ihm die Füße, und ein Todesschauer","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"durchzitterte seine Glieder, es war, als träfe ihn ein elektrischer Stoß - -","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Eis und Feuer zugleich! Bei der kurzen Berührung fühlt man zwischen ihnen keinen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Unterschied.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Mein, mein!\" klang es um ihn und in ihm. \"Ich küßte Dich, als Du noch klein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"warst, küßte Dich auf den Mund! Jetzt küsse ich Dich auf die Zehen und Fersen,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"mein bist Du ganz!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und er war verschwunden in dem klaren, blauen Wasser.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Alles war still. Die Kirchenglocken hörten auf zu läuten, die letzten Töne","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"verschwanden mit dem Glanze der roten Wolken.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Mein bist Du!\" klang es in der Tiefe; \"mein bist Du!\" klang es in der Höhe, aus","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"dem Unendlichen.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schön ist es, zu fliegen von Liebe zu Liebe, von der Erde in den Himmel.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Es riß eine Saite, es erklang ein Trauerton; der Eiskuß des Todes besiegte das","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Vergängliche. Das Vorspiel endete, damit das Lebensdrama beginnen konnte, der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Mißklang wurde aufgelöst in Harmonie.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Nennst Du es eine traurige Geschichte?","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Arme Babette! Für sie war es eine Stunde der Angst; weiter und weiter trieb","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"das Boot fort. Niemand wußte, daß sich das Brautpaar auf der kleinen Insel","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"befand. Der Abend nahm zu; die Wolken senkten sich, die Finsternis kam.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Allein, verzweifelt, jammernd stand sie da. Ein Unwetter hing über ihr.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Blitze leuchteten über den Bergen des Jura auf, über der Schweiz und über","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Savoyen; von allen Seiten Blitz auf Blitz, Donner ging in Donner über, sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"rollten unaufhörlich, minutenlang. Die Blitzstrahlen wetteiferten bald mit dem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Sonnenglanze, man konnte jeden einzelnen Weibstock wie zur Mittagszeit sehen,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und bald darauf herrschte wieder schwarze Finsternis. Die Blitze bildeten","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schleifen, Zickzacke, schlugen ringsum in den See ein, leuchteten von allen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Seiten auf, während die Donnerschläge sich durch den Widerhall des Echos","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"verstärkten. Auf dem Lande zog man die Boote bis auf das Ufer; alles, was Leben","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hatte, suchte Schutz und nun strömte der Regen hinab.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Wo sind doch nur Rudi und Babette in diesem entsetzlichen Unwetter!\" sagte der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Müller","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Babette saß mit gefalteten Händen, den Kopf gegen den Schoß geneigt, stumm vor","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schmerz, vom Schreien und Jammern, da.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Im tiefen Wasser,\" sagte sie bei sich selbst, \"tief unten, wie unter dem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Gletscher, ist er!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Ihr kam in den Sinn, was ihr Rudi vom Tode seiner Mutter, von seiner Rettung und","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wie er scheinbar als Leiche aus der Spalte des Gletschers gezogen wurde, erzählt","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hatte. \"Die Eisjungfrau hat ihn wieder!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und ein Blitzstrahl leuchtete so blendend wie Sonnenglanz auf den weißen Schnee.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Babette fuhr in die Höhe; der See erhob sich in demselben Augenblicke, wie ein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"weithin schimmernder Gletscher, die Eisjungfrau stand mittendrin, majestätisch,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"bläßlichblau, strahlend, und zu ihren Füßen lag Rudis Leiche. \"Mein!\" rief sie,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und ringsum war wieder Dunkelheit und Finsternis, strömendes Wasser.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Entsetzlich!\" jammerte Babette. \"Weshalb mußte er doch sterben, während der Tag","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"unseres Glücks kam! Gott, erleuchte meinen Verstand, erleuchte mein Herz! Ich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"verstehe meine Wege nicht, tappe im Dunkeln umher, welches mir Deine Weisheit","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"und Güte verbirgt!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Und Gott erleuchtete ihr Herz. Ein Gedankenblitz, ein Gedankenstrahl, ihr Traum","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der letzten Nacht, völlig lebendig, durchzuckte sie. Sie entsann sich der Worte,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die sie gesprochen hatte: der Wunsch von dem Besten für sich und Rudi.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"\"Weh mir! War es der Samen der Sünde in meinem Herzen? War mein Traum ein","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Zukunftsleben, dessen Saiten um meiner Rettung willen zerrissen werden mußten?","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Ich Elende?\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Jammernd saß sie in der finsteren Nacht. In ihrer tiefen Stille klangen ihr noch","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"immer Rudis Worte in den Ohren, die letzten, die er gesagt hatte: \"Mehr Glück","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"hat mir die Erde nicht zu bieten!\" Sie erklangen in der Fülle der Freude, sie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"wurden wiederholt im Strome des Schmerzes.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Ein paar Jahre sind seither verstrichen. Der See lächelt, die Ufer lächeln;","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"die Weinreben setzen schwellende Trauben an. Dampfschiffe mit wehenden Wimpeln","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"jagen vorüber, Luftboote mit ihren zwei ausgespannten Segeln fliegen wie","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Schmetterlinge über den Wasserspiegel. Die Eisenbahn über Chillon ist eröffnet,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sie führt tief über das Rhonetal hinein. Auf jeder Station steigen Fremde aus,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"sie kommen mit ihrem in Rot eingebundenen Reisebuche und lesen aus ihm heraus,","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"was sie Merkwürdiges zu sehen haben... Sie besuchen Chillon, sie sehen sich","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"draußen im See die kleine Insel mit den drei Akazien an, und lesen im Buche von","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"dem Brautpaare, das eines abends im Jahre 1856 hinüberfuhr, lesen vom Tode des","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Bräutigams, und wie man erst am nächsten Morgen am Ufer das verzweifelte Jammern","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"der Braut hörte.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Aber das Reisehandbuch meldet nichts von Babettes stillen Lebenstagen bei ihrem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Vater, nicht in der Mühle in der jetzt Fremde wohnen, sondern in dem schönen","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Häuschen in der Nähe des Bahnhofs, aus dessen Fenstern sie noch manchen Abend","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"über die Kastanienbäume fort nach den Schneebergen hinüberschaute, wo sich Rudi","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"einst tummelte. Sie betrachtet des Abends das Alpenglühen, die Kinder der Sonne","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"lagern sich dort oben und wiederholen das Lied von dem Wandersmann, dem der","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Wirbelwind den Mantel abriß und entführte. Die Hülle und nicht den Mann nahm er.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Es ist Rosenglanz auf dem Schnee des Gebirges, es ist Rosenglanz in jedem","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Herzen, in dem der Gedanke lebt: \"Gott läßt stets das Beste für uns geschehen!\"","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"Aber es wird uns nicht immer offenbart, wie einst Babette in ihrem Traume.","book":"Die Eisjungfrau"} {"text":"In der Morgendämmerung, in der roten Luft, glänzt ein großer Stern, der hellste","book":"Die Psyche"} {"text":"Stern des Morgens; sein Strahl zittert auf der weißen Wand, als wollte er dort","book":"Die Psyche"} {"text":"niederschreiben, was er zu erzählen weiß, was er Jahrtausende hindurch hier und","book":"Die Psyche"} {"text":"dort auf unserer kreisenden Erde gesehen hat.","book":"Die Psyche"} {"text":"Hören wir eine seiner Erzählungen:","book":"Die Psyche"} {"text":"Erst kürzlich – das »kürzlich« des Stern heißt für uns Menschen »vor","book":"Die Psyche"} {"text":"Jahrhunderten« – begleiteten meine Strahlen einen jungen Künstler; es war in der","book":"Die Psyche"} {"text":"Stadt der Päpste, in der Weltstadt Rom. Vieles hat sich dort in der Zeiten Lauf","book":"Die Psyche"} {"text":"verändert, doch nicht so schnell, wie die Menschengestalt vom Kind zum Greis","book":"Die Psyche"} {"text":"übergeht. Die Kaiserburg war wie heute noch eine Ruine; Feigen- und Lorbeerbäume","book":"Die Psyche"} {"text":"wuchsen zuwischen den umgestützten Marmorsäulen hin über die zerstörten","book":"Die Psyche"} {"text":"Badezimmer, die noch mit Gold an den Wänden prangten; das Kolosseum war eine","book":"Die Psyche"} {"text":"Ruine, die Kirchenglocken läuteten, das Räucherwerk duftete, durch die Straßen","book":"Die Psyche"} {"text":"schritten Prozessionen mit Kerzen und strahlenden Baldachinen. Kirchenheilig war","book":"Die Psyche"} {"text":"es hier, und hehr und heilig war die Kunst. In Rom lebte der größte Maler der","book":"Die Psyche"} {"text":"Welt, Raffael; es lebte dort der erste Bildhauer des Zeitalters, Michelangelo;","book":"Die Psyche"} {"text":"selbst der Papst huldigte diesen beiden, beehrte sie mit seinem Besuch; die","book":"Die Psyche"} {"text":"Kunst war anerkannt, geehrt und wurde auch belohnt. Allein dessen ungeachtet","book":"Die Psyche"} {"text":"wurde nicht alles Große und Tüchtige gesehen und bekannt.","book":"Die Psyche"} {"text":"In einem engen Gäßchen stand ein altes Haus, einst war es ein Tempel gewesen;","book":"Die Psyche"} {"text":"ein junger Künstler wohnte darin, arm war er, unbekannt war er; er hatte","book":"Die Psyche"} {"text":"freilich junge Freunde, Künstler wie er, jung von Gemüt, jung im Hoffen und","book":"Die Psyche"} {"text":"Denken; sie sagten ihm, er sei reich an Talent und tüchtig, aber er sei ein","book":"Die Psyche"} {"text":"Narr, daß er nicht selber daran glaube; zerbrach er doch stets, was er in Ton","book":"Die Psyche"} {"text":"geformt hatte, wurde niemals zufrieden, bekam nie etwas fertig, und das muß man,","book":"Die Psyche"} {"text":"damit es gesehen und anerkannt werden kann und Geld bringt:","book":"Die Psyche"} {"text":"»Du bist ein Träumer!« sagten sie ferner, »und das ist dein Unglück! Das kommt","book":"Die Psyche"} {"text":"aber daher, daß du noch nicht gelebt, das Leben noch nicht gekostet hast, es","book":"Die Psyche"} {"text":"nicht genossen hast in großen gesunden Zügen, wie es genossen werden muß. Gerade","book":"Die Psyche"} {"text":"in der Jugend kann und muß man sein Ich mit dem Leben verschmelzen, auf daß sie","book":"Die Psyche"} {"text":"eins werden! Schau den großen Meister Raffael an, den der Papst ehrt, den die","book":"Die Psyche"} {"text":"Welt bewundert, er ist kein Verächter von Wein und Brot!«","book":"Die Psyche"} {"text":"»Er verspeist noch obendrein die Bäckerin, die niedliche Fornarina!« sagte","book":"Die Psyche"} {"text":"Angelo, einer der lustigsten jungen Freunde.","book":"Die Psyche"} {"text":"Ja, was sagten sie nicht alles, je nach ihrer Jugend und nach ihrem Verstande.","book":"Die Psyche"} {"text":"Sie wollten den jungen Künstler mit hinausziehen in das lustige, wilde","book":"Die Psyche"} {"text":"Leben, das tolle Leben, wie man es auch nennen könnte; und er fühlte auch","book":"Die Psyche"} {"text":"für Augenblicke Neigung dazu; er hatte heißes Blut, eine starke Phantasie, er","book":"Die Psyche"} {"text":"verstand es wohl, in das lustige Gespräch mit einzustimmen, laut zu lachen mit","book":"Die Psyche"} {"text":"den anderen; und doch, was sie »Raffaels fröhliches Leben« nannten, schwand","book":"Die Psyche"} {"text":"ihm wie der Morgentau, wenn er den Gottesglanz sah, der aus den Bildern des","book":"Die Psyche"} {"text":"großen Meisters leuchtete, und stand er im Vatikan vor den Schönheitsgestalten,","book":"Die Psyche"} {"text":"welche die Meister vor Jahrhunderten aus Marmorblöcken geformt hatten, dann hob","book":"Die Psyche"} {"text":"sich seine Brust, dann vernahm er in seinem Innern etwas so Hohes, Heiliges,","book":"Die Psyche"} {"text":"Erhebendes, Großes und Gutes, und er wünschte aus dem Marmorblock ebensolche","book":"Die Psyche"} {"text":"Gestalten zu schaffen, zu meißeln. Er wollte ein Bild schaffen von dem, was","book":"Die Psyche"} {"text":"sich aus seinem Herzen hinauf zu dem Unendlichen emporschwang, aber wie und","book":"Die Psyche"} {"text":"in welcher Gestalt? Der weiche Ton gestaltete sich unter seinen Fingern zu","book":"Die Psyche"} {"text":"Schönheitsformen, doch tags darauf zerbrach er, wie immer, was er geschaffen","book":"Die Psyche"} {"text":"hatte.","book":"Die Psyche"} {"text":"Eines Tages schritt er an einem der reichen Paläste vorüber, deren Rom so viele","book":"Die Psyche"} {"text":"aufzuweisen hat; er blieb stehen vor der großen, offenen Einfahrt und sah hier","book":"Die Psyche"} {"text":"mit Bildern geschmückte Bogengänge, die einen kleinen Garten umschlossen; der","book":"Die Psyche"} {"text":"Garten prangte mit einer Fülle der schönsten Rosen. Große weiße Callas mit ihren","book":"Die Psyche"} {"text":"grünen, saftigen Blättern schossen empor aus dem Marmorbassin, in welchem das","book":"Die Psyche"} {"text":"klare Wasser plätscherte; und hier vorüber schwebte eine Gestalt, ein junges","book":"Die Psyche"} {"text":"Mädchen, die Tochter dieses fürstlichen Hauses, fein, leicht, wunderbar schön!","book":"Die Psyche"} {"text":"Eine solche Frauengestalt hatte er noch nie gesehen, und doch! gemalt von","book":"Die Psyche"} {"text":"Raffael, gemalt als Psyche in einem der römischen Paläste. Ja, dort war sie","book":"Die Psyche"} {"text":"gemalt, hier schritt sie lebendig einher.","book":"Die Psyche"} {"text":"In seinen Gedanken, in seinem Herzen lebte sie; und er ging zurück in sein","book":"Die Psyche"} {"text":"ärmliches Zimmer und formte in Ton die Psyche, und es war die reiche, junge","book":"Die Psyche"} {"text":"Römerin, die adlige Jungfrau; zum erstenmal betrachtete er sein Werk mit","book":"Die Psyche"} {"text":"Befriedigung. Es hatte Bedeutung für ihn, es war sie. Und die Freunde,","book":"Die Psyche"} {"text":"die es sahen, jubelten vor Freude; dieses Werk war eine Offenbarung seiner","book":"Die Psyche"} {"text":"Künstlergröße, die sie im voraus erkannt hatten, jetzt sollte auch die Welt sie","book":"Die Psyche"} {"text":"erkennen.","book":"Die Psyche"} {"text":"Der Ton ist zwar fleischig und lebendig, er besitzt aber nicht die Weiße und","book":"Die Psyche"} {"text":"Dauer des Marmors; zum Leben in Marmor mußte diese Psyche gelangen, und den","book":"Die Psyche"} {"text":"kostbaren Marmorblock besaß er schon, der lag schon seit Jahren als Eigentum der","book":"Die Psyche"} {"text":"Eltern im Hof; Glasscherben, Fenchelkraut, Überbleibsel von Artischocken häuften","book":"Die Psyche"} {"text":"sich über ihn und beschmutzten ihn, aber im Innern war der Block wie der Schein","book":"Die Psyche"} {"text":"des Berges; aus diesem Marmor sollte die Psyche entstehen.","book":"Die Psyche"} {"text":"Eines Tages nun geschah es – ja, der helle Stern erzählt nichts davon, er sah","book":"Die Psyche"} {"text":"es nicht, wir aber wissen es -, daß eine vornehme römische Gesellschaft in","book":"Die Psyche"} {"text":"die enge, unansehnliche Gasse kam. Die Equipage hielt am Anfang der Gasse, die","book":"Die Psyche"} {"text":"Gesellschaft begab sich zu Fuß zu dem Haus, um die Arbeit des jungen Künstlers","book":"Die Psyche"} {"text":"zu sehen, sie hatten zufällig davon gehört. Und wer waren die vornehmen Gäste?","book":"Die Psyche"} {"text":"Armer junger Mann! Gar zu glücklicher junger Mann könnte er auch genannt werden.","book":"Die Psyche"} {"text":"Die junge Adelige selber stand hier im Zimmer, und mit welchem Lächeln, als","book":"Die Psyche"} {"text":"ihr Vater sagte: »Du bist es, wie du leibst und lebst!« Das Lächeln kann nicht","book":"Die Psyche"} {"text":"geformt, der Blick nicht wiedergegeben werden, der wunderbare Blick, mit dem sie","book":"Die Psyche"} {"text":"den Künstler ansah; es war ein Blick, erhebend, adelnd und – zermalmend.","book":"Die Psyche"} {"text":"»Die Psyche muß in Marmor ausgeführt werden!« sagte der reiche Herr. Und","book":"Die Psyche"} {"text":"das waren Lebensworte für den toten Ton und den schweren Marmorblock, wie","book":"Die Psyche"} {"text":"es Lebensworte für den tief ergriffenen jungen Mann waren. »Wenn die Arbeit","book":"Die Psyche"} {"text":"vollendet ist, kaufe ich sie!« sagte der fürstliche Herr.","book":"Die Psyche"} {"text":"Es war, als rollte eine neue Zeit herauf in der ärmlichen Werkstatt; Leben","book":"Die Psyche"} {"text":"und Fröhlichkeit leuchteten, emsiger Fleiß schaffte darin. Der strahlende","book":"Die Psyche"} {"text":"Morgenstern sah, wie die Arbeit fortschritt. Der Ton selber war wie beseelt,","book":"Die Psyche"} {"text":"seitdem sie dagewesen war, er formte sich in erhöhter Schönheit zu den bekannten","book":"Die Psyche"} {"text":"Zügen.","book":"Die Psyche"} {"text":"»Jetzt weiß ich, was Leben ist!« jubelte der Künstler, »es ist Liebe! Es ist","book":"Die Psyche"} {"text":"erhabene Hingebung an das herrliche, entzückende Aufgehen im Schönen! Das, was","book":"Die Psyche"} {"text":"die Freunde Leben und Genuß nennen, ist vergängliches Wesen, sind Blasen der","book":"Die Psyche"} {"text":"gärenden Hefe, ist nicht der reine, himmlische Altarwein, der zum Leben weiht.","book":"Die Psyche"} {"text":"Der Marmorblock wurde aufgestellt; der Meißel schlug große Stücke von ihm","book":"Die Psyche"} {"text":"ab; da wurde gemessen, Punkte und Zeichen wurden gemacht, das Handwerksmäßige","book":"Die Psyche"} {"text":"ausgeführt, bis nach und nach der Stein sich in Körper, in Schönheitsgestalt, in","book":"Die Psyche"} {"text":"die Psyche verwandelte, schön und herrlich, wie das Gottesbild in der Jungfrau.","book":"Die Psyche"} {"text":"Der schwere Stein wurde schwebend, tanzend, luftgleich, eine anmutige Psyche","book":"Die Psyche"} {"text":"mit dem himmlisch unschuldigen Lächeln, die dieses sich im Herzen des jungen","book":"Die Psyche"} {"text":"Bildhauers gespiegelt hatte.","book":"Die Psyche"} {"text":"Der Stern des rosenfarbenen Morgens sah und begriff wohl, was sich in dem jungen","book":"Die Psyche"} {"text":"Mann regte, begriff die wechselnde Färbung seiner Wangen, den Blitz, der aus","book":"Die Psyche"} {"text":"seinem Auge schoß, während er schaffte, während er das wiedergab, was Gott","book":"Die Psyche"} {"text":"gegeben hatte.","book":"Die Psyche"} {"text":"»Du bist ein Meister wie die der alten Griechen!« sagten die entzückten Freunde.","book":"Die Psyche"} {"text":"»Bald wird die ganze Welt deine Psyche bewundern!«","book":"Die Psyche"} {"text":"»Meine Psyche!« wiederholte er. »Meine! Ja, sie muß es werden! Auch ich bin ein","book":"Die Psyche"} {"text":"Künstler, wie jene großen Verblichenen! Gott hat mir das Gnadengeschenk gewährt,","book":"Die Psyche"} {"text":"mich hoch gehoben wie die Edelgeborene!«","book":"Die Psyche"} {"text":"Und er kniete nieder, weinte im Dankgebet zu Gott – und vergaß Gott wieder","book":"Die Psyche"} {"text":"ihretwegen, ihres Bildes in Marmor, der Psychegestalt werden, die wie aus Schnee","book":"Die Psyche"} {"text":"geformt dastand, in der Morgensonne errötend.","book":"Die Psyche"} {"text":"In Wirklichkeit sollte er sie sehen, die Lebende, Schwebende, sie, deren","book":"Die Psyche"} {"text":"Worte wie Musik klangen. In dem reichen Palast konnte er nun die Nachricht","book":"Die Psyche"} {"text":"bringen, daß die Marmorpsyche vollendet sei. Er trat dort ein, schritt durch","book":"Die Psyche"} {"text":"den offenen Hof, wo das Wasser aus den Delphinen in die Marmornen Bassins","book":"Die Psyche"} {"text":"hinabplätscherte, wo die Callas blühten und die frischen Rosen in reicher","book":"Die Psyche"} {"text":"Fülle sprossen. Er trat in die große, hohe Vorhalle, deren Wände und Decken","book":"Die Psyche"} {"text":"in Farben prangen, mit Wappenzeichen und Bildern, Geputzte Diener, stolz und","book":"Die Psyche"} {"text":"geziert, wie Schlittenpferde mit Schellen behangen, gingen hier auf und ab,","book":"Die Psyche"} {"text":"einige streckten sich auch gemächlich und übermütig, auf den geschnitzten","book":"Die Psyche"} {"text":"Holzbänken aus, als seien sie die Herren des Hauses. Er sagte Ihnen, was ihn","book":"Die Psyche"} {"text":"in den Palast führte, und wurde die blanken, marmornen, mit weichen Teppichen","book":"Die Psyche"} {"text":"belegten Treppen hinaufgeführt. Zu beiden Seiten standen Statuen, er schritt","book":"Die Psyche"} {"text":"durch reich geschmückte Zimmer mit Bildern und glänzenden Mosaikfußböden. All","book":"Die Psyche"} {"text":"dieser Glanz und diese Pracht machten ihm den Atem schwer, aber bald fühlte er","book":"Die Psyche"} {"text":"sich wieder leicht; der alte fürstliche Herr empfing ihn gar freundlich, fast","book":"Die Psyche"} {"text":"herzlich, und als er sich von ihm verabschiedete, wurde er gebeten, bei der","book":"Die Psyche"} {"text":"Signora einzutreten, auch sie wünsche, ihn zu sehen. Der Diener führte ihn durch","book":"Die Psyche"} {"text":"prachtvolle Zimmer, wo sie selber die Pracht und Herrlichkeit war.","book":"Die Psyche"} {"text":"Sie sprach zu ihn; kein Miserere, kein Kirchengesang hätte das Herz so","book":"Die Psyche"} {"text":"schmelzen, die Seele höher erheben können als ihre Rede. Er ergriff ihre Hand,","book":"Die Psyche"} {"text":"drückte sie an seine Lippen; keine Rose war so weich, aber es ging ein Feuer","book":"Die Psyche"} {"text":"von dieser Rose aus, ein Feuer! Ein erhebendes Gefühl durchströmte ihn; es","book":"Die Psyche"} {"text":"flossen Worte von seiner Zunge, er wußte selber nicht, welche. Weiß der Krater,","book":"Die Psyche"} {"text":"daß er glühende Lava speit? Er gestand ihr seine Liebe. Sie stand überrascht,","book":"Die Psyche"} {"text":"beleidigt, stolz da, mit einem Hohn in ihren Mienen, ja, mit einem Ausdruck,","book":"Die Psyche"} {"text":"als hätte sie plötzlich einen nassen, kalten Frosch berührt, ihre Wangen röteten","book":"Die Psyche"} {"text":"sich, ihre Lippen wurden blaß, ihre Augen waren Feuer und dennoch schwarz, wie","book":"Die Psyche"} {"text":"die Finsternis der Nacht.","book":"Die Psyche"} {"text":"»Wahnsinniger!« sprach sie. »Fort! Hinab!« Und sie kehrte ihm den Rücken zu. Das","book":"Die Psyche"} {"text":"Antlitz der Schönheit hatte einen Ausdruck, der jenem versteigerten Antlitz mit","book":"Die Psyche"} {"text":"den Schlangenhaaren ähnlich war.","book":"Die Psyche"} {"text":"Einem sinkenden leblosen Gegenstand gleich wankte er die Treppen hinab, auf die","book":"Die Psyche"} {"text":"Straße hinaus; wie ein Schlaftrunkener erreichte er seine Wohnung und erwachte","book":"Die Psyche"} {"text":"in Raserei und Schmerz, ergriff seinen Hammer, hob ihn hoch in die Luft und","book":"Die Psyche"} {"text":"wollte das schöne Marmorbild zermalmen, allein in seinem Zustand hatte er nicht","book":"Die Psyche"} {"text":"bemerkt, daß der Freund Angelo neben ihm stand; dieser hielt mit einem kräftigen","book":"Die Psyche"} {"text":"Griff seinen Arm zurück.","book":"Die Psyche"} {"text":"»Bist du rasend? Was beginnst du?«","book":"Die Psyche"} {"text":"Sie rangen miteinander; Angelo war der stärkere, und ermattet, mit tiefem","book":"Die Psyche"} {"text":"Atemzug warf der junge Künstlich sich auf einen Stuhl nieder.","book":"Die Psyche"} {"text":"»Was ist geschehen?« fragte Angelo. »So fasse dich doch! Sprich!«","book":"Die Psyche"} {"text":"Doch was konnte er sagen!« Und da Angelo den Redeknäuel nicht zu entwirren","book":"Die Psyche"} {"text":"vermochte, ließ er davon ab.","book":"Die Psyche"} {"text":"»Dickes Blut bekommst du bei dieser ewigen Träumerei!« Sei doch ein Mensch, wie","book":"Die Psyche"} {"text":"die andern es sind, lebe nicht immerfort in Idealen, man schnappt über dabei!","book":"Die Psyche"} {"text":"Ein Weinräuschchen, und du schläfst glücklich ein! Laß ein schönes Mädchen","book":"Die Psyche"} {"text":"deinen Arzt sein! Die Mädchen der Campagna sind schön wie die Prinzessin im","book":"Die Psyche"} {"text":"Marmorschloß; beide sind Evastöchter und im Paradies nicht zu unterscheiden!","book":"Die Psyche"} {"text":"Folge du deinem Angelo! Dein Engel bin ich, ein Engel des Lebens! Die Zeit","book":"Die Psyche"} {"text":"wird kommen, wo du alt wirst und der Körper zusammensinkt, und dann an einem","book":"Die Psyche"} {"text":"schönen, sonnigen Tag, wenn alles lacht und jubelt, liegst du da, ein welker","book":"Die Psyche"} {"text":"Halm, der nicht mehr wächst! Ich glaube nicht, was die Priester sagen von einem","book":"Die Psyche"} {"text":"Leben jenseits des Grabes, das ist eine schöne Einbildung, ein Märchen für","book":"Die Psyche"} {"text":"Kinder, ganz hübsch, wenn man es sich eben einbilden kann. ich lebe aber in der","book":"Die Psyche"} {"text":"Wirklichkeit! Komm mit mir! Sei ein Mensch!«","book":"Die Psyche"} {"text":"Und es zog ihn mit sich, er konnte es in diesem Augenblick; Feuer sprühte im","book":"Die Psyche"} {"text":"Blut des jungen Künstlers, in seiner Seele war eine Veränderung vorgegangen,","book":"Die Psyche"} {"text":"er fühlte einen Drang, sich loszureißen von dem Alten, dem Gewohnten, sich aus","book":"Die Psyche"} {"text":"seinem eigenen alten bisherigen Ich herauszureißen, und heute also folgte er","book":"Die Psyche"} {"text":"Angelo.","book":"Die Psyche"} {"text":"In einer entlegenen Gegend vom Rom lag eine von Künstlern besuchte Osteria,","book":"Die Psyche"} {"text":"in die Ruine einer alten Badekammer hineingebaut; die großen gelben Zitronen","book":"Die Psyche"} {"text":"hingen zwischen dem dunkel glänzenden Laub und verdeckten einen Teil der alten","book":"Die Psyche"} {"text":"rotgelben Mauern; die Osteria war ein tiefes Gewölbe, fast einer Höhle gleich","book":"Die Psyche"} {"text":"in den Ruinen; drinnen brannte eine Lampe vor dem Madonnenbild, ein großen","book":"Die Psyche"} {"text":"Feuer loderte auf dem Herd, hier wurde gekocht und gebraten; draußen, unter den","book":"Die Psyche"} {"text":"Zitronen- und Lorbeerbäumen standen einige reich gedeckte Tische.","book":"Die Psyche"} {"text":"Beide wurden von den Freunden mit Jubel empfangen. Wenig aß man, viel trank","book":"Die Psyche"} {"text":"man, das erhöhte die Fröhlichkeit; es wurde gesungen, Gitarre gespielt, der","book":"Die Psyche"} {"text":"Saltarello erklang, und der lustige Tanz begann. Zwei junge Römerinnen, Modelle","book":"Die Psyche"} {"text":"der jungen Künstler, nahmen teil an dem Tanz und an der Fröhlichkeit: zwei","book":"Die Psyche"} {"text":"allerliebste Bacchantinnen! Freilich keine Psychegestalten, keine feinen,","book":"Die Psyche"} {"text":"schönen Rosen, sondern frische, kräftige, glühende Nelken.","book":"Die Psyche"} {"text":"Wie war es an diesem Tag heiß. Feuer im Blut, Feuer in der Luft, Feuer in jedem","book":"Die Psyche"} {"text":"Blick. Die Luft leuchtete in Gold und Rosen, das Leben war Gold und Rosen.","book":"Die Psyche"} {"text":"»Endlich bist du mal dabei! Laß dich nur tragen von den Fluten um dich und in","book":"Die Psyche"} {"text":"dir!«","book":"Die Psyche"} {"text":"»Noch nie war ich so gesund, so fröhlich!« sagte der junge Künstler. »Du hast","book":"Die Psyche"} {"text":"recht, ihr habt alle recht, ich war ein Narr, ein Träumer, der Mensch gehört in","book":"Die Psyche"} {"text":"die Wirklichkeit und nicht in die Phantasie!«","book":"Die Psyche"} {"text":"Mit Gesang und klingenden Gitarren zogen die jungen Leute an dem sternhellen","book":"Die Psyche"} {"text":"Abend von der Osteria durch die kleinen Gassen; die beiden glühenden Nelken,","book":"Die Psyche"} {"text":"Töchter der Campagna zogen mit ihnen.","book":"Die Psyche"} {"text":"In Angelos Zimmer, zwischen umhergestreuten Farbskizzen, hingeworfenen","book":"Die Psyche"} {"text":"Foglietten und glühenden, üppigen Bildern klangen die Stimmen gedämpfter, aber","book":"Die Psyche"} {"text":"nicht weniger lebhaft; auf dem Fußboden lag manches Blatt, das den Töchtern der","book":"Die Psyche"} {"text":"Campagna in ihrer wechselnden, kräftigen Schönheit gar ähnlich war, und doch","book":"Die Psyche"} {"text":"waren sie selber weit schöner. Der sechsarmige Leuchter ließ alle seine Dochte","book":"Die Psyche"} {"text":"flammen und leuchten; und vom Innern flammte und leuchtete die Menschengestalt","book":"Die Psyche"} {"text":"als Gottheit heraus.","book":"Die Psyche"} {"text":"»Apollo! Jupiter! In euren Himmeln, in eure Herrlichkeit werde ich emporgehoben!","book":"Die Psyche"} {"text":"Mir ist, als ginge die Blüte des Lebens in diesem Augenblick in meinem Herzen","book":"Die Psyche"} {"text":"auf!«","book":"Die Psyche"} {"text":"Ja, sie ging auf – nickte , fiel, und ein häßlicher Dunst wirbelte heraus,","book":"Die Psyche"} {"text":"blendete das Gesicht, betäubte die Gedanken; das Feuerweg der Sinne erlosch, und","book":"Die Psyche"} {"text":"es ward finster.","book":"Die Psyche"} {"text":"Er befand sich wieder in seinem eigenen Zimmer; hier setzte er sich auf sein","book":"Die Psyche"} {"text":"Bett und sammelte sich. »Pfui!« klang es aus seinem eigenen Mund, aus seinem","book":"Die Psyche"} {"text":"Herzensgrund. »Elender! Fort! Hinab!« und ein tiefer, schmerzlicher Seufzer","book":"Die Psyche"} {"text":"entrang sich seiner Brust.","book":"Die Psyche"} {"text":"»Fort! Hinab!« Diese ihre Worte, die Worte der lebenden Psyche, klangen in","book":"Die Psyche"} {"text":"seinem Innern, tönten von seinen Lippen. Er drückte seinen Kopf in die Kissen,","book":"Die Psyche"} {"text":"die Gedanken wurden unklar, er schlief ein.","book":"Die Psyche"} {"text":"In der Morgendämmerung fuhr er auf, sammelte sich aufs neue. Was war geschehen?","book":"Die Psyche"} {"text":"Hatte er das alles geträumt? Den Besuch bei ihr geträumt, den Besuch in der","book":"Die Psyche"} {"text":"Osteria, den Abend mit den purpurnen Nelken der Campagna geträumt? – Nein, alles","book":"Die Psyche"} {"text":"war Wirklichkeit, die ihm früher unbekannt gewesen war.","book":"Die Psyche"} {"text":"In der purpurnen Luft strahlte der klare Stern, sein Strahl fiel auf ihn und","book":"Die Psyche"} {"text":"die Marmorpsyche; er selber zitterte, als er das Bild der Unvergänglichkeit","book":"Die Psyche"} {"text":"betrachtete, unrein schien ihm sein Blick. Er warf das Tuch über die Statur,","book":"Die Psyche"} {"text":"noch einmal berührte er es, um die Gestalt zu entschleiern, allein er vermochte","book":"Die Psyche"} {"text":"es nicht, sein Werk zu betrachten.","book":"Die Psyche"} {"text":"Still, finster, in sich selber versunken, blieb er sitzen den lieben langen Tag;","book":"Die Psyche"} {"text":"er vernahm nichts von dem, was sich draußen bewegte. Niemand wußte, was sich","book":"Die Psyche"} {"text":"drinnen, in dieser Menschenbrust bewegte.","book":"Die Psyche"} {"text":"Tage, Wochen vergingen; die Nächte waren am längsten. Der blitzende Stern sah","book":"Die Psyche"} {"text":"ihn eines Morgens blaß, fieberhaft sich vom Lager erheben, auf das Marmorbild","book":"Die Psyche"} {"text":"hinschreiten, die Hülle zurückschlagen, einen langen, schmerzlichen Blick auf","book":"Die Psyche"} {"text":"sein Werk werden und dann, fast unter der Last zusammenbrechend, die Statue in","book":"Die Psyche"} {"text":"den Garten hinausschleppen. Dort befand sich ein ausgetrockneter Brunnen, jetzt","book":"Die Psyche"} {"text":"eher ein Loch, in dieses senkte er die Psyche hinab, warf Erde über Sie, deckte","book":"Die Psyche"} {"text":"Reisig und Nesseln über die Stätte.","book":"Die Psyche"} {"text":"»Fort! Hinab!« lautete die kurze Grabrede.","book":"Die Psyche"} {"text":"Der Stern gewahrte es aus der rosenroten Luft, und sein Strahl zitterte in zwei","book":"Die Psyche"} {"text":"großen Tränen auf den todblassen Wangen des jungen Mannes, des Fiebernden – des","book":"Die Psyche"} {"text":"Todkranken, sagten sie, als er auf dem Siechbette lag.","book":"Die Psyche"} {"text":"Der Klosterbruder Ignatius besuchte ihn als Freund und als Arzt, brachte ihm","book":"Die Psyche"} {"text":"Trostesworte der Religion, sprach von dem Frieden und dem Glück der Kirche, von","book":"Die Psyche"} {"text":"der Sünde der Menschen, von der Gnade und dem Frieden in Gott.","book":"Die Psyche"} {"text":"Und die Worte fielen gleich wärmenden Sonnenstrahlen auf den gärenden Boden;","book":"Die Psyche"} {"text":"der dampfte und entsandte Nebelwolken, Gedankenbilder, Bilder die ihre","book":"Die Psyche"} {"text":"Wirklichkeit hatten; und von diesen schwimmenden Inseln schaute der Kranke","book":"Die Psyche"} {"text":"über das Menschenleben hin. Fehlgriffe, Täuschungen waren es, waren es auch für","book":"Die Psyche"} {"text":"ihn gewesen. Die Kunst war eine Hexe, die in uns Eitelkeit, irdische Gelüste","book":"Die Psyche"} {"text":"hineintrug. Falsch waren wir gegen uns selbst, gegen unsere Freunde, falsch","book":"Die Psyche"} {"text":"gegen Gott. Die Schlange sprach immer in uns: »Iß, und du sollst werden wie","book":"Die Psyche"} {"text":"Gott!«","book":"Die Psyche"} {"text":"Nun erst schien es ihm, als habe er sich selber verstanden, den Weg zur","book":"Die Psyche"} {"text":"Wahrheit und zum Frieden gefunden. In der Kirche war das Licht und die Helle","book":"Die Psyche"} {"text":"Gottes, in der Mönchszelle die Ruhe, durch die der Menschenbaum in die Ewigkeit","book":"Die Psyche"} {"text":"hineinwachsen konnte.","book":"Die Psyche"} {"text":"Bruder Ignatius stärkte seinen Sinn, und der Entschluß wurde fest in ihm. Ein","book":"Die Psyche"} {"text":"Weltkind wurde ein Diener der Kirche, der junge Künstler entsagte der Welt, ging","book":"Die Psyche"} {"text":"ins Kloster.","book":"Die Psyche"} {"text":"Liebevoll kamen ihm die Brüder entgegen, und sonntagsfestlich war die","book":"Die Psyche"} {"text":"Einweihung. Gott, so schien es ihm, war in dem Sonnenschein der Kirche, strahle","book":"Die Psyche"} {"text":"von den heiligen Bildern und dem glänzenden Kreuze. Und als er nun am Abend","book":"Die Psyche"} {"text":"beim Sonnenuntergang in seiner kleinen Zelle stand und das Fenster öffnete,","book":"Die Psyche"} {"text":"über das alte Rom hinausblickte, über die zerstörten Tempel, das große,","book":"Die Psyche"} {"text":"aber tote Kolosseum, und als er dies alles im Fühlungskleid sah, die Akazien","book":"Die Psyche"} {"text":"blühten, das Immergrün war frisch, die Rosen sproßten überall hervor, Zitronen","book":"Die Psyche"} {"text":"und Orangen prangten, die Palmen fächelten, da fühlte er sich ergriffen und","book":"Die Psyche"} {"text":"erfüllt wie noch nie. Die offene, stille Campagna dehnte sich aus bis zu den","book":"Die Psyche"} {"text":"blauen, schneebedeckten Bergen, diese schienen in die Luft gemalt zu sein: alles","book":"Die Psyche"} {"text":"verschmolz ineinander, Frieden und Schönheit atmend, schwimmend, träumend – ein","book":"Die Psyche"} {"text":"Traum das Ganze!","book":"Die Psyche"} {"text":"Ja, ein Traum war die Welt hier, und der Traum waltet stundenlang und kann für","book":"Die Psyche"} {"text":"Stunden wiederkehren, aber das Klosterleben ist ein Leben von Jahren, langen und","book":"Die Psyche"} {"text":"vielen Jahren.","book":"Die Psyche"} {"text":"Von innen kommt vieles, was den Menschen unrein macht, das fand er bestätigt!","book":"Die Psyche"} {"text":"Welche Flammen durchloderten ihn manchmal! Welche Quelle des Bösen, das er nicht","book":"Die Psyche"} {"text":"wollte, quoll immerfort! Er strafte seinen Leib, aber von innen kam das Böse.","book":"Die Psyche"} {"text":"Ein Teilchen des Geistes in ihm wand sich geschmeidig wie die Schlange um sich","book":"Die Psyche"} {"text":"selbst und kroch mit seinem Gewissen unter den Mantel der Alliebe und tröstete:","book":"Die Psyche"} {"text":"die Heiligen beten für uns, die Mutter betet für uns, Jesus selber hat sein Blut","book":"Die Psyche"} {"text":"für uns hingegeben. War es ein kindlich Gemüt oder der Jugend leichter Sinn, der","book":"Die Psyche"} {"text":"sich der Gnade gab und sich durch sie erhoben fühlte, erhoben über viele; denn","book":"Die Psyche"} {"text":"er hatte ja die Eitelkeit der Welt von sich gestoßen, er war ja ein Sohn der","book":"Die Psyche"} {"text":"Kirche.","book":"Die Psyche"} {"text":"Eines Tages, nach Verlauf vieler Jahre, begegnete ihm Angelo, der ihn erkannte.","book":"Die Psyche"} {"text":"»Mensch!« rief Angelo, »ja, du bist es! Bist du jetzt glücklich? Du hast","book":"Die Psyche"} {"text":"gesündigt gegen Gott und sein Gnadengeschenk von dir geworfen, deine Mission","book":"Die Psyche"} {"text":"in dieser Welt verscherzt. Lies die Parabel von dem anvertrauten Pfunde! Der","book":"Die Psyche"} {"text":"Meister, der sie erzählte, sprach die Wahrheit! Was hast du gewonnen, was","book":"Die Psyche"} {"text":"gefunden? Legst du dir nicht ein Traumleben, legst du dir nicht eine Religion","book":"Die Psyche"} {"text":"zurecht nach deinem Kopfe, wie sie es wohl alle tun? Wenn nun alles ein Traum,","book":"Die Psyche"} {"text":"eine Phantasie, ein schöner Gedanke nur wäre!«","book":"Die Psyche"} {"text":"»Weiche von mir, Satan!« sprach der Mönch und verließ Angelo.","book":"Die Psyche"} {"text":"»Es gibt einen Teufel, einen Teufel in Menschengestalt! Heute sah ich ihn!«","book":"Die Psyche"} {"text":"sprach der Mönch vor sich hin. »Ich reichte ihm einst einen Finger, er nahm","book":"Die Psyche"} {"text":"meine ganze Hand« Nein!« seufzte er, »in mir selber ist das Böse, und in","book":"Die Psyche"} {"text":"jenem Menschen ist das Böse, aber es beugt ihn nicht, er geht mit freier Stirn","book":"Die Psyche"} {"text":"umher, genießt sein Wohlsein; und ich hasche nach meinem Wohlsein im Trost","book":"Die Psyche"} {"text":"der Religion! Wenn sie nur Trost wäre? Wenn alles hier, wie die Welt, die ich","book":"Die Psyche"} {"text":"verließ, nur schöne Gedanken wären, Täuschungen, wie die Schönheit der roten","book":"Die Psyche"} {"text":"Abendwolken, wie das wallende Blau der fernen Berge! In der Nähe sind sie","book":"Die Psyche"} {"text":"anders! Ewigkeit, du bist wie der große, unendliche, meeresstille Ozean, der","book":"Die Psyche"} {"text":"winkt und ruft, uns mit Ahnungen erfüllt, und steigen wir hinaus auf ihn, dann","book":"Die Psyche"} {"text":"sinken wir, verschwinden – sterben – hören auf zu sein! - Täuschung! Fort!","book":"Die Psyche"} {"text":"Hinab!","book":"Die Psyche"} {"text":"Und ohne Tränen, in sich selber versunken, saß er auf seinem harten Lager,","book":"Die Psyche"} {"text":"kniete nieder – vor wem? Vor dem steinernen Kreuz in der Mauer? Nein, die","book":"Die Psyche"} {"text":"Gewohnheit ließ den Körper diese Lage einnehmen.","book":"Die Psyche"} {"text":"Je tiefer er sich bückte, desto finsterer schien es ihm dort. »Nichts innen,","book":"Die Psyche"} {"text":"nichts außen! Vergeudet dieses Leben!« Und dieser Gedankenschneeball rollte,","book":"Die Psyche"} {"text":"wuchs, zermalmte ihn – löschte ihn aus.","book":"Die Psyche"} {"text":"»Niemandem darf ich mich anvertrauen, zu niemandem von diesem nagenden Wurm hier","book":"Die Psyche"} {"text":"innen sprechen! Mein Geheimnis ist mein Gefangener, lasse ich ihn entschlüpfen,","book":"Die Psyche"} {"text":"bin ich der seine!«","book":"Die Psyche"} {"text":"Und die Gotteskraft, die ihm innewohnte, litt und stritt.","book":"Die Psyche"} {"text":"»O Herr, mein Herr!« rief er in seiner Verzweiflung, »sei barmherzig, schenke","book":"Die Psyche"} {"text":"mir den Glauben! Dein Gnadengeschenk war ich von mir, meine Mission ließ ich","book":"Die Psyche"} {"text":"unerfüllt! Mir fehlte die Kraft, du gabst sie mir nicht. Die Unsterblichkeit,","book":"Die Psyche"} {"text":"die Psyche in meiner Brust – fort, hinab! Begraben soll sie werden wie jene","book":"Die Psyche"} {"text":"Psyche, mein bester Lebensstrahl! Nimmer ersteht sie aus dem Grabe!«","book":"Die Psyche"} {"text":"Der Stern in der rosenroten Luft leuchtete, der Stern, der gewiß verlöschen und","book":"Die Psyche"} {"text":"vergehen wird, während die Seele lebt und leuchtet; sein zitternder Strahl fiel","book":"Die Psyche"} {"text":"auf die weiße Wand, aber keine Schrift setzt er dorthin von der Herrlichkeit","book":"Die Psyche"} {"text":"Gottes, von der Gnade, von der Alliebe, welche in der Brust des Gläubigen","book":"Die Psyche"} {"text":"klingt.","book":"Die Psyche"} {"text":"»Die Psyche hier innen wird nimmer sterben! Leben im Bewußtsein? Kann das","book":"Die Psyche"} {"text":"Unfaßliche geschehen? Ja! Ja! Unfaßlich ist mein Ich. Unfaßlich bist du, o Herr!","book":"Die Psyche"} {"text":"Deine ganze Welt ist unfaßlich ein Wunderwerk an Macht, Herrlichkeit - Liebe!«","book":"Die Psyche"} {"text":"Seine Augen leuchteten, seine Augen brachen. Der Klang der Kirchenglocken","book":"Die Psyche"} {"text":"war der letzte Laut über ihm, dem Toten; und man senkte ihn in Erde, die von","book":"Die Psyche"} {"text":"Jerusalem geholt und mit dem Staub von frommen Toten gemischt war.","book":"Die Psyche"} {"text":"Nach Jahren hob man das Skelett heraus, wie es mit den vor im gestorbenen","book":"Die Psyche"} {"text":"Mönchen geschehen war, man bekleidete es mit einer braunen Kutte, gab ihm eine","book":"Die Psyche"} {"text":"Perlenschnur in die Hand und stellte es in die Reihen anderer Menschengebeine,","book":"Die Psyche"} {"text":"die in den Grabgewölben des Klosters gefunden wurden. Und draußen schien die","book":"Die Psyche"} {"text":"Sonne, drinnen dufteten die Räuchergefäße, wurden die Messen gelesen.","book":"Die Psyche"} {"text":"Jahre vergingen. Die Gebeine fielen auseinander; Totenköpfe wurden aufgestellt,","book":"Die Psyche"} {"text":"sie bildeten eine ganze äußere Mauer der Kirche; dort stand auch sein Kopf in","book":"Die Psyche"} {"text":"der sengenden Sonne, gar viele Tote waren dort, niemand kannte jetzt ihre Namen,","book":"Die Psyche"} {"text":"auch den seinen nicht. Und siehe, im Sonnenschein bewegte sich etwas Lebendiges","book":"Die Psyche"} {"text":"in den beiden Augenhöhen, was mochte das sein? Eine bunte Eidechse sprang in dem","book":"Die Psyche"} {"text":"holen Schädel umher, huschte aus und ein durch die leeren, großen Augenhöhlen.","book":"Die Psyche"} {"text":"Die Eidechse war jetzt das Leben in dem Kopf, in welchem einst große Gedanken,","book":"Die Psyche"} {"text":"helle Träume, die Liebe zur Kunst und zum Herrlichen sich erhoben hatte, von wo","book":"Die Psyche"} {"text":"heiße Tränen herabgerollt waren und wo die Hoffnung auf Unsterblichkeit gelegt","book":"Die Psyche"} {"text":"hatte. Die Eidechse sprang, verschwand; der Schädel zerbröckelte, ward Staub im","book":"Die Psyche"} {"text":"Staube.","book":"Die Psyche"} {"text":"Es war Jahrhunderte später. Der helle Stern leuchtete unverändert, klar und","book":"Die Psyche"} {"text":"groß, wie seit Jahrtausenden, die Luft leuchtete rot, frisch wie Rosen, purpurn","book":"Die Psyche"} {"text":"wie Blut.","book":"Die Psyche"} {"text":"Dort, wo einst eine enge Gasse mit den Überresten eines Tempels gewesen war,","book":"Die Psyche"} {"text":"lag jetzt ein Nonnenkloster; in dem Garten des Klosters wurde ein Grab gegraben,","book":"Die Psyche"} {"text":"eine junge Nonne war gestorben und sollte an diesem Morgen in die Erde gebettet","book":"Die Psyche"} {"text":"werden. Der Spaten stieß gegen einen Stein, der Stein leuchtete blenden weiß.","book":"Die Psyche"} {"text":"Marmor kam zu Vorschein, er rundete sich zu einer Schulter, die allmählich ganz","book":"Die Psyche"} {"text":"hervortrat; der Spaten wurde nun vorsichtiger geführt; ein weiblicher Kopf kam","book":"Die Psyche"} {"text":"zu Tage – Schmetterlingsflügel! Aus dem Grab, in welches die junge Nonne gelegt","book":"Die Psyche"} {"text":"werden sollte, hob man an dem rosenroten, flammenden Morgen eine wunderherrliche","book":"Die Psyche"} {"text":"Psychegestalt, gemeißelt in weißen Marmor. »Wie schön, wie vollendet ist","book":"Die Psyche"} {"text":"sie, ein Kunstwerk aus der besten Zeit!« sagte man. Wer mochte der Meister","book":"Die Psyche"} {"text":"sein? Niemand wußte es, niemand kannte ihn als der helle, durch Jahrtausende","book":"Die Psyche"} {"text":"leuchtende Stern; der kannte den Gang seines Erdenlebens, seine Prüfung, seine","book":"Die Psyche"} {"text":"Schwäche, wußte, daß er eben nur ein Mensch gewesen war! Aber der war tot,","book":"Die Psyche"} {"text":"verweht, wie der Staub es sein muß und soll, doch die Ausbeute seines besten","book":"Die Psyche"} {"text":"Strebens, das Herzlichste, was das Göttliche in ihm bekundete, die Psyche, die","book":"Die Psyche"} {"text":"niemals stirbt, die den Nachruhm überstrahlt, der Glanz dieser Psyche hier auf","book":"Die Psyche"} {"text":"Erden, der blieb hier, wurde gesehen, erkannt, bewundert und idealisiert.","book":"Die Psyche"} {"text":"Der klare Morgenstern in der rosenfarbenen Luft sandte seinen blitzenden Strahl","book":"Die Psyche"} {"text":"hernieder auf die Psyche und auf die in Glückseligkeit lächelnden Lippen und","book":"Die Psyche"} {"text":"Augen der Bewunderer, welche die Seele sahen, gemeißelt aus dem Marmorblock.","book":"Die Psyche"} {"text":"Was irdisch ist, verweht, wird vergessen, nur der Stern im Unendlichen weiß","book":"Die Psyche"} {"text":"davon. Was himmlisch ist, strahlt selbst im Nachruhm, und wenn der Nachruhm","book":"Die Psyche"} {"text":"erlischt lebt noch die Psyche.","book":"Die Psyche"} {"text":"Rings um den Garten zog sich eine Hecke von Haselbüschen, außerhalb derselben","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"war Feld und Wiese mit Kühen und Schafen, aber mitten in dem Garten stand ein","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"blühender Rosenstock; unter diesem saß eine Schnecke, die hatte vieles in sich,","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"sie hatte sich selbst.","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"\"Wartet nur bis meine Zeit kommt!\" sagte sie, \"ich werde mehr ausrichten, als","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Rosen ansetzen, Nüsse tragen oder Milch geben wie Kühe und Schafe!\"","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"\"Ich erwarte sehr viel von Ihr!\" sagte der Rosenstock. \"Darf ich fragen: wann","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"wird es zum Vorschein kommen?\"","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"\"Ich lasse mir Zeit!\" sagte die Schnecke. \"Sie haben nun solche Eile! Das spannt","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"die Erwartungen nicht!\"","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Im darauffolgenden Jahr lag die Schnecke ungefähr auf derselben Stelle","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"im Sonnenschein unter dem Rosenstock, der wieder Knospen trieb und Rosen","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"entfaltete, immer frische, immer neue. Und die Schnecke kroch halb aus ihrem","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Haus heraus, steckte die Fühlhörner aus und zog sie wieder ein.","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"\"Alles sieht aus wie im vorigen Jahr! Gar keinen Fortschritt; der Rosenstock","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"bleibt bei den Rosen, weiter kommt er nicht!\"","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Der Sommer, der Herbst verstrich, der Rosenstock trug Rosen und Knospen, bis der","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Schnee fiel, bis das Wetter rauh und naß wurde; der Rosenstock beugte sich zur","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Erde, die Schnecke kroch in die Erde.","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Es begann ein neues Jahr; die Rosen kamen zum Vorschein, die Schnecke kam zum","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Vorschein.","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"\"Sie sind jetzt ein alter Rosenstock!\" sagte die Schnecke. \"Sie müssen machen,","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"daß Sie bald eingehen. Sie haben der Welt alles gegeben, was Sie in sich gehabt","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"haben, ob es von Belang war, das ist eine Frage, über die nachzudenken ich","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"keine Zeit gehabt habe; so viel ist aber klar und deutlich, daß Sie nicht das","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Geringste für Ihre innere Entwicklung getan haben, sonst wäre wohl etwas anderes","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"aus Ihnen hervorgegangen. Können Sie das verantworten? Sie werden jetzt bald","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"ganz und gar nur Stock sein! Begreifen Sie, was ich sage?\"","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"\"Sie erschrecken mich!\" sagte der Rosenstock. \"Darüber habe ich noch nicht","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"nachgedacht.\"","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"\"Nein, Sie haben sich wohl überhaupt nie mit Denken abgegeben! Haben Sie sich","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"jemals Rechenschaft gegeben, weshalb Sie blühen, und wie der Hergang beim Blühen","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"ist; wie und warum nicht anders!\"","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"\"Nein!\" sagte der Rosenstock. \"Ich blühte in Freude, weil ich nicht anders","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"konnte. Die Sonne schien und wärmte, die Luft erfrischte, ich trank den klaren","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Tau und den kräftigen Regen; ich atmete, ich lebte! Aus der Erde stieg eine","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Kraft in mich hinauf, von oben kam eine Kraft, und deshalb mußte ich immer","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"blühen; das war mein Leben, ich konnte nicht anders!\"","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"\"Sie haben ein sehr gemächliches und angenehmes Leben geführt!\" sagte die","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Schnecke.","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"\"Gewiß! Alles wurde mir gegeben!\" sagte der Rosenstock. \"Doch Ihnen wurde noch","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"mehr gegeben! Sie sind eine dieser denkenden, tiefsinnigen Naturen, eine dieser","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Hochbegabten, welche die Welt in Erstaunen setzen werden!\"","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"\"Das fällt mir nicht im entferntesten ein!\" sagte die Schnecke. \"Die Welt geht","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"mich nichts an! Was habe ich mit der Welt zu schaffen? Ich habe genug mit mir","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"selbst und genug in mir selbst!\"","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"\"Aber müssen wir alle hier auf Erden nicht unser bestes Teil den anderen geben,","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"das darbringen, was wir eben vermögen? Freilich, ich habe nur Rosen gegeben!","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Doch Sie? Sie, die so reich begabt sind, was schenken Sie der Welt? Was werden","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Sie geben?\"","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"\"Was ich gab? Was ich gebe? – Ich spucke sie an! Sie taugt nichts! Sie geht mich","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"nichts an. Setzen Sie Rosen an, meinetwegen, Sie können es nicht weiterbringen!","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Mag die Haselstaude Nüsse tragen, die Kühe und Schafe Milch geben, die haben","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"jedes ihr Publikum, ich habe das meine in mir selbst! Ich gehe in mich selbst","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"hinein, und dort bleibe ich. Die Welt geht mich nichts an!\"","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Und damit begab die Schnecke sich in ihr Haus hinein und verkittete dasselbe.","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"\"Das ist recht traurig!\" sagte der Rosenstock. \"Ich kann mit dem besten Willen","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"nicht hineinkriechen, ich muß immer heraus, immer Rosen ausschlagen. Die","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"entblättern nun gar, verwehen im Winde! Doch ich sah, wie eine Rose in das","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Gesangbuch der Hausfrau gelegt wurde, eine meiner Rosen bekam ein Plätzchen an","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"dem Busen eines jungen schönen Mädchens, und eine ward geküßt von den Lippen","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"eines Kindes in lebensfroher Freude. Das tat mir so wohl, das war ein wahrer","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Segen. Das ist meine Erinnerung, mein Leben!\"","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Und der Rosenstock blühte in Unschuld, und die Schnecke lag und faulenzte in","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"ihrem Haus. Die Welt ging sie nichts an.","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Und Jahre verstrichen.","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Die Schnecke war Erde in der Erde, der Rosenstock war Erde in der Erde; auch","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"die Erinnerungsrose in dem Gesangbuch war verwelkt – aber im Garten blühten","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"neue Rosenstöcke, im Garten wuchsen neue Schnecken; sie krochen in ihre Häuser","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"hinein, spuckten aus – die Welt ging sie nichts an.","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Ob wir die Geschichte wieder von vorne zu lesen anfangen? – Sie wird doch nicht","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"anders.","book":"Die Schnecke und der Rosenstock"} {"text":"Es war einmal ein Schilling, blank ging er aus der Münze hervor, sprang und","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"klang. \"Hurra! Jetzt geht's in die weite Welt hinaus!\" Und er kam freilich in","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"die weite Welt hinaus.","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Das Kind hielt ihn mit warmen Händen, der Geizige mit kalten, krampfhaften","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Händen; der Ältere wendete und drehte ihn Gott weiß wie viele Male, während","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"die Jugend ihn gleich wieder rollen ließ. Der Schilling war aus Silber, hatte","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"sehr wenig Kupfer an sich und befand sich bereits ein ganzes Jahr in der Welt,","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"das heißt in dem Land, in dem er geprägt worden war. Eines Tages aber ging","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"er auf Reisen ins Ausland; er war die letzte Landesmünze im Geldbeutel, den","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"ein reisender Herr bei sich hatte, der Herr wußte selber nicht, daß er den","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Schilling noch hatte, bis er ihm unter die Finger kam. \"Hier habe ich ja noch","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"einen Schilling aus der Heimat!\" sagte er, \"nun, der kann die Reise mitmachen!\"","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"und der Schilling klang und sprang vor Freude, als er ihn wieder in den Beutel","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"steckte. Hier lag er nun bei fremden Kameraden, die kamen und gingen, einer","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"machte dem anderen Platz, aber der Schilling aus der Heimat blieb immer im","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Beutel, das war eine Auszeichnung.","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Mehrere Wochen waren schon verstrichen, und der Schilling war weit in die Welt","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"hinausgelangt, ohne daß er doch eigentlich wußte, wo er sich befand; zwar erfuhr","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"er von den anderen Münzen, daß sie französische und italienische seien. Eine","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"sagte, sie seien jetzt in dieser Stadt, eine andere sagte, in jener, allein der","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Schilling konnte sich keine Vorstellung von alledem machen; man sieht nichts","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"von der Welt, wenn man immer im Sack steckt, und das war ja sein Los. Doch eines","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Tages, wie er so dalag, bemerkte er, daß der Geldbeutel nicht zugemacht war,","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"und so schlich er sich bis an die Öffnung vor, um ein wenig hinauszuschauen;","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"das hätte er nun freilich nicht tun sollen, er war aber neugierig und das","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"rächt sich; er glitt hinaus in die Hosentasche, und als abends der Geldbeutel","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"herausgenommen wurde, lag der Schilling noch da, wo er hingerutscht war, und","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"kam mit den Kleidern auf den Vorplatz hinaus; dort fiel er sogleich auf den","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Fußboden, niemand hörte das, niemand sah das.","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Am anderen Morgen wurden die Kleider wieder in das Zimmer getragen, der Herr zog","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"sie an, reiste weiter, und der Schilling blieb zurück, er wurde gefunden, sollte","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"wieder Dienste tun, und ging mit drei anderen Münzen aus. \"Es ist doch angenehm,","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"sich in der Welt umzuschauen,\" dachte der Schilling, \"Andere Menschen, andere","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Sitten kennenzulernen.\"","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"\"Was ist das für ein Schilling!\" hieß es in demselben Augenblick. \"Das ist keine","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Landesmünze! Der ist falsch! Der taugt nichts!\"","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Ja, nun beginnt die Geschichte des Schillings, wie er sie später selber","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"erzählte. \"Falsch! Taugt nichts! – Dies ging mir durch und durch,\" erzählte der","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Schilling. \"Ich wußte, ich war von gutem Klang und hatte ein echtes Gepräge.","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Die Leute mußten sich jedenfalls irren, mich konnten sie nicht meinen, aber sie","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"meinten mich doch! Ich war es, den sie falsch nannten; ich taugte nichts.","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"'Den muß ich im Dunkeln ausgeben!' sagte der Mann, der mich erhalten hatte, und","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"ich wurde im Dunkeln ausgegeben und am hellen Tag wieder ausgeschimpft. 'Falsch,","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"taugt nichts! Wir müssen machen, daß wir ihn los werden!' \"","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Und der Schilling zitterte zwischen den Fingern der Leute jedesmal, wenn er","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"heimlich fortgeschafft wurde und als Landesmünze gelten sollte. \"Ich elender","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Schilling! Was hilft mir mein Silber, mein Wert, mein Gepräge, wenn das alles","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"keine Geltung hat! In den Augen der Welt ist man eben das, was die Welt von","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"einem hält! Es muß entsetzlich sein, ein böses Gewissen zu haben, sich auf","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"bösen Wegen umherzuschleichen, wenn mir, der ich doch ganz unschuldig bin, schon","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"so zumute sein kann, weil ich bloß das Aussehen habe! Jedesmal, wenn man mich","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"hervorsuchte, schauderte ich vor den Augen, die mich ansehen würden, wußte ich","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"doch, daß ich zurückgestoßen, auf den Tisch hingeworden werden würde, als sei","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"ich Lug und Trug. Einmal kam ich zu einer alten, armen Frau, sie erhielt mich","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"als Tagelohn für harte Arbeit, allein sie konnte mich nun gar nicht wieder los","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"werden. Niemand wollte mich annehmen, ich war der Frau ein wahres Unglück. 'Ich","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"bin wahrhaftig gezwungen, jemanden mit dem Schilling anzuführen', sagte sie,","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"'ich kann mit dem besten Willen einen falschen Schilling nicht aufheben; der","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"reiche Bäcker soll ihn haben, er kann es am besten verschmerzen – aber unrecht","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"ist es trotzdem, daß ich's tue'.\"","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"\"Auch das Gewissen der Frau muß ich noch obendrein belasten!\" seufzte es in dem","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Schilling. \"Habe ich mich denn auf meine alten Tage wirklich so verändert?\"","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"\"Und die Frau begab sich zu dem reichen Bäcker, aber der kannte gar zu gut die","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"gängigen Schillinge, als daß er mich hätte behalten wollen, er warf mich der","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Frau gerade ins Gesicht, Brot bekam sie für mich nicht, und ich fühlte mich so","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"recht von Herzen betrübt, daß ich solchergestalt zu anderer Ungemach geprägt","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"worden war, ich, der ich in meinen jungen Tagen so freudig und sicher mir meines","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Wertes und echten Gepräges bewußt gewesen war! So recht traurig wurde ich, wie","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"es ein armer Schilling werden kann, wenn niemand ihn haben will. Die Frau nahm","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"mich aber wieder mit nach Hause, sie betrachtete mich mit einem herrlichen,","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"freundlichen Blick und sagte: 'Nein, ich will niemanden mit dir anführen!","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Ich will ein Loch durch dich schlagen, damit jedermann sehen kann, daß du ein","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"falsches Ding bist, und doch – das fällt mir jetzt so ein – du bist vielleicht","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"gar ein Glücksschilling, kommt mir doch der Gedanke so ganz von selber, so daß","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"ich daran glauben muß! Ich werde ein Loch durch den Schilling schlagen und eine","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Schnur durch das Loch ziehen und dem Kleinen der Nachbarsfrau den Schilling","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"um den Hals als Glücksschilling hängen.' Und sie schlug ein Loch durch mich;","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"angenehm ist es freilich nicht, wenn ein Loch durch einen geschlagen wird,","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"allein wenn es in guter Absicht geschieht, läßt sich vieles ertragen! Eine","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Schnur wurde auch durchgezogen, ich wurde eine Art Medaillon zum Tragen, man","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"hing mich um den Hals des kleinen Kindes, und das Kind lächelte mich an, küßte","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"mich, und ich ruhte eine ganze Nacht an der warmen, unschuldigen Brust des","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Kindes.","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Als es Morgen ward, nahm die Mutter mich zwischen ihre Finger, sah mich an und","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"hatte so ihre eigenen Gedanken dabei, das fühlte ich bald heraus. Sie suchte","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"eine Schere hervor und schnitt die Schnur durch.","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"'Glücksschilling!' sagte sie. 'Ja, das werden wir jetzt erfahren!' Und sie legte","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"mich in Essig, bis ich ganz grün wurde, darauf kittete sie das Loch zu, rieb","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"mich ein wenig und ging nun in der Dämmerstunde zum Lotterieeinnehmer, um sich","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"ein Los zu kaufen, das Glück bringen sollte.","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Wie war mir übel zumute! Es zwickte in mir, als müßte ich zerknicken, ich wußte,","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"daß ich falsch genannt und hingeworfen werden würde, und zwar gerade vor die","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Menge von Schillingen und Münzen, die mit Inschrift und Gesicht dalagen, auf","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"welche sie stolz sein konnten; aber ich entging der Schande; beim Einnehmer","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"waren viele Menschen, er hatte gar viel zu tun, und ich fuhr klingend in den","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Kasten unter die anderen Münzen ob später das Los gewann, weiß ich nicht,","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"das aber weiß ich, daß ich schon am andern Morgen als ein falscher Schilling","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"erkannt, auf die Seite gelegt und ausgesandt wurde, um zu betrügen und immer zu","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"betrügen. Es ist nicht auszuhalten, wenn man einen redlichen Charakter hat, und","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"den kann ich mir selber nicht absprechen.","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Jahr und Tag ging ich in solcher Weise von Hand zu Hand, von Haus zu Haus, immer","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"ausgeschimpft, immer ungern gesehen; niemand traute mir, und ich traute mir","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"selber, traute der Welt nicht, das war eine schwere Zeit! Da kam eines Tages ein","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Reisender, ein Fremder an, bei dem wurde ich angebracht, und er war treuherzig","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"genug, mich für gängige Münze anzunehmen; aber nun wollte er mich abermals","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"ausgeben, und ich vernahm wieder die Ausrufe: 'Taugt nichts! Falsch!'","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"'Ich habe ihn für echt erhalten', sagte der Mann und betrachtete mich dabei","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"recht genau; plötzlich lächelte er über sein ganzes Gesicht, das geschah sonst","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"bei keinem Gesicht, wenn man mich betrachtete. 'Nein, was ist doch das!' sagte","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"er. 'Das ist ja eine unserer Landesmünzen, ein guter, ehrlicher Schilling aus","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"der Heimat, durch den man ein Loch geschlagen hat, den man falsch nennt. Das ist","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"in der Tat kurios! Dich werde ich mit nach Hause nehmen!'","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Die Freude durchrieselte mich, man hieß mich einen guten, ehrlichen Schilling,","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"und in die Heimat sollte ich zurückkehren, wo jedermann mich erkennen und wissen","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"würde, daß ich aus gutem Silber war und echtes Gepräge hatte. Ich hätte vor","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Freude Funken schlagen können, aber es liegt nun einmal nicht in meiner Natur,","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"zu sprühen, das kann wohl der Stahl, nicht aber das Silber.","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Ich wurde in feines, weißes Papier eingewickelt, damit ich nicht mit den","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"anderen Münzen verwechselt werden und abhanden kommen konnte, und bei festlichen","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Gelegenheiten, wenn Landsleute sich begegneten, wurde ich vorgezeigt, und es","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"wurde sehr gut von mir gesprochen; sie sagten, ich sei interessant; es ist","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"freilich merkwürdig, daß man interessant sein kann, ohne ein einziges Wort zu","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"sagen.","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Und endlich kam ich in die Heimat an! All meine Not hatte ein Ende, die Freude","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"kehrte wieder bei mir ein, war ich doch aus gutem Silber, hatte das echte","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"Gepräge! Und gar keine Widerwärtigkeiten hatte ich mehr auszustehen, obgleich","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"man das Loch durch mich geschlagen hatte, weil ich als falsch galt, doch das tut","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"nichts, wenn man es nur nicht ist! Man muß ausharren, alles kommt schließlich","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"mit der Zeit zu seinem Recht! Das ist mein Glaube,\" sagte der Schilling.","book":"Der silberne Schilling"} {"text":"In der Stadt Florenz, nicht weit von der Piazza del Granduca, liegt eine","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"kleine Querstraße, ich glaube, man nennt sie Porta rossa. In dieser, vor einer","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Art Grünkramladen, befindet sich ein kunstreich und sorgfältig gearbeitetes","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Bronzeschwein. Ein frisches, klares Wässerlein rieselt aus dem Maul des Tieres,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"das vor Alter ganz schwarzgrün aussieht. Nur der Rüssel glänzt, als ob er","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"blankpoliert sei, und das ist er auch, denn die vielen hundert Kinder und","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Lazzaroni fassen ihn mit ihren Händen an und setzen ihren Mund an sein Maul, um","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"zu trinken. Es gibt ein hübsches Bild, wenn so ein anmutiger halbnackter Knabe","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"das wohlgeformte Tier umarmt und seinen frischen Mund an dessen Rüssel jetzt.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Ein jeder, der nach Florenz kommt, wird wohl dorthin finden, denn er braucht nur","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"den ersten besten Bettler nach dem Bronzeschwein zu fragen.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Er war eines Abends spät im Winter. Auf den Bergen lag Schnee, aber es war","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Mondschein, und der Mondschein in Italien gibt ein so helles Licht, das man","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"es getrost mit einem dunklen Wintertag im Norden vergleichen kann, ja es ist","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"sogar leuchtender, denn die Luft dort ist klar und verstärkt jeden Schein,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"während im Norden das kalte, graue Bleidach des Himmels auf uns und die Erde","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"herniederdrückt, die kalte, nasse Erde, die einst unseren Sarg beschweren soll.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Drinnen, in des Herzogs Schloßgarten, unter dem Piniendach, wo tausend und","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"abertausend Rosen zur Winterszeit blühen, hatte ein kleiner zerlumpter Knabe den","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"ganzen Tag gesessen, ein Knabe, der das Sinnbild Italiens darstellen konnte, so","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"hübsch, so lächelnd und doch so leidend! Er war hungrig und durstig. Keiner gab","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"ihm einen Schilling, und als es dunkel wurde und der Garten geschlossen werden","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"sollte, jagte der Pförtner ihn fort. Lange stand er verträumt auf der Brücke,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"die sich über dem Arno wölbt, und sah zu den Sternen empor, deren Widerspiel im","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Wasser zwischen ihm und der prächtigen Marmorbrücke \"della Trinità\" blinkte.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Er schlug den Weg zu dem Bronzeschwein ein, kniete halb nieder, schlang seine","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Arme um dessen Hals, setzte seinen Mund an den glänzenden Rüssel und trank in","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"langen Zügen von dem frischen Wasser. Dicht daneben lagen ein paar Salatblätter","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"und einige Kastanien. Das war seine Abendmahlzeit. Kein Mensch war mehr auf","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"der Straße zu sehen; er war ganz allein, so setzte er sich auf den Rücken des","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Bronzeschweines, lehnte sich vornüber, daß sein kleiner lockiger Kopf, auf dem","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"des Tieres ruhte, und ehe er es selbst wußte, war er eingeschlafen.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Es war um Mitternacht. Da rührte sich das Bronzeschwein; er hörte es ganz","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"deutlich sagen: \"Du kleiner Knabe, halte Dich fest, denn nun laufe ich!\"","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Und dann lief es mit ihm fort. Es war ein seltsamer Ritt. – Zuerst kamen sie","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"über die Piazza del Granduca und das eherne Pferd, das des Herzogs Statue","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"trug, wieherte laut; das farbige Wappen über dem alten Rathaus leuchtete wie","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"ein Transparent und Michel Angelos Dawid schwang seine Schleuder. Es war ein","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"seltsames Leben, das sich hier rührte! Die Gruppen mit Perseus und dem Raub","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"der Sabinerinnen waren nur allzu lebendig; ihr Todesschrei drang laut über den","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"prächtigen, einsamen Platz.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Bei dem Palazzo degli Uffizi, in den Bogengängen, wo der Adel sich zu den","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Karnevalsfreuden versammelt, machte das Bronzeschwein halt.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"Halte Dich fest!\" sagte das Tier, \"halte Dich fest, denn nun geht es die","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Treppen hinauf!\" Der Kleine sagte noch immer kein Wort, halb zitterte er, halb","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"war er glückselig.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Sie traten in eine lange Galerie. Er kannte sie wohl, denn er war schon früher","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"hier gewesen. An den Wänden prangten Gemälde, Statuen und Büsten standen umher,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"alles war herrlich beleuchtet, als ob es heller Tag wäre. Am prächtigsten","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"jedoch war es, als sich die Tür zu einem der Nebenzimmer öffnete. Ja, diese","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Herrlichkeit erkannte der Kleine wohl wieder. Doch in dieser Nacht prangte alles","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"in seinem schönsten Glanze.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Hier stand eine wunderschöne nackte Frau, so herrlich, wie nur die Natur und","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"der größte Meister des Marmors sie formen konnten. Sie bewegte die anmutigen","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Glieder, Delphine schnellten zu ihren Füßen empor und die Unsterblichkeit","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"leuchtete aus ihren Augen. Die Welt nannte sie die Mediceische Venus. Ihr zur","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Seite prangten Marmorbilder, in welchen des Geistes Kraft den Stein bezwungen","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"hatte, nackte, herrliche Männergestalten. Der eine wetzte sein Schwert, man","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"nennt ihn den Schleifer; die andere Gruppe stellte die kämpfenden Gladiatoren","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"dar; das Schwert wird geschliffen und die Helden kämpfen, alles für die Göttin","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"der Schönheit.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Der Knabe war wie geblendet von all dem Glanze. Die Wände strahlten von Farben","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"wieder, und alles war Leben und Bewegung. Zwiefach bot sich das Bild der Venus,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"der göttlichen, und der irdischen, so schwellend und feurig, wie Titian sie aus","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"seinem Herzen erschaffen. Es war seltsam anzusehen. Die zwei herrlichen Frauen","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"streckten ihre anmutigen unverschleierten Glieder auf den weichen Polstern,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"ihre Brust hob sich und das Haupt bewegte sich, so daß die reichen Locken auf","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"die runden Schultern herabfielen, während die dunklen Augen von den glühenden","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Gefühlen des Blutes sprachen; aber doch wagte keines der Bilder, ganz aus dem","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Rahmen zu treten. Selbst die Göttin der Schönheit, die Gladiatoren und der","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Schleifer blieben auf ihrem Platze, denn der Glanz, der von der Madonna, von","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Jesus und Johannes ausstrahlte, hielt sie gebunden. Die Heiligenblider waren","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"keine Bilder mehr, sondern die Heiligen selbst.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Welche Pracht und Schönheit in jedem der Säle, und der Kleine sah alles. Das","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Bronzeschwein ging ja Schritt vor Schritt durch all die Herrlichkeit. Ein","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Anblick verdrängte den anderen. Nur ein Bild haftete unverrückbar in seiner","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Seele, und das geschah wohl zumeist um der frohen, glücklichen Kinder willen,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"die darauf zu sehen waren und denen der kleine schon einmal bei Tageslicht","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"zugenickt hatte.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Viele wandern sicher gedankenlos an dem Bilde vorbei, und doch umschließt","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"es einen Schatz an Poesie. Es ist Christus, der in die Unterwelt hinabfährt.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Aber es sind nicht die Verdammten, die ihn umgeben, sondern die Heiden. Der","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Florentiner Angiolo Bronzino hat dieses Bild gemalt, und am meisten bezwingend","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"daran ist der Ausdruck der Gewißheit bei den Kindern, daß sie in den Himmel","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"kommen sollen. Zwei der kleinsten umarmen einander bereits, ein anderer Kleiner","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"streckt seine Hand aus zu einem, der noch in der Tiefe steht und zeigt auf sich","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"selbst, als ob er sagen wolle: \"Ich soll in den Himmel!\" Die Älteren stehen","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"unsicher hoffend und beugen sich demütig betend vor dem Herrn Jesus.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Auf dieses Bild schaute der Knabe länger als auf irgend eines von den anderen.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Das Bronzeschwein weilte still davor. Ein leiser Seufzer erklang. Kam er von","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"dem Bilde oder aus des Tieres Brust? Der Knabe erhob die Hand zu den lächelnden","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Kindern – da Jagte das Tier mit ihm von dannen und hinaus durch den offenen","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Vorsaal.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"Dank und Segen, Du freundliches Tier!\" sagte der kleine Knabe und streichelte","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"das Bronzeschwein, das bums, bums! die Treppen mit ihm binabsprang.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"Dank und Segen auch für Dich!\" sagte das Bronzeschwein, \"ich habe Dir geholfen","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"und Du hast mir geholfen, denn nur mit einem unschuldigen Kinde auf dem","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Rücken erhalte ich die Kraft zum Laufen. Ja, siehst Du, ich darf auch in den","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Strahlenkreis der geweihten Lampe vor den Madonnenbildern treten. Ich kann Dich","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"überall hin tragen, nur nicht in die Kirche! Aber von draußen kann ich, wenn Du","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"bei mir bist, durch die offene Tür hineinsehen. Steige nicht von meinem Rücken","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"herunter! Wenn Du es tust, dann liege ich tot, wie Du mich am Tage in der Porta","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Rossa liegen siehst\"","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"Ich bleibe bei Dir, Du freundliches Tier!\" sagte der Kleine, und dann ging","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"es in sausender Fahrt durch die Gassen von Florenz hinaus zu dem Platz vor der","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Kirche Santa Croce!","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Die große Flügeltür sprang auf, die Lichter strahlten vom Altar hernieder durch","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"die ganze Kirche und hinaus auf den einsamen Platz.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Ein seltsamer Lichtschein strömte von einem Grabstein berate, der im linken","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Seitengange stand. Tausend lebendige Sterne bildeten gleichsam eine Glorie","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"darum. Ein Wappenschild prangte auf dem Grabe, eine rote Leiter in blauem Felde,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"die wie Feuer glühte. Es war Galileis Grab. Es ist nur ein einfachen Denkstein,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"aber die rote Leiter im blauen Felde ist ein bedeutungsvolles Wappenzeichen, es","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"ist, als ob es der Kunst selbst zugehöre, denn sie geht allezeit ihren Weg über","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"glühende Leitern empor, aber zum Himmel! Alle Propheten des Geistes fahren gen","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Himmel wie Elias.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"In dem Gange rechts war es, als ob jedes Steinbild auf den reichen Sarkophagen","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"lebendig geworden sei. Hier stand Michel Angelo, Dante mit dem Lorbeerkranz um","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"die Stirn, Alfieri, Macchiavelli. Seite an Seite ruhen hier diese großen Männer,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Italiens Stolz! Es ist eine prächtige Kirche, weit schöner, wenn auch nicht so","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"groß, wie die marmorne Domkirche zu Florenz.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Es war, als ob die Marmorgewänder sich bewegten, als ob die großen Gestalten","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"ihre Häupter höher erhöben und unter Gesang und sanften Tönen durch die Nacht","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"empor zu dem farbig erstrahlenden Altar blickten, wo weißgekleidete Knaben die","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"goldenen Räucherfässer schwangen, deren starker Duft aus der Kirche bis auf den","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"offenen Platz strömte.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Der Knabe streckte seine Hand nach dem Lichtglanze aus, und im gleichen","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Augenblick fegte das Bronzeschwein von dannen. Er mußte sich fest an seinen Leib","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"pressen, der Wind pfiff um seine Ohren, er hörte die Kirchenpforte in den Angeln","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"knarren, während sie sich wieder schloß, aber zugleich schien das Bewußtsein ihn","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"zu verlassen. Er fühlte eine eisige Kälte und schlug die Augen auf.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Es war Morgen. Er saß, halb hinabhängend, auf dem Bronzeschwein, das, wie es","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"immer zu tun pflegte, in der Porta Rossa stand.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Furcht und Angst erfüllten den Knaben bei dem Gedanken an die, die er Mutter","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"nannte, und die ihn gestern fortgeschickt und gesagt hatte; daß er Geld","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"herschaffen solle. Nichts hatte er bekommen, nur hungrig und durstig war er!","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Noch einmal umhalste er das Bronzeschwein, küßte es auf den Rüssel, nickte","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"ihm zu und wanderte dann von dannen nach einer der engsten Gassen, kaum breit","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"genug für einen wohlbepackten Esel. Eine große, eisenbeschlagene Tür stand","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"halb offen. Hier ging er eine gemauerte Treppe mit schmutzigen Stufen und einem","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"glatten Seil an eines Geländersstatt hinauf und kam auf eine offene mit Lumpen","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"behängte Galerie. Eine Trekke führte von hier aus auf den Hof, wo vom Brunnen","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"dicke Eisendrähte nach allen Etagen des Hauses hinaufgezogen waren, und ein","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Wassereimer schwebte neben dem anderen, während die Winde knirschte und der","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Eimer in der Luft tanzte, daß das Wasser hinab in den Hof klatschte. Abermals","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"ging es eine verfallene Steintreppe hinauf. Zwei Matrosen, es waren Russen,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"sprangen vergnügt herunter und hätten den armen Jungen um ein Haar umgestoßen.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Sie kamen von ihrem nächtlichen Bacchanal. Eine nicht mehr junge, aber üppige","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Frauengestalt mit starkem, schwarzen Haar, folgte. \"Was hast Du nachhause","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"gebracht?\" fragte sie den Knaben.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"Sei nicht böse!\" bat er, \"Ich habe nichts bekommen, gar nichts!,\" und er griff","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"nach dem Rock der Mutter, als ob er ihn küssen wolle. Sie traten in die Kammer.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Wir wollen sie nicht näher beschreiben, nur soviel sei gesagt, daß dort ein","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Henkelkrug mit Kohlenfeuer stand, ein marito, wie man ihn nennt, den nahm sie","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"auf ihren Arm, wärmte die Finger und puffte den Knaben mit den Ellenbogen: \"Ja,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"gewiß hast Du Geld!.\" sagte sie.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Das Kind weinte, sie stieß mit dem Fuße nach ihm, und er jammerte laut. –","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"Willst Du schweigen, oder ich schlage Dir Deinen brüllenden Kopf entzwei!\" Und","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"sie schwang den Feuerkrug, den sie in der Hand hielt. Der Junge duckte sich mit","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"einem Schrei auf die Erde. Da trat die Nachbarsfrau zur Tür herein. Auch sie","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"trug ihren marito auf dem Arm. \"Felicita! Was tust Du mit dem Kinde?\"","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"Das Kind gehört mir!\" antwortete Felicita. \"Ich kann es ermorden, wenn ich will","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"und Dich dazu, Gianina!\" und sie schwang ihren Feuerkrug. Die andere hob den","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"ihren abwehrend in die Höhe und beide Töpfe fuhren zusammen, daß Scherben, Feuer","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"und Asche im Zimmer umherflogen. Der Knabe aber war im Nu zur Tür hinaus, über","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"den Hof und aus dem Hause. Das arme Kind lief, bis es ganz außer Atem war. Er","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"machte halt vor der Kirche St. Croce, deren Tore sich in der vergangenen Nacht","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"vor ihm geöffnet hatten, und ging hinein; alles strahlte. Er kniete vor dem","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"ersten Grabe zur Rechten nieder, es war Michelangelos Grab, und bald schluchzte","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"er laut. – Die Menschen kamen und gingen. Die Messe wurde gelesen, niemand nahm","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Notiz von dem Knaben. Nur ein ältlicher Bürger hielt an, betrachtete ihn – und","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"ging dann fort, wie die anderen auch.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Hunger und Durst plagten den Kleinen, er war halb ohnmächtig und so schwach.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"So kroch er in die Ecke zwischen der Wand und dem Marmormonument und fiel in","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Schlaf. Es war gegen Abend, als er wieder aufwachte. Jemand schüttelte ihn und","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"er fuhr empor. Derselbe alte Bürger stand vor ihm.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"Bist Du krank? Wo gehörst Du denn hin? Bist Du denn hier den ganzen Tag","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"gewesen?\" Das waren ein paar von den vielen Fragen, die der Alte an ihn","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"richtete. Sie wurden beantwortet, und der alte Mann nahm ihn mit sich","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"in sein kleines Haus in einer der Seitenstraßen in der Nähe. Es war eine","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Handschuhmacherwerkstatt, in die sie hereintraten. Die Frau saß noch fleißig","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"beim Nähen, als sie kamen. Ein kleiner, weißer Bologneser, so kurz abgeschoren,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"daß man die rosenrote Haut sehen konnte, hüpfte auf den Tisch und sprang dem","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"kleinen Knaben etwas vor. –","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"Die unschuldigen Seelen kennen einander,\" sagte die Frau und streichelte den","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Hund und den Knaben. Er bekam zu essen und zu trinken bei den guten Leuten, und","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"sie erlaubten ihm auch, die Nacht über hierzubleiben. Am nächsten Tage wollte","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Vater Guiseppe mit seiner Mutter reden. Er bekam ein kleines ärmliches Bett,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"aber ihm, der so oft auf dem harten Steinpflaster schlafen mußte, erschien es","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"königlich prächtig. Er schlief gut und träumte von den schönen Bildern und dem","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Bronzeschwein.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Vater Guiseppe ging am nächsten Morgen aus, und das arme Kind war wenig froh","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"bei dem Gedanken, denn es wußte, daß dieser Gang dem Zwecke diente, es zu seiner","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Mutter zurückzubringen. Und er weinte und küßte den kleinen lustigen Hund, und","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"die Frau nickte ihnen beiden zu. –","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Und was für einen Bescheid brachte Vater Guiseppe zurück? Er sprach lange mit","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"seiner Frau, und sie nickte und streichelte den Knaben. \"Es ist ein prächtiges","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Kind!\" sagte sie. \"Er könnte einen eben so guten Handschuhmacher abgeben, wie","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Du es warst! Und Finger hat er, so fein und geschmeidig. Die Madonna hat ihn zum","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Handschuhmacher bestimmt!\"","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Und der Knabe blieb im Hause, und die Frau lehrte ihn selbst das Nähen. Er aß","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"gut, er schlief gut, er wurde munter und begann nun Bellissima, so hieß der","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"kleine Hund, zu necken. Die Frau drohte mit dem Finger und schalt und wurde","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"böse. Und das nahm sich der Junge zu Herzen. Gedankenvoll saß er in seiner","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"kleinen Kammer, die auf die Straße hinausging, wo die Häute getrocknet wurden.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Dicke Eisenstangen waren vor den Fenstern. Er konnte nicht schlafen und seine","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Gedanken waren bei dem Bronzeschwein. Plötzlich hörte er es draußen: Klatsch,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"klatsch! ja, das mußte es sein! Er sprang ans Fenster, aber da war nichts zu","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"sehen, es war alles vorbei.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"Hilf dem Herrn, seinen Farbenkasten zu tragen!\" sagte die Frau am Morgen","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"zu dem Knaben, als der junge Nachbar, ein Maler, mit dem Kasten und einer","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"zusammengerollten Leinewand beladen daher kam. Und der Knabe nahm den Kasten,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"folgte dem Maler und sie gingen nach der Galerie und gerade dieselbe Treppe","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"hinauf, die er so gut von jener Nacht her kannte, als er auf dem Bronzeschwein","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"geritten war. Er kannte die Statuen und Bilder, die herrliche Marmorvenus und","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"die gemalte wieder, und er sah die Mutter Gottes, Jesus und Johannes.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Nun hielten sie vor dem Bilde des Bronzino an, wo Christus in die Unterwelt","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"hinabfährt und die Kinder um ihn herum in süßer Erwartung des Himmels lächeln;","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"das arme Kind lächelte auch, denn hier war es in seinem Himmel.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"Nun kannst Du nachhause gehen\" sagte der Maler zu ihm, da er bereits solange","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"dagestanden hatte, wie der Maler seine Staffelei aufgestellt hatte!","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"Darf ich Euch beim Malen zusehen?\" fragte der Knabe, \"darf ich sehen, wie Ihr","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"das Bild auf das weiße Stück hier herüber bekommt?\"","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"Jetzt male ich nicht!\" antwortete der Mann und nahm seine schwarze Kreide","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"hervor. Hurtig bewegte sich die Hand, das Auge maß das große Bild, und trotzdem","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"nur feine Striche erschienen, stand Christus doch bald schwebend, wie auf dem","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"farbigen Bilde, auf der Leinwand.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"Aber so geh doch!\" sagte der Maler, und der Knabe wanderte stille heimwärts,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"setzte sich auf den Tisch und – lernte Handschuhe nähen.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Aber den ganzen Tag über waren seine Gedanken in der Bildergalerie, und deshalb","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"stach er sich in den Finger und stellte sich ungeschickt an, aber er neckte auch","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Bellissima nicht. Als es Abend wurde und die Haustür gerade offenstand, schlich","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"er sich hinaus. Es war kalt aber sternenklar, hell und schön, und er wanderte","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"durch die Straßen, in denen es bereits ruhig war, und bald stand er vor dem","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Bronzeschwein. Er beugte sich zu ihm nieder, küßte den blanken Rüssel und setzte","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"sich auf seinen Rücken. \"Du freundliches Tier,\" sagte er, \"wie habe ich mich","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"nach Dir gesehnt! Heute Nacht müssen wir einen Ritt machen!\"","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Das Bronzeschwein lag unbeweglich, und das frische Wasser sprudelte aus seinem","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Maule. Der Kleine saß wie ein Ritter darauf, da zog ihn jemand an den Kleidern.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Er schaute hin – Bellissima, die kleine nackte, geschorenene Bellissima war es.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"– Der Hund war mit aus dem Hause geschlüpft und war dem Kleinen gefolgt, ohne","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"daß er es bemerkt hatte. Bellissima bellte, als ob sie sagen wollte: siehst","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Du, ich bin mitgekommen. Weshalb hast Du Dich hierher gesetzt? – Kein feuriger","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Drache hätte den Knaben mehr erschrecken können, als der kleine Hund an diesem","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Orte. Bellissima auf der Straße und noch dazu, ohne angezogen zu sein, wie es","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"die alte Mutter nannte! Was sollte daraus nur werden! Der Hund kam niemals zur","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Winterszeit in die Luft, ohne in ein kleines hübsch für ihn zugeschnittenes","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"und genähtes Lammfellchen gehüllt zu sein. Das Fell konnte mit einem roten Band","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"fest um den Hals gebunden werden, es war mit einer Schleife und einer Klingel","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"geschmückt und es konnte auch unter dem Bauche zugebunden werden. Der Hund sah","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"beinahe wie ein Zicklein aus, wenn er zur Winterszeit in diesem Anzug mit der","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Signora ausgehen durfte. Bellissima war also mitgekommen und nicht angezogen.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Was würde nur daraus werden? Alle Phantasien waren verschwunden, doch küßte","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"der Knabe das Bronzeschwein und nahm dann Bellissima auf den Arm; das Tierehen","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"zitterte vor Kälte deshalb lief der Junge so schnell er nur laufen konnte.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"Womit läufst Du denn da!\" riefen zwei Gendarmen, denen er begegnete, und","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Bellissima bellte. \"Wo hast Du den schönen Hund gestohlen?\" fragten sie und","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"nahmen ihn dem Knaben weg.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"O, gebt ihn mir wieder!\" jammerte der Knabe.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"Wenn Du ihn nicht gestohlen hast, kannst Du zuhause sagen, daß der Hund auf","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"der Wache abgeholt werden kann!\" und sie nannten ihm den Ort und gingen mit","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Bellissima davon.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Das war eine Not und ein Jammer! Er wußte nicht, ob er in den Arno springen oder","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"nachhause gehen und dies eingestehen sollte. Sie würden ihn gewiß totschlagen,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"dachte er. – \"Aber ich will mich gern totschlagen lassen! Ich will sterben, dann","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"komme ich zu Jesus und der Madonna!\" und er ging heim, hauptsächlich darum, weil","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"er totgeschlagen werden wollte.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Die Tür war geschlossen und er konnte den Klopfer nicht erreichen. Niemand war","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"auf der Straße, aber ein Stein lag lose vor dem Haus. Mit dem donnerte er an die","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Tür. \"Wer ist das?\" riefen sie von innen. –","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"Ich bin es!\" sagte er, \"Bellissima ist fort! schließt mir auf und schlagt mich","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"tot!\"","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Das war ein Entsetzen, besonders bei der Frau, über die arme Bellissima! Sie sah","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"sogleich auf die Wand, wo das Umhängefell des Hundes hängen sollte. Das kleine","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Lammfell hing da.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"Bellissima auf der Wache!\" schrie sie ganz laut. \"Du böses Kind! Wie hast Du","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"ihn denn hier herausbekommen! Er wird totfrieren! Das feine Tier bei den rohen","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Soldaten!\"","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Vater mußte gleich gehen! – und die Frau jammerte und der Knabe weintet – Alle","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Leute im Haus liefen zusammen, der Maler auch. Er nahm den Knaben zwischen seine","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Knie und fragte ihn aus. So erfuhr er stückweise die ganze Geschichte, von dem","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Bronzeschwein und der Galerie. Es war nicht besonders leicht zu verstehen, aber","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"der Maler tröstete den Kleinen, redete der Alten gut zu, aber sie gab sich nicht","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"zufrieden, ehe Vater mit Bellissima ankam, der so lange zwischen den Soldaten","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"gewesen war. Das war eine Freude! Und der Maler streichelte den armen Jungen und","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"gab ihm ein Handvoll Bilder.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Ach, was waren das für prächtige Dinge! Was für lustige Köpfe! Aber vor allem –","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"da war springlebendig das Bronzeschwein selbst. Ach, nichts in der Welt konnte","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"herrlicher sein! Mit ein paar Strichen stand es auf dem Papier, und sogar das","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Haus dahinter war angedeutet.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"Wer doch zeichnen und malen könnte! dann könnte man sich die ganze Welt","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"erobern!\"","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Am nächsten Tage in dem ersten unbewachten Augenblick griff der Kleine nach","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"dem Bleistift und auf der weißen Seite des einen Bildes versuchte er die","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Zeichnung des Bronzeschweines wiederzugeben. Und es glückte! – Ein bißchen","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"schief, ein bißchen verquer, ein Bein dick, das andere dünn, aber es war doch","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"zu erkennen. Er Jubelte hoch auf! Der Bleistift wollte nur noch nicht so recht,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"wie er sollte, das sah er wohl. Aber am nächsten Tage stand da ein anderes","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Bronzeschwein neben dem ersten, und das war hundertmal besser; das dritte war so","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"gut, daß jeder es erkennen konnte.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Aber mit dem Handschuhnähen stand es schlimm und die Besorgungen in der Stadt","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"dauerten immer länger, denn das Bronzeschwein hatte ihn jetzt gelehrt, daß","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"sich alle Bilder auf das Papier übertragen lassen können, und die Stadt Florenz","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"ist ein ganzes Bilderbuch, wenn man nur darin blättern mag. Da steht auf der","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Piazza della Trinità eine schlanke Säule, auf der die Göttin der Gerechtigkeit","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"mit verbundenen Augen und der Wage steht. Bald stand sie auf dem Papier, und","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"es war der kleine Junge bei dem Handschumacher, der sie dahingesetzt hatte.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Die Bildersammlung wuchs, aber sie enthielt bisher nur die toten Dinge. Da","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"sprang eines Tages Bellissima vor ihm her; \"Steh still!\" sagte er, \"dann","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"wirst Du hübsch und kommst in meine Bildersammlung!\" Aber Bellissima wollte","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"nicht stillstehen, so mußte er also gebunden werden. Kopf und Schwanz wurden","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"angebunden, er bellte und sprang, die Schnur wurde straff; da kam die Signora.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"\"Du gottloser Junge! Das arme Tier!\" war alles, was sie auszurufen vermochte.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Sie stieß! den Knaben beiseite, trat nach ihm mit dem Fuß und wies ihn aus dem","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Hause, ihn, den undankbarsten Bösewicht, das gottloseste Kind in der Welt! und","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"weinend küßte sie ihre kleine, halberwürgte Bellissima.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Der Maler kam in diesem Augenblick die Treppe herauf und – hier ist der","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Wendepunkt der Geschichte! –","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"1834 war in der Academia delle Arte eine Ausstellung in Florenz. Zwei","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"nebeneinander aufgestellte Bilder sammelten eine Menge Beschauer. Auf dem","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"kleinsten Bilde war ein kleiner lustiger Knabe dargestellt, der saß und","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"zeichnete. Als Modell diente ein kleiner weißer, völlig kurz geschorener Mops.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Aber das Tier wollte nicht still stehen und war daher mit Bindfaden am Kopfe","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"und Schwanze festgebunden. Es war eine solche Lebenswahrheit darin, daß sie","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"jeden ansprechen mußte. Der Maler war, wie man erzählte, ein junger Florentiner,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"der als kleines Kind von der Gasse aufgelesen, und dann bei einem alten","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Handschuhmacher erzogen wurde: Das Zeichnen hatte er sich selbst beigebracht.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Ein jetzt berühmter Maler hatte dieses Talent entdeckt, gerade als der Knabe","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"weggejagt werden sollte, weil er den Liebling der Frau, den kleinen Mops,","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"gebunden, und ihn so zwangsweise zum Modell gemacht hatte.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Aus dem Handschuhmacherjungen war ein großer Maler geworden! Das bewies dies","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Bild, das bewies besonders das daneben hängende größere Gemälde. Dies zeigte","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"nur eine einzige Figur, einen zerlumpten, schönen Knaben, der auf der Straße saß","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"und schlief. Er lehnte sich an das Bronzeschwein in der Straße Porta Rossa. Alle","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Beschauer kannten den Ort. Des Kindes Arme ruhten auf dem Kopfe des Schweins.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Der Kleine schlief ruhig und sorglos, und die Lampe vor dem Madonnenbilde warf","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"einen starken effektvollen Lichtschein auf das bleiche, schöne Antlitz des","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Kindes. Es war eine prächtige Arbeit. Ein großer vergoldeter Rahmen umschloß","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"es, und über einer Ecke des Rahmens hing ein Lorbeerkranz, aber zwischen die","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"grünen Blätter war ein schwarzes Band gewunden, ein langer Trauerflor hing davon","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"hinunter.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"Der junge Künstler war in diesen Tagen gestorben.","book":"Das Bronzeschwein"} {"text":"In allen Liedern des Orients erklingt die Liebe der Nachtigall zu der Rose.","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"In den schweigenden, sternklaren Nächten bringt der geflügelte Sänger seiner","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"duftenden Blume eine Serenade dar.","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"Nicht weit von Smyrna, unter den hohen Platanen, wo der Kaufmann seine","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"belasteten Kamele treibt, die stolz ihre langen Hälse erheben und schwerfällig","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"über eine Erde stampfen, die heilig ist, sah ich eine blühende Rosenhecke.","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"Wilde Tauben flogen zwischen den Zweigen der hochstämmigen Bäume, und die Flügel","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"der Tauben glänzten, wenn ein Sonnenstrahl darüber hinglitt, als seien sie aus","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"Perlmutter gemacht.","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"In der Rosenhecke war eine Blüte von allen die schönste, und für sie sang","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"die Nachtigall von ihrem Liebesschmerz, aber die Rose war stumm, nicht ein","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"Tautropfen lag, wie eine Träne des Mitleidens, auf ihren Blättern, sie neigte","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"sich auf ihrem Zweige über einige große Steine.","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"\"Hier ruht der Erde größter Sänger!\" sagte die Rose, \"über seinem Grabe will","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"ich duften, meine Blätter will ich darauf verstreuen, wenn der Sturm sie mir","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"abstreift. Der Ilias' Sänger ward zu Erde in dieser Erde, aus der ich sprieße! –","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"Ich, eine Rose von Homers Grab, bin zu heilig, um für eine armselige Nachtigall","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"zu blühen!\"","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"Und die Nachtigall sang sich zu Tode!","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"Der Kameltreiber kam mit seinen beladenen Kamelen und seinen schwarzen Sklaven.","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"Sein kleiner Sohn fand den toten Vogel und beerdigte ihn in des großen Homers","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"Grab; und die Rosen bebten im Winde. Der Abend kam. Die Rose faltete ihre","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"Blätter dichter zusammen und träumte,– sie träumte, es wäre ein herrlicher","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"Sonnentag. Eine Schar fremder fränkischer Männer kam her, sie hatten eine","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"Pilgerreise zu Homers Grab gemacht. Unter den Fremden war ein Sänger aus dem","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"Norden, aus der Heimat der Nebel und Nordlichter. Er brach die Rose, preßte sie","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"in einem Buche und nahm sie so mit sich nach einem anderen Weltteil hinüber,","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"mit nach seinem fernen Vaterland. Und die Rose welkte vor Kummer und lag in dem","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"engen Buche, das er in seinem Heim öffnete, und er sagte: \"Hier ist eine Rose","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"von Homers Grab.\"","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"Sieh, das träumte die Blume und sie erwachte und zitterte im Windel Ein","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"Tautropfen fiel von ihren Blättern auf des Sängers Grab; da ging die Sonne auf,","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"und die Rose blühte schöner als zuvor. Der Tag wurde heiß, es war ja im heißen","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"Asien. Da schallten Fußtritte, fremde Franken kamen, wie sie die Rose im Traume","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"gesehen hatte, und unter diesen Fremden war ein Dichter aus dem Norden; er","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"brach die Rose, drückte einen Kuß auf ihren frischen Mund, und führte sie mit","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"sich in die Heimat der Nebel und der Nordlichter. Wie eine Mumie ruht nun die","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"Blumenleiche in seiner llias, und wie im Traume hört sie ihn das Buch öffnen und","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"sagen: \"Hier ist eine Rose von Homers Grab!\"","book":"Eine Rose von Homers Grab"} {"text":"Im Garten standen alle Apfelbäume in Blüte; sie hatten sich beeilt, um Blüten zu","book":"Eine Geschichte"} {"text":"bekommen, ehe die grünen Blätter kamen. Im Hofe waren alle Enten draußen und die","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Katze auch. Sie schleckte wohl wirklich den Sonnenschein! Sie schleckte ihn von","book":"Eine Geschichte"} {"text":"ihrer eigenen Pfote. Und sah man übers Feld hin, da stand das Korn so herrlich","book":"Eine Geschichte"} {"text":"und grün, und es war ein Zwitschern und Quinquilieren bei all den kleinen","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Vögeln, als ob ein großes Fest sei; und das konnte man wohl auch sagen, denn","book":"Eine Geschichte"} {"text":"es war Sonntag. Die Glocken läuteten, und die Leute gingen in ihren schönsten","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Kleidern zur Kirche und alle sahen fröhlich aus. Ja, an jedem Ding war auch","book":"Eine Geschichte"} {"text":"etwas Erfreuliches und es war ein Tag, so warm und hell, daß man wohl sagen","book":"Eine Geschichte"} {"text":"konnte: \"Der liebe Gott ist wahrhaftig grenzenlos gut gegen uns Menschen.\"","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Aber in der Kirche drinnen stand der Pfarrer auf der Kanzel und sprach so","book":"Eine Geschichte"} {"text":"laut und böse. Er sagte, daß die Menschen so gottlos seien und daß Gott sie","book":"Eine Geschichte"} {"text":"dafür strafen würde, und wenn sie gestorben seien, kämen die Bösen hinab in","book":"Eine Geschichte"} {"text":"die Hölle, wo sie ewig brennen müßten. Und er sagte, daß der nagende Wurm in","book":"Eine Geschichte"} {"text":"ihnen nie sterben würde, nie würden die Feuer dort unten gelöscht werden und","book":"Eine Geschichte"} {"text":"niemals fänden sie Rast oder Ruh. Das war gar gräßlich anzuhören und er war","book":"Eine Geschichte"} {"text":"seiner Sache so gewiß. Er beschrieb ihnen die Hölle wie eine stinkende Höhle,","book":"Eine Geschichte"} {"text":"in der der Schmutz der ganzen Welt zusammenflöße, da wehte kein Lüftlein, nur","book":"Eine Geschichte"} {"text":"die heiße Schwefelflamme, da wäre kein Boden, sie sänken und sänken, tief in ein","book":"Eine Geschichte"} {"text":"ewiges Schweigen. Allein schon das Hören war schauerlich, aber dem Pfarrer kam","book":"Eine Geschichte"} {"text":"alles dies überzeugend aus tiefstem Herzensgrund, und alle Leute in der Kirche","book":"Eine Geschichte"} {"text":"entsetzten sich. Aber draußen sangen all die kleinen Vögel so fröhlich, und die","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Sonne schien so warm, es war, als ob jede kleine Blume sagen wollte: Gott ist","book":"Eine Geschichte"} {"text":"so unendlich gut gegen uns aller – ja, draußen war es gar nicht so, wie es der","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Pfarrer gepredigt hatte.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Am Abend zur Schlafenszeit sah der Pfarrer seine Frau still und gedankenvoll","book":"Eine Geschichte"} {"text":"dasitzen.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Was fehlt Dir?\" fragte er sie.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Ja, was fehlt mir eigentlich,\" sagte sie, \"mir fehlt, daß ich nicht recht meine","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Gedanken sammeln kann, daß es mir nicht recht stimmen will, was Du sagst, daß","book":"Eine Geschichte"} {"text":"es soviele Gottlose gäbe, die ewig brennen müßten, ewig – ach, wie lange. Ich","book":"Eine Geschichte"} {"text":"bin nur ein sündiger Mensch, aber ich könnte es nicht über mein Herz bringen,","book":"Eine Geschichte"} {"text":"selbst den schlimmsten Sünder ewig brennen zu lassen; wie wollte es da der liebe","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Gott können, er, der so unendlich gut ist, er, der weiß, wie das Böse von außen","book":"Eine Geschichte"} {"text":"und innen an uns herantritt. Nein, ich kann es mir nicht denken, obwohl Du es","book":"Eine Geschichte"} {"text":"sagst.\"","book":"Eine Geschichte"} {"text":"*","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Es war Herbst. Das Laub fiel von den Bäumen; der ernste, strenge Pfarrer saß","book":"Eine Geschichte"} {"text":"am Bette einer Sterbenden. Eine fromme Gläubige schloß ihre Augen; es war die","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Pfarrerin.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Findet jemand Frieden im Grabe und Gnade bei Gott, so bist Du es!\" sagte der","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Pfarrer, und er faltete ihre Hände und sprach ein Gebet über die Tote.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Sie wurde zu Grabe getragen; zwei schwere Tränen rollten über die Wangen des","book":"Eine Geschichte"} {"text":"ernsten Mannes nieder. Im Pfarrhofe war es stille und leer; der Sonnenschein","book":"Eine Geschichte"} {"text":"darin war erloschen, sie war ja fortgegangen.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Es war Nacht. Ein kalter Wind blies über das Haupt des Pfarrers; er schlug die","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Augen auf und es war, als ob der Mond in seine Stube hereinscheine, aber der","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Mond schien nicht. Eine Gestalt war es, die vor seinem Bette stand; er sah den","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Geist seiner gestorbenen Frau. Sie blickte ihn so tief betrübt an, es war, als","book":"Eine Geschichte"} {"text":"wolle sie etwas sagen.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Und der Mann richtete sich halb empor und streckte die Arme nach ihr aus.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Auch Dir ist nicht die ewige Ruhe vergönnt? Du leidest? Du, die Beste, die","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Frömmeste?\"","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Und die Tote neigte ihr Haupt zu einem ja und legte die Hand auf die Brust.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Kann ich Dir die Ruhe im Grabe geben?\"","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Ja\" tönte es.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Und wie?\"","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Gib mir ein Haar, nur ein einziges Haar vom Haupte eines Sünders, für den das","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Feuer nie erlöschen soll, des Sünders, den Gott in die Hölle zu ewiger Pein","book":"Eine Geschichte"} {"text":"hinabstoßen will.\"","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Ja, so leicht konntest nur Du erlöst werden, Du Reine, Du Fromme\" sagte er.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"So folge mir!\" sagte die Tote. \"So ist es uns vergönnt. An meiner Seite","book":"Eine Geschichte"} {"text":"schwebst Du, wohin Deine Gedanken es wollen. Unsichibar für die Menschen stehen","book":"Eine Geschichte"} {"text":"wir vor den heimlichsten Kammern ihres Herzens, aber mit sicherer Hand mußt","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Du auf den zu ewiger Qual Verdammten zeigen, und vor dem Hahnenschrei muß er","book":"Eine Geschichte"} {"text":"gefunden sein.\"","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Und hurtig, mit Gedankenschnelle, waren sie in der grollen Stadt. Von den Wänden","book":"Eine Geschichte"} {"text":"der Häuser leuchteten mit feurigen Buchstaben die Namen der Todsünden: Hochmut,","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Geiz, Trunksucht, Wollust, kurz, der ganze siebenfarbige Bogen der Sünde.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Ja, dort drinnen, wie ich es glaube, wie ich es wußte,\" sagte der Pfarrer,","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"hausen die dem ewigen Feuer Geweihten.\" Und sie standen vor einem prächtig","book":"Eine Geschichte"} {"text":"erleuchteten Portal, wo breite Treppen mit Teppichen und Blumen geschmückt waren","book":"Eine Geschichte"} {"text":"und durch die festlichen Säle Ballmusik erklang. Der Schweizer stand davor in","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Sammet und Seide mit einem großen silberbeschlagenen Stock.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Unser Ball kann sich mit dem des Königs wohl messen!\" sagte er und wandte sich","book":"Eine Geschichte"} {"text":"dem Straßendpöbel zu; von Kopf zu Fuß leuchtete ein Gedanke aus ihm: \"Elendes","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Pack, das hier zur Pforte hereingafft! Gegen mich seid Ihr alle Kanaillen.\"","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Hochmut\" sagte die Tote, \"siehst Du ihn?\"","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Ihn,\" wiederholte der Pfarrer, \"ja aber er ist ein Tropf, ein Narr nur, er wird","book":"Eine Geschichte"} {"text":"nicht zu ewigem Feuer und ewiger Pein verdammt werden.\"","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Ein Narr nur\" erklang es durch das ganze Haus des Hochmuts, das waren sie alle","book":"Eine Geschichte"} {"text":"darin.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Und sie flogen in die nackten vier Wände des Geizigen hinein, wo dürr und","book":"Eine Geschichte"} {"text":"klappernd vor Kälte, hungrig und durstig, sich ein Greis mit allen seinen","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Gedanken an sein Gold klammerte. Sie sahen, wie er im Fieber von dem elenden","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Lager sprang und einen losen Stein aus der Mauer nahm. Da lagen Goldstücke","book":"Eine Geschichte"} {"text":"in einem Strumpfe. Er tastete sein lumpiges Hemd ab, in das Goldstücke genäht","book":"Eine Geschichte"} {"text":"waren, und die feuchten Finger zitterten.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Er ist krank. Das ist Wahnwitz, ein freudloser Wahnwitz, umringt von Angst und","book":"Eine Geschichte"} {"text":"bösen Träumen.\"","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Und sie entfernten sich hastig und standen vor der Pritsche der Verbrecher, auf","book":"Eine Geschichte"} {"text":"der sie in langer Reihe, Seite an Seite, schliefen. Wie ein wildes Tier fuhr","book":"Eine Geschichte"} {"text":"einer aus dem Schlafe empor, einen häßlichen Schrei ausstoßend; er schlug mit","book":"Eine Geschichte"} {"text":"seinen spitzen Ellenbogen nach seinem Kameraden; der wandte sich schläfrig um:","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Halts Maul, Du Vieh, und schlaf – das ist jede Nacht –!\"","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Jede Nacht\" wiederholte der andere, \"`ja jede Nacht kommt er und heult","book":"Eine Geschichte"} {"text":"und würgt mich. In der Hitze habe ich manches getan, der zähe Zorn ist mir","book":"Eine Geschichte"} {"text":"angeboren, der hat mich nun das zweite Mal hier herein gebracht. Aber habe","book":"Eine Geschichte"} {"text":"ich schlecht getan, so habe ich nun meine Strafe. Nur eins habe ich nicht","book":"Eine Geschichte"} {"text":"bekannt. Als ich das letzte Mal hier heraus kam und am Hofe meines letzten Herrn","book":"Eine Geschichte"} {"text":"vorbeikam, kochte es in mir empor – ich strich ein Schwefelholz an der Mauer","book":"Eine Geschichte"} {"text":"an, dort wo das Strohdach anstößt. Alles brannte; die Hitze fiel darüber her,","book":"Eine Geschichte"} {"text":"wie sie über mich herfällt. Ich half das Vieh und die Bewohner retten. Nichts","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Lebendes verbrannte außer einer Schar Tauben, die ins Feuer hineinflogen, und","book":"Eine Geschichte"} {"text":"dann der Kettenhund. An den hatte ich nicht gedacht. Man konnte ihn heulen hören","book":"Eine Geschichte"} {"text":"– und dies Heulen höre ich noch immer wenn ich schlafen will. Und kommt endlich","book":"Eine Geschichte"} {"text":"der Schlaf, dann kommt auch der Hund, groß und zottig. Er legt sich über mich,","book":"Eine Geschichte"} {"text":"heult, und drückt und erwürgt mich. So hör doch, was ich erzähle! Schnarchen","book":"Eine Geschichte"} {"text":"kannst Du, schnarchen die ganze Nacht, und ich nicht eine kurze Viertelstunde.\"","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Und das Blut stieg dem Hitzigen zu Kopfe, er warf sich über den Kameraden und","book":"Eine Geschichte"} {"text":"schlug ihn mit der geballten Faust ins Gesicht.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Der wütende Mads ist wieder verrückt geworden.\" rief es ringsumher, und die","book":"Eine Geschichte"} {"text":"anderen Verbrecher faßten ihn, rangen mit ihm und bogen ihn krumm, daß der Kopf","book":"Eine Geschichte"} {"text":"zwischen den Beinen saß. Dort banden sie ihn fest. Das Blut sprang ihm fast aus","book":"Eine Geschichte"} {"text":"den Augen und allen Poren.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Ihr tötet ihn\" rief der Pfarrer, \"den Unglücklichen.\" Und indem er abwehrend","book":"Eine Geschichte"} {"text":"die Hand über den Sünder hinstreckte, der schon hier zu hart leiden mußte, es","book":"Eine Geschichte"} {"text":"wechselte die Szene. Sie flogen durch reiche Säle und durch ärmliche Stuben;","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Wollust, Mißgunst, alle Todsünden schritten an ihnen vorbei. Ein Engel des","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Gerichts verlas ihre Sünden und ihre Verantwortung. Die war zwar gering vor","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Gott, aber Gott liest in den Herzen, er kennt alles, das Böse das von außen und","book":"Eine Geschichte"} {"text":"das, was von innen kommt, er, der Gnädige und Alliebende.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Des Pfarrers Hand zitterte, er wagte sie nicht auszustrecken, nicht ein Haar von","book":"Eine Geschichte"} {"text":"des Sünders Haupt zu reißen. Und die Tränen strömten aus seinen Augen wie Wasser","book":"Eine Geschichte"} {"text":"der Gnade und Liebe, die der Hölle ewiges Feuer löschen.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Da krähte der Hahn.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Erbarmender Gott. Gib ihr die Ruhe im Grabe, die ich ihr nicht einzulösen","book":"Eine Geschichte"} {"text":"vermochte.\"","book":"Eine Geschichte"} {"text":"\"Die habe ich nun,\" sagte die Tote, \"es war Dein hartes Wort, dein finsterer","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Menschenglaube von Gott und seinen Geschöpfen, der mich zu Dir trieb. Erkenne","book":"Eine Geschichte"} {"text":"die Menschen, in welchen selbst bei den Bösen ein Teil von Gott ist, ein Teil,","book":"Eine Geschichte"} {"text":"der siegen und die Feuer der Hölle löschen wird.\"","book":"Eine Geschichte"} {"text":"*","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Und ein Kuß wurde auf des Pfarrers Mund gedrückt, es leuchtete hell um ihn;","book":"Eine Geschichte"} {"text":"Gottes lichte Sonne schien in die Kammer, wo seine Frau, lebendig, sanft und","book":"Eine Geschichte"} {"text":"liebevoll, ihn aus einem Traume weckte, der ihm von Gott gesandt war.","book":"Eine Geschichte"} {"text":"An der Landstraße im Walde lag ein einsamer Bauernhof. Man mußte mitten durch","book":"Das stumme Buch"} {"text":"den Hofraum hindurch. Da schien die Sonne, alle Fenster standen offen. Leben","book":"Das stumme Buch"} {"text":"und Emsigkeit herrschte innen. Aber im Hofe, in einer Laube aus blühendem","book":"Das stumme Buch"} {"text":"Flieder, stand ein offener Sarg. Der Tote war hier hinausgesetzt worden, denn","book":"Das stumme Buch"} {"text":"am Vormittag sollte er begraben werden. Niemand stand und blickte voll Trauer","book":"Das stumme Buch"} {"text":"auf den Toten, niemand weinte um ihn. Sein Gesicht war von einem weißen Tuche","book":"Das stumme Buch"} {"text":"bedeckt und unter seinem Kopfe lag ein großes dickes Buch, dessen Blätter jedes","book":"Das stumme Buch"} {"text":"ein ganzer Bogen aus grauem Papier waren. Und zwischen jedem lagen, verborgen","book":"Das stumme Buch"} {"text":"und vergessen, verwelkte Blumen, ein ganzes Herbarium, das an verschiedenen","book":"Das stumme Buch"} {"text":"Orten zusammengesucht war. Das sollte mit ins Grab, das hatte er selbst","book":"Das stumme Buch"} {"text":"verlangt. An jede Blume knüpfte sich ein Kapitel seines Lebens.","book":"Das stumme Buch"} {"text":"\"Wer ist der Tote?\" fragten wir, und die Antwort war: \"der alte Student von","book":"Das stumme Buch"} {"text":"Upsala! Er soll einst ein tüchtiger Mann gewesen sein, gelehrte Sprachen","book":"Das stumme Buch"} {"text":"verstanden, Lieder singen und schreiben gekonnt haben, sagt man. Aber dann ist","book":"Das stumme Buch"} {"text":"ihm etwas in die Quere gekommen, und er ersäufte alle seine Gedanken und sich","book":"Das stumme Buch"} {"text":"selbst mit im Branntwein. Und als seine Gesundheit zerstört war, kam er hier","book":"Das stumme Buch"} {"text":"auf das Land hinaus, wo für ihn ein Kostgeld entrichtet wurde. Er war fromm wie","book":"Das stumme Buch"} {"text":"ein Kind, wenn nicht der schwarze Sinn über ihn kam, denn dann gewann er seine","book":"Das stumme Buch"} {"text":"Kräfte wieder und lief im Walde umher wie ein gejagtes Tier. Aber wenn wir ihn","book":"Das stumme Buch"} {"text":"wieder zu fassen bekamen und ihn dazu brachten, in dies Buch mit den trocknen","book":"Das stumme Buch"} {"text":"Pflanzen hineinzuschauen, konnte er den ganzen Tag sitzen und eine Pflanze nach","book":"Das stumme Buch"} {"text":"der anderen anschauen. Und oftmals liefen ihm die Tränen über die Wangen dabei","book":"Das stumme Buch"} {"text":"nieder. Gott mag wissen, an was er dabei dachte! Aber das Buch bat er mit in","book":"Das stumme Buch"} {"text":"seinen Sarg zu legen, und nun liegt es dort, und um eine kurze Stunde soll der","book":"Das stumme Buch"} {"text":"Deckel zugeschlagen werden und er wird sanft im Grabe ruhen.\"","book":"Das stumme Buch"} {"text":"Das Leichentuch wurde gelüftet; es lag Frieden über dem Antlitz des Toten. Ein","book":"Das stumme Buch"} {"text":"Sonnenstrahl fiel darauf, eine Schwalbe schoß in ihrem pfeilschnellen Fluge in","book":"Das stumme Buch"} {"text":"die Laube und wendete sich im Fluge zwitschernd über des Toten Haupt.","book":"Das stumme Buch"} {"text":"Wie wunderlich ist es doch – wir kennen gewiß alle das Gefühl – alte Briefe aus","book":"Das stumme Buch"} {"text":"unserer Jugendzeit hervorzunehmen und sie wieder zu lesen. Da taucht gleichsam","book":"Das stumme Buch"} {"text":"ein ganzes Leben vor uns auf, mit all seinen Hoffnungen, all seinen Sorgen.","book":"Das stumme Buch"} {"text":"Wie viele von den Menschen, mit denen wir in jener Zeit so herzlich vertraut","book":"Das stumme Buch"} {"text":"zusammen lebten, sind für uns gestorben, obwohl sie noch leben. Aber wir haben","book":"Das stumme Buch"} {"text":"lange Zeit nicht mehr an sie gedacht, von denen wir einstmals glaubten, daß wir","book":"Das stumme Buch"} {"text":"stets mit ihnen verbunden bleiben und Freude und Leid mit ihnen teilen würden.","book":"Das stumme Buch"} {"text":"Das welke Eichenblatt im Buche hier erinnert an den Freund, an den Freund aus","book":"Das stumme Buch"} {"text":"der Schulzeit, den Freund für das ganze Leben. Er heftete dieses Blatt an die","book":"Das stumme Buch"} {"text":"Studentenmütze im grünen Walde, als der Freundschaftspakt fürs ganze Leben","book":"Das stumme Buch"} {"text":"geschlossen wurde. – Wo lebt er nun? – Das Blatt wurde bewahrt, die Freundschaft","book":"Das stumme Buch"} {"text":"vergessen! – Hier ist eine fremdartige Treibhauspflanze, zu fein für die Gärten","book":"Das stumme Buch"} {"text":"des Nordens – es ist, als sei noch ein Duft über diesen Blättern. Sie gab sie","book":"Das stumme Buch"} {"text":"ihm, das Fräulein aus dem adligen Garten. Hier ist die Wasserrose, die er selbst","book":"Das stumme Buch"} {"text":"gepflückt und mit salzigen Tränen begossen hat, die Wasserrose aus den süßen","book":"Das stumme Buch"} {"text":"Gewässern. Und hier ist eine Nessel. Was sagen ihre Blätter? Woran dachte er,","book":"Das stumme Buch"} {"text":"als er sie pflückte, als er sie aufbewahrte? Hier ist das Maiglöckchen aus der","book":"Das stumme Buch"} {"text":"Waldeinsamkeit; hier ist Jelänger-Jelieber aus dem Blumentopf in der Wirtsstube,","book":"Das stumme Buch"} {"text":"und hier sind nackte scharfe Grashalme. Der blühende Flieder breitet seine","book":"Das stumme Buch"} {"text":"frischen, duftenden Dolden über des Toten Haupt, die Schwalbe fliegt wieder","book":"Das stumme Buch"} {"text":"vorüber: \"Quivit! Quivit!\" – Nun kommen die Männer mit Nägeln und mit dem","book":"Das stumme Buch"} {"text":"Hammer, der Deckel wird über den Toten gelegt, der sein Haupt auf dem stummen","book":"Das stumme Buch"} {"text":"Buche ausruht. Verwahrt – vergessen.","book":"Das stumme Buch"} {"text":"Es ist Winterszeit, die Luft kalt, der Wind scharf, aber zu Hause ist es warm","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"und gut; zu Hause lag die Blume, sie lag in ihrer Zwiebel unter Erde und Schnee.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Eines Tages fiel Regen. Die Tropfen drangen durch die Schneedecke in die Erde","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"hinab, rührten die Blumenzwiebel an und meldeten von der Lichtwelt über ihnen.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Bald drang auch der Sonnenstrahl fein und bohrend durch den Schnee, bis zur","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Zwiebel hinab und stach sie.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"\"Herein!\" sagte die Blume.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"\"Das kann ich nicht,\" sagte der Sonnenstrahl, \"ich bin nicht stark genug, um","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"aufzumachen; ich bekomme erst im Sommer Kraft.\"","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"\"Wann ist es Sommer?\" fragte die Blume, und das wiederholte sie, so oft ein","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"neuer Sonnenstrahl hinabdrang. Aber es war noch weit bis zur Sommerzeit. Noch","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"lag der Schnee, und das Wasser gefror zu Eis – jede einzige Nacht.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"\"Wie lange das doch dauert! Wie lange!\" sagte die Blume. \"Ich fühle ein Kribbeln","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"und Krabbeln, ich muß mich recken; ich muß mich strecken. Ich muß aufschließen,","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"ich muß hinaus, dem Sommer einen 'Guten Morgen' zunicken; das wird eine","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"glückselige Zeit!\"","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Und die Blume reckte sich und streckte sich drinnen gegen die dünne Schale,","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"die das Wasser von außen her weich gemacht, die der Schnee und die Erde gewärmt","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"und in die der Sonnenstrahl hineingestochen hatte. Sie schoß unter dem Schnee","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"empor mit einer weißgrünen Knospe auf dem grünen Stengel, mit schmalen, dicken","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Blättern, die sie gleichsam beschützen wollten. Der Schnee war kalt, aber vom","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Lichte durchstrahlt, dazu so leicht zu durchbrechen, und hier traf sie auch der","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Sonnenstrahl mit stärkerer Macht als zuvor.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"\"Willkommen! Willkommen!\" sang und klang jeder Strahl, und die Blume erhob sich","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"über den Schnee in die Welt des Lichtes hinaus. Die Sonnenstrahlen streichelten","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"und küßten sie, bis sie sich ganz öffnete, weiß wie Schnee und mit grünen","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Streifen geputzt. Sie beugte ihr Haupt in Freude und Demut.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"\"Liebliche Blume!\" sang der Sonnenstrahl. \"Wie frisch und leuchtend du bist! Du","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"bist die erste, du bist die einzige, du bist unsere Liebe! Du läutest den Sommer","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"ein, den schönen Sommer über Land und Stadt! Aller Schnee soll schmelzen, der","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"kalte Wind wird fortgejagt! Wir werden gebieten. Alles wird grünen! Und dann","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"bekommst du Gesellschaft, Flieder und Goldregen und zuletzt die Rosen; aber du","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"bist die erste, so fein und leuchtend!\"","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Das war eine große Freude. Es war, als sänge und klänge die Luft, als drängen","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"die Strahlen des Lichts in ihre Blätter und Stengel. Da stand sie, fein und","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"leicht zerbrechlich und doch so kräftig in ihrer jungen Schönheit. Sie stand in","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"weißem Gewande mit grünen Bändern und pries den Sommer. Aber es war noch lang","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"bis zur Sommerzeit, Wolken verbargen die Sonne, scharfe Winde bliesen über sie","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"hin.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"\"Du bist ein bißchen zu zeitig gekommen,\" sagten Wind und Wetter. \"Wir haben","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"noch die Macht. Die bekommst du zu fühlen und mußt dich dreinfinden. Du hättest","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"zu Hause bleiben und nicht ausgehen sollen, um Staat zu machen; dazu ist es noch","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"nicht die Zeit.\"","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Es war schneidend kalt. Die Tage, die nun kamen, brachten nicht einen enzigen","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Sonnenstrahl; es war ein Wetter, um in Stücke zu frieren, besonders für eine so","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"zarte, kleine Blume. Aber sie trug mehr Stärke in sich, als sie selber wußte.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Freude und Glauben an den Sommer machten sie stark, er mußte ja kommen; er","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"war ihr von ihrer tiefen Sehnsucht verkündet und von dem warmen Sonnenlichte","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"bestätigt worden. So stand sie voller Hoffnung in ihrer weißen Pracht, in dem","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"weißen Schnee und beugte ihr Haupt, wenn die Schneeflocken herabfielen, während","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"die eisigen Winde über sie dahinfuhren.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"\"Du brichst entzwei!\" sagten sie. \"Verwelke, Erfriere! Was willst du hier","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"draußen! Weshalb ließest du dich verlocken! Die Sonnenstrahlen haben dich","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"genarrt! Nun sollst du es gut haben, du Sommernarr!\"","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"\"Sommernarr!\" schallte es durch den kalten Morgen, den \"Sommernarr\" heißt im","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Dänischen das Schneeglöckchen.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"\"Sommernarr\" jubelten ein paar Kinder, die in den Garten hinabkamen. \"Da steht","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"einer, so lieblich, so schön, der erste, der einzige!\"","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Und die Worte taten der Blume so wohl, es waren Worte wie warme Sonnenstrahlen.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Die Blume fühlte in ihrer Freude nicht einmal, daß sie gepflückt wurde. Sie lag","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"in einer ´Kinderhand, wurde von einem Kindermund geküßt und hinein in die warme","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Stube gebracht, von milden Augen angeschaut, in Wasser gestellt, so stärkend,","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"so belebend. Die Blume glaubte, daß sie mit einem Male mitten in den Sommer","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"hineingekommen wäre.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Die Tochter des Hauses, ein niedliches kleines Mädchen, war eben konfirmiert;","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"sie hatte einen lieben kleinen Freund, der auch konfirmiert worden war; nun","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"arbeitete er auf eine feste Stellung hin. \" Es soll mein Sommernarr sein!\" sagte","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Sie. Dann nahm sie die feine Blume, legte sie in ein duftendes Stück Papier,","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"auf dem Verse geschrieben standen, Verse über die Blume, die mit \"Sommernarr\"","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"anfingen und mit \"Sommernarr\" schlossen, das Ganze war eine zärtliche Neckerei.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Nun wurde alles in den Umschlag gelegt, die Blume lag darin, und es war dunkel","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"um sie her, dunkel wie damals, als die noch in der Zwiebel lag. So kam die","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Blume auf Reisen, lag im Postsack, wurde gedrückt und gestoßen; das war nicht","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"behaglich. Aber es nahm ein Ende.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Die Reise war vorbei, der Brief wurde geöffnet und von dem lieben Freunde","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"gelesen. Er war so erfreut, daß er die Blume küßte, und dann wurde sie mit den","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Versen zusammen in einen Schubkasten gelegt, worin noch mehr solcher schönen","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Briefe lagen, aber alle ohne Blume; sie war die erste, die einzige, wie die","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Sonnenstrahlen sie genannt hatten, und darüber nachzudenken war schön.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Sie durfte auch lange darüber nachdenken, sie dachte, während der Sommer verging","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"und der lange Winter verging, und als es wieder Sommer wurde, wurde sie wieder","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"hervorgenommen. Aber da war der junge Mann gar nicht froh. Er faßte das Papier","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"hart an und warf die Verse hin, daß die Blume zu Boden fiel. Flachgepreßt und","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"trocken war sie ja, aber deshalb hätte sie doch nicht auf den Boden geworfen","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"werden müssen; doch dort lag sie besser als im Feuer, wo die Ferse und Briefe","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"aufloderten. Was war gesehen? – Was so oft geschieht. Die Blume hatte ihn","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"genarrt, es war ein Scherz; die Jungfrau hatte ihn genarrt; das war kein Scherz,","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"sie hatte sich einen anderen Freund im schönen Sommer erkoren.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Am Morgen schien die Sonne auf den flachgedrückten keinen Sommernarren herab,","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"der aussah, als sei er auf den Boden gemalt. Das Mädchen, das auskehrte, nahm","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"ihn auf und legte ihn in eins der Bücher auf dem Tische, weil sie glaubte, daß","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"er dort herausgefallen sei, als die aufräumte und das Zimmer in Ordnung brachte.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Und die Blume lag wieder zwischen Versen, gedruckten Versen und die sind viel","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"vornehmen als die geschriebenen, wenigsten haben sie mehr gekostet.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"So vergingen Jahre. Das Buch stand auf dem Bücherbrett. Nun wurde es","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"hervorgeholt, geöffnet und gelesen. Es war ein gutes Buch, Verse und Lieder,","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"die er wert sind, gekannt zu werden. Und der Mann, der das Buch las, wandte das","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Blatt um. \"Da liegt ja eine Blume,\" sagte er, \"ein Sommernarr! Es hat wohl seine","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Bedeutung, daß er gerade hierhergelegt worden ist. Ja, liege als Zeichen hier im","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Buche, kleiner Sommernarr!\"","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Und so wurde das Schneeglöckchen wieder ins Buch gelegt und fühlte sich beehrt","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"und erfreut, daß es als Zeichen von Bedeutung im Buche liegenbleiben sollte.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Das ist das Märchen vom Schneeglöckchen, dem Sommernarren.","book":"Das Schneeglöckchen"} {"text":"Es war einmal eine stolze Teekanne, stolz auf ihr Porzellan, stolz auf ihre","book":"Die Teekanne"} {"text":"lange Tülle, stolz auf ihren breiten Henkel; sie hatte etwas vorne an und hinten","book":"Die Teekanne"} {"text":"an, den Henkel hinten, die Tülle vorn, und davon sprach sie; aber sie sprach","book":"Die Teekanne"} {"text":"nicht von ihrem Deckel, der war zerbrochen, der war gekittet, der hatte einen","book":"Die Teekanne"} {"text":"Fehler, und von seinen Fehlern spricht man nicht gerne, das tun die andern","book":"Die Teekanne"} {"text":"genug. Tassen, Sahnekännchen und Zuckerdose, das ganze Teegeschirr würden wohl","book":"Die Teekanne"} {"text":"mehr an die Gebrechlichkeit des Deckels denken und von der sprechen als von dem","book":"Die Teekanne"} {"text":"guten Henkel und der ausgezeichneten Tülle, das wußte die Teekanne.","book":"Die Teekanne"} {"text":"\"Ich kenne sie!\" sagte sie zu sich selber. \"Ich kenne auch wohl meine Mängel,","book":"Die Teekanne"} {"text":"und ich erkenne sie, darin liegt meine Demut, meine Bescheidenheit, Mängel","book":"Die Teekanne"} {"text":"haben wir alle, aber man hat doch auch Begabung. Die Tassen erhielten einen","book":"Die Teekanne"} {"text":"Henkel, die Zuckerdose einen Deckel, und ich erhielt noch ein Ding voraus,","book":"Die Teekanne"} {"text":"das sie niemals erhalten, ich erhielt eine Tülle, die Macht mich zur Königin","book":"Die Teekanne"} {"text":"auf dem Teetisch. Der Zuckerschale und dem Sahnekännchen ward es vergönnt,","book":"Die Teekanne"} {"text":"die Dienerinnen des Wohlgeschmacks zu sein, aber ich bin die Gebende, die","book":"Die Teekanne"} {"text":"Herrschende, ich verbreite den Segen unter der durstenden Menschheit; in meinem","book":"Die Teekanne"} {"text":"Innern werden die chinesischen Blätter mit dem kochenden geschmacklosen Wasser","book":"Die Teekanne"} {"text":"verbunden.\"","book":"Die Teekanne"} {"text":"All dies sagte die Teekanne in ihrer unternehmenden Jugendzeit. Sie stand auf","book":"Die Teekanne"} {"text":"dem gedeckten Tisch, sie wurde von der feinsten Hand erhoben: aber die feinste","book":"Die Teekanne"} {"text":"Hand war ungeschickt, die Teekanne fiel, die Tülle brach ab, der Henkel brach","book":"Die Teekanne"} {"text":"ab, der Deckel ist nicht wert, darüber zu reden; es ist genug von ihm geredet.","book":"Die Teekanne"} {"text":"Die Teekanne lag ohnmächtig auf dem Fußboden; das kochende Wasser lief heraus.","book":"Die Teekanne"} {"text":"Es war ein schwerer Schlag, den sie erhielt, und das Schwerste war, daß sie","book":"Die Teekanne"} {"text":"lachten; sie lachten über sie und nicht über die ungeschickte Hand.","book":"Die Teekanne"} {"text":"\"Die Erinnerung kann ich nicht loswerden!\" sagte die Teekanne, wenn sie sich","book":"Die Teekanne"} {"text":"später ihren Lebenslauf erzählte. \"Ich wurde Invalide genannt, in eine Ecke","book":"Die Teekanne"} {"text":"gestellt und tags darauf an eine Frau fortgeschenkt, die um Küchenabfall","book":"Die Teekanne"} {"text":"bettelte; ich sank in Armut hinab, stand zwecklos, innerlich wie äußerlich;","book":"Die Teekanne"} {"text":"aber da, wie ich so stand, begann mein besseres Leben; man ist das eine","book":"Die Teekanne"} {"text":"und wird ein ganz anderes. Es wurde Erde in mich gelegt; das heißt für eine","book":"Die Teekanne"} {"text":"Teekanne, begraben zu werden; aber in die Erde wurde eine Blumenzwiebel gelegt;","book":"Die Teekanne"} {"text":"wer sie hineinlegte, wer sie gab, das weiß ich nicht; gegeben wurde sie, ein","book":"Die Teekanne"} {"text":"Ersatz für die chinesischen Blätter und das kochende Wasser, ein Ersatz für","book":"Die Teekanne"} {"text":"den abgebrochenen Henkel und die Tülle. Und die Zwiebel lag in der Erde, die","book":"Die Teekanne"} {"text":"Zwiebel lag in mir; sie wurde mein Herz, mein lebendes Herz; ein solches hatte","book":"Die Teekanne"} {"text":"ich früher nie gehabt. Es war Leben in mir, es war Kraft, viel Kraft; der","book":"Die Teekanne"} {"text":"Puls schlug, die Zwiebel trieb Keime; es war, wie um zersprengt zu werden von","book":"Die Teekanne"} {"text":"Gedanken und Gefühlen; sie brachen auf in einer Blüte; ich sah sie, ich trug","book":"Die Teekanne"} {"text":"sie, ich vergaß mich selber in ihrer Herrlichkeit; gesegnet ist es, sich selber","book":"Die Teekanne"} {"text":"in anderen zu vergessen! Sie sagte mir nicht Dank; sie dachte nicht an mich –","book":"Die Teekanne"} {"text":"sie wurde bewundert und gepriesen. Ich war froh darüber, wie mußte sie es da","book":"Die Teekanne"} {"text":"sein! Eines Tages hörte ich, daß gesagt wurde, sie verdiene einen besseren Topf.","book":"Die Teekanne"} {"text":"Man schlug mich mitten entzwei; das tat gewaltig weh, aber die Blume kam in","book":"Die Teekanne"} {"text":"einen besseren Topf – und ich wurde in den Hof hinausgeworfen – liege da als ein","book":"Die Teekanne"} {"text":"alter Scherben – aber ich habe die Erinnerung, die kann ich nicht verlieren.\"","book":"Die Teekanne"} {"text":"Es ist Winterzeit; die Erde hat eine Schneedecke, als sei sie von Marmor aus","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"dem Felsen gehauen; die Luft ist hell und klar, der Wind ist scharf wie ein","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"hartgeschmiedetes Schwert, die Bäume stehen da wie weiße Korallen, wie blühende","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Mandelszweige, hier ist es frisch wie auf den hohen Alpen.","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Die Nacht ist prächtig im Nordlichtscheine, im Glanze unzähliger funkelnder","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Sterne Es kommen die Stürme, die Wolken erheben sich und Schütteln","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Schwanendaunen herab; die Schneeflocken jagen, decken Hohlweg und Haus, das","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"offene Feld und die eingeschlossenen Straßen.","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Aber wir sitzen in der warmen Stube, am glühenden Ofen und erzählen uns von","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"alten Zeiten, wir hören eine Sage:","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"An dem offenen Meere lag ein Riesengrab, auf dem saß zur Mitternachtszeit der","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Geist des begrabenen Helden, der ein König gewesen war; der Goldreif leuchtete","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"von seiner Stirn, das Haar flatterte im Winde, er war in Stahl und Eisen","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"gekleidet; er beugte sorgenvoll sein Haupt und seufzte in tiefem Schmerze wie","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"ein unseliger Geist.","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Da segelte ein Schiff vorbei. Die Matrosen warfen den Anker aus und stiegen ans","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Land. Unter ihnen war ein Sänger; der trat zum Königs- Geiste und frage: \"Warum","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"trauerst und leidest du?\"","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Da antwortete der Tote: \"Niemand hat die Taten meines Lebens besungen, sie sind","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"tot und vergessen; der Gesang trägt sie nicht über die Länder hinaus und in die","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Herzen der Menschen; darum habe ich keine Ruhe, keinen Frieden!\"","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Und er sprach von seinen Werken und Großtaten, die seine Zeitgenossen gekannt,","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"aber nicht besungen, denn unter ihnen war kein Sänger.","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Da griff der Alte Barde in die Saiten der Harfe und sang von dem Jugendmut des","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Helden, von der Kraft des Mannes und der Größe, der guten Taten. Dabei leuchtete","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"des Toten Angesicht wie der Wolkensaum im Mondenschein, froh und hochselig erhob","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"sich die Gestalt in Glanz und Strahlen, sie entschwand wie ein Nordlichtschein;","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"man sah nur noch den grünen Rasenhügel mit den runenlosen Steinen; aber darüber","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"hin schwang sich beim letzten Klang der Saiten, so recht, als wenn er aus der","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Harfe käme, ein kleiner Vogel, der reizendste Singvogel mit dem klangvollen","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Schlage der Drossel, mit dem seelenvollen Schlage des Menschenherzens, dem","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Klange des Heimatlandes, wie der Zugvogel ihn hört. Der Singvogel flog über","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"die Berge, über Tal, über Feld und Wald - das war der Vogel des Volkslieds, der","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"niemals stirbt.","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Wir hören den Gesang; wir hören ihn jetzt hier in der Stube, während die weißen","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Bienen draußen schwärmen und der Sturm starke Griffe tut. Der Vogel singt uns","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"nicht bloß die Treueklage der Helden, er singt auch süße, sanfte Liebesgesänge,","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"so warme und so viele, von der Treue im Norden; er hat Märchen in Worten und","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Tönen; er hat Sprichwörter und Liedersprüche, die - gleich Runen unter des Toten","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Zunge legt - ihn zum Sprechen nötigen, und so weiß das Volkslied von seinem","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Heimatlande!","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"In der alten Heidenzeit, in der Wikingerzeit, hing seine Rede in des Barden","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Harfe. In den Tagen der Ritterburgen, als die Faust die Waagschale der","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Gerechtigkeit hielt, nur die Macht das Recht war, ein Bauer und ein Hund von","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"gleicher Bedeutung, wo fand da der Vogel de Gesanges Obdach und Schutz? Weder","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Roheit noch Dummheit dachten an ihn.","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Aber in dem Erker der Ritterburg, wo die Burgfrau vor dem Pergament saß und die","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"alten Erinnerungen in Gesängen und Sagen niederschrieb und das alte Mütterchen","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"aus dem Walde und der Tabulettkrämer, der immer herumwandernde, bei ihr saßen","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"und erzählten, da folg er über sie hin, da flatterte, zwitscherte und sang der","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Vogel, der niemals stirbt, solange die Erde einen Hügel für seinen Fuß hat, für","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"den Vogel des Volkslieds.","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Nun singt er zu uns herein. Draußen ist der Schneesturm und die Nacht; er legt","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"die Runen unter unsere Zunge, wir kennen unser Heimatland; Gott spricht zu","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"uns in unserer Muttersprache, in den Tönen des Vogel vom Volkslied. Die alten","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Erinnerungen tauchen auf, die erblichenen Farben frischen sich auf, die Sage","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"und der Gesang geben einen Segenstrunk, der Sinn und Gedanken erhebt, so daß der","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Abend ein Weihnachtsfest wird.","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Die Schneeflocken jagen, das Eis kracht, der Sturm herrscht, denn er hat die","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Macht, er ist der Herr - aber doch nicht unser Herr-Gott!","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Es ist Winterzeit, der Wind ist scharf wie ein hartgeschmiedetes Schwert; die","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Schneeflocken jagen - es schneite, so schien es uns, Tage und Wochen, und der","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Schnee liegt wie ein ungeheurer Schneeberg über der großen Stadt: ein schwerer","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Traum in der Winternacht. Alles ist auf der Erde verborgen und fort, nur","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"das goldene Kreuz der Kirche, das Symbol des Glaubens, erhebt sich über dem","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Schneegrabe und leuchtet in der blauen Luft, in dem klaren Sonnenscheine.","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Und über der begrabenen Stadt fliegen die Vogel des Himmels, die kleinen und","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"die großen; sie zwitschern und singen, wie sie es gerade können, jeder Vogel mit","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"seinem Schnabel.","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Zuerst kommt die Schar der Sperlinge; sie piepen bei allen Kleinigkeiten in","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"der Straße und in der Gasse, Im Neste und im Hause; die wissen Geschichten vom","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Vorder- und Hinterhause. \"Wir kennen die begrabene Stadt,\" sagten sie. \"Alles","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Lebendige darin hat den Piep! Piep! Piep!\"","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Die schwarzen Raben und Krähen fliegen über den weißen Schnee. \"Grab! Grab!\"","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"schreien sie. \"Da unten ist noch etwas zu bekommen, etwas für den Schlund, das","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"ist das wichtigste, das ist die Meinung der meisten da unten im Grunde, und die","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Meinung ist bra', bra', brav!\"","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Die wilden Schwäne kommen auf sausenden Flügeln und singen von dem Herrlichen","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"und dem Großen, das noch aus den Gedanken und Herzen der Menschen hervorspießen","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"wird dort unten, in der unter der Schneedecke ruhenden Stadt.","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Da ist kein Tod, da waltet das Leben; wir vernehmen es in den Tönen, die gleich","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"der Kirchenorgel brausen, die uns ergreifen wie der Klang von der Elfenhöhe,","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"wie die Gesänge Ossians, wie der brausende Flügelschlag der Walküren. Welcher","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Einklang! Der spricht in unserm Herzen, erhebt unsere Gedanken - das ist der","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Vogel des Volkslieds, den wir hören!","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Und in diesem Augenblick weht der warme Hauch Gottes vom Himmel herunter, die","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Schneeberge bersten in Spalten, die Sonne scheint hinein, der Frühling naht, die","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Vogel kommen, neue Geschlechter mit den heimatlichen, denselben Tönen.","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Höre den Heldensang des Jahres: \"Die Macht des Schneesturms, der schwere Traum","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"der Winternacht - alles löst sich, alles erhebt sich im herrlichen Gesange des","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Vogels des Volkslieds,l der niemals stirbt!\"","book":"Der Vogel des Volkslieds"} {"text":"Es war einmal ein Mann, der einst so viele neue Märchen wußte, aber nun seien","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"sie ihm ausgegangen, sagte er; das Märchen, das von selber Besuch machte,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"kam nicht mehr und klopfte an seine Türe; und weshalb kam es nicht? Ja, das","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"ist freilich war, der Mann hatte in Jahr und Tag nicht daran gedacht, nicht","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"erwartet, daß es kommen sollte, um anzuklopfen, aber es war gewiß auch nicht","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"hier gewesen, denn draußen war Krieg und drinnen Kummer und Not, wie der Krieg","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"sie mitbringt.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Storch und Schwalbe kamen von ihrer langen Reise, sie dachten an keine Gefahr,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"und als sie kamen waren das Nest verbrannt, die Häuser der Menschen verbrannt,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"die Hecken zerstört, ja ganz verschwunden; die Rosse der Feinde stampften auf","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"den alten Gräbern, Es waren harte, dunkle Zeiten; aber auch die nehmen ein Ende.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Und nun hatten sie ein Ende, sagte man, doch noch klopfte das Märchen nicht an","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"oder ließ von sich hören.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Es ist wohl tot und verschollen mit den vielen andern«, sagte der Mann. Aber","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"das Märchen stirbt nie!","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Und es verging mehr als ein ganzes Jahr, und er sehnte sich so schrecklich.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Ob das Märchen nicht doch wiederkommen und anklopfen würde!« Und er erinnerte","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"sich seiner so lebhaft in all den vielen Gestalten, in denen es zu ihm gekommen","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"war; bald jung und herrlich, der Frühling selber, ein reizendes kleines Mädchen","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"mit einem Maiglöckchenkranz im Haar und einem Buchenzweig in der Hand; ihre","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Augen glänzten wie tiefe Waldseen im klaren Sonnenschein, bald war es auch als","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Hausierer gekommen, hatte den Kramkasten geöffnet und das Seidenband mit Vers","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"und Inschrift voll alter Erinnerungen flattern lassen; aber am allerschönsten","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"war es doch, wenn es als altes Mütterchen mit silberweißem Haar und mit","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"so großen und so klugen Augen kam, da wußte sie recht zu erzählen von den","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"allerältesten Zeiten, lange noch, bevor die Prinzessinnen Gold spannen, während","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Drachen und Lindwürmer draußen lagen und sie bewachten. Da erzählte sie so","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"lebendig, daß jedem schwarze Flecken vor die Augen kamen, der darauf hörte, der","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Boden wurde schwarz von Menschenblut, graulich anzusehen und zu hören und doch","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"so vergnüglich, denn es war so lange her, daß es geschehen war.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Ob sie nicht mehr anklopfen würde!« sagte der Mann und starrte nach der Tür, so","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"daß ihm schwarze Flecken vor die Augen kramen, schwarze Flecken auf den Boden;","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"er wußte nicht, ob es Blut war oder Trauerschleier aus den schweren, dunklen","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Tagen.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Und wie er saß, kam ihm in den Sinn, ob nicht das Märchen sich verborgen halte","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"wie die Prinzessin in den richtigen, alten Märchen und nur aufgesucht werden","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"wollte; wurde sie gefunden, dann strahle sie in neuer Herrlichkeit, schöner als","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"je zuvor.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Wer weiß, vielleicht liegt sie verborgen in dem weggeworfenen Strohhalm, der am","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Brunnenrand schaukelt. Vorsichtig! Vorsichtig! Vielleicht hat sie sich in eine","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"verwelkte Blume versteckt, die in einem der großen Bücher auf dem Bücherbord","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"liegt.«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Und der Mann ging hin, öffnete eines der allerneuesten, aus denen man Verstand","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"bekommen soll; aber das lag keine Blume, da stand von Holger Danske zu lesen;","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"und der Mann las, daß die ganze Geschichte erfunden und zusammengesetzt sei von","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"einem Mönch in Frankreich, daß es ein Roman sei, der »übersetzt und gedruckt in","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"der dänischen Sprache« worden war; daß Holger Danske gar nicht existierte und","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"also gar nicht wiederkommen könne, wie wir davon gesungen und so gerne daran","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"geglaubt hatten. Es war mit Holger Danske wie mit Wilhelm Tell, nur Gerede,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"auf das man sich nicht verlassen konnte, und das war in dem Buch mit großer","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Gelehrsamkeit dargelegt.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Ja, ich glaube nun, was ich glaube, sagte der Mann, »es wächst kein Wegerich,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"wo noch kein Fuß hintrat.«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Und er machte das Buch zu, stellte es auf das Bord und ging dann hin zu","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"den frischen Blumen am Fensterbrett; vielleicht hatte sich dort das Märchen","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"versteckt in die rote Tulpe mit den goldgelben Rändern oder in die frische Rose","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"oder in die starkfarbige Kamelie. Der Sonnenschein lag zwischen den Blättern,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"aber nicht das Märchen.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Die Blumen, die hier in der Trauerzeit standen, waren alle weit schöner;","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"aber sie wurden abgeschnitten, jede einzelne, in Kränze gebunden, auf Särge","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"niedergelegt, und über sie wurde die Fahne gebreitet. Vielleicht ist das Märchen","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"mit den Blumen begraben! Aber davon müßten die Blumen gewußt haben, der Sarg","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"hätte es vernommen, die Erde hätte es vernommen, jeder kleine Grashalm, der","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"hervor wuchs, würde es erzählt haben. Das Märchen stirbt niemals!","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Vielleicht ist es auch hier gewesen und hat angeklopft, aber wer hatte damals","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Ohren dafür, Gedanken dafür! Man sah düster, schwermütig, fast böse zu dem","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Sonnenschein des Frühlings, seinem Vogelgezwitscher und all dem fröhlichen Grün;","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"ja, die Zunge konnte nicht die alten, volksfrischen Lieder singen, wie wurden","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"eingesargt mit so vielem, was unserm Herzen teuer war; das Märchen kann wohl","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"angeklopft haben; aber es wurde nicht gehrt, nicht willkommen geheißen, und so","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"ist es fortgeblieben.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Ich will gehen und es aufsuchen.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Hinaus aufs Land! Hinaus in den Wald, an den offenen Strand!«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Draußen liegt ein alter Herrenhof mit roten Mauern, zackigem Giebel und","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"wehender Fahne auf dem Turm. Die Nachtigall singt unter den feingefransten","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Buchenblättern, während sie auf des Garten blühende Apfelbäume blickt","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"und glaubt, daß sie Rosen tragen. Hier sind in der Sommersonne die Bienen","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"geschäftig, und mit summendem Gesang schwärmen sie um ihre Königin. Der","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Herbststurm weiß von der wilden Jagd zu erzahlen, von den Menschengeschlechtern","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"und den Blättern des Waldes, die hinwehen. Zur Weihnachtszeit singen die wilden","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Schwäne draußen vor dem offenen Wasser, während man drinnen in dem alten Hof am","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Kaminfeuer Lust hat, Lieder und Sagen zu hören.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Drunten in dem alten Teil des Gartens, wo die große Allee von wilden Kastanien","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"mit ihrem Halbdunkel lockt, ging der Mann, der das Märchen suchte; hier","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"hatte ihm einmal der Wind von Waldemar Daa und seinen Töchtern vorgesaust.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Die Dryade im Baum, das war die Märchenmutter selbst, hatte ihm hier von des","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"alten Eichenbaums letztem Traum erzählt, Zu der Großmutter Zeiten standen hier","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"beschnittene Hecken, nun wuchsen nur Farnkräuter und Nesseln; sie breiteten sich","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"aus über hingeworfene Reste alter Steinfiguren; Moos wuchs ihnen in den Augen,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"aber sie konnten ebenso gut sehen wie früher, das konnte der Mann, der nach dem","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Märchen suchte, nicht. es sah das Märchen nicht. Wo war es?","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Über ihm und die alten Bäume hin flogen Krähen zu Hunderten und schrieen »Fort","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"von Hier! Fort von hier!«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Und er ging aus dem Garten über den Wallgraben des Herrenhofes hin in das","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Erlenwäldchen hinein; dort stand ein kleines, sechseckiges Haus mit einem","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Hühnerhof und einem Entenhof; mitten in der Stube saß die alte Frau, die das","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Ganze leitete und genau von jedem Ei Bescheid wußte, das gelegt wurde, von jedem","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Küken, das aus dem Ei schlüpfte! Aber sie war nicht das Märchen, das der Mann","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"suchte; das konnte sie beweisen mit einem christlichen Taufschein und einem","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Impf-Attest, beide lagen in der Truhe.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Draußen, nicht weit von dem Hause, ist ein Hügel mit Rotdorn und Goldregen;","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"hier liegt ein alter Grabstein, der vor vielen Jahren vom Kirchhof eines","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Landstädtchens hierhergebracht wurde, eine Erinnerung an einen der ehrenhaften","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Ratsherren der Stadt, seine Frau und seine fünf Töchter, alle mit gefalteten","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Händen und Halskrausen, stehen, aus Stein gehauen, um ihn herum. Man konnte","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"sie so lange betrachten, daß sie auf die Gedanken wirkten, und diese wieder","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"wirkten auf den Stein, so daß er von alten Zeiten erzählte; wenigstens war","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"es dem Mann so ergangen, der das Märchen suchte. Als er nun dahin kam, sah er","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"einen lebendigen Schmetterling grade auf der Stirn von dem gemeißelten Bilde des","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Ratsherrn sitzen; der schlug mit den Flügeln, flog eine kleine Strecke und setzt","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"sich wieder dicht neben den Grabstein, gleichsam um zu zeigen, was dort wuchs.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Dort wuchs ein Vierklee, dort wuchsen ganze sieben Stück nebeneinander. Kommt","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"das Glück, so kommt es in Fülle! Er pflückte die Kleeblätter und steckte sie in","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"die Tasche. Das Glück ist so gut wie bares Geld, aber ein neues, schönes Märchen","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"wäre doch noch besser, dachte der Mann, aber das fand er dort nicht.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Die Sonne ging unter, rot und groß; die Wiese dampfte, und das Moorweib braute.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Es war spät am Abend; er stand allein in seiner Stube, sah hinaus über den","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Garten, über Wiese, Moor und Strand, der Mond schien hell, es lag ein Dunst über","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"der Wiese, als sei sie ein großer See, und das war sie auch einmal gewesen, ging","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"die Sage, und im Mondschein trat die Sage in Erscheinung. Da dachte der Mann","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"daran, was er drinnen, in der Stadt gelesen hatte, daß Wilhelm Tell und Hollger","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Danske nicht gelebt hätten, aber im Volksglauben werden sie doch, wie der See","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"hier draußen, lebende Erscheinungen der Sage. Ja, Holger Danske kommt wieder!","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Während er so stand und dachte, schlug etwas ganz stark an das Fenster. War es","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"ein Vogel? eine Fledermaus oder eine Eule? Ja, die läßt man nicht ein, wenn sie","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"klopfen. Das Fenster sprang von selber auf, ein altes Weib sah herein zu dem","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Mann.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Was ist gefällig?« fragte er. »Wer ist Sie? Gleich herein in die erste Etage","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"sieht sie, steht Sie auf einer Leiter?«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Sie haben ein Vierblatt in der Tasche«, sagte sie, »ja, Sie haben ganze sieben,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"von denen eines ein Sechsklee ist.«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Wer ist Sie?« fragte der Mann.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Das Moorweib:« sagte sie. »Das Moorweib, das braut; ich war gerade in voller","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Arbeit; der Zapfen saß im Faß, aber einer der kleinen Moorjungen riß ihm Übermut","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"den Zapfen ab und warf ihn gerade bis herauf zum Haus, wo er an das Fenster","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"schlug; nun läuft das Bier aus dem Faß, und damit ist keinem gedient.«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Erzahle Sie mir doch!« sagte der Mann.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Ja, wart ein wenig!« sagte das Moorweib. »Jetzt habe ich anderes zu besorgen!«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Und da war sie fort.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Der Mann war dabei, das Fenster zu schließen, da stand das Weib wieder da.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Nun ist es geschehen!« sagte sie. »Aber das halbe Bier kann ich morgen wieder","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"brauen, wenn das Wetter danach bleibt. Nun, was haben Sie zu fragen? Ich komme","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"wieder, denn ich halte immer Wort, und Sie haben sieben Vierblätter in der","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Tasche, von denen eines ein Sechsklee, das ist ein Ordenszeichen, das an der","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Landstraße wächst, aber nicht von jedem gefunden wird. Wonach haben Sie also","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"zu fragen? Stehen Sie jetzt nicht da wie ein dummes Ende, ich muß bald fort zu","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"meinem Zapfen und meinem Faß!«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Und der Mann fragte nach dem Märchen, fragte, ob das Moorweib es auf seinem Wege","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"gesehen hätte.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Ih, du großes Brauhaus!« sagte das Weib. »Haben Sie noch nicht genug von","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Märchen? Das glaube ich doch freilich, daß die meisten genug haben. Hier","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"ist anderes zu besorgen, anderes zu beachten. Selbst die Kinder sind darüber","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"hinausgewachsen. Gebt den kleinen Jungen eine Zigarre und den kleinen Mädchen","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"eine neue Krinoline, das mögen sie lieber! Auf Märchen hören? Nein, hier ist","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"wahrlich anderes zu besorgen, wichtigeres auszurichten!«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Was meinen Sie damit?« fragte der Mann. »Und was wissen sie von der Welt? Sie","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"sehen ja nur Frösche und Irrlichter.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Ja, nehmen sie sich in acht vor den Irrlichtern« sagte das Weib, »sie sind aus!","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Sie sind losgekommen! Von denen wollen wir reden! Kommen sie zu mir in das Moor,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"wo meine Anwesenheit notwendig ist; dort werde ich Ihnen alles sagen, aber eilen","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Sie sich ein wenig, solange Ihre sieben Vierblätter mit dem einen Sechser frisch","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"sind und der Mond noch scheint!« Weg war das Moorweib.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Die Glocke schlug zwölf von der Turmuhr, und bevor sie das nächste Viertel","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"schlug, war der Mann draußen auf dem Hof, draußen aus dem Garten und stand in","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"der Wiese. Der Nebel hatte sich gelegt, das Moorweib hörte auf zu brauen.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Es dauerte lange, bis Sie kamen!« sagte das Moorweib. »Das Zauberzeug kommt","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"schneller vorwärts als die Menschen, und ich bin froh, daß ich als Zauberwesen","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"geboren bin.«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Was haben Sie mir nun zu sagen?« fragte der Mann. »Ist es ein Wort vom","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Märchen?«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Können Sie denn niemals weiter kommen, als danach zu fragen?« sagte das Weib.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Ist es dann von der Zukunftspoesie, von der Sie sprechen können?« fragte der","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Mann.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Werden Sie nur nicht hochtrabend:, sagte das Weib, »dann werde ich wohl","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"antworten. Sie denken nur an die Dichterei, fragen nach dem Märchen, als ob es","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"die Madame über das Ganze wäre!« sie ist freilich schon die Älteste, aber sie","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"gilt immer als Jüngste. Ich kenne sie wohl! Ich bin auch einmal jung gewesen,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"und das ist keine Kinderkrankheit, Ich bin auch einmal ein ganz niedliches","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Elfenmädchen gewesen und habe mit den anderen im Mondschein getanzt, auf die","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Nachtigall gehört, bin in den Wald gegangen und dem Märchenfräulein begegnet,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"das immer aus war und sich herumtrieb. Bald nahm sie ihr Nachtlager in einer","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"halberblühten Tulpe oder in einer Wiesenblume, bald huscht sie hinein in die","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Kirche und hüllte sich in den Trauerflor, der von den Altarkerzen herabhing!«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Sie wissen herrlich Bescheid!« sagte der Mann.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Ich sollte doch wahrscheinlich ebenso viel wissen wie Sie!« sagte das Moorweib.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Märchen und Poesie, ja, das sind zwei Ellen von einem Stück; die können","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"gehen und sich schlafen legen, wo sie wollen. All ihre Worte und Werke kann","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"man nachbrauen und besser und billiger haben. Sie sollen sie bei mir umsonst","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"bekommen. Ich habe einen ganzen Schrank voll von Poesie auf Flaschen. Es ist die","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Essenz, das Feine davon, die Bierwürze, das Süße und auch das Bittere. Ich habe","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"auf Flaschen alles, was die Menschen von Poesie brauchen, um an Feststagen etwas","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"auf ihr Sacktuch zu tun, um daran zu riechen.«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Das sind ganz seltsame Dinge, die Sie da sagen«, sagte der Mann. »Haben Sie","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Poesie auf Flaschen?«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Mehr als Sie aushalten können!« sagte das Weib. »Sie kennen wohl die Geschichte","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"von dem Mädchen, welches aufs Brot trat, um seine neuen Schuhe nicht zu","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"beschmutzen? Sie ist sowohl geschrieben wie gedruckt.«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Die habe ich selber erzählt«, sagte der Mann.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Ja, dann kennen Sie sie«, sagte das Weib, »und wissen, daß das Mädchen direkt","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"hinab in die Erde sank zur Moorfrau, gerade, als des Teufels Großmutter Besuch","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"machte, um die Brauerei zu sehen. Sie sah das Mädchen, das hereinsank, und","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"bat es sich als Postament aus, als Erinnerung an den Besuch, und sie bekam","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"es, und ich bekam ein Geschenk, für das ich gar keine Verwendung habe, eine","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Reiseapotheke, einen ganzen Schrank voll Poesie auf Flaschen. Die Großmutter","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"sagte, wo der Schrank stehen sollte, und da steht er noch. Sehen Sie nur! Sie","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"haben ja Ihre sieben Vierblätter in der Tasche, von denen das eine ein Sechsklee","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"ist, da werden Sie es wohl sehen können.«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Und wirklich, mitten im Moor lag wie ein großer Erlenstrunk der Schrank der","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Großmutter. Er stand offen für das Moorweib und für jeden in allen Ländern und","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"in allen Zeiten, wenn man nur wußte, wo der Schrank stand. Er war vorne und","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"hinten zu öffnen, auf allen Seiten und Ecken, ein ganzes Kunstwerk, und sah","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"doch nur wie ein alter Erlenstrunk aus. Die Poeten aller Länger, besonders die","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"unseres eigenen Landes, waren hier nachbereitet; ihr Geist war ausspekuliert,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"rezensiert, renoviert, konzentriert und auf Flaschen gezogen. Mit großem","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Instinkt, wie es genannt wird, wenn man nicht Genie sagen will, hatte die","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Großmutter das in der Natur genommen, was gleichsam nach diesem oder jenem","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Poeten schmeckte, hatte etwas Teufelei hinzugesetzt, und so hatte sie eine","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Poesie auf Flaschen für die ganze Zukunft.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Lassen Sie mich einmal sehen!« sagte der Mann.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Ja, aber es gibt wichtigere Dinge zu hören!« sagte das Moorweib.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Aber jetzt sind wir bei dem Schrank!« sagte der Mann und sah hinein. »Hier sind","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Flaschen in allen Größen. Was ist in dieser? Und was in dieser?«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Hier ist das, was sie Maiduft nennen!« sagte das Weib. »Ich habe es nicht","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"versucht, aber ich weiß, wenn man davon nur einen kleinen Tropfen auf den Boden","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"spritzt, dann liegt da gleich ein herrlicher Waldsee mit Wasserlilien, blühendem","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Rohr und wilder Krauseminze. Man gießt nur zwei Tropfen auf ein altes Heft,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"selbst aus der untersten Klasse, und dann wird das Buch eine ganze Duftkomödie,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"die man sehr gut aufführen und bei der man einschlafen kann, so stark durftet","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"sie. Das soll wohl eine Höflichkeit für mich sein, daß auf der Flasche steht:","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Gebräu des Moorweibs«.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Hier steht die Skandalflasche. Sie sieht aus, als ob nur schmutziges","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Wasser darin wäre, und es ist schmutziges Wasser, aber mit Brausepulver von","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Stadtgeklatsch, drei Lot Lügen und zwei Gran Wahrheit mit einem Birkenzweig","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"umgerührt, nicht aus einer Spießrute, die man in Salzlake gelegt hat und aus","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"dem blutigen Körper des Sünders schnitt, auch nicht eine Gerte von der Rute des","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Schulmeisters, nein, direkt vom Besen genommen, der den Rinnstein fegte.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Hier steht die Flasche mit der frommen Poesie im Psalmenton. Jeder Tropfen hat","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"einen Klang wie das Quietschen der Höllentüre und ist zubereitet aus dem Blut","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"und Schweiß der Züchtigung; einige sagen, es ist nur Taubengalle, aber die","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Tauben sind die frömmsten Tiere, sie haben keine Galle, sagen die Leute, die","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"nicht Naturgeschichte kennen.«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Hier stand die Flasche aller Flaschen; sie nahm den halben Schrank ein, die","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Flasche mit den Alltagsgeschichten; sie war sowohl mit einer Schweinshaut","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"als auch mit einer Blase zugebunden, denn sie durfte nichts von ihrer Kraft","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"verlieren. Jede Nation konnte hier ihre eigene Suppe erhalten, sie kam, je","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"nachdem man die Flasche wandte und drehte. Hier war alte deutsche Blutsuppe","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"mit Räuberklößchen, auch dünne Hausmannssumme mit wirklichen Hofräten, die","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"wie Wurzelwerk darin lagen, und auf der Oberfläche schwammen philosophische","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Fettaugen. Es gab englische Gouvernantensuppe und die französische Potage à la","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Kock, mit Hühnerknochen und Spatzeneiern zubereitet, auf dänisch Cancansuppe","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"genannt. Aber die beste von den Suppen war die Kopenhagener. Das sagte die","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Familie.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Hier stand die Tragödie in Champagnerflaschen; sie konnte knallen, und das soll","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"sie. Das Lustspiel sah aus wie feiner Sand, um ihn den Leuten in die Augen zu","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"werfen, das heißt, das feinere Lustspiel; das gröbere war auch auf Flaschen,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"aber bestand nur aus Zukunftsplakaten, wo der Name das Kräftigste vom Stück","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"war. Es waren ausgezeichneten Komödiennamen wie: »Willst du herausrücken mit dem","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Geld?«, »Eins um die Ohren«, »Der süße Esel« und »Sie ist knallvoll!«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Der Mann verfiel in Gedanken dabei, aber das Moorweib dachte weiter, sie wollte","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"ein Ende haben.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Nun haben Sie wohl genug in dem Kramkasten gesehen!« sagte sie. »Nun wissen","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Sie, was das ist; aber das Wichtigere, was Sie wissen sollten, wissen Sie noch","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"nicht. Die Irrlichter sind in der Stadt! Das hat mehr zu bedeuten als Poesie und","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Märchen. Ich sollte nun gerade meinen Mund dabei halten, aber es muß eine Fügung","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"sein, ein Schicksal, etwas, was stärker ist als ich, es drückt mir das Herz ab,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"es muß heraus. Die Irrlichter sind in der Stadt! Sie sind losgekommen: Nehmt","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"euch in acht, ihr Menschen!«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Davon verstehe ich kein Wort!« sagte der Mann.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Seien Sie so gut und setzen Sie sich auf den Schrank«, sagte sie, »aber fallen","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Sie nicht hinein, daß Sie nicht die Flaschen entzweischlagen; Sie wissen,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"was darin ist. Ich werde Ihnen das große Ereignis erzählen; es ist nicht","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"länger her als seit gestern; es hat sich schon früher zugetragen. Es hat noch","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"dreihundertvierundsechzig Tage zu dauern. Sie wissen, wieviel Tage ein Jahr","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"hat?«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Und das Moorweib erzählte.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Hier hat sich gestern etwas Großes in den Sümpfen ereignet: Hier war","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Kinderfest! Hier wurde ein kleines Irrlicht geboren, hier wurden zwölf geboren","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"von der Gattung, der es gegeben ist, wenn sie wollen, als Menschen auftreten","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"zu können und unter diesen zu agieren und zu kommandieren, als ob sie geborene","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Menschen wären. Das ist ein großes Ereignis im Sumpf, und deshalb tanzten","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"über Moor und Wiese hin alle Irrlichter und Irrlichterinnen; es gibt auch","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"ein weibliches Geschlecht, aber das ist nicht im Sprachgebrauch. Ich saß da","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"auf meinem Schrank und hatte alle die zwölf kleinen neugeborenen Irrlichter","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"auf meinem Schoß; sie leuchteten wie Johanniswürmchen; sie fingen schon an zu","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"hüpfen, und jede Minute nahmen sie an Größe zu, so daß, ehe eine Viertelstunde","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"um war, jedes von ihnen ebenso groß aussah wie der Vater oder Onkel. Nun ist","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"es ein altes, angeborenes Gesetz und eine Gunst, wenn der Wind so weht, wie","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"er gestern wehte, und der Mond so steht, wie er gestern stand, dann ist es","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"allen Irrlichtern, die in dieser Stunde und Minute geboren werden, gegeben und","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"gegönnt, daß sie Menschen werden können und jedes von ihnen ein ganzes Jahr","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"lang ringsum seine Macht üben kann. Das Irrlicht kann durch das Land und um","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"die Welt ziehen, wenn es nicht Angst hat, in die See zu fallen oder in einem","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"starken Sturm ausgeblasen zu werden. Es kann kerzengerade in einen Menschen","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"hineinfahren, für ihn sprechen und alle Bewegungen machen, die es will. Das","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Irrlicht kann jede Gestalt annehmen, die es will, von Mann oder Weib, kann","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"in ihrem Geist handeln, aber seinem ganzen Wesen entsprechend, so daß dabei","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"herauskommt, was es will; aber in einem Jahr muß es wissen und verstehen,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"dreihundertfünfundsechzig Menschen auf falsche Wege zu führen, und dies in","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"großem Stil, sie von dem Recht und der Wahrheit fortzuführen, dann erreicht es","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"das Höchste, wozu es ein Irrlicht bringen kann, nämlich Läufer vor des Teufels","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Staatskarosse zu werden, glühende, feuergelbe Kleider zu bekommen und Flammen,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"die ihm zum Hals herausschlagen. Danach kann sich ein einfaches Irrlicht die","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Finger ablecken. Aber es ist auch Gefahr und große Unannehmlichkeit für ein","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"ehrgeiziges Irrlicht damit verbunden, das gerne eine Rolle spielen will. Gehen","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"dem Menschen die Augen auf und sieht er, wer es ist, und kann es wegblasen,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"so ist es weg und muß zurück in den Sumpf; und wenn ein Irrlicht, bevor das","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Jahr um ist, von der Sehnsucht gepackt wird, zu seiner Familie zu kommen, und","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"sich selber aufgibt, so ist es auch weg, kann nicht länger hell brennen, geht","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"bald aus und kann nicht wieder angezündet werden; und ist das Jahr zu Ende und","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"hat es dann noch nicht dreihunderfünfundsechzig Menschen fortgeführt von der","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Wahrheit und von dem, was schön und gut ist, so ist es verurteilt, in faulem","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Holz zu liegen und zu leuchten, ohne sich rühren zu können, und das ist die","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"fürchterlichste Strafe für ein lebhaftes Irrlicht. All dies wußte ich, und","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"all dies sagte ich den zwölf kleinen Irrlichtern, die ich auf dem Schoß hatte","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"und die wie toll vor Freude waren. Ich sagte ihnen, daß es das sicherste und","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"bequemste wäre, die Ehre aufzugeben und nichts anzustellen; das wollten die","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"jungen Flammen nicht, sie sahen sich schon glühend, brandgelb, mit der Flamme","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"zum Halse heraus. »Bleibt bei uns!« sagten einige von den Alten. »Treibst Spiel","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"mit den Menschen!« sagten die andern. »Die Menschen trocknen unsere Wiesen aus,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"die dränieren! Was soll da aus unseren Nachkommen werden!«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Wir wollen flammen in Flammen!« sagten die neugeborenen Irrlichter, und so war","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"es abgemacht.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Hier war nun gleich Minutenball, kürzer konnte es nicht sein! Die Elfenmädchen","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"schwingen sich dreimal herum mit allen den andern, um nicht hochmütig zu","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"seinen; sie tanzen sonst am liebsten mit sich selber. Dann wurden Patengeschenke","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"gegeben, »Rikoschettiert«, wie man es nennt. Geschenke flogen wie Kieselsteine","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"über das Moorwasser hin. Jedes von den Elfenmädchen gab einen Zipfel von ihrem","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Schleier. »Nimm ihn«, sagten sie, »dann kannst du gleich den höheren Tanz,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"die schwierigsten Schwingungen und Wendungen, auch wenn es drückt; du bekommst","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"die rechte Haltung und kannst dich in der steifsten Gesellschaft zeigen!« Der","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Nachtrabe lehrte jedes der jungen Irrlichter »bra, bra, brav!« zu sagen, es am","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"rechten Ort zu sagen und das ist eine große Gabe, die sich selber lohnt. Die","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Eule und der Storch ließen auch etwas fallen, aber das war nicht der Rede wert,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"sagten sie, also reden wir nicht davon. König Waldemars wilde Jagd fuhr gerade","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"hin über das Moor, und da diese Herrschaft von dem Fest hörte, sandte sie als","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Geschenk ein paar feine Hunde, die mit Windeseile jagen und wohl ein Irrlicht","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"tragen können, oder auch drei. Zwei alte Nachtmahre, die sich durch Reiten","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"ernähren, waren mit bei dem Fest; die lehrten sie gleich die Kunst, durch ein","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Schlüsselloch hineinzuschlüpfen, das ist, als ob einem alle Türen offenstünden.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Sie boten sich an, die jungen Irrlichter in die Stadt zu führen, wo sie gut","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Bescheid wissen. Sie reiten gewöhnlich durch die Luft auf ihrem eigenen langen","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Nackenhaar, das sie in einen Knoten gebunden haben, um fest zu sitzen. Aber","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"nun setzt sie sich beide quer auf die Hunde der wilden Jagd, nahmen die jungen","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Irrlichter auf den Schoß, die hineinsollten, um die Menschen zu verleiten und","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"zu verwirren - husch! waren sie fort. Das war alles gestern nacht. Nun sind die","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Irrlichter in der Stadt, jetzt haben sie die Sache schon angepackt, aber wie und","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"so, ja, sag mir das! Ich habe einen Wetterpropheten in meiner großen Zehe, der","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"mir immer etwas erzählt!«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Das ist ein ganzes Märchen!« sagte der Mann.","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Ja, das ist doch nur der Anfang zu einem«, sagte das Weib. »Können Sie mir","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"erzahlen, wie sich die Irrlichter nun tummeln und betragen, in welchen Gestalten","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"sie aufgetreten sind, um die Menschen auf falsche Wege zu ringen?« »Ich","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"glaube wohl«, sagte der Mann, »es konnte ein ganzer Roman über die Irrlichter","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"geschrieben werden, ganze zwölf Teile, einen über jedes Irrlicht, oder","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"vielleicht noch besser ein ganzes Volkslustspiel.«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Das sollten Sie schreiben«, sagte das Weib, »oder lieber es sein lassen.«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Ja, das ist angenehmer und bequemer«, sagte der Mann, »dann braucht man sich","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"nicht in der Zeitung zerrupfen zu lassen, und dabei wird es einem oft ebenso","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"beklommen zumut wie einem Irrlicht, wenn es in einem Baume liegen, leuchten muß","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"und nicht mucksen darf!«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Mir ist das ganz gleich«, sagte das Weib, »aber lassen Sie lieber die andern","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"schreiben, die, die es können, und die, die es nicht können! Ich gebe einen","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"alten Zapfen von meinem Faß, der schließt den Schrank mit der Poesie auf","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Flaschen auf, darauf können sie bekommen, was ihnen fehlt; aber Sie, mein guter","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Mann, scheinen mir nun Ihre Finger genug mit Tinte beschmiert zu haben, und","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Sie sollten wohl zu dem Alter und der Gesetztheit gekommen sein, daß Sie nicht","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"jedes Jahr dem Märchen nachlaufen dürfen, nun, wo viel wichtigere Dinge zu tun","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"sind. Sie haben doch wohl verstanden, was los ist=« »Die Irrlichter sind in der","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Stadt!« sagte der Mann. »Ich habe es gehört, ich habe es verstanden! Aber was","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"wollen Sie, daß ich tun soll? Es wird mir ja doch schlecht ergehen, wenn ich sie","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"sehe und den Leuten sage: »Seht einmal, da geht ein Irrlicht in Staatsuniform!«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Sie gehen auch in Röcken!« sagte das Weib. »Das Irrlicht kann jede Gestalt","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"annehmen, die es will, und allerorten auftreten. Es geht in die Kirche, nicht","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"um Gottes willen, nein, vielleicht ist es in den Priester gefahren. Es spricht","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"am Wahltag nicht zu des Landes und Reiches Gunsten, nein, nur zu seinen eigenen;","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"es ist Künstler sowohl im Farbentopf als auch im Theatertopf, aber bekommt es","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"ordentlich Macht, dann ist es aus mit dem Topf! Ich schwatze und schwatze, ich","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"muß heraus mit dem, was ich auf dem Herzen habe, zum Schaden meiner eigenen","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Familie; aber ich werde nun die Retterin der Menschheit sein. Das geschieht","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"wahrlich nicht aus guter Absicht oder um der Medaille willen. Ich tue das","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Verkehrteste, was ich tun kann, ich sage es einem Poeten und so bekommt es","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"gleich die ganze Stadt zu wissen!«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"»Die Stadt nimmt sich das nicht zu Herzen!« sagte der Mann. »Das wird keinen","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"einzigen Menschen bekümmern, sie glauben alle, daß ich ein Märchen erzähle,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"während ich im tiefsten Ernst ihnen sage: »Die Irrlichter sind in der Stadt«,","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"sagte die Moorfrau, »Nehmt euch in acht.«","book":"Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau"} {"text":"Da stand eine Windmühle auf dem Hügel, stolz anzusehen, und stolz fühlte sie","book":"Die Windmühle"} {"text":"ich:","book":"Die Windmühle"} {"text":"\"Ich bin durchaus nicht stolz,\" sagte sie, \"aber ich bin sehr aufgeklärt, außen","book":"Die Windmühle"} {"text":"und innen. Sonne und Mond habe ich zu auswärtigem Gebrauch und zum inwendigen","book":"Die Windmühle"} {"text":"auch, und dann habe ich außerdem Stearinlicht, Öllampen und Talgkerzen, ich darf","book":"Die Windmühle"} {"text":"sagen, daß ich aufgeklärt bin; ich bin ein denkendes Wesen und so wohlgebaut,","book":"Die Windmühle"} {"text":"daß es ein Vergnügen ist. Ich habe ein gutes Mahlwerk in der Brust, ich habe","book":"Die Windmühle"} {"text":"vier Flügel, und die sitzen mir oben am Kopf, gerade unter dem Hut; die Vögel","book":"Die Windmühle"} {"text":"haben nur zwei Flügel, und müssen sie auf dem Rücken tragen. Ich bin ein","book":"Die Windmühle"} {"text":"Holländer von Geburt, das sieht man gleich an meiner Gestalt; ein fliegender","book":"Die Windmühle"} {"text":"Holländer! Die rechnet man zu dem Übernatürlichen, das weiß ich, und doch bin","book":"Die Windmühle"} {"text":"ich sehr natürlich. Ich habe eine Galerie um den Leib und Wohnungsgelegenheit","book":"Die Windmühle"} {"text":"im Unterteil, da hausen meine Gedanken. Mein stärkster Gedanke, der alles","book":"Die Windmühle"} {"text":"leitet und beherrscht, der heißt bei den andern Gedanken: der Mann in der","book":"Die Windmühle"} {"text":"Mühle. Er weiß was er will, er steht hoch über Mehl und Kleie, hat aber doch","book":"Die Windmühle"} {"text":"seine Gefährtin, und sie heißt Mutter; sie ist das Gefühl, sie läuft nicht","book":"Die Windmühle"} {"text":"falsch herum, auch sie weiß, was sie will, sie weiß, was sie kann, sie ist mild","book":"Die Windmühle"} {"text":"wie ein Lufthauch, sie ist stark wie der Sturm, sie versteht herumzubekommen","book":"Die Windmühle"} {"text":"und ihren Willen durchzusetzen. Sie ist mein sanfter Sinn, der Vater ist mein","book":"Die Windmühle"} {"text":"harter; sie sind zwei und doch eins, sie nennen auch einander 'meine Hälfte'.","book":"Die Windmühle"} {"text":"Sie haben einen Kinderschwarm, die beiden: kleine Gedanken, die wachsen können.","book":"Die Windmühle"} {"text":"Die Kleinen machen eine Wirtschaft! Neulich, als ich in meinem Tiefsinn den","book":"Die Windmühle"} {"text":"'Vater' und seine Burschen das Mahlwerk und Rad in meiner Brust nachsehen ließ,","book":"Die Windmühle"} {"text":"ich wollte wissen, was da los war, denn etwas war in mir los, und man soll","book":"Die Windmühle"} {"text":"sich selber prüfen, da machten die Kleinen einen fürchterlichen Lärm, und das","book":"Die Windmühle"} {"text":"macht sich nicht gut, wenn man, wie ich, oben auf der Höhe steht; man muß daran","book":"Die Windmühle"} {"text":"denken, daß man in gutem Lichte steht: die Beurteilung ist auch ein Licht.","book":"Die Windmühle"} {"text":"Aber was ich sagen wollte, es war ein schrecklicher Lärm von den Kleinen! Der","book":"Die Windmühle"} {"text":"Kleinste fuhr mir bis unter den Hut und jauchzte, daß es mich kitzelte. Die","book":"Die Windmühle"} {"text":"kleinen Gedanken können wachsen, das habe ich erfahren,und von draußen kommen","book":"Die Windmühle"} {"text":"auch Gedanken, und nicht nur von meinem Geschlechte, denn ich sehe keinen von","book":"Die Windmühle"} {"text":"ihnen, so weit ich auch sehe, keinen außer mir selber; aber die flügellosen","book":"Die Windmühle"} {"text":"Häuser, wo man das Mahlwerk nicht hört, haben auch Gedanken, die kommen zu","book":"Die Windmühle"} {"text":"meinen Gedanken und verloben sich mit ihnen, wie man das nennt. Wunderlich","book":"Die Windmühle"} {"text":"genug! Ja, es gibt viel Wunderbares. Es ist über mich gekommen, oder in mich?","book":"Die Windmühle"} {"text":"Etwas hat sich im Mühlenwerk verändert; es ist, als ob der Vater die Hälfte","book":"Die Windmühle"} {"text":"gewechselt, einen noch sanfteren Sinn erhalten hätte, eine noch liebevollere","book":"Die Windmühle"} {"text":"Gefährtin, so jung und fromm und jedoch dieselbe, aber sanfter, frommer durch","book":"Die Windmühle"} {"text":"die Zeit. Was bitter war, ist verdunstet; das ist sehr vergnüglich, das Ganze.","book":"Die Windmühle"} {"text":"Tage gehen, und Tage kommen, immer weiter zur Klarheit und Freude, und dann, ja,","book":"Die Windmühle"} {"text":"das ist gesagt und geschrieben, dann kommt ein Tag, wo es vorbei mit mir ist,","book":"Die Windmühle"} {"text":"doch nicht ganz vorbei: ich soll niedergerissen werden, um mich neu und besser","book":"Die Windmühle"} {"text":"zu erheben. Ich soll aufhören und doch fortfahren, zu sein! Eine ganz andere","book":"Die Windmühle"} {"text":"werden und doch dieselbe bleiben! Das ist für mich schwer zu begreifen, wie","book":"Die Windmühle"} {"text":"aufgeklärt ich auch bin bei Sonne, Mond, Stearin, Öl und Talg! Mein altes Zimmer","book":"Die Windmühle"} {"text":"im Mauerwerk soll sich wieder aus dem Schutt erheben. Ich will hoffen, daß","book":"Die Windmühle"} {"text":"ich die alten Gedanken behalte; den Vater in der Mühle, die Mutter, Große und","book":"Die Windmühle"} {"text":"Kleine, die Familie, die ich das Ganze nenne, eins und doch so viele, die ganze","book":"Die Windmühle"} {"text":"Gedankengesellschaft, denn die kann ich nicht entbehren! Und ich selber muß auch","book":"Die Windmühle"} {"text":"bleiben mit dem Mahlwerk in der Brust, den Flügeln auf dem Kopfe, der Galerie","book":"Die Windmühle"} {"text":"um den Leib, sonst könnte ich mich selber nicht kennen und die andern könnten","book":"Die Windmühle"} {"text":"mich auch nicht kennen und sagen, da haben wir ja die Mühle auf dem Hügel, stolz","book":"Die Windmühle"} {"text":"anzusehen, und doch gar nicht stolz.\"","book":"Die Windmühle"} {"text":"Das sagte die Mühle, sie sagte viel mehr, aber das war das Wichtigste.","book":"Die Windmühle"} {"text":"Tage kamen, Tage gingen, und der jüngste Tag war der letzte.","book":"Die Windmühle"} {"text":"Da ging die Mühle in Feuer auf; die Flammen erhoben sich, schlugen heraus,","book":"Die Windmühle"} {"text":"schlugen hinein, leckten an Balken und Brettern und fraßen sie auf. Die Mühle","book":"Die Windmühle"} {"text":"fiel, es war nur ein Aschenhaufen übrig, der Rauch fuhr über die Brandstätte","book":"Die Windmühle"} {"text":"hin, der Wind trug ihn fort.","book":"Die Windmühle"} {"text":"Was lebendig in der Mühle gewesen, blieb, und das, was dabei gewonnen, gehört","book":"Die Windmühle"} {"text":"nicht hierher zu diese Begebenheit. Die Müllerfamilie, eine Seele, viele","book":"Die Windmühle"} {"text":"Gedanken und doch nur einer, baute sich eine neue, eine prächtige Mühle, mit","book":"Die Windmühle"} {"text":"der konnte ihr gedient sein, sie glich ganz der alten, man sagte: da steht ja","book":"Die Windmühle"} {"text":"die Mühle auf dem Hügel, stolz anzusehen! Aber diese war besser eingerichtet,","book":"Die Windmühle"} {"text":"mehr zeitgemäß, damit es vorwärtsgehen. Das alte Zimmerwerk, das wurmstichig und","book":"Die Windmühle"} {"text":"schwammig war, lag in Staub und Asche; der Mühlenkörper erhob sich nicht, wie","book":"Die Windmühle"} {"text":"sie es geglaubt hatte; sie nahm es nur wörtlich, und man soll nicht alle Dinge","book":"Die Windmühle"} {"text":"wörtlich nehmen.","book":"Die Windmühle"} {"text":"Es lag einmal ein altes Schloß mit sumpfigen Gräben und einer Zugbrücke; die","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"war häufiger aufgezogen als herabgelassen; nicht alle Gäste, die kommen, sind","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"angenehm. Unter dem Dachfirst waren Öffnungen, durch die man hinausschießen","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"und hin und wieder auch kochendes Wasser, ja geschmolznes Blei auf den Feind","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"herabgießen konnte, wenn der zu nahe kam. Drinnen waren die Räume hoch, und","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"das war gut für den vielen Rauch, der aus dem Kaminfeuer aufstieg, in dem die","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"großen, nassen Holzscheite lagen. An den Wänden hingen Bilder von geharnischten","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Männern und von stolzen Frauen in steifen Kleidern; die stolzeste von ihnen","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"allen ging hier drinnen lebendig umher, sie hieß Mette Mogens und war Herrin im","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Schloß.","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Zur Abendzeit kamen Räuber; sie erschlugen drei von ihren Leuten und auch den","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Kettenhund, und dann legten sie Frau Mette an die Hundekette in der Hundehütte","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"fest; sie selber aber setzten sich oben im Saal hin und tranken den Wein aus","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"ihrem Keller und all das gute Bier.","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Frau Mette stand an der Hundekette; sie konnte nicht einmal bellen.","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Da kam der Bursche der Räuber; er schlich so leise herbei, niemand sollte es","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"merken, denn sonst hätten sie ihn totgeschlagen.","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"\"Frau Mette Mogens,\" sagte der Bursche; \"weißt du noch, wie mein Vater auf dem","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"hölzernen Pferd ritt, als noch dein Gemahl Herr im Schloß war? Da batest du","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"für ihn, aber es half nicht, er sollte sich zuschaden reiten, du aber schlichst","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"hinunter, so wie ich jetzt hinuntergeschlichen bin, und legtest selber einen","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"kleinen Stein unter seine beiden Füße, damit er Ruhe finden möge. Niemand sah","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"es, oder auch, sie taten, als sähen sie es nicht, weil du die junge gnädige Frau","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"warst. Das hat mein Vater erzählt, und ich habe es nicht vergessen, der Dank ist","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"aufgeschoben, aber nicht aufgehoben! Und darum löse ich jetzt deine Bande, Frau","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Mette Mogens!\"","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Und dann zogen sie ein Paar Pferde aus dem Stall und ritten in Sturm und Regen","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"hinaus, um bei Freunden Hilfe zu suchten.","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"\"Das war eine gute Bezahlung für das kleine Liebeswerk, das ich dem alten Manne","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"getan,\" sagte Frau Mette Mogens.","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"\"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!\" sagte der Bursche.","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Die Räuber aber wurden gehängt.","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"*","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Es lag einmal ein alter Schloß, es liegt noch heute da; es war nicht Frau Mette","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Mogens' Besitz, es gehörte einer andern hochadeligen Familie.","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Die Geschichte spiel in unsere Zeit. Die Sonne scheint auf die vergoldete","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Spitze des Turmes, kleine Waldinseln liegen wie Blumensträuße auf dem Wasser,","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"und rings um sie herum schwimmen die wilden Schwäne. Im Garten wachsen Rosen,","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"die Schloßherrin selber ist das zarteste Rosenblatt, es strahlt vor Freude; die","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Freude der guten Werke strahlt nicht in die weite Welt hinaus, sie strahlt in","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"die Herzen.","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Jetzt verläßt sie das Schloß und begibt sich nach dem kleinen Ausmärkerhaus","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"draußen auf dem Felde. Dort wohnt ein armes, gichtbrüchiges Mädchen; das Fenster","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"in der kleinen Stube liegt nach Norden, die Sonne kommt nicht dahin; sie kann","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"nur über ein Stück Feld hinaussehen, das der hohe Graben abschließt. Aber heute","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"ist hier Sonnenschein, unserer lieben Gottes schöne, warme Sonne scheint hier","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"drinnen; sie kommt aus dem Süden durch das neue Fenster, wo bisher nur eine","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Mauer war.","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Die Gichtbrüchige sitzt in dem warmen Sonnenschein, sieht Wald und Strand, die","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Welt ist so groß und so schön geworden und das alles durch ein einziges Wort der","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"freundlichen Schloßherrin.","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"\"Das Wort war so leicht, die Tat so gering!\" sagte sie. \"Die Freude, die mir","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"ward, war unendlich groß und herrlich!\"","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Und darum übt sie so viele Lebenswerke, denkt an alle in den armen Häusern und","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"in den reichen Häusern, wo es auch Betrübte gibt. Sie tut es im Stillen und","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Verborgenen, aber der liebe Gott sieht es und lohnt es ihr einst. \"Aufgeschoben","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"ist nicht aufgehoben!\"","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"*","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Drinnen in der großen, geschäftigen Stadt lag ein altes Haus. Da waren Zimmer","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"und Säle, aber in die gehen wir nicht hinein; wir bleiben in der Küche, da ist","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"es warm und hell, da ist es reinlich und zierlich. Das Kupfergeschirr blitzt,","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"der Tisch ist so blank, als sei er gebohnert, die Abwasche sieht aus wie ein","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"frischgescheuertes Spickbrett; das alles hat das einzige Mädchen ausgerichtet,","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"und dabei hat sie noch Zeit gehabt, sich so sauber anzuziehen, als wollte sie","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"zur Kirche gehen. Sie trägt eine Schleife an der Haube, eine schwarze Schleife;","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"das bedeutet Trauer. Sie hat ja niemand, um den sie trauern könnte; sie hat ja","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"weder Vater noch Muter, weden Verwandte noch einen Liebsten; sie ist ein armes","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Mädchen. Einmal ist sie verlobt gewesen mit einem armen Burschen; sie hatten","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"sich lieb. Da kam er eines Tages zu ihr.","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"\"Wir haben beide nichts!\" sagte er. \"Die reiche Witwe drüben im Keller hat mir","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"warme Worte gesagt; sie will mich zum wohlhabenden Mann machen; aber du lebst in","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"meinem Herzen. Was rätst du mir, daß ich tun soll?\"","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"\"Tue das, was du für dein Glück hältst!\" sagte des Mädchen. \"Sei gut und","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"liebevoll gegen sie, bedenke aber, von dem Augenblick an, wo wir uns trennen,","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"können wir einander nicht wiedersehen!\"","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Und dann vergingen ein paar Jahre; da begegnete sie auf der Straße Ihrem","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"ehemaligen Freund und Liebsten; er sah krank und elend aus; da konnte sie es","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"nicht lassen, sie mußte fragen: \"Wie geht es dir denn?\"","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"\"Reich und gut über alle Maßen!\" sagte er. \"Die Frau ist brav und gut, aber du","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"lebst in meinem Herzen. Ich habe meinen Kampf gekämpft, bald ist es zu Ende! Wir","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"sehen uns erst beim leiben Gott wieder!\"","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Seitdem ist eine Woche vergangen; heute morgen hat in der Zeitung gestanden,","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"daß er gestorben ist. Und darum trägt das Mädchen Trauer. Der Geliebte ist tot,","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"betrauert von seiner Frau und drei Stiefkindern, so steht es in der Zeitung; das","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"klingt, als sei die Glocke gesprungen, und doch ist das Erz rein.","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Die schwarze Schleife bedeutet Trauer, das Gesicht des Mädchens drückt noch mehr","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Trauer aus; die sitzt im Herzen und wird nie daraus verschwinden. Aufgeschoben","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"ist nicht aufgehoben!","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"*","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Das sind drei Geschichten, drei Blätter an einem Stengel. Wünschest du noch mehr","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Kleeblätter? Da sind viele im Buche des Herzens, und was darin aufgewahrt ist,","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"wird nie vergessen!","book":"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"} {"text":"Der General wohnte im ersten Stockwerk, der Hauswart wohnte im Keller; es war","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"ein großer Abstand zwischen den beiden Familien, das ganze Erdgeschoß und die","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Rangordnung; aber unter einem Dache wohnten sie und mit der Aussicht auf die","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Straße und den Hof. Und auf dem Hof war ein Rasenplatz mit einer blühenden","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Akazie, wenn sie blühte, und darunter saß zuweilen eine geputzte Amme mit dem","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"noch mehr geputzten Kind des Generals, der \"kleinen Emilie.\" Vor ihnen tanzte","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"auf seinen bloßen Beinen des Hauswarts kleiner Junge mit den großen braunen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Augen und dem dunklen Haar, und die Kleine lachte ihm zu und streckte die","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Händchen nach ihm aus, und wenn der General das von seinem Fenster aus sah, so","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"nickte er hinunter und sagte: \"Charmant!\" Die Generalin selber, die so jung war,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"daß sie fast ihres Gatten Tochter aus einer frühen Ehe hätte sein können, sah","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"nie zu dem Fenster auf den Hof hinaus, aber sie hatte Befehl gegeben, der kleine","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Junge aus dem Keller dürfe gern mit dem Kinde spielen, es aber nicht anrühren.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Die Amme gehorchte genau dem Befehl der gnädigen Frau.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Und die Sonne schien zu den Bewohnern des ersten Stockwerks und zu denen im","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Keller hinein, die Akazie setzte Blüten an, und sie fielen wieder ab, und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"im nächsten Jahr kamen neue; der Baum blühte, und des Hauswarts kleiner Sohn","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"blühte, er sah aus wie eine frische Tulpe.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Die kleine Tochter des Generals blieb fein und bleich wie das blaßrosa Blatt der","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Akazienblüte. Jetzt kam sie nur noch selten hinunter zu dem Baum, sie schöpfte","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"frische Luft in der Kutsche. Sie fuhr mit Mama spazieren, und dann nickte sie","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"immer Hauswarts Georg zu, ja, warf ihm ein Kußhändchen zu, bis ihre Mutter","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"sagte, daß sie jetzt zu groß dazu sei.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Eines Morgens sollte er dem General die Zeitungen und Briefe hinaufbringen, die","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"der Postbote unten beim Hauswart abgegeben hatte. Als er die Treppe hinauflief","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"und an der Tür zum Sandloch vorbeikam, hörte er etwas da drinnen piepsen; es","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"glaubte, es sei ein Küchlein, das sich dahinein verirrt habe, und statt dessen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"war es des Generals kleines Töchterchen in Flor und Spitzen.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Sag es nur ja nicht Papa und Mama, denn dann werden sie böse!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Aber was ist denn dies hier, kleines Fräulein?\" fragte Georg.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Es brennt alles zusammen!\" sagte sie. \"Es brennt lichterloh!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Georg öffnete die Tür zum Kinderzimmer. Die Gardine am Fenster war fast","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"heruntergebrannt, der Gardinenhalter stand in Flammen. Georg sprang hinauf, riß","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"die Stange herunter, rief Leute herbei; ohne ihn wäre ein Hausbrand entstanden.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Der General und die Generalin examinierten die kleine Emilie.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Ich hab nur ein einziges Streichholz genommen,\" sagte sie, \"da brannte es","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"gleich, und die Gardine brannte auch gleich. Ich spuckte, um zu löschen, ich","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"spuckte, soviel ich nur konnte, aber ich hatte nicht Spucke genug, und da lief","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"ich hinaus und versteckte mich, weil Papa und Mama böse werden.\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Du spucktest!\" sagte der General. \"Was für ein Wort ist das! Wenn hast du","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"gehört, daß Papa oder Mama \"spucken\" gesagt haben? Das wirst du unter gehört","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"haben!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Aber der kleine Georg bekam vier Schilling. Die wurden nicht beim Konditor","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"angelegt, sie wanderten in die Sparkasse, und bald waren da so viele Schillinge,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"daß er sich einen Malkasten kaufen konnte, und nun malte er alle seine","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Zeichnungen an. Er hatte eine ganze Menge Zeichnungen, die kamen ihm förmlich","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"aus den Fingern und aus dem Bleistift heraus. Die ersten bunten Bilder schenkte","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"er der kleinen Emilie.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Charmant!\" sagte der General; selbst die Generalin gab zu, daß man deutlich","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"sehen könne, was der Kleine sich gedacht hatte. \"Genie hat er!\" Die Worte","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"brachte die Frau des Hauswarts mit in den Keller hinab.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Der General und seine Frau waren vornehme Leute; sie hatten zwei Wappen an","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"ihrem Wagen; eins für einen jeden von ihnen; die gnädige Frau hatte das Wappen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"auf jedem Kleidungsstück, auswendig und inwendig, auf ihrer Nachtmütze und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"ihrer Nachtzeugtasche. Das eine Wappen, das der Gnädigen, war ein kostbares","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Wappen, ihr Vater hatte es für blanke Taler gekauft, denn er war nicht damit","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"geboren, sie auch nicht; sie war zu früh gekommen, sieben Jahre vor dem Wappen;","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"dessen erinnerten sich die meisten Leute, nur nicht die Familie. Das Wappen des","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Generals war alt und groß, es war keine Kleinigkeit, es mit Anstand zu tragen,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"geschweige denn, zwei Wappen zu tragen. Das sah man der Generalin denn auch an,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"wenn sie steif und stattlich zum Hofball fuhr.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Der General war alt und grau, aber er saß gut zu Pferd, das wußte er, und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"jeden Tag ritt er aus, seinen Reitknecht in passendem Abstand hinter sich.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Wenn er in Gesellschaft kam, so sah es aus, als komme er auf seinem hohen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Roß hereingeritten, und er hatte so viele Orden, daß es fast unbegreiflich","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"war, aber das war nun wirklich nicht seine Schuld. Als ganz junger Mann","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"hatte er die militärische Karriere eingeschlagen und hatte alle die großen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Herbstmanöver mitgemacht, die in Friedenszeiten über die Truppen abgehalten","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"wurden. Aus jeder Zeit stammte eine Anekdote, die einzige, die er zu erzählen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"wußte: sein Unteroffizier schnitt einem der Prinzen den Rückzug ab und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"machte ihn zum Gefangenen, und nun mußte der Prinz mit seinem kleinen Trupp","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"gefangener Soldaten, selber als Gefangener, hinter dem General her in die Stadt","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"einreichten. Das war ein unvergleichliches Ereignis, das während all der Jahre","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"von dem General wieder erzählt wurde mit genau denselben denkwürdigen Worten,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"die er gesagt hatte, als er dem Prinzen den Säbel wieder überreicht: \"Nur mein","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Unteroffizier konnte Eure Hoheit gefangennehmen, ich hätte es nie gekonnt!\" Und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"der Prinz hatte ihm darauf geantwortet: \"Sie sind unvergleichlich!\" In einem","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"wirklichen Krieg war der General niemals gewesen; als es wirklich Krieg gab,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"war der General zur Diplomatie übergegangen und hielt sich längere Zeit an drei","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"verschiedenen ausländischen Höfen auf. Er sprach die französische Sprache so","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"gut, daß er seine Muttersprache fast ganz vergaß; er tanzte gut, er ritt gut,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"eine Unmenge von Orden schmückten seine Brust; die Schildwachen präsentierten","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"vor ihm, eins der schönsten Mädchen ward seine Gattin, und sie bekamen ein","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"entzückendes kleines Kind, es war so liebreizend, daß man hätte denken können,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"es sei vom Himmel gefallen, und der Sohn des Hauswarts tanzte auf dem Hofe vor","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"ihm und schenkte ihm alle seine buntgemalten Zeichnungen, und die Kleine sah sie","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"an und freute sich darüber und zerriß sie. Sie war so fein und so niedlich.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Mein Rosenblatt!\" sagte die Generalin. \"Für einen Prinzen bist du geboren!\" Der","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Prinz stand bereits draußen vor der Tür, man wußte es nur nicht; die Menschen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"sehen nicht weit über die Türschwelle hinaus.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Neulich hat unser Junge, weiß Gott, sein Butterbrot mit ihr geteilt!\" sagte","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"die Frau des Hauswarts. \"Es war weder Käse noch Fleisch darauf, aber es hat ihr","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"geschmeckt, als wenn es Rinderbraten gewesen wäre. Das hätte was gegeben, wenn","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Generals die Mahlzeit gesehen hätten, aber sie haben es gottlob nicht gesehen!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Georg hatte sein Butterbrot mit der kleinen Emilie geteilt; gern hätte er","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"sein Herz mit ihr geteilt, wenn es ihr nur Vergnügen gemacht hätte. Er war ein","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"guter Junge, er war aufgeweckt und klug, er besuchte jetzt die Abendschule der","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Akademie, um richtig zeichnen zu lernen. Die kleine Emilie machte ebenfalls","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Fortschritte in bezug auf Kenntnisse; sie sprach französisch mit ihrer Bonne und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"hatte Unterricht beim Tanzmeister.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Zu Ostern soll Georg eingesegnet werden!\" sagte die Frau des Hauswarts; so weit","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"war Georg.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Am richtigsten wäre es wohl, wenn er dann in die Lehre käme,\" sagte der Vater.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Eine anständige Profession muß es sein! Und dann sind wir ihn aus dem Hause","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"los!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Er wird doch bei uns schlafen müssen!\" sagte die Mutter. \"Es ist nicht leicht,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"einen Meister zu finden, der Platz hat. Kleiden müssen wir ihn ja auch, das","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"bißchen Essen, was er ißt, werden wir auch schon aufbringen, mit ein paar","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"gekochten Kartoffeln ist er ja zufrieden, freien Unterricht hat er. Laß du ihn","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"nur seinen Weg gehen, du sollst sehen, wir werden Freude an ihm erleben, das hat","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"der Professor auch gesagt!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Der Konfirmationsanzug war fertig, Mutter hatte ihn selber genäht, aber er war","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"vom Flickschneider zugeschnitten, und der hatte einen guten Schnitt; wäre er","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"anders gestellt gewesen, so daß er eine Werkstatt mit Gesellen hätte halten","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"können, so hätte der Mann sehr wohl Hofschneider werden können, sagte die Frau","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"des Hauswarts.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Die Kleider waren fertig, und der Konfirmand war bereit. Georg erhielt an seinem","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Konfirmationstag eine große Tombakuhr von seinem Paten, dem alten Gehilfen des","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Speckhökers. der der wohlhabendste von Georgs Paten war. Die Uhr war alt und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"erprobt, sie ging immer vor, aber das ist besser, als wenn sie nachgeht. Das","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"war ein kostbares Geschenk; und von Generals kam ein Gesangbuch in Saffianleder,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"von dem kleinen Fräulein gesandt, dem Georg so oft Bilder geschenkt hatte. Voran","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"im Buch stand sein Name und ihr Name und \"Huldvolle Gönnerin.\" Das war nach","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"dem Diktat der Generalin geschrieben, und der General hatte es durchgelesen und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Charmant!\" dazu gesagt.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Das war wirklich eine große Aufmerksamkeit von einer so vornehmen Herrschaft,\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"sagte die Frau des Hauswarts; und Georg mußte in seinem Konfirmationsanzug und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"mit dem Gesangbuch hinauf und sich bedanken. Die Generalin saß ganz eingehüllt","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"da und hatte ihre großen Kopfschmerzen, die sie immer hatte, wenn sie sich","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"langweilte. Sie sah Georg sehr freundlich an und wünschte ihm alles Gute und daß","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"er niemals ihre Kopfschmerzen bekommen möchte. Der General war im Schlafrock und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Zipfelmütze und hatte russische Stiefel mit roten Schäften an; er ging dreimal","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"im Zimmer auf und nieder, in Gedanken und Erinnerungen versunken, dann blieb er","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"stehen und sagte:","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Lieber Georg, so bist du denn also jetzt in die Christenheit aufgenommen! Sei","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"auch ein braver Mann, der seine Obrigkeit ehrt! Wenn du einstmals ein alter","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Mann bist, kannst du sagen, daß dir der General diesen Ratschlag mit auf den Weg","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"gegeben hat!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Dies war eine längere Rede, als wie sie der General sonst hielt, darauf kehrte","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"er wieder zu seinen stillschweigenden Betrachtungen zurück und sah vornehm","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"aus. Doch von allem, was Georg hier oben sah und hörte, haftete das kleine","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Fräulein Emilie am festesten in seinem Gedächtnis. Wie süß und sanft war sie","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"doch, wie schwebend, wie fein! Wenn sie abgezeichnet werden sollte, mußte es","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"in einer Seifenblase geschehen. Es hing ein Duft in ihren Kleidern, in ihrem","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"blondgelockten Haar, als sei sie ein eben erblühter Rosenstock; und mit ihr","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"hatte er einmal sein Butterbrot geteilt! Sie hatte es mit mächtigem Appetit","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"verzehrt und ihm bei jedem zweiten Bissen zugenickt. Ob sie sich dessen noch","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"entsann? Freilich, sie hatte ihm ja in Erinnerung hieran das schöne Gesangbuch","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"geschenkt, und als zum erstenmal wieder der erste Neumond im neuen Jahr am","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Himmel stand, ging er mit einem Stück Brot und einem Schilling hinaus und schlug","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"im Gesangbuch auf, um zu sehen, welcher Gesang für ihn bestimmt sei. Es war ein","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Lob- und Danklied; und dann schlug er auf, um zu sehen, was der kleinen Emilie","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"bestimmt sein würde; er nahm sich recht in acht, daß er nicht dort aufschlug,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"wo die Sterbelieder standen, und dann geriet er trotzdem zwischen Grab und Tod.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Aber es war ja Unsinn, an so etwas zu glauben. Und doch ergriff ihn eine große","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Angst, als das reizende kleine Mädchen bald darauf das Bett hüten mußte und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"jeden Mittag der Wagen des Doktors vor der Tür hielt.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Sie behalten sie nicht!\" sagte die Frau des Hauswarts. \"Der liebe Gott weiß","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"auch, wen er gerne haben möchte!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Aber sie behielten sie; und Georg zeichneten Bilder und schickte sie ihr;","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"er zeichnete das Schloß des Zaren, den alten Kreml in Moskau, genau so, wie","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"er dastand mit Kuppeln und Türmen, sie sahen aus wie sieben große grüne und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"vergoldete Gurken, wenigstens auf Georgs Zeichnung. Sie machten der kleinen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Emilie so viel Vergnügen, und deswegen schickte ihr Georg im Laufe der Woche","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"noch ein paar Bilder, alles Gebäude, denn dabei konnte er selber sich so viel","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"denken hinter den Türen und Fenstern.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Er zeichnete ein chinesisches Haus mit einem Glockenspiel durch alle sechzehn","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Stockwerke; er zeichnete zwei griechische Tempel mit schlanken Marmorsäulen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"und einer Treppe ringsherum; er zeichnete eine Kirche aus Norwegen, man konnte","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"sehen, daß sie ganz aus Balken war, ausgehauen und wunderlich zusammengestellt,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"jedes Stockwerk sah so aus, als habe es Wiegenkufen. Am schönsten war aber doch","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"auf einem Blatt das Schloß, das er \"Der kleinen Emilie Schloß\" nannte. So sollte","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"sie wohnen; das hatte sich Georg ganz genau ausgedacht, und er hatte zu diesem","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Schloß alles genommen, was er an den andern Gebäuden am schönsten fand. Es hatte","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"geschnitzte Balken wie die norwegische Kirche, Marmorsäulen wie ein griechischer","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Tempel, ein Glockenspiel in jedem Stockwerk und ganz oben Kuppeln, grüne und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"vergoldete, wie am Kreml des Zaren. Es war ein richtiges Kinderschloß, und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"unter jedem Fenster stand geschrieben, wozu dieser Saal oder jenes Zimmer dienen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"sollte: hier schläft Emilie, hier tanzt Emilie, und hier spielt sie: Es kommt","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Besuch! Das war amüsant anzusehen, und es wurde gründlich angesehen.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Charmant!\" sagte der General.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Aber der alte Graf, denn da war ein alter Graf, der noch vornehmer war als der","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"General und selber ein Schloß und ein Rittergut hatte, der sagte nichts; er","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"hörte, daß es von dem kleinen Sohn des Hauswarts ersonnen und gezeichnet sei.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Nun, so klein war er ja freilich nicht mehr; er war ja schon eingesegnet. Der","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"alte Graf betrachtete die Bilder und hatte so seine eigenen, stillen Gedanken","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"dabei.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Eines Tages, als das Wetter so recht grau und naß und gräßlich war, sollte sich","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"der Tag für den kleinen Georg zu einem der lichtesten und besten gestalten. Der","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Professor der Kunstakademie ließ ihn zu sich kommen.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Höre einmal, mein Freund, laß uns ein wenig miteinander plaudern! Der liebe","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Gott ist in Bezug auf Fähigkeiten sehr gut gegen dich gewesen, er ist auch in","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Bezug auf gute Menschen gut gegen dich. Der alte Graf dort von der Ecke hat","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"mir von dir gesprochen; ich habe auch deine Bilder gesehen, darunter wollen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"wir einen Strich machen, es ist viel daran auszusetzen. Nun kannst du zweimal","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"wöchentlich in meinen Zeichenunterricht kommen, dann wird es damit schon besser","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"werden. Ich glaube, du hast mehr Anlage zum Baumeister als zum Maler; aber du","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"hast ja Zeit genug, um dir das zu überlegen! Du mußt jedenfalls noch heute zu","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"dem alten Grafen im Eckhaus gehen, und danke du deinem Schöpfer, daß er dir den","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Mann gesandt hat!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Der Graf wohnte in einem großen Eckhaus; da waren ausgehauene Elefanten und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Dromedare um die Fenster herum, alles aus alten Zeiten; aber der alte Graf","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"interessierte sich am meisten für die neue Zeit und alles gute, was sie brachte,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"mochte es aus dem ersten Stockwerk, aus dem Keller oder der Mansarde kommen.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Ich glaube,\" sagte die Frau des Hauswarts, \"daß, je vornehmer die Leute","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"wirklich sind, je weniger stellen sie sich an. Wie reizend und natürlich der","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"alte Graf ist! Und er spricht, weiß Gott, geradeso wie du und ich; das können","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Generals nicht. Georg war ja gestern auch ganz aus dem Häuschen, weil der Graf","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"so freundlich gegen ihn gewesen war; und heute, wo ich mit dem mächtigen Mann","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"gesprochen hat, geht es mir geradeso! War es nun nicht ein Glück, daß wir den","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Jungen nicht in die Handwerkerlehre gegeben hatten! Talent hat er!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Aber das nützt alles nichts, wenn man keine Unterstützung von außen hat!\" sagte","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"der Vater.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Die hat er jetzt!\" sagte die Mutter. \"Der Graf sprach sich ganz klar und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"deutlich darüber aus!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Von Generals ist das Ganze aber doch ausgegangen!\" sagte der Vater. \"Bei denen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"müssen wir uns auch bedanken.\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Das können wir ja gern tun,\" sagte die Mutter, \"wenn ich auch gerade nicht","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"einsehen kann, was wir denen groß zu verdanken haben. Aber dem lieben Gott will","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"ich danken, und ich will mich auch bei ihm dafür bedanken, daß die kleine Emilie","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"wieder besser wird!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Die kleine Emilie machte wirklich Fortschritte, und Georg machte auch","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Fortschritte; im Lauf des Jahres bekam er die kleine silberne Medaille und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"später auch die große.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Es wäre doch besser gewesen, wenn wir ihn in die Handwerkerlehre gegeben","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"hätten,\" sagte die Frau des Hauswarts und weinte, \"dann hätten wir ihn jetzt","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"behalten. Was soll er in Rom? Ich krieg ihn nie wieder zu sehen, selbst wenn er","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"je wieder nach Hause kommt, aber er kommt nie wieder nach Hause, das süße Kind!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Das ist aber doch sein Glück und sein Ruhm!\" sagte der Vater.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Ja, das sagst du wohl!\" entgegnete die Mutter. \"Du sagst auch vieles, was du","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"gar nicht meinst! du bist ebenso betrübt wie ich!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Und es hatte seine Richtigkeit mit der Betrübnis und mit der Abreise. Es sei ein","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"großes Glück für den jungen Menschen, sagten alle Leute.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Und nun ging es ans Abschiednehmen. Auch beim General; aber die Gnädige ließ","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"sich nicht blicken, sie hatte ihre großen Kopfschmerzen. Der General erzählte","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"zum Abschied seine einzige Anekdote, was er zu dem Prinzen gesagt hatte und was","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"der Prinz zu ihm gesagt hatte: \"Sie sind unvergleichlich!\" Und dann reichte er","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Georg die Hand.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Auch Emilie reichte Georg ihre Hand und sah beinahe betrübt aus, aber am","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"allerbetrübtesten war doch Georg.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Die Zeit vergeht, wenn man etwas tut, sie vergeht auch, wenn man nichts tut.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Die Zeit ist gleich lang, aber nicht gleich nützlich. Für Georg war sie nützlich","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"und gar nicht lang, außer wenn er an die Lieben in der Heimat dachte. Wie mochte","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"es untern und oben aussehen? Ja, darüber ward geschrieben; und man kann so viel","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"in einen Brief hineinlegen, den lichten Sonnenschein und die schweren, trüben","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Tage. Die lagen im Brief, sie meldeten, daß der Vater gestorben und die Mutter","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"allein zurückgeblieben war. Die kleine Emilie sei ein wahrer Engel des Trostes","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"gewesen, sie sei zu ihr in die Kellerwohnung gekommen, schrieb die Mutter, und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"über sich selber fügte sie hinzu, daß man ihr erlaubt habe, den Hauswartposten","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"zu behalten.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Die Generalin führte Tagebuch; darin waren jede Gesellschaft, jeder Ball, den","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"sie besucht hatte, aufgeführt, auch alle Visiten, die sie erhielt. Das Tagebuch","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"war mit den Visitenkarten der Diplomaten und des höchsten Adels illustriert. Sie","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"war stolz auf ihr Tagebuch, es wuchs im Laufe langer Jahre, vieler Jahre, unter","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"vielen großen Kopfschmerzen, aber auch in vielen hellen Nächten, das heißt auf","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Hofbällen. Emilie war zum erstenmal auf einem Hofball gewesen; die Mutter war","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"in Rosa mit schwarzen Spitzen: spanisch! Die Tochter in Weiß, so klar und fein.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Grüne, seidene Bänder flatterten wie Schilf in dem blonden Lockenhaar, auf dem","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"ein Kranz von weißen Seerosen ruhte; die Augen waren so blau und klar, der Mund","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"so fein und rot, sie glich einer kleinen Seejungfrau, so lieblich, wie man sie","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"sich nur denken kann. Drei Prinzen tanzten mit ihr, daß heißt, erst der eine und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"dann der andere; die Generalin hatte acht Tage lang keine Kopfschmerzen.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Aber der erste Ball blieb nicht der letzte, das konnte Emilie nicht aushalten,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"daher war es gut, daß der Sommer mit Ruhe und Aufenthalt in der frischen Luft","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"kam. Die Familie war auf das Schloß des alten Grafen eingeladen.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Das war ein Schloß und ein Garten, die es sich zu sehen verlohnte. Ein Teil","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"davon war ganz wie in alten Zeiten mit steifen, grünen Hecken, als gehe man","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"zwischen grünen Schirmwänden, in denen Gucklöcher waren. Buchsbaum und Taxus","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"standen zu Sternen und Pyramiden ausgeschnitten da, das Wasser sprang aus großen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Grotten, die mit Muschelschalen belegt waren; ringsumher standen steinerne","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Figuren aus allerschwerstem Stein, das konnte man den Gesichtern und auch den","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Kleidern ansehen; jedes Blumenbeet hatte seine Gestalt, als Fisch, Wappenschild","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"oder Namenszug, das war der französische Teil des Garten; aus dem gelangte man","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"gleichsam in den freien, frischen Wald hinein, wo die Bäume wachsen duften, wie","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"sie wollten, und daher so groß und prächtig waren; das Gras war grün, und man","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"durfte darauf gehen, es wurde auch gewalzt, geschnitten, gepflegt und gehütet;","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"das war der englische Teil des Garten.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Alte Zeit und neue Zeit!\" sagte der Graf. \"Hier gleiten sie auch so gut","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"ineinander hinein! In zwei Jahren wird das Schloß selber sein richtiges Aussehen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"bekommen, das wird eine ganze Verwandlung zu etwas Schönem und Besserm werden;","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"ich werde Ihnen die Zeichnungen zeigen, und auch den Baumeister werde ich Ihnen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"zeigen, er ist heute zu Tische hier!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Charmant!\" sagte der General.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Es ist paradiesisch hier!\" sagte die Generalin. \"Und da haben Sie ja eine","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Ritterburg!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Das ist mein Hühnerhaus!\" sagte der Graf. \"Die Tauben wohnen im Turm, die","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Kalikuten im ersten Stockwerk, aber im Erdgeschoß regiert die alte Else. Sie hat","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Fremdenzimmer nach allen Seiten: die Glucken für sich, die Hühner und Küchlein","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"für sich, und die Enten, ja, die haben freien Zutritt zum Wasser!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Charmant!\" wiederholte der General.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Und sie gingen alle hinein, um diese Herrlichkeit zu sehen.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Die alte Else stand mitten in der Stube, und neben ihr stand Georg; er und die","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"kleine Emilie sahen sich nach mehreren Jahren im Hühnerhaus wieder.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Ja, hier stand er, und er war gar schon vom Aussehen; sein Gesicht war offen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"und bestimmt, er hatte schwarzes, glänzendes Haar und um den Mund ein Lächeln,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"das zu sagen schien: hinter meinem Ohr sitzt ein Schelm, der kennt euch aus","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"und ein. Die alte Else hatte ihre Holzschuhe ausgezogen und stand auf Socken","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"da, zu Ehren der vornehmen Gäste. Und die Hühner glucksten, und der Hahn","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"krähte, die Enten watschelten \"gack, gack!\" Aber das feine, blasse Mädchen,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"die Tochter des Generals, stand da mit einem Rosenschimmer auf den sonst so","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"bleichen Wangen, ihre Augen wurden so groß, und ihr Mund redete, ohne daß er","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"auch nur ein einziges Wort gesagt hätte, und der Gruß, den Georg erhielt, war","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"der entzückendste Gruß, den ein junger Mann sich von einer jungen Dame wünschen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"konnte, mit der er nicht verwandt war oder mit der er nicht sehr oft getanzt","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"hatte; sie und der Maumeister hatten aber niemals zusammen getanzt.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Der Graf drückte ihm die Hand und stellte ihn vor. \"Ganz fremd ist er Ihnen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"nicht, unser junger Freund, Herr Georg!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Die Generalin verneigte sich, die Tochter war kurz davor, ihm die Hand zu","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"reichen, aber sie reichte sie ihm doch nicht.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Unser lieber Herr Georg!\" sagte der General. \"Alte Hausfreunde! Charmant!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Sie sind ja vollständig Italiener geworden!\" sagte die Generalin. \"Und Sie","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"sprechen die Sprache wohl wie ein Eingeborener!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Die Generalin singe die Sprache, spreche sie aber nicht, sagte der General.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Bei Tische saß Georg zu Emiliens Rechten, der General führte sie, der Graf","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"führte die Generalin.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Herr Georg sprach und erzählte, und er erzählte so gut, er war das Wort und der","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Geist bei Tische, obwohl der alte Graf es auch sein konnte. Emilie saß stumm da,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"die Ohren hörten, die Augen strahlten.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Aber sie sagte nichts.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Auf der Veranda zwischen den Blumen standen sie und Georg, die Rosenhecke entzog","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"sie den Blicken. Georg hatte wieder das Wort, hatte es zuerst.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Vielen Dank für Ihre Freundlichkeit gegen meine alte Mutter!\" sagte er. \"Ich","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"weiß alles, in der Nacht, als mein Vater starb, kamen Sie zu Mutter hinunter","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"und waren bei ihr, bis seine Augen sich geschlossen hatten, ich danke Ihnen!\" Er","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"ergriff Emiliens Hand und küßte sie, das konnte er wohl tun bei der Gelegenheit,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"sie ward dunkelrot, drückte ihm aber die Hand und sah ihn mit ihren blauen,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"herzensguten Augen an.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Ihre Mutter war eine liebevolle Seele\" Wie hat sie Sie geleibt! Und alle Ihre","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Briefe ließ sie mich lesen, ich glaube fast, ich kenne Sie! Wie freundlich waren","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Sie gegen mich, als ich noch klein war, Sie schenkten mir Bilder -!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Die Sie zerrissen!\" sagte Georg. \"Nein, ich habe mein Schloß noch, die","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Zeichnung!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Nun muß ich es wirklich bauen!\" sagte Georg, und er wurde selber ganz warm bei","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"dem, was er sagte.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Der General und die Generalin sprachen in ihren eigenen Zimmern über den Sohn","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"des Hauswarts, er wisse sich ja zu bewegen und drücke sich mit Verstand und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Kenntnissen aus. Er könnte Informator sein!\" sagte der General. \"Geist!\" sagte","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"die Generalin, und dann sagte sie nichts weiter.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"In der schönen Sommerzeit kam Herr Georg häufiger auf das Schloß des Grafen. Er","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"ward vermißt, wenn er nicht kam.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Wieviel doch der liebe Gott Ihnen vor uns andern armen Menschen voraus","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"gegeben hat!\" sagte Emilie zu ihm. \"Erkennen Sie das nun auch so recht an?\" Es","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"schmeichelte Georg, daß das schöne junge Mädchen zu ihm aufsah, erfand sie so","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"ungewöhnlich begabt.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Und der General gelangte mehr und mehr zu der Überzeugung, daß Georg unmöglich","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"ein Kellerkind sein könne. \"Die Mutter war freilich eine sehr anständige Frau,\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"sagte er, \"das muß ich ihr im Grabe nachsagen!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Der Sommer verging, der Winter kam, da sprach man wieder von Herrn Georg; er war","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"selbst höchsten Ortes gern gesehen und gut aufgenommen, der General war ihm auf","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"einem Hofball begegnet.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Jetzt sollte im Hause ein Ball zu Ehren von Emilie stattfinden. Ob man Herrn","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Georg einladen konnte?","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Wen der König einladet, den kann auch der General einladen!\" sagte der General","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"und erhob sich einen ganzen Zoll vom Fußboden in die Höhe.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Herr Georg wurde eingeladen und er kam; und es kamen Grafen und Prinzen und der","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"eine tanzte immer noch besser als der andere; aber Emilie konnte nur den ersten","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Tanz tanzen; in dem vertrat sie sich den Fuß, nicht schlimm, aber sie fühlte es","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"doch, und da mußte sie vorsichtig sein, mit dem Tanzen innehalten und den andern","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"zusehen. So saß sie denn da und sah zu, und der Baumeister stand neben ihr.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Sie schildern ihr wohl die ganze Peterskirche?\" sagte der General, indem er","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"vorüberging und wohlwollend lächelte.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Mit demselben Lächeln empfing er Herrn Georg einige Tage später. Der junge","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Mann kam natürlich, um für die Balleinladung zu danken, was sollte ihn sonst","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"auch herführen? Ja, das Überraschendste, Erstaunlichste führte ihn her: mit","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"wahnwitzigen Worten kam er, der General wollte seinen Ohren nicht trauen;","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"pyramidale Deklamation,\" ein ganz undenkbares Ansinnen: Herr Georg bat um","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Emiliens Hand!","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Mensch!\" sagte der General und bekam einen dunkelroten Kopf. \"Ich begreife Sie","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"nicht! Was sagen Sie? Was wollen Sie? Ich kenne Sie nicht! Mein Herr! Mensch!","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Wie kommen Sie darauf, in mein Haus einzubrechen! Darf ich hier sein, oder darf","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"ich nicht hier sein?\" Und damit ging er rücklings in sein Schlafzimmer, drehte","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"den Schlüssel um und ließ Herrn Georg allein dastehen. Der blieb einige Minuten","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"stehen und drehte sich dann ebenfalls um. Im Korridor stand Emilie.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Nun, was sagte mein Vater?\" fragen sie, und ihre Stimme bebte.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Georg drückte ihr die Hand. Er lief vor mir davon! Aber es werden schon bessere","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Zeiten kommen!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"In Emiliens Augen standen Tränen; aus des jungen Mannes Augen strahlten","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Zuversicht und Mut; und die Sonne beschien die beiden und gab ihnen ihren Segen.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Kochend vor Wut saß der General in seinem Zimmer; ja, es kochte noch in ihm, es","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"kochte über in Worten und Ausdrücken: \"Wahnsinn! Hauswartsirrsinn!\" -","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Eine Stunde war vergangen, da hatte die Generalin es aus des Generals eignem","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Munde vernommen, und sie rief Emilie zu sich und schloß sich mir ihr ein.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Du armes Kind! Dich so zu beleidigen! Uns so zu beleidigen! Auch du hast Tränen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"in den Augen, aber das steht dir! Du bist bezaubernd in Tränen! Du gleichst mir","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"an meinem Hochzeitstage. Weine nur, liebe Emilie!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Ja, weinen muß ich,\" sagte Emilie, \"falls du und Vater nicht ja sagt!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Kind,\" rief die Generalin, \"bist du krank? Du redest im Irrsinn, und ich","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"bekomme meine schrecklichen Kopfschmerzen. Ach, welch Unglück ist über unser","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Haus gekommen! Du willst doch nicht, daß deine Mutter stirbt! Emilie, dann hast","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"du keine Mutter mehr!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Und die Augen der Generalin wurden feucht, sie konnte es nicht aushalten, an","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"ihren eignen Tod zu denken.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"In der Zeitung stand unter andern Ernennungen zu Lesen: Herr Georg zum Professor","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"ernannt, fünfte Rangklasse Nummer acht.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Schade, daß seine Eltern im Grabe liegen und das nicht lesen können,\" sagten","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"die neuen Hauswartsleute, die jetzt im Keller unter dem General wohnten; sie","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"wußten, daß der Professor innerhalb ihrer vier Wände geboren und aufgewachsen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"war.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Ja, für den Titel muß er ein gutes Stück Geld bezahlen!\" sagte der Mann.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Ach, was macht der sich aus den paar Talern,\" sagte die Frau, \"die kann er sich","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"leicht wieder verdienen. Und eine reiche Frau kriegt er natürlich auch. Wenn wir","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Kinder hätten, dann sollte unser Kind auch Baumeister und Professor werden.\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Georg bekam eine gute Nachrede im Keller, aber auch im ersten Stockwerk wurde","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"gut von ihr gesprochen, das erlaubte sich der alte Graf.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Die Zeichnungen aus der Kinderzeit gaben den Anlaß dazu. Aber weshalb sprach","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"man von diesen Zeichnungen? Die Rede war auf Rußland gekommen, aus Moskau,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"und dann lag ja der Kreml so nahe, und en Kreml hatte der kleine Georg einmal","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"für Fräulein Emilie gezeichnet, er hatte so viele Bilder gezeichnet; des","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"einen erinnerte sich der Graf noch ganz besonders: \"Emiliens Schloß,\" wo sie","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"schlief, wo sie tanzte und \"Es kommt Besuch\" spielte; der Professor besaß große","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Tüchtigkeit, er würde gewiß als alter Konferenzrat sterben, das war gar nicht","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"unmöglich, und vorher würde er wohl auch ein Schloß für die jetzt noch so junge","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Dame erbaut haben; warum auch nicht?","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Das war ja eine sonderbare Ausgelassenheit!\" bemerkte die Generalin, als der","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Graf gegangen war. Der General schüttelte nachdenklich den Kopf, ritt aus, den","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Reitknecht in geziemendem Abstand hinter sich, und saß stolzer denn je zu Roß.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Es war Emiliens Geburtstag, Blumen und Bücher, Briefe und Visitenkarten wurden","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"gebracht; die Generalin küßte sie auf den Mund, der General auf die Stirn;","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"es waren liebevolle Eltern. Und es kam hoher Besuch, zwei von den Prinzen.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Man sprach von Bällen und vom Theater, von diplomatischen Sendungen, von der","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Regierung der Länder und Reiche. Man sprach von Tüchtigkeit, von des eignen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Landes Tüchtigkeit, und dadurch kam die Rede auf den jungen Professor, den Herrn","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Baumeister.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Der baut für seine Unsterblichkeit,\" wurde gesagt, \"er baut sich auch wohl in","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"eine unser ersten Familien hinein!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Eine der ersten Familien!\" wiederholte später der General der Generalin","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"gegenüber. \"Wer ist eine unserer ersten Familien?\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Ich weiß, worauf angespielt wurde,\" sagte die Generalin, \"aber ich sage es","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"nicht! Gott lenkt die Geschicke! Wundern soll es mich aber doch!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Ich möchte mich gern mit dir wundern!\" sagte der General. \"Ich habe keine","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Ahnung!\" Und er versank in Gedanken.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Es liegt eine Macht, eine unaussprechliche Macht in dem Gnadenquell von oben;","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Hofgunst, Gottes Gunst - und die Gunst all dieser Gnade besaß der kleine Georg.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Aber wir vergessend en Geburtstag.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Emiliens Zimmer duftete von Blumen, die ihr Freunde und Freundinnen gesandt,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"auf dem Tische lagen schöne Geschenke als Grund und zur Erinnerung, aber nicht","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"die geringste Gabe von Georg. Die konnte nicht kommen, brauchte auch nicht","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"zu kommen, das ganze Haus war eine Erinnerung an ihn. Selbst aus dem Sandloch","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"unter der Treppe guckte die Erinnerungsblume hervor; dort hatte Emilie gepiepst,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"als die Gardine brannte und Georg als erste Spritze kam. Ein Blick zum Fenster","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"hinaus und der Akazienbaum erinnerte an die Kinderzeit. Blüten und Blätter","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"waren abgefallen, aber der Baum stand mit Reif bedeckt da wie ein ungeheurer","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Korallenzweig; und der Mond schien klar und groß zwischen den Zweigen hindurch,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"unverändert in all seiner Veränderlichkeit, ganz so wie damals, als Georg sein","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Butterbrot mit der kleinen Emilie teilte.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Sie nahm aus der Schublade die Zeichnungen von des Zaren Schloß und von ihrem","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"eigenen Schloß, Erinnerungen an Georg. Und sie sah sie an und hatte ihre","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Gedanken dabei; sie gedachte des Tages, als sie unbemerkt von Vater und Mutter","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"zu der Frau des Hauswarts hinabging, die in den letzten Zügen lag; sie hatte","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"bei ihr gesessen, ihre Hand gehalten und ihre letzten Worte \"Segen! - Georg!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"gehört. Die Mutter dachte an ihren Sohn. - Jetzt legte Emilie ihre Bedeutung","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"dahinein. Ja, Georg war an ihrem Geburtstag bei ihr!","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"An nächsten Tage war wieder ein Geburtstag dort im Hause, der Geburtstag des","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Generals; er war am Tage nach seiner Tochter geboren, natürlich früher als sie,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"viele Jahre früher. Und es kamen wieder Geschenke, und unter diesen ein Sattel","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"von prächtigem Aussehen, bequem und köstlich, nur einer von den Prinzen hatte","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"einen ebensolchen. Von wen kam der? Der General war entzückt. Ein kleiner Zettel","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"lag dabei, und darauf stand geschrieben: \"Von einem, den der Herr General nicht","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"kennt!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Wen in aller Welt kenne ich nicht!\" sagte der General. \"Alle Menschen kenne","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"ich!\" Und sein Gedanke durchschweifte die ganze große Gesellschaft; er kannte","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"sie alle. \"Er ist von meiner Frau!\" sagte er schließlich. \"Sie will mich necken!","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Charmant!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Aber die neckte nicht mehr, die Zeiten waren vorüber.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Und es war abermals ein Fest, ein großes Fest, aber diesmal nicht bei Generals;","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"es war ein Kostümball bei einem der Prinzen; Masken waren ebenfalls gestattet.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Der General erschien als Rubens, in spanischer Tracht mit kleinem Tollenkragen,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Degen und guter Haltung; die Generalin war Madame Rubens, in schwarzem Sammet,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"hoch am Halse, schrecklich warm, mit einem Mühlsein um den Hals, das heißt","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"natürlich mit einem großen Tollenkragen, ganz nach einem holländischen Gemälde,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"das der General besaß und an dem namentlich die Hände bewundert wurden, die","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"sahen ganz so aus wie die der Generalin.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Emile war Psyche, in Flor und Spitzen. Sie war wie eine schwebende","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Schwanenflaumfeder, sie brauchte gar keine Flügel, sie trug sie nur als Psyche-","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Abzeichen.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Da war ein Glanz, eine Pracht, da waren Licht und Blumen, Reichtum und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Geschmack; da war so viel zu sehen, daß man Madame Rubens' schöne Hände gar","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"nicht beachtete.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Ein schwarzer Domino mit einer Akazienblüte auf der Kapuze tanzte mit Psyche.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Wer ist das?\" fragte die Generalin.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Seine königliche Hoheit!\" sagte der General. \"Ich bin meiner Sache ganz sicher,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"ich habe ihn gleich am Händedruck erkannt!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Die Generalin zweifelte.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"General Rubens zweifelte nicht, näherte sich dem schwarzen Domino und schrieb","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"ihm königliche Buchstaben in die Hand; sie wurden verneint, aber es wurde ein","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Fingerzeig gegeben:","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Die Devise des Sattels\" Einer, den der Herr General nicht kennt!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Aber dann kenne ich Sie ja!\" sagte der General. \"Sie haben mir den Sattel","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"geschenkt!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Der Domino erhob die Hand und verschwand unter der Menge.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Wer ist der schwarze Domino, mit dem du tanztest, Emilie?\" fragte die","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Generalin.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Ich habe nicht nach seinem Namen gefragt,\" antwortete sie.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Weil du es wußtest! Es ist der Professor! Ihr Protége, Herr Graf, ist hier!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"fuhr sie fort und wandte sich an den Grafen, der in der Nähe stand. \"Schwarzer","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Domino mit Akazienblute!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Wohl möglich, meine Gnädige!\" antwortete der Graf. \"Aber einer der Prinzen ist","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"übrigens ebenso kostümiert.\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Ich kenne den Händedruck!\" sagte der General. \"Von dem Prinzen habe ich den","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Sattel. Ich bin meiner Sache so sicher, daß ich ihn zu uns einladen kann.\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Tun Sie das!\" sagte der Graf. \"Wenn es der Prinz ist, so kommt er sicher!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Und ist es ein anderer, so kommt er sicher nicht!\" sagte der General und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"näherte sich dem schwarzen Domino, der gerade dastand und mit dem König redete.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Der General bracht eine sehr ehrerbietige Einladung vor, damit sie einander","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"kennenlernen könnten. Er lächelte so sicher in seiner Gewißheit, wen er einlud;","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"er sprach laut und deutlich.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Der Domino lüftete seine Maske: es war Georg.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Wiederholen der Herr General die Einladung?\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Der General wurde allerdings einen Zoll großer, nahm eine festere Haltung an,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"trat zwei Schritte zurück und einen Schritt vor wie bei einem Menuett, und es","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"lag Ernst und Ausdruck in des Generals Gesicht, soviel sich hineinlegen ließ.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Ich nehme niemals mein Wort zurück; der Herr Professor ist eingeladen!\" Und er","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"verneigte sich mit einem Blick auf den König, der sicher das Ganze gehört hatte.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Und dann war die Mittagsgesellschaft bei Generals, und es waren nur der alte","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Graf und sein Protége eingeladen.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Wenn ich erst den Fuß unterm Tisch habe,\" meinte Georg, \"so ist auch schon der","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Grundstein gelegt!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Und der Grundstein wurde wirklich unter großer Feierlichkeit bei dem General und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"der Generalin gelegt.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Georg war erschienen und hatte sich, wie der General das ja an ihm kannte, ganz","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"wie ein Mann aus der guten Gesellschaft unterhalten, war höchst interessant","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"gewesen, der General hatte mehrmals sein \"Charmant\" sagen müssen. Die Generalin","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"sprach von ihrem kleinen Diner, sprach auch zu einer der Hofdamen davon, und","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"diese, eine der geistreichsten Hofdamen, bat sich eine Einladung für das nächste","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Mal aus, wo der Professor kommen würde. Da mußte er ja wieder eingeladen werden,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"und er wurde eingeladen und kam und war wieder charmant, konnte sogar Schach","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"spielen.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Der ist nicht aus dem Keller,\" sagte der General, \"er ist ganz sicher von","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"vornehmer Herkunft, und daran ist der junge Mann ganz unschuldig!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Der Professor, der in des Königs Hause verkehrte, konnte sehr wohl in des","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Generals Haus verkehren, aber von einem Festwachsen war keine Rede, außer in der","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"ganzen Stadt.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Es wuchs fest. Der Tau der Gnade fiel von oben!","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Es war daher gar keine Überraschung, daß, als der Professor Etatsrat wurde,","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Emilie Etatsrätin wurde.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"\"Das Leben ist eine Tragödie oder eine Komödie!\" sagte der General. \"In der","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Tragödie sterben sie, in der Komödie kriegen sie sich!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Hier kriegen sie sich. Und sie bekamen drei prächtige Jungen, aber nicht sofort.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Die süßen Kinder ritten auf ihren Steckenpferden durch Stuben und Säle, wenn","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"sie bei Großvater und Großmutter waren. Und der General ritt auch auf dem","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Steckenpferd, ritt hinter ihnen her, \"als Jockey hinter den kleinen Etatsräten!\"","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Die Generalin saß auf dem Sofa und lächelte, selbst wenn sie ihre großen","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Kopfschmerzen hatte.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Wie weit brachte Georg es und noch viel weiter, sonst wäre es ja nicht wert","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"gewesen, die Geschichte von des Hauswarts Sohn zu erzählen.","book":"Des Hauswarts Sohn"} {"text":"Du hättest Tantchen kennen sollen! Sie war reizend! Ja, das heißt, sie war","book":"Tantchen"} {"text":"gar nicht reizend, wie man es versteht, wenn man von 'reizend sein' spricht,","book":"Tantchen"} {"text":"aber sie war süß und lieb, unterhaltend auf ihre Weise, richtig um über sie","book":"Tantchen"} {"text":"zu sprechen, wenn man über jemanden sprechen und sich lustig machen soll, sie","book":"Tantchen"} {"text":"war, um sie direkt in eine Komödie zu setzten - und das einzig und allein, weil","book":"Tantchen"} {"text":"sie nur für das Komödienhaus lebte und alles, was sich darinnen rührt. Sie war","book":"Tantchen"} {"text":"so ehrenwert, aber der Agent Fabs, den Tantchen immer Flabs nannte, nannte sie","book":"Tantchen"} {"text":"theatertoll.","book":"Tantchen"} {"text":"\"Das Theater ist meine Schule,\" sagte sie, \"meine Wissensquelle, von dort","book":"Tantchen"} {"text":"her habe ich meine biblische Geschichte aufgefrischt: 'Moses', 'Joseph und","book":"Tantchen"} {"text":"seine Brüder', das sind nun Opern! Ich habe vom Theater meine Weltgeschichte,","book":"Tantchen"} {"text":"Geographie und Menschenkenntnis! Ich kenne das Pariser Leben aus den","book":"Tantchen"} {"text":"französischen Stücken - schlüpfrig, aber höchst interessant! Wie habe ich","book":"Tantchen"} {"text":"geweint über 'Die Familie Riquebourg', daß der Mann sich tottrinken soll, damit","book":"Tantchen"} {"text":"sie den jungen Liebhaber bekommen kann! - Ja, wie viele Tränen habe ich doch","book":"Tantchen"} {"text":"geweint in den fünfzig Jahren, die ich abonniert bin!\"","book":"Tantchen"} {"text":"Tantchen kannte jedes Theaterstück, jede Kulisse, jede Person, die auftrat oder","book":"Tantchen"} {"text":"aufgetreten war. Sie lebte nur wirklich in den neun Theatermonaten. Der Sommer","book":"Tantchen"} {"text":"ohne Sommertheater war eine Zeit, die sie alt machte, während ein Theaterabend,","book":"Tantchen"} {"text":"der sich über Mitternacht hinauszog, eine Lebensverlängerung war. Sie sprach","book":"Tantchen"} {"text":"nicht wie andere Leute: \"Nun haben wir Frühling, der Storch ist gekommen!\"","book":"Tantchen"} {"text":"- \"Es steht in der Zeitung, von der ersten Erdbeere.\" Sie dagegen verkündete","book":"Tantchen"} {"text":"das Kommen des Herbstes. \"Haben Sie gesehen, und kommen die Theaterlogen zur","book":"Tantchen"} {"text":"Auktion, nun beginnen die Vorstellungen?\"","book":"Tantchen"} {"text":"Sie berechnete den Wert und die gute Lage einer Wohnung danach, wie nahe sie","book":"Tantchen"} {"text":"dem Theater lag. Es war ihr ein Schmerz, die kleine Gasse hinter dem Theater zu","book":"Tantchen"} {"text":"verlassen und in die große Straße etwas weiter davon zu ziehen und dort in einem","book":"Tantchen"} {"text":"Haus zu wohnen, wo sie kein Gegenüber hatte.","book":"Tantchen"} {"text":"\"Zu Hause muß mein Fenster meine Theaterloge sein! Man kann doch nicht sitzen","book":"Tantchen"} {"text":"und in sich selber aufgehen; Menschen muß man doch sehen! Aber nun wohne","book":"Tantchen"} {"text":"ich, als wäre ich hinaus aufs Land gezogen. Will ich Menschen sehen, muß ich","book":"Tantchen"} {"text":"hinausgehen in meine Küche und mich auf den Gußstein setzen, nur da habe ich","book":"Tantchen"} {"text":"ein Gegenüber. Nein, als ich in meinem Gäßchen wohnte, da konnte ich gerade zum","book":"Tantchen"} {"text":"Leinenhändler hineinsehen, und dann hatte ich nur drei Schritte zum Theater, nun","book":"Tantchen"} {"text":"habe ich dreitausend Gardistenschritte.\"","book":"Tantchen"} {"text":"Tantchen konnte krank sein, aber wie schlecht sie sich auch fühlte, versäumte","book":"Tantchen"} {"text":"sie doch das Theater nicht. Ihr Arzt verordnete, daß sie eines Abends Sauerteig","book":"Tantchen"} {"text":"unter den Sohlen haben sollte, sie tat, wie er sagte, aber fuhr hin ins Theater","book":"Tantchen"} {"text":"und saß dort mit Sauerteig unter den Füßen. Wäre sie dort gestorben, so würde es","book":"Tantchen"} {"text":"sie gefreut haben. Thorwaldsen starb im Theater, das nannte sie einen \"seligen","book":"Tantchen"} {"text":"Tod.\"","book":"Tantchen"} {"text":"Sie konnte sich gewiß das Himmelreich nicht anders vorstellen, als daß auch","book":"Tantchen"} {"text":"dort ein Theater sein müßte; das war uns ja nicht verheißen, aber es war doch","book":"Tantchen"} {"text":"anzunehmen, daß die vielen ausgezeichneten Schauspieler und Schauspielerinnen,","book":"Tantchen"} {"text":"die vorausgegangen waren, einen weiteren Wirkungskreis haben mußten.","book":"Tantchen"} {"text":"Tantchen hatte ihren elektrischen Draht vom Theater zu ihrer Wohnung; das","book":"Tantchen"} {"text":"Telegramm kam jeden Sonntag zum Kaffee. Ihr elektrischer Draht war \"Herr","book":"Tantchen"} {"text":"Sivertsen von der Theatermaschinerie,\" der die Signale gab für Auf und Ab, Ein","book":"Tantchen"} {"text":"und Aus mit Vorhängen und Kulissen.","book":"Tantchen"} {"text":"Von ihm bekam sie voraus eine kurze und lebendige Ankündigung der Stücke,","book":"Tantchen"} {"text":"Shakespeares \"Sturm\" nannte er \"verfluchtes Zeug! Da ist so viel aufzustellen,","book":"Tantchen"} {"text":"und dann beginnt es mit Wasser bis zur ersten Kulisse!\" Das hieß, so weit","book":"Tantchen"} {"text":"heran gingen die rollenden Wogen. Stand dagegen durch all die fünf Akte ein und","book":"Tantchen"} {"text":"dieselbe Zimmerdekoration, dann sagte er, daß es vernünftig und gut geschrieben","book":"Tantchen"} {"text":"sei, es war ein Ruhestück, es spielte sich selber, ohne Aufstellung.","book":"Tantchen"} {"text":"In früher Zeit, wie Tantchen die Zeit vor einigen dreißig Jahren nannte,","book":"Tantchen"} {"text":"waren sie und der eben erwähnte Herr Sivertsen jünger; er war schon bei der","book":"Tantchen"} {"text":"Maschinerie und, wie sie ihn nannte, ihr Wohltäter. Es war nämlich zu der Zeit","book":"Tantchen"} {"text":"Sitte, daß bei der Abendvorstellung in dem einzigen und großen Theater der Stadt","book":"Tantchen"} {"text":"Zuschauer auch auf den Boden kamen, jeder Maschinist hatte über einen oder zwei","book":"Tantchen"} {"text":"Plätze zu verfügen. Es war da oft gestopft voll und sehr feine Gesellschaft;","book":"Tantchen"} {"text":"man sagte, daß da sowohl Generalinnen als auch Kommerzienrätinnen gewesen seien;","book":"Tantchen"} {"text":"es war so interessant, hinter die Kulissen hinabzusehen und zu wissen, wie die","book":"Tantchen"} {"text":"Menschen gingen und standen, wenn der Vorhang unten war.","book":"Tantchen"} {"text":"Tantchen war mehrere Male dagewesen, sowohl zu Tragödien, als auch zu Ballet,","book":"Tantchen"} {"text":"denn die Stücke, wo das meiste Personal auftrat, waren die interessantesten vom","book":"Tantchen"} {"text":"Boden. Man saß so ziemlich im Dunkeln dort oben, die meisten hatten Abendbrot","book":"Tantchen"} {"text":"mit; einmal fielen drei Äpfel und eine Schnitte Butterbrot mit Rollwurst gerade","book":"Tantchen"} {"text":"hinab in Ugolinos Gefängnis, wo der Mensch Hungers sterben sollte, und da","book":"Tantchen"} {"text":"entstand ein Gelächter im Publikum. Die Rollwurst war einer der wichtigsten","book":"Tantchen"} {"text":"Gründe, weshalb die hohe Direktion die Zuschauerplätze auf dem Boden ganz","book":"Tantchen"} {"text":"aufheben ließ.","book":"Tantchen"} {"text":"\"Aber ich war siebenunddreißigmal da,\" sagte Tantchen, \"und das vergesse ich","book":"Tantchen"} {"text":"Herrn Sivertsen niemals.\"","book":"Tantchen"} {"text":"Es war gerade der letzte Abend, daß der Boden dem Publikum geöffnet war, da","book":"Tantchen"} {"text":"wurde \"Salomons Urteil\" gespielt, Tantchen erinnerte sich so genau; sie hatte","book":"Tantchen"} {"text":"durch ihren Wohltäter, Herrn Sievertsen, dem Agenten Fabs ein Eintrittsbillett","book":"Tantchen"} {"text":"verschafft, obgleich er es nicht verdiente, da er immer Narrenpossen mit dem","book":"Tantchen"} {"text":"Theater trieb und neckte; aber sie hatte ihn nun da hinaufgeschafft. Er wollte","book":"Tantchen"} {"text":"das Komödienzeug von der Kehrseite sehen, das waren seine eigenen Worte, und sie","book":"Tantchen"} {"text":"sahen ihm ähnlich, sagte Tantchen.","book":"Tantchen"} {"text":"Und er sah \"Salomons Urteil\" von oben und schlief ein; Man sollte wahrlich","book":"Tantchen"} {"text":"glauben, daß er von einem großen Diner mit vielen Toasten gekommen sei. Er","book":"Tantchen"} {"text":"schlief und wurde eingeschlossen, und schlief in der dunklen Nacht auf dem","book":"Tantchen"} {"text":"Theaterboden, und als er erwachte, erzählte er, aber Tantchen glaubte ihm nicht,","book":"Tantchen"} {"text":"da war \"Salomons Urteil\" aus, alle Lampen und Lichter waren aus, alle Menschen","book":"Tantchen"} {"text":"aus, oben und unten; aber da begann erst das richtige Theater, das \"Nachspiel,\"","book":"Tantchen"} {"text":"das war das Netteste, sagte der Agent. Da kam Leben in das Zeug! Es war nicht","book":"Tantchen"} {"text":"\"Salomons Urteil,\" das gegeben wurde, nein, es war der Gerichtstag auf dem","book":"Tantchen"} {"text":"Theater. Und all das hatte der Agent Fabs die Frechheit, Tantchen einreden zu","book":"Tantchen"} {"text":"wollen; das war der Dank, weil sie ihn auf den Boden hinaufgeschafft hatte.","book":"Tantchen"} {"text":"Was erzählte doch der Agent, ja, das war komisch genug zu hören, aber es lag","book":"Tantchen"} {"text":"Bosheit und Neckerei zugrunde.","book":"Tantchen"} {"text":"\"Es sah dunkel aus dort oben,\" sagte der Agent, \"aber dann begann das","book":"Tantchen"} {"text":"Zauberzeug, große Vorstellung 'Gerichtstag auf dem Theater'. Die Kontrolleure","book":"Tantchen"} {"text":"standen an den Türen, jeder Zuschauer mußte sein geistiges Zensurbuch vorzeigen,","book":"Tantchen"} {"text":"ob er mit freien Händen hineinkommen durfte oder mit gebundenen, mit Maulkorb","book":"Tantchen"} {"text":"oder ohne Maulkorb. Herrschaften, die zu spät kamen, wenn die Vorstellung schon","book":"Tantchen"} {"text":"begonnen hatte, ebenso junge Menschen, die ja unmöglich immer die Zeit abpassen","book":"Tantchen"} {"text":"können, wurden draußen gefesselt, bekamen Filzsolen unter die Füße, um beim","book":"Tantchen"} {"text":"Anfang des nächsten Aktes hineinzugehen, dazu auch einen Maulkorb. Und dann","book":"Tantchen"} {"text":"begann der Gerichtstag.\"","book":"Tantchen"} {"text":"\"Reine Bosheit, von der Gott nichts weiß,\" sagte Tantchen.","book":"Tantchen"} {"text":"Der Maler sollte, wollte er in den Himmel, eine Treppe hinaufgehen, die er","book":"Tantchen"} {"text":"selber gemalt hatte, die aber kein Mensch hinaufklettern konnte. Das war ja","book":"Tantchen"} {"text":"nur eine Sünde gegen die Perspektive. Alle die Pflanzen und Gebäude, die der","book":"Tantchen"} {"text":"Maschinenmeister mit großer Ungelegenheit in Länder gestellt hatte, in die sie","book":"Tantchen"} {"text":"nicht hineingehörten, sollte der arme Mensch an den rechten Ort versetzen, und","book":"Tantchen"} {"text":"das vor dem ersten Hahnenschrei, wenn er in den Himmel hineinwollte. Herr Fabs","book":"Tantchen"} {"text":"sollte nur sehen, daß er selber hineinkommen könne; und was er von dem Personal","book":"Tantchen"} {"text":"erzählte, von der Komödie, von Gesang und Tanz, war nun das Schwärzeste von","book":"Tantchen"} {"text":"Herrn Fabs, Flabs! Er verdiente nicht, auf den Boden zu kommen, Tantchen wollte","book":"Tantchen"} {"text":"seine Worte nicht in den Mund nehmen. Es war niedergeschrieben, das Ganze, was","book":"Tantchen"} {"text":"er gesagt hatte, der Flabs! Es sollte in Druck kommen, wenn er tot und unter der","book":"Tantchen"} {"text":"Erde wäre, nicht früher; er wollte nicht geschunden werden.","book":"Tantchen"} {"text":"Tantchen war nur einmal in Angst und Not gewesen in ihrem Glückseligkeitstempel,","book":"Tantchen"} {"text":"dem Theater. Es war ein Wintertag, einer von den Tagen, an denen es nur zwei","book":"Tantchen"} {"text":"Stunden Tag ist und auch da grau. Es war eine Kälte und ein Schnee, aber ins","book":"Tantchen"} {"text":"Theater mußte Tantchen; sie gaben \"Herman von Unna,\" dazu eine kleine Oper und","book":"Tantchen"} {"text":"ein großes Ballett, einen Prolog und einen Epilog. Es würde erst in der Nacht","book":"Tantchen"} {"text":"aus sein. Tantchen mußte dahin; ihre Mieter hatten ihr ein Paar Pelzstiefel","book":"Tantchen"} {"text":"geliehen mit Fell außen und innen; sie reichten ihr hoch an den Beinen hinauf.","book":"Tantchen"} {"text":"Sie kam ins Theater, sie kam in die Loge; die Stiefel waren warm, sie behielt","book":"Tantchen"} {"text":"sie an. Auf einmal wurde \"Feuer\" gerufen; es kam Rauch von einer Kulisse,","book":"Tantchen"} {"text":"es kam Rauch vom Boden; es wurde ein fürchterlicher Schrecken. Die Leute","book":"Tantchen"} {"text":"stürmten hinaus; Tantchen war die letzte in der Loge - \"zweiter Stock links,","book":"Tantchen"} {"text":"da nehmen sich die Dekorationen am besten aus,\" sagte sie, \"sie werden immer","book":"Tantchen"} {"text":"so aufgestellt, daß sie sich von der königlichen Seite am besten ausnehmen\" -","book":"Tantchen"} {"text":"Tantchen wollte hinaus, die vor ihr warfen in Angst und Unbedachtheit die Türe","book":"Tantchen"} {"text":"zu; da saß Tantchen, hinaus konnte sie nicht kommen, hinein auch nicht, das","book":"Tantchen"} {"text":"heißt, hinein in die Nachbarloge, das Geländer war zu hoch. Sie rief, niemand","book":"Tantchen"} {"text":"hörte, sie sah hinab in den Stock unter ihr, der war leer, der war niedrig,","book":"Tantchen"} {"text":"der war ganz nahe; Tantchen fühlte sich in der Angst so jung und so leicht; sie","book":"Tantchen"} {"text":"wollte hinabspringen, brachte auch das eine Bein über die Brüstung, das andere","book":"Tantchen"} {"text":"auf die Bank; da saß sie rittlings, schön drapiert mit ihrem blumigen Rock,","book":"Tantchen"} {"text":"mit einem langen Bein, das über den Rand hinausschwebte, einem Bein mit einem","book":"Tantchen"} {"text":"ungeheuren Pelzstiefel; das war ein Bild zu sehen! Und da es gesehen wurde,","book":"Tantchen"} {"text":"wurde Tantchen auch gehört und davor gerettet, drinnen zu verbrennen, denn das","book":"Tantchen"} {"text":"Theater brannte nicht.","book":"Tantchen"} {"text":"Das war der erinnernswerteste Abend ihres Lebens, sagte sie und war froh","book":"Tantchen"} {"text":"darüber, daß sie sich nicht selber hatte sehen können, denn sonst wäre sie vor","book":"Tantchen"} {"text":"Scham gestorben.","book":"Tantchen"} {"text":"Ihr Wohltäter bei der Maschinerei, Herr Sivertsen, kam beständig jeden Sonntag","book":"Tantchen"} {"text":"zu ihr, aber von Sonntag zu Sonntag war eine lange Zeit; in der späteren Zeit","book":"Tantchen"} {"text":"hatte sie deshalb mitten in der Woche ein kleines Kind \"zum Überrest,\" das","book":"Tantchen"} {"text":"heißt, um das zu genießen, was an dem Tag von Mittag übrigblieb. Es war ein","book":"Tantchen"} {"text":"kleines Kind vom Ballett, das das Essen auch brauchte. Die Kleine trat als Elfe","book":"Tantchen"} {"text":"und auch als Page auf; die schwierigste Partie war als Hinterfuß des Löwen in","book":"Tantchen"} {"text":"der \"Zauberflöte,\" aber sie wuchs auf zum Vorderbein vom Löwen, dafür bekam sie","book":"Tantchen"} {"text":"freilich nur drei Mark, die Hinterbeine gaben einen Reichstaler, aber da mußte","book":"Tantchen"} {"text":"sie krumm gehen und die frische Luft entbehren. Das war sehr interessant zu","book":"Tantchen"} {"text":"wissen, meinte Tantchen.","book":"Tantchen"} {"text":"Sie hätte verdient, zu leben, solange das Theater stand, aber das hielt sie","book":"Tantchen"} {"text":"doch nicht aus; sie starb auch nicht dort, sondern anständig und ehrbar in ihrem","book":"Tantchen"} {"text":"eignen Bett; ihre letzten Worte waren übrigens ganz charakteristisch, sie fragt:","book":"Tantchen"} {"text":"\"Was spielen sie morgen?\"","book":"Tantchen"} {"text":"Nach ihrem Tode waren wohl ungefähr fünfhundert Reichstaler da; wir schließen","book":"Tantchen"} {"text":"aus der Rente, die zwanzig Reichstaler machte. Die hatte Tantchen als Legat für","book":"Tantchen"} {"text":"eine würdige alte Jungfer ohne Familie bestimmt; sie sollte verwendet werden,","book":"Tantchen"} {"text":"um jährlich einen Platz im zweiten Stock links für den Sonnabend zu abonnieren,","book":"Tantchen"} {"text":"denn an dem Tag gab man die besten Stücke. Es war nur eine einzige Verpflichtung","book":"Tantchen"} {"text":"an die Nutznießung des Legats geknüpft: jeden Sonnabend sollte die, die im","book":"Tantchen"} {"text":"Theater war, an Tantchen denken, die in ihrem Grabe lag.","book":"Tantchen"} {"text":"Das war Tantchens Religion.","book":"Tantchen"} {"text":"Der Brunnen war tief, darum war die Schnur lang. Die Winde ging sehr schwer,","book":"Die Kröte"} {"text":"wenn man den Eimer mit Wasser über den Brunnenrand heben wollte. Die Sonne","book":"Die Kröte"} {"text":"konnte niemals hinabgelangen und sich in dem Wasser spiegeln, wie klar es auch","book":"Die Kröte"} {"text":"war, aber soweit sie in den Brunnen hineinscheinen konnte, wuchs Grün zwischen","book":"Die Kröte"} {"text":"den Steinen.","book":"Die Kröte"} {"text":"Dort unten wohnte die Familie aus dem Geschlecht der Kröten, sie war","book":"Die Kröte"} {"text":"eingewandert, sie war eigentlich kopfüber hinuntergekommen mittels der alten","book":"Die Kröte"} {"text":"Krötenmutter, die noch lebte; die grünen Frösche, die hier seit viel längerer","book":"Die Kröte"} {"text":"Zeit zu Hause waren und im Wasser herumschwammen, erkannten die Vetterschaft an","book":"Die Kröte"} {"text":"und nannten sie \"Brunnengäste.\" Sie hatten die Absicht, hier unten zu bleiben,","book":"Die Kröte"} {"text":"sie lebten hier sehr angenehm auf dem Trocknen; so nannten sie die nassen","book":"Die Kröte"} {"text":"Steine.","book":"Die Kröte"} {"text":"Die Froschmutter war einmal auf Reisen gegangen, war im Wassereimer gewesen,","book":"Die Kröte"} {"text":"als der in die Höhe ging, aber es wurde ihr zu hell, sie bekam Augenschmerzen,","book":"Die Kröte"} {"text":"glücklicherweise gelang es ihr, aus dem Eimer zu entweihen; sie fiel mit","book":"Die Kröte"} {"text":"einem schrecklichen Plumps ins Wasser und litt drei ganze Tage danach an","book":"Die Kröte"} {"text":"Rückenschmerzen. Viel konnte sie nicht von der Welt da oben erzählen, aber das","book":"Die Kröte"} {"text":"wußte sie, und das wußten sie alle, daß der Brunnen nicht die ganze Welt war.","book":"Die Kröte"} {"text":"Die Krötenmutter, die hätte erzählen können, aber sie antwortete niemals, wenn","book":"Die Kröte"} {"text":"man fragte, und da fragte man lieber gar nicht.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Dick und häßlich, fett und gräßlich ist sie!\" sagten die jungen, grünen","book":"Die Kröte"} {"text":"Frösche. \"Ihre Jungen werden auch ebenso häßlich.\"","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Das mag wohl sein!\" sagte die Krötenmutter. \"Aber eins von ihnen hat einen","book":"Die Kröte"} {"text":"Edelstein im Kopf, sonst habe ich ihn.\"","book":"Die Kröte"} {"text":"Und die grünen Frösche hörten es und sie glotzten, und da ihnen das gar","book":"Die Kröte"} {"text":"nicht gefiel, so schnitten sie eine Fratze und gingen auf den Grund. Aber die","book":"Die Kröte"} {"text":"jungen Kröten streckten die Hinterbeine vor lauter Stolz, eine jede glaubt,","book":"Die Kröte"} {"text":"den Edelstein zu haben, und daher saßen sie ganz still mit dem Kopfe da, aber","book":"Die Kröte"} {"text":"endlich fragten sie, worauf sie eigentlich stolz seien und was so ein Edelstein","book":"Die Kröte"} {"text":"eigentlich sei.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Das ist etwas so Herrliches und Köstliches,\" sagte die Krötenmutter, \"daß ich","book":"Die Kröte"} {"text":"es nicht beschreiben kann. Das ist etwas, was man zu seinem eigenen Vergnügen","book":"Die Kröte"} {"text":"trägt und worüber die andern sich ärgern. Aber fragt mich nicht, ich antworte","book":"Die Kröte"} {"text":"doch nicht!\"","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Ja, ich habe den Edelstein nicht,\" sagte die kleinste Kröte; sie war","book":"Die Kröte"} {"text":"so häßlich, wie sie nur sein konnte. \"Warum sollte ich auch eine solche","book":"Die Kröte"} {"text":"Herrlichkeit haben? Und wenn sich andre darüber ärgern, kann ich mich ja nicht","book":"Die Kröte"} {"text":"darüber freuen! Nein, ich wünsche mir, daß ich einmal an die Brunnenkante","book":"Die Kröte"} {"text":"hinaufkommen und hinaussehen könnte; das muß herrlich sein!\"","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Bleib du nur, wo du bist,\" sagte die Alte, \"da weißt du, was du hast und das","book":"Die Kröte"} {"text":"kennst du! Nimm dich vor dem Eimer in acht, der zerquetscht dich! Und wenn du","book":"Die Kröte"} {"text":"glücklich in ihn hineinkommst, so kannst du herausfallen; nicht alle fallen so","book":"Die Kröte"} {"text":"glücklich wie ich und behalten ihre heilen Glieder und ihre Eier!\"","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Quack!\" sage die Kleine, und das war so, als wenn wir Menschen \"Ach\" sagen.","book":"Die Kröte"} {"text":"Sie hatte so eine Lust, auf den Brunnenrand hinaufzukommen und sich umzusehen;","book":"Die Kröte"} {"text":"sie empfang eine solche Sehnsucht nach all dem Grünen da oben, und als am","book":"Die Kröte"} {"text":"nächsten Morgen zufällig der Eimer mit Wasser gefüllt und in die Höhe gezogen","book":"Die Kröte"} {"text":"wurde und gerade vor dem Stein anhielt, auf dem die Kröte saß, durchzuckte","book":"Die Kröte"} {"text":"es das Tier, es sprang in den vollen Eimer hinein, fiel bis auf den Grund des","book":"Die Kröte"} {"text":"Wassers, das dann aufgezogen und ausgegossen wurde.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Pfui Teufel!\" sagte der Knecht, der sie sah. \"Das ist wahrhaftig das","book":"Die Kröte"} {"text":"Greulichste, was ich je gesehen habe!\" Und dann stieß er mit seinem Holzschuh","book":"Die Kröte"} {"text":"nach der Kröte, die beinahe zerquetscht wäre, aber doch in die hohen Brennesseln","book":"Die Kröte"} {"text":"entkam. Da sah sie einen Stengel neben dem andern, sie sah auch aufwärts; die","book":"Die Kröte"} {"text":"Sonne schien auf die Blätter nieder, sie waren ganz durchsichtig; das war für","book":"Die Kröte"} {"text":"die Kröte so, als wenn wir Menschen auf einmal in einen großen Wald kommen, wo","book":"Die Kröte"} {"text":"die Sonne zwischen den Zweigen und Blättern hindurchscheint.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Hier ist es viel schöner als unten im Brunnen! Hier möchte man sein ganzes","book":"Die Kröte"} {"text":"Leben bleiben!\" sagte die kleine Kröte. Sie lag dort eine Stunde, sie lag dort","book":"Die Kröte"} {"text":"zwei Stunden. \"Was wohl da draußen ist? Wenn ich so weit gekommen bin, muß ich","book":"Die Kröte"} {"text":"sehen, daß ich weiter komme!\" Und sie kroch, so schnell sie kriechen konnte, und","book":"Die Kröte"} {"text":"kam auf den Weg hinaus, wo die Sonne sie beschien und der Staub sie bepuderte,","book":"Die Kröte"} {"text":"während sie über die Landstraße hinübermarschierte.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Hier ist man so recht auf dem Trocknen,\" sagte die Kröte, \"ich bekomme fast","book":"Die Kröte"} {"text":"zuviel von dem Guten; es kribbelt in mir!\"","book":"Die Kröte"} {"text":"Jetzt kam sie an den Graben. Da wuchsen Vergißmeinnicht und Spiera, da waren","book":"Die Kröte"} {"text":"lebende Hecken aus Holunder und Weißdorn, dort wuchsen Winden, \"Marias weiße","book":"Die Kröte"} {"text":"Hemdärmel.\" Hier konnte man Farben sehen; auch ein Schmetterling flog da; die","book":"Die Kröte"} {"text":"Kröte glaubte, es sei eine Blume, die sich losgerissen habe, um sich besser in","book":"Die Kröte"} {"text":"der Welt umzusehen, das war ja so natürlich.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Wenn man auch so schnell vorwärtskommen könnte wie die!\" sagte die Kröte.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Quack, ach, wieviel Schönes ist hier zu sehen!\"","book":"Die Kröte"} {"text":"Acht Tage und Nächte blieb sie hier am Graben, und es fehlte ihr nicht an","book":"Die Kröte"} {"text":"Nahrung. Am neunten Tage dachte sie: \"Weiter\" – Aber ob sie etwas Schöneres","book":"Die Kröte"} {"text":"finden würde? Vielleicht eine kleine Kröte oder ein paar grüne Frösche. Es hatte","book":"Die Kröte"} {"text":"in der letzten Nacht so geklungen, als wenn Vettern in der Nähe wären.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Es ist schön zu leben; aus dem Brunnen herauszukommen, in den Brennesseln zul","book":"Die Kröte"} {"text":"iegen, auf dem staubigen Weg dahinzukriechen und in dem nassen Graben zu liegen!","book":"Die Kröte"} {"text":"Aber vorwärts! Man muß doch versuchen, Frösche oder eine kleine Kröte zu finden,","book":"Die Kröte"} {"text":"die kann man nicht entbehren, die Natur allein genügt einem nicht!\" Und dann","book":"Die Kröte"} {"text":"machte sie sich wieder auf die Wanderung.","book":"Die Kröte"} {"text":"Sie kam aufs Feld an einen großen Teich, der ringsumher mit Schilf bewachsen","book":"Die Kröte"} {"text":"war; da hinein schlüpfte sie.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Hier ist es wohl reichlich feucht für Sie,\" sagten die Frösche, \"aber Sie sind","book":"Die Kröte"} {"text":"uns willkommen! – Sind Sie weiblichen oder männlichen Geschlechts? Aber das ist","book":"Die Kröte"} {"text":"einerlei, Sie sind uns gleich willkommen!\"","book":"Die Kröte"} {"text":"Und dann wurde sie zum Konzert am Abend eingeladen; Familienkonzert; große","book":"Die Kröte"} {"text":"Begeisterung und dünne Stimmen, das kennen wir. Es gab keine Bewirtung, nur","book":"Die Kröte"} {"text":"freie Getränke, der ganze Teich, wenn's nötig war.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Jetzt reise ich weiter!\" sagte die kleine Kröte; sie hatte immer das Bedürfnis","book":"Die Kröte"} {"text":"nach etwas Besserem.","book":"Die Kröte"} {"text":"Sie sah die Sterne schimmern, so groß und so klar; sie sah den Vollmond","book":"Die Kröte"} {"text":"leuchten, sie sah die Sonne aufgehen, höher und höher.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Ich bin wohl noch immer im Brunnen, in einem großen Brunnen, ich muß höher","book":"Die Kröte"} {"text":"hinauf! Ich habe eine Unruhe und eine Sehnsucht!\" Und als der Mond ganz und","book":"Die Kröte"} {"text":"rund wurde, dachte das arme Tier: \"Ob das wohl der Eimer ist, der herabgelassen","book":"Die Kröte"} {"text":"wird, und ob ich wohl hineinspringen muß, um höher hinaufzukommen? Oder ist","book":"Die Kröte"} {"text":"die Sonne der große Eimer? Wie groß sie ist, wie strahlend, sie kann uns alle","book":"Die Kröte"} {"text":"zusammen aufnehmen, ich muß die Gelegenheit benutzen! Ach, wie es in meinem Kopf","book":"Die Kröte"} {"text":"leuchtet! Ich glaube nicht, daß der Edelstein besser leuchten kann! Aber den","book":"Die Kröte"} {"text":"habe ich nicht, und ich weine deswegen nicht, nein, höher hinauf in Glanz und","book":"Die Kröte"} {"text":"Freude! Ich habe eine ´Zuversicht, und doch empfinde ich eine Angst – es ist ein","book":"Die Kröte"} {"text":"schwerer Schritt, den ich tun will! Aber man muß ihn tun! Vorwärts! Immer der","book":"Die Kröte"} {"text":"Landstraße entlang!\"","book":"Die Kröte"} {"text":"Und sie machte so große Schritte, wie sie so ein Krabbeltier nur machen kann,","book":"Die Kröte"} {"text":"und dann war sie auf der großen Landstraße, wo die Menschen wohnten; da waren","book":"Die Kröte"} {"text":"Blumengärten und Kohlgärten. Bei einem Kohlgarten machte sie Rast.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Wie viele verschiedene Geschöpfe es doch gibt, die ich nie gekannt habe! Und","book":"Die Kröte"} {"text":"wie groß und herrlich die Welt doch ist! Aber man soll sich auch darin umsehen","book":"Die Kröte"} {"text":"und nicht immer auf einem Fleck sitzen bleiben.\" Und dann hüpfte sie in den","book":"Die Kröte"} {"text":"Kohlgarten hinein. \"Wie grün es hier ist und wie schön!\"","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Ja, das weiß ich recht gut!\" sagte der Kohlwurm auf seinem Blatt. \"Mein Blatt","book":"Die Kröte"} {"text":"ist das größte hier drinnen! Es verbirgt die halbe Welt, aber die kann ich gut","book":"Die Kröte"} {"text":"entbehren!\"","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Gluck, gluck!\" sagte es, da kamen Hühner, sie trippelten im Kohlgarten. Das","book":"Die Kröte"} {"text":"erste Huhn war weitsichtig; es sah den Wurm auf dem krausen Blatt und pickte","book":"Die Kröte"} {"text":"danach, so daß er auf die Erde fiel, wo er sich wand und drehte. Das Huhn sah","book":"Die Kröte"} {"text":"erst mit dem einen Auge und dann mit dem andern, denn es wußte nicht, was aus","book":"Die Kröte"} {"text":"dem Drehen und Winden werden würde.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Gutwillig tut er es nicht!\" dachte das Huhn und erhob den Kopf, um nach","book":"Die Kröte"} {"text":"dem Wurm zu picken. Die Kröte erschrak so, daß sie ganz dicht an das Huhn","book":"Die Kröte"} {"text":"herankroch.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"So, er hat Hilfstruppen!\" sagte das Huhn. \"So ein Wurmgezücht!\" Und damit","book":"Die Kröte"} {"text":"wandte es sich um. \" Ich mache mir nichts aus dem kleinen grünen Mundvoll, der","book":"Die Kröte"} {"text":"kitzelt ja nur im Hause!\" Die andern Hühner waren derselben Ansicht, und dann","book":"Die Kröte"} {"text":"gingen sie.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Ich wand und krümmte mich, bis sie gingen!\" sagte der Kohlwurm. \"Es ist gut,","book":"Die Kröte"} {"text":"Geistesgegenwart zu besitzen; aber das Schwerste steht mir noch bevor, auf mein","book":"Die Kröte"} {"text":"Kohlblatt hinaufzukommen. Wo ist das nur?\"","book":"Die Kröte"} {"text":"Und die kleine Kröte kam und äußerte ihre Teilnahme. Sie freute sich, daß sie","book":"Die Kröte"} {"text":"die Hühnern mit ihrer Häßlichkeit verscheucht hatte.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Was meinen Sie damit?\" fragte der Kohlwurm. \"Ich habe mich ja selber durch mein","book":"Die Kröte"} {"text":"Krümmen und Winden befreit. Sie sind unangenehm anzusehen! Ich möchte gern in","book":"Die Kröte"} {"text":"meinem eigenen Hause allein sein! Jetzt reise ich im Kohl! Jetzt bin ich bei","book":"Die Kröte"} {"text":"meinem Blatt angelangt! Es gibt doch nicht Schöneres als das eigene Heim! Aber","book":"Die Kröte"} {"text":"höher hinaus muß ich noch!\"","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Ja, höher hinauf,\" sagte die kleine Kröte, \"höher hinauf! Er hat dieselben","book":"Die Kröte"} {"text":"Empfindungen wie ich! Aber er ist heute schlechter Laune, das kommt von dem","book":"Die Kröte"} {"text":"Schrecken! Wir wollen alle höher hinaus!\" Und sie sah so hoch empor, wie sie nur","book":"Die Kröte"} {"text":"konnte.","book":"Die Kröte"} {"text":"Der Storch saß im Nest auf des Bauern Dach; er klapperte, und die Storchenmutter","book":"Die Kröte"} {"text":"klapperte auch.","book":"Die Kröte"} {"text":"In dem Bauernhause wohnten zwei junge Studenten, der eine war Poet, der andere","book":"Die Kröte"} {"text":"Naturforscher; der eine sang und schrieb voller Freude von allem, was Gott","book":"Die Kröte"} {"text":"geschaffen hatte und wie es sich in seinem Herzen spiegelte; er sang es in die","book":"Die Kröte"} {"text":"Welt hinaus, kurz, klar und reich in klangvollen Versen; der andere griff die","book":"Die Kröte"} {"text":"Dinge selber an, ja schnitt sie auf, wenn es not tat. Er faßte des lieben Gottes","book":"Die Kröte"} {"text":"Schöpfung als großen Rechenexempel auf, subtrahierte, multiplizierte, wolle es","book":"Die Kröte"} {"text":"in- und auswendig kennen und sprach mit Verstand davon, und es war wirklicher","book":"Die Kröte"} {"text":"Verstand, und er sprach voller Freude und Klugheit davon. Es waren gute,","book":"Die Kröte"} {"text":"fröhliche Menschen, alle beide.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Da sitzt ja ein famoses Exemplar von einer Kröte!\" sagte der Naturforscher.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Die muß ich in Spiritus setzen!\"","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Du hast ja schon zwei solche!\" meinte der Poet. \"Laß die doch in Frieden sitzen","book":"Die Kröte"} {"text":"und sich ihres Lebens freuen!\"","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Aber sie ist so herrlich häßlich!\" sagte der andere.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Ja, wenn wir den Edelstein in ihrem Kopf finden könnten,\" sagte der Poet, \"Dann","book":"Die Kröte"} {"text":"wäre ich gleich mit dabei sie aufzuschneiden.\"","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Den Edelstein!\" sagte der andere. \"Du scheinst mir viel Naturgeschichte zu","book":"Die Kröte"} {"text":"wissen!\"","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Aber liegt nicht gerade viel Schönes in dem Volksglauben, daß die Kröte, das","book":"Die Kröte"} {"text":"allerhäßlichste Tier, in ihrem Kopf den köstlichsten Edelstein birgt? Geht es","book":"Die Kröte"} {"text":"nicht mit den Menschen ebenso? Welchen Edelstein hatte nicht Äsop, und nun gar","book":"Die Kröte"} {"text":"Sokrates!\"","book":"Die Kröte"} {"text":"Mehr hörte die Kröte nicht, und sie verstand auch nicht die Hälfte von dem, was","book":"Die Kröte"} {"text":"sie hörte. Die beiden Freunde gingen, und sie wurde davor bewahrt, in Spiritus","book":"Die Kröte"} {"text":"gesetzt zu werden.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Sie sprachen auch von dem Edelstein!\" sagte die Kröte. \"Ein Glück, daß ich ihn","book":"Die Kröte"} {"text":"nicht hatte, sonst wäre ich in Ungemach gekommen!\"","book":"Die Kröte"} {"text":"Da klapperte es auf dem Dach des Bauern; der Storchenvater hielt seiner Familie","book":"Die Kröte"} {"text":"einen Vortrag, und die sah schief hernieder auf die beiden jungen Leute im","book":"Die Kröte"} {"text":"Kohlgarten.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Der Mensch ist die eingebildeste Kreatur!\" sagte der Storch. \"Hört nur, wie","book":"Die Kröte"} {"text":"ihm den Schnabel geht! Und dabei können sie doch nicht ordentlich klappern.","book":"Die Kröte"} {"text":"Sie brüsten sich mit ihrer Redegabe, mit ihrer Sprache! Eine nette Sprache das!","book":"Die Kröte"} {"text":"sobald sie nur eine Tagesreise machen, können sie sich nicht mehr verständlich","book":"Die Kröte"} {"text":"machen; einer versteht den andern nicht mehr! Unsere Sprache können wir über die","book":"Die Kröte"} {"text":"ganze Welt reden, in Dänemark so gut wie in Ägypten. Fliegen können die Menschen","book":"Die Kröte"} {"text":"auch nicht; sie behelfen sich mit einer Erfindung, die sie 'Eisenbahn' nennen,","book":"Die Kröte"} {"text":"aber auch dabei brechen sie sich noch oft genug den Hals. Es läuft mir kalt über","book":"Die Kröte"} {"text":"den Schnabel, wenn ich nur daran denke. Die Welt kann sehr gut ohne Menschen","book":"Die Kröte"} {"text":"bestehen. Wir könnten sie entbehren! Wenn wir nur die Frösche und Regenwürmer","book":"Die Kröte"} {"text":"behalten!\"","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Das war je eine gewaltige Rede!\" dachte die kleine Kröte. \"Was für ein großer","book":"Die Kröte"} {"text":"Mann das ist! Und wie hoch er sitzt, und wie er schwimmen kann!\" rief sie aus,","book":"Die Kröte"} {"text":"als der Storch seine Flügel ausbreitete und durch die Lüfte dahinflog.","book":"Die Kröte"} {"text":"Und die Storchenmutter redete im Nest, sie erzählte von dem Land Ägypten, von","book":"Die Kröte"} {"text":"dem Wasser des Nils und von all dem köstlichen Schlamm, der in dem fremden Lange","book":"Die Kröte"} {"text":"war; das klang der kleinen Kröte ganz neu und lieblich.","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Ich muß nach Ägypten!\" sagte sie. \"Wenn mich nur der Storch mitnehmen wollte","book":"Die Kröte"} {"text":"oder eins von seinen Jungen. Ich will ihm an seinem Hochzeitstage wieder dienen.","book":"Die Kröte"} {"text":"Ja, ich komme nach Ägypten, denn das Glück ist mir hold! All die Sehnsucht und","book":"Die Kröte"} {"text":"die Lust, die ich in mir trage, ist wahrhaftig besser, als einen Edelstein im","book":"Die Kröte"} {"text":"Kopf zu haben!\"","book":"Die Kröte"} {"text":"Und dabei hatte sie gerade den Edelstein: die ewige Sehnsucht und Lust,","book":"Die Kröte"} {"text":"aufwärts, immer aufwärts! Die leuchtete da drinnen, die leuchtete in Freude, die","book":"Die Kröte"} {"text":"strahlte in Lust.","book":"Die Kröte"} {"text":"Da kam im selben Augenblick der Storch; er hatte die Kröte im Gras erspäht, flog","book":"Die Kröte"} {"text":"herab und packte das kleine Tier gerade nicht allzu sanft. Der Schnabel klemmte,","book":"Die Kröte"} {"text":"der Wind sauste, es war nicht angenehm, aber es ging aufwärt, aufwärts, aufwärts","book":"Die Kröte"} {"text":"nach Ägypten, das wußte die kleine Kröte, und darum strahlten ihre Augen, es","book":"Die Kröte"} {"text":"war, als fliege ein Funke aus ihnen heraus:","book":"Die Kröte"} {"text":"\"Quack! Ach!\"","book":"Die Kröte"} {"text":"Der Körper war tot, die Kröte war verendet. Aber der Funke aus ihrem Auge, wo","book":"Die Kröte"} {"text":"blieb der?","book":"Die Kröte"} {"text":"Der Sonnenstrahl nahm ihn auf, der Sonnenstrahl trug den Edelstein aus dem Kopf","book":"Die Kröte"} {"text":"der Kröte. Wohin?","book":"Die Kröte"} {"text":"Danach mußt du den Naturforscher nicht fragen, frage lieber den Poeten; er","book":"Die Kröte"} {"text":"erzählt es dir in Form eines Märchens. Und der Kohlwurm kommt auch darin vor","book":"Die Kröte"} {"text":"und die Storchenfamilie. Denk nur! Der Kohlwurm verwandelt sich und wird ein","book":"Die Kröte"} {"text":"herrlicher Schmetterling! Die Storchenfamilie fliegt über Berge und Meere fort","book":"Die Kröte"} {"text":"nach dem fernen Afrika und findet doch wieder den kürzesten Weg in die Heimat","book":"Die Kröte"} {"text":"zurück, nach demselben Ort, demselben Dach! Ja, das ist wirklich alles fast zu","book":"Die Kröte"} {"text":"märchenhaft, und doch ist es wahr! Da kannst gern den Naturforscher fragen, er","book":"Die Kröte"} {"text":"muß es zugeben; und du selber weißt es auch, denn du hast es gesehen.","book":"Die Kröte"} {"text":"Aber der Edelstein in dem Kopf der Kröte?","book":"Die Kröte"} {"text":"Suche ihn in der Sonne! Suche ihn, wenn du kannst!","book":"Die Kröte"} {"text":"Der Glanz dort ist zu stark. Wir haben noch keine Augen, die in all die","book":"Die Kröte"} {"text":"Herrlichkeit hineinsehen können, die Gott geschaffen hat, aber wir werden sie","book":"Die Kröte"} {"text":"einstmals bekommen, und das wird das schönste Märchen! Denn darin kommen wir","book":"Die Kröte"} {"text":"selber auch vor.","book":"Die Kröte"} {"text":"Im Fenster stand ein Rosenstock. Kürzlich war er noch frisch und blank, doch nun","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"sah er matt aus, er litt unter irgend etwas. Er hatte Einquartierung bekommen","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"die ihn auffraß; übrigens recht ehrenhafte Einquartierung in grüner Uniform.","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"Ich sprach mit einem der Einquartierten, er war erst drei Tage alt und schon","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"Großvater. Weißt du, was er sagte? Wahr ist es, was er sagte; er sprach von sich","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"und der ganzen Einquartierung.","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"\"Wir sind das merkwürdigste Regiment unter den Geschöpfen der Erde. In der","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"warmen Zeit gebären wir lebende Junge; das Wetter ist ja dann gut. Kaum sind","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"wir da, so verloben wir uns schon und halten Hochzeit. In der kalten Zeit","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"legen wir Eier; die Kleinen liegen warm. Das weiseste Tier, die Ameise, vor","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"der wir viel Achtung haben, studiert uns und erkennt unseren Wert. Sie frißt","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"uns nicht gleich, nein, sie nimmt unsere Eier und legt sie in ihren und ihrer","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"Familie gemeinsamen Bau, und zwar in die unterste Etage. Dort legt sie uns","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"mit Fachkenntnis, nach Nummern geordnet, Seite an Seite, Schicht auf Schicht,","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"so daß jeden Tag ein neues aus den Eiern springen kann. Dann bringen sie uns","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"in einen Stall, klemmen uns mit den Hinterbeinen fest und melken uns, bis wir","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"tot sind; das ist ein angenehmer Tod! Bei ihnen tragen wir den wunderhübschen","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"Namen: 'Süße Milchkuh!' Alle Tiere mit Ameisenverstand nennen uns so, nur die","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"Menschen nicht, und das ist eine Kränkung für uns, über die wir fast unsere","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"Süßigkeit verlieren möchten. Können Sie dieses Unrecht nicht steuern, können Sie","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"sie nicht zurechtweisen, diese Menschen? Sie sehen uns an, so dumm, als wollten","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"sie uns mit ihren Blicken besudeln, nur weil wir ein Rosenblatt essen, während","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"sie selber alle lebenden Geschöpfe, alles, war grünt und blüht, auffressen. Sie","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"geben uns den verächtlichsten, den abscheulichsten Namen; ich nenne ihn nicht,","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"puh! Alles dreht sich in mir, ich kann ihn nicht aussprechen, wenigstens nicht","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"in Uniform, und ich bin immer in Uniform.","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"Ich bin auf dem Blatt des Rosenstocks geboren, ich und das ganze Regiment leben","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"von dem Rosenstock. Aber durch uns leben wieder höhergeartete Geschöpfe. Die","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"Menschen dulden uns nicht; sie kommen und töten uns mit Seifenwasser; das ist","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"greulicher Trank! Mir scheint, ich rieche ihn schon. Es ist furchtbar, gewaschen","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"zu werden, wenn man dazu geboren ist, nicht gewaschen zu werden!","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"Mensch! Du, der du mich mit den strengen Seifenwasseraugen betrachtest, denke","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"über unseren Platz in der Natur nach, über unsere kunstreiche Einrichtung,","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"Eier zu legen und Junge zu liefern! Uns wurde auch der Segen zuteil, die Welt","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"zu erfüllen und uns zu mehren. In Rosen werden wir geboren, in Rosen sterben","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"wir; unser ganzes Leben ist Poesie. Behafte uns nicht mit dem Namen, den du am","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"abscheulichsten und garstigsten findest, dem Namen – nein, ich spreche ihn nicht","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"aus, ich mag ihn nicht nennen! Nenne uns Milchkuh der Ameisen, das Regiment des","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"Rosenstocks, die kleinen Grünen!\"","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"Und ich, der Mensch, stand da und sah das Bäumchen an und die kleinen Grünen,","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"deren Namen ich nicht nennen will, denn ich mag einen Rosenbürger, der eine","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"große Familie mit Eiern und lebendigen Jungen hat, nicht kränken. Aus dem","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"Seifenwasser, mit dem ich sie abwaschen wollte – denn ich war mit Seifenwasser","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"und bösen Absichten gekommen –, will ich nun Schaum schlagen und Seifenblasen","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"daraus machen. Und dann will ich mir die Pracht betrachten, vielleicht liegt ein","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"Märchen in jeder Kugel.","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"Und die Kugel wurde so groß und schillerte in so wundersam strahlenden Farben,","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"und in ihrem Grunde schien eine Silberperle zu schlummern. Die Kugel schwankte,","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"schwebte, flog gegen die Tür und zerplatzte, aber die Tür sprang auf, und da","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"stand das Märchenmütterchen selber.","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"\"Ja, jetzt kann sie erzählen, und besser als ich, von den – nein, ich sage den","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"Namen nicht! – den kleinen Grünen!\"","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"\"Blattläusen!\" sagte Märchenmütterchen. \"Man soll jedes Ding beim rechten Namen","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"nennen, und darf man es sonst nicht, so muß man es doch im Märchen können!\"","book":"Die kleinen Grünen"} {"text":"Den Kobold kennst du; kennst du aber die Madame, die Gärtnersfrau? Sie besaß","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Bildung, wußte Gedichte auswendig, sie konnte mit Leichtigkeit selber welche","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"schreiben; nur die Reime, \"das Klingelingeling,\" wie sie es nannte, machten ihr","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"ein wenig Mühe. Sie besaß Schreibtalent und Rednertalent, sie hätte sehr gut","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Pastor sein können oder doch wenigstens Pastorin.","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"\"Die Erde ist herrlich in ihrem Sonntagskleide!\" sagte sie, und den Gedanken","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"hatte sie in Verse und \"Klingeling\" gebracht, hatte ein schönes, langes Lied","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"darüber gemacht.","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Der Seminarist, Herr Kisserup, der Name tut nichts zur Sache, des Gärtners","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Schwestersohn, war zu Besuch im Gärtnerhaus. Er hörte das Gedicht der Madame,","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"und es tue ihm wohl, sagte er, so recht innerlich wohl. \"Sie haben Geist,","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Madame,\" sagte er.","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"\"Unsinn!\" sagte der Gärtner. \"Setz ihr nicht so was in den Kopf! Eine Frau soll","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Körper sein, anständiger Körper, und auf ihren Kochtopf achtgeben, damit die","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Grütze nicht anbrennt!\"","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"\"Das Angebrannte nehme ich mit einer Holzkohle weg!\" sagte die Madame. \"Und die","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Verstimmung bei dir nehme ich mit einem kleinen Kuß weg. Man sollte glauben, du","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"dächtest nur an Kohl und Kartoffeln, und doch liebst du die Blumen.\" Und dann","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"küßte sie ihn. \"Die Blumen sind der Geist!\" sagte sie.","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"\"Paß auf deinen Kochtopf auf!\" sagte er und ging in den Garten. Der war sein","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Kochtopf, und auf den gab er acht.","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Aber der Seminarist saß bei der Madame und redete mit der Madame. Über ihre","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"schönen Worte \"Die Erde ist herrlich\" hielt er ihr gleichsam eine ganze Predigt","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"auf seine Weise.","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"\"Die Erde ist herrlich; machet sie euch untertan, ward gesagt, und wir wurden","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"die Herrschaft. Einer ist es durch den Geist, der andere durch den Körper; der","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"eine ward in die Welt gesetzt als Verwunderungs-Ausrufezeichen, ein anderer","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"als Gedankenstrich, so daß man wohl fragen kann, was soll der hier? Einer","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"wird Bischof, ein anderer nur ein armseliger Seminarist, aber alles ist weise","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"eingerichtet. Die Erde ist herrlich, und sie ist immer im Sonntagskleide. Ihr","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Gedicht, Madame, war gedankenerweckend, voll Gefühl und Geographie.\"","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"\"Sie haben Geist, Herr Kisserup,\" sagte die Madame, \"viel Geist, das versichere","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"ich Ihnen! Man bekommt Klarheit über sich selber, wenn man mit Ihnen redet!\"","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Und dann redeten sie weiter, ebenso schön und ebenso gut; aber draußen in der","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Küche, da redete auch jemand, nämlich der Kobold, der kleine, graugekleidete","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Kobold mit der roten Mütze.; du kennst ihn! Der Kobold saß in der Küche und","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"war Topfgucker; er redete, aber niemand hörte ihn, außer der großen, schwarzen","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Mietzekatze, dem \"Sahnedieb,\" wie die Madame sie nannte.","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Der Kobold war so böse auf die Madame, denn sie glaubte nicht an sein","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Vorhandensein, daß wußte er; sie hatte ihn freilich niemals gesehen, aber bei","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"all ihrer Belesenheit mußte sie doch wissen, daß er existierte, und ihm dann","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"eine kleine Aufmerksamkeit erweisen. Es fiel ihr niemals ein, am Weihnachtsabend","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"auch nur einen Löffel voll Grütze für ihn hinzusetzen, das hatten alle seine","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Vorfahren bekommen, und zwar von lauter Madams, die gar keine Gelehrsamkeit","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"besaßen. Die Grütze hatte in Butter und Sahne geschwommen. Der Katze wurde ganz","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"feucht um den Bart, wenn sie nur davon hörte.","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"\"Sie nennt mich einen Begriff,\" sagte der Kobold, \"Das geht wirklich über","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"meine Begriffe. Sie verleugnet mich ja! Das hab ich ihr abgelauert, und nun","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"habe ich wieder gelauert. Sie sitzt da und säuselt dem Seminaristen, diesem","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Büchsenspanner, was vor. Ich sage mit Vatern: 'Paß du auf deinen Kochtopf auf!'","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Das tut sie aber nicht, und nun will ich dafür sorgen, daß er überkocht!\"","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Und der Kobold blies ins Feuer, daß es aufflackerte und brannte. \"Surre-rurre-","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"rug!,\" da kochte der Kochtopf über.","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"\"Jetzt will ich hineingehen und Löcher in Vaters Socken zupfen!\" sagte der","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Kobold. \"Ich will ein großes Loch in den Hacken und in die Zehe bohren, dann","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"hat sie was zu stopfen, wenn sie nicht dichten muß. Dicht-Madame, stopf Vaters","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Strümpfe!\"","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Die Katze mußte niesen; sie war erkältet, obwohl sie immer mit einem Pelz ging.","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"\"Ich habe die Speisekammertür aufgemacht,\" sagte der Kobold, \"da steht","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"aufgekochte Sahne, so dick wie Mehlpaps. Willst du nicht naschen, so werde ich","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"es tun!\"","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"\"Wenn ich doch die Schuld und die Prügel bekommen, so will ich doch auch","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"wenigstens von der Sahne schlecken!\" sagte die Katze.","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"\"Erst die Sahne, dann die Haue!\" sagte der Kobold. \"Aber nun will ich in des","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Seminaristen Stube gehen, seine Tragbänder über den Spiegel hängen und seine","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Socken in die Waschschüssel legen, dann glaubt er, daß der Punsch zu stark","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"gewesen ist und daß ihm wirr im Kopfe ist. Über Nacht saß ich auf dem Holzstapel","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"neben der Hundehütte; es ist mein größtes Vergnügen, den Kettenhund zu necken;","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"ich ließ meine Beine herabhängen und baumelte damit. Der Hund konnte sie nicht","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"erreichen, wie hoch er auch sprang; das ärgerte ihn. Er kläffte und kläffte,","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"ich baumelte und baumelte; es war ein Spektakel. Der Seminarist erwachte davon;","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"er stand dreimal auf und guckte, aber er sah mich nicht, obwohl er eine Brille","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"aufhatte; er schläft immer mit der Brille!\"","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"\"Sag miau, wenn die Madame kommt!\" sagte die Katze. \"Ich höre nicht gut, ich bin","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"heute krank.\"","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"\"Du bist nur schleckkrank!\" sagte der Kobold. \"Schleck drauflos, schleck die","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Krankheit weg! aber trockne dir den Bart, damit keine Sahne daran hängenbleibt!","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Ich will jetzt hingehen und lauschen.\"","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Und der Kobold stand an der Tür, und die Tür stand angelehnt, da war niemand im","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Zimmer als die Madame und der Seminarist. Sie sprachen über das, was man, wie","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"sich der Seminarist schön ausdrückte, in jedem Hause über Kochtöpfe und Kessel","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"setzen sollte: über die Gaben des Geistes.","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"\"Herr Kisserup,\" sagte die Madame, \"nun will ich Ihnen in bezug hierauf etwas","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"zeigen, was ich bisher noch keiner menschlichen Seele, am allerwenigsten aber","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"einem Manne, gezeigt habe, nämlich meine kleinen Dichtungen, einige sind ja","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"freilich ein wenig lang. Jetzt sollen Sie sie hören.\"","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":".. ..","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Und sie entnahm der Schublade ein Schreibheft mit hellgrünem Umschlag und zwei","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Tintenklecksen.","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"\"Es steht viel Ernst in dem Buch!\" sagte sie. \"Ich habe am meisten Sinn für","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"das Traurige. Da ist 'Der Seufzer in der Nacht', 'Mein Abendrot' und 'Als ich","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Klemmensen bekam', Das letztere können Sie überschlagen, obwohl viel Gefühl","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"und tiefe Gedanken darin sind. 'Hausfrauenpflichten' ist das beste! Aber alle","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Gedichte sind traurig, darin liegt nun einmal meine Begabung. Nur eins ist in","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"scherzendem Ton gehalten, das sind einige muntere Gedanken, wie man sie ja auch","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"haben kann - Sie müssen nicht über mich lachen! - Gedanken darüber - wenn man","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Dichterin ist. Das kenne nur ich selber und meine Schublade, und nun kennen Sie","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"es, Herr Kisserup! Ich liebe die Poesie, sie kommt so über mich, sie neckt mich,","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"sie beherrscht, regiert mich. Ich habe das in dem Gedicht 'Der kleine Kobold'","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"zum Ausdruck gebracht. Sie kennen ja den alten Volksglauben von dem Hauskobold,","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"der stets sein Spiel im Hause treibt. Ich habe mir gedacht, daß ich selber das","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Haus bin und daß die Poesie, die Gefühle in mir, der Kobold sind, der Geist,","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"der regiert; seine Macht, seine Gewalt habe ich in 'Der kleine Kobold' besungen.","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Aber Sie müssen mir geloben, daß sie das niemals an meinen Mann oder an sonst","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"jemand verraten. Lesen Sie es laut, damit ich hören kann, ob sie meine Schrift","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"lesen können.\"","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Und der Seminarist las, und die Madame hörte zu, und der kleine Kobold hörte zu;","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"er horchte, wie du ja weißt, und war gerade in dem Augenblick gekommen, als die","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Überschrift \"Der kleine Kobold\" gelesen wurde.","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"\"Das betrifft mich ja!\" sagte er. \"Was kann sie nur über mich geschrieben","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"haben? Ja, ich will sie schon zwicken; ich nehme ihr die Eier weg, nehme ihr die","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Küchlein weg, jage dem Fettkalb das Fett ab. Sie sollen mich schon kennenlernen,","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Madame!\"","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Und er lauschte mit spitzem Mund und langen Ohren; aber je mehr er von der","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Herrlichkeit und Macht des Kobolds, von seiner Gewalt über die Madame hörte -","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"damit meinte sie ja, wie du wohl weißt, die Dichtkunst, aber der Kobold hielt","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"sich wörtlich an die Überschrift - , um so heller wurde sein Lächeln, um so mehr","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"strahlten seine Augen vor Freude, es kam etwas Vornehmes in seine Mündwinkel;","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"er hob seine Fersen in die Höhe, stand auf den Zehenspitzen, wurde einen ganzen","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Zoll größer als sonst; er war entzückt über alles, was von dem kleinen Kobold","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"gesagt wurde.","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"\"Die Madame hat Geist und große Bildung! Wie hab ich der Frau doch unrecht","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"getan! Sie hat mich in ihre Dichtung eingereiht, ich werde gedruckt und gelesen","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"werden! Von nun an soll die Katze nicht mehr Erlaubnis haben, ihre Sahne zu","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"trinken, das werde ich selber tun! Einer trinkt weniger als zweie, das ist immer","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"eine Ersparnis, und die will ich einführen, und die Madame will ich achten und","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"ehren.\"","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"\"Er ist ja der reine Mensch, dieser Kobold!\" sagte die Katze. \"Nur ein süßes","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Miau von der Madame, ein Miau über ihn selber, und dann ist er gleich andern","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Sinnes. Sie ist schlau, die Madame!\"","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Aber die Madame war gar nicht schlauch, aber der Kobold war so, wie sonst die","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Menschen sind.","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Wenn du diese Geschichte nicht verstehen kannst, so darfst du fragen; aber den","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Kobold muß du nicht fragen und die Madame auch nicht.","book":"Der Kobold und die Madame"} {"text":"Es ist unglaublich, was Kinder in unserer Zeit alles wissen! Man weiß bald nicht","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"mehr, was sie nicht wissen. Daß der Storch sie aus dem Brunnen oder Mühlteich","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"geholt und, wie sie noch ganz klein waren, zu Vater und Mutter gebracht hat, ist","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"nun eine so alte Geschichte, daß sie nicht mehr daran glauben, und es ist doch","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"das einzig Richtige.","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Aber wie kommen die Kleinen in den Mühlteich und Brunnen? Ja, das weiß nicht","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"jeder, aber manche wissen es doch. Hast du den Himmel richtig betrachtet, in","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"einer sternklaren Nacht die vielen Sternschnuppen gesehen, die sind, wie wenn","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"ein Stern fiele und verschwände? Die Gelehrtesten können nicht erklären, was","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"sie selber nicht wissen; aber es kann erklärt werden, wenn man es weiß. Es ist,","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"wie wenn ein kleines Weihnachtslicht vom Himmel fiele und verlöscht; es ist ein","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Seelenfunken vom lieben Gott, der zur Erde herabfährt, und während er in unsere","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"dichtere, schwerere Luft hineinkommt, schwindet des Glanz, es bleibt nur, was","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"unsere Augen nicht zu sehen vermögen, denn es ist etwas weit Feineres als unsere","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Luft, es ist ein Himmelskind, das da ausgesandt wird, ein kleiner Engel, aber","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"ohne Flügel, das Kleine soll ja Mensch werden; still gleitet es durch die Luft,","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"und der Wind trägt es hin in eine Blume; das kann nun eine Nachtviole sein,","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"eine Butterblume eine Rose oder Pechnelke; da liegt es und ruht aus. Luftig und","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"leicht ist es, eine Fliege kann damit fliegen, geschweige denn eine Biene, und","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"sie kommen wechselweise und suchen nach dem süßen in der Blume; liegt ihnen das","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Luftkind nun im Wege, so stoßen sie es nicht heraus, sie haben nicht das Herz","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"dazu, sie legen es hin in die Sonne auf ein Seerosenblatt, und von dort krabbelt","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"und kriecht es hinab ins Wasser, wo es schläft und wächst, bis der Storch es","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"sehen und zu einer Menschenfamilie holen kann, die sich so ein süßes Kleines","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"wünscht; aber ob es süß ist oder nicht, beruht darauf, ob das Kleine von dem","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"klaren Wasser getrunken hat oder ob Schlamm und Entenflott ihm in die falsche","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Kehle gekommen ist; das macht so irdisch. Der Storch nimmt ohne Wahl das erste,","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"das er sieht. Eins kommt in ein gutes Haus zu unvergleichlich guten Eltern, ein","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"anderes kommt zu harten Leuten in großes Elend, so daß es viel besser gewesen","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"wäre, in dem Mühlenteich zu bleiben.","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Die Kleinen erinnern sich gar nicht, was sie unter dem Seerosenblatt träumten,","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"wo am Abend die Frösche ihnen vorsangen: \"Koax, koax! Strax, strax!\" Das","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"bedeutet in der Menschensprache: \"Nun sollt ihr sehen, ihr könnt schlafen und","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"träumen!\" Sie können sich auch nicht erinnern, in welcher Blume sie zuerst","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"lagen oder wie sie duftete, und doch ist da etwas in ihnen, wenn sie erwachsene","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Menschen werden, das sagt: \"Die Blume haben wir am liebsten!\" Und das ist die,","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"in der sie als Luftkinder lagen.","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Der Storch wird sehr alt, und immer gibt er darauf acht, wie es den Kleinen","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"geht, die er gebracht hat, und wie sie sich in die Welt schicken; er kann","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"freilich nichts für sie tun oder ihre Lage verändern, er hat seine eigene","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Familie, für die er sorgen muß, aber er verliert sie niemals aus den Augen.","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Ich kenne einen alten, sehr ehrbaren Storch, der große Vorkenntnisse hat und","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"viele Kleine geholt hat und auch ihre Geschichte weiß, in der immer etwas","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Schlamm und Entenflott aus dem Mühlenteich ist. Ich bat ihn, mir eine kleine","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Lebensbeschreibung von einem von diesen zu erzählen, und da sagte er, daß ich","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"drei für eine haben sollte aus Pietersens Haus.","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Das war eine besonders nette Familie, Pietersens; der Mann war einer der","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"zweiunddreißig Ratsmänner der Stadt, und das war eine Auszeichnung; er lebte für","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"die zweiunddreißig und ging auf in den zweiunddreißig. Hier kam der Storch hin","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"und brachte einen kleinen Pieter, so wurde das Kind genannt. Im nächsten Jahr","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"kam der Storch wieder mit noch einem, den nannten sie Peter, und als der dritte","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"gebracht wurde, erhielt er den Namen Per, denn in den Namen Pieter- Peter-Per","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"liegt der Name Pietersen.","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Das waren also drei Brüder, drei Sternschnuppen, jeder in seiner Blume gewiegt,","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"unter das Seerosenblatt in den Mühlenteich gelegt und von da vom Storch zu der","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Familie Pietersen gebracht, deren Haus an der Ecke liegt, wie du wohl weißt.","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Die wuchsen auf an Körper und Geist, und so wollten sie noch etwas mehr werden","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"als die zweiunddreißig Männer.","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Pieter sagte, er wolle Räuber werden. Er hatte die Komödie von \"Fra Diavolo\"","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"gesehen und sich für das Räuberhandwerk, als das hübscheste der Welt,","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"entschieden.","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Peter wollte Mistbauer werden, und Per, der ein so süßer und artiger Junge war,","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"dick und rund, aber seine Nägel biß, das war sein einziger Fehler, Per wollte","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Vater werden. Das sagte nun ein jeder, wenn man sie fragte, was sie in der Welt","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"werden sollten.","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Und dann kamen sie in die Schule. Einer wurde Erster, und einer wurde Letzter,","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"und einer kam gerade in die Mitte, aber deshalb konnten sie ja ebenso klug und","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"ebenso gut sein, und das waren sie, sagten ihre sehr einsichtsvollen Eltern.","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Sie kamen auf Kinderbälle, sie rauchten Zigarren, wenn keiner es sah, sie nahmen","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"zu an Kenntnis und Erkenntnis.","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Pieter war von Klein auf streitbar, wie ja ein Räuber sein muß; er war ein sehr","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"unartiger Junge, aber das kam davon, sagte die Mutter, daß er an Würmern litt;","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"unartige Kinder haben immer Würmer, das ist Schlamm im Leib. Ein Eigensinn und","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"seine Streitlust gingen eines Tages über der Mutter neuen Seidenkleid hin.","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"\"Stoß nicht an den Kaffeetisch, mein Gotteslamm!\" hatte sie gesagt. \"Du könntest","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"den Sahnetopf umwerfen und ich bekäme Flecken auf mein neues Seidenkleid!\"","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Und das \"Gotteslamm\" nahm mit fester Hand den Sahnetopf und goß mit fester","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Hand die Sahne der Mama gerade in den Schoß, die nicht unterlassen konnte,","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"zu sagen: \"Lamm, Lamm! Das war nicht klug, mein Lämmchen!\" Aber einen Willen","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"hatte das Kind, das mußte sie einräumen. Wille zeigt Charakter und das ist so","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"vielversprechend für eine Mutter.","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Er hätte ganz gewiß Räuber werden können, aber er wurde es nicht buchstäblich;","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"er kam nur dahin, auszusehen wie ein Räuber: er ging mit verbeultem Hut, bloßem","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Hals und langen, wirren Haaren, er sollte Künstler werden, aber er kam nur in","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"die Künstlerkleider und sah dazu aus wie eine Stockrose; alle Menschen, die er","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"zeichneten, sahen aus wie Stockrosen. Er hatte diese Blume sehr gern, er hatte","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"auch in einer Stockrose gelegen, sagte der Storch.","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Peter hatte in einer Butterblume gelegen. Er sah so geschmiert aus um die","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Mundwinkel, hatte eine gelbe Haut, man mußte glauben, wäre er angeschnitten","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"worden, so wäre Butter herausgekommen. Er war geboren zum Butterhändler und","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"hätte sein eigenes Firmenschild sein können, aber innerlich, so in seinem","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Innern, war er \"Mistbauer,\" er war der musikalische Teil der Pietersenschen","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Familie, aber \"Genug für sie alle zusammen,\" sagten die Nachbarn. Er machte","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"siebzehn neue Polkas in einer Woche und setzt sie zusammen zu einer Oper mit","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Trompeten und Schellen; ei, wie war die schön!","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Per war weiß und rot, klein und gewöhnlich; er hatte in einer Gänseblume","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"gelegen. Niemals schlug er um sich, wenn die andern Jungen ihn hauten, er","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"sagte, daß er der Vernünftigste sei, und der Vernünftigste gibt immer nach.","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Er sammelte zuerst Griffel, dann Marken, dann schaffte er sich ein kleines","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Naturalienkabinett, in dem das Skelett eines Stichlings, drei bildgeborene","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Rattenjungen in Spiritus und ein ausgestopfter Maulwurf waren. Per hatte Sinn","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"für das Wissenschaftliche und Blick für die Natur, und das war erfreulich für","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"die Eltern und für Per auch. Er ging lieber in den Wald als in die Schule,","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"lieber in die Natur als in die Dressur; seine Brüder waren schon verlobt, als","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"er noch dafür lebte, seine Sammlung von Wasservogeleiern zu vervollständigen. Er","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"wußte bald viel mehr von den Tieren als von den Menschen, ja, er meinte, daß wir","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"das Tier in dem, was wir am höchsten schätzen, nicht erreichen können, in der","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Liebe. Er sah, daß, während das Nachtigallweibchen auf seinen Eiern brütete, der","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Nachtigallvater dasaß und die ganze Nacht seiner kleinen Frau \"Kluck, kluck! Zi,","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"zi! Lo, lo, li!\" vorsang. Das hätte Per nie tun oder sich dazu hergeben können.","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Wenn die Storchmutter mit ihren Jungen im Nest lag stand der Strochvater die","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"ganze Nacht auf einem Bein auf dem Dachfirst, Per hätte so nicht eine Stunde","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"stehen können. Und als er eines Tages das Gewebe der Spinne betrachtete und was","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"darin saß, da gab er den Ehestand ganz auf. Herr Spinne webt, um unbedachtsame","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Fliegen zu fangen, junge und alte, blutreiche und winddürre, er lebt, um zu","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"weben und seine Familie zu ernähren, aber Madame Spinne lebt einzig und allein","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"für ihren Mann. Sie ißt ihn auf vor lauter Liebe, sie ißt sein Herz, seinen","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Kopf, seinen Leib, nur seine langen, dünnen Beine bleiben zurück im Spinngewebe,","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"wo er mit Nahrungssorgen für die ganze Familie saß. Das ist die reine Wahrheit,","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"direkt aus der Naturgeschichte. Das sah Per, das überdachte er, \"so von seiner","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Frau geliebt zu werden, von ihr aufgegessen zu werden in gewaltsamer Liebe.","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Nein, so weit treibt es kein Mensch; und wäre es zu wünschen?\"","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Per beschloß, sich nie zu verheiraten! Nie einen Kuß zu geben oder zu nehmen,","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"der wie der erste Schritt in den Ehestand aussehen könnte. Aber einen Kuß bekam","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"er doch, einen, den wir alle bekommen, des Todes großen Kuß. Wenn wir lange","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"genug gelebt haben, dann bekommt der Tod die Order: \"Küß weg!\" Und dann ist","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"der Mensch weg; da leuchtet ein Sonnenblitz vom lieben Gott, so hell, daß es","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"uns schwarz wird vor den Augen; die Menschenseele, die wie eine Sternschnuppe","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"kam, fliegt wieder hin wie eine Sternschnuppe, aber nicht, um in einer Blume","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"zu ruhen oder unter einem Seerosenblatt zu träumen; sie hat wichtigere Dinge","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"vor, sie fliegt hinein in das große Ewigkeitsland, aber wie es dort ist und","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"aussieht, kann niemand sagen. Keiner hat da hineingesehen, nicht einmal der","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Storch, wie weit er auch sieht und wieviel er auch weiß; er wußte nun auch nicht","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"das mindeste mehr von Per, aber dagegen von Pieter und Peter, aber von denen","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"hatte ich genug gehört, und das hast du wohl auch; so sagte ich dem Storch Dank","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"für diesmal, aber nun verlangt er für diese kleine, gewöhnliche Geschichte drei","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"Frösche und ein Schlangenjunges, er nimmt Bezahlung in Lebensmitteln. Willst du","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"bezahlen? Ich will nicht! Ich habe weder Frösche noch junge Schlangen.","book":"Pieter, Peter und Per"} {"text":"\"Welch schöne Rosen!\" sagte der Sonnenschein. \"Und jede Knospe wird sich","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"entfalten und ebenso schön werden. Das sind meine Kinder! Meine Küsse haben sie","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"belebt.\"","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"\"Meine Kinder sind es,\" sagte der Tau; \"ich habe sie mit meinen Tränen gesäugt.\"","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"\"Ich sollte doch meinen, daß ich ihre Mutter sei,\" sagte die Rosenhecke; \"ihr","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"andern seid nur Gevattern, die nach Vermögen und gutem Willen ein Patengeschenk","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"gaben.\"","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"\"Meine lieblichen Rosenkinder!\" sagten sie alle drei und wünschten jeder Blume","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"das schönste Glück; aber eine nur konnte die Glücklichste, eine mußte die am","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"wenigsten Glückliche werden - aber welche von ihnen!","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"\"Das will ich schon zu wissen bekommen,\" sagte der Wind; \"ich jage weit umher,","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"dränge mich in die engste Ritze und weiß außen und innen Bescheid.\"","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Jede der aufgeblühten Rosen hörte, was gesagt wurde, jede schwellende Knospe","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"vernahm es.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Da kam eine tiefbetrübte liebevolle, in Trauerkleider gehüllte Mutter in den","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Garten; sie pflückte eine von den Rosen, die halb erblüht, frisch und voll war","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"und welche ihr die schönste von allen zu sein schien. Sie trug die Blume in die","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"stille, schweigsame Kammer, wo vor wenigen Tagen noch die junge, lebensfrohe","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Tochter sich bewegte, welche jetzt, einem schlafenden Marmorbilde gleich, in dem","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"schwarzen Sarge lag. Die Mutter küßte die Tote, küßte darauf die halberblühte","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Rose und legte diese auf die Brust des jungen Mädchens, als ob sie durch ihre","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Frische und den Kuß der Mutter ihr Herz wieder schlagen machen könnte.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Die Rose schien zu schwellen; jedes Blatt bebte in freudigen Gedanken. \"Welch","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"ein Weg der Liebe ist mir vergönnt! Ich werden wie ein Menschenkind, ich","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"bekommen einen Mutterkuß, ich empfange ein Segenswort, und ich gehe mit in","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"das unbekannte Reich, träumend an der Brust der Toten! Gewiß, ich wurde die","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Glücklichste von allen meinen Schwestern!\"","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"In den Garten, in welchem der Rosenbusch stand, ging auch die alte Gärtnerin.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Auch sie betrachtete die Herrlichkeit des Rosenstrauches, und ihr Auge haftete","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"auf der größten voll erblühten Rose. Ein Tautropfen und ein warmer Tag - und","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"die Blätter würden fallen. Das sah die Frau und fand, daß die Rose, welche","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"den Gipfel ihrer Schönheit erreicht habe, auch Nutzen bringen müsse. Sie","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"pflückte sie also und legte sie zwischen ein Zeitungsblatt, um sie mit nach","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Hause zu andern entblätterten Rosen zu nehmen, um Potpourri davon zu machen, in","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Gesellschaft mit den kleinen blauen Burschen, die man Lavendel nennt, und sie","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"mit Salz einzubalsamieren. Balsamiert, das werden nur Rosen und Könige.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"\"Ich werde am höchsten geehrt!\" sagte die Rose, als die Gärtnerin sie pflückte.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"\"Ich werde die Glücklichste! Ich werde balsamiert werden.\"","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Zwei junge Männer traten in den Garten, der eine war ein Maler, der andere ein","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Dichter. Jeder pflückte eine Rose, schön anzusehen.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Und der Maler gab der Leinwand ein Bild der blühenden Rose, so treu, daß diese","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"sich im Spiegel zu sehen glaubte.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"\"So,\" sagte der Maler, \"soll sie viele Menschalter leben, während Millionen und","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"abermals Millionen Rosen welken und sterben.\"","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"\"Ich bin die Begünstigste,\" sagte die Rose; \"ich gewann des größte Glück!\"","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Der Dichter betrachtete seine Rose, schrieb ein Gedicht von ihr, eine ganze","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Mysterie, alles, was er von jedem einzelnen Blatt der Rose las: \"Das Bilderbuch","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"der Liebe\"; es war eine unsterbliche Dichtung.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"\"Mit ihr bin ich unsterblich,\" sagte die Rose. \"Ich bin die Glücklichste!\"","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Unter all der Pracht von Rosen war noch eine, welche fast vor den andern","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"verborgen saß. Zufällig - zum Glück vielleicht - hatte sie ein Gebrechen; sie","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"saß schief auf dem Stengel, und die Blätter der einen Seite entsprachen denen","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"der andern nicht, ja, mitten aus der Blume heraus wuchs sogar ein kleines,","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"verkrüppeltes grünes Blatt. Das kommt wohl zuweilen bei Rosen vor.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"\"Armes Kind,\" sagte der Wind und küßte ihre Wange. Die Rose glaubte, da","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"sei ein Gruß, ein Liebesgruß; sie hatte ein Bewußtsein davon, daß sie etwas","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"anders geschaffen sei als die andern Rosen und daß ein grünes Blatt mitten","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"aus ihrem Innern herauswachse, und sie betrachtete das als eine Auszeichnung.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Ein Schmetterling flatterte auf ihre Blätter herab und küßte sie: das war ein","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Freier; sie ließ ihn wieder fliegen. Dann kam ein gewaltig großer Grashüpfer;","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"der setzte sich richtig genug auf eine andere Rose und rieb verliebt sein","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Schienbein (das ist bei den Grashüpfern ein Liebeszeichen); die Rose, auf","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"welcher er saß, verstand es nicht, aber die Rose mit dem auszeichnenden grünen","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Blatte in ihrer Mitte verstand es, denn der Grashüpfer betrachtete sie mit","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Augen, welche sagten: \"Ich könnte dich vor Liebe fressen!\" Und weiter kann die","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Liebe doch nicht gehen: einer geht in dem andern auf! Aber die Rose wollte nicht","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"in dem Springinsfeld aufgehen. Die Nachtigall sang in der sternenklaren Nacht.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"\"Die singt für mich allein!\" sagte die Rose mit dem Gebrechen oder der","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Auszeichnung. \"Weshalb soll ich vor allen meinen Schwestern so ausgezeichnet","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"werden, weshalb ward mir diese Auszeichnung, welche mich zu der Glücklichsten","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"macht?\"","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Da kamen zwei Herren, welche eine Zigarre rauchten, die sprachen von Rosen","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"und von Tabak. Rosen sollen den Tabaksrauch nicht vertragen können, sie sollen","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"die Farbe verändern und grün werden. Die Herren wollten das versuchen. Sie","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"mochten keine von den prächtigsten Rosen nehmen, sie nahmen die Rose, welche das","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Gebrechen hatte.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"\"Welche neue Auszeichnung!\" rief diese. \"Ich bin über alle Maßen glücklich, die","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Allerglücklichste!\"","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Und sie ward grün in Bewußtsein und Tabaksrauch.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Eine Rose, halb noch Knospe, die Schönste vielleicht am ganzen Rosenbusche,","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"erhielt den Ehrenplatz in des Gärtners kunstvoll gebundenem Bouquet, welches dem","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"jungen gebietenden Herrn des Hauses gebracht wurde und mit ihm im Wagen fuhr.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Sie saß als schönste Blume inmitten andrer Blumen und schönem Grün, sie kam zu","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"einem glänzenden Feste, da saßen Männer und Frauen so prächtig beleuchtet von","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Tausenden von Lampen, die Musik erklang, es war im Lichtmeere des Theaters; und","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"als unter stürmischem Jubel die gefeierte junge Tänzerin hervor auf die Bühne","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"schwebe, flog Bouquet auf Bouquet wie ein Blumenregen zu ihren Füßen nieder.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Da fiel das Bouquet, in welchem die schöne Rose, gleich einem Edelsteine,","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"saß, sie fühlte ganz ihr namenloses Glück, die Ehre, den Glanz, in welchem sie","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"hineinschwebte, und indem sie den Boden berührte, tanzte sie mit, sie sprang,","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"fuhr über die Bretter hin und brach im Fallen von ihrem Stengel. Sie kam nicht","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"in die Hände der Huldin, sie rollte hinter die Kulissen, ein Maschinist nahm","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"sie auf, sah, wie schön sie war, sie lieblich sie duftete, aber sie hatte keinen","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Stengel. Er steckte sie in seine Tasche, und als er abends nach Hause kam,","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"erhielt sie einen Platz in einem Schnapsglase und lag in demselben die ganze","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Nacht im Wasser. Frühmorgens wurde sie vor Großmutter hingestellt, welche alt","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"und kraftlos im Lehnstuhle saß, sie betrachtete die geknickte schöne Rose und","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"freute sich über sie und ihren Duft.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"\"Ja, du kommst nicht auf den Tisch des reichen feinen Fräuleins, sondern zu der","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"armen alten Frau; aber hier bist du wie ein ganzer Rosenstrauch, wie schön bist","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"du!\"","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Und mit kindlicher Freude blickte sie auf die Blume und gedachte wohl auch ihrer","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"eigenen längst entschwundenen frischen Jugendzeit.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"\"Da war ein Loch in der Fensterscheibe,\" sagte der Wind, \"ich konnte leicht","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"hineinkommen und sah die jugendlich strahlenden Augen der alten Frau und die","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"geknickte schöne Rose in dem Schnapsglase. Die Glücklichste von allen! Ich weiß","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"das! Ich kann das erzählen!\"","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Jede Rose von dem Rosenstrauche des Gartens hatte ihre Geschichte. Jede Rose","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"glaubte und dachte, die Glücklichste zu sein, und der Glaube macht selig. Aber","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"die letzte Rose an dem Strauche war doch die Allerglücklichste, wie sie meinte.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"\"Ich überlebte sie alle! Ich bin die Letzte, die Einzige, Mutters liebstes","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Kind!\"","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"\"Und ich bin ihre Mutter,\" sage die Rosenhecke.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"\"Das bin ich,\" sagte der Sonnenschein.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"\"Und ich,\" sagten Wind und Wetter.","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"\"Jeder hat teil an ihr!\" sagte der Wind. \"Und jeder soll einen Teil von ihr","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"haben\"; und damit streute der Wind ihre Blätter hin über die Hecke, auf welcher","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"die Tautropfen lagen und auf welche die Sonne schien. - \"Auch ich bekam mein","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Teil,\" sagte der Wind, \"ich bekam die Gesichte aller Rosen, die ich nun der","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"ganzen Welt erzählen will. Sage mir nun, welche war die Glücklichste von allen?","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"Ja, das mußt du sagen, ich habe genug gesagt!\"–","book":"Wer war die Glücklichste?"} {"text":"An Bord des Dampfschiffes befand sich ein ältlicher Mann mit einem so vergnügten","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Gesicht, daß, wenn es ihn nicht Lügen strafte, er der glücklichste Mensch","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"von der Welt sein mußte. Das sei er auch, sagte er, und ich selber hörte es","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"aus seinem eigenen Munde. Er war ein Däne, ein reisender Theaterdirektor.","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Er hatte das ganze Personal mit, es lag in einem großen Kasten; er war","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Marionettenspieler. Sein angeborener guter Humor, sagte er, sei von einem","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"polytechnischen Kandidaten geläutert, und bei diesem Experimente sei er","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"vollständig glücklich geworden. Ich begriff dies alles nicht sogleich, aber dann","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"setzt er mir die ganze Geschichte klar auseinander, und hier ist sie:","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"\"Es war im Städtchen Slagelse,\" sagte er; \"ich gab eine Vorstellung im Saale","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"der Posthalterei, hatte brillantes Publikum, ganz und gar unkonfirmiertes,","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"mit Ausnahme von einem Paare alter Matronen; auf einmal kommt so eine schwarz","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"gekleidete Person vom Studentenschlage in den Saal, setzt sich, lacht laut","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"an den passendsten Stellen, klatscht ganz und gar richtig: das war ein","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"ungewöhnlicher Zuschauer! Ich mußte wissen, wer der sei, und ich erfuhr","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"dann, es sei ein Kandidat des polytechnischen Institutes zu Kopenhagen, der","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"ausgesandt sei, um die Leute in den Provinzen zu belehren. Punkt acht Uhr","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"war meine Vorstellung aus, Kinder müssen ja früh zu Bette, und man muß an die","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Bequemlichkeit des Publikums denken. Um neun Uhr begann der Kandidat seine","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Vorlesungen und Experimente, und nun war ich sein Zuhörer. Das war merkwürdig","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"zu hören und zu sehen. Das meiste ging mir über meinen Horizont, aber so viel","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"dachte ich mir doch dabei, können wir Menschen so was ausfindig machen, so","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"müssen wir auch länger aushalten können, als bis man uns in die Erde verscharrt.","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Es waren lauter kleine Mirakel, die er machte, und doch alles wie Wasser, ganz","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"natürlich! Um die Zeit Moses und der Propheten wäre ein solcher polytechnischer","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Kandidat einer der Weisen des Landes geworden; im Mittelalter hätte man ihn auf","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"den Scheiterhaufen gebracht. Ich schlief die ganze Nacht nicht; und als ich am","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"anderen Abend Vorstellung gab und der Kandidat sich wiederum einfand, sprudelte","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"mein Humor. Ich habe von einem Schauspieler gehört, daß er in Liebhaberrollen","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"immer nur an eine einzige der Zusehauerinnen dachte; für sie spielte er und","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"vergaß das ganze übrige Haus; der polytechnische Kandidat war meine -'sie',","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"mein einziger Zuschauer, für den ich allein spielte. Als die Vorstellung zu Ende","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"war, wurden sämtliche Marionetten hervorgerufen und ich von dem polytechnischen","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Kandidaten auf sein Zimmer auf ein Glas Wein eingeladen; er sprach von meinen","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Komödien und ich von seiner Wissenschaft, und ich glaube, wir fanden gleich","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"große Freude daran. Aber ich bereue das Wort, denn in seinem Kram war nun","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"einmal vieles, worüber er nicht allemal Wort und Rede stehen konnte: z. B.,","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"das Ding, daß ein Stück Eisen, das durch eine Spirale fällt, magnetisch wird,","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"ja! was ist das?! - Der Geist kommt über dasselbe, aber woher kommt er; es ist","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"damit wie mit den Menschen dieser Welt, denke ich: Unser lieber Herrgott läßt","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"sich durch die Spirale der Zeit purzeln, und der Geist kommt über sie, und so","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"steht da ein Napoleon, ein Luther oder irgendeine ähnliche Person\" - \"Die ganze","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Welt ist eine Reihe von Wunderwerken,\" sagte der Kandidat, \"aber wir sind so","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"an dieselben gewöhnt, daß wir sie Alltagsgeschichten nennen\" - Er sprach und","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"erklärte: es war mir zuletzt, als hebe man mir den Hirnschädel in die Höhe,","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"und ich gestand ehrlich, daß wenn ich nicht schon so ein alter Knabe wäre,","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"so würde ich sofort die polytechnische Anstalt beziehen und lernen, die Welt","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"so recht in den Nähten nachzusehen - ungeachtet ich einer der glücklichsten","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Menschen bin! \"Einer der glücklichsten\" - sagte er, und es war mir, als kostete","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"er davon. \"Sind Sie glücklich?\" - \"Ja!\" sagte ich, \"glücklich bin ich, und","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"willkommen heißt man mich in allen Städten, wo ich mit meiner Gesellschaft","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"eintreffe! Zwar - ich habe allerdings einen Wunsch, derselbe liegt nicht selten","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"wie Blei, wie ein Alb, auf meinem guten Humor: ich möchte Theaterdirektor einer","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"lebendigen Truppe, einer richtigen Menschengesellschaft sein.\" - \"Sie wünschen","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"ihren Marionetten Leben eingehaucht, daß sie wirkliche Schauspieler - und Sie","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"selber Direktor würden!\" sagte er. \"Dann würden Sie vollkommen glücklich sein?","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Glauben?\" - Er glaubte es nicht, und wir sprachen hin und her, in die Kreuz","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"und Quer und blieben doch gleich weit auseinander; doch mit den Gläsern stießen","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"wir an, und der Wein war exzellent, aber Zauberei war dabei, sonst würde ich","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"bestimmt einen Rausch bekommen haben. Aber das war nicht der Fall, ich blieb","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"klarsehend, in der Stube war Sonnenschein, und Sonnenschein strahlte aus den","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Augen des polytechnischen Kandidaten; ich mußte an die alten Götter in ihrer","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"ewigen Jugend denken, als sie noch auf der Erde umherspazierten und uns Menschen","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Besuche machten; und das sagte ich ihm auch, dann lächelte er, und ich hätte","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"darauf schwören dürfen, er sei ein verkappter Gott, oder doch wenigsten aus","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"der Familie! - das war er auch: mein höchster Wunsch sollte in Erfüllung gehen,","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"die Marionetten lebendig und ich Direktor einer Menschentruppe werden. Wir","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"stießen darauf an und leerten die Gläser! Er packte alle meine Puppen in den","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Kasten, band sie auf meinen Rücken, und dann ließ er mich durch eine Spirale","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"fallen: - ich höre noch, wie ich purzelte, ich lag auf dem Fußboden, das weiß","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"ich gewiß, und die ganze Gesellschaft sprang aus dem Kasten heraus - der Geist","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"war über uns alle insgesamt gekommen, alle Marionetten waren ausgezeichnete","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Künstler geworden, das sagten sie selber, und ich war Direktor! Alles war zur","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"ersten Vorstellung bereit, die ganze Gesellschaft wollte mit mir reden, und","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"das Publikum auch; die Tänzerin sagte, das Haus müsse fallen, wenn ich nicht","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"auf einem Beine stände, sie sei die Meisterin des Ganzen und bäte sich aus,","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"danach behandelt zu werden; diejenige, welche die Königin spielte, wollte auch","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"außerhalb der Szene als Königin behandelt sein - sie käme sonst aus der Übung;","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"der, welcher nur dazu gebraucht wurde, einen Brief abzugeben, machte sich","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"ebenso wichtig wie der erste Liebhaber, denn die Kleinen seien wie die Großen,","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"sie seien von gleicher Wichtigkeit in einem künstlerischen Ganzen, sagte er;","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"der Held wollte nur Rollen aus lauter Abgangs-Repliken bestehend, denn dabei","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"werde geklatscht: die Primadonna wollte nur in rotem Lichte spielen, denn das","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"stünde ihr, blaues leide sie nicht: es war wie Fliegen in einer Flasche, und","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"ich war mitten in der Flasche, ich war Direktor! Der Atem verließ mich, der","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Kopf verließ mich: ich war so elend, wie ein Mensch es werden kann; es war","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"ein neues Menschengeschlecht, unter welches ich geraten, ich wünschte nur, ich","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"hätte sie alle wieder in dem Kasten, daß ich niemals Direktor geworden; ich","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"sagte ihnen rund heraus, sie seien doch im Grunde Marionetten; dann schlugen sie","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"mich tot. Ich lag auf dem Bette in meinem Zimmer, wie ich dorthin und überhaupt","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"vom polytechnischen Kandidaten weggekommen bin, das muß er wissen, ich weiß es","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"nicht. Der Mond schien auf den Fußboden herein, wo der Puppenkasten umgeworfen","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"und alle Puppen bunt durcheinander lagen groß und klein, die ganze Geschichte;","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"aber ich war nicht faul: aus dem Bette fuhr ich heraus, in den Kasten kamen sie","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"alle insgesamt, einige auf den Kopf, andere auf die Beine, ich warf den Deckel","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"zu und setzte mich selber oben auf den Kasten. \"Jetzt werdet ihr schon drinnen","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"bleiben!\" sagte ich, \"und ich werde mich hüten, euch wieder Blut und Fleisch","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"zu wünschen.\" Mir war ganz leicht geworden, meinen Humor hatte ich wieder, ich","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"war der glücklichste Mensch , der polytechnische Kandidat hatte mich förmlich","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"geläutert. Ich saß in lauter Glückseligkeit und schlief auf dem Kasten ein.","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Am nächsten Morgen - eigentlich war es Mittag, aber ich schlief diesen Morgen","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"wunderbar lange - saß ich noch immer da, glücklich und belehrt, daß mein","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"früherer einziger Wunsch´dumm gewesen. Ich fragte nach dem polytechnischen","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Kandidaten, aber er war fort, wie die griechischen und römischen Götter. Von","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"der Zeit an bin ich der glücklichste Mensch gewesen. Ich bin ein glücklicher","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Direktor, mein Personal räsoniert nicht, mein Publikum auch nicht, es ist","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"herzensvergnügt. Meine Stücke kann ich zusammenflicken, wie ich will; ich nehme","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"aus allen Komödien das Beste heraus, das mir ansteht, und niemand ärgert sich","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"darüber. Stücke, die jetzt bei den großen Bühnen verachtet sind, nach welchen","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"aber das Publikum vor dreißig Jahren wie besessen lief, und wobei es heulte, daß","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"ihm die Tränen übers Gesicht rollten, deren nehme ich mich jetzt an; jetzt setze","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"ich sie den Kleinen vor, und die Kleinen, die weinen wie Papa und Mama geweint","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"haben; ich verkürze sie aber, denn die Kleinen lieben das lange Liebesgeschwätz","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"nicht, sie wollen: \"Unglücklich, aber rasch.\"","book":"Der Marionettenspieler"} {"text":"Die Wochentage wollten auch einmal sich freimachen, zusammenkommen und ein","book":"Die Wochentage"} {"text":"Festmahl abhalten. Jeder Tag war übrigens so in Anspruch genommen, daß sie,","book":"Die Wochentage"} {"text":"während des ganzen Jahres, nicht freie Zeit hatten, um darüber zu verfügen; sie","book":"Die Wochentage"} {"text":"mußten einen besonderen ganzen Tag haben, aber den hatten sie doch auch jedes","book":"Die Wochentage"} {"text":"vierte Jahr: den Schalttag, der wurde in den Februar belegt, um Ordnung in die","book":"Die Wochentage"} {"text":"Zeitrechnung zu bringen.","book":"Die Wochentage"} {"text":"Auf den Schalttag wollten sie also zusammenkommen zum Festmahl, und da der","book":"Die Wochentage"} {"text":"Februar der Fastnachtsmonat ist, wollten sie karnevalsmäßig angekleidet kommen","book":"Die Wochentage"} {"text":"nach eines jeden Empfindung und Bestimmung; gut essen, gut trinken, Reden","book":"Die Wochentage"} {"text":"halten und einander Annehmlichkeiten sagen und Unannehmlichkeiten in ungenierter","book":"Die Wochentage"} {"text":"Kameradschaft. Die Helden der alten Zeit warfen einander bei den Mahlzeiten","book":"Die Wochentage"} {"text":"die abgenagten Fleischknochen an den Kopf, die Wochentage wollten einander","book":"Die Wochentage"} {"text":"überhäufen mit Leckereien von albernen Späßen und schelmischen Witzen, wie sie","book":"Die Wochentage"} {"text":"zu den unschuldigen Fastnachtsscherzen gehören mögen.","book":"Die Wochentage"} {"text":"Dann war es Schalttag, und dann kamen sie zusammen.","book":"Die Wochentage"} {"text":"Der Sonntag, der Vormann der Wochentage, trat auf in schwarzem Seidenmantel,","book":"Die Wochentage"} {"text":"fromme Menschen würden glauben, daß er einen Talar trug, um in die Kirche zu","book":"Die Wochentage"} {"text":"gehen; die Weltkinder sahen, daß er im Domino war, um auf ein Vergnügen zu","book":"Die Wochentage"} {"text":"gehen und daß die flammende Nelke, die er im Knopfloch trug, des Theaters kleine","book":"Die Wochentage"} {"text":"rote Laterne war, die sagte: \"Alles ist ausverkauft, seht nun zu, daß ihr euch","book":"Die Wochentage"} {"text":"amüsiert!\"","book":"Die Wochentage"} {"text":"Der Montag, ein junger Mensch, dem Sonntag nah verwandt und besonders dem","book":"Die Wochentage"} {"text":"Vergnügen hingegeben, folgte nach. Er verlasse die Werkstatt, sagte er, wenn die","book":"Die Wochentage"} {"text":"Wachtparade aufzieht.","book":"Die Wochentage"} {"text":"\"Ich muß hinaus, um Offenbachs Musik zu hören; sie geht mir nicht zu Kopf und","book":"Die Wochentage"} {"text":"nicht zu Herzen, sie kitzelt mich in den Beinmuskeln, ich muß tanzen, ein Gelage","book":"Die Wochentage"} {"text":"haben, ein blaues Auge kriegen, um darauf zu schlafen, und dann packe ich am","book":"Die Wochentage"} {"text":"nächsten Tag die Arbeit an. Ich bin das Neue in der Woche!\"","book":"Die Wochentage"} {"text":"Dienstag, das ist Tyrs Tag, der Tag der Kraft.","book":"Die Wochentage"} {"text":"\"Ja, das bin ich!\" sagte der Dienstag. \"Ich packe die Arbeit an, spanne Merkurs","book":"Die Wochentage"} {"text":"Flügel an des Kaufmanns Schuhe, sehe in die Fabriken, ob die Räder geschmiert","book":"Die Wochentage"} {"text":"sind und sich drehen, sorge dafür, daß der Schneider auf der Bank und der","book":"Die Wochentage"} {"text":"Pflasterer auf den Pflastersteinen hockt; jeder achte auf sein Gewerbe: Ich","book":"Die Wochentage"} {"text":"halte mein Auge auf das Ganze, deshalb trage ich Polizeiuniform und nenne mich","book":"Die Wochentage"} {"text":"Poli-zienstag. Ist das ein schlechter Kalauer, so versucht ihr anderen, einen","book":"Die Wochentage"} {"text":"besseren zu machen!\"","book":"Die Wochentage"} {"text":"\"Da komme ich!\" sagte der Mittwoch. \"Ich stehe mitten in der Woche, darum nennen","book":"Die Wochentage"} {"text":"mich die Deutschen so. Ich stehe wie der Kommis hinter dem Ladentisch, als Blume","book":"Die Wochentage"} {"text":"zwischen den andern geehrten Wochentagen! Marschieren wir alle auf, dann habe","book":"Die Wochentage"} {"text":"ich drei Tage vor, drei Tage hinter mir, das ist wie eine Ehrenwache, ich darf","book":"Die Wochentage"} {"text":"glauben, daß ich der ansehnlichste Tag bin!\"","book":"Die Wochentage"} {"text":"Der Donnerstag stellte sich ein, gekleidet als Kupferschmid mit Hammer und","book":"Die Wochentage"} {"text":"Kupferkessel, das war sein Adelsattribut.","book":"Die Wochentage"} {"text":"\"Ich bin von höchster Geburt,\" sagte er, \"heidnisch, göttlich! In Nordens","book":"Die Wochentage"} {"text":"Landen werde ich nach Thor genannt, in denen des Südens nach Jupiter, die beide","book":"Die Wochentage"} {"text":"verstanden zu donnern und zu blitzen, das ist in der Familie geblieben.\"","book":"Die Wochentage"} {"text":"Und dann schlug er auf den Kupferkessen und bewies seine hohe Geburt.","book":"Die Wochentage"} {"text":"Freitag war gekleidet wie ein junges Mädchen und nannte sich Freya, auch zur","book":"Die Wochentage"} {"text":"Abwechslung Venus, das kam auf den Sprachgebrauch im Lande an, wo sie auftrat.","book":"Die Wochentage"} {"text":"Sie sei übrigens von stillem, ernsten Charakter, sagte sie, aber heute flott","book":"Die Wochentage"} {"text":"und frei; es war ja Schalttag, und der gibt der Frau Freiheit, da darf sie nach","book":"Die Wochentage"} {"text":"altem Brauch selber freien und muß sich nicht freien lassen.","book":"Die Wochentage"} {"text":"Sonnabend trat auf als alte Haushälterin mit Besen und Sauberkeitsattributen.","book":"Die Wochentage"} {"text":"Ihr Leibgericht war Bierbrotsuppe, doch verlangte sie nicht, daß diese bei","book":"Die Wochentage"} {"text":"dieser festlichen Gelegenheit für alle mit aufgetischt werden sollte, sondern","book":"Die Wochentage"} {"text":"nur, daß sie sie bekommen könne – und sie bekam sie.","book":"Die Wochentage"} {"text":"Draußen vor der Fabrik standen in Haufen hoch aufgestapelte große Lumpenbündel,","book":"Die Lumpen"} {"text":"die von weit und breit gesammelt waren; jeder Lump hatte seine Geschichte,","book":"Die Lumpen"} {"text":"jeder führte seine Rede, aber man kann sie nicht alle zugleich hören. Einige","book":"Die Lumpen"} {"text":"Lumpen waren inländisch, andere waren aus fremden Landen. Hier lag nun ein","book":"Die Lumpen"} {"text":"dänischer Lump gleich neben einem norwegischen Lumpen; urdänisch war der eine,","book":"Die Lumpen"} {"text":"und stocknorwegisch war der andere, und das war das Komische an den beiden, wird","book":"Die Lumpen"} {"text":"jeder vernünftige Norweger und jeder vernünftige Däne sagen.","book":"Die Lumpen"} {"text":"Sie erkannten nun einander an der Sprache, obgleich jede von ihnen, sagte der","book":"Die Lumpen"} {"text":"Norweger, so verschieden war wie Französisch und Hebräisch. \"Wir gehen zur","book":"Die Lumpen"} {"text":"Quelle, um es ungefälscht und ursprünglich zu haben, und der Däne macht sich","book":"Die Lumpen"} {"text":"seine suzelsüße Quatschsprache.\"","book":"Die Lumpen"} {"text":"Die Lumpen redeten, und Lump ist Lump in jedem Lande, sie haben nur Geltung im","book":"Die Lumpen"} {"text":"Lumpenbündel.","book":"Die Lumpen"} {"text":"\"Ich bin norwegisch!\" sagte der Norweger. \"Und wenn ich sage, daß ich norwegisch","book":"Die Lumpen"} {"text":"bin, so glaube ich, genug gesagt zu haben! Ich bin fest von Gewebe wie die","book":"Die Lumpen"} {"text":"Urberge im alten Norwegen, dem Land, das eine Verfassung hat wie das freie","book":"Die Lumpen"} {"text":"Amerika! Es kitzelt mich in allen Fasern, zu denken, was ich bin, und den","book":"Die Lumpen"} {"text":"Gedanken mit Erzdröhnen in Granitworten erklingen zu lassen!\"","book":"Die Lumpen"} {"text":"\"Aber wir haben eine Literatur!\" sagte der dänische Lump. \"Verstehen Sie, was","book":"Die Lumpen"} {"text":"das ist?\"","book":"Die Lumpen"} {"text":"\"Verstehen!\" wiederholte der Norweger. \"Flachlandsbewohner, soll ich ihn zum","book":"Die Lumpen"} {"text":"Berg erheben und ihm mit Nordlichtern heimleuchten, Lapp, der er ist! Wenn das","book":"Die Lumpen"} {"text":"Eis vor der norwegischen Sonne taut, dann kommen dänische Lastbote zu uns hinauf","book":"Die Lumpen"} {"text":"mit Butter und Käse, recht eßbaren Waren! Und da kommt als Ballast dänische","book":"Die Lumpen"} {"text":"Literatur mit. Wir brauchen sie nicht! Man entbehrt gerne abgestandenes Bier da,","book":"Die Lumpen"} {"text":"wo die frische Quelle sprudelt, und hier ist es ein Brunnen, der nicht gebohrt","book":"Die Lumpen"} {"text":"ist, nicht zu europäischer Kenntnis geschwatzt durch Zeitungen, Cliquenwesen und","book":"Die Lumpen"} {"text":"Verfasserreisen in das Ausland. Frei rede ich von der Leber weg, und der Däne","book":"Die Lumpen"} {"text":"muß sich an die freien Tage gewöhnen, und das will er in seinem skandinavischen","book":"Die Lumpen"} {"text":"Anklammern an unser stolzes Felsenland, den Urstamm der Welt!\"","book":"Die Lumpen"} {"text":"\"So konnte nun niemals ein dänischer Lump reden!\" sagte der Däne. \"Das ist","book":"Die Lumpen"} {"text":"nicht unsere Natur. Ich kenne mich selbst, und wie ich sind alle unsere Lumpen;","book":"Die Lumpen"} {"text":"wir sind so gutmütig, so bescheiden, wir glauben so wenig an uns selbst, und","book":"Die Lumpen"} {"text":"damit gewinnt man freilich nichts, aber ich kann das so gut leiden, ich finde","book":"Die Lumpen"} {"text":"es so reizend. Übrigens, das kann ich Ihnen versichern, kenne ich vollständig","book":"Die Lumpen"} {"text":"meine eigenen Qualitäten, aber ich spreche nicht davon, eines solchen Fehlers","book":"Die Lumpen"} {"text":"soll mich keiner beschuldigen können. Ich bin weich und biegsam, ertrage alles,","book":"Die Lumpen"} {"text":"beneide keinen, spreche gut von allen, ungeachtet nicht viel Gutes von den","book":"Die Lumpen"} {"text":"meisten anderen zu sagen ist, aber laß sie dabei! Ich habe nur immer ein Lächeln","book":"Die Lumpen"} {"text":"dafür, denn ich bin so begabt!\"","book":"Die Lumpen"} {"text":"\"Sprechen Sie nicht diese weiche Flachlands-Kleister-Sprache zu mir, mich ekelt","book":"Die Lumpen"} {"text":"davor!\" sagte der Norweger und löste sich im Winde aus dem Bündel und kam in ein","book":"Die Lumpen"} {"text":"anderes hinüber.","book":"Die Lumpen"} {"text":"Papier wurden sie alle beide, und der Zufall wollte, daß der norwegische Lump","book":"Die Lumpen"} {"text":"ein Papier wurde, auf dem ein Nordländer einen treusinnigen Liebesbrief an ein","book":"Die Lumpen"} {"text":"dänisches Mädchen schrieb, und der dänische Lump wurde das Manuskript einer","book":"Die Lumpen"} {"text":"dänischen Ode zum Preis von Norwegens Herrlichkeit.","book":"Die Lumpen"} {"text":"Es kann auch etwas Gutes aus den Lumpen werden, wenn sie erst aus dem","book":"Die Lumpen"} {"text":"Lumpenbündel heraus sind und die Verwandlung geschehen ist zu Wahrheit und","book":"Die Lumpen"} {"text":"Schönheit, die in gutem Verstehen leuchten, und in diesem liegt der Segen.","book":"Die Lumpen"} {"text":"Das ist die Geschichte, sie ist ganz vergnüglich und verletzt niemand außer –","book":"Die Lumpen"} {"text":"den Lumpen.","book":"Die Lumpen"} {"text":"Und der Komet kam, schimmerte mit seinem Feuerkern und drohte mit seinem","book":"Der Komet"} {"text":"Schweif; er ward betrachtet aus dem reichen schloß, aus der armen Hütte, aus","book":"Der Komet"} {"text":"dem Menschengedränge auf der Straße und vvon dem einsamen Wanderer, der über die","book":"Der Komet"} {"text":"wegelose Heide schritt. Ein jeder hatte seinen Gedanken dabei.","book":"Der Komet"} {"text":"\"Kommt und seht das Zeichen des Himmel! Kommt und seht den prachtvollen","book":"Der Komet"} {"text":"Anblick!\" sagte man, und alle beeilten sich, zu sehen.","book":"Der Komet"} {"text":"Aber drinnen im Zimmer saßen noch ein kleiner Knabe und seine Mutter; das","book":"Der Komet"} {"text":"Talglicht brannte, und die Mutter glaubte, einen Hobelspan im Licht zu sehen;","book":"Der Komet"} {"text":"der Talg bildete eine Spitze und krümmte sich, das bedeutete, so glaubte sie,","book":"Der Komet"} {"text":"daß der kleine Knabe bald sterben müsse, der Hobelspan wandte sich ja ihm zu.","book":"Der Komet"} {"text":"Das war ein alter Aberglaube, und den teilte sie.","book":"Der Komet"} {"text":"Der kleine Knabe sollte aber noch viele Jahre auf der Erde leben, sollte leben","book":"Der Komet"} {"text":"und den Kometen sehen, wenn sich der nach mehr als sechzig Jahren wieder blicken","book":"Der Komet"} {"text":"ließ.","book":"Der Komet"} {"text":"Der kleine Knabe sah nicht den Hobelspan im Licht, dachte auch nicht an den","book":"Der Komet"} {"text":"Kometen, der zum erstenmal in seinem Leben vom Himmel herabschien. Er saß, eine","book":"Der Komet"} {"text":"genietete Spülkumme vor sich, da; in der Kumme war Seifenwasser und dahinein","book":"Der Komet"} {"text":"tauchte er den Kopf einer kleinen tönernen Pfeife, setzte dann die Röhre an den","book":"Der Komet"} {"text":"Mund und machte Seifenblasen, kleine und große; sie bebten und schwebten in den","book":"Der Komet"} {"text":"herrlichsten Farben, sie gingen von Rot in Gelb, in Lila und Balu über, und dann","book":"Der Komet"} {"text":"wurden sie grün wie das Blatt des Waldes, wenn die Sonne hindurchschimmert.","book":"Der Komet"} {"text":"\"Gott schenke dir so viele Jahre hier unten auf der Erde, wie du Seifenblasen","book":"Der Komet"} {"text":"machst!\"","book":"Der Komet"} {"text":"\"So viele, so viele!\" sagte der Kleine. \"Das Seifenwasser kann nie alle werden!\"","book":"Der Komet"} {"text":"Und der Kleine blies eine Blase nach der anderen in die Luft hinein.","book":"Der Komet"} {"text":"\"Da fliegt ein Jahr! Da fliegt noch ein Jahr! Sieh nur, wie sie fliegen!\" sagte","book":"Der Komet"} {"text":"er bei jeder Seifenblase, die sich loslöste und flog. Ein paar flogen ihm gerade","book":"Der Komet"} {"text":"in die Augen hinein; das biß und brannte, Tränen traten ihm in die Augen. In","book":"Der Komet"} {"text":"einer jeden Blase sah er ein Zukunftsbild, schimmernd, glitzernd.","book":"Der Komet"} {"text":"\"Jetzt kann man den Kometen sehen!\" riefen die Nachbarn, \"Kommt doch heraus und","book":"Der Komet"} {"text":"seht!\"","book":"Der Komet"} {"text":"Und die Mutter nahm den Kleinen bei der Hand, er mußte die tönerne Pfeife","book":"Der Komet"} {"text":"hinlegen, das Spiel mit den Seifenblasen unterbrechen; der Komet war da.","book":"Der Komet"} {"text":"Und der Kleine sah die schimmernde Feuerkugel mit dem strahlenden Schweif,","book":"Der Komet"} {"text":"einige sagten, er sei drei Ellen lang, andere behaupteten, er messe Millionen","book":"Der Komet"} {"text":"Ellen; man sieht so verschieden.","book":"Der Komet"} {"text":"Die Meisten von denen, die das sagten, waren auch tot und begraben, als er","book":"Der Komet"} {"text":"sich wieder zeigte; aber der kleine Knabe, für den sich der Hobelspan im Licht","book":"Der Komet"} {"text":"gebildet hatte und von dem die Mutter glaubte, daß er bald sterben würde, der","book":"Der Komet"} {"text":"lebte noch, war als und weißhaarig. \"Weiße Haare sind die Blüten des Alters!\"","book":"Der Komet"} {"text":"sagt das Sprichwort, und er hatte viele von den Blüten; er war jetzt ein alter","book":"Der Komet"} {"text":"Schulmeister.","book":"Der Komet"} {"text":"Die Schulkinder sagten, er sei so klug, er wisse so viel, er wußte Geschichte","book":"Der Komet"} {"text":"und Geographie und was man von den Himmelskörpern kennt.","book":"Der Komet"} {"text":"\"Aller kehrt wieder!\" sagte er. \"Gebt nur acht auf die Personen und Ereignisse,","book":"Der Komet"} {"text":"und ihr werdet erfahren, daß sie alle wiederkehren, in anderem Gewand, in","book":"Der Komet"} {"text":"anderem Land.\"","book":"Der Komet"} {"text":"Und der Schulmeister hatte gerade von Wilhelm Tell erzählt, der einen Apfel","book":"Der Komet"} {"text":"von seines Sohnes Haupt schießen mußte, aber ehe er den Pfeil abschoß, barg er","book":"Der Komet"} {"text":"einen zweiten auf seiner Brust, um ihn dem bösen Geßler ins Herz zu schießen.","book":"Der Komet"} {"text":"Das geschah in der Schweiz, aber viele Jahre früher war genau dasselbe in","book":"Der Komet"} {"text":"Dänemark mit Palnatoke geschehen; der sollte auch einen Apfel von seines","book":"Der Komet"} {"text":"Sohnes Haupt schießen und steckte, wie Tell, einen Pfeil beiseite, mit dem er","book":"Der Komet"} {"text":"sich rächen wollte; und vor mehr als tuasend Jahren ward dieselbe Geschichte","book":"Der Komet"} {"text":"niedergeschrieben, die sich in Ägypten zugetragen hatte; es kehrt alles wieder","book":"Der Komet"} {"text":"so wie die Kometen, sie fahren hin verschwinden und kehren wieder.","book":"Der Komet"} {"text":"Und der sprach von dem Kometen, der erwartet wurde, von dem Kometen, den er","book":"Der Komet"} {"text":"als kleiner Junge gesehen hatte. Der Schullehrer kannte die Himmelskörper,","book":"Der Komet"} {"text":"dachte über sie nach, vergaß aber darüber keineswegs die Weltgeschichte und die","book":"Der Komet"} {"text":"Geographie.","book":"Der Komet"} {"text":"Seinen Garten hatte er in der Form der Landkarte von Dänemark angelegt. Hier","book":"Der Komet"} {"text":"standen Kräuter und Blumen, wie sie in den verschiedenen Gegenden des Landes","book":"Der Komet"} {"text":"Heimisch sind. \"Holt mir Erbsen!\" sagte er, und dann ging man nach dem Beet,","book":"Der Komet"} {"text":"das Laaland darstellte. \"Holt mir Buchweizen!\" und dann ging man nach Langeland.","book":"Der Komet"} {"text":"Der schöne blaue Enzian und der Porsch waren hoch oben bei Skagen zu finden,","book":"Der Komet"} {"text":"der schimmernde Christdorn drüben bei Silkeborg. Die Städte selber waren durch","book":"Der Komet"} {"text":"Postamente angedeutet. Hier stand St. Knud mit dem Lindwurm, das bedeutete","book":"Der Komet"} {"text":"Odense; Absalom mit dem Bischofsstab bedeutete Sorö; das kleine Fahrzeug","book":"Der Komet"} {"text":"mit den Rudern war das Kennzeichen, daß hier Aarhus lag. Aus dem Garten des","book":"Der Komet"} {"text":"Schulmeistern lernte man sehr gut die dänische Landkarte; aber erst mußte man ja","book":"Der Komet"} {"text":"von ihm belehrt werden, und das war gar ergötzlich.","book":"Der Komet"} {"text":"Jetzt war der Komet in Aussicht, und von dem erzählte er, und er erzählte auch,","book":"Der Komet"} {"text":"wad die Leute in alten Zeiten, als er zuletzt hier war, gesagt und geweissagt","book":"Der Komet"} {"text":"hatten. \"Das Kometenjahr ist ein gutes Weinjahr!\" sagte er. \"Man kann den Wein","book":"Der Komet"} {"text":"mit Wasser verdünnen, ohne das es jemand merkt. Die Weinhändler sollen die","book":"Der Komet"} {"text":"Kometenjahre sehr lieben.\"","book":"Der Komet"} {"text":"Vierzehn Tage und vierzehn Nächte war die ganze Luft mit Wolken angefüllt, man","book":"Der Komet"} {"text":"konnte den Kometen nicht sehen, aber er war da.","book":"Der Komet"} {"text":"Der alte Schulmeister saß in seiner kleinen Kammer dicht neben der Schulstube.","book":"Der Komet"} {"text":"Die Bornholmer Uhr aus der Zeit seiner Eltern stand in der Ecke, die schweren","book":"Der Komet"} {"text":"Bleilote hoben sich nicht und sanken auch nicht. der Perpendikel rührte sich","book":"Der Komet"} {"text":"niocht; der kleine Kuckuck, der ehemals herauskam und die Stunden rief, hatte","book":"Der Komet"} {"text":"mehrere Jahre lang schweigend hinter dem geschlossenen Deckel gesessen; alles","book":"Der Komet"} {"text":"war stumm und still da drinnen, die Uhr ging nicht mehr. Aber das alte Kalvier","book":"Der Komet"} {"text":"dicht dabei, das auch aus der Zeit der Eltern stammte, hatte noch Leben, die","book":"Der Komet"} {"text":"Saiten konnten noch klingen, freilich ein wenig heiser, konnten die Melodien","book":"Der Komet"} {"text":"eines ganzen Menschanalters singen. Der alte Mann ward dadurch an so vieles","book":"Der Komet"} {"text":"erinnert, an Frohes und Traurioges, während einer ganzen Reihe von Jahren,","book":"Der Komet"} {"text":"von der Zeit an, da er als kleiner Knabe den Kometen sah, bis auf heute, wo","book":"Der Komet"} {"text":"er wieder hier war. Er erinnerte sich dessen, was die Mutter von dem Hobelspan","book":"Der Komet"} {"text":"im Licht gesagt hatte, er erinnerte sich der herrlichen Seifenblasen, die er","book":"Der Komet"} {"text":"gemacht hatte; eine jede sei ein Lebensjahr, hatte sie gesagt, wie schimmernd,","book":"Der Komet"} {"text":"wie farbenreich! Alles Schöne und Erfreuliche hatte er darin gesehen:","book":"Der Komet"} {"text":"Kinderspiele und Jugendlust, die ganze weite Welt lag im Sonnenschein offen","book":"Der Komet"} {"text":"vor ihm, und dahinaus sollte er! Es waren Zukunftsblasen. Als alter Mann","book":"Der Komet"} {"text":"tönnten ihm aus den Saiten des Klaviers Melodien aus entschwundenen Zeiten","book":"Der Komet"} {"text":"entgegen: Erinnerungsblasen mit dem Farbenschimmer der Erinnerungen; da erklang","book":"Der Komet"} {"text":"Großmutters Stricklied:","book":"Der Komet"} {"text":"\"Wohl keine Amazone hat","book":"Der Komet"} {"text":"den ersten Strumpf gestrickt.\"","book":"Der Komet"} {"text":"Da erklang das Lied, da die alte Magd des Hauses ihm als Kind gesungen:","book":"Der Komet"} {"text":"\"Gar mancherlei Gedanken","book":"Der Komet"} {"text":"hienieden muß bestehn,","book":"Der Komet"} {"text":"wer jung und unerfahren","book":"Der Komet"} {"text":"und wenig hat gesehn!\"","book":"Der Komet"} {"text":"Ja, dann ertönten die Melodien, von dem ersten Ball, ein Menuett und ein","book":"Der Komet"} {"text":"Molinaski; jetzt klangen weiche, wehmutsvolle Töne, die Augen des alten","book":"Der Komet"} {"text":"Mannes füllten sich mit Tränen, jetzt brauste ein Kriegsmarsch, jetzt kam ein","book":"Der Komet"} {"text":"geistliches Lied, dann folgten untere Töne, eine Blase nach der andern, wie","book":"Der Komet"} {"text":"zu der Zeit, da er als kleiner Knabe Blasen aus dem Seifenwasser in die Luft","book":"Der Komet"} {"text":"hinausgesandt hatte.","book":"Der Komet"} {"text":"Sein Auge war auf das Fenster gerichtet, eine Wolke da draußen am Himmel glitt","book":"Der Komet"} {"text":"fort, er sah in der klaren Luft den Kometen, seinen schimmernden Kern, einen","book":"Der Komet"} {"text":"leuchtenden Nebelschleier.","book":"Der Komet"} {"text":"Es war, als habe er ihn erst gestern abend gesehen, und doch lag ein ganzes","book":"Der Komet"} {"text":"reiches Menschenleben zwischen damals und jetzt; damals war er ein Kind und sah","book":"Der Komet"} {"text":"in den Blasen \"vorwärts,\" jetzt zeigten die Blasen \"zurück.\" In ihm regten sich","book":"Der Komet"} {"text":"Kindersinn und Kinderglaube, seine Augen strahlten, seine Hand sank auf die","book":"Der Komet"} {"text":"Tasten nieder – es klang, als zerspringe eine Saite.","book":"Der Komet"} {"text":"\"Kommt doch und seht, der Komet ist da!\" wurde von den Nachbarn gerufen. \"Der","book":"Der Komet"} {"text":"Himmel ist so herrlich klar! Kommt doch heraus, damit ihr ihn recht sehen","book":"Der Komet"} {"text":"könnt!\"","book":"Der Komet"} {"text":"Der alte Schulmeister antwortete nicht, er war auf dem Wege dahin, wo man so","book":"Der Komet"} {"text":"recht sehen kann; seine Seele schwebte auf größeren Bahnen, in einen weiteren","book":"Der Komet"} {"text":"Raume, als ihn der Komet durchfliegt. Und der Komet ward wieder von allen","book":"Der Komet"} {"text":"betrachtet, aus dem reichen Schloß, aus der armen Hütte, aus dem Gedränge auf","book":"Der Komet"} {"text":"der Straße und von dem Einsamen auf der wegelosen Heide. Die Seele des alten","book":"Der Komet"} {"text":"Mannes aber schaute Gott an, schaute die lieben Heimgegangenen an, nach denen er","book":"Der Komet"} {"text":"sich geseht hatte.","book":"Der Komet"} {"text":"\"Jetzt werde ich erzählen!\" sagte der Wind.","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"\"Nein, erlauben Sie,\" sagte das Regenwetter, \"jetzt ist die Reihe an mir! Sie","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"haben lange genug an der Straßenecke gestanden und haben geheult, was Sie heulen","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"konnten!\"","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"\"Ist das der Dank,\" sagte der Wind, \"weil ich Ihnen zur Ehre manchen Regenschirm","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"umgekippt, ja zerknickt habe, wenn die Leute nichts von Ihnen wissen wollten!\"","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"\"Ich erzähle!\" sagte der Sonnenschein. \"Still!,\" und das wurde mit Glanz","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"und Majestät gesagt, so daß der Wind sich legte, so lang er war, aber das","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Regenwetter rüttelte den Wind und sagte: \"Daß wir das ertragen müssen! Sie","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"bricht immer durch, diese Madame Sonnenschein. Wir wollen sie nicht anhören! Es","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"ist der Mühe nicht wert!\"","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Und der Sonnenschein erzählte:","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"\"Es flog ein Schwan über das rollende Meer dahin, jede Feder desselben leuchtete","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"wie Gold; eine Feder fiel herab auf das große Kaufmannsschiff, welches mit","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"vollen Segeln vorüberglitt; die Feder fiel auf den Lockenkopf eines jungen","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Mannes, des Beaufsichtigers der Waren, Superkargo nannten sie ihn. Die Feder des","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Glücksvogels berühre seine Stirn, wurde zur Schreibfeder in seiner Hand, und er","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"wurde bald der reiche Kaufmann, der sich schon Sporen von Gold kaufen und eine","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"goldne Schüssel in einen Adelsschild verwandeln konnte; ich habe den Schild","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"beschienen!\" sagte der Sonnenschein.","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"\"Der Schwan flog über die grüne Wiese dahin, wo der kleine Schafhüter, ein","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Knaben von sieben Jahren, sich in den Schatten des alten einzigen Baumes","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"hingestreckt hatte. Und der Schwan in seinem Fluge küßte ein Blatt des Baumes","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"und das Blatt fiel herab, in die Hand des Knaben, und dieses eine Blatt wurde","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"zu dreien, wurde zu zehn Blättern, wurde zu einem ganzen Buch, und der Knabe las","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"in demselben von den Wunderwerken der Natur, von der Muttersprache, von Glauben","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"und Wissen. Wenn er schlafen ging, legte er das Buch unter seinen Kopf, damit er","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"nicht vergessen möchte, was er gelesen, und das Buch trug ihn auf die Schulbank","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"und zu dem Tische des Gelehrten. Ich habe seinen Namen unter denen der Gelehrten","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"gelesen!\" sagte der Sonnenschein.","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Der Schwan flog in die Waldeinsamkeit, ruhte sich dort aus auf den stillen","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"dunklen Seen, wo die Wasserlilien blühen, wo die wilden Waldäpfel wachsen und","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"des Kuckucks und der Waldtaube Heimat ist.","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Eine arme Frau las dort Reisig auf; herabgefallene Baumzweige, die sie in einem","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Bündel auf ihrem Rücken trug, ihr Kind trug sie an der Brust, und so wanderte","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"sie ihren Weg nach Hause. Sie sah den goldenen Schwan, den Glücksschwan, sich","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"von dem schilfbewachsenen Ufer emporschwingen. Was glänzte dort? Ein goldiges","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Ei; es war noch warm. Sie legte es an ihre Brust, und es blieb warm, das Ei","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"hatte gewiß Leben. Ja, es tickte hinter der Schale; sie fühlte das und glaubte,","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"es sei ihr eigenes Herz, welches klopfte.","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Zu Hause in ihrem ärmlichen Stübchen nahm sie das Goldei hervor. Ticktick! sagte","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"es, als sei es eine köstliche goldene Uhr, aber es war ein Ei mit lebendigem","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Leben. Das Ei platzte, ein kleines Schwanenjunges, wie aus dem reisten Gold,","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"strecke das Köpfchen hervor; das Junge hatte vier Ringe und den Hals, und da die","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"arme Frau gerade vier Knaben, drei zu Hause und den vierten, den sie bei sich in","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"der Waldeinsamkeit getragen, hatte, so begriff sie sogleich, daß hier ein Ring","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"für jedes der Kinder sei, und indem sie das begriff, flog der kleine Goldvogel","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"davon.","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Sie küßte jeden Ring, ließ jedes der Kinder einen von den Ringen küssen, legte","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"diesen an das Herz des Kindes und steckte ihn an seinen Finder.","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"\"Ich sah dies alles\" sagte der Sonnenschein, \"ich sah auch, was darauf geschah.","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Der eine Knabe setzt sich an den Lehmgraben, nahm einen Klumpen Lehm zur Hand,","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"drehte und formte ihn mit den Fingern, und es wurde eine Jasongestalt daraus,","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"die, welche das Goldene Vlies geholt hatte.","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Der zweite der Knaben lief sogleich auf die Wiese hinaus, wo Blumen in allen","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"denkbaren Farben standen; er pflückte eine Handvoll, drückte sie, daß der Saft","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"ihm in die Augen spritzte und den Ring benetzt; es kribbelte und krabbelte in","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Gedanken und in der Hand, und nach Jahren und Tagen sprach die große Stadt von","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"dem großen Meister.","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Der dritte der Knaben hielt den Ring so fest in seinem Mund, daß er Klang","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"und Widerhall vom Herzboden gab, Gefühle und Gedanken stiegen empor in Tönen,","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"stiegen empor wie singende Schwäne, tauchten wie Schwäne hinab in den tiefen","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"See, den tiefen See der Gedanken; er wurde ein Meister der Töne, jedes Land kann","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"nun sagen: 'Mir gehört er an!'","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Der vierte Kleine, ja, der war nun der Zurückgesetzte; er habe den Pips, sagten","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"die Leute, er müsse Pfeffer und Butter haben, wie die kranken Hühner, geschmiert","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"werden - und das meinten sie nun in ihrem Sinne, und Schmiere bekam er, aber","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"von mir bekam er einen Sonnenschein-Kuß!\" sagte der Sonnenschein. \"Er bekam zehn","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Küsse für einen. Er war eine Dichter-Natur, er wurde gebliebkost und geküßt;","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"aber den Glücksring hatte er vom goldenen Schwan des Glücks. Seine Gedanken","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"flogen aus wie singende Schmetterlinge, der Unsterblichkeit Symbol.\"","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"\"Das war eine lange Geschichte!\" sagte der Wind.","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"\"Und langweilig!\" sagte das Regenwetter. \"Blase mich an, daß ich mich wieder","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"erhole!\"","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Und der Wind blies, und der Sonnenschein erzählte:","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"\"Der Glücksschwan flog über den tiefen Meerbusen dahin, wo die Fischer ihr Garn","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"ausgeworfen hatte. Der ärmste derselben dachte daran, sich zu verheiraten und er","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"heiratete.","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Ihm brachte der Schwan ein Stück Bernstein, und der Bernstein zieht an, er zog","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"die Herzen ans Haus heran. Bernstein ist die schönste Räucherung. Es kam ein","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Duft ins Haus wie aus der Kirche, ein Duft wie aus der Natur Gottes. Er und","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"die Seinen empfangen so recht das Glück des häuslichen Lebens, Zufriedenheit n","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"kleinen Verhältnisse, und ihr Leben gestaltete sich deshalb auch zu einer ganzen","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Sonnenschein-Geschichte.\"","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"\"Brechen wir aber jetzt ab!\" sagte der Wind. \"Nun hat der Sonnenschein lange","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"genug erzählt. Ich habe mich gelangweilt!\"","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"\"Ich auch,\" sagte das Regenwetter.","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Was sagen nun wir anderen, die wir die Geschichten gehört haben?","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Wir sagen: \"Nun sind sie aus!.\"","book":"Sonnenschein-Geschichten"} {"text":"Hühner-Grete war der einzige ansässige Mensch in dem neuen stattlichen Haus,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"das für die Hühner und Enten auf dem Rittergut gebaut war; es stand da, wo das","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"alte Ritterschloß gestanden hatte, mit Turm, gezacktem Giebel, Wallgraben und","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Zugbrücke. Dicht daneben war eine Wildnis von Bäumen und Büschen; hier war einst","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"der Garten gewesen, er hatte sich bis hinab an den großen See erstreckt, der","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"jetzt nur noch ein Moor war. Krähen, Dohlen und Elstern flogen mit Schreien und","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Krächzen über die alten Bäume hin, eine wimmelnde Menge von Vögeln; es wurden","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"ihrer nicht weniger, wenn man in den Schwarm hineinschoß, sie vermehrten sich","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"eher noch. Man konnte sie bis ins Hühnerhaus hinein hören, wo Hühner-Grete saß","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"und die kleinen Entlein ihr über die Holzschuhe liefen. Sie kannte jedes Huhn,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"jede Ente, von dem Augenblick an, wo sie aus dem Ei krochen. Wie stolz war sie","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"auf ihre Hühner und ihre Enten, stolz auf das stattliche Haus, das jetzt für","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"sie gebaut war. Reinlich und nett war ihre kleine Stube, das verlangte die Frau","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"des Gutsbesitzers, der das Hühnerhaus gehörte; sie kam oft mit ihren feinen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"vornehmen Gästen hierher und zeigte die Hühner- und Entenkaserne, wie sie das","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Hühnerhaus nannte.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Da waren ein Kleiderschrank und ein Lehnstuhl, ja, da war auch eine Kommode,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"und darauf stand eine blankgeputzte Messingplatte aufgestellt, in die das Wort","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Grubbe\" eingraviert war, und das war gerade der Name des alten hochadligen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Geschlechts, das hier in der Ritterburg gewohnt hatte. Die Platte war gefunden","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"worden, als man hier grub, und der Küster sagte, sie habe keinen weiteren Wert","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"als den einer alten Erinnerung. Der Küster wußte gut Bescheid über das Gut","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"und die alten Zeiten, er hatte seine Gelehrsamkeit aus Büchern; es lag so viel","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Geschriebenes in seiner Tischschublade. Er wußte viel von den alten Zeiten, aber","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"die älteste Krähe wußte vielleicht doch noch mehr und schrie es auf ihre Sprache","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"in die Welt hinaus, die verstand jedoch der Küster nicht, wie klug er auch war.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Nach einem warmen Sommertag konnte das Moor so dunsten, daß es vor den alten","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Bäumen, in denen die Krähen, Dohlen und Elstern hausten, dalag wie ein ganzer","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"See; so hatte es hier ausgesehen, als Ritter Grubbe noch lebte und das alte","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Schloß mit roten, dicken Mauern dastand. Damals reichte die Hundekette ganz","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"bis vor das Tor; durch den Turm gelangte man in den steingepflasterten Gang,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"der zu den Gemächern führte. Die Fenster waren schmal, die Fensterscheiben","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"klein, selbst in dem großen Saal, wo der Tanz abgehalten wurde, aber zur Zeit","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"des letzten Grubbe war seit Mannesgedenken nicht getanzt worden, und doch","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"lag da eine alte Kesseltrommel, die bei der Musik benutzt worden war. Hier","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"stand ein kunstvoll geschnitzter Schrank, darin wurden seltene Blumenzwiebeln","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"aufbewahrt, denn Frau Grubbe liebte es, zu pflanzen und Bäume und Kräuter zu","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"ziehen; ihr Gemahl ritt lieber aus, um Wölfe und Wildschweine zu schießen und","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"stets begleitete ihn seine kleine Tochter Marie. In einem Alter von fünf Jahren","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"saß sie stolz zu Roß und sah mit großen schwarzen Augen kühn um sich. Es war","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"ihre Lust, mit der Peitsche zwischen die Jagdhunde zu schlagen; der Vater sah","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"es freilich lieber, daß sie zwischen die Bauernjungen schlug, die kamen, um die","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Herrschaft vorbeireiten zu sehen.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Der Bauer in der Erdhütte dicht am Schloß hatte einen Sohn Sören im selben","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Alter mit der kleinen hochadeligen Jungfer, er verstand sich auf das Klettern","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"und mußte immer in die Bäume hinauf, um Vogelnester für sie auszunehmen. Die","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Vögel schrieen, so laut sie nur schreien konnten, und einer der größten hackte","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"ihn gerade über das Auge, so daß das Blut herausströmte, man glaubte, das","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Auge sei mit draufgegangen, aber es hatte doch keinen Schaden gelitten. Marie","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Grubbe nannte ihn ihren Sören, das war eine große Gunst, und die kam dem Vater,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"dem dummen Jörn, zugute; er hatte sich eines Tages versehen, sollte gestraft","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"werden und auf dem hölzernen Pferd reiten: das stand auf dem Hofe mit vier","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Pfählen statt der Beide und einem schmalen Brett als Rücken; darüber solle","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Jörn rittlings reiten, und ein paar schwere Mauersteine sollten ihm an die","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Beine gebunden werden, damit er nicht allzuleicht saß; er schnitt schreckliche","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Grimassen, Sören weinte und flehte die kleine Marie an; sofort befahl sie, daß","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Sörens Vater heruntersteigen solle, und als man ihr nicht gehorchte, stampfte","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"sie mit den Füßen auf das Steinpflaster und zerrte an des Vaters Rockärmel, so","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"daß er zerriß. Sie wollte, was sie wollte, und sie bekam ihren Willen, Sörens","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Vater wurde befreit.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Frau Grubbe, die herzukam strich ihrer kleinen Tochter über das Haar und sah sie","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"mit sanften Augen an, Marie verstand nicht, weshalb.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Zu den Jagdhunden wollte sie hinein und nicht mit der Mutter gehen, die dem","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Garten zuschritt, hinab an den See, wo die Wasserrosen in Blüte standen, wo sich","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Rohrkolben und Wasserviolen zwischen dem Röhricht wiegten; sie betrachtete all","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"die Üppigkeit und Frische. \"Wie angenehm!\" sagte sie. In dem Garten stand ein","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"zu jener Zeit seltener Baum, den sie selbst gepflanzt hatte, \"Blutbuche\" wurde","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"er genannt, eine Art Mohr zwischen den andern Bäumen, so schwarzbraun waren die","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Blätter; er mußte starken Sonnenschein haben, sonst würde er im Schatten grün","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"werden wie die andern Bäume und also seine Eigentümlichkeit verlieren. In den","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"hohen Kastanien waren viele Vogelnester, ebenso in den Büschen und zwischen den","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"grünen Kräutern. Es war, als wüßten die Vögel, daß sie hier geschützt waren,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"hier durfte niemand mit der Flinte knallen.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Die kleine Marie kam mit Sören hierher; daß er klettern konnte, wissen wir,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"und es wurden Eier und flaumige Junge aus den Nestern geholt. Die Vögel flogen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"in Angst und Schrecken davon, kleine und große flogen! Der Kiebitz draußen vom","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Felde, Dohlen, Krähen und Elstern flogen in die hohen Bäume und schrieen und","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"schrieen, es war ein Geschrei, wie es das Vogelvolk noch heutigentags anstimmen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"kann.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Was macht ihr denn da, Kinder? rief die sanfte Frau. \"Das ist ja ein gottloses","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Unterfangen!\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Sören stand ganz verlegen da, die kleine hochadelige Jungfer sah auch ein wenig","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"zur Seite, dann aber sagte sie kurz und energisch. \"Mein Vater erlaubt es mir!\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Raus! Raus!\" schrieen die großen schwarzen Vögel und flogen davon; am nächsten","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Tage aber kamen sie wieder, denn hier waren sie zu Hause.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Die stille, sanfte Frau hingegen behielt ihr Heim dort nicht lange, der liebe","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Gott nahm sie zu sich, bei ihm hatte sie auch ihre wirkliche Heimat, weit mehr","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"als hier im Schloß; und die Kirchenglocken läuteten prächtig, als ihre Leiche","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"zur Kirche gefahren wurde, die Augen der armen Leute wurden feucht, denn sie war","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"ihnen eine gute Herrin gewesen.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Als sie heimgegangen war, nahm sich niemand ihrer Anpflanzungen an, und der","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Garten verfiel.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Herr Grubbe sei ein harter Mann, so sagte man, aber die Tochter, so jung sie","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"auch war, konnte ihn zügeln; er mußte lachen, und sie bekam ihren Willen. Jetzt","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"war sie zwölf Jahre alt und starkgliedrig von Wuchs; sie sah mit ihren schwarzen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Augen gerade in die Menschen hinein, ritt ihr Pferd wie ein Bursche und schoß","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"ihre Büchse ab wie ein geübter Jäger.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Es kam hoher Besuch in die Gegend der allervornehmste, der junge König und sein","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Halbbruder und Kamerad, Herr Ulrik Frederik Gyldenlöve; sie wollten dort wilde","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Schweine schießen und in Herrn Grubbes Schloß übernachten.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Gyldenlöve saß bei Tische neben Marie Grubbe, er nahm ihren Kopf zwischen beide","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Hände und gab ihr einen Kuß, als wenn sie miteinander verwandt gewesen wären,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"sie aber gab ihm einen Schlag auf den Mund und sagte, sie könne ihn nicht","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"ausstehen, und darüber ward weidlich gelacht, als wenn es etwas Ergötzliches","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"sei.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Das ist es vielleicht auch gewesen; denn fünf Jahre später, als Marie ihr","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"siebzehntes Jahr vollendet hatte, kam ein Bote mit einem Brief; Herr Gyldenlöve","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"bat um die Hand der hochadeligen Jungfer; das war etwas!","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Es ist der vornehmste und galanteste Herr im Reich!\" sagte Herr Grubbe. \"Das","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"ist nicht zu verachten!\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Viel mache ich mir nicht aus ihm!\" sagte Marie Grubbe, aber sie wies den","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"vornehmsten Mann des Landes nicht ab, der an des Königs Seite saß.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Silbergerät, Leinenzeug und gewebte Wollstoffe gingen per Schiff nach","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Kopenhagen; sie machte die Reise zu Land in zehn Tagen. Die Aussteuer hatte","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"widrigen Wind oder gar keinen Wind; es vergingen vier Monate, bis sie ankam, und","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"als sie kam, war Frau Gyldenlöve weg.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Eher will ich auf hedenem LaKen liegen als in seinem seidenen Bett!\" sagte sie.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Lieber gehe ich auf bloßen Beinen, als das ich mit ihm in der Kutsche fahre!\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"An einem späten Abend im November kamen zwei Frauen in die Stadt Aarhus","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"geritten, es waren Gyldenlöves Gemahlin, Marie Grubbe, und ihre Magd; sie","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"kamen aus Vejle, dahin waren sie per Schiff von Kopenhagen gekommen. Sie ritten","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"nach Herrn Grubbes festgemauertem Schloß. Er war nicht sehr erfreut über den","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Besuch. Er empfing sie mit zornigen Worten, gab ihr aber doch eine Kammer, in","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"der sie ausruhen konnte. Speise und Trank erhielt sie, aber keine freundliche","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Behandlung; all das Böse, das im Vater wohnte, kam gegen sie zum Vorschein,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"und daran war sie nicht gewöhnt; auch sie war nicht sanften Sinnes, und wie","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"man in den Wald hineinruft, so ruft es wieder heraus; sie gab bissige Antworten","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"und sprach mit Haß und Bitterkeit von ihrem Eheherrn, mit dem sie nicht leben","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"wollte, weil sie zu ehrbar und anständig war.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"So verging ein Jahr, und es verging nicht gerade ergötzlich. Es fielen böse","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Worte zwischen Vater und Tochter, und das sollte niemals sein. Böse Worte tragen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"böse Frucht. Was für ein Ende sollte das nehmen?","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Wir beide können nicht unter einem Dache bleiben,\" sagte eines Tages der Vater.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Ziehe du fort von hier auf unser altes Gut, aber beiße dir eher die Zunge ab,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"als daß du Lügen in Umlauf bringst!\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Und dann schieden die beiden voneinander; sie zog mit ihrer Magd nach dem alten","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Gut, wo sie geboren und aufgewachsen war, wo die stille, fromme Frau, ihre","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Mutter, in der Grabkammer der Kirche lag; ein alter Viehhirt wohnte auf dem Gut,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"das war die ganze Dienerschaft. In den Zimmern hing Spinnengewebe, schwarz und","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"schwer von Staub, der Garten wuchs so, wie er wollte, Hopfenranken und Winden","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"schlangen ein Netz zwischen Bäume und Büsche, Schierling und Nessel breiteten","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"sich immer dichter und kräftiger aus. Die Blutbuche war überwuchert und stand im","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Schatten, ihre Blätter waren jetzt grün wie die der anderen gewöhnlichen Bäume,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"mit ihrer Herrlichkeit war es vorbei. Dohlen, Krähen und Elstern flogen, ein","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"wimmelnder Schwarm, über den hohen Kastanienbäumen hin, da war ein Lärmen und","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Schreien, als hätten sie einander wichtige Neuigkeiten zu erzählen. Jetzt war","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"sie wieder hier, die Kleine, die ihre Eier und Jungen hatte stehlen lassen; der","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Dieb selber, der sie holte, kletterte jetzt draußen auf blätterlosen Bäumen, saß","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"in dem hohen Mast und bekam seine tüchtigen Prügel mit dem Tauende, wenn er sich","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"nicht schickte.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Das alles erzählte in unserer Zeit der Küster; er hatte es gesammelt und","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"aus Büchern und Aufzeichnungen zusammengestellt; es lag mit viel anderem","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Geschriebenen in der Tischschublade.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Auf und nieder, das ist der Welt Lauf!\" sagte er. \"Es ist wunderlich zu hören!\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"- und wir wollen gern hören, wie es Marie Grubbe erging, deswegen vergessen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"wir doch die Hühner-Grete nicht, sie sitzt zu unserer Zeit in ihrem stattlichen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Hühnerhaus. Marie Grubbe saß zu ihrer Zeit auf dem alten Gut, aber nicht mit dem","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"zufriedenen Sinn wie die alte Hühner-Grete.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Der Winter verging, der Frühling und der Sommer vergingen, dann kam wieder","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"die rauhe, stürmische Herbstzeit mit den nassen, kalten Meernebeln. Es war ein","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"einsames Leben, ein eintöniges Leben dort auf dem Gut.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Da nahm Marie Grubbe ihre Flinte und ging in die Heide hinaus, schoß Hasen und","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Füchse, schoß, was sie nur treffen konnte. Da draußen begegnete sie mehr als","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"einmal dem adligen Herrn Paale Dyre aus Nörrebak, auch er ging mit seiner Flinte","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"und mit seinen Hunden. Er war groß und stark, des rühmte er sich, wenn sie","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"miteinander redeten. Er hätte sich mit dem seligen Herrn Brokkenhuus auf Egeskov","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"auf Fünen messen können, von dessen Stärke soviel Wesens gemacht wurde. - Palle","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Dyre hatte nach seinem Beispiel in seinem Tor eine eiserne Kette mit einem","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Jägerhorn aufhängen lassen, und wenn er nach Hause ritt, ergriff er die Kette,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"hob sich mit dem Pferd von der Erde und blies auf dem Horn.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Kommt selbst und seht es Euch an, Frau Marie!\" sagte er. \"Auf Nörrebak weht ein","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"frischer Wind!\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Wann sie auf sein Schloß kam steht nicht aufgezeichnet, aber auf den Leuchtern","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"in der Nörrebaker Kirche war zu lesen, daß sie von Palle Dyre und Marie Grubbe","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"auf Nörrebak geschenkt seien.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Körper und Kräfte hatte Palle Dyre, er trank wie ein Schwamm, er war wie eine","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Tonne, die nicht zu füllen ist, er schnarchte wie ein ganzer Schweinestall; rot","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"und aufgedunsen sah er aus.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Verschlagen und boshaft ist er!\" sagte Frau Palle Dyre, Grubbes Tochter. Bald","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"hatte sie das Leben satt, aber dadurch wurde es doch nicht besser.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Eines Tages stand der Tisch gedeckt, und das Essen wurde kalt; Palle Dyre war","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"auf der Fuchsjagd, und die Hausfrau war nicht zu finden. - Palle Dyre kam um","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Mitternacht wieder, Frau Dyre kam weder um Mitternocht noch am Morgen, sie hatte","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Nörrebak den Rücken gewendet, war ohne Gruß und Abschied davongeritten.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Es war graues, nasses Weter; der Wind wehte kalt, es flog ein Schwarm schwarzer","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"schreiender Vögel über sie hin, sie waren nicht so obdachlos wie sie.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Zuerst zog sie gen Süden, ganz hinunter bis an das Deutsche Reich, ein paar","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"goldene Ringe mit kostbaren Steinen wurden in Geld umgesetzt, dann ging sie gen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Osten, dann kehrte sie um und ritt wieder gen Westen, sie hatte kein Ziel vor","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Augen, sie war zornig auf alle, selbst auf den lieben Gott, so elend war ihr","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Sinn; bald war auch ihr Körper elend, sie konnte kaum mehr den Fuß rühren. Der","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Kiebitz flog von seinem Erdhaufen aus, als sie darüberstrauchelte; der Vogel","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"schrie: \"Du Dieb! Du Dieb!,\" wie er immer zu schreien pflegt. Nie hatte sie","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"ihres Nächsten Gut gestolen, aber Vogeleier und junge Vögel hatte sie sich als","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"kleines Mädchen aus Erdhaufen und Bäumen holen lassen; daran dachte sie jetzt.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Da, wo sie lag, konnte sie die Dünen am Strande sehen. Dort wohnten Fischer,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"aber so weit konnte sie nicht kommen, sie war zu krank dazu. Die großen weißen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Strandmöwen kamen über sie hingeflogen und schrieen, wie daheim die Dohlen,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"die Krähen und die Elstern über den Bäumen des Gartens geschrieen hatten. Die","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Vögel flogen ganz nahe an sie heran, schließlich schien es ihr, als würden sie","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"kohlschwarz, aber dann ward es auch Nacht vor ihren Augen.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Als sie die Augen wieder aufschlug, war sie gehoben und getragen; ein großer,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"starker Bursche hatte sie auf seine Arme genommen. Sie sah ihm gerade in sein","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"bärtiges Gesicht, er hatte eine Narbe über dem Auge, so daß die Augenbraue","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"gleichsam in zwei Teile geteilt war; er trug sie, so elend sie war, nach dem","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Schiff, wo er von dem Schiffer mit bösen Worten empfangen wurde.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Am Tage darauf segelte das Schiff. Marie Grubbe kam nicht an Land; sie fuhr also","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"mit. Aber sie kam doch wohl zurück? Ja, wann und wo?","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Auch davon wußte der Küster zu erzählen, und es war dies keine Geschichte, die","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"er selber zusammensetzte, er hatte den ganzen eigentümlichen Verlauf aus einem","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"glaubwürdigen alten Buch, das wir selber nehmen und lesen können. Der dänische","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Geschichtsschreiber Ludwig Holberg, der so viele lesewürdige Bücher und die","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"ergötzlichen Komödien geschrieben hatte, aus denen wir so recht seine Zeit und","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"ihre Menschen kennenlernen können, erzählt in seinen Briefen von Marie Grubbe,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"wie und wo er ihr in der Welt begegnet ist. Es verlohnt sich schon, das zu","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"hören, darum vergessen wir die Hühner-Grete keineswegs, sie sitzt zufrieden und","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"wohlgeborgen in dem stattlichen Hühnerhaus.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Das Schiff segelte von dannen mit Marie Grubbe; da waren wir ja stehengeblieben.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Jahre auf Jahre vergingen.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"In Kopenhagen wütete die Pest, es war im Jahre 1711. Die Königin von Dänemark","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"begab sich in ihre deutsche Heimat, der König verließ die Hauptstadt des","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Reiches, wer konnte, wandte der Stadt den Rücken. Einer von den Studenten, die","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"noch in Borchs Kollegium, der Freiwohnung für Musensöhne, geblieben waren, zog","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"nun auch von dannen. Es war in der Frühe des Morgens um zwei Uhr; er kam mit","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"seinem Ranzen, der mehr mit Büchern und beschriebenen Papieren gefüllt war als","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"gerade mit Kleidungsstücken. Ein kalter, feuchter Nebel lag über der Stadt,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"auch nicht ein Mensch war in der ganzen Straße zu sehen, die er durchschritt,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"ringsumher an Haustüren und Torwegen waren Kreuze gemalt, da drinnen herrschte","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"die Seuche, oder die Bewohner waren ausgestorben. Auch in der breiteren,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"gewundenen Kjödmangergade, wie die Straße hieß, die vom runden Turm auf das","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Schloß des Königs zuführte, war niemand zu erblicken. Jetzt rasselte ein großer","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Leichenwagen vorüber; der Kutscher schwenkte die Peitsche, die Pferde jagten","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"im Galopp dahin, der Wagen war mit Toten angefüllt. Der junge Student hielt","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"die Hand vor das Gesicht und roch an einem starken Spiritus, den er auf einem","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Schwamm in einer Messingbüchse bei sich trug. Aus einer Kneipe in einer der","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Seitengassen erschollen kreischender Gesang und unheimliches Gelächter von","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Leuten, die die Nacht vertranken, um zu vergessen, daß die Seuche vor der Tür","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"stand und auch sie auf den Leichenwagen laden wollte zu den andern Toten. Der","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Student lenkte seine Schritte der Schloßbrücke zu, wo ein paar kleine Schiffe","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"lagen; eins davon lichtete gerade die Anker, um aus der pestverseuchten Stadt","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"fortzukommen.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Wenn uns Gott am Leben läßt und wir günstigen Wind haben, gehen wir in","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"den Grönsund bei Falster,\" sagte der Schiffer und fragte den Studenten, der","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"mitwollte, nach seinem Namen.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Ludwig Holberg!\" sagte der Student, und der Name klang wie jeder andere Name,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"jetzt klingt uns darauf einer des stolzesten Namen Dänemarks entgegen; damals","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"war er nur ein junger, unbekannter Student.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Das Schiff glitt an dem Schloß vorüber. Es war noch nicht heller Morgen, als","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"sie in das offene Fahrwasser hinausgelangten. Es kam eine leichte Brise auf,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"die Segel blähten sich, der junge Student setzt sich so, daß ihm der frische","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Seewind ins Gesicht blies, und bald war er eingeschlafen. Das war nun auch das","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Vernünftigste, was er tun konnte.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Schon am dritten Morgen lag das Schiff vor Falster. \"Kennt Ihr hier jemand","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"am Ort, bei dem ich gegen Entgelt Unterkunft finden kann?\" frage Holberg den","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Kapitän.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Ich glaube, Ihr werden gut daran tun, zu der Fährfrau im Borrehaus zu gehen!,\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"sagte der. \"Wenn Ihr sehr galant sein wollt, so redet sie Mutter Sören Sörensen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Möller an! Doch es kann sein, daß es ihr nicht ansteht, wenn Ihr zu fein mit ihr","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"verkehrt; der Mann sitzt wegen einer Missetat; sie selber führt das Fährboot,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"ein Paar Fäuste hat sie!\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Der Student nahm seinen Tornister und ging nach dem Fährhaus. Die Tür war nicht","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"abgeschlossen, der Türgriff gab nach, und er betrat eine gepflasterte Stube,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"in der die Bettbank mit einer großen Felldecke das hauptsächlichste Stück Möbel","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"war. Eine weiße Henne mit Küchlein war an die Bettbank gebunden und hatte den","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Wassernapf umgestoßen, so daß das Wasser über den Fußboden floß. Weder hier noch","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"in der Kammer nebenan war ein Mensch zu sehen, da war nur eine Wiege mit einem","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Kind darin. Das Fährboot kam zurück, es saß nur eine Person darin, ob Mann oder","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Frau, war nicht leicht zu sagen. Ein großer Mantel verhüllte die Gestalt, und","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"der Kopf verschwand in einer Kapuze. Das Boot legte an.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Es war eine Frau, sie kam und trat in die Stube. Sie sah recht ansehnlich aus,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"als die ihren Rücken geradereckte; zwei stolze Augen sahen unter den schwarzen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Brauen hervor. Es war Mutter Sören, die Fährfrau; Dohlen, Krähen und Elstern","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"würden einen andern Namen schreien, den wir besser kennen.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Unwirsch sah sie aus, viele Reden liebte sie offenbar nicht, aber so viel wurde","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"doch geredet und abgemacht, daß der Student sich auf unbestimmte Zeit bei ihr","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"einmietete, solange es in Kopenhagen so übel stand.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Und nach dem Fahrhaus kamen aus dem nahe gelegenen Städtchen häufig ein paar","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"ehrenwerte Bürger. Da kamen Franz Messerschmidt und Sivert Sackgucker; sie","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"tranken einen Krug Bier im Fährhaus und diskutierten mit dem Studenten; er war","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"ein tüchtiger junger Mann, der seine Praktika, wie sie es nannten, konnte, er","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"las Griechisch und Lateinisch und wußte Bescheid über gelehrte Sachen.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Je weniger man weiß, desto weniger bedrückt es einen,\" sagte Mutter Sören.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Ihr habt es schwer!\" sagte Holberg eines Tages, als sie ihre Wäsche in der","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"scharfen Lauge weichte und selber die Baumknorren für die Feuerung zuhauen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"mußte.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Das ist meine Sache!\" sagte sie.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Habt Ihr von klein an so arbeiten und schleppen müssen?\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Das könnt Ihr doch von meinen Händen ablesen!\" sagte sie und zeigte zwei","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"freilich kleine, aber harte, starke Hände mit abgebissenen Nägeln. \"Ihr seid ja","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"gelehrt genug, um lesen zu können!\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Um die Weihnachtszeit begann ein heftiges Schneetreiben; die Kälte biß gar arg,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"der Wind blies scharf, als führe er Scheidewasser mit sich, um den Leuten das","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Gesicht damit zu waschen. Mutter Sören ließ sich nicht anfechten, wie warf den","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Mantel um und zog die Kapuze über den Kopf. Dunkel war es im Hause schon am","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"frühen Nachmittag; Holzscheite und Torf legte sie auf den Herd und setzte sich","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"dann hin und flickte ihre Schuhe, da war niemand sonst, der es hätte tun können.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Gegen Abend sprach sie mehr mit dem Studenten, als das sonst ihre Gewohnheit","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"war; sie sprach von ihrem Mann.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Er hat aus Fahrlässigkeit einen Mord an einem Schiffer aus Dragör begangen und","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"muß deswegen drei Jahre auf der königlichen Schiffswerft in Ketten arbeiten Er","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"ist nur ein gemeiner Matrose, darum muß das Gesetz seinen Lauf haben.\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Das Gesetz gilt auch für den höheren Stand!\" sagte Holberg.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Meint Ihr!\" sagte Mutter Sören und sah in das Feuer hinein, dann begann","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"sie aber wieder. \"Habt Ihr von Kai Lykke gehört, der eine seiner Kirchen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"niederreißen ließ, und als der Pfarrer Mads darüber von der Kanzel","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"herabdonnerte, ließ er Herrn Mads in Eisen und Ketten legen, berief ein Gericht","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"und verurteilte ihn selber, daß er seinen Kopf verwirkt habe, der wurde auch","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"abgehauen; das war keine fahrlässige Tötung, und doch ging Kai Lykke damals frei","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"aus!\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Er war in seinem Recht - nach der damaligen Zeit,\" sagte Holberg. \"Jetzt sind","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"wir darüber hinaus!\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Das könnt Ihr Dummen vormachen!\" sagte Mutter Sören, stand auf und ging in","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"die Kammer, wo \"das Gör,\" das kleine Kind, lag, sie nahm es auf und bettete es","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"frisch, machte dann dem Studenten sein Lager auf der Bettbank zurecht; er hatte","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"die Felldecke bekommen, er war frostiger als sie, und doch war er in Norwegen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"geboren.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Der Neujahrsmorgen brach mit klarem, hellem Sonnenschein an, der Frost war","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"scharf gewesen und war noch so scharf, daß der gefallene Schnee hartgefroren","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"dalag, so daß man darauf gehen konnte. Die Glocken in der Stadt riefen zur","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Kirche; Student Holberg nahm seinen wollenen Mantel um und wollte zur Stadt.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Über das Fährhaus flogen mit Gekrächz und Geschrei Dohlen, Krähen, Elstern, man","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"konnte vor dem Lärmen kaum die Kirchenglocken hören. Mutter Sören stand draußen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"und füllte einen Messingkessel mit Schnee, um ihn über das Feuer zu setzen und","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Trinkwasser zu schmelzen, sie sah zu dem Vogelgewimmel empor und hatte ihre","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"eigenen Gedanken dabei.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Studiosus Holberg ging in die Kirche; auf dem Wege dahin und auf dem Heimwege","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"kam er an Sivert Sackguckers Haus am Tor vorüber, dort ward er auf ein Schälchen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Warmbier mit Sirup und Ingwer eingeladen; die Rede kam auf Mutter Sören, aber","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"der Sackgucker wußte eigentlich nichts über sie zu erzählen, es wisse wohl","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"kaum jemand etwas. Von Falster sei sie nicht, sagte er, etwas Geld habe sie","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"wohl einmal gehabt, ihr Mann sei ein gemeiner Matrose von heftigem Sinn, einen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Schiffer aus Dragör habe er totgeschlagen, \"Die Frau prügelt er, und doch","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"verteidigt sie ihn.\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Ich ließe mir solche Behandlung nicht gefallen!\" sagte die Frau des","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Sackguckers. \"Ich bin freilich auch von besserer Herkunft! Mein Vater war","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"königlicher Strumpfweber!\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Daher habt ihr auch einem königlichen Beamten zum Ehebund die Hand gereicht!\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"sagte Holberg und machte eine Reverenz vor ihr und dem Sackgucker.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Es war Heiligendreikönigsabend. Mutter Sören zündete ein","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Heiliegendreikönigslicht für Holberg an, das heißt drei Talglichte, die sie","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"selber gezogen hatte.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Ein Licht für jeden Mann!\" sagte Holberg.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Für jeden Mann?\" sagte die Frau und sah ihn starr an.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Ja, für einen jeden der Weisen aus dem Morgenland!\" sagte Holberg.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Ach, so war es gemeint!\" sagte sie und schwieg lange. Aber an jedem","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Heiliegendreikönigsabend bekam er mehr zu wissen, als er bisher gewußt hatte.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Ihr habt einen liebevollen Sinn für den Mann, mit dem Ihr in der Ehe lebt!\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"sagte Holberg. \"Und doch sagen die Leute, daß er übel mit Euch verfährt!\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Das geht niemand etwas an außer mir!\" entgegnete sie. \"Die Schläge wären mir","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"dienlich gewesen, als ich noch klein war; jetzt kriege ich sie wohl um meiner","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Sünden willen! Was er mir Gutes getan hat, das weiß ich!\" Und sie richtete sich","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"ganz auf. \"Als ich krank auf der Heide lag und niemand etwas von mir wissen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"wollte außer den Krähen und Dohlen, die nach mir hackten, da hat er mich auf","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"seine Arme genommen und bekam harte Worte für den Fang, den er auf sein Schiff","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"brachte. Ich bin nicht dazu gemacht, krank zu liegen, und so erholte ich mich","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"denn. Ein jeder hat es auf seine Weise, und so auch Sören; man soll den Gaul","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"nicht nach dem Zaumwerk beurteilen! Mit ihm hab ich trotz allem zufriedener","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"gelebt als mit dem, den sie den galantesten und vornehmsten von allen Untertanen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"des Königs nannten. Ich habe in Ehegemeinschaft mit dem Statthalter Gyldenlöve,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"des Königs Halbbruder, gelegt; später nahm ich Palle Dyre. Jacke wie Hose! Ein","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"jeder auf seine Weise und ich auf meine. Das war eine lange Erzählung, aber nun","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"wißt Ihr es!\" Und damit ging sie zur Stube hinaus.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Das war Marie Grubbe! Ein so wunderlicher Spielball des Glücks war sie","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"gewesen! Viele Heiligendreikönigsabende sollte sie nicht mehr erleben,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Holberg hat niedergeschrieben, daß sie im Jahre 1716 starb, aber er hat","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"nicht niedergeschrieben, denn er wußte es nicht, daß, als Mutter Sören, wie","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"sie genannt wurde, im Borrehaus auf der Leichenbahre lag, eine Menge großer","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"schwarzer Vogel über das Haus hinflogen, ohne zu schreien, als wüßten sie,","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"daß zu einem Begräbnis Stille gehört. Sobald sie in der Erde lag, waren die","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Vögel nicht mehr zu sehen, aber am selben Abend wurde in Jütland über dem","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"alten Gut eine Unmenge Dohlen, Krähen und Elstern gesehen, sie schrieen laut","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"durcheinander, als hätten sie etwas zu verkündigen, vielleicht von ihm, der als","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"kleiner Knabe ihre Eier und ihre flaumigen Jungen aus dem Neste nahm, von dem","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Sohn des Bauern, der auf der königlichen Schiffswert ein Strumpfband aus Eisen","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"bekam,, und von der hochadeligen Jungfer, die als Fährfrau am Grönsund endete.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Brav! Brav\"! schrieen sie.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Und die Familie schrie: \"Brav! Brav!,\" als das alte Schloß niedergerissen wurde.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Sie schreien es noch, und da ist nichts mehr, worüber sie schreien könnten!\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"sagte der Küster, wenn er erzählte. Die Familie ist ausgestorben, das Schloß ist","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"niedergerissen, und wo es einst stand, da steht jetzt das stattliche Hühnerhaus","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"mit der vergoldeten Wetterfahne und mit der alten Hühner-Grete. Sie ist so","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"glücklich über ihre hübsche Wohnung; wenn sie nicht hierhergekommen wäre, hätte","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"sie im Armenhaus enden müssen.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Die Tauben gurrten über ihr, die Kalekuten plauderten ringsumher, und die Enten","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"schnatterten.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Niemand kannte sie!\" sagten sie. \"Angehörige hatte sie nicht. Es ist ein Werk","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"der Barmherzigkeit, daß sie hier ist. Sie hat weder einen Entenvater noch eine","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Hühnermutter und keine Nachkommenschaft!\"","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Aber sie hatte eine Familie; sie kannte sie nur nicht, und der Küster kannte","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"sie auch nicht, wieviel beschriebene Papiere er auch in seiner Tischshublade","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"hatte, aber eine von den alten Krähen wußte davon, erzählte davon Sie hatte von","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"ihrer Mutter und ihrer Großmutter von Hühner-Gretes Mutter und deren Großmutter","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"gehört, die auch wir kennen seit der Zeit, da sie als Kind über die Zugbrücke","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"ritt und stolz um sich sah, als gehörten die ganze Welt und alle Vogelnester","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"ihr, wir sehen sie auf der Heide in den Dünen und zuletzt im Borrehaus. Die","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Enkelin, die Letzte des Geschlechts, war wieder in die Heimat zurückgekehrt, wo","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"das alte Schloß gestanden hatte, wo die schwarzen, wilden Vögel schrieen. Aber","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"sie saß zwischen den zahmen Vögeln, von ihnen gekannt und mit ihnen bekannt.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Hühner-Grete hatte nichts mehr zu wünschen, sie war bereit zu sterben, alt","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"genug, um zu sterben.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"\"Grab! Grab!\" schrieen die Krähen.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Und Hühner-Grete bekam ein schönes Grab, das niemand kennt außer der alten","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Krähe, wenn die nicht auch schon tot ist.","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Und nun kennen wir die Geschichte von dem alten Schloß, dem alten Geschlecht und","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"von Hühner-Gretes ganzer Familie!","book":"Hühner-Gretes Familie"} {"text":"Zu dem reichen Herrensitz gehörte ein schöner, gutgehaltener Garten mit seltenen","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Bäumen und Blumen; die Gäste auf dem Schloß äußerten ihr Entzücken darüber,","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"die Bewohner der Umgegend, vom Lande wie aus den Städten, kamen an Sonn- und","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Feiertagen und baten um Erlaubnis, den Garten zu sehen, ja, ganze Schulen fanden","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"sich zu ähnlichen Besuchen ein.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Vor dem Garten, an dem Gitter nach dem Feldwege hinaus, stand eine mächtige","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Distel; sie war so groß, von der Wurzel aus in mehrere Zweige geteilt, daß man","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"sie wohl einen Distelbusch nennen konnte. Niemand sah sie an außer dem alten","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Esel, der den Milchwagen des Milchmädchens zog. Er machte einen langen Hals","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"nach der Distel und sagte: \"Du bist schön! Ich könnte dich auffressen!\" Aber die","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Leine, an der der Esel angepflockt stand, war nicht lang genug, als daß er sie","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"hätte fressen können.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Es war große Gesellschaft im Schloß, hochadelige Verwandte aus der Hauptstadt,","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"junge, niedliche Mädchen und unter ihnen ein Fräulein von weit her; sie kam","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"aus Schottland, war von vornehmer Geburt, reich an Geld und Gut, eine Braut,","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"deren Besitz sich schon verlohne, sagte mehr als ein junger Herr, und die Mütter","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"sagten es auch.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Die Jugend tummelte sich auf dem Rasen und spielte Krocket; sie gingen zwischen","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"den Blumen umher, und ein jedes der jungen Mädchen pflückte eine Blume und","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"steckte sie einem der jungen Herren ins Knopfloch; aber die junge Schottin","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"sah sich lange um, verwarf eine Blume nach der andern; keine schien nach ihrem","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Geschmack zu sein; da sah sie über das Gitter hinüber, da draußen stand der","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"große Distelbusch mit seinen rotblauen, kräftigen Blüten, sie sah sie, sie","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"lächelte und bat den Sohn des Hauses, ihr eine zu pflücken.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"\"Das ist Schottlands Blume!\" sagte sie. \"Sie prangt in dem Wappen des Landes,","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"geben Sie mir die!\"","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Und er holte die schönste, und sie stach ihn in die Finger, als wachse der","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"stärkste Rosendorf daran.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Die Distelblüte steckte sie dem jungen Mann ins Knopfloch, und er fühlte","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"sich hochgeehrt. Alle die andern jungen Herren hätten gern ihre Prachtblume","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"hergegeben, um diese tragen zu können, die von den feinen Händen der jungen","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Schottin gespendet war. Und wenn sich der Sohn des Hauses geehrt fühlte, wie","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"mochte sich da die Distel vorkommen! Es war, als durchströmten sie Tau und","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Sonnenschein.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"\"Ich bin mehr, als ich glaube!\" sagte sie im stillen. \"Ich gehöre wohl","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"eigentlich hinter das Gitter und nicht draußen auf das Feld. Man wird hier in","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"der Welt wunderlich gestellt! Aber nun ist doch eine von den Meinen über das","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Gitter gekommen und sitzt obendrein im Knopfloch!\"","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Jeder Knospe, die kam und sich entfaltete, erzählte sie diese Begebenheit,","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"und es waren noch nicht viele Tage vergangen, da hörte der Distelbusch, nicht","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"von Menschen, nicht aus dem Vogelgezwitscher, sondern aus der Luft selber, die","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Laute auffängt und weiterträgt, aus den innersten Gängen des Gartens und aus den","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Zimmern des Schlosses, wo Türen und Fenster offenstehen, daß der junge Her, der","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"die Distelblüte aus der Hand der feinen jungen Schottin erhielt, nun auch die","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Hand und das Herz bekommen habe. Es sei ein schönes Paar, eine gute Partie.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"\"Die habe ich zusammengebracht!\" meinte der Distelbusch und dachte an die Blüte,","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"die er für das Knopfloch hergegeben hatte. Jede Blüte, die aufbrach, bekam das","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Ereignis zu hören.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"\"Ich werden gewiß in den Garten gepflanzt,\" dachte die Distel, \"Vielleicht in","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"einen Topf gestellt, der klemmt, das soll ja das allerehrenvollste sein!\"","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Und der Distelbusch dachte so lebhaft daran, daß er mit voller Überzeugung","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"sagte: \"Ich komme in einen Topf!\"","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Er versprach jeder kleinen Distelblüte, die aufsproßte, daß sie auch in den Topf","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"kommen solle, vielleicht gar ins Knopfloch. Das war das Höchste, was erreicht","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"werden konnte; aber keine kam in den Topf, geschweige denn ins Knopfloch;","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"sie tranken Luft und Licht, sie schleckten Sonnenschein am Tage und Tau in","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"der Nacht, blühten, bekamen Besuch von Bienen und Bremsen, die nach Mitgift","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"suchten, nach dem Honig in der Blüte, und den Honig nahmen sie, die Blume ließen","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"sie stehen. \"Das Räubergesindel!\" sagte der Distelbusch. \"Könnte ich sie doch","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"auffressen! Aber das kann ich nicht!\"","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Die Blüten ließen den Kopf hängen, welkten hin, aber es kamen neue.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"\"Ihr kommt wie gerufen!\" sagte der Distelbusch. \"Jede Minute erwarte ich, daß","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"man uns hinter das Gitter verpflanzt!\"","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Ein paar unschuldige Gänseblümchen und Wegerichpflanzen standen da und hörten","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"mit Bewunderung zu und glaubten alles, was der Distelbusch sagte.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Der alte Esel vom Milchwagen schielte vom Wegesrande zu dem Distelbusch hinüber,","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"aber die Leine war zu kurz, er konnte ihn nicht erreichen.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Und die Distel dachte so lange an die Distel Schottlands, zu deren Familie","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"sie sich zählte, daß sie schließlich glaubte, sie sei aus Schottland gekommen","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"und ihre Eltern wären selber im Wappen Schottlands erblüht. Das war ein großer","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Gedanke, aber eine große Distel kann wohl einen großen Gedanken haben.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"\"Man ist oft von so vornehmer Familie, daß man es gar nicht zu wissen wagt!\"","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"sagte die Nessel, die dicht daneben wuchs; sie hatte auch eine Ahnung davon, daß","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"sie zu \"Nesseltuch\" werden könne, wenn sie nur richtig behandelt würde.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Und der Sommer verging, und der Herbst verging; die Blätter fielen von den","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Bäumen, die Blumen bekamen stärkere Farben und weniger Duft.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"..","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Die jungen Tannenbäume im Walde fingen an, Weihnachtssehnsucht zu bekommen, aber","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"es war noch lange bis Weihnachten.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"\"Hier stehe ich noch!\" sage die Diestel. \"Es ist, als wenn niemand an mich","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"dächte, und ich habe doch die Partie gemacht; verlobt haben sie sich, und","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Hochzeit haben sie gefeiert, es ist jetzt acht Tage her. Ja, ich, ich tue keinen","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Schritt, denn ich kann es nicht!\"","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Es vergingen noch einige Wochen; die Distel stand mit ihrer letzten, einzigen","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Blüte, groß und voll, ganz nahe an der Wurzel war sie empogesproßt. Der Wind","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"wehte kalt darüber hin, die Farben vergingen, die Pracht verging, der Kelch","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"stand wie eine versilberte Sonnenblume da.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Da kam das junge Paar, jetzt Mann und Frau, in den Garten; sie gingen am Gitter","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"entlang, die junge Frau sah darüber hinaus.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"\"Da steht die große Diestel noch!\" sagte sie. \"Jetzt hat sie keine Blüte mehr!\"","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"\"Ja, da ist das Gespenst von der letzten!\" sagte er und zeigte auf den","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"silberschimmernden Rest der Blüte, der selbst eine Blüte war.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"\"Wie schön die ist!\" sagte sie. \"So eine Distel muß in den Rahmen um unser Bild","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"geschnitzt werden!\"","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Und der junge Mann mußte abermals über das Gitter steigen und den Distelkelch","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"abschneiden. Er stach ihn in die Finger, er hatte ihn ja \"Gespenst\" genannt.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Und der Kelch kam in den Garten und in das Schloß und in den Saal; da stand ein","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Gemälde: das junge Ehepaar. In das Knopfloch des Bräutigams war eine Distelblüte","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"gemalt. Man sprach davon, und man sprach von dem Diestelkelch, den sie","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"brachten, die letzte, jetzt silbern schimmernde Distelblüte, die in den Rahmen","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"hineingeschnitzt werden sollte.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"\"Was man doch alles erleben kann!\" sagte der Distelbusch. \"Meine Erstgeborene","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"kam ins Knopfloch, meine Letztgeborene kommt in den Rahmen! Wohin komme ich?\"","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Und der Esel stand am Wegesrande und schielte zu dem Busch hinüber.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"\"Komm zu mir, mein Freß-Schatz! Ich kann nicht zu dir kommen, die Leine ist","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"nicht lang genug!\"","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Der Distelbusch antwortete nicht. Immer mehr versank er in Gedanken; er dachte","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"und dachte, ganz bis an die Weihnachtszeit hinan, und dann zeigte der Gedanke","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"seine Blüte.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"\"Wenn die Kinder glücklich drinnen sitzen, findet eine Mutter sich darein,","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"außerhalb des Gitters zu stehen!\"","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"\"Das ist ehrenwert gedacht!\" sagte der Sonnenstrahl. \"Sie sollen auch einen","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"guten Platz bekommen!\"","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"\"Im Topf oder im Rahmen?\" fragte die Distel.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"\"In einem Märchen!\" sagte der Sonnenstrahl.","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Und hier ist es!","book":"Was die Distel erlebte"} {"text":"Jetzt will ich eine Geschichte vom Glück erzählen. Wir alle kennen das Glück:","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"einige sehen es jahraus, jahrein, andere nur in gewissen Jahren, an einem","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"einzelnen Tage, ja, es gibt sogar Menschen, welche es nur ein einziges Mal im","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Leben sehen; aber sehen tun wir es alle.","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Nun brauche ich nicht zu erzählen, denn jeder weiß es, daß unser Herrgott","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"das kleine Kind bringt und es einer Mutter in den Schoß legt; das kann in dem","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"reichen Schlosse und in der Wohnung des Wohlhabenden geschehen, aber auch auf","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"freiem Felde, wo der kalte Wind weht - aber nicht jeder weiß, und dennoch ist","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"es gewiß, daß unser Herrgott, wenn er das Kind bringt, auch eine Glücksgabe für","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"dasselbe mitbringt; aber diese liegt nicht in die Augen fallend neben ihm, sie","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"liegt irgendwo auf der Erde, wo man sie am wenigsten zu finden erwartet, und","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"doch findet sie sich immer; das ist das Erfreuliche. Sie kann in einen Apfel","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"gelegt sein, und sie war es für einen Gelehrten, welcher Newton hieß. Der Apfel","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"fiel, und da fand er sein Glück. Kennst du die Geschichte nicht, so bitte den,","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"der sie kennt, sie dir zu erzählen; ich habe eine andere Geschichte zu erzählen,","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"und das ist eine Geschichte von einer Birne.","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Es war einmal ein armer Mann, welcher in Armut geboren, in Armut groß geworden","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"war und in Armut sich verheiratet hatte. Er war übrigens seines Handwerks ein","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Drechsler und drechselte vorzugsweise Stöcke und Ringe für Regenschirme, aber er","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"lebte nur von der Hand in den Mund.","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"\"Ich finde nimmer das Glück!\" sagte er. Dies ist eine wirklich wahre Geschichte,","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"und man könnte das Land und die Stadt nennen, wo der Mann wohnte; aber das kann","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"ja gleichgültig sein.","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Die roten sauren Vogelbeeren wuchsen als schönster Schmuck rings um Haus und","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Garten. In letzterem stand auch ein Birnbaum, aber er trug nicht eine einzige","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Birne, und dennoch war das Glück in diesen Birnbaum gelegt, es lag in den","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"unsichtbaren Birnen.","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Einstmals stürmte nachts der Wind ganz fürchterlich. Die Zeitungen erzählten,","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"daß eine große Diligence, vom Sturm erfaßt, vom Wege in die Höhe gehoben und","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"wie ein Lappen zu Boden geworfen worden sei. Da konnte denn wohl auch leicht ein","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"starker Ast von dem Birnbaum gebrochen werden.","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Der Ast wurde in die Werkstatt gelegt, und der Mann drechselte zum Scherz aus","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"demselben eine große Birne und noch eine große, dann eine kleinere und endlich","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"einige ganz kleine.","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Der Baum mußte doch einmal Birnen tragen, sagte der Mann und gab sie seinen","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Kindern, um damit zu spielen.","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Zu den notwendigsten Bedürfnissen in einem Lande, wo es oft regnet, gehört","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"allerdings ein Regenschirm. Das ganze Haus hatte zu gemeinschaftlichem Gebrauch","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"nur einen einzigen. Wehte der Wind zu stark, so schlug der Regenschirm um;","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"ja, er brach sogar ein paarmal ab, aber der Mann setzte ihn gleich wieder","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"gehörig instand; aber verdrießlich war es doch, daß der Knopf, welcher ihn","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"zusammenhalten sollte, wenn er nicht aufgespannt war, gar zu oft absprang oder","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"der Ring, welcher um ihn gelegt war, zerbrach.","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Eines Tages sprang der Knopf. Der Mann suchte nach ihm auf dem Fußboden und","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"faßte da eine der allerkleinsten gedrechselten -Birnen welche die Kinder","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"bekommen hatten, um damit zu spielen,","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"\"Der Knopf ist nicht zu finden,\" sagte der Mann, \"aber dieses kleine Ding kann","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"es wohl auch tun!\" Er bohrte also ein Loch hinein, zog eine Schnur hindurch,","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"und die kleine Birne schloß gut in den zerbrochenen Ring. Das war in der Tat der","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"beste Halter, welchen der Regenschirm je gehabt hatte.","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Als der Mann nun im nächsten Jahre Regenschirmstücke nach der Hauptstadt","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"schicken sollte, wohin er dergleichen lieferte, legte er auch ein paar der","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"gedrechselten kleinen Birnen mit einem halben Ringe bei und bat, sie zu","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"probieren, und so kamen dieselben nach Amerika. Dort merkte man bald, daß","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"die kleine Birne viel besser als irgendein Knopf hielt; und nun verlangte man","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"von dem Kaufmann, daß alle nachfolgenden Regenschirme mit einer kleinen Birne","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"geschlossen sein sollten.","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Nun, da gab es Arbeit! Tausende von Birnen! Holzbirnen für alle Regenschirme!","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Der Mann mußte an die Arbeit. Er drechselte und drechselte. Der ganze Birnbaum","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"ging in kleinen Birnen auf. Das gab Schillinge, das gab Taler!","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"\"In diesem Birnbaum war mein Glück gelegt,\" sagte der Mann. Er bekam jetzt eine","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"große Werkstatt und Gesellen und Lehrjungen. Stets war er fröhlichen Sinnes und","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"sagte: \"Das Glück kann in einem Holzstückchen liegen.\"","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Das sage auch ich, der diese Geschichte erzählt.","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Man sagt: \"Nimm ein Holzstöckchen in den Mund, dann wirst du unsichtbar!\"","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Aber das richtige Holzstöckchen muß es sein, das, welches unser Herrgott uns","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"als Glücksgabe beschert hat. Ich bekam es, und wie jener Mann kann auch ich","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"klingendes Gold, blinkendes Gold gewinnen, das allerbeste, das, welches aus","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Kinderaugen blinkt, welches von Kinderlippen klingt und auch von Vater und","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Mutter mit. Sie lesen da Geschichten, und ich stehe, mitten in der Stube, unter","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"ihnen, aber unsichtbar, denn ich habe ja das weiße Holzstöckchen im Munde, höre","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"ich nun, daß sie sich an dem, was ich erzähle, erfreuen, ja, dann sage auch ich:","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"\"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen.","book":"Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen"} {"text":"Was sagte die ganze Familie? Ja, höre nun erst, was die kleine Marie sagte.","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Es war der Geburtstag der kleinen Marie, der schönste von allen Tagen, fand","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"sie. Alle kleinen Freunde und Freundinnen kamen, um mit ihr zu spielen, und","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"ihr feinstes Kleid hatte sie an; das hatte sie von der Großmutter bekommen, die","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"bei dem lieben Gott war; aber die Großmutter hatte es noch selber zugeschnitten","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"und genäht, ehe sie zu dem hellen, schönen Himmel aufflog. Der Tisch in Mariens","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Stube strahlte von Geschenken; da war die reizendste kleine Küche mit allem, was","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"zu einer Küche gehört, und eine Puppe, die die Augen verdrehen und \"Au!\" sagen","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"konnte, wenn man sie auf den Magen drückte. Ja, da war auch ein Bilderbuch,","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"in dem die schönsten Geschichten zu lesen waren, wenn man lesen konnte! Aber","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"schöner als alle Geschichten war es doch, viele Geburtstage zu erleben.","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"\"Ja, es ist schön, zu leben!\" sagte die kleine Marie. Der Pate fügte hinzu, daß","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"das das schönste Märchen sei.","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Die Stube nebenan gehörte den beiden Brüdern; es waren große Knaben; der eine","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"war neun, der andere elf Jahre alt. Sie fanden auch, daß es herrlich war, zu","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"leben, auf ihre Weise zu leben, kein Kinde mehr zu sein wie Marie, sondern","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"flotte Schuljungen, mit einer Eins im Zeugnisbuch, sich mit den Kameraden","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"in aller Freundschaft zu prügeln, im Winter Schlittschuh zu laufen und im","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Sommer zu radeln, von Ritterburgen, Zugbrücken und Burgverliesen zu lesen, von","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Entdeckungen im Innern Afrikas zu hören. Dabei hatte freilich der eine von den","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Knaben einen Kummer, nämlich, daß alles entdeckt werden könnte, ehe er groß","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"war; dann wollte er auf Abenteuer ausziehen. Das Leben ist das schönste Märchen,","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"hatte ja der Pate gesagt, und in diesem Märchen spielte man selber eine Rolle.","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Im Erdgeschoß lebten und tummelten sich diese Kinder; über ihnen wohnte ein","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"anderer Zweig der Familie, auch mit Kindern; aber diese hatten die Kinderschuhe","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"bereits vertreten, so groß waren sie. Der eine Sohn war siebzehn, der andere","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"zwanzig, aber der dritte war schon sehr alt, wie die kleine Marie sagte; er","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"war fünfundzwanzig Jahre und verlobt. Sie waren alle glücklich gestellt, hatten","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"gute Eltern, gute Kleider, gute Geistesgaben, und sie wußten, was sie wollten:","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"\"Vorwärts! Weg mit all den alten Bretterzäunen! Aussicht in die ganze Welt","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"hinaus! Das ist das Schönste, was wir kennen. Der Pate hat recht; das Leben ist","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"das schönste Märchen!\"","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Vater und Mutter, beides ältere Leute – natürlich mußten sie älter sein als die","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Kinder –, sagten mit Lächeln um den Mund, mit Lächeln im Auge und im Herzen:","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"\"Wie jung sie sind, die jungen Leute! Es geht nicht ganz so zu in der Welt, wie","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"sie glauben; aber es geht. Das Leben ist ein wunderbares, schönes Märchen!\"","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Oben über ihnen, dem Himmel ein wenig näher, wie man zu sagen pflegt, wenn Leute","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"in der Mansarde wohnen, da wohnte der Pate. Alt war er und doch so jung von","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Gemüt, immer guter Laune, und dann konnte er Geschichten erzählen, viele und","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"lange. Weit in der Welt herum war er gewesen, und aus allen Ländern standen da","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"die reizendsten Sachen in seinem Zimmer. Da waren Bilder von der Decke bis zum","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Fußboden, und mehrere Fensterscheiben waren aus rotem und gelbem Glas; wenn man","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"da hindurchsah, dann lag die ganze Welt in Sonnenschein da, wenn draußen auch","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"noch so graues Wetter war. In einem großen Glaskasten wuchsen grüne Pflanzen,","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"und in einer Abteilung darin schwammen Goldfische; sie sahen einen so an, als","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"wüßten sie so vieles, worüber sie nicht sprechen wollten. Immer duftete es hier","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"nach Blumen, selbst zur Winterzeit, und dann brannte hier ein großes Feuer im","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Kamin; es war so amüsant, davor zu sitzen, hineinzusehen und zu hören, wie es","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"knitterte und knatterte. \"Es liest mir alte Erinnerungen vor!\" sagte der Pate,","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"und auch der kleinen Marie wollte es scheinen, als zeige ihr das Feuer viele","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Bilder.","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Aber in dem großen Bücherschrank dicht daneben standen die wirklichen Bücher; in","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"einem derselben las der Pate gar oft, und das nannte er das Buch der Bücher; das","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"war die Bibel. Da stand in Bildern die Geschichte der Welt und aller Menschen,","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"die Schöpfung, die Sündflut, die Geschichte der Könige und des Königs der","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Könige.","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"\"Alles, was geschehen ist und geschehen wird, steht in diesem Buch!\" sagte der","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Pate. \"So unendlich viel in einem einzigen Buch! Denke einmal darüber nach! Ja,","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"alles, um war ein Mensch zu bitten hat, ist in den wenigen Worten des Gebets","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"'Vater unser!' gesagt; das ist ein Gnadentropfen! Es ist eine Perle des Trostes","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"von Gott. Die wird dem Kind als Geschenk in die Wiege gelegt, die wird ihm als","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Herz gelegt. Kindchen, bewahre sie wohl. Verliere sie niemals, wie groß du auch","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"wirst, dann bist du nicht verlassen auf den wechselnden Wegen! Wenn die Worte","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"des Vaterunsers in dich hineinleuchten, bist du nicht verloren!\"","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Des Paten Augen leuchteten, wenn er so sprach, sie strahlten vor Freude.","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Einstmals in den jungen Jahren hatten sie geweint. \"Und das war auch gut,\"","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"sagte er, \"Es war die Zeit der Prüfung, da sah es trübe aus. Jetzt habe ich","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Sonnenschein um mich und in mir. Je älter man wird, desto deutlicher sieht man","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"in Glück und Unglück, daß der liebe Gott immer seine Hand über uns hält, daß das","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Leben das schönste Märchen ist, und das kann nur Er uns schenken, und seine Güte","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"währet in alle Ewigkeit!\"","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"\"Es ist schön, zu leben!\" sagte die kleine Marie.","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Das sagten auch die kleinen und die großen Knaben; Vater und Mutter und die","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"ganze Familie sagten das, vor allem aber der Pate, und der hatte Erfahrung, er","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"war der älteste von ihnen allen, er kannte alle Geschichten, alle Märchen, und","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"er sagte, und zwar so recht aus dem Herzen heraus: \"Das Leben ist das schönste","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Märchen!\"","book":"Was die ganze Familie sagte"} {"text":"Derjenige, welcher das Unglaublichste tun konnte, sollte die Tochter des","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Königs und das halbe Reich haben. Die jungen Leute, ja selbst die Alten auch,","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"strengten alle ihre Gedanken, Sehnen und Muskeln an. Einer aß so viel, daß er","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"starb; zwei richteten sich durch Trinken zugrunde, um nach ihrem Geschmack das","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Unglaublichste zu leisten, aber nicht auf solche Weise sollte das geschehen.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Kleine Straßenjungen übten sich darauf, sich selber auf den Rücken zu spucken;","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"das sahen sie für das Unglaublichste an.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"An einem festgesetzten Tage sollte gezeigt werden, was ein jeder als das","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Unglaublichste leisten könne. Als Richter waren Knaben von drei Jahren","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"bis zu Männern von neunzig Jahre bestellt. Es fand eine ganze Ausstellung","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"der unglaublichsten Dinge statt, aber alle waren bald darüber einig, daß","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"das Unglaublichste eine große Stubenuhr in einem Futteral sei, welche im","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Äußeren und Inneren merkwürdig ausgedacht war. Bei jedem Stundenschlage kamen","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"lebendige Bilder zum Vorschein, welche die Zeit anzeigten, Es waren zwölf","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"ganze Vorstellung mit beweglichen Figuren, mit Gesang und Rede. Das war das","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Unglaublichste, sagte das Volk.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Es schlug ein Uhr, und Moses stand am Berge und schrieb auf die Tafel des","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Gesetzes den ersten Glaubenssatz: \"Es ist nur Ein einziger und wahrer Gott.\"","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Es schlug zwei Uhr, da zeigte sich der Garten des Paradieses, wo Adam und Eva","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"sich fanden, glücklich beide, ohne auch nur einmal einen Kleiderschrank zu","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"besitzen – aber den brauchten sie auch nicht.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Mit dem Schlage drei erschienen die Heiligen Drei Könige, der eine kohlschwarz,","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"aber dafür konnte er nichts, die Sonne hatte ihn geschwärzt. Sie kamen mit","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Räucherwerk und Kostbarkeiten.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Mit dem Schlage vier kamen die Jahreszeiten; der Frühling mit einem Kuckuck","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"auf einem grünen Buchenzweige, der Sommer mit einem Grashüpfer auf einer reifen","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Kornähre, der Herbst mit einem leeren Storchenneste, der Winter mit einer alten","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Krähe, welche Geschichten im Winkel hinter dem Ofen erzählen konnte, alte Sagen.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Wenn es fünf Schlug, zeigten sich die fünf Sinne, das Gesicht als Brillenmacher,","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"das Gehör als Kupferschmied, dem Geruche folgten Veilchen und Waldmeister, der","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Geschmack war ein Koch und das Gefühl ein Leichenbitter mit einem Trauerflor,","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"welcher bis auf die Hacke herunterreichte.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Die Uhr schlug sechs, da saß ein Spieler, er warf den Würfel, und der fiel so,","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"daß sechs oben stand.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Dann kamen die sieben Wochentage oder die sieben Todsünden – darüber waren die","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Leute sich nicht ganz einig. Sie gehörten zusammen und waren nicht leicht zu","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"unterscheiden.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Dann kam ein Chor Mönche und sang den Achtuhrsang.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Dem Schlage neun folgten die neun Musen: eine war bei der Astronomie angestellt,","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"eine bei dem historischen Archiv, die übrigen gehörten zum Theater.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Mit dem Schlage zehn trat Moses wieder auf mit den zehn Gesetztafeln. Alle","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Gebote Gottes standen darauf, und deren waren zehn.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Die Uhr schlug wieder, da hüpften und sprangen kleine Jungen und kleine Mädchen,","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"welche ein Spiel spielten und dazu sangen: \"Bro, bre, brille, die Uhr hat elf","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"geschlagen!\" Und das hatte sie geschlagen.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Jetzt schlug es zwölf, und der Nachtwächter mit Mantel und Morgenstern trat vor","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"und sang den Vers des alten Nachtwächterliedes:","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"\"Es war um die Stunde der Mitternacht","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"da ward der Erlöser geboren.\"","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Und während er sang, wuchsen Rosen, und die wurden Engelsköpfe, welche von","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"regenbogenfarbigen Flügeln getragen wurden.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Das war lieblich zu hören, schön zu sehen. Das Ganze war ein unvergleichliches","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Kunstwerk, das Unglaublichste, sagten alle Menschen.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Der Künstler war ein junger Mann, er war herzensgut, fröhlich wie ein Kind,","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"seinen armen Eltern hilfreich, er verdiente die Prinzessin und das halbe Reich.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Der Tag der Entscheidung war gekommen, die ganze Stadt war im Festkleide, und","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"die Prinzessin saß auf dem Throne des Landes, welcher neu gepolstert, aber","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"dadurch doch nicht bequemer und behaglicher geworden war. Die Richter ringsumher","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"blickten pfiffig auf den mutmaßlichen Sieger, welcher froh und freudig dastand,","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"hatte er doch das Unglaublichste geleistet.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"\"Nein, das will ich jetzt tun!\" rief in eben diesem Augenblick ein langer","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"starkknochiger kräftiger Mann. \"Ich bin der Mann für das Unglaublichste!\" Und","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"damit schwang er eine große Axt gegen das Kunstwerk.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Krick, krack, krick! Da lag das ganze. Räder und Federn flogen ringsumher, alles","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"war zertrümmert.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"\"Das konnte ich tun,\" sagte der Mann, \"mein Tun hat sein Werk geschlagen und","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"euch alle geschlagen. Ich habe das Unglaublichste getan!\"","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"\"Ja, solch ein Kunstwerk zertrümmern!\" sagten die Richter. \"Ja, das ist das","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Unglaublichste!\" Das ganze Volk sagte dasselbe, und so sollte er denn die","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Prinzessin und das halbe Reich haben, denn ein Wort ist ein Wort, wenn es auch","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"das Unglaublichste ist.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Nun wurde von den Mauern und allen Türmen der Stadt geblasen: \"Die","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Hochzeitsfeier beginnt!\" Die Prinzessin war durchaus nicht erfreut darüber, aber","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"lieblich anzuschauen war sie und kostbar gekleidet. Die Kirche erglänzte von","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Lichtern, spät am Abend, das nimmt sich am besten aus. Die adligen Jungfrauen","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"der Stadt sangen und führten die Prinzessin, die Ritter sangen und führten","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"den Bräutigam, der sich blähte und stolzierte, als wenn er gar nicht abbrechen","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"könnte. Jetzt verstummte der Gesang. Es ward so stille, daß man hätte eine","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Nadel zur Erde fallen hören können, aber plötzlich folg mit Lärm und Krachen die","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"großen Kirchentür auf, und bum! bum! da marschierte das ganze Uhrwerk herein in","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"den Kirchengang und stellte sich zwischen Braut und Bräutigam auf. Tote Menschen","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"können nicht wieder gehen, das wissen wir recht gut, aber ein Kunstwerk kann","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"wieder gehen, der Körper war zertrümmert, aber nicht der Geist; der Kunstgeist","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"spukte, und das war kein Spaß.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Leibhaftig stand das Kunstwerk da, als wäre es ganz und unberührt. Die Stunden","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"schlugen, eine nach der andern, bis zur zwölften Stunde, und da wimmelten die","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Gestalten hervor, zuerst Moses, auf dessen Stirn eine Flamme glänzte; er warf","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"die schweren steinernen Gesetztafeln dem Bräutigam auf die Füße, welche er an","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"den Fußboden der Kirche fesselte.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"\"Ich kann sie nicht wieder aufheben!\" sagte Moses. \"Du hast mir den Arm","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"abgeschlagen. Stehe denn, wo du stehst!\"","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Jetzt kamen Adam und Eva, die Weisen vom Morgenlande und die vier Jahreszeiten,","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"jeder sagte ihm unangenehme Wahrheiten: \"Schäme dich!\" Aber er schämte sich","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"nicht.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Alle die Gestalten, welche jeder Glockenschlag aufzuzeigen hatte, traten aus","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"dem Uhrwerk heraus, und alle wuchsen zu einer bedenklichen Größe, es war fast,","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"als wenn für wirkliche Menschen kein Platz übrigbleibe. Und als mit dem zwölften","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Schlage der Wächter hervortrat mit Mantel und Morgenstern, entstand eine","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"eigentümliche Unruhe: der Wächter ging gerade auf den Bräutigam zu und schlug","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"ihn mit dem Morgenstern vor die Stirn.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"\"Liege da!\" sagte er, \"Leiche für Leiche. Wir sind gerächt und unser Meister mit","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"uns! Wir verschwinden!\"","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Und das ganze Kunstwerk verschwand, aber die Lichter rings in der Kirche wurden","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"zu großen Lichtblumen, und die vergoldeten Sterne dort unter der Wölbung sandten","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"lange Strahlen herab. Die Orgel klang von selber. Alle Menschen sagten, das sei","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"das Unglaublichste, was sie je erlebt hätten.","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"\"Wollen Sie dann den Rechten rufen?\" sagte die Prinzessin. \"Er, der das","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Kunstwerk gemacht hat, soll mein Ehegatte und Herr sein!\"","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Und er stand in der Kirche, und sein Gefolge war das ganze Volk! Alle","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"freuten sich, alle segneten ihn. Nicht ein Neider war da – ja, das war das","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Unglaublichste!","book":"Das Unglaublichste"} {"text":"Es war einmal ein großes Wachslicht, das wußte wohl, was es war.","book":"Die Lichter"} {"text":"\"Ich bin in Wachs geboren und in einer Form gegossen,\" sagte dasselbe. \"Ich","book":"Die Lichter"} {"text":"leuchte heller und brenne länger als andere Lichter; mein Platz ist auf dem","book":"Die Lichter"} {"text":"Kronleuchter oder auf seinem silbernen Leuchter.\"","book":"Die Lichter"} {"text":"\"Das muß eine schöne Stellung sein,\" sagte das Talglicht. \"Ich bin nur von Talg,","book":"Die Lichter"} {"text":"nur ein gezogenes Licht, aber ich tröste mich damit, daß das doch immerhin ein","book":"Die Lichter"} {"text":"wenig mehr ist, als ein Küchenlicht zu sein. Das wird nur zweimal eingetunkt,","book":"Die Lichter"} {"text":"ich bin achtmal eingetunkt, um meine anständige Dicke zu bekommen. Ich bin","book":"Die Lichter"} {"text":"zufrieden! Gewiß ist es feiner und glücklicher, so gestellt zu sein, daß man","book":"Die Lichter"} {"text":"in Wachs und nicht in Talg geboren ist, aber man bestimmt ja nicht selber seine","book":"Die Lichter"} {"text":"Stellung in der Welt. Sie kommen in der Staatsstube auf den Kronleuchter, ich","book":"Die Lichter"} {"text":"bleibe in der Küche; aber das ist auch ein guter Ort, von welchem das ganze Haus","book":"Die Lichter"} {"text":"seine Speise bekommt.\"","book":"Die Lichter"} {"text":"\"Aber es gibt etwas, welches wichtiger ist als die Speise,\" sagte das","book":"Die Lichter"} {"text":"Wachslicht, \"ich meine die Geselligkeit! Sie strahlen sehen und selber strahlen!","book":"Die Lichter"} {"text":"Hier im Hause ist diesen Abend ein Ball, ich werde nun ehestens mit meiner","book":"Die Lichter"} {"text":"ganzen Familie abgeholt werden!\"","book":"Die Lichter"} {"text":"Kaum war das gesagt, als alle Wachslichter abgeholt wurden, aber auch das","book":"Die Lichter"} {"text":"Talglicht kam mit. Die Frau nahm es selber in ihre feine Hand und trug es hinaus","book":"Die Lichter"} {"text":"in die Küche. Da stand ein kleiner Knabe mit einem Korbe, welcher mit Kartoffeln","book":"Die Lichter"} {"text":"gefüllt wurde, und auch ein paar Äpfel kamen hinein. Das alles gab die gute Frau","book":"Die Lichter"} {"text":"dem armen Knaben.","book":"Die Lichter"} {"text":"\"Da hast du auch noch ein Licht, mein kleiner Freund,\" sagte sie. \"Deine Mutter","book":"Die Lichter"} {"text":"sitzt die ganze Nacht bei der Arbeit, sie kann es brauchen.\"","book":"Die Lichter"} {"text":"Die kleine Tochter des Hauses stand daneben, und als sie die Worte hörte \"die","book":"Die Lichter"} {"text":"ganze Nacht,\" sagte sie mit innerlicher Freude: \"Ich soll auch diese Nacht auf","book":"Die Lichter"} {"text":"sein, wir sollen einen Ball haben, und ich bekomme die großen roten Schleifen","book":"Die Lichter"} {"text":"an.\"","book":"Die Lichter"} {"text":"Wie strahlte ihr Gesicht! Das war Freude! Kein Wachslicht kann glänzen wie zwei","book":"Die Lichter"} {"text":"Kinderaugen!","book":"Die Lichter"} {"text":"\"Das ist hübsch zu sehen,\" dachte das Talglicht, \"das vergesse ich nimmer, und","book":"Die Lichter"} {"text":"das sehe ich wohl niemals wieder!\"","book":"Die Lichter"} {"text":"Und nun war es in den Korb gelegt, unter den Deckel, und der Knabe ging damit","book":"Die Lichter"} {"text":"fort.","book":"Die Lichter"} {"text":"\"Wo soll ich nun hin?\" dachte das Licht. \"Ich soll zu armen Leuten, bekomme","book":"Die Lichter"} {"text":"vielleicht nicht einmal einen Messingleuchter, während das Wachslicht in Silber","book":"Die Lichter"} {"text":"sitzt und die feinste Gesellschaft sieht! Es war nun einmal mein Schicksal, Talg","book":"Die Lichter"} {"text":"und nicht Wachs zu sein!\"","book":"Die Lichter"} {"text":"Und das Licht kam zu den armen Leuten, einer Witwe mit drei Kindern, in einer","book":"Die Lichter"} {"text":"niedrigen Stube, dem reichen Hause gegenüber.","book":"Die Lichter"} {"text":"\"Gott segne die gute Frau für ihre Gabe,\" sagte die Mutter, \"das ist ja ein","book":"Die Lichter"} {"text":"schönes Licht! Das kann die ganze Nacht hindurch brennen!\"","book":"Die Lichter"} {"text":"Und das Licht wurde angezündet.","book":"Die Lichter"} {"text":"\"Pfui! Pfui!\" sagte es. \"Das war ein garstig riechendes Schwefelholz, mit dem","book":"Die Lichter"} {"text":"sie mich anzündete. So etwas bietet man dem Wachslichte drüben in dem reichen","book":"Die Lichter"} {"text":"Hause gewiß nicht!\"","book":"Die Lichter"} {"text":"Auch drüben zündete man die Lichter an, sie strahlten auf die Straße hinaus,","book":"Die Lichter"} {"text":"Wagen mit geputzten Ballgästen rollten heran, Musik erklang.","book":"Die Lichter"} {"text":"\"Nun fangen sie da drüben an,\" merkte das Talglicht und dachte an das","book":"Die Lichter"} {"text":"freudestrahlende Gesicht des kleinen reichen Mädchens, welches heller strahlte","book":"Die Lichter"} {"text":"als alle Wachslichter. \"Der Anblick wird mir nimmer wieder!\"","book":"Die Lichter"} {"text":"Da kam das kleinste von den Kindern in dem Hause der armen Witwe, ein kleines","book":"Die Lichter"} {"text":"Mädchen war es, die fiel Bruder und Schwester um den Hals, sie hatte etwas sehr","book":"Die Lichter"} {"text":"Wichtiges zu erzählen, das mußte sie ganz leise sagen: \"Wir sollen heute abend –","book":"Die Lichter"} {"text":"denkt nur! – wir sollen heute abend warme Kartoffeln haben!\"","book":"Die Lichter"} {"text":"Und ihr Gesicht strahlte vor Glückseligkeit, das Licht fiel gerade auf dasselbe,","book":"Die Lichter"} {"text":"es sah eine Freude, ein Glück, welches ebenso groß war wie in dem reichen Hause,","book":"Die Lichter"} {"text":"wo das kleine Mädchen sagte: \"Wir sollen heute abend einen Ball haben, und ich","book":"Die Lichter"} {"text":"bekomme die großen roten Schleifen an!\"","book":"Die Lichter"} {"text":"\"Ist es denn ebenso viel, warme Kartoffeln zu bekommen?\" dachte das Licht. \"Hier","book":"Die Lichter"} {"text":"ist ja ebenso große Freude bei der Kleinen\" Darauf nieste es, das heißt, es","book":"Die Lichter"} {"text":"sprützte. Mehr kann ein Talglicht nicht tun.","book":"Die Lichter"} {"text":"Das Tisch wurde gedeckt, die Kartoffeln verspeist, Oh, wie das schmeckt! Es","book":"Die Lichter"} {"text":"war ein rechter Festschmaus, und nun bekam jedes Kind noch einen Apfel und das","book":"Die Lichter"} {"text":"jüngste Kind sagte den kleinen Vers her:","book":"Die Lichter"} {"text":"\"Du guter Gott, ich danke dir,","book":"Die Lichter"} {"text":"heut gabst du wieder Speise mir!","book":"Die Lichter"} {"text":"Amen.\"","book":"Die Lichter"} {"text":"\"Habe ich das nicht hübsch gesagt?\" rief dann die Kleine.","book":"Die Lichter"} {"text":"\"Danach mußt du nicht fragen, und das muß du nicht sagen,\" erwiderte ihr die","book":"Die Lichter"} {"text":"Mutter. \"Du darfst nur allein an den lieben Gott denken, der dich gespeist hat.\"","book":"Die Lichter"} {"text":"Die Kleinen gingen zu Bette, bekamen einen Kuß und schliefen gleich ein; und","book":"Die Lichter"} {"text":"die Mutter saß und nähte bis spät in die Nacht, um ihr Auskommen für sie und für","book":"Die Lichter"} {"text":"sich zu verdienen. Und drüben von dem reichen Hause her strahlten die Lichter","book":"Die Lichter"} {"text":"und erklang die Musik. Die Sterne blinkten über allen Häusern der Reichen und","book":"Die Lichter"} {"text":"der Armen gleich klar und gleich segenvoll.","book":"Die Lichter"} {"text":"\"Das war eigentlich ein schöner Abend,\" meinte das Talglicht. \"Ob wohl die","book":"Die Lichter"} {"text":"Wachslichter auf ihren silbernen Leuchtern es besser gehabt haben mögen? Das","book":"Die Lichter"} {"text":"möchte ich gerne wissen, ehe ich ausgebrannt bin.\"","book":"Die Lichter"} {"text":"Und es dachte an die beiden gleich Glücklichen, die eine von Wachslichtern, die","book":"Die Lichter"} {"text":"andere von einem Talglichte bestrahlt.","book":"Die Lichter"} {"text":"Ja, das ist die ganze Geschichte.","book":"Die Lichter"} {"text":"Da war eine alte Mohrrübe drin,","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"so knollig, so dick und so schwer,","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"die hatte gar einen gefährlichen Sinn,","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"sie wünschte, daß sie verheiratet wär","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"mit 'ner jungen Mohrrübe lieblich und gut","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"aus der Rüben alleradligstem Blut.","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"Und die Hochzeit kam.","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"Die Bewirtung war unbezahlbar gut;","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"sie kostete gar kein Geld,","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"sie leckten Mondschein und tranken Tau,","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"nahmen Blumenduft aus Wiese und Au","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"und Blütenstaub von Wald und Feld.","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"Die alte Mohrrübe grüßte mit einem Ruck","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"und sprach so viel und so lang;","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"die Worte, die glucksten kluck um kluck,","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"klein Mohrrübchen machte auch keinen Muck,","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"saß da so ernst und bang,","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"jung und schmuck.","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"Willst du's wissen genau,","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"frag die Grünwarenfrau.","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"Ein Rotkohl hat sie als Pfarrer getraut,","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"Braujungfern sind weiße Rüben;","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"Spargel und Gurke kam nach Belieben,","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"Kartoffeln standen und sangen laut.","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"Und es wurde getanzt von groß und von klein –","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"frag die Grünwarenfrau, sie sagt's dir allein.","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"Die alte Mohrrübe sprang ohne Strümpfe und Schuh,","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"hohei, da zersprang sie im Rücken,","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"und dann war sie tot, wuchs niemals mehr zu.","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"Die junge Mohrrübe lachte in Ruh,","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"so wunderlich kann es sich schicken.","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"Nun war sie Witwe, nun war sie froh,","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"nun konnte sie leben, huchheia hei ho!","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"In den Suppetopf sprang sie als Jungfrau hinein,","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"jung, froh, frisch und fein.","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"Willst du's wissen genau,","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"frag die Grünwarenfrau.","book":"Frag die Grünwarenfrau!"} {"text":"\"Ja, das ist nun ein Lief für ganz kleine Kinder,\" versicherte Tante Male, \"dem","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"kann ich mit dem besten Willen nicht folgen.\"","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"Aber die kleine Amalie konnte es; sie war nur drei Jahre als, spielte mit Puppen","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"und erzog diese so, daß sie ebenso klug wurden wie Tante Male.","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"Es kam ein Student ins Haus, der Gab den Brüdern Stunden, er sprach so viel mit","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"der kleinen Amalie und deren Puppen, sprach ganz anders wie alle anderen; das","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"fand die Kleine so unterhaltend, und doch sagte Tante Male, er verstehe durchaus","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"nicht mit Kindern umzugehen, die kleinen Köpfe könnten ein solches Geschwätz","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"durchaus nicht vertragen. Die kleine Amalie konnte es; ja, sie lernte sogar ein","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"ganzes Lied von dem Studenten: \"Tanze, tanze, Püppchen mein!\" und das sang sie","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"ihren drei Puppen vor, von denen zwei neu waren, ein Fräulein und ein junger","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"Herr, die dritte aber war alt und hieß Liese. Sie bekam auch das Lied zu hören,","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"und sie kam auch mit darin vor.","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"Tanze, tanze, Püppchen mein!","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"nein, wie ist das Fräulein fein!","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"Ebenso der Kavalier,","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"Hut und Handschuh' hat er hier,","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"blauen Frack und Hos' wie Schnee,","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"Leichdorn auf dem großen Zeh',","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"er ist fein, und sie ist fein,","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"tanzet, tanzet, Püppchen mein!","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"Allte Mutter Liese hier,","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"kannst schon vor'ges Jahr zu mir.","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"Neu dein Haar, wie Flachs so fein,","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"dein Gesicht wusch Butter rein;","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"bist ja wieder ganz wie neu,","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"alte Freundin, komm herbei.","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"Tanzt nun alle drei recht schön,","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"es ist Geld wert, das zu seh'n!","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"Tanzet, tanzet, Püppchen mein!","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"Recht im Takte muß es sein!","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"Füße auswärts, Brust heraus,","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"das nimmt sich am besten aus.","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"Neigt euch, beugt euch, dreht euch rund,","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"das ist überaus gesund","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"und so niedlich anzuseh'n,","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"ihr seid alle drei so schön!","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"Und die Puppen verstanden das Lied, und die kleine Amalie verstand es; der","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"Student verstand es; er hatte es selber gedichtet und sagte, es sei ganz","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"ausgezeichnet; nur Tante Male verstand es nicht; sie war hinaus über das","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"Plankwerk der Kindheit (\"Plankwerk,\" sagte sie), aber das war die kleine Amalie","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"nicht, die sang es.","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"Und von der haben wir es.","book":"\"Tanze, tanze, Püppchen mein!\""} {"text":"Es war einmal ein kleiner Seefisch aus guter Familie, des Namens entsinne ich","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"mich nicht mehr, den müssen die Gelehrten dir sagten. Der kleine Fisch hatte","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"achtzehnhundert Geschwister, alle gleich alt; sie kannten ihren Vater und Ihre","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Mutter nicht, sie mußten gleich selber für sich sorgen und umherschwimmen, aber","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"das war ein großes Vergnügen für sie. Wasser zum Trinken hatten sie genug, das","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"ganze Weltmeer, an Nahrung dachten sie nicht, die würde wohl kommen; jeder würde","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"seiner Neigung folgen, jeder würde seine eigene Geschichte haben, ja, daran","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"dachte auch keiner.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Die Sonne schien in das Wasser hinab, es schimmerte um sie herum, es war so","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"klar, es war eine Welt mit den wunderlichsten Geschöpfen, und einige waren","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"so schrecklich groß, mit mächtigen Rachen, die konnten die achtzehnhundert","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Geschwister verschlingen, aber auch daran dachten sie nicht, denn bisher war","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"noch keines von ihnen verschlungen worden,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Die Kleinen schwammen zusammen, dicht nebeneinander, wie die Heringe und","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Makrelen schwimmen; aber während sie so im Wasser schwammen und an gar nichts","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"dachten, sank mit einem schrecklichen Geräusch von oben herab mitten unter sie","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"ein langes, schweres Ding, das gar kein Ende nehmen wollte; länger und länger","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"streckte es sich, und jeder kleine Fisch, den es traf, wurde zerdrückt oder","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"bekam einen Knacks, den er nie wieder verwinden konnte. Alle kleinen Fische und","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"auch die großen, von der Meeresfläche hinab bis auf den Grund, stoben erschreckt","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"beiseite; das schwere, gewaltsame Ding senkte sich tiefer und tiefer, es ward","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"länger und länger, meilenlang, durch das ganze Meer.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Fische und Schnecken, alles was schwimmt, alles, was kriecht oder von den","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Strömungen getrieben wird, spürte dies entsetzliche Ding, diesen unendlichen,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"unbekannten Meeraal, der so ganz auf einmal von oben herabgekommen war.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Was für ein Ding war dies nur einmal? Ja, wir wissen es! Es war das große,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"meilenlange Telegraphenkabel, das die Menschen zwischen Europa und Amerika","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"versenkten.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Es entstand eine Angst, es entstand eine Bewegung zwischen den rechtmäßigen","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Bewohnern des Meeres, überall, wo das Kabel versenkt wurde. Der fliegende","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Fisch schnellte in die Höhe, über die Meeresfläche, so hoch er nur konnte,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"ja, der Knurrhahn sprang einen ganzen Büchsenschuß über das Wasser empor, denn","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"das kann er; andere Fische flohen auf den Meeresgrund, sie schossen mit einer","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"solchen Heftigkeit hinab, daß sie lange, bevor das Kabeltau noch gesehen war,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"dort anlangten; sie erschreckten Kabeljau und Scholle, die friedlich in der","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Meerestiefe wanderten und ihre Mitgeschöpfe fraßen.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Ein paar Meerwalzen erschraken so sehr, daß sie ihren Magen ausspuckten, aber","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"trotzdem weiterlebten, denn das konnten sie. Viele Hummern und Taschenkrebse","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"verließen ihren guten Harnisch und mußten die Beine zurücklassen.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Während all dieser Angst und Verwirrung kamen die achtzehnhundert Geschwister","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"auseinander und begegneten sich nicht wieder oder kannten einander wenigstens","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"nicht mehr; nur ein Dutzend blieb auf demselben Fleck, und als sie sich ein paar","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Stunden ruhig verhalten hatten, verwanden sie den ersten Schecken und fingen an,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"neugierig zu werden.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Sie sahen sich um; sie sahen aufwärts, und sie sahen abwärts, und da in","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"der Tiefe glaubten sie das schreckliche Ding zu erblicken, das sie so in","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Angst versetzt hatte, groß wie klein. Das Ding lag lang über den Meeresboden","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"ausgestreckt, so weit sie sehen konnten; sehr dünn war es, aber sie wußten ja","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"nicht, wie dick es sich machen konnte oder wie stark es war. Es lag ganz still,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"aber, dachten sie, das konnte ja Hinterlist sein.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Laßt es liegen, wo es liegt! Es geht uns gar nichts an!\" sagte der","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"vorsichtigste von den kleinen Fischen, aber der allerkleinste von ihnen konnte","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"es sich doch nicht versagen, sich Gewißheit darüber zu verschaffen, was das Ding","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"wohl sein könne; von oben war es herabgekommen, von obenher mußte man am besten","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Auskunft einholen können, und so schwammen sie denn zur Meeresoberfläche hinauf;","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"es war windstilles Wetter.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Da begegneten sie einem Delphin; das ist so ein Springgesell, ein Meerstreicher,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"der Purzelbäume auf der Wasserfläche schlagen kann; Augen zum Sehen hat er, und","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"er mußte gesehen haben, mußte Bescheid wissen; den fragten sie, aber er hatte","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"nur an sich selber und an seine Purzelbäume gedacht, hatte nichts gesehen, wußte","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"nichts zu antworten, und da schwieg er denn und sah stolz aus.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Dann wandten sie sich an den Seehund, der gerade niedertauchte; der war","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"höflicher, obwohl er kleine Fische frißt, aber heute war er satt. Er wußte ein","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"wenig mehr als der Springfisch.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Ich habe manch liebe Nacht auf einem nassen Stein gelegen und landeinwärts","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"gesehen, meilenweit von hier; da gibt es hinterlistige Geschöpfe, die werden in","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"ihrer Sprache Menschen genannt, sie stellen uns nach, gewöhnlich entschlüpfen","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"wir ihnen aber doch, das habe ich verstanden, und der Seeaal, von dem ihr redet,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"hat es auch verstanden. Er ist oben an Land in ihrer Macht gewesen, wohl seit","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"undenkbaren Zeiten; von dort haben sie ihn auf ein Schiff gebracht, wohl um ihn","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"übers Meer nach einem andern fernliegenden Land zu schaffen. Ich sah, welch eine","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Mühe sie damit hatten, aber sie konnten ihn bezwingen, er war ja an Land matt","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"geworden. Sie legten ihn in Kränzen und Kreisen zusammen, ich hörte, wie er sich","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"wand und sich wehrte, als sie ihn an Bord brachten, aber er entkam ihnen doch,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"floh hier hinaus. Sie hielten ihn mit aller Gewalt fest, viele Hände hielten","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"ihn, er entschlüpfte ihnen doch und gelangte auf den Meeresboden, da liegt er,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"denke ich, bis auf weiteres!\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Er ist ziemlich dünn!\" sagten die kleinen Fische.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Sie haben ihn ausgehungert!\" sagte der Seehund. \"Aber er wird sich bald","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"erholen, wird seine alte Dicke und Länge wiedergewinnen. Ich nehme an, daß dies","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"die große Seeschlange ist, vor der den Menschen so bange ist, und von der sie","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"soviel reden; bisher habe ich sie noch niemals gesehen und habe auch nie daran","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"geglaubt; jetzt glaube ich, daß sie es ist!\" Und dann tauchte der Seehund unter.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Wieviel er wußte! Wieviel er redete!\" sagten die kleinen Fische. \"Ich bin noch","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"nie so klug gewesen! - Wenn es nur nicht Lügen sind!\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Wir könnten ja hinabschwimmen und die Sache untersuchen!\" sagte der Kleinste.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Unterwegs hören wir die Ansicht der anderen!\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Ich mache keinen Schlag mit meinen Flossen, um etwas zu erfahren!\" sagten die","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"andern und wandten sich ab.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Aber das tue ich!\" sagte der Kleinste und lenkte seinen Kurs hinab in das","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"tiefe Wasser; aber er war weit entfernt von der Stelle, wo das \"lange, versenkte","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Ding\" lag. Der kleine Fisch sah und suchte nach allen Seiten tief unten auf dem","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Meeresgrund.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Noch nie war ihm seine Welt so groß erschienen. Die Heringe schwammen in großen","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Schwärmen, schimmernd wie ein Riesenband aus Silber, die Makrelen schlugen","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"dieselbe Richtung ein und sahen noch prächtiger aus. Da kamen Fische in allen","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Gestalten und mit Zeichnungen in allen Farben; Medusen, die halbdurchsichtigen","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Blumen glichen, die sich von den Strömungen tragen und führen ließen. Große","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Pflanzen wuchsen aus dem Meeresboden auf, klafterhohes Gras und palmenförmige","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Bäume, jedes Blatt mit schimmernden Schaltieren besetzt.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Endlich gewahrte der kleine Seefisch einen langen, dunkeln Streif dort unten und","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"steuerte darauf zu, aber das war weder Fisch noch Tau, es war die Reling eines","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"großen versunkenen Fahrzeugs, dessen oberstes und unterstes Deck durch den Druck","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"des Meeres zerbrochen war. Der kleine Fisch schwamm in den Raum hinein, aus dem","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"die vielen Menschen, die umgekommen waren, als das Schiff sank, jetzt alle bis","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"auf zwei weggeschwemmt waren; eine junge Frau lag dort ausgestreckt mit einem","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"kleine Kind in ihren Armen. Das Wasser hob sie und wiegte sie gleichsam, sie","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"schienen zu schlafen. Der kleine Fisch erschrak sehr, er wußte ja nicht, daß","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"sie nicht wieder erwachen konnten. Die Wasserpflanzen hingen wie Laubwerk über","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"die Reling herab, rankten sich um die beiden schönen Leichen der Mutter und des","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Kindes. Es war so still dort und so einsam. Der kleine Fisch machte sich, so","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"schnell er nur konnte, von dannen, schwamm dahin, wo das Wasser beleuchtet war,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"wo Fische zu sehen waren. Er war noch nicht weit gekommen, da begegnete er einem","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"jungen Walfisch, der schrecklich groß war.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Verschlinge mich nicht!\" sagte der kleine Fisch. \"Ich bin ja nicht einmal ein","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Bissen, so klein bin ich, und es ist mir eine große Freude zu leben!\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Was willst du so tief hier unten, wohin deine Art nicht kommt?\" fragte der","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Walfisch. Und dann erzählte der kleine Fisch von dem langen wunderlichen Aal","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"oder was für ein Ding es sein möchte, das sich von oben herabgesenkt und selbst","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"die allermutigsten Meergeschöpfe erschreckt hatte.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Ho, ho!\" sagte der Walfisch und sog so gewaltig Wasser ein, daß er einen","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"mächtigen Wasserstrahl von sich geben mußte, wenn er an die Meeresfläche kam","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"und Luft schöpfte. \"Ha, ha!\" sagte er. \"Das also war das Ding, das mir den","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Rücken kitzelte, als ich mich umwandte! Ich glaubte, es sei ein Schiffsmast,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"den ich gebrauchen könnte, um mich zu jucken! Aber hier in dieser Gegend war","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"es nicht. Nein, viel weiter hinaus liegt das Ding. Ich will es doch gleich mal","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"untersuchen, ich habe gerade nichts weiter zu tun!\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Und dann schwamm er vorwärts, und der kleine Fisch schwamm hinterdrein, nicht","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"zu nahe, denn wo der große Walfisch durch das Wasser schwamm, entstand gleichsam","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"ein reißender Strom.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Sie begegneten einem Hai und einem alten Schwertfisch; die beiden hatten auch","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"von dem wunderlichen Seeaale gehört, der so lang und so dünn war; gesehen hatten","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"sie ihn nicht, aber sie wollten ihn sehen.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Jetzt kam eine Meerkatze.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Ich komme mit!\" sagte sie; sie wollte doch denselben Weg.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Wenn die große Seeschlange nicht dicker ist als ein Ankertau, dann will ich sie","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"schon in einem Biß durchbeißen!\" Und dabei öffnete sie ihr Maul und zeigte ihre","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"sechs Reihen Zähne. \"Ich kann Merkzeichen in einen Schiffsanker beißen, da dann","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"ich den Stengel wohl auch durchbeißen!\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Da ist er!\" sagte der große Walfisch. \"Ich kann ihn sehen!\" Er glaubte, daß er","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"besser sehen könne als die andern. \"Seht, wie er sich hebt, seht, wie er sich","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"windet und beugt und krümmt!\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Aber das war er gar nicht, es war ein ungeheurer großer Seeaal, mehrere Ellen","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"lang, der sich näherte.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Den hab ich schon früher gesehen,\" sagte der Schwertfisch, \"der hat nie großen","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Aufruhr im Meer verursacht oder irgendeinem großen Frisch Schrecken eingejagt!\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Und dann sprach sie mit ihm von dem neuen Aal und fragten, ob er mit auf die","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Entdeckungsreise wolle.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Ist der Aal länger als ich,\" sagte der Seeaal, \"dann soll ihm ein Unglück","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"geschehen!\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Ja, dem soll ein Unglück geschehen!\" sagten die anderen. \"Wir sind genug, um","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"ihn nicht zu dulden!\" Und dann eilten sie weiter.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Aber da kam ihnen etwas in den Weg, ein wunderliches Ungeheuer, das größer war","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"als sie alle zusammen.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Es sah aus wie eine schwimmende Insel, die sich nicht an der Oberfläche zu","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"halten vermochte.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Es war ein uralter Walfisch. Sein Kopf war mit Wasserpflanzen überwuchert, der","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Rücken mit so unendlich vielen Austern und Muscheln besetzt, daß seine schwarze","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Haut ganz weißgefleckt war.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Komm mit, Alter,\" riefen sie ihm zu, \"hier ist ein neuer Fisch angekommen, den","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"wir nicht dulden wollen!\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Ich will lieber liegenbleiben, wo ich liege!\" sagte der alte Walfisch. \"Laßt","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"mich in Ruhe! Laßt mich liegen! Ja, ja, ja, ja! Ich leide an einer schweren","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Krankheit. Die einzige Linderung gewährt es mir, wenn ich an die Meeresfläche","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"hinaufsteige und den Rücken außer Wasser halte. Dann kommen die großen Seevögel","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"und kraulen mich, das tut so gut! Wenn sie die Schnäbel nur nicht zu tief","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"hineinhacken, oft picken sie bis in meinen Speck hinein. Seh nur einmal! Das","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"ganze Gerippe eines Vogels sitzt mir noch auf dem Rücken; der Vogel schlug","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"seine Klauen zu tief ein und konnte nicht wieder loskommen, als ich auf den","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Grund tauchte. Jetzt haben die kleinen Fische ihn abgefressen. Sehr nur, wie er","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"aussieht und wie ich aussehe! Ich bin schwerkrank!\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Das ist nichts als Einbildung,\" sagte der Walfisch. \"Ich bin niemals krank.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Kein Fisch ist krank.\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Entschuldigen Sie,\" sagte der alte Walfisch, \"der Aal hat die Hautkrankheit,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"der Karpfen soll Pocken haben, und wir alle haben Eingeweidewürmer!\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Unsinn!\" sagte der Haifisch; er mochte nichts mehr hören, die andern auch","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"nicht, sie hatten ja etwas anderes zu tun.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Endlich kamen sie an die Stelle, wo das Telegraphenkabel lag. Es hat ein","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"langes Lager auf dem Meeresboden, von Europa nach Amerika hinüber, hinweg","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"über Sandbänke und Meeresschlamm, über Klippengründe und Pflanzenwildnis,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"ja, über ganze Korallenwälder; und dann wechseln die Strömungen da unten, die","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Wasserwirbel drehen sich, Fische wimmeln hervor, mehr in einem Schwarm als die","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"zahllosen Vogelscharen, die die Menschen in der Zugvogelzeit sehen. Da ist ein","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Rühren, ein Plätschern, ein Summen, ein Sausen. Von diesem Sausen spukte es","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"noch ein wenig in den großen, leeren Meeresmuscheln, wenn wir sie an unser Ohr","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"halten.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Jetzt kamen sie an die Stelle.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Da liegt das Tier!\" sagten die großen Fische, und die kleinen sagten es auch.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Sie sahen das Tau, dessen Anfang und Ende ihrem Gesichtskreis entschwand.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Schwämme, Polypen und Gorgonen wiegten sich über dem Meeresgrund, senkten und","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"beugten sich über das Tau, so daß es bald verdeckt war, bald wieder sichtbar","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"wurde. Seestachelschweine, Schnecken und Würmer bewegten sich darum herum;","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"riesige Spinnen, die eine ganze Besatzung von kriechenden Tieren mit sich","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"schleppten, stolzierten auf dem Tau entlang. Dunkelblaue Meerwalzen oder wie","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"das Gewürm heißt, das mit dem ganzen Körper frißt, lagen da und beschnüffelten","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"das neue Tier, das sich auf dem Meeresboden gelagert hatte. Scholle und Kabeljau","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"wendeten sich im Wasser, um nach allen Seiten zu lauschen. Der Sternfisch, der","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"sich immer in den Schlamm hineinbohrt und nur die beiden langen Stengel mit","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"den Augen blicken läßt, lag da und glotzte, um zu sehen, was aus der Bewegung","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"herauskommen würde.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Das Telegraphenkabel lag ohne alle Bewegung da. Aber Leben und Gedanken waren","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"darin; Menschengedanken gingen da hindurch.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Das Ding ist heimtückisch!\" sagte der Walfisch. \"Es ist imstande, mich auf den","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Bauch zu schlagen, und das ist nun einmal meine schwache Seite!\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Wir wollen uns vorfühlen!\" sagte der Polyp. \"Ich habe lange Arme, ich habe","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"geschmeidige Finger; berührt habe ich ihn schon, jetzt will ich ihn einmal etwas","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"fester anfassen.\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Und er streckte seine geschmeidigen, längsten Arme nach dem Tau hinab, legte sie","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"rund herum.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Eine Schale hat er nicht,\" sagte der Polyp. \"er hat keine Haut! Ich glaube, er","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"wird nie lebende Junge zur Welt bringen!\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Der Seeaal legte sich längs des Telegraphenkabels und streckte sich so lang aus,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"wie er nur konnte.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Das Ding ist länger als ich!\" sagte er. \"Aber die Länge macht es nicht, man muß","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Haut und Magen und Geschmeidigkeit haben!\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Der Walfisch, der junge, starke Walfisch, neigte sich tief hinab, tiefer, als er","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"jemals gewesen war.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Bist du Fisch oder Pflanze?\" fragte er. \"Oder bist du nur ein Machwerk von","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"oben, das hier unten bei uns nicht gedeihen kann?\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Aber das Kabel antwortete nicht; das ist nicht seine Art. Es gingen Gedanken","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"durch seinen Leib hindurch, Menschengedanken; es führte sie in einer Sekunde,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"die vielen hundert Meilen von Land zu Land.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Willst du antworten, oder willst du durchgebissen werden?\" fragte der gierige","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Hai, und alle die andern großen Fische fragten dasselbe: \"Willst du antworten,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"oder willst du durchgebissen werden?\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Das Tau rührte sich nicht, es hatte seinen ganz aparten Gedanken, und einen","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"solchen kann derjenige haben, der mit Gedanken angefüllt ist.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Mögen sie mich durchbeißen! Dann werde ich hinaufgezogen und komme in bester","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Ordnung wieder zurück; das ist schon andern meiner Art in weit kleineren","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Gewässern begegnet!\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Deswegen antwortete das Tau nicht, es hatte anderes zu tun, es telegraphierte,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"lag von Amts wegen auf dem Grunde des Meeres.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Oben auf der Erde ging jetzt die Sonne unter, wie die Menschen es nannten, sie","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"glich dem rötesten Feuer, und alle Wolken des Himmels schienen wie Feuer, eine","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"immer noch prächtiger als die andere.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Jetzt bekommen wir die rechte Beleuchtung,\" sagten die Polypen, \"dann sieht man","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"das Ding am Ende besser, falls es nötig ist!\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Drauflos! Drauflos!\" rief die Meerkatze und zeigte alle ihre Zähne.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Drauflos! Drauflos!\" sagten der Schwertfisch und der Walfisch und der Seeaal.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Sie stürzten vorwärts, die Meerkatze voran; aber im selben Augenblick, als sie","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"in das Tau hineinbeißen wollte, jagte der Schwertfisch aus lauter Aufgeregtheit","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"sein Schwert in das Hinterteil der Meerkatze hinein; das war ein großes","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Versehen, und die Katze hatte nun keine Kraft mehr zum Biß.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Es entstand ein wirres Durcheinander unten am Meeresgrund: große Fische und","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"kleine Fische, Meerwalzen und Schnecken gingen aufeinander los, fraßen einander,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"wurden zerquetscht, zerdrückt. Das Tau lag still und verrichtete seine Arbeit,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"und das soll man tun.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Oben brütete die finstere Nacht, aber die Milliarden und Milliarden von","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"lebenden kleinen Tieren des Meeres leuchteten. Krebse, kaum so groß wie ein","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Stecknadelkopf, leuchteten. Es ist ganz wunderbar, aber so ist es nun einmal.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Die Tiere des Meeres sahen das Telegraphenkabel an.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Was ist doch das Ding, und was ist es nicht?\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Ja, das war die Frage.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Da kam eine alte Meerkuh. Die Menschen nennen die Art: Meermann, oder Meermaid.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Eine Sie war es, sie hatte einen Schwanz und zwei kurze Arme zum Plätschern,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"einen hängenden Busen und Tang und Muscheln im Haar und darauf war sie stolz.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Wollt ihr Kenntnis und Wissen erlangen,\" sagte sie, \"so bin ich wohl die","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"einzige, die euch dazu verhelfen kann. Aber dafür verlange ich gefahrlosen","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Weideplatz auf dem Meeresboden für mich und die Meinen. Ich bin ein Fisch wie","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"ihr. Und ich bin auch ein kriechendes Tier durch Übung. Ich bin die Klügste im","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"ganzen Meer, ich weiß von allem, was sich hier unten regt, und von allem, was da","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"oben vor sich geht. Das Ding da, über das ihr euch die Köpfe zerbrecht, stammt","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"von da oben, und was von da oben herunterplumpst, ist tot oder wird tot und","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"machtlos; laßt es liegen, wie es liegt. Es ist nur eine Menschenerfindung.\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Ich glaube nun doch, daß etwas mehr daran ist!\" sagte der kleine Walfisch.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Halts Maul, Makrele!\" sagte die große Meerkuh.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Stichling!\" sagten die andern, und das war eine noch größere Beleidigung.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Und die Meerkuh erklärte ihnen, daß das ganze Alarmtier, das ja übrigens keinen","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Muck sagte, nur eine Erfindung von dem trocknen Land sei. Und sie hielt einen","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Vortrag über die Verschlagenheit der Menschen.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Sie wollen sich unser bemächtigen,\" sagte sie, \"das ist das einzige, wofür sie","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"leben, sie spannen ihre Netze aus, stecken den Köder auf den Angelhaken, um uns","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"zu locken. Dies hier ist eine Art großer Angelleine, und sie glauben, daß wir","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"daran anbeißen werden, so dumm sind sie! Aber das sind wir nicht! Berührt nur ja","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"nicht das Machwerk, das löst sich in Fasern auf, wird zu Stückwerk und Schlamm,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"das Ganze. Was von oben kommt, hat alles einen Knacks, taugt nichts!\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Taugt nichts!\" sagten alle Geschöpfe des Meeres und hielten sich an die Meinung","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"der Meerkuh, um auch eine Meinung zu haben.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Der keine Seefisch behielt seinen eigenen Gedanken. \"Die unendlich dünne,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"lange Schlange ist am Ende der wunderbarste Fisch im ganzen Meer. Ich habe eine","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Empfindung davon.\"","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"\"Ja, der wunderbarste!\" sagen wir Menschen auch und sagen es mit Kenntnis und","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Gewißheit.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Es ist die große Seeschlange, von der schon längst in Liedern und Sagen erzählt","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"ist.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Sie ist geboren und großgezogen, entsprungen aus der Klugheit der Menschen und","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"auf dem Meeresboden niedergelegt, wo sie sich von den Ländern des Ostens bis zu","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"den Ländern des Westens erstreckt und die Botschaft so schnell weiterträgt, wie","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"der Strahl des Lichts von der Sonne zu unserer Erde hinabdringt. Sie wächst,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"wächst an Macht und Ausdehnung, wächst Jahr für Jahr, durch alle Meere, um","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"die ganze Welt herum, unter den strömenden Wassern und des glasklaren Wassern,","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"wo der Schiffer hinabsieht, als segele er durch die durchsichtige Luft, wo er","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"wimmelnde Fische sieht, ein ganzes Farbenfeuerwerk.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Ganz tief unten erstreckt sich die Schlange, eine sagenhafte, segenspendende","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Riesenschlange, die sich in den Schwanz beißt, indem sie die Erde umschließt.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Fische und kriechendes Gewürm rennt mit der Stirn dagegen, sie verstehen die","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Dinge von oben doch nicht: der Menschheit gedankenerfüllte, in allen Sprachen","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"redende und doch lautlose Schlage der Erkenntnis des Guten und Bösen, das","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"wunderbarste von allen Wundern des Meeres, die große Seeschlange unserer Zeit.","book":"Die große Seeschlange"} {"text":"Eine Meile von der Hauptstadt entfernt stand ein altes Schloß mit dicken Mauern,","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Türmen und gezackten Giebeln.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Hier wohnte, jedoch nur in der Sommerzeit, eine reiche, hochadelige Herrschaft;","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"das Schloß war das beste und schönste von allen Schlössern, die sie besaß. Es","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"stand wie neugegossen von außen da, und drinnen herrschten Traulichkeit und","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Bequemlichkeit. Das Wappen der Familie war in Stein über dem Tor eingehauen,","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"wunderschöne Rosen schlangen sich um Wappen und Erker, ein ganzer Grasteppich","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"breitete sich vor dem Schlosse aus, und da waren Rotdorn und Weißdorn, da waren","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"seltene Blumen selbst außerhalb des Treibhauses.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Die Herrschaft hatte auch einen tüchtigen Gärtner; es war eine Lust, den","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Blumengarten, den Obst- und Küchengarten zu sehen. An diesen grenzte noch ein","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Rest von dem ursprünglichen alten Garten des Schlosses mit Buchsbaumhecken,","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"die so beschnitten waren, daß sie Kronen und Pyramiden bildeten. Hinter diesen","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"standen zwei mächtige alte Bäume; sie waren fast immer blätterlos, und man","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"hätte leicht glauben können, daß ein Sturmwind oder eine Windhose sie mit großen","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Klumpen Dünger bestreut hätte, aber jeder Klumpen war ein Vogelnest.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Hier baute seit undenkbaren Zeiten eine Schar schreiender Dohlen und Krähen","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"ihre Nester: es war eine ganze Vogelstadt, und die Vögel waren die Herrschaft,","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"die Besitzer, die älteste Familie des Gutes, die eigentliche Herrschaft des","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Schlosses. Keiner von den Menschen da untern ging sie etwas an, aber sie","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"duldeten diese niedrig gehenden Geschöpfe, obwohl diese zuweilen mit der Flinte","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"knallten, so daß es den Vögeln im Rückgrat kribbelte und jeder Vogel vor Schreck","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"aufflog und schrie: \"Rack! Rack!\"","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Der Gärtner sprach oft mit seiner Herrschaft davon, daß man die alten Bäume","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"fällen sollte, sie sähen nicht gut aus, und wenn sie wegkämen, würde man","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"wahrscheinlich von den schreienden Vögeln befreit werden, die anderswohin","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"fliegen würden. Aber die Herrschaft wollte weder die Bäume noch die Vogelschar","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"entbehren, das war etwas, was das Schloß nicht verlieren durfte, es war etwas","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"aus der alten Zeit, und die sollte man nicht ganz auslöschen.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Diese Bäume sind nun des Erbgut der Vögel, mögen sie es behalten, mein guter","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Larsen!\"","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Der Gärtner hieß Larsen, aber das hat nun weiter nichts zu bedeuten.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Ist ihr Wirkungskreis nicht groß genug, lieber Larsen? Sie haben doch den","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"ganzen Blumengarten, die Treibhäuser, den Obst- und Küchengarten?\"","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Das alles hatte er, und er pflegte und hegte es mit Eifer und Tüchtigkeit, und","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"das wurde von der Herrschaft anerkannt, aber sie verhehlten ihm nicht, daß sie","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"bei Fremden oft Früchte aßen und Blumen sahen, die das übertrafen, was sie in","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"ihrem eigenen Garten hatten, und das betrübte den Gärtner, denn er wollte das","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Beste und tat das Beste. Er hatte ein gutes Herz und verrichtete seine Arbeit","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"gut.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Eines Tages ließ ihn die Herrschaft rufen und sagte in aller Milde und","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Herrschaftlichkeit, daß sie am vorhergehenden Tage bei vornehmen Freunden eine","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Art Äpfel und Birnen bekommen hatten, die so saftig und wohlschmeckend waren,","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"daß sie und alle Gäste sich voller Bewunderung geäußert hatten. Die Früchte","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"waren gewiß nicht hier aus dem Lande, aber die sollten eingeführt und hier","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"heimisch werden, wenn unser Klima es erlaubte. Man wußte, daß sie drinnen in","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"der Stadt bei dem ersten Fruchthändler gekauft waren. Der Gärtner sollte in die","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Stadt reiten und sich danach erkundigen, woher diese Äpfel und Birnen gekommen","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"waren, und dann Pfropfzweige anfordern.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Der Gärtner kannte den Fruchthändler sehr gut, denn gerade an ihn verkaufte er","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"für seine Herrschaft den Überfluß an Obst, der im Schloßgarten wuchs.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Und der Gärtner ritt in die Stadt und fragte den Obsthändler, woher er diese","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"hochgepriesenen Äpfel und Birnen habe.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Die sind aus Ihrem eigenen Garten!\" sagte der Fruchthändler und zeigte ihm","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"sowohl Äpfel wie Birnen, die er wiedererkannte.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Wie sich der Gärtner freute; er eilte zu seiner Herrschaft und erzählte, daß","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"sowohl die Äpfel als auch die Birnen aus ihrem eigenen Garten seine.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Das wollte die Herrschaft gar nicht glauben. \"Das ist doch nicht möglich,","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Larsen! Können Sie ein schriftliches Zeugnis vom Fruchthändler beschaffen?\"","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Und das konnte er, er brachte ein schriftliches Attest.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Das ist doch sonderbar!\" sagte die Herrschaft.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Nun kamen auf den herrschaftlichen Tisch jeden Tag große Schalen mit diesen","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"prächtigen Äpfeln und Birnen aus ihrem eigenen Garten; scheffel- und tonnenweise","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"wurde diese Früchte an Freunde in der Stadt und außerhalb der Stadt gesandt,","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"ja selbst nach dem Auslande. Das war ein wahres Vergnügen! Doch mußten sie","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"hinzufügen, daß es ja auch zwei außergewöhnlich gute Sommer für Baumobst gewesen","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"seien. Dies sei überall im Lande gut geraten.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Es verging eine Weile; die Herrschaft aß eines Mittags bei Hofe. Am Tage darauf","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"wurde der Gärtner zu seiner Herrschaft gerufen. Sie hatten bei Tafel Melonen","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"bekommen, überaus saftvoll, wohlschmeckend, sie waren aus dem Treibhause der","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Majestäten.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Sie müssen zum Hofgärtner gehen, lieber Larsen, und uns einige von den Kernen","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"dieser köstlichen Melonen verschaffen!\"","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Aber der Hofgärtner hat die Kerne von uns bekommen!\" sagte der Gärtner ganz","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"vergnügt.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Dann hat der Mann verstanden, die Früchte zu einer höheren Entwicklung zu","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"bringen!\" entgegnete die Herrschaft. \"Jede Melone war ausgezeichnet.\"","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Ja, dann kann ich stolz sein!\" sagte der Gärtner. \"Ich will der gnädigen","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Herrschaft nur sagen, daß der Schloßgärtner in diesem Jahre mit seinen Melonen","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"kein Glück gehabt hat, und als er sah, wie prächtig unsere standen, und sie","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"kostete, da bestellte der drei davon fürs Schloß!\"","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Larsen, bilden Sie sich doch nicht ein, daß diese Melonen aus unserem Garten","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"waren!\"","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Ich glaube es!\" sagte der Gärtner, ging zum Schloßgärtner und erhielt von ihm","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"einen schriftlichen Beweis, daß die Melonen auf der königlichen Tafel aus dem","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Herrschaftsgarten gekommen seien.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Das war wirklich eine Überraschung für die Herrschaft, und sie verschwieg die","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Geschichte nicht, sie zeigte das Attest vor, ja, es wurden Melonenkerne weit und","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"breit versandt, so wie früher die Pfropfzweige.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Von diesen erhielt man Nachricht, sie hatten angeschlagen, hatten Früchte","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"angesetzt, ganz vorzüglich, und die waren nach dem Schloß der Herrschaft","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"genannt, so daß der Name dadurch setzt auf englisch, französisch und deutsch zu","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"lesen war.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Das hätte man sich doch niemals träumen lassen.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Wenn nur der Gärtner nicht zu große Ideen von sich bekommt!\" sagte die","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Herrschaft.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Es faßte die Sache ganz anders auf: er wollte jetzt bestrebt sein, seinen","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Namen als einen der besten Gärtner des Landes zu behaupten, jedes Jahr wollte","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"er versuchen, etwas Vorzügliches von allen Gartenarten zu bringen, und das tat","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"er, aber oft mußte er doch hören, daß die allerersten Früchte, die er gebracht","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"hatte, die Äpfel und die Birnen, eigentlich die besten gewesen seien, alle","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"späteren Arten standen weit zurück. Die Melonen waren ja freilich sehr gut","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"gewesen, aber das war ja auch eine ganz andere Art; die Erdbeeren könnte man","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"ja vortrefflich nennen, aber doch nicht besser als die, die andere Herrschaften","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"hatten, und als die Rettiche in einem Jahre nicht gerieten, sprach man nur von","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"den verunglückten Rettichen und nicht von all dem andern Guten, was das Jahr","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"gebracht hatte.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Es war fast, als ob die Herrschaft eine Erleichterung empfand, wenn sie sagen","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"konnte:","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Dieses Jahr glückte es Ihnen nicht, lieber Larsen!\" Sie waren wirklich ganz","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"froh, wenn sie sagen konnten: \" Dieses Jahr glückte es nicht!\"","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Ein paarmal in der Woche brachte der Gärtner frische Blumen ins Zimmer, immer","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"höchst geschmackvoll geordnet. Er setzte die Farben durch die Zusammenstellung","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"gleichsarm in ein stärkeres Licht.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Sie haben Geschmack, Larsen!\" sagte die Herrschaft. \"Es ist eine Gabe, die der","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"liebe Gott Ihnen gegeben hat, aus sich selber haben Sie es nicht!\"","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Eines Tages kam der Gärtner mit einer großen Kristallschale, darin lag ein","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Wasserrosenblatt; auf dieses war, mit dem langen, dicken Stengel im Wasser, eine","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"strahlende blaue Blume gelegt, so groß wie eine Sonnenblume.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Hindustans Lotus!\" sagte die Herrschaft.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Eine solche Blume hatten sie noch nie gesehen, und sie wurde am Tage in die","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Sonne und am Abend ins Reflexlicht gestellt. Jeder, der sie sah, fand sie","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"wunderbar schön und selten, ja, das sagte selbst die vornehmste von den jungen","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Damen des Landes, und das war eine Prinzessin; klug und herzensgut war sie.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Die Herrschaft setzte eine Ehre darein, ihr die Blume zu überreichen, und sie","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"kam mit der Prinzessin auf das Schloß.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Nun ging die Herrschaft in den Garten hinab, um selber eine Blume von derselben","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Art zu pflücken, wenn noch eine solche da war, aber sie war nicht zu finden.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Dann riefen sie den Gärtner und fragten, woher er die Lotus habe.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Wir haben vergebens gesucht!\" sagten sie. \"Wir sind in den Treibhäusern und","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"durch den ganzen Blumengarten gegangen!\"","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Nein, da ist sie wirklich auch nicht zu finden!\" sagte der Gärtner. \"Es ist","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"nur eine geringe Blume aus dem Küchengarten! Aber, nicht war, wie schön sie ist!","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Sie sieht aus, als sei es ein blauer Kaktus, und ist doch nur die Blüte einer","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Artischocke!\"","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Das hätten Sie uns aber gleich sagen müssen!\" sagte die Herrschaft. \"Wir mußten","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"glauben, daß es eine fremde seltene Blume sei. Sie haben uns vor der jungen","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Prinzessin blamiert! Sie sah die Blume bei uns, fand sie so schön, kannte sie","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"nicht, und sie ist doch gut bewandert in der Botanik, aber die Wissenschaft hat","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"gewiß nicht mit den Küchenkräutern zu tun. Wie konnte es Ihnen doch einfallen,","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"lieber Larsen, eine solche Blume ins Zimmer zu setzen. Sie machen uns ja","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"lächerlich!\"","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Und die schöne blaue Prachtblüte, die aus dem Küchengarten geholt war, wurde","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"aus dem herrschaftlichen Zimmer entfernt, wohin sie nicht gehörte, ja, die","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Herrschaft brachte eine Entschuldigung bei der Prinzessin vor und erzählte, daß","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"die Blume nur ein Küchengewächs sei, das der Gärtner hinzustellen sich erkühnt","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"habe; aber er habe dafür auch einen ernsten Tadel erhalten.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Das ist aber wirklich unrecht!\" sagte die Prinzessin. \"Er hat ja unsere Augen","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"für eine Prachtblüte erschlossen, die wir bisher nicht beachtet hatten. Er hat","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"uns die Schönheit gezeigt, wo es uns nicht eingefallen war, sie zu suchen! Der","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Schloßgärtner soll mir jeden Tag, solange die Artischocken blühen, eine Blume","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"davon in mein Zimmer bringen!\"","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Und so geschah es.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Die Herrschaft ließ dem Gärtner sagen, daß er nun wieder eine frische","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Artischockenblüte bringen könne.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Sie ist eigentlich sehr schön,\" sagten sie, \"höchst eigentümlich!\" und der","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Gärtner erhielt ein Lob.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Das geht dem guten Larsen glatt herunter!\" sagte die Herrschaft. \"Er ist ein","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"verhätscheltes Kind.\"","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Im Herbst brauste ein schrecklicher Sturm. Des Nachts wehte es so gewaltsam, daß","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"viele große Bäume am Rande des Waldes mit der Wurzel ausgerissen wurden, und zum","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"großen Kummer für die Herrschaft, sie nannten es einen Kummer, aber zur Freude","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"für den Gärtner, wehten die beiden großen Bäume mit allen den Vogelnestern um.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Man hörte im Sturm das Geschrei der Dohlen und Krähen, sie schlugen mit den","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Flügeln gegen die Fensterscheiben, sagten die Leute im Schloß.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Jetzt freuen Sie sich wohl, Larsen!\" sagte die Herrschaft. \"Der Sturm hat","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"die Bäume gefällt, und die Vogel sind nach dem Walde geflogen. Jetzt ist ja","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"nichts hier von der alten Zeit zu erblicken, jede Spur, jede Andeutung ist","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"verschwunden! Uns hat es betrübt!\"","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Der Gärtner sagte nichts, aber er dachte an das, was er lange gedacht hatte,","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"nämlich daran, den prächtigen, sonnigen Platz zu benutzen, über den er bisher","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"nicht hatte verfügen können, der sollte eine Zierde des Gartens und eine Freude","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"für die Herrschaft werden.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Die großen, umgewehten Bäume hatten die uralten Buchsbaumhecken mit all ihrer","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Verschneidung zerdrückt und zerschmettert. Er pflanzte hier ein Dickicht von","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Gewächsen, von heimischen Pflanzen aus Feld und Wald.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Was kein anderer Gärtner in so reicher Fülle in einen herrschaftlichen Garten","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"zu pflanzen gewagt haben würde, das setzte er hier in die Erde, die jedes","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"einzelne Gewächs verlangte, und in Sonnenschein oder Schatten, so wie jede Art","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"es bedurfte. Er pflegte in Liebe, und es wuchs in Herrlichkeit.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Der Wachholderbusch aus der jütländischen Heide prangte hier in Form und Farbe","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"wie die Zypresse Italiens, der blanke, stachlige Christusdorn, immergrün in","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Winterkälte und in Sommersonne, stand herrlich zu sehen da. Im Vordergrund","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"wuchsen Farnkräuter, viele verschiedene Arten, einige sahen aus, als seien sie","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Kinder des Palmenbaums, und andere, als seien sie die Eltern der feinen, schönen","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Pflanzen, die wir Venushaar nennen. Hier stand die verachtete Klette, die in","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"ihrer Frische so schön ist, daß sie in einem Bukett zum Schmuck gereichte.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Die Klette stand auf dürrem Boden, aber niedriger; in den feuchten Grund wuchs","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"der Ampfer, auch eine verachtete Pflanze, die doch durch ihre Größe und ihre","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"mächtigen Blätter so malerisch schön aussah. Ellenhoch, mit unzähligen Blüten,","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"wie ein mächtiger, vielarmiger Kandelaber, ragte die Königskerze auf, die aus","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"dem Feld in den Garten verpflanzt war. Hier standen Waldmeister, Schlüsselblume","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"und Maiglockchen, die wilde Calla und der dreiblättrige Sauerklee. Es war eine","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Pracht.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Davor aber, auf Stahldraht gestützt, wuchsen in Reihen ganz kleine Birnbäume aus","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"französischem Erdboden; sie bekamen Sonne und gute Pflege und trugen bald große,","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"saftige Früchte wie in dem Lande, woher sie kamen.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Statt der beiden alten, blätterlosen Bäume wurde eine hohe Flaggenstange","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"aufgerichtet, um die der Danebrog wehte, und dicht daneben noch eine Stange,","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"um die sich zur Sommer- und Herbstzeit die Hopfenranken mit ihren duftenden","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Blütenbüscheln schlangen, wo aber im Winter nach alter Sitte eine Hafergarbe","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"aufgehängt wurde, damit die Vögel des Himmels in der frohen Weihnachtszeit auch","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"eine Mahlzeit hatten.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Der gute Larsen wird in seinen alten Jahren sentimental!\" sagte die Herrschaft.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Aber er ist uns ja treu und ergeben!\"","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Zu Neujahr kam in einer der illustrierten Zeitungen der Hauptstadt ein Bild von","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"dem alten Schloß, man sah die Flaggenstange und die Hafergarbe für die Vögel","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"des Himmels in der frohen Weihnachtszeit, und es stand als ein schöner Gedanke","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"gesprochen und hervorgehoben, daß eine alte Sitte hier wieder zu Ehren gebracht","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"war, so bezeichnend gerade für das alte Schloß.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"\"Alles, was dieser Larsen tut,\" sagte die Herrschaft, \"wird an die große Glocke","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"gehängt. Es ist ein glücklicher Mann! Wir müssen ja fest stolz darauf sein, daß","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"wir ihn haben!\"","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Aber sie waren gar nicht stolz darauf! Sie fühlten, daß sie die Herrschaft","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"waren, sie konnten Larsen kündigen, aber das taten sie nicht, sie waren gute","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Menschen, und es gibt so viele gute Menschen dieser Art, und das ist ein Glück","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"für jeden Larsen.","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Ja, das ist die Geschichte \"von dem Gärtner und der Herrschaft.\"","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Nun kannst du darüber nachdenken!","book":"Der Gärtner und die Herrschaft"} {"text":"Der Wind saust in dem alten Weidenbaum!","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Es ist, als hörte man ein Lied; der Wind singt es, der Baum erzählt es.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Verstehst du es nicht, dann frage die alte Johanne im Armenhaus, sie weiß","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Bescheid, sie ist hier im Dorfe geboren.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Vor vielen Jahren, als die Landstraße noch hier vorüberführte, war der Baum","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"schon groß und bemerkbar. Er stand, wo er noch jetzt steht, vor dem weißen","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Fachwerkhaus des Schneiders, dicht am Teich, der damals so groß war, daß das","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Vieh darin getränkt wurde, und wo im heißen Sommer die kleinen Bauernjungen","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"nackt herumliefen und im Wasser plätscherten. Dicht unter dem Baum war ein","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Meilenzeiger aus gehauenen Steinen aufgestellt; jetzt ist er umgefallen, die","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Brombeerranken wachsen darüber hin.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Jenseits des reichen Bauernhofes wurde die neue Landstraße angelegt, die alte","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"wurde Feldweg, der Teich eine Pfütze, mit Entenflott überwuchert; plumpste","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"ein Frosch hinein, so trennte sich das Grüne, und man sah das schwarze Wasser;","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"ringsumher wuchsen und wachsen noch heute Rohrkolben, Bitterklee und gelbe Iris.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Das Haus des Schneiders wurde alt und schief, das Dach ein Mistbeet für Moos","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"und Hauslauch; der Taubenschlag war eingestürtzt, und der Star baute da; die","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Schwalben hängten Nest an Nest unter dem Giebel des Hauses und unter dem Dach","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"auf, als sei hier eine Stätte des Glücks.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Das war es hier auch einmal; jetzt war es einsam und still geworden. Einsam und","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"willensschwach lebte hier drinnen \"der dumme Rasmus,\" wie sie ihn nannten; er","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"war hier geboren, er hatte hier gespielt, war über Feld und Zaun gesprungen,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"hatte als kleiner Junge im offenen Teich geplätschert und war in den alten Baum","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"hinaufgeklettert.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Der erhob seine großen Zweige mit Pracht und Schönheit, so wie er sie noch","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"jetzt erhebt, aber der Sturm hatte den Stamm schon ein wenig schief gebogen,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"und die Zeit hatte ihm einen Riß beigebracht; jetzt haben Wind und Wetter Erde","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"in den Riß hineingelegt, es wachsen Gras und Kräuter darin, ja, ein kleiner","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Vogelbeerbaum hat sich selber da hineingepflanzt.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Wenn im Frühling die Schwalben kamen, flogen sie um den Baum und um das Doch,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"sie klebten und besserten ihre alten Nester aus, der dumme Rasmus ließ sein","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Nest stehen oder verfallen, wie es wollte; er besserte es weder aus noch stützte","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"er es. \"Was kann das nützen!\" war seine Redensart, und das war auch die seines","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Vaters gewesen.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Er blieb in seinem Heim, die Schwalben flogen fort, aber die kamen wieder, die","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"treuen Tiere. Der Star flog fort, er kam wieder zurück und flötete sein Lied;","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"einmal konnte Rasmus mit ihm um die Wette flöten; jetzt flötete und sang er","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"nicht mehr.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Der Wind sauste in dem alten Weidenbaum, er saust noch, es ist, als hörte man","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"ein Lied; der Wind singt es, der Baum erzählt es; verstehst du es nicht, dann","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"frage die alte Johanne im Armenhaus, sie weiß Bescheid, sie ist klug in alten","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Geschichten, sie ist wie eine Chronik mit Aufzeichnungen und alten Erinnerungen.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Als das Haus neu und gut war, zog der Dorfschneider Ivar Ölse mit seiner Frau","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Maren hinein; strebsame, rechtschaffene Leute alle beide. Die alte Johanne war","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"damals ein Kind, sie war die Tochter des Holzschuhmachers, eines der ärmsten","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Leute im Dorf. Manch ein gutes Butterbrot bekam sie von Maren, in deren Hause","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"kein Mangel an Essen war; die stand sich gut mit der Schloßherrin, immer lachte","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"sie und war froh, sie ließ sich nicht einschüchtern. Sie brauchte ihren Mund,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"aber auch ihre Hände; sie führte die Nähnadel ebenso schnell wie den Mund und","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"besorgte dabei ihr Haus und ihre Kinder. Es war fast ein Dutzend, volle elf, das","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"zwölfte blieb aus.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Arme Leute haben immer das Nest voll von Gören!\" brummte der Schloßherr.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Könnte man sie wie die kleinen Katzen ersäufen und nur ein oder zwei von den","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"stärksten behalten, so gäbe es nicht so viel Unglück!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Gott erbarme sich!\" sagte die Schneidersfrau. \"Kinder sind doch ein Segen","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Gottes, sie sind die Freude im Hause. Jedes Kind ist ein Vaterunser mehr. Ist","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"es knapp und hat man viele Münder zu versorgen, so strengt man sich stärker an,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"findet Rat und Tat in aller Ehrlichkeit, der liebe Gott verläßt uns nicht, wenn","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"wir ihn nicht verlassen.\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Die Schloßherrin stimmte ihr bei, nickte freundlich und streichelte Marens","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Wange, das hatte sie oft getan, ja, sie hatte sie auch geküßt, aber da war die","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"gnädige Frau noch ein kleines Kind und Maren ihr Kindermädchen. Sie liebten","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"einander, und diese Gesinnung veränderte sich nicht.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Jedes Jahr, zur Weihnachtszeit, kam vom Schloß Wintervorrat für das Haus des","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Schneiders: eine Tonne Mehl, ein Schwein, zwei Gänse, eine Vierteltonne Butter,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Käse und Äpfel. Das half der Speisekammer auf. Ivar Ölse sah denn auch recht","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"vergnügt aus, kam aber doch bald wieder mit seiner alten Redensart: \"Was kann","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"das nützen!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Rein und nett war es dort im Hause, Gardinen vor den Fenstern und Blumen auf den","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Fensterbrettern, Nelken und Balsaminen. Ein Namentuch prangte im Bilderrahmen,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"und dicht daneben hing ein Gedicht, das Maren Ölse selber gedichtet hatte;","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"sie wußte die Reime zu fügen. Sie war stolz auf den Familiennamen Ölse. Immer","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"bewahrte sie ihre gute Laune, niemals sagte sie wie der Mann: \"Was kann das","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"nützen!\" Ihre Redensart war: \"Halte auf dich und halte dich am Herrn!\" Das","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"tat sie, und das hielt das Ganze zusammen. Die Kinder gediehen gut und wuchsen","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"über das Nest hinaus, kamen weit umher und schickten sich gut. Rasmus war der","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"kleinste; er war ein so hübsches Kind, daß einer der großen Bildermaler in","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"der Stadt ihn sich lieh, um ihn zu malen, und zwar so nackt, wie ihn der liebe","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Gott erschaffen hatte. Das Bild hing jetzt im königlichen Schloß, da hatte die","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Schloßherrin es gesehen und den kleinen Rasmus erkannt, obwohl er keine Kleider","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"anhatte.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Aber nun kamen schwere Zeiten. Der Schneider bekam Gicht in beiden Händen, es","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"setzten sich große Knoten, kein Doktor konnte helfen, nicht einmal die kluge","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Stine, die \"dokterte.\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Man muß nur nicht verzagen!\" sagte Maren. \"Es hilft nicht, den Kopf hängen zu","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"lassen! Nun kann der Vater die Hände nicht mehr gebrauchen, da muß ich sehen,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"daß ich meine um so flinker gebrauche. Der kleine Rasmus kann auch die Nadel","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"führen!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Es saß schon auf dem Tisch, pfiff und sang, er war ein lustiger Junge.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Den ganzen Tag solle er nicht dasitzen, sagte die Mutter, das sei Unrecht gegen","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"das Kind; spielen und springen sollte er auch.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Holzschuhmachers Johanne war sein bester Spielkamerad; sie hatte noch ärmere","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Eltern als Rasmus. Schön war sie nicht, barfüßig ging sie; die Kleider hingen","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"ihr in Lumpen vom Leibe, sie hatte niemand, der sie ihr hätte ausbessern können,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"und es selber zu tun, fiel ihr nicht ein; sie war ein Kind und froh wie ein","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Vogel in des lieben Gottes Sonnenschein.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Am Meilenzeiger unter dem großen Weidenbaum spielten Rasmus und Johanne.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Er hatte hochfliegende Gedanken; er wollte einmal ein feiner Schneider werden","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"und in der Stadt wohnen, wo Meister waren, die zehn Gesellen auf dem Tisch","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"sitzen hatten, das hatte er von seinem Vater gehört; dort wollte er Geselle","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"werden, und dort wollte er Meister werden, und dann sollte Johanne kommen und","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"ihn besuchen, und wenn sie dann zu kochen verstand, sollte sie das Essen für sie","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"alle machen und ihre eigene Stube haben.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Johanne wagte nicht recht daran zu glauben, aber Rasmus glaubte, daß es wohl","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"geschehen würde.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Dann saßen sie unter dem alten Baum, und der Wind sauste in den Blättern und","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Zweigen, es war, als wenn der Wind sang und der Baum erzählte.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Im Herbst fielen alle Blätter vom Baum, der Regen tropfte von den kahlen","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Zweigen.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Sie schlagen wieder aus!\" sagte Mutter Ölse.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Was kann das nützen!\" sagte der Mann. \"Ein neues Jahr, neue Sorgen fürs","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Auskommen!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Die Speisekammer ist gefüllt!\" sagte die Frau. \"Dafür können wir unserer guten","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"gnädigen Frau danken. Ich bin gesund und habe gute Kräfte. Es wäre unrecht von","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"uns, wenn wir klagen wollten!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Während der Weihnachtszeit blieben der Schloßherr und seine Frau in ihrem Schloß","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"auf dem Lande, aber in der Woche nach Neujahr zogen sie in die Stadt, wo sie","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"ihren Winter in Freude und Lustbarkeit verbrachten. Sie gingen auf Bälle und zu","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Festlichkeiten beim König selber.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Die gnädige Frau hatte zwei herrliche Kleider aus Frankreich bekommen; sie waren","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"aus einem solchen Stoff, von einem solchen Schnitt und einer solchen Machart,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"daß die Schneiderfrau Maren noch nie eine solche Herrlichkeit gesehen hatte.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Sie bat sich denn auch bei der gnädigen Frau aus, daß sie mit ihrem Mann auf das","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Schloß kommen dürfe, so daß auch er die Kleider sehen könnte. So etwas hätte der","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Dorfschneider noch nie gesehen, sagte sie.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Er sah sie und hatte kein Wort dafür, bis er nach Hause kam, und was er dann","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"sagte, war nur, was er immer sagte: \"Was kann das nützen!\" und diesmal wurden","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"seine Worte Wahrheit.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Die Herrschaft kam in die Stadt, Bälle und Lustbarkeiten begannen da drinnen,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"aber während all dieser Herrlichkeit starb der alte Schloßherr und die Frau","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"kam gar nicht in ihre kostbaren Kleider. Sie war so betrübt und von Kopf bis","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"zu den Füßen in schwarze, dichte Trauerkleidung gehüllt; nicht einmal ein","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"weißer Streifen war zu sehen; alle Dienstboten waren in Schwarz, selbst die","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Staatskutsche wurde mit schwarzem, feinem Tuch überzogen.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Es war eine eiskalte Frostnacht, der Schnee leuchtete, die Sterne blitzten; der","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"schwere Leichenwagen kam mit der Leiche aus der Stadt nach der Schloßkirche,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"wo sie in dem Erbbegräbnis der Familie beigesetzt werden sollte. Der Verwalter","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"und der Dorfschulze hielten zu Pferde und mit Fackeln vor der Kirchhofspforte.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Die Kirche war erleuchtet, und der Pfarrer stand in der öffnen Kirchentür und","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"nahm die Leiche in Empfang. Der Sarg wurde in den Chor hinaufgetragen, die ganze","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Gemeinde folgte. Der Pfarrer redete, ein Gesang wurde gesungen; die gnädige Frau","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"war auch in der Kirche, sie war in der schwarzüberzogenen Staatskutsche dahin","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"gefahren, die war inwendig schwarz und auswendig schwarz; so etwas war noch nie","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"im Dorfe gesehen worden.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Von all diesen Trauerfeierlichkeiten wurde den ganzen Winter hindurch geredet,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"ja, das war ein \"herrschaftliches Begräbnis.\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Da sah man, was der Mann bedeutete!\" sagten die Leute im Dorf. \"Er war","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"hochadelig geboren, und er wurde hochadelig begraben!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Was kann das nützen!\" sagte der Schneider. \"Jetzt hat er weder Leben noch","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Güter. Wir haben doch wenigstens einen Teil davon!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Rede doch nicht solche Worte!\" sagte Maren. \"Er hat das ewige Leben im","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Himmelreich!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Wer hat dir das gesagt; Maren?\" fragte der Schneider. \"Ein toter Mann ist guter","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Dünger! Aber der Mann hier war gewiß selber zu vornehm, um in der Erde Nutzen zu","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"schaffen. Er soll in der Grabkapelle liegen!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Rede doch nicht so gottlos!\" sagte Maren. \"Ich sage es dir nochmals: er hat das","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"ewige Leben!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Wer hat dir das gesagt, Maren?\" wiederholte der Schneider.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Und Maren warf ihre Schürze über den kleinen Rasmus; er sollte solche Reden","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"nicht hören.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Sie trug ihn hinüber in den Torfschuppen und weinte.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Das, was du vorhin gehört hast, lieber Rasmus, das waren nicht deines Vaters","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Worte, die sagte der Böse, der durch die Stube ging und die Stimme deines Vaters","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"annahm. Bete ein Vaterunser! Wir wollen beide beten!\" Sie faltete die Hände des","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Kindes.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Jetzt bin ich wieder froh!\" sagte sie. \"Halte auf dich und halte fest an dem","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"lieben Gott!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Das Trauerjahr war zu Ende, die Witwe ging in Halbtrauer. Im Herzen trug sie","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"volle Freude.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Es wurde davon geflüstert, daß sie einen Bewerber habe und schon an Hochzeit","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"denke. Maren wußte etwas davon, und der Pfarrer wußte noch ein wenig mehr.l","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Am Palmsonntag, nach der Predigt, sollten die Witwe und ihr Verlobter aufgeboten","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"werden. Er war Holzschnitzer oder Bildhauer, den Namen seiner Beschäftigung","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"wußte man nicht so recht, damals waren Thorwaldsen und seine Kunst noch nicht","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"recht im Volksmund. Der neue Schloßherr war nicht hochadelig, aber doch ein","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"sehr stattlicher Herr; er war etwas, was niemand verstand, sagten sie, er haute","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Bilder aus, war tüchtig in seinem Beruf, jung und schön.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Was kann das nützen!\" sagte Schneider Ölse.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Am Palmsonntag wurde das Aufgebot von der Kanzel verlesen; dann folgten Gesang","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"und Abendmahl. Der Schneider, seine Frau und der kleine Rasmus waren in der","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Kirche. Die Eltern gingen zum Abendmahl, Rasmus saß im Kirchenstuhl, er war","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"noch nicht konfirmiert. Es hatte in der letzten Zeit in dem Haus des Schneiders","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"an Kleidern gefehlt; die alten, die sie hatten, waren wieder und wieder","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"gewendet, genäht und geflickt; nun waren sie alle drei in neuen Kleidern, aber","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"es war schwarzes Zeug, wie zu einem Begräbnis, die waren in den Überzug der","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Trauerkutsche gekleidet. Der Mann hatte Rock und Hose davon bekommen, Maren ein","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"hochhalsiges Kleid und Rasmus einen ganzen Anzug, in den er zur Konfirmation","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"hineinwachsen konnte. Man hatte das auswendige wie auch das inwendige Zeug von","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"der Trauerkutsche genommen. Niemand brauchte zu wissen, wozu es früher gebraucht","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"worden war, aber die Leute bekamen es doch bald zu wissen, die kluge Frau Stine","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"und ein paar andere ebenso kluge Frauen, die freilich nicht von ihrer Klugheit","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"lebten, sagten, daß die Kleider Unglück und Krankheit ins Haus bringen würden.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Man darf sich nicht in eine Leichenkutsche kleiden, außer wenn man zu Grabe","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"fährt.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Holzschuhmachers Johanne weinte, als sie das hörte, und da es sich nun so traf,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"daß der Schneider seit jenem Tage mehr und mehr kränkelte, so würde es sich wohl","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"zeigen, wer daran glauben müsse.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Und es zeigte sich.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Am ersten Sonntag nach Trinitatis starb Schneider Ölse. Nun mußte Maren das","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Ganze allein zusammenhalten; sie hielt es zusammen, sie hielt auf sich selber,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"und sie hielt sich am Herrn.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Das Jahr darauf wurde Rasmus eingesegnet; nun sollte er zur Stadt, zu einem","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"großen Schneider, freilich nicht mit zwölf Gesellen auf dem Tisch, sondern mit","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"einem; der kleine Rasmus konnte für einen halben gerechnet werden; froh sah er","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"aus, aber Johanne weinte, sie liebte ihn mehr, als sie es selber wußte. Die Frau","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"des Schneiders blieb in dem alten Haus und setzte die Profession fort.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Um die Zeit war es, daß die neue Landstraße eröffnet wurde, und die alte, die an","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"dem Weidenbaum und an dem Hause des Schneiders vorüberführte, wurde Feldweg, der","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Teich wuchs zu. Entenflott legte sich über die Wasserpfütze, die zurückgeblieben","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"war, der Meilenzeiger fiel um, er hatte keinen Zweck mehr, aber der Baum hielt","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"sich kräftig und schön, der Wind sauste in Zweigen und Blättern.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Die Schwalben flogen fort, der Star flog fort, aber sie kamen im Frühling","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"wieder, und als sie nun zum viertenmal zurückkehrten, kam auch Rasmus nach","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Hause. Er hatte sein Gesellenstück gemacht, war ein schöner Bursche, freilich","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"ein wenig schmächtig. Jetzt wollte er seinen Ranzen schnüren, fremde Länder","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"sehen; danach stand sein Sinn. Aber die Mutter hielt ihn zurück; daheim war es","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"doch am besten! Alle die anderen Kinder waren ringsumher verstreut, er war der","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"jüngste, er sollte das Haus haben. Arbeit könne er genug bekommen in der Gegend","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"als reisender Schneider, vierzehn Tage auf dem einen Hof, vierzehn Tage auf dem","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"anderen. Das war auch Reisen. Und Rasmus fügte sich seiner Mutter.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"So schlief er wieder unter dem Dach seines Elternhauses, saß wieder unter dem","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"alten Weidenbaum und hörte ihn sausen.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Gut sah er aus, pfeifen konnte er und neue und alte Lieder singen. Gern gesehen","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"war er auf den großen Höfen, namentlich bei Klaus Hansen, dem zweitreichsten","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Bauer in der Gemeinde.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Die Tochter Else war wie die schönste Blume anzusehen, und sie lachte immer; es","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"gab ja Leute, die schlimm genug waren, zu sagen, sie lache nur, um ihre schönen","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Zähne zu zeigen. Zum Lachen aufgelegt war sie und immer bereit, Narrenpossen zu","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"treiben; alles kleidete sie.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Sie verliebte sich in Rasmus, und er verliebte sich in sie, aber niemand von","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"ihnen sagte es mit klaren Worten.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Und dann ging er hin und wurde schwermütig; er hatte mehr von dem Sinn seines","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Vaters als von dem seiner Mutter. Guter Laune war er nur, wenn Else kam,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"dann lachten sie alle beide, scherzten und trieben Narrenpossen; aber obwohl","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Gelegenheit genug da war, sagte er doch nicht ein einziges heimliches Wort über","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"seine Liebe. \"Was kann das nützen!\" war sein Gedanke. \"Die Eltern sehen auf","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Wohlstand für sie, und den habe ich nicht; am klügsten ist es, wegzureisen!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Aber er konnte sich nicht von dem Hofe trennen, es war, als halte ihn Else an","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Fäden fest, er war in ihren Händen wie ein abgerichteter Vogel, er sang und","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"pfiff nach ihrem Belieben und nach ihrem Willen.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Johanne, die Tochter des Holzschuhmachers, war Dienstmagd auf dem Hof, bei der","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"geringsten Arbeit angestellt. Sie fuhr den Milchwagen aufs Feld, wo sie mit den","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"andern Mägden die Kühe molk, ja, Dünger mußte sie auch fahren, wenn es nötig","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"war. Sie kam nicht in die beste Stube hinein, und sie sah nicht viel von Rasmus","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"und Else, aber doch hörte sie, daß die beiden so gut wie verlobt seien.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Dann kommt Rasmus in Wohlstand!\" sagte sie. \"Das kann ich ihm gönnen!\" Und ihre","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Augen wurden ganz feucht, aber das war doch kein Grund zum Weinen.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Es war Markt in der Stadt; Klaus Hansen fuhr dahin, und Rasmus war mit dabei, er","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"saß neben Else. Er war ganz berauscht vor Liebe, aber davon sagte er kein Wort","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"zu ihr.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Er muß mir doch etwas davon sagen!\" meinte das Mädchen, und darin hatte sie","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"recht. \"Wenn er nicht reden will, dann will ich ihn aufschrecken!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Und bald sprach man auf dem Hofe davon, daß der reichste Hofbesitzer im","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Kirchspiel um Else gefreit habe, und das hatte er auch getan, aber niemand","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"wußte, welche Antwort sie ihm gegeben hatte.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Die Gedanken schwirrten Rasmus im Kopfe herum.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Eines Abend steckte Else einen goldenen Ring an den Finger und fragte Rasmus","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"dann, was er glaube, daß das zu bedeuten habe.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Verlobung!\" sagte er.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Und mit wem, glaubst du?\" fragte sie.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Mit dem reichen Hofbesitzer!\" sagte er.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Das hast du getroffen!\" sagte sie, nickte und schlüpfte davon.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Aber er schlich auch davon, kam heim in das Haus seiner Mutter wie ein","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"verwirrter Mensch und schnürte seinen Ranzen. In die weite Welt hinaus wollte","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"er; es half nichts, daß die Mutter weinte.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Er schnitt sich einen Stecken von dem alten Weidenbaume, er pfiff, als sei er","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"guter Laune, er wollte hinaus, um die Herrlichkeit der ganzen Welt zu sehen.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Das ist ein großer Kummer für mich!\" sagte die Mutter. \"Aber für dich ist","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"es wohl am besten und am richtigsten, daß du fortkommst, dann muß ich mich","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"dareinschicken. Halte auf dich, und halte dich am Herrn, dann bekomme ich dich","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"froh und vergnügt wieder.\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Er ging die neue Landstraße entlang, da sah er Johanne, die mit einem Fuder","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Dünger gefahren kam, sie hatte ihn nicht bemerkt, und er wollte nicht von ihr","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"gesehen werden; er setzte sich hinter den Grabenzaun, da saß er gut verborgen -","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"und Johanne fuhr vorüber.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"In die Welt hinaus ging er. Niemand wußte wohin, seine Mutter dachte, er kommt","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"wohl wieder nach Hause, ehe das Jahr um ist; nun bekommt er Neues zusehen, Neues","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"zu denken und kommt dann wieder in die alten Falten hinein, die sich nicht mit","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"einem Bügeleisen auspressen lassen. Er hat ein wenig zuviel von dem Sinn seines","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Vaters, ich sähe es lieber, wenn er meinen Sinn hätte, das arme Kind! Aber er","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"kommt wohl heim, er kann ohne mich und das Haus nicht leben.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Die Muter wollte Jahr und Tag waren. Else wartete nur einen Monat, dann ging","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"sie heimlich zu der klugen Frau Stine Madsdatter, die '\"doktern\" konnte und aus","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Karten und Kaffee wahrsagen und mehr wußte als ihr \"Vaterunser.\" Sie wußte denn","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"auch, wo Rasmus war. Das las sie aus dem Kaffeesatz. Er war in einer fremden","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Stadt, aber den Namen konnte sie nicht lesen. In der Stadt waren Soldaten und","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"hübsche Mädchen. Seine Gedanken waren darauf gerichtet, die Flinte oder eins von","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"den Mädchen zu nehmen.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Else konnte es nicht ertragen, das zu hören. Sie wollte gern ihr Spargeld geben,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"um ihn freizukaufen, aber niemand durfte es wissen.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Und die alte Stine versprach, daß er zurückkommen solle. Sie verstand sich auf","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"eine Kunst, auf eine gefährliche Kunst für den, dem sie galt, aber das war das","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"äußerste Mittel. Sie wollte den Kessel aufsetzen, um nach ihm zu kochen, und","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"dann mußte er fort, wo in der Welt er auch war, er mußte heim, dahin, wo der","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Kessel und die Liebste ihn erwarteten; es konnten Monate darüber hingehen, ehe","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"er kam, aber kommen mußte er, wenn er noch am Leben war.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Ohne Ruhe und Rast, Tag und Nacht mußte er wandern, über See und Berg, mochte","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"das Wetter mild oder rauh sein, mochten die Füße noch so müde werden. Heim","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"sollte er, heim mußte er.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Der Mond war im ersten Viertel, das sei nötig für die Kunst, sagte die alte","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Stine. Es war stürmisches Wetter, es krachte in dem alten Weidenbaume; Stine","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"schnitt einen Zweig ab, band einen Knoten hinein, das sollte schon helfen,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Rasmus nach dem Hause seiner Mutter zurückzuziehen. Moos und Hauslauch wurden","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"vom Dach genommen und in den Kessel getan, der auf das Feuer gesetzt wurde. Else","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"sollte ein Blatt aus dem Gesangbuch reißen, sie riß zufällig das letzte Blatt","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"heraus, das mit den Druckfehlern. \"Das ist ganz egal!\" sagte Stine und warf es","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"in den Kessel.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Alles mögliche mußte in die Grütze hinein, die kochen und immer kochen mußte,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"bis Rasmus nach Hause kam. Der schwarze Hahn in der Stube bei der alten Stine","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"mußte seinen roten Kamm hergeben, der kam in den Kessel. Elses dicker, goldener","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Ring kam auch hinein, und den würde sie nie wieder zu sehen bekommen, das sagte","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"ihr Stine im voraus. Sie war so klug, Stine. Mancherlei, was wir nicht nennen","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"können, kam in den Kessel hinein; er stand beständig auf dem Feuer oder auf","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"glühenden Kohlen oder heißer Asche. Nur sie und Else wußten es.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Der Mond nahm zu, der Mond nahm ab; jedesmal kam Else und fragte: \"Siehst du ihn","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"nicht kommen?\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Vieles weiß ich,\" sagte Stine, \"und vieles sehe ich, aber die Weglänge, die er","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"zu gehen hat, kann ich nicht sehen. Nun ist er über die ersten Berge! Nun ist","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"er auf der See bei bösem Wetter! Der Weg ist lang, durch große Wälder, er hat","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Blasen an den Füßen, er hat Fieber im Kopf, aber weiter muß er.\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Nein, nein!\" sagte Else. \"Es tut mir so leid!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Jetzt kann er nicht zurückgehalten werden, denn wenn wir das tun, so stürzt er","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"tot auf der Landstraße um!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Jahr und Tag sind vergangen. Der Mond schien rund und groß, der Wind sauste in","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"dem alten Baum, am Himmel zeigte sich ein Regenbogen im Mondschein.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Das ist das Zeichen der Bestätigung!\" sagte Stine. \"Nun kommt Rasmus.\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Aber er kam doch nicht.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Die Wartezeit ist lang!\" sagte Stine.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Jetzt habe ich es satt!\" sagte Else. Sie kam seltener zu Stine, brachte ihr","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"keine neuen Geschenke.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Ihr Sinn wurde leichter, und eines schönen Morgens wußten sie alle im Dorfe, daß","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Else dem reichsten Hofbesitzer ihr Wort gegeben hatte.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Sie fuhr hinüber, um Hof und Acker, Vieh und Hausgerät anzusehen. Alles war in","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"gutem Stande, da war kein Grund, mit der Hochzeit zu warten.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Sie ward mit einem großen Gastmahl, das drei Tage währte, gefeiert. Da wurde","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"zu Klarinetten und Violinen getanzt. Niemand im Dorfe war bei der Einladung","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"vergessen. Mutter Ölse war auch da, und als das Fest zu Ende war und die","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Schaffner den Gästen gedankt hatten und die Trompeten abgeblasen hatten, ging","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"sie nach Hause mit den Resten von der Festmahlzeit.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Sie hatte die Tür nur mit einem Pflocke geschlossen, der war herausgenommen,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"die Tür stand offen, und in der Stube saß Rasmus. Er war heimgekehrt; in dieser","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Stunde gekommen. Herrgott, wie sah er aus! Nichts als Haut und Knochen, bleich","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"und gelb war er.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Rasmus!\" sagte die Mutter. \"Bist du es, den ich da sehe! - Wie siehst du elend","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"aus! Aber ich freue mich von ganzem Herzen, daß ich dich wiederhabe!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Und sie gab ihm von den guten Speisen, die sie vom Gastmahl heimgebracht hatte,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"ein Stück vom Braten und von der Hochzeitstorte.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Er habe in der letzten Zeit, sagte er, soviel an seine Mutter, seine Heimat und","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"den alten Weidenbaum gedacht. Es war sonderbar, wie oft er in seinen Träumen den","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Baum und die barfüßige Johanne gesehen habe.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Else erwähnte er nicht. Krank war er und zu Bett mußte er; aber wir glauben","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"nicht, daß der Kessel schuld daran war oder daß er seine Macht über ihn ausgeübt","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"hatte. Nur die alte Stine und Else glaubten es, aber sie sprachen nicht davon.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Rasmus lag in heftigem Fieber, ansteckend war es, niemand kam daher in das Haus","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"des Schneiders außer Johanne, des Holzschuhmachers Tochter. Sie weinte, als sie","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"sah, wie elend Rasmus war.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Der Doktor verschrieb ihm etwas von der Apotheke; er wollte keine Medizin","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"nehmen. \"Was kann das nützen!\" sagte er.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Ja, dann wirst du wieder besser!\" sagte die Mutter. \"Halte auf dich, und halte","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"dich am Herrn! Könnte ich doch nur sehen, daß du wieder Fleisch auf den Knochen","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"hast, könnte ich dich doch wieder flöten und singen hören, dann wollte ich gern","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"mein Leben lassen!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Und Rasmus genas von der Krankheit, aber seine Mutter bekam sie. Der liebe Gott","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"rief sie zu sich und nicht ihn.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Einsam war es dort im Hause, und noch ärmer wurde es da drinnen. \"Er ist","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"verbraucht!\" sagten sie im Dorfe. \"Der dumme Rasmus!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Ein wildes Leben hatte er auf seinen Reisen geführt, das und nicht der Kessel,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"der kochte, hatte sein Mark ausgesogen und ihm die Unruhe in den Körper","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"gebracht. Das Haar wurde dünn und grau; etwas Ordentliches tun mochte er nicht.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Was kann das nützen!\" sagte er. Er ging lieber in den Krug als in die Kirche.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"An einem Herbstabend kam er, in Regen und Wind, beschwerlich den schmutzigen Weg","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"vom Kruge nach seinem Hause gegangen. Seine Mutter war lange fort, in ihr Grab","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"gelegt. Die Schwalben und der Star waren auch fort, die treuen Tiere. Johanne,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"die Tochter des Holzschuhmachers, war nicht fort; sie holte ihn auf dem Wege","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"ein, sie begleitete ihn eine Strecke.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Nimm dich zusammen, Rasmus!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Was kann das nützen!\" sagte er.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Das ist eine dumme Redensart, die du da hast!\" sagte sie. \"Denke an die Worte","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"deiner Mutter: 'Halte auf dich, und halte dich am Herrn!' Das tust du nicht,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Rasmus! Das muß man und soll man tun. Sage niemals: 'Was kann das nützen', dann","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"reißt du all dein Tun mit der Wurzel aus!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Sie begleitete ihn bis an seine Haustür, da ging sie von ihm. Er blieb nicht","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"im Hause. Er ging nach dem alten Weidenbaum, setzte sich auf einen Stein des","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"umgestürzten Meilenzeigers.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Der Wind sauste in den Zweigen des Baumes; es war wie eine Rede. Rasmus","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"antwortete darauf, er sprach laut, aber niemand hörte es, nur der Baum und der","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"sausende Wind.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Mich überfällt eine solche Kälte! Es ist wohl Zeit, zu Bett zu gehen! Schlafen!","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Schlafen!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Und er ging aber nicht nach Hause, an den Teich hinab ging er; dort schwankte","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"er und fiel. Der Regen strömte herab, der Wind war so eisig kalt, er fühlte es","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"nicht; aber als die Sonne aufging und die Krähen über das Röhricht des Teiches","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"flogen, erwachte er, halbtot. Hätte er seinen Kopf dahin gelegt, wo seine Füße","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"lagen, dann hätte er sich nie wieder erhoben, das grüne Entenflott wäre sein","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Leichentuch geworden.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Als der Tag vorüber war, kam Johanne nach dem Hause des Schneiders. Sie war","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"seine Hilfe, sie brachte ihn ins Krankenhaus.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Wir haben einander von klein auf gekannt,\" sagte sie. \"Deine Mutter hat mir","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Bier und Essen gegeben, das kann ich ihr nie vergelten. Du wirst wieder gesund","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"werden, du wirst ein Mensch werden und leben.\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Und der liebe Gott wollte, daß er leben sollte. Aber auf und ab ging es mit","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Gesundheit und Stimmung.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Die Schwalben und der Star kamen und flogen wieder fort. Rasmus war alt vor den","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Jahren. Einsam saß er im Hause, das mehr und mehr verfiel. Arm war er, ärmer","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"jetzt als Johanne.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Du hast keinen Glauben!\" sagte sie, \"und wenn wir den lieben Gott nicht haben,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"was haben wir dann! - Du solltest zum Abendmahl gehen!\" sagte sie. \"Du bist seit","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"deiner Einsegnung nicht dagewesen!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Ja, was kann das nützen!\" sagte er.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Wenn du das sagst und glaubst, dann laß es nur sein! Unwillige Gäste will","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"der Herr nicht an seinem Tische haben. Denke doch an deine Mutter und an deine","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Kindheit! Du warst einmal ein guter, frommer Junge. Soll ich dir einen Gesang","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"vorlesen?\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Was kann das nützen!\" sagte er.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Mich tröstet es immer!\" antwortete sie.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Johanne, du bist wohl unter die Frommen gegangen?\" Er sah sie mit matten, müden","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Augen an.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Und Johanne betete den Gesang, aber nicht aus einem Buch, sie hatte keins, sie","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"wußte ihn auswendig.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"\"Das waren schöne Worte,\" sagte er; \"aber ich konnte nicht ganz folgen. Mir ist","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"der Kopf so schwer!\"","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Rasmus war ein alter Mann geworden; aber Else war auch nicht mehr jung, wenn","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"wir von ihr reden sollen; Rasmus redete nie von ihr. Sie war Großmutter; ein","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"kleines, geschwätziges Mädchen war ihre Enkelin; die Kleine spielte mit den","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"anderen Kindern im Dorfe. Rasmus kam, auf seinen Stock gestützt; er stand still,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"sah dem Spiel der Kinder zu, lächelte ihnen zu, alte Zeiten schimmerten in seine","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Gedanken hinein. Elses Enkelin zeigte auf ihn. \"Dummer Rasmus!\" rief sie; die","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"anderen kleinen Mädchen folgten ihrem Bespiel. \"Dummer Rasmus!\" riefen sie und","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"verfolgten den alten Mann mit Geschrei.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Das war ein grauer, schwerer Tag und dem folgten mehrere solcher Tage; aber nach","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"grauen und schweren Tagen kommt auch wieder ein sonniger Tag.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Es war ein schöner Pfingstmorgen; die Kirche war mit grünen Birkenzweigen","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"geschmückt; es war ein Duft wie im Walde drinnen, und die Sonne schien über die","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Kirchenstühle hin. Die großen Altarkerzen waren angezündet; es war Abendmahl.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Johanne war zwischen den Knienden, aber Rasmus war nicht unter ihnen. Gerade an","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"dem Morgen hatte der liebe Gott ihn zu sich gerufen.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Bei Gott ist Gnade und Barmherzigkeit.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Viele Jahre sind seitdem vergangen; das Haus des Schneiders steht noch da, aber","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"niemand wohnt dort; der erste Nachtsturm kann es umwerfen. Der Teich ist mit","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Schilf und Bitterklee überwuchert. Der Wind saust in dem alten Baum, es ist,","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"als hörte man ein Lied; der Wind singt es, der Baum erzählt es; verstehst du es","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"nicht, dann frage die alte Johanne im Armenhaus.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Sie lebt dort, sie singt ihren Gesang, denselben, den sie Rasmus vorgesungen","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"hat; sie denkt an ihn, sie betet zu dem lieben Gott für ihn, die treue Seele.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Sie kann erzählen von der Zeit, die verging, und von den Erinnerungen, die in","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"dem alten Baum sausen.","book":"Was die alte Johanne erzählte"} {"text":"Jeder Schlüssel hat seine Geschichte, und es gibt viele Schlüssel:","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Kammerherrnschlüssel, Uhrschlüssel, St.-Peters-Schlüssel; wir könnten von allen","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Schlüsseln erzählen, aber jetzt erzählen wir nur von dem Haustürschlüssel des","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Kammerrats.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Er war bei einem Schlosser zur Welt gekommen, aber er hätte gern glauben können,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"daß es ein Grobschmied sei, so faßte der Mann ihn an, hämmerte und feilte. Er","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"war zu groß für die Hosentasche, darum mußte er in die Rocktasche. Hier lag er","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"oft im Dunkeln, aber übrigens hatte er einen bestimmten Platz an der Wand neben","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"der Silhouette des Kammerrats aus der Kindheit.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Man sagt, daß jeder Mensch in seinem Charakter und seiner Handlungsweise etwas","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"von dem Himmelszeichen mitbekommt, unter dem er geboren wird, sei es nun der","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Stier, die Jungfrau, der Skorpion oder wie sie alle im Kalender heißen. Die","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Kammerrätin nannte keins von diesen, sie sagte, ihr Mann sei unter dem \"Zeichen","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"der Schubkarre\" geboren. Immer mußte er vorwärtsgeschoben werden.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Sein Vater schob ihn aufs Kontor, seine Mutter schob ihn in den Ehestand hinein,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"und seine Frau schob ihn zum Kammerrat hinauf, aber das sagte sie nicht, sie war","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"eine besonnene, brave Frau, die immer zur rechten Zeit schwieg und zur rechten","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Zeit sprach und schob.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Jetzt war er seit Jahren \"wohlproportioniert,\" wie er selber sagte, ein Mann","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"mit Bildung, Gutmütigkeit und dazu schlüsselklug, etwas, das wir näher erklären","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"werden. Immer war er guter Laune, alle Menschen hatte er gern und mochte gern","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"mit ihnen reden. Ging er in die Stadt, so war es schwer, ihn nach Hause zu","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"bekommen, wenn seine Frau nicht mit war und schob. Er mußte mit jedem Bekannten","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"reden, dem er begegnete. Er hatte viele Bekannte, und darunter mußte das","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Mittagessen leiden.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Vom Fenster aus gab die Kammerrätin auf ihn acht. \"Jetzt kommt er!\" sagte sie","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"zu dem Mädchen. \"Setz den Kochtopf auf! - Jetzt steht er still und spricht mit","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"jemand, nimm den Kochtopf ab, sonst kocht das Essen zu lange! - Aber nun kommt","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"er! Ja, dann setz den Kochtopf nur wieder auf!.\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Aber deswegen kam er doch noch nicht.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Er konnte gerade unter dem Fenster des Hauses stehen und hinaufnicken, aber dann","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"kam ein Bekannter vorüber, dann konnte er es nicht lassen, er mußte ihm ein paar","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Worte sagen. Kam dann, während er mit diesem sprach, ein anderer Bekannter, dann","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"hielt er den ersten am Knopfloche fest und ergriff die Hand des andern, während","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"er einen dritten, der vorüberwollte, anrief.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Das war eine Geduldsprobe für die Kammerrätin. \"Kammerrat! Kammerrat!\" rief sie","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"dann. Ja, der Mensch ist unter dem Zeichen der Schubkarre geboren, vorwärts kann","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"er nicht kommen, ohne daß er geschoben wird.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Er wollte gern in Buchläden gehen, in Büchern und Zeitungen blättern, er gab","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"seinem Buchhändler ein kleines Honorar, um zu Hause bei sich die neuen Bücher","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"lesen zu dürfen, das heißt, um Erlaubnis zu haben, die Bücher der Lange nach","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"aufzuschneiden, aber nicht quer, denn dann konnten Sie nicht als neu verkauft","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"werden. Er war eine lebende Zeitung in aller Gutmütigkeit, wußte Bescheid","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"mit Verlobungen, Hochzeiten und Begräbnissen. Büchergeschwätz, ja, er ließ","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"geheimsvolle Andeutungen fallen, daß er Bescheid wußte, wo niemand Bescheid","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"wußte, das hatte er vom Haustürschlüssel.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Schon als junges Ehepaar wohnten Kammerrats in ihrem eigenen Hause, und seit","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"der Zeit hatten sie denselben Haustürschlüssel, aber da kannten sie seine","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"wunderbaren Kraft noch nicht, die lernten sie erst später kennen.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Es war zu König Frederiks des Sechsten Zeit. Kopenhagen hatte damals kein Gas,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"es hatte Tranlampen, es hatte kein Tivoli oder Kasino, keine Straßenbahnen","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"und keine Eisenbahnen. Es gab nur wenige Vergnügungen im Vergleich zu","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"jetzt. Des Sonntags machte man einen Spaziergang zum Tor hinaus bis nach dem","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Assistenzkirchhof, las die Inschriften auf den Gräbern, setzt sich ins Gras,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"aß aus einem Vorratskorb und trank seinen Schnaps dazu, oder man ging nach","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Frederiksberg, wo vor dem Schlosse die Regimentsmusik, spielte und es von","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Menschen wimmelte, die die königliche Familie in den kleinen, engen Kanälen","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"umherrudern sahen; der alte König steuerte das Boot, und er und die Königin","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"grüßten alle Menschen ohne Standesunterschied. Da hinaus kamen wohlhabende","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Familien aus der Stadt und tranken ihren Abendtee. Warmes Wasser konnten sie in","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"einem kleinen Bauernhaus auf dem Felde außerhalb des Gartens bekommen, aber sie","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"mußten selber ihre Teemaschine mitbringen.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Da hinaus zogen Kammerrats an einem sonnigen Sonntagnachmittag. Das","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Dienstmädchen ging voran mit der Maschine, einen Vorratskorb und einer","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Schnapsflasche.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Nimm auch den Haustürschlüssel mit,\" sagte die Kammerrätin, \"damit wir in unser","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"eigenes Haus hineinschlüpfen können, wenn wir zurückkommen; du weißt, die Tür","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"wird bei Abenddämmerung geschlossen, und der Klingelzug ist seit heute morgen","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"kaputt. - Wir kommen spät nach Hause! Wir wollen, wenn wir in Frederiksberg","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"gewesen sind, noch in Casortis Theater auf Vesterbro gehen und die Pantomime","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Harlekin, der Vorarbeiter der Drescher\" sehen. Darin kommen sie in einer Wolke","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"herunter. Das kosten zwei Mark die Person!\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Und sie gingen nach Frederiksberg, hörten die Musik, sahen die königlichen Boote","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"mit wehenden Fahnen, sahen den alten König und die weißen Schwäne. Nachdem sie","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"eine gute Tasse Tee getrunken hatten, eilten sie davon, kamen aber doch nicht","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"rechtzeitig ins Theater.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Der Seiltanz war vorüber, der Stelzenmann war vorüber, und die Pantomime hatte","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"begonnen; sie kamen wie immer zu spät, und daran war der Kammerrat schuld;","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"jeden Augenblick blieb er auf dem Wege stehen, um mit Bekannten zu reden; im","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Theater traf er auch gute Freunde, und als die Vorstellung vorbei war, mußten","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"er und seine Frau notwendigerweise mit zu einer Familie in der Vorstadt kommen,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"um ein Glas Punsch zu trinken, das würde nur zehn Minuten dauern, aber aus","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"diesen zehn Minuten wurde freilich eine ganze Stunde. Es wurde geredet und","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"geredet. Besonders unterhaltend war ein schwedischer Baron, oder war es ein","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"deutscher, das hatte der Kammerrat nicht genau behalten, dahingegen die Kunst","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"mit dem Schlüssel, die er ihn lehrte, die behielt er für alle Zeiten. Es war","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"außerordentlich interessant! Er konnte den Schlüssel dazu kriegen, auf alles zu","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"antworten, wonach man ihn fragte, selbst auf das allergeheimste.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Der Schlüssel des Kammerrats eignete sich besonders gut dazu. Er hatte einen","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"schweren Bart, und der mußte herunterhängen. Den Griff des Schlüssels ließ der","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Baron auf dem Zeigefinger ruhen, frei und leicht hing er da, jeder Pulsschlag","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"an der Fingerspitze setzte ihn in Bewegung, so daß er sich drehte, und wenn das","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"nicht geschah, dann verstand es der Baron so ganz unmerklich, ihn sich so drehen","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"zu lassen, wie er es wollte. Jede Drehung bedeutete einen Buchstaben von A an","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"und das ganze Alphabet hinunter, soweit man wollte. Wenn der erste Buchstabe","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"gefunden war, drehte sich der Schlüssel nach der entgegengesetzten Seite, darauf","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"suchte man den nächsten Buchstaben, und so bekam man das ganze Wort, ganze","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Sätze, Antworten auf Fragen. Eine Lüge war das ganze, aber doch immer amüsant,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"das war auch eigentlich der erste Gedanke des Kammerrats, aber er ging ganz in","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"dem Schlüsselgedanken auf.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Mann! Mann!\" rief die Kammerrätin. \"Das Westtor wird um zwölf Uhr geschlossen!","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Wir kommen nicht hinein, wir haben nur eine Viertelstunde, müssen uns beeilen.\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Ja, beeilen mußten sie sich; mehrere Personen, die auch in die Stadt wollten,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"überholten sie bald. Endlich näherten sie sich dem ersten Wachthaus, da","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"schlug die Uhr zwölf, das Tor knallte zu; eine ganze Menge Menschen stand","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"ausgeschlossen da, und zwischen ihnen Kammerrats mit Mädchen, Teemaschine und","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"leerem Vorratskorb. Einige standen dort in großem Schrecken, andere voller","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Ärger; jeder faßte es auf seine Weise auf. Was war dabei zu machen?","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Glücklicherweise war in der letzten Zeit der Beschluß gefaßt worden, daß eines","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"der Tore der Stadt, das Nordertor, nicht geschlossen werden sollte, dort konnten","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"die Fußgänger durch das Wachthaus in die Stadt hineinkommen.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Der Weg war gar nicht kurz, aber das Wetter war schön, der Himmel klar und","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"voller Sterne und Sternschnuppen, die Frösche quakten im Graben und im Teiche.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Die Gesellschaft selber fing an zu singen, ein Lied nach dem andern, aber der","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Kammerrat sang nicht mit, sah auch nicht nach den Sternen, ja nicht einmal auf","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"seine eigenen Beine, er fiel, so lang er war, dicht am Grabenrand hin, man hätte","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"glauben können, er hätte zuviel getrunken, aber es war nicht der Punsch, sondern","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"der Schlüssel, der ihm zu Kopf gestiegen war und sich dort umdrehte.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Endlich erreichten sie das Wachthaus des vorderen Tores, gelangten über die","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Brücke und in die Stadt hinein.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Jetzt bin ich wieder froh!\" sagte die Kammerrätin. \"Hier ist unsere Haustür!\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Aber wo ist denn der Haustürschlüssel?\" sagte der Kammerrat. Er war nicht in","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"der hinteren Rocktasche, auch nicht in der Seitentasche.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Herr du meines Lebens!\" rief die Kammerrätin. \"Hast du den Schlüssel nicht?","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Den hast du bei den Schlüsselkünsten mit dem Baron verloren. Wie kommen wir","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"nun hinein! Der Glockenstrang ist, wie du weißt, seit heute morgen kaputt,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"der Nachtwächter hat keinen Schlüssel zu unserem Hause. Wir sind ja in","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Verzweiflung!\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Das Dienstmädchen fing an zu heulen, der Kammerrat war der einzige, der die","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Fassung bewahrte.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Wir müssen eine Fensterscheibe zum Laden des Fetthändlers einschlagen,\" sagte","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"er, \"ihn wecken und dann hineinschlüpfen.\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Er schlug eine Fensterscheibe ein, er schlug zwei ein. \"Petersen!\" rief er und","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"steckte den Schaft seines Regenschirms in das Fenster hinein; da schrie drinnen","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"die Tochter des Fetthändlers laut auf. Der Krämersmann riß die Ladentür mit dem","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Rufe \"Nachtwächter!\" auf, und ehe er recht die Familie des Kammerrats gesehen,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"erkannt und hineingelassen hatte, pfiff der Wächter, und in der nächsten Straße","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"antwortete ein anderer Wächter und pfiff. Leute kamen an den Fenstern zum","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Vorschein. \"Wo ist das Feuer? Wo ist der Spektakel?\" fragten sie und fragten","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"noch, als der Kammerrat schon in seiner Stube war, den Rock auszog und - da lag","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"der Hautürschlüssel, nicht in der Tasche, sondern in dem Futter; er war durch","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"ein Loch hineingeschlüpft, das nicht in der Tasche hätte sein sollen.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Seit dem Abend bekam der Haustürschlüssel eine besonders große Bedeutung, nicht","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"nur, wenn man des Abends ausging,, sondern auch, wenn man zu Hause saß und der","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Kammerrat seine Geschicklichkeit zeigte und den Schlüssel Antwort auf die Fragen","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"geben ließ.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Er dachte sich die wahrscheinlichste Antwort aus, und dann ließ er den Schlüssel","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"sie geben, schließlich glaubte er selber daran; aber das tat der Apotheker","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"nicht, er war ein junger Mann und ein naher Verwandter der Kammerrätin.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Der Apotheker war ein guter Kopf, ein kritischer Kopf, er hatte schon als","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Schuljunge Kritiken über Bücher und Theater geschrieben, aber ohne Nennung des","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Namens, das macht so viel. Er war, was man einen Schöngeist nennt, glaubte aber","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"durchaus nicht an Geister, am allerwenigsten an Schlüsselgeister.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Ja, ich glaube, ich glaube,\" sagte er, \"verehrter Herr Kammerrat, ich glaube an","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"den Haustürschlüssel und an alle Schlüsselgeister so fest, wie ich an eine neue","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Wissenschaft glaube, die anfängt, von sich reden zu machen; an den Tischtanz","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"und die Geister in alten und neuen Möbeln. Haben Sie davon gehört? Ich habe","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"davon gehört! Ich habe gezweifelt, Sie wissen, ich bin ein Zweifler, bin aber","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"bekehrt worden, als ich in einem ganz glaubwürdigen ausländischen Blatt eine","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"ganz schreckliche Geschichte las. Kammerrat! Denken Sie nur, ja, ich gebe Ihnen","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"die Geschichte wieder, wie ich sie gelesen habe. Zwei kluge Kinder hatten die","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Eltern den Geist in einem großen Eßtisch erwecken sehen. Die Kleinen waren","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"allein und wollten nun versuchen, auf dieselbe Weise Leben in eine alte Kommode","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"hineinzutreiben. Das Leben kam, und der Geist erwachte, aber er duldete das","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Kinderkommando nicht; er erhob sich, es krachte in der Kommode, er schob die","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Schubladen heraus und legte mit seinen Kommodebeinen die Kinder jedes in eine","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Schublade, und dann lief die Kommode mit ihnen zur offenen Tür hinaus, die","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Treppe hinab und auf die Straße hinaus nach dem Kanal, wo sie sich hineinstürzte","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"und die beiden Kinder ersäufte. Die kleinen Leichen kamen in christliche Erde,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"aber die Kommode wurde aufs Rathaus gebracht, des Kindesmordes angeklagt und","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"bei lebendigem Leibe auf dem Markte verbrannt. Ja, das habe ich gelesen,\" sagte","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"der Apotheker, \"habe es in einem ausländischen Blatt gelesen, es ist nichts, was","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"ich selber erfunden habe. Es ist, hole mich der Schlüssel, wahr! Nun fluche ich","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"einen schweren Fluch!\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Der Kammerrat fand, daß eine solche Rede ein zu grober Spaß sei, die beiden","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"konnten ja doch nicht über den Schlüssel reden. Der Apotheker war schlüsseldumm.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Der Kammerrat machte Fortschritte in der Schlüsselwissenschaft, der Schlüssel","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"war seine Unterhaltung und Weisheit.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Eines Abends, der Kammerrat war eben im Begriff, zu Bett zu gehen, er stand","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"schon halb entkleidet, da klopfte es an die Tür nach der Diele hinaus. Es war","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"der Fetthändler, der so spät kam; er war auch schon halb entkleidet, aber er","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"sagte, er habe plötzlich einen Gedanken bekommen, und er sei bange, daß er ihn","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"nicht die Nacht über behalten könne.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Es handelt sich um meine Tochter, Lotte-Lene, ich muß von ihr reden. Sie ist","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"ein schönes Mädchen, sie ist konfirmiert, nun wollte ich sie gern gut angebracht","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"sehen!\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Ich bin noch nicht Witwer,\" sagte der Kammerrat lächelnd, \"und ich habe keinen","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Sohn, den ich ihr anbieten könnte!\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Sie verstehen mich schon, Herr Kammerrat!\" sagte der Krämersmann.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Klavierspielen kann sie, singen kann sie, das muß man ja hier oben im Hause","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"hören können. Sie wissen nicht, worauf das Mädchen alles verfallen kann.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Sie kann genauso reden und gehen wie alle Menschen. Sie ist für die Komödie","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"geschaffen, und das ist eine gute Karriere für nette Mädchen aus guter Familie,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"sie können sich eine Grafschaft erheiraten, aber daran denkt Lotte-Lene nicht","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"und ich auch nicht. Singen kann sie, Klavierspielen kann sie. Da ging ich denn","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"neulich mit ihr nach der Singschule. Sie sang; sie hat aber nicht, was ich einen","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Bierbaß bei Frauenzimmern nenne, keinen Kanarienvogelgesang in den höchsten","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Tönen, so wie man es jetzt von den Sängerinnen verlangt, und dann riet man ihr","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"ernstlich von der Karriere ab. Nun, dachte ich, kann sie nicht Sängerin werden,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"so kann sie immerhin Schauspielerin werden, dazu gehört ja nur die Sprache.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Heute redete ich darüber mit dem Dramaturgen, wie sie ihn nennen. \"Hat sie","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Kenntnisse?\" fragte der. \"Nein,\" sagte ich, \"ganz und gar nicht!\" - \"Kenntnisse","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"sind notwendig für eine Künstlerin!\" sagte er. \"Die kann sie noch bekommen,\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"meinte ich, und dann ging ich nach Hause. \"Sie kann ja in eine Leihbibliothek","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"gehen und die Bücher lesen, die sie da haben,\" dachte ich, \"dann bekommt sie","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Kenntnisse. \"Aber wie ich nun heute abend sitze und mich ausziehe, fällt mir","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"plötzlich ein: \"wozu soll man Bücher mieten, wenn man sie sich leihen kann? Der","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Herr Kammerrat hat Bücher in Hülle und Fülle, die kann sie ja lesen; dann hat","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"sie Kenntnisse genug, und das kostet nichts!\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Lotte-Lene ist ein gutes Mädchen,\" sagte der Kammerrat, \"ein hübsches Mädchen!","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Bücher zum Lesen soll sie haben, Aber hat sie wohl das, was man Feuer des","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Feistes nennt, das Geniale, das Genie? Und hat sie, was hierbei ebenso wichtig","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"ist, hat sie wohl Glück?\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Sie hat zweimal in der Waren-Lotterie gewonnen,\" sagte der Fetthändler, \"Einmal","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"hat sie einen Schrank und einmal sechs Paar Laken gewonnen, das nenne ich Glück,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"und das hat sie!\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Ich will den Schlüssel mal fragen!\" sagte der Kammerrat.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Und er hängte den Schlüssel auf seinen rechten Zeigefinger und auf den rechten","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Zeigefinger des Kellermanns, ließ den Schlüssel sich schwingen und einen","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Buchstaben nach dem andern von sich geben.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Der Schlüssel sagte: \"Sieg und Glück!\" und dann war Lotte-Lenes Zukunft","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"bestimmt.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Der Kammerrat gab ihr gleich zwei Bücher: \"Dyveke\" und Knigges \"Umgang mit","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Menschen.\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Seit dem Abend begann eine Art näherer Bekanntschaft zwischen Lotte-Lene und","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Kammerrats. Sie kam zu der Familie hinaus, und der Kammerrat fand, daß sie","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"ein verständiges Mädchen sei, sie glaubte an ihn und an den Schlüssel. Die","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Kammerrätin sah in der Freimütigkeit, womit sie jeden Augenblick ihre große","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Unwissenheit offenbarte, etwas Kindliches, Unschuldiges. Das Ehepaar hatte sie,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"jeder auf seine Weise, gern, und sie schwärmte für das Ehepaar.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Es riecht so reizend da oben!\" sage Lotte-Lene.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Da war Geruch, ein Duft, ein Apfelduft auf der Diele, wo die Kammerrätin eine","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"ganze Tonne Gravensteiner Äpfel hingelegt hatte. Da war auch ein Räucherduft von","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Rosen und Lavendel in allen Zimmern.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Das gibt so was Feines!\" sagte Lotte-Lene. Und dann erfreuten sich ihre Augen","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"an all den schönen Blumen, die die Kammerrätin immer hatte; ja, mitten im Winter","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"blühten hier Syringen und Kirschenzweige. Die abgeschnittenen blätterlosen","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Zweige wurde ins Wasser gestellt, und in der warmen Stube trugen sie bald Blüten","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"und Blätter.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Man sollte glauben, daß das Leben in den nackten Zweigen erloschen sei, aber","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"siehe nur, wie es von den Toten aufsteht.\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Das ist mir früher noch nie eingefallen!\" sagte Lotte-Lene. \"Die Natur ist doch","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"reizend!\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Und der Kammerrat ließ sie sein Schlüsselbuch sehen, worin merkwürdige Dinge","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"aufgeschrieben standen, die der Schlüssel gesagt hatte, selbst von einer halben","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Apfeltorte, die aus der Speisekammer verschwunden war, gerade an einem Abend,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"als das Mädchen Besuch von ihrem Bräutigam gehabt hatte.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Und der Kammerrat fragte seinen Schlüssel: \"Wer hat die Apfeltorte gegessen, die","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Katze oder der Bräutigam?\" Und der Haustürschlüssel antwortete: \"Der Bräutigam!\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Der Kammerrat glaubte es schon, ehe er fragte, und das Dienstmädchen gestand;","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"der verdammte Schlüssel wußte ja doch alles.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Ja, ist es nicht merkwürdig?\" fragte der Kammerrat. \"Dieser Schlüssel, dieser","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Schlüssel! Und von Lotte-Lene hat er gesagt: \"Sieg und Glück!\" - Das werden wir","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"ja noch sehen! - Ich stehe dafür ein!\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Es ist reizend!\" sagte Lotte-Lene.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Die Frau des Kammerrats war nicht so vertrauensvoll, aber sie äußerte ihre","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Zweifel nicht, wenn der Mann es hörte; später aber vertraute sie Lotte-Lene,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"daß der Kammerrat, als er ein junger Mensch war, ganz versessen auf das Theater","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"gewesen sei. Hätte ihn damals jemand geschoben, wäre er bestimmt Schauspieler","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"geworden, aber die Familie schob davon weg. Auf die Bühne wollte er, und um","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"dahin zu kommen, schrieb er eine Komödie.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Es ist ein großes Geheimnis, das ich Ihnen anvertraue, liebe Lotte-Lene. Die","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Komödie war nicht schlecht, sie wurde auf dem königlichen Theater angenommen und","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"ausgepfiffen, so daß man später nie mehr davon gehört hat, und darüber freue ich","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"mich. Ich bin seine Frau, und ich kenne ihn. Nun wollen Sie denselben Weg gehen","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"- ich wünsche Ihnen alles Gute, aber ich glaube nicht, daß es gehen wird, ich","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"glaube nicht an den Haustürschlüssel!\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Lotte-Lene glaubte an ihn, uns in diesem Glauben begegnete sie dem Kammerrat.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Ihre Herzen verstanden einander in Zucht und Ehren.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Das Mädchen hatte übrigens allerlei Fähigkeiten, auf die die Kammerrätin","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Wert legte. Lotte-Lene verstand es, Stärke aus Kartoffeln zu machen, seidene","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Handschuhe aus seidenen Strümpfen zu nähen, seidene Tanzschuhe zu überziehen,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"obwohl sie in der Lage war, sich alles neu anzuschaffen. Sie hatte, wie","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"der Fetthändler sagte: Schillinge in der Tischschublade und Hypotheken im","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Geldschrank. \"Das wäre eigentlich eine Frau für den Apotheker,\" dachte die","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Kammerrätin, aber sie sagte es nicht, ließ es auch den Schlüssel nicht sagen.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Der Apotheker wollte sich bald niederlassen, seine eigene Apotheke einrichten,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"und zwar in einer der nächsten größeren Provinzstädte.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Lotte-Lene las noch immer \"Dyveke\" und Knigges \"Umgang mit Menschen.\" Sie","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"behielt die beiden Bücher zwei Jahre, aber dann konnte sie auch das eine","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"auswendig, \"Dyveke,\" die sämtlichen Rollen, aber sie wollte nur in der einen in","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"der Dyvekes, auftreten, und zwar nicht in der Hauptstadt, wo so viel Neid ist","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"und wo sie sie nicht haben wollten. Sie wollte ihre Künstlerlaufbahn, wie der","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Kammerrat es nannte, in einer der größeren Provinzstädte beginnen.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Nun traf es sich ganz merkwürdig, daß es gerade in derselben Stadt war, wo","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"der Apotheker sich als der jüngste, wenn auch nicht der einzige Apotheker","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"niedergelassen hatte.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Der große, erwartungsvolle Abend kam, Lotte-Lene sollte auftreten, Sieg und","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Glück erringen, wie es der Schlüssel geweissagt hatte. Der Kammerrat war nicht","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"da, er lag zu Bett, und die Kammerrätin pflegte ihn; warme Servietten und","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Kamillentee waren ihm verordnet: die Servietten um den Leib und der Tee in den","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Leib.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Das Ehepaar wohnte der \"Dyveke\"-Vorstellung nicht bei, aber der Apotheker war","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"da, und der schrieb einen Brief darüber an seine Verwandte, die Kammerrätin.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Der Dyveke-Kragen war das beste!\" schrieb er. \"Hätte ich den Haustürschlüssel","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"des Kammerrats in meiner Tasche gehabt, so hätte ich ihn herausgeholt und darauf","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"gepfiffen, das hätte der Schlüssel auch verdient, der so schändlich gelogen hat:","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Sieg und Glück.\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Der Kammerrat las den Brief. Das Ganze sei Bosheit, sagte er, Schlüsselhaß, und","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"darunter mußte jetzt das unschuldige Mädchen leiden.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Und sobald er aus dem Bett aufstand und wieder ein Mensch war, sandte er dem","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Apotheker einen kleinen, aber giftspeienden Brief, und der Apotheker antwortete","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"wieder, als ob er den Brief nur als Spaß aufgefaßt habe.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Er dankte ihm dafür, wie für jeden weiteren, freundlichen Beitrag zur","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Erkennung des unvergleichlichen Wertes und der Bedeutung des Schlüssels; ferner","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"vertraute er dem Kammerrat an, daß er, außer seiner Apothenkerwirksamkeit,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"an einem großen Schlüsselroman schreibe, in dem alle handelnden Personen","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Schlüssel seien, einzig und allein Schlüssel. \"Der Haustürschlüssel\" war","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"natürlich die Hauptperson, und der Haustürschlüssel des Kammerrats war ihm","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"das Vorbild, mit Wahrsagungsfähigkeit begabt; um ihn mußten sich alle die","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"andern Schlüssel drehen: der alte Kammerherrenschlüssel, der den Glanz und die","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Festlichkeit des Hofes kannte; der kleine Uhrschlüssel, fein und vornehm zu","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"vier Schilling beim Eisenkrämer; der Schlüssel zum Kirchstuhl, der sich mit zur","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Geistlichkeit rechnete und der, als er eine Nacht im Schlüsselloch in der Kirche","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"sitzengeblieben war, Geister gesehen hatte; der Speisekammer-, der Holzkammer-","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"und der Weinkellerschlüssel, sie alle treten auf, verneigen sich und drehen sich","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"um den Haustürschlüssel. Die Sonnenstrahlen lassen ihn wie Silber schimmern, der","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Wind, der Weltgeist, fährt in ihn hinein, so daß er pfeift. Er ist der Schlüssel","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"für alle Schlüssel, er war der Haustürschlüssel des Kammerrats, jetzt ist er der","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Schlüssel zur Himmelspforte, er ist Papstschlüssel, er ist \"unfehlbar\"!","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Bosheit!\" sagte der Kammerrat. \"Pyramidale Bosheit!\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Er und der Apotheker sahen einander nicht mehr. Ja doch, bei dem Begräbnis der","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Kammerrätin.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Sie starb zuerst.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Es war Trauer und Kummer im Hause. Selbst die abgeschnittenen Kirschzweige, die","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"schon frische Blätter und Blüten angesetzt hatten, trauerten und welkten hin,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"sie standen vergessen, sie pflegte sie nicht mehr.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Der Kammerrat und der Apotheker gingen hinter ihrem Sarge drein, Seite an Seite,","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"als die zwei nächsten Verwandten, hier war keine Zeit und Stimmung, sich auf","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Wortgefechte einzulassen.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Lotte-Lene band einen Trauerflor um den Hut des Kammerrats. Sie war längst","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"zurückgekehrt, ohne Sieg und Glück auf der Bahn der Kunst. Aber es konnte noch","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"kommen, Lotte-Lene hatte eine Zukunft. Der Schlüssel hatte es gesagt, und der","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Kammerrat hatte es gesagt.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Sie kam zu ihm hinauf. Sie sprachen von der Verstorbenen, und sie weinten.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Lotte-Lene war weich, sie sprachen von der Kunst, und Lotte-Lene war stark.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Das Theaterleben ist reizend,\" sagte sie, \"aber da ist so viel Neid, da sind so","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"viele Schwierigkeiten! Ich gehe lieber meinen eigenen Weg. Erst ich selber, dann","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"die Kunst!\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Knigge hatte die Wahrheit gesprochen in dem Kapitel von den Schauspielern, das","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"sah sie ein, der Schlüssel hatte nicht die Wahrheit geredet, aber davon sprach","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"sie nicht mit dem Kammerrat; sie hatte ihn lieb.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Der Haustürschlüssel war ihm übrigens während des ganzen Trauerjahres ein","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Trost und eine Ermunterung. Er stellte ihm Fragen, und der Schlüssel gab","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"ihm Antworten. Und als das Jahr vergangen war und er und Lotte-Lene eines","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"stimmungsvollen Abends beisammen saßen, fragte er den Schlüssel:","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Verheirate ich mich, und mit wem verheirate ich mich?\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Da war niemand, der ihn schob, er schob den Schlüssel, und der Schlüssel sagte:","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Lotte-Lene!\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Und dann war es gesagt, und Lotte-Lene wurde Kammerrätin.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"\"Sieg und Glück!\"","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Die Worte waren gesagt, schon früher vom Haustürschlüssel.","book":"Der Haustürschlüssel"} {"text":"Es war einmal ein altes Schloß mit jungen, prächtigen Edelleuten. Reichtum und","book":"Der Krüppel"} {"text":"Segen hatten sie, amüsieren wollten sie sich, und Gutes taten sie. Alle Menschen","book":"Der Krüppel"} {"text":"wollten sie froh machen, so wie sie selber es waren.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Am Weihnachtsabend stand ein prächtiger, wunderschöner Weihnachtsbaum im alten","book":"Der Krüppel"} {"text":"Rittersaal, wo Feuer in den Kaminen brannte und wo Tannenzweige um die alten","book":"Der Krüppel"} {"text":"Bilder gehängt waren. Hier versammelten sich die Herrschaft und die Gäste, es","book":"Der Krüppel"} {"text":"wurde gesungen und getanzt.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Früher am Abend war schon Weihnachtsfreude in der Gesindestube gewesen. Auch","book":"Der Krüppel"} {"text":"hier stand ein großer Tannenbaum mit brennenden roten und weißen Lichtern,","book":"Der Krüppel"} {"text":"kleinen Danebrogflaggen, ausgeschnittenen Schwänen und Fischernetzen, die mit","book":"Der Krüppel"} {"text":"Bonbons gefüllt waren. Die armen Kinder aus dem Dorfe waren eingeladen; jedes","book":"Der Krüppel"} {"text":"hatte seine Mutter mitgebracht. Die sahen nicht viel nach dem Baume hin, sie","book":"Der Krüppel"} {"text":"sahen nur nach den Weihnachtstischen, wo Wolle und Leinwand, Stoff zu Kleidern","book":"Der Krüppel"} {"text":"und Hosen lag. Ja, dahin sahen die Mütter und die erwachsenen Kinder, nur die","book":"Der Krüppel"} {"text":"ganz kleinen streckten die Hände nach den Lichtern, dem Flittergolde und den","book":"Der Krüppel"} {"text":"Flaggen aus.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Die ganze Versammlung kam früh am Nachmittag, bekam Reisbrei und Gänsebraten mit","book":"Der Krüppel"} {"text":"Rotkohl. Wenn dann der Tannenbaum besehen und die Gaben verteilt waren, bekam","book":"Der Krüppel"} {"text":"jeder ein kleines Glas Punsch und Apfelkuchen mit Apfelmus darin.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Sie kamen heim in ihre eigene, arme Stube, und es wurde von \"der guten","book":"Der Krüppel"} {"text":"Lebensweise\" geredet, das heißt, von den Eßwaren, und die Gaben wurden noch","book":"Der Krüppel"} {"text":"einmal ordentlich besehen.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Da waren nun Garten-Kirsten und Garten-Ole. Wie waren miteinander verheiratet","book":"Der Krüppel"} {"text":"und hatten ihr Haus und ihr tägliches Brot, und dafür mußten sie im Schloßgarten","book":"Der Krüppel"} {"text":"jäten und graben. Jede Weihnachten bekamen sie ihren guten Anteil an den","book":"Der Krüppel"} {"text":"Geschenken; sie hatten auch fünf Kinder, alle fünf wurden von der Herrschaft","book":"Der Krüppel"} {"text":"gekleidet.","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Unsere Herrschaft, das sind wohltätige Leute!\" sagten sie. \"Aber sie können es","book":"Der Krüppel"} {"text":"auch, und es macht ihnen Vergnügen!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Hier sind gute Kleider für die vier Kinder gekommen!\" sagte Garten-Ole.","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Aber da ist ja nichts für den Krüppel. Den pflegen sie ja doch sonst auch zu","book":"Der Krüppel"} {"text":"bedenken, obwohl er nicht mit zum Tannenbaum kommen kann!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"Es war das älteste von den Kindern, das sie \"den Krüppel\" nannten, er war sonst","book":"Der Krüppel"} {"text":"auf den Namen Hans getauft.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Als kleines Kind war er das munterste und lebhafteste von ihnen allen, aber dann","book":"Der Krüppel"} {"text":"wurde er auf einmal \"schlaff in den Beinen,\" wie sie es nannten, er konnte weder","book":"Der Krüppel"} {"text":"stehen noch gehen und lag nun schon im fünften Jahr zu Bett.","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Ja, etwas habe ich auch für ihn mitbekommen!\" sagte die Mutter. \"Aber es ist ja","book":"Der Krüppel"} {"text":"nichts weiter, es ist nur ein Buch, worin er lesen kann!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Davon soll er auch wohl fett werden!\" sagte der Vater.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Aber froh wurde Hans dadurch. Er war ein sehr aufgeweckter Knabe, der gern","book":"Der Krüppel"} {"text":"las, aber er benutzte auch seine Zeit zur Arbeit, soweit er, der immer zu Bett","book":"Der Krüppel"} {"text":"liegen mußte, Nutzen schaffen konnte. Er machte sich mit seinen Händen nützlich,","book":"Der Krüppel"} {"text":"er brauchte seine Hände, strickte wollene Strümpfe, ja ganze Bettdecken. Die","book":"Der Krüppel"} {"text":"gnädige Frau auf dem Schlosse hatte sie gelobt und gekauft.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Es war ein Märchenbuch, das Hans bekommen hatte; darin war viel zu lesen,","book":"Der Krüppel"} {"text":"vieles, worüber er nachdenken konnte.","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Das schafft gar keinen Nutzen im Hause!\" sagten die Eltern. \"Aber laßt ihn","book":"Der Krüppel"} {"text":"nur lesen, dann vergeht ihm die Zeit schneller, er kann ja nicht immer Strümpfe","book":"Der Krüppel"} {"text":"stricken!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"Der Frühling kam; Blumen und Kräuter begannen zu sprießen, auch das Unkraut.","book":"Der Krüppel"} {"text":"..","book":"Der Krüppel"} {"text":"Es war viel zu tun im Schloßgarten, nicht nur für den Schloßgärtner und seine","book":"Der Krüppel"} {"text":"Lehrlinge, sondern auch für Garten-Kirsten und Garten-Ole.","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Das ist eine furchtbare Mühe!\" sagten sie. \"Und wenn man die Gänge eben","book":"Der Krüppel"} {"text":"geharkt hat und sie so recht hübsch gemacht hat, dann werden sie gleich wieder","book":"Der Krüppel"} {"text":"zertreten. Hier ist ein Ein- und Auswandern von Gästen auf dem Schloß. Was muß","book":"Der Krüppel"} {"text":"das kosten! Aber die Herrschaft ist ja reich!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Es ist doch sonderbar verteilt!\" sagte Ole. \"Wir sind ja alle Kinder unseres","book":"Der Krüppel"} {"text":"lieben Gottes, wie der Pfarrer sagt. Warum dann solch ein Unterschied?\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Das kommt vom Sündenfall!\" sagte Kirsten.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Darüber sprachen sie am Abend wieder, als der Krüppel-Hans mit seinem","book":"Der Krüppel"} {"text":"Märchenbuch dalag.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Bedrängte Verhältnisse, Mühe und Arbeit hatten die Hände der Altern hart","book":"Der Krüppel"} {"text":"gemacht, aber sie waren auch hart in ihrem Urteil und ihren Ansichten geworden;","book":"Der Krüppel"} {"text":"sie begriffen es nicht, konnten es sich nicht erklären und redeten und redeten","book":"Der Krüppel"} {"text":"sich nun immer mehr in Zorn und Mißmut hinein.","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Einige Menschen bekommen Wohlstand und Glück, andere nur Armut! Warum sollen","book":"Der Krüppel"} {"text":"wir für den Ungehorsam und die Neugier unserer ersten Eltern bestraft werden.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Wir hätten uns nicht so betragen wie die beiden!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Ja, das hätten wir!\" sagte auf einmal Krüppel-Hans. \"Es steht alles zusammen","book":"Der Krüppel"} {"text":"hier in diesem Buch!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Was steht in dem Buch?\" fragten die Eltern.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Und Hans las ihnen das alte Märchen von dem Holzbauer und seiner Frau vor:","book":"Der Krüppel"} {"text":"die schalten auch über die Neugier von Adam und Eva, die an ihrem Unglück","book":"Der Krüppel"} {"text":"schuld waren. Da kam der König des Landes vorüber. \"Kommt mit mir nach Hause,\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"sagte er, \"dann sollt ihr es ebenso gut haben wie ich: sieben Gerichte und ein","book":"Der Krüppel"} {"text":"Schaugericht. Das steht in einer geschlossenen Terrine, die dürft ihr aber nicht","book":"Der Krüppel"} {"text":"anrühren, denn dann ist es mit der Herrlichkeit vorbei!\" – \"Was kann doch in der","book":"Der Krüppel"} {"text":"Terrine sein?\" sagte die Frau. \"Das geht uns nichts an!\" sagte der Mann. \"Ja,","book":"Der Krüppel"} {"text":"ich bin nicht neugierig,\" sagte die Frau, \"ich möchte nur wissen, warum wir den","book":"Der Krüppel"} {"text":"Deckel nicht aufheben dürfen; es ist wohl was ganz Delikates!\" – \"Wenn nur nicht","book":"Der Krüppel"} {"text":"eine Mechanik dabei ist!\" sagte der Mann. \"So ein Pistolenschuß, der knallt und","book":"Der Krüppel"} {"text":"das ganze Haus aufweckt.\" – \"Ach was!\" sagte die Frau, rührte aber nicht an der","book":"Der Krüppel"} {"text":"Terrine. Aber des Nachts träumte sie, daß der Deckel selbst sich hebe und ein","book":"Der Krüppel"} {"text":"Duft vom feinsten Punsch, wie man ihn auf Hochzeiten und Begräbnissen bekommt,","book":"Der Krüppel"} {"text":"der Terrine entsteige. Es lag eine große silberne Münze da mit der Inschrift:","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Wenn ihr von diesem Punsch trinket, so werdet ihr die Reichsten in der Welt,","book":"Der Krüppel"} {"text":"und alle andern Menschen werden Bettler!\" – Und dann erwachte die Frau, und","book":"Der Krüppel"} {"text":"sie erzählte ihrem Mann ihren Traum. \"Du denkst zu viel an die Sache!\" sagte","book":"Der Krüppel"} {"text":"er. \"Wir können ja mit Vorsicht den Deckel aufheben!\" sagte die Frau. \"Ganz","book":"Der Krüppel"} {"text":"vorsichtig!\" sagte der Mann. Und die Frau hob den Deckel ganz vorsichtig auf.","book":"Der Krüppel"} {"text":"– Da sprangen zwei kleine lebendige Mäuse heraus und verschwanden in einem","book":"Der Krüppel"} {"text":"Mauseloch. \"Gute Nacht!\" sagte der König. \"Nun könnt ihr nach Hause gehen und","book":"Der Krüppel"} {"text":"euch in euer eigenes Bett legen. Scheltet nicht mehr auf Adam und Eva, ihr","book":"Der Krüppel"} {"text":"selber seid ebenso neugierig und undankbar gewesen!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Wie ist doch die Geschichte da in das Buch gekommen?\" sagte Garten-Ole. \"Es ist","book":"Der Krüppel"} {"text":"ja ganz, als ob sie uns gelten sollte. Das ist so recht zum Nachdenken!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"Am nächsten Tage gingen sie wieder auf Arbeit; sie wurden von der Sonne","book":"Der Krüppel"} {"text":"verbrannt und von dem Regen durchnäßt: in ihren Herzen waren zornige Gedanken,","book":"Der Krüppel"} {"text":"an denen sie fortwährend kauten.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Es war noch heller Abend daheim, sie hatten eben ihren Milchbrei gegessen.","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Lies uns noch einmal die Geschichte von dem Holzbauer vor,\" sagte Garten-Ole.","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Da sind so viele hübsche Geschichten im Buch!\" sagte Hans. \"So viele, die ihr","book":"Der Krüppel"} {"text":"noch nicht kennt!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Darauf mache ich mir gar nicht!\" sagte Garten-Ole. \"Ich will die hören, die ich","book":"Der Krüppel"} {"text":"kenne!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"Und er und die Frau hörten wieder dieselbe Geschichte.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Und immer wieder kamen sie auf die Geschichte zurück.","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"So recht erklären kann ich mir das Ganze doch nicht!\" sagte Garten-Ole. \"Es","book":"Der Krüppel"} {"text":"ist mit dem Menschen wie mit der süßen Milch, die gerinnt; ein Teil davon wird","book":"Der Krüppel"} {"text":"feiner Käse, und aus dem andern wird nichts als dünne, wässerige Molke! Einige","book":"Der Krüppel"} {"text":"Leute haben Glück in allem, sitzen alle Tage an der Festtafel und kennen weder","book":"Der Krüppel"} {"text":"Sorge noch Mühe!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"Das hörte der Krüppel-Hans. Wohl war er schlaff in den Beinen, aber er war","book":"Der Krüppel"} {"text":"klug. Er las ihnen die Geschichte von \"dem Mann ohne Kummer und Sorge\" aus dem","book":"Der Krüppel"} {"text":"Märchenbuch vor. Ja, wo war der zu finden, und gefunden werden mußte er.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Der König lag krank danieder und konnte nur geheilt werden, wenn er das Hemd","book":"Der Krüppel"} {"text":"anbekam, das von einem Menschen getragen und auf dem Körper verschlissen war,","book":"Der Krüppel"} {"text":"der in Wahrheit sagen konnte, daß er niemals Kummer und Sorge gekannt hatte.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Boten wurden in alle Länder der Welt entsandt, auf alle Schlösser und","book":"Der Krüppel"} {"text":"Rittergüter, zu allen wohlhabenden und frohen Menschen; aber wenn man sie","book":"Der Krüppel"} {"text":"richtig ausfragte, so hatte doch jeder von ihnen Sorge und Kummer kennengelernt.","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Ich habe sie nicht kennengelernt!\" sagte der Schweinehirt, der am Grabenrand","book":"Der Krüppel"} {"text":"saß, lachte und sang. \"Ich bin der glücklichste Mensch!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Dann gib uns dein Hemd,\" sagten die Botschafter, \"du sollst es mit einem halben","book":"Der Krüppel"} {"text":"Königreich bezahlt bekommen.\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"Aber er hatte kein Hemd – und nannte sich doch den glücklichsten Menschen.","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Das war ein famoser Kerl!\" rief Garten-Ole, und er und seine Frau lachten, wie","book":"Der Krüppel"} {"text":"sie seit Jahr und Tag nicht gelacht hatten.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Da kam der Schullehrer vorbei.","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Wie vergnügt ihr seid!\" sagte er. \"Das ist etwas Seltenes und Neues hier im","book":"Der Krüppel"} {"text":"Hause. Habt ihr in der Lotterie gewonnen?\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Nein, so was ist es nicht!\" sagte Garten-Ole. \"Aber Hans hat uns aus dem","book":"Der Krüppel"} {"text":"Märchenbuch vorgelesen; er las von dem 'Mann ohne Kummer und Sorge', und der","book":"Der Krüppel"} {"text":"Kerl hatte gar nicht mal ein Hemd. Einem geht ein helles Talglicht auf, wenn man","book":"Der Krüppel"} {"text":"so was hört, und noch dazu aus einem gedruckten Buch. Jeder hat wohl seine Last","book":"Der Krüppel"} {"text":"zu ziehen; man ist wohl nicht der einzige. Das ist doch immer ein Trost!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Wo habt ihr das Buch her?\" fragte der Schullehrer.","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Das hat Hans vor mehr als einem Jahr zu Weihnachten bekommen. Die Herrschaft","book":"Der Krüppel"} {"text":"hat es ihm geschenkt. Sie wissen, daß er so gern lesen mag, und er ist ja","book":"Der Krüppel"} {"text":"ein Krüppel! Wir hätten es damals lieber gesehen, wenn er zwei Hemden aus","book":"Der Krüppel"} {"text":"Wergleinwand bekommen hätte. Aber das Buch ist sonderbar, das kann einem","book":"Der Krüppel"} {"text":"wirklich auf alle Gedanken antworten!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"Der Schullehrer nahm das Buch und öffnete es.","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Wir wollen dieselbe Geschichte noch einmal hören!\" sagte Garten-Ole. \"Ich weiß","book":"Der Krüppel"} {"text":"sie noch nicht richtig. Und dann muß er auch die von dem Holzbauer vorlesen!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"Die beiden Geschichten waren und blieben genug für Ole. Sie waren wie zwei","book":"Der Krüppel"} {"text":"Sonnenstrahlen in der armen Stube, in den niederdrückenden Gedanken, die sie","book":"Der Krüppel"} {"text":"verdrießlich und unzufrieden machten.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Hans hatte das ganze Buch gelesen, viele Male gelesen. Die Märchen trugen ihn in","book":"Der Krüppel"} {"text":"die Welt hinaus, wohin ihn die Beine nicht tragen konnten.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Der Schullehrer saß an seinem Bett; sie sprachen zusammen, und das war ein","book":"Der Krüppel"} {"text":"Vergnügen für die beiden.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Seit dem Tage kam der Schullehrer öfter zu Hans, wenn die Eltern auf Arbeit","book":"Der Krüppel"} {"text":"waren. Es war wie ein Fest für den Jungen, jedesmal wenn er kam. Wie lauschte","book":"Der Krüppel"} {"text":"er dem, was der alte Mann erzählte, von der Größe der Erde und von den vielen","book":"Der Krüppel"} {"text":"Ländern, und daß die Sonne noch fast eine halbe Million mal größer sei als die","book":"Der Krüppel"} {"text":"Erde und so weit entfernt, daß eine Kanonenkugel in voller Eile fünfundzwanzig","book":"Der Krüppel"} {"text":"ganze Jahre von der Sonne bis zur Erde braucht, während die Lichtstrahlen die","book":"Der Krüppel"} {"text":"Erde in acht Minuten erreichen können.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Hierüber weiß nun jeder tüchtige Schuljunge Bescheid, aber für Hans war das","book":"Der Krüppel"} {"text":"alles neu und noch viel wunderbarer als alles, was in dem Märchenbuch stand.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Der Schullehrer kam ein paarmal im Jahr an die Tafel der Herrschaft, und bei","book":"Der Krüppel"} {"text":"einer solchen Gelegenheit erzählte er, welche Bedeutung das Märchenbuch in dem","book":"Der Krüppel"} {"text":"armen Haus erlangt habe und wie allein die zwei Geschichten zur Erweckung und","book":"Der Krüppel"} {"text":"zum Segen geworden seien. Der schwächliche, kleine Junge habe durch das Lesen","book":"Der Krüppel"} {"text":"Nachdenken und Freude ins Haus gebracht.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Als der Schullehrer sich verabschiedete, drückte ihm die Schloßherrin ein paar","book":"Der Krüppel"} {"text":"blanke Silbertaler in die Hand für den kleinen Hans.","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Die müssen Vater und Mutter haben!\" sagte der Junge, als der Schullehrer ihm","book":"Der Krüppel"} {"text":"das Geld brachte.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Und Garten-Ole und Garten-Kirsten sagte: \"Der Krüppel-Hans ist doch zum Nutzen","book":"Der Krüppel"} {"text":"und Segen!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"Ein paar Tage später, die Eltern waren auf Arbeit im Schloßgarten, hielt","book":"Der Krüppel"} {"text":"der herrschaftliche Wagen draußen vor dem Hause; es war die herzensgute","book":"Der Krüppel"} {"text":"Schloßherrin, die kam, erfreut darüber, daß ihr Weihnachtsgeschenk zu einem","book":"Der Krüppel"} {"text":"solchen Trost und so viel Freude für den Knaben und die Eltern geworden war.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Sie brachte feines Brot, Obst und eine Flasche süßen Saft mit; aber was noch","book":"Der Krüppel"} {"text":"schöner war, sie brachte ihm in einem vergoldeten Bauer einen kleinen schwarzen","book":"Der Krüppel"} {"text":"Vogel, der ganz allerliebst flöten konnte. Das Bauer mit dem Vogel wurde auf","book":"Der Krüppel"} {"text":"die alte Kommode gesetzt, ein wenig von dem Bett des Knaben entfernt; er konnte","book":"Der Krüppel"} {"text":"den Vogel sehen und seinen Gesang hören. Ja, die Leute, die auf der Landstraße","book":"Der Krüppel"} {"text":"vorüberkamen, konnten den Gesang hören.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Garten-Ole und Garten-Kirsten kamen erst nach Hause, nachdem die gnädige Frau","book":"Der Krüppel"} {"text":"wieder weggefahren war, sie merkten, wie froh Hans war, aber sie fanden doch,","book":"Der Krüppel"} {"text":"daß das Geschenk nur Mühe machte.","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Reiche Leute denken nicht recht nach!\" sagten sie. \"Sollen wir nun auch auf den","book":"Der Krüppel"} {"text":"Vogel aufpassen. Der Krüppel-Hans kann es ja nicht. Das Ende wird noch sein, daß","book":"Der Krüppel"} {"text":"ihn die Katze frißt!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"Es vergingen acht Tage, und noch acht Tage vergingen; die Katze war während der","book":"Der Krüppel"} {"text":"Zeit manchmal in der Stube gewesen, ohne den Vogel zu erschrecken, geschweige","book":"Der Krüppel"} {"text":"denn, ihm etwas zuleide zu tun. Dann ereignete sich etwas sehr Großes. Es war","book":"Der Krüppel"} {"text":"am Nachmittag, die Eltern und die andern Kinder waren auf Arbeit gegangen, Hans","book":"Der Krüppel"} {"text":"war ganz allein; er hatte das Märchenbuch in der Hand und las von der Frau des","book":"Der Krüppel"} {"text":"Fischers, der sämtliche Wünsche erfüllt wurden. Sie wolle König sein, das wurde","book":"Der Krüppel"} {"text":"sie; sie wollte Kaiser sein, das wurde sie; aber dann wollte sie der liebe Gott","book":"Der Krüppel"} {"text":"sein – und dann saß sie wieder in dem Morast, aus dem sie gekommen war.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Die Geschichte stand nun in gar keinem Zusammenhang mit dem Vogel oder der","book":"Der Krüppel"} {"text":"Katze, aber es war gerade die Geschichte, die er las, als das Ereignis eintraf,","book":"Der Krüppel"} {"text":"das er nie wieder vergessen sollte.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Das Bauer stand auf der Kommode, die Katze stand auf dem Fußboden und sah starr","book":"Der Krüppel"} {"text":"mit ihren grüngelben Augen zu dem Vogel hinauf. Da war etwas im Gesicht der","book":"Der Krüppel"} {"text":"Katze, als wolle sie zu dem sagen: \"Wie bist du reizend, ich möchte dich wohl","book":"Der Krüppel"} {"text":"auffressen!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"Das konnte Hans verstehen; er las es ganz deutlich aus dem Gesicht der Katze.","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Weg, Katze!\" rief er. \"Willst du wohl machen, daß du aus der Stube","book":"Der Krüppel"} {"text":"hinauskommst!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"Es war, als schickte sie sich an, zu springen.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Hans konnte sie nicht erreichen, hatte nichts anderes, womit er nach ihr werfen","book":"Der Krüppel"} {"text":"konnte, als seinen liebsten Schatz, das Märchenbuch. Das warf er denn auch, aber","book":"Der Krüppel"} {"text":"der Einband löste sich, flog nach der einen Seite, und das Buch selber mit allen","book":"Der Krüppel"} {"text":"seinen Blättern flog nach der anderen Seite. Mit langsamen Schritten ging die","book":"Der Krüppel"} {"text":"Katze ein wenig in das Zimmer zurück und sah Hans an, als wollte sie sagen:","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Mische du dich nicht in diese Sache, kleiner Hans! ich kann gehen, und ich kann","book":"Der Krüppel"} {"text":"springen, du kannst nichts von beidem!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"Hans behielt die Katze im Auge und war in großer Unruhe. Der Vogel wurde auch","book":"Der Krüppel"} {"text":"unruhig. Kein Mensch war da, den er hätte rufen können; es war, als wüßte die","book":"Der Krüppel"} {"text":"Katze das. Sie schickte sich wieder an, zu springen. Hans schlug mit seiner","book":"Der Krüppel"} {"text":"Bettdecke nach ihr, die Hände konnte er gebrauchen; aber die Katze kehrte sich","book":"Der Krüppel"} {"text":"nicht an die Bettdecke; und als auch die nutzlos nach ihr geworfen war, sprang","book":"Der Krüppel"} {"text":"sie in einem Satz auf den Stuhl hinauf und in den Fensterrahmen hinein, hier war","book":"Der Krüppel"} {"text":"sie dem Vogel näher.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Hans konnte sein eigenes warmes Blut im seinem Körper spüren, aber daran dachte","book":"Der Krüppel"} {"text":"er nicht; er dachte nur an die Katze und an den Vogel. Allein konnte er ja","book":"Der Krüppel"} {"text":"nicht aus dem Bett herauskommen; auf den Beinen konnte er nicht stehen, nach","book":"Der Krüppel"} {"text":"weniger konnte er gehen. Es war, als ob sich ihm das Herz im Leibe umdrehe, als","book":"Der Krüppel"} {"text":"er die Katze von dem Fensterbrett gerade auf die Kommode hinüberspringen und","book":"Der Krüppel"} {"text":"an das Bauer stoßen sah, so daß es herunterfiel. Der Vogel flatterte ängstlich","book":"Der Krüppel"} {"text":"dadrinnen.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Hans stieß einen Schrei aus, ein Schrecken durchlief ihn, und ohne daran zu","book":"Der Krüppel"} {"text":"denken, sprang er aus dem Bett, auf die Kommode zu, riß die Katze herunter und","book":"Der Krüppel"} {"text":"hielt das Bauer fest, in dem der Vogel in Todesangst umherflatterte. Er hielt","book":"Der Krüppel"} {"text":"das Bauer in der Hand und lief damit zur Tür hinaus auf die Landstraße.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Da rollten ihm die Tränen über die Wangen; er jubelte und rief ganz laut: \"Ich","book":"Der Krüppel"} {"text":"kann gehen! Ich kann gehen!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"Er hatte seine Beweglichkeit wieder bekommen; so etwas kann geschehen, und bei","book":"Der Krüppel"} {"text":"ihm geschah es.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Der Schullehrer wohnte ganz in der Nähe, und zu ihm lief er auf seinen nackten","book":"Der Krüppel"} {"text":"Füßen, nur in Hemd und Jacke und mit dem Vogel in dem Bauer.","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Ich kann gehen!\" rief er. \"Herr, mein Gott!\" Und er schluchzte vor lauter","book":"Der Krüppel"} {"text":"Freude.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Und Freude ward im Hause bei Garten-Ole und Garten-Kirsten. \"Einen froheren Tag","book":"Der Krüppel"} {"text":"könnten wir nicht erleben!\" sagten die beiden.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Hans wurde auf das Schloß gerufen. Diesen Weg war er seit vielen Jahren nicht","book":"Der Krüppel"} {"text":"gegangen: es war, als ob die Bäume und Nußbüsche, die er so gut kannte, ihm","book":"Der Krüppel"} {"text":"zunickten und sagten: \"Guten Tag, Hans! Willkommen hier draußen!\" Die Sonne","book":"Der Krüppel"} {"text":"schien ihm ins Gesicht, bis ins Herz hinein.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Die Herrschaft, die jungen, herzensguten Edelleute, ließen ihn bei sich sitzen","book":"Der Krüppel"} {"text":"und sahen so froh aus, als ob er zu ihrer eigenen Familie gehörte.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Am glücklichsten aber war die gnädige Frau, die ihm das Märchenbuch geschenkt","book":"Der Krüppel"} {"text":"und den kleinen Singvogel gebracht hatte, der war freilich vor Schrecken","book":"Der Krüppel"} {"text":"gestorben, aber er war gleichsam das Mittel zu seiner Genesung geworden, und das","book":"Der Krüppel"} {"text":"Buch war ihm und den Eltern zur Erweckung geworden; das Buch hatte er noch, das","book":"Der Krüppel"} {"text":"wollte er aufbewahren und darin lesen, wenn er auch schon ganz alt sein würde.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Jetzt konnte er auch seinen Eltern von Nutzen sein. Er wollte ein Handwerk","book":"Der Krüppel"} {"text":"lernen, am liebsten Buchbinder werden. \"Denn,\" sagte er, \"dann kann ich alle","book":"Der Krüppel"} {"text":"neuen Bücher zu lesen bekommen!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"Am Nachmittag ließ die gnädige Frau die Eltern zu sich rufen. Sie und ihr Mann","book":"Der Krüppel"} {"text":"hatten zusammen von Hans geredet; er war ein frommer und kluger Junge, hatte","book":"Der Krüppel"} {"text":"Lust zum Lernen, und es war ihm leicht. Der liebe Gott ist immer für eine gute","book":"Der Krüppel"} {"text":"Sache.","book":"Der Krüppel"} {"text":"An dem Abend kamen die Eltern recht froh vom Schloß nach Hause, besonders","book":"Der Krüppel"} {"text":"Kirsten, aber eine Woche später weinten sie, denn da reiste der kleine Hans; er","book":"Der Krüppel"} {"text":"hatte gute Kleider bekommen; er war ein guter Junge; aber jetzt sollte er über","book":"Der Krüppel"} {"text":"das salzige Wasser, weit fort, in die Schule geschickt werden, in eine gelehrte","book":"Der Krüppel"} {"text":"Schule, und es würden viele Jahre vergehen, ehe sie ihn wiedersahen.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Das Märchenbuch bekam er nicht mit, das wollten die Eltern zum Andenken","book":"Der Krüppel"} {"text":"behalten. Und der Vater las oft darin, aber immer nur die zwei Geschichten, denn","book":"Der Krüppel"} {"text":"die kannte er.","book":"Der Krüppel"} {"text":"Und sie bekamen Briefe von Hans, einer immer glücklicher als der andere. Er war","book":"Der Krüppel"} {"text":"bei guten Menschen, in guten Verhältnissen,und am allerschönsten war es, zur","book":"Der Krüppel"} {"text":"Schule zu gehen; da war so viel zu lernen und zu wissen; er wünschte nur, daß er","book":"Der Krüppel"} {"text":"hundert Jahre alt werden möchte und daß er einmal Schullehrer werden könnte.","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Wenn wir das erleben sollten!\" sagten die Eltern, und die drückten einander die","book":"Der Krüppel"} {"text":"Hände wie beim Abendmahl.","book":"Der Krüppel"} {"text":"\"Was ist doch nur aus Hans geworden!\" sagte Ole. \"Der liebe Gott denkt doch","book":"Der Krüppel"} {"text":"auch an die armen Kinder! Gerade bei dem Krüppel sollte sich das zeigen! Ist es","book":"Der Krüppel"} {"text":"nicht, als ob Hans uns das alles aus dem Märchenbuch vorgelesen hätte!\"","book":"Der Krüppel"} {"text":"Woher haben wir die Geschichte?","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Willst du es wissen?","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Wir haben sie aus der Tonne, aus der mit dem alten Papier.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Manch ein gutes und seltenes Buch ist zum Fettwarenhändler und zum Gewürzkrämer","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"gewandert, nicht als Lektüre, sondern als Gebrauchsartikel. Die müssen Papier","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"gebrauchen zu Tüten für Stärke und Kaffeebohnen, Papier für gesalzene Heringe,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Butter und Käse. Geschriebene Sachen sind auch brauchbar.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Oft wandert in die Bütte, was nicht in die Bütte wandern sollte.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Ich kenne einen Krämerlehrling, den Sohn eines Fettwarenhändlers; er ist","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"vom Keller in das Erdgeschoß aufgestiegen, ein Mensch, der viel gelesen hat,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Tütenlektüre, die gedruckte und die geschriebene. Er hat eine interessante","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Sammlung, und darin sind mehrere wichtige Aktenstücke aus dem Papierkörben","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"dieses und jenes überarbeiteten, zerstreuten Beamten; manch ein vertraulicher","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Brief von einer Freundin an die Freundin: Skandalmitteilungen, die nicht","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"weitergehen dürften, von niemand erwähnt werden sollten. Er ist eine lebende","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Rettungsanstalt für einen großen Teil der Literatur, er hat den Laden der","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Eltern und des Prinzipals und hat da manch ein Buch oder Blätter von einem Buch","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"gerettet, die wohl verdienen könnten, zweimal gelesen zu werden.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Er hat mir seine Sammlung von gedruckten und geschriebenen Sachen aus der Bütte","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"gezeigt, am reichsten war die Sammlung aus der Bütte des Fettwarenhändlers.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Da lagen ein paar Blätter aus einem größeren Schreibheft; die außerordentlich","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"schöne und deutliche Handschrift zog gleich meine Aufmerksamkeit auf sich.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Das hat der Student geschrieben,\" sagte er, \"der Student, der hier","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"gerade gegenüber wohnte und vor einem Monat starb. Er hat an schrecklichen","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Zahnschmerzen gelitten, das sieht man aus seinen Aufzeichnungen. Das ist","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"ganz amüsant zu lesen. Es ist nur noch wenig von dem Geschriebenen da, es war","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"ein ganzes Buch und noch ein bißchen mehr; meine Eltern gaben der Wirtin des","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Studenten ein halbes Pfund grüne Seife dafür. Dies ist alles, was ich gerettet","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"habe.\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Ich lieh es, ich las es und jetzt erzähle ich es.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Die Überschrift lautete:","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Tante Zahnweh","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"I","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Tante gab mir süße Näschereien, als ich klein war. Meine Zähne hielten es aus,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"wurden nicht schlecht dadurch; jetzt bin ich älter geworden, bin Student; sie","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"verhätschelt mich noch immer mit Süßigkeiten, sagt, daß ich ein Dichter bin.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Ich habe etwas vom Poeten in mir, aber nicht genug. Oft, wenn ich in den Straßen","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"der Stadt gehe, ist es mir, als ginge ich in einer großen Bibliothek; die Häuser","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"sind Bücherregale, jedes Stockwerk ist ein Brett mit Büchern. Dort steht eine","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"gute, alte Komödie, dort stehen wissenschaftliche Werke aus allen Fächern, hier","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Schnitzliteratur und gute Lektüre. Ich kann über alle die Bücher phantasieren","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"und philosophieren.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Es ist etwas vom Poeten in mir, aber nicht genug. Manche Menschen haben gewiß","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"ebenso viel davon in sich und tragen doch kein Schild oder Halsband mit dem","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Namen Poet.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Ihnen wie mir ist eine Gabe Gottes gegeben, ein Segen, groß genug an sich,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"aber zu klein, um ausgestückt und an andre gegeben zu werden. Es kommt ganz","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"plötzlich, wie ein Sonnenstrahl, füllt die Seele und den Gedanken, es kommt wie","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"ein Blumenduft, wie eine Melodie, die man kennt, ohne doch zu wissen, woher sie","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"kommt.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Neulich abends saß ich in meinem Zimmer, hatte Verlangen, etwas zu lesen, hatte","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"kein Buch, kein Blatt, da fiel ein grünes Blatt vom Lindenbaum. Der Wind trug es","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"zum Fenster, zu mir herein.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Ich betrachtete die vielen verzweigten Adern; ein kleiner Wurm bewegte sich","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"darüber hin, als wollte er ein gründliches Studium des Blattes unternehmen.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Da mußte ich an Menschenweisheit denken, wir krabbeln auch auf dem Blatt umher,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"kennen nur das, aber halten sofort einen Vortrag über den ganzen großen Baum,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"die Wurzeln, den Stamm und die Krone; über den großen Baum: Gott, die Welt und","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"die Unsterblichkeit, und kennen von dem ganzen Baum nur ein kleines Blatt.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Wie ich so dasaß, bekam ich Besuch von Tante Mille.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Ich zeigte ihr das Blatt mit dem Wurm, sagte ihr meine Gedanken dabei, und ihre","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Augen leuchteten.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Du bist ein Dichter,\" sagte sie, \"vielleicht der größte, den wir haben! Wenn","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"ich das erleben sollte, dann gehe ich gern in mein Grab. Du hast mich seit","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Brauer Rasmussens Begräbnis immer durch deine mächtige Phantasie in Erstaunen","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"versetzt.\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Das sagte Tante Mille, und dann küßte sie mich.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Wer war Tante Mille, und wer war Brauer Rasmussen?","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"II","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Muters Tante wurde von uns Kindern Tante genannt, wir hatten keinen anderen","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Namen für sie.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Sie gab uns Eingemachtes und Zucker, obwohl das sehr schlecht für unsere Zähne","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"war, aber sie war den süßen Kindern gegenüber schwach, das sagte sie selber.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Es sei ja grausam, ihnen das bißchen Süße vorzuenthalten, das sie doch so sehr","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"liebten.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Und daher hatten wir Tante so lieb.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Sie war ein altes Fräulein, solange ich mich erinnern kann, immer alt! Sie stand","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"im Alter still.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"In früheren Jahren litt sie sehr an Zahnschmerzen und sprach immer davon, und","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"dann war Ihr Freund, Brauer Rasmussen, witzig und nannte sie Tante Zahnweh.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Während der letzten Jahre braute er nicht mehr, er lebte von seinen Zinsen,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"kam oft zu Tante und war älter als sie. Er hatte gar keine Zähne, nur ein paar","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"schwarze Stummel.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Als kleiner Junge habe er zuviel Zucker gegessen, sagte er zu uns Kindern, und","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"dann würde man so aussehen.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Tante hatte als Kind gewiß niemals Zucker gegessen, sie hatte die schönsten","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"weißen Zähne.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Sie gehe auch sparsam damit um, schlafe des Nachts nicht mit ihren Zähnen, sagte","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Brauer Rasmussen.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Das war eine Bosheit, das wußten wir Kinder, er dachte sich aber nichts dabei.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Eines Vormittags, beim Frühstück, erzählte sie einen schrecklichen Traum; sie","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"hatte in der Nacht geträumt, daß einer ihrer Zähne ausgefallen war.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Das bedeutet,\" sagte sie, \"daß ich einen wahren Freund oder eine Freundin","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"verlieren werde!\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"War es ein falscher Zahn,\" sagte der Brauer lächelnd, \"dann kann es nur","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"bedeuten, daß Sie einen falschen Freund verlieren!\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Sie sind ein unhöflicher alter Herr!\" sagte Tante so erzürnt, wie ich sie","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"niemals, weder früher noch später, gesehen habe.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Später sagte sie, es sei nur eine Neckerei von ihrem alten Freund, er sei der","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"edelste Mensch auf der Welt, und wenn er einmal stürbe, würde er ein kleiner","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Engel Gottes im Himmel werden.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Ich dachte viel über die Verwandlung nach und ob ich wohl imstande sein würde,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"ihn in der neuen Gestalt zu erkennen.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Als die Tante jung war und er auch jung war, hielt er um ihre Hand an. Sie","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"besann sich zu lange, blieb sitzen, blieb zu lange sitzen, wurde ein altes","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Fräulein, blieb aber immer eine treue Freundin.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Und dann starb Brauer Rasmussen.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Er wurde im teuersten Leichenwagen zu Grabe geführt und hatte ein großes","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Gefolge, Leute mit Orden und in Uniformen.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Tante stand in Trauerkleidern am Fenster mit uns Kindern allen, den kleinen","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Bruder ausgenommen, den der Storch vor einer Woche gebracht hatte.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Nun waren der Leichenwagen und das Gefolge vorüber, die Straße war leer, die","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Tante wollte gehen, aber das wollte ich nicht, ich wartete auf den Engel, Brauer","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Rasmussen; er war ja jetzt ein kleines, beschwingtes Kind Gattes geworden und","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"mußte nun erscheinen.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Tante!\" sagte ich. \"Glaubst du nicht, daß er jetzt kommt? Oder daß, wenn der","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Storch uns wieder einen kleinen Bruder bringt, er uns dann den Engel Rasmussen","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"bringt?\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Tante war ganz überwältigt von meiner Phantasie und sagte: \"Das Kind wird ein","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"großer Dichter!\" Und das wiederholte sie während meiner ganzen Schulzeit, ja","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"nach meiner Konfirmation und auch jetzt noch, wo ich Student bin.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Sie war und ist meine treueste Freundin, sowohl in Dichterschmerzen als auch in","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Zahnschmerzen. Ich habe ja Anfälle von beiden.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Schreibe nur alle deine Gedanken nieder,\" sagte sie, \"und lege sie in die","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Tischschublade; das tat Jean Paul: er wurde ein großer Dichter; ich mag ihn","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"freilich nicht, er ist nicht spannend genug! Du mußt spannend sein! Und du wirst","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"spannen!\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"In der Nacht nach dieser Rede lag ich in großer Sehnsucht und Schmerzen, in","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Drang und Lust, der große Dichter zu werden, den Tante in mir sah und spürte;","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"ich lag in Dichterschmerzen, aber es gibt noch einen schlimmeren Schmerz: das","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Zahnweh; das wühlte und bohrte in mir; ich ward ein sich windender Wurm mit","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Kräuterkissen und spanischer Fliege.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Das kenne ich!\" sagte die Tante.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Ein Lächeln des Kummers umspielte ihren Mund; ihre Zähne schimmerten so weiß.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"*","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Aber ich muß einen neuen Abschnitt in meiner Geschickte und der Geschichte","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"meiner Tante anfangen.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"III","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Ich war in eine neue Wohnung gezogen und hatte da während eines Monats gewohnt.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Hierüber sprach ich mit Tante.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Ich wohne bei einer stillen Familie; sie denkt nicht an mich, selbst nicht,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"wenn ich dreimal klingele. Übrigens ist es ein wahres Spektakelhaus mit","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Geräuschen und Lärm von Wetter und Wind und Menschen. Ich wohne gerade über","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"dem Torweg, jeder Wagen, der herein- oder hinausfährt, macht die Bilder an","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"den Wänden erzittern. Die Haustür knallt und rüttelt, so daß das Haus schwankt","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"wie bei einem Erdbeben. Wenn ich im Bett liege, fühle ich die Stöße in allen","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Gliedern; aber das soll nervenstärkend sein. Wenn es weht, und hierzulande","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"weht es ja immer, dann baumeln die langen Fensterhaken draußen hin und her und","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"schlagen gegen die Mauer. Die Torglocke des Nachbarn auf dem Hof klingelt bei","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"jedem Windstoß.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Unsere Hausbewohner kommen tropfenweise nach Hause, spät am Abend, tief in der","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Nacht; der Mieter gerade über mir, der am Tage Stunden in Posaunenblasen gibt,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"kommt am spätesten nach Hause, und er legt sich nicht schlafen, ehe er einen","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"kleinen Mitternachtssparziergang mit schweren Schritten und eisenbeschlagenen","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Stiefeln gemacht hat.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Doppelte Fenster sind nicht da, aber da ist eine gerissene Fensterscheibe,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"die hat die Wirtin mit Papier verkleistert, der Wind bläst trotzdem durch","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"den Riß hinein und bringt einen Laut hervor wie von einer summenden Bremse.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Das ist Schlafmusik. Schlafe ich dann endlich ein, dann werde ich bald vom","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Hahnengeschrei geweckt. Hahn und Huhn auf dem Hühnerhof bei dem Kellermann","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"melden, daß es bald Morgen ist. Die kleinen Nordlandspferdchen, die keinen Stall","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"haben, sondern im Sandloch unter der Treppe angebunden sind, schlagen gegen die","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Tür und das Paneel, um sich Bewegung zu machen.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Der Tag dämmert; der Pförtner, der mit seiner Familie in der Mansarde wohnt,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"lärmt die Treppe hinab; die hölzernen Pantoffeln klappern, die Haustür knallt,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"das Haus erbebt, und wenn das überstanden ist, fängt der Mieter über mir an,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"sich im Turnen zu üben: er hebt in jeder Hand eine schwere Eisenkugel empor, die","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"er nicht halten kann; sie fällt wieder und wieder herab, während gleichzeitig","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"die Jugend des Hauses, die zur Schule gehen soll, schreiend die Treppe","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"hinabstürzt. Ich gehe an das Fenster und mache es auf, um frische Luft zu haben,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"und das ist auch erquickend, wenn ich sie nur bekommen kann und die Mansell im","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Hinterhaus nicht gerade Handschuhe in Fleckwasser wäscht; das ist nämlich ihr","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Lebensunterhalt. Übrigens ist es ein gutes Haus, und ich wohne bei einer stillen","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Familie.\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Das war das Referat, das ich Tante über meine Wohnung gab; ich erzählte","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"lebhafter, der mündliche Vortrag hat frischere Farben als der geschriebene.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Du bist ein Dichter!\" rief Tante. \"Schreibe nur deine Rede auf, dann kannst du","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"es dreist mit Dickens aufnehmen! Ja, mich interessierst du viel mehr! Du malst,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"wenn du redest! Du beschreibst dein Haus, so daß man es sieht! Es schaudert","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"einen! – Dichte nur weiter! Lege etwas Lebendes hinein, Menschen, nette","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Menschen, am liebsten unglückliche!\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Das Haus schrieb ich wirklich nieder, wie es mit allen seinen Geräuschen und","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Mängeln dasteht, aber nur mit mir selber, ohne Handlung. Die kam später!","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"IV","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Es war zur Winterzeit, spät am Abend, nach dem Theater, ein furchtbares Wetter,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Schneesturm, so daß man kaum vorwärtskommen konnte.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Die Tante war im Theater, und ich war gekommen, um sie nach Hause zu begleiten,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"aber man hatte Mühe, selber zu gehen, geschweige denn andere zu führen. Die","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Mietkutschen waren alle besetzt; die Tante wohnte weit draußen in der Vorstadt,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"meine Wohnung dahingegen lag dicht beim Theater, wäre das nicht der Fall","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"gewesen, so hätten wir bis auf weiteres in einem Schilderhaus stehen müssen.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Wir stolperten vorwärts im tiefen Schnee, umsaust von den wirbelnden","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Schneeflocken. Ich hielt sie, stieß sie vorwärts. Nur zweimal fielen wir, aber","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"wir fielen weich.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Wir erreichten meinen Torweg, wo wir unsere Kleider schüttelten; auch an der","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Treppe schüttelten wir uns und hatten doch Schnee genug mitgebracht, um den","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Fußboden auf dem Vorplatz damit anzufüllen.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Wir zogen die Überkleider und Stiefel und Strümpfe aus, befreiten uns von allem,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"was wir nur abwerfen konnten. Die Wirtin gab der Tante trockene Strümpfe und","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"eine Morgenmütze, das sei notwendig, sagte die Wirtin und fügte hinzu, was auch","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"richtig war, die Tante könne unmöglich in dieser Nacht nach Hause kommen; sie","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"bat sie, mit ihrer Wohnstube fürliebzunehmen; da wollte sie ein Bett auf dem","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Sofa vor der immer zu meinem Zimmer abgeschlossenen Tür für sie aufmachen.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Und das geschah.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Das Feuer brannte in meinem Ofen, die Teemaschine kam auf den Tisch, es ward","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"gemütlich in dem kleinen Zimmer, wenn auch nicht so gemütlich wie bei Tante, wo","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"im Winter dicke Gardinen vor den Fenstern hängen und doppelte Teppiche, mir drei","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"dicken Schichten Papier darunter, auf dem Fußboden liegen; man sitzt da wie in","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"einer fest zugekorkten Flasche mit warmer Luft, doch, wie gesagt, es ward auch","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"gemütlich bei mir; der Wind sauste draußen.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Die Tante erzählte und erzählte; die Jugendzeit kam wieder, der Brauer kam","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"wieder, alte Erinnerungen.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Sie erinnerte sich noch, wie ich den ersten Zahn bekam, und an die Freude der","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Familie darüber.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Der erste Zahn! Der Zahn der Unschuld, schimmernd wie ein kleiner Milchtropfen,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"der Milchzahn.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Es kam einer, es kamen mehrere, eine ganze Reihe, nebeneinander, oben und unten,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"die schönsten Kinderzähne, und doch nur die Vortraber, nicht die richtigen, die","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"für das ganze Leben dauern sollen.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Auch die kamen und auch die Weisheitszähne, die Flügelmänner in der Reihe, unter","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Schmerzen und großen Beschwerden geboren.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Die vergehen wieder, jeder einzelne, die vergehen, ehe die Dienstzeit um","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"ist, selbst der letzte Zahn vergeht, und das ist kein Festtag, das ist ein","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Wehmutstag.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Dann ist man alt, selbst wenn das Gemüt noch jung ist.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Solche Gedanken und Reden sind nicht immer vergnüglich, und doch sprachen wir","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"von alldem, wir kehrten zurück zu den Jahren der Kindheit, redeten und redeten,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"die Uhr wurde zwölf, ehe Tante sich in die Stube nebenan begab.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Gute Nacht, mein süßes Kind!\" rief sie. \"Nun schlafe ich, als läge ich in","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"meiner eigenen Kommode!\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Und sie war zur Ruhe gegangen, aber Ruhe war weder im Hause noch draußen. Der","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Sturm rüttelte an den Fenstern, schlug mit den langen, baumelnden eisernen","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Haken, klingelte mit der Türglocke im Hinterhof. Der Mieter oben war nach Hause","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"gekommen. Er machte noch einen kleinen nächtlichen Spaziergang auf und nieder,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"warf dann die Stiefeln hinaus und legte sich endlich ins Bett zum Schlafen","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"nieder; aber er schnarcht, so daß man es mit guten Ohren durch die Decke","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"hindurch hören kann.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Ich fand nicht Ruhe, ich konnte nicht schlafen; das Wetter ward auch nicht","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"ruhig, es war unmanierlich lebhaft. Der Wind sauste und sang auf seine Weise,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"meine Zähne fingen auch an, lebhaft zu werden, sie sausten und sangen auf ihre","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Weise. Sie schlugen an zu großen Zahnschmerzen.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Vom Fenster her zog es. Der Mond schien auf den Fußboden hinein. Das Licht kam","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"und ging im Sturm. Es war eine Unruhe in Schatten und Licht, aber schließlich","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"sah der Schatten am Fußboden aus wie etwas; ich starrte nach diesem beweglichen","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Etwas hin und spürte einen eiskalten Wind.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Auf dem Fußboden saß eine Gestalt, dünn und lang, wie wenn ein Kind mit einem","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Griffel etwas auf die Tafel zeichnet, was einem Menschen gleichen soll, ein","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"einziger dünner Strich ist der Körper, ein Strich und noch einer sind die Arme;","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"die Beine sind auch nur ein Strich, der Kopf ist ein Vieleck.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Bald wurde die Gestalt deutlicher, sie bekam eine Art Gewand, sehr dünn, sehr","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"fein, aber es deutete an, daß sie dem weiblichen Geschlecht angehörte. Ich","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"vernahm ein Summen. War sie es, oder war es der Wind, der wie eine Bremse im","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Fensterriß surrte.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Nein, sie war es selber, Frau Zahnweh! Ihre Entsetzlichkeit Satania infernalis,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Gott bewahre uns vor ihrem Besuch.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Hier ist gut sein!\" summte sie. \"Hier ist ein gutes Quartier, Sumpfgrund,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Moorgrund. Hier haben die Mücken mit Gift in den Stacheln gesummt, jetzt habe","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"ich den Stachel. Der muß an Menschenzähnen gewetzt werden. Sie schimmern so weiß","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"bei dem, der hier im Bett liegt. Sie haben Süß und Sauer, Heiß und Kalt, Nußkern","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"und Pflaumenstein getrotzt! Aber ich will sie schon rütteln und schütteln, die","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Wurzeln mit Zugwind düngen, sie fußkalt machen!\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Es war eine schreckliche Rede, ein fürchterlicher Gast.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Du bist also Dichter!\" sagte sie. \"Ja, ich will dich in allen Versmaßen der","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Pein hinaufdichten! Ich will dir Eisen und Stahl in den Körper geben, die Fäden","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"in alle deine Nervenfasern hineinlegen!\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Es war, als führe sie einen glühenden Pfriem in den Kinnbacken hinein; ich wand","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"und krümmte mich.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Ein famoses Zahnwerk!\" sagte sie! \"Eine Orgel, auf der man spielen kann.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Maulharfen-Konzert, großartig, mit Pauken und Trompeten, Flöte piccolo, Posaune","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"im Weisheitszahn. Großer Poet, große Musik!\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Ja, sie spielte auf, und entsetzlich sah sie aus, selbst wenn man nichts weiter","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"von ihr sah als die Hand, diese schattengraue, eiskalte Hand mit den langen,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"pfriemdünnen Fingern; jeder von ihnen war ein Foltergerät: der Daumen und","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"der Zeigefinger waren Kneifzange und Schrauben, der Langemann endete in einem","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"spitzen Pfriem, der Ringfinger war ein Handbohrer und der kleine Finger eine","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Spritze mit Mückengift.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Ich will dich Versemachen lehren!\" sagte sie. \"Ein großer Dichter soll große","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Zahnschmerzen haben, kleine Dichter kleine Zahnschmerzen!\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Ach, laß mich klein sein!\" bat ich. \"Laß mich gar nicht sein! Und ich bin nicht","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Poet, ich habe nur Dichteranfälle sowie Anfälle von Zahnweh. Fahre hin! Fahre","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"hin!\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Erkennst du denn, daß ich mächtiger bin als die Poesie, die Philosophie, die","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Mathematik und die ganze Musik!\" sagte sie. \"Mächtiger als alle diese abgemalten","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"und in Marmor gehauenen Empfindungen. Ich bin die älteste von ihnen allen.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Ich bin dicht am Garten des Paradieses geboren, draußen, wo der Wind sauste","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"und die nassen Pilze wuchsen. Ich veranlaßte Eva, sich in dem kalten Wetter","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"zu bekleiden, und Adam auch. Du kannst mir glauben, da war Kraft in dem ersten","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Zahnweh!\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Ich glaube alles!\" sagte ich. \"Fahre hin! Fahre hin!\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Ja, willst du deine Dichterwirksamkeit aufgeben, nimmermehr Verse auf Papier,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Tafel oder irgendeine Art von Schreibmaterial niederschreiben, dann will ich","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"dich verlassen, aber ich komme wieder, sobald du dichtest!\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Ich schwöre!\" sagte ich. \"Laß mich dich nur niemals mehr sehen oder spüren!\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Sehen sollst du mich, aber in einer volleren, lieberen Gestalt wie jetzt! Du","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"sollst mich als Tante Mille sehen; und ich will sagen; dichte, mein süßer Junge!","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Du bist ein großer Dichter, der größte vielleicht, den wir haben, aber sobald","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"du es glaubst und anfängst zu dichten, setze ich deine Verse in Musik, spiele","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"sie auf deiner Mundharfe, du süßes Kind! – Denke an mich, wenn du Tante Mille","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"siehst!\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Und dann verschwand sie.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Zum Abschied bekam ich noch einen glühenden Pfriemstich in den Kinnbacken","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"hinten, aber das beruhigte sich bald, es war, als flösse ich auf dem weichen","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Wasser, als sähe ich die weißen Wasserrosen mit den grünen breiten Blättern sich","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"neigen, sich unter mich senken, verwelken, sich auflösen, und ich sank mit ihnen","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"wurde in Frieden und Ruhe aufgelöst. –","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Sterben, hinschmelzen wie der Schnee!\" sang es und klang es im Wasser.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"In der Wolke verdunsten, hinfahren wie die Wolke! – \"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Zu mir hinab durch das Wasser schimmerten große, strahlende Namen, Inschriften","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"auf wehenden Siegesfahnen, das Patent der Unsterblichkeit – auf dem Flügel der","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Eintagsfliege geschrieben.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Der Schlaf war tief, der Schlaf ohne Traum. Ich hörte weder den sausenden Wind,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"die knallende Hautür, die klingelnde Torglocke des Nachbarn noch die schweren","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Turnübungen des Mieters über mir.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Glückseligkeit!","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Dann kam ein Windstoß, so daß die verschlossene Tür zu Tante aufsprang. Auch","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Tante sprang auf, kam in ihre Schuhe, kam in die Kleider, kam zu mir herein.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Ich habe wie ein Engel Gottes geschlafen,\" sagte sie, sie habe nicht gewagt,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"mich zu wecken.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Ich erwachte auch, schloß die Augen auf, hatte ganz vergessen, daß Tante hier im","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Hause war, aber bald fiel es mir ein, meine Zahnweh- Erscheinung fiel mir ein.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Traum und Wirklichkeit vermischten sich miteinander.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Du hast gestern abend, nachdem wir einander Gute Nacht gesagt hatten, wohl","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"nicht mehr geschrieben?\" frage sie. \"Ach hättest du es doch getan! Du bist mein","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Dichter, und das bleibst du!\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Es war mir, als lächle sie hinterlistig. Ich wußte nicht, ob es die gute Tante","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Mille war, die mich liebte, oder die Entsetzliche, der ich des Nachts das","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Versprechen gegeben hatte.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Hast du gedichtet, süßes Kind?\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Nein, nein!\" rief ich. \"Du bist doch Tante Mille?\"","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"\"Wer sollte ich sonst wohl sein!\" sagte sie. Und es war wirklich Tante Mille.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Sie küßte mich, kam in eine Droschke und fuhr nach Hause. Ich schrieb nieder,","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"was hier geschrieben steht. Es ist nicht in Versen und soll nie gedruckt werden.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"*","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Ja, hier hörte das Manuskript auf. Mein junger Freund, der Krämergehilfe, konnte","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"das Fehlende nicht auftreiben, es war in die Welt hinausgegangen, als Papier um","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"gesalzene Heringe, grüne Seife und Butter; es hatte seine Bestimmung erfüllt.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Der Brauer ist tot, die Tante ist tot, der Student ist tot, er, dessen","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Gedankenfunken in die Bütte wanderten: das ist das Ende der Geschichte – der","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Geschichte von Tante Zahnweh.","book":"Tante Zahnweh"} {"text":"Es war einmal ein Luftschiffer, dem ging es verkehrt, der Ballon zersprang,","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"der Mann plumpste herunter und ging in Stücke. Seinen Jungen hatte er zwei","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Minuten früher mit dem Fallschirm herabgeschickt, das war des Jungen Glück, er","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"blieb unbeschädigt und ging umher mit großen Vorkenntnissen, um Luftschiffer","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"zu werden, aber er hatte keinen Ballon und auch nicht die Mittel, sich einen zu","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"verschaffen.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Leben mußte er, und so verlegte er sich auf die Künste der Behendigkeit und","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"darauf, mit dem Leib reden zu können, das heißt, Bauchredner zu sein. Jung","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"war er und sah gut aus, und als er einen Bart bekam und gute Kleider anzog,","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"konnte er für ein Grafenkind gehalten werden. Die Damen fanden ihn schön,","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"ja, eine Jungfrau wurde so eingenommen von seiner Schönheit und seinen","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Behendigkeitskünsten, daß sie ihn zu fremden Städten und Ländern begleitete;","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"dort nannte er sich Professor, weniger konnte es nicht sein.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Sein ständiger Gedanke war, sich einen Luftballon zu verschaffen und in die Luft","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"zu gehen mit seiner kleinen Frau, aber sie hatten noch nicht die Mittel dazu.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"\"Sie kommen!\" sagte er.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"\"Wenn sie nur wollten!\" sagte sie.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"\"Wir sind ja junge Leute! Und nun bin ich ein Professor, Krümeln sind auch","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Brot!\"","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Sie half ihm neulich, saß am Eingang und verkaufte Billette zu der Vorstellung,","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"und das war ein kaltes Vergnügen im Winter. Sie half ihm auch in einem","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Kunststück. Er steckte seine Frau ins Schubfach, ein großes Schubfach; da kroch","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"sie hinein ins Hinterfach, und dann war sie im Vorderfach nicht zu sehen; das","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"war wie eine Augentäuschung.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Aber eines Abends, als er das Schubfach aufzog, war sie auch fort von ihn; sie","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"war nicht im Vorderfach, nicht im Hinterfach, nicht im ganzen Haus, nicht zu","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"sehen, nicht zu hören. Das war ihre Behendigkeitskunst. Sie kam niemals wieder;","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"sie hatte es satt, und er bekam es satt, verlor seine gute Laune, konnte nicht","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"mehr lachen und Witze machen, und so kamen auch keine Leute hin; der Verdienst","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"wurde schlecht, die Kleider wurden schlecht; er besaß zuletzt nur einen großen","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Floh, ein Erbstück von seiner Frau, und deshalb hielt er so viel auf ihn. So","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"dressierte er ihn, lehrte ihn Behendigungskünste, lehrte ihn, das Gewehr zu","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"präsentieren und eine Kanone abzuschießen, aber nur eine kleine.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Der Professor war stolz auf den Floh, und der war stolz auf sich selber; er","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"hatte etwas gelernt und hatte Menschenblut in sich und war in den größten","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Städten gewesen, von Prinzen und Prinzessinnen gesehen worden und hatte","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"ihren hohen Beifall gewonnen. Das stand gedruckt in den Zeitungen und auf den","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Plakaten. Er wußte, daß er eine Berühmtheit war und einen Professor ernähren","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"konnte, sogar eine ganze Familie.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Stolz war er, und berühmt war er, und doch, wenn er und der Professor reisten,","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"fuhren sie auf der Eisenbahn vierter Klasse; die geht ebenso schnell wie die","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"erste. Es war ein stillschweigendes Gelübde, daß sie niemals sich trennen","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"wollten, niemals sich verheiraten, der Floh wollte Junggeselle bleiben und der","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Professor Witwer; das kommt auf eins heraus.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"\"Wo man das größte Glück macht,\" sagte der Professor, \"dahin soll man nicht","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"zweimal kommen!\" Er war ein Menschenkenner, und das ist auch eine Kenntnis.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Zuletzt hatten sie alle Länder bereist, außer dem Lande der Wilden; und so","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"wollte er hin zu dem Lande der Wilden; dort essen sie freilich Christenmenschen,","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"das wußte der Professor, aber er war kein richtiger Christ, und der Floh war","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"kein richtiger Mensch, so meinte er, daß er wohl dahin reisen könnte und einen","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"guten Verdienst haben.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Sie reisten mit dem Dampfschiff und mit dem Segelschiff; der Floh machte seine","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Künste, und so hatten sie freie Reise unterwegs und kamen zu dem Lande der","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Wilden.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Hier regierte eine kleine Prinzessin, sie war erst acht Jahre, aber sie","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"regierte; sie hatte Vater und Mutter die Macht genommen, denn sie hatte einen","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Willen und war so unvergleichlich reizend und unartig.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Gleich, so wie der Floh das Gewehr präsentierte und die Kanone abschoß, wurde","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"sie so eingenommen von dem Floh, daß sie sagte: \"Ihn oder keinen!\" Sie wurde","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"ganz wild vor Liebe und war ja schon vorher wild gewesen.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"\"Süßes, kleines, vernünftiges Kind,\" sagte ihr eigener Vater, \"könnte man nur","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"erst einen Menschen aus ihm machen!\"","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"\"Dafür laß mich sorgen, Alter!\" sagte sie, und das ist nicht nett gesagt von","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"einer kleinen Prinzessin, die zu ihrem Vater spricht, aber sie war wild.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Sie setzte den Floh auf ihre kleine Hand.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"\"Nun bist du ein Mensch und regiert mit mir; aber du sollst tun, was ich will,","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"sonst schlage ich dich tot und fresse den Professor.\"","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Der Professor bekam einen großen Saal, um darin zu wohnen. Die Wände waren aus","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Zuckerrohr, da konnte er hingehen und daran lecken, aber er war kein Leckermaul.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Er bekam eine Hängematte, um darin zu schlafen, es war, als läge er in einem","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Luftballon, den Hatte er sich immer gewünscht und der war sein ständiger","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Gedanke.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Der Floh blieb bei der Prinzessin, saß auf ihrer kleinen Hand und auf ihrem","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"feinen Hals. Sie hatte ein Haar von Ihrem Kopf genommen, und das mußte","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"der Professor dem Floh ums Bein binden, und so hielt sie ihn an das große","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Korallenstück gebunden, das sie im Ohrläppchen hatte.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Das war eine herrliche Zeit für die Prinzessin, auch für den Floh, dachte sie;","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"aber der Professor fühlte sich nicht zufrieden, er war ein Reisemensch, er","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"liebte es, von Land zu Land zu ziehen, in den Zeitungen zu lesen von seiner","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Unterhaltendheit und Klugheit, daß er einen Floh lehren konnte, menschliche","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Taten zu tun. Tagaus, tagein lag er in der Hängematte, faulenzte und bekam sein","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"gutes Essen, frische Vogeleier, Elefantenaugen und gebratenen Giraffenohren; die","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Menschenfresser leben nicht nur von Menschenfleisch, das ist eine Delikatesse.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"\"Kinderschultern mit scharfer Sauce,\" sagte die Prinzessinmutter, \"ist das","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Delikateste.\"","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Der Professor langweilte sich und wollte gerne fort von dem Lande der Wilden,","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"aber den Floh mußte er mithaben, das war sein Wunder und Lebensunterhalt. Wie","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"sollte er ihn kriegen und fangen. Das war nicht so leicht. Er spannte alle seine","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Denkkräfte an, und da sagte er: \"Nun habe ich es!\"","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"\"Prinzessinvater, gönne mir, etwas zu tun! Darf ich die Bewohner des Landes üben","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"im Präsentieren, das ist das, was man in den größten Ländern der Welt Bildung","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"nennt!\"","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"\"Und was kannst du mich lehren?\" fragte der Prinzessinvater.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"\"Meine größte Kunst,\" sagte der Professor, \"nämlich eine Kanone abzufeuern,","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"so daß die ganze Erde bebt und all die leckersten Vögel des Himmels gebraten","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"herabfallen! Das ist der Knall dabei!\"","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"\"Komm mit der Kanone!\" sagte der Prinzessinvater.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Aber im ganzen Land gab es keine Kanone außer der, die der Floh gebracht hatte,","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"und die war zu klein.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"\"Ich gieße eine größere zurecht!\" sagte der Professor. \"Gib mir nur die","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Mittel! Ich muß feines Seidenzeug haben, Nadel und Faden, Tau und Schnüre und","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Magentropfen für den Luftballon, die blasen auf, machen leicht und erheben,","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"die geben den Knall in dem Kanonenbau.\" Alles, was er Verlangte, bekam er.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Das ganze Land kam zusammen, um die große Kanone zu sehen. Der Professor rief","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"sie nicht, bevor er nicht den Ballon ganz fertig hatte, um ihn aufzufüllen und","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"aufzusteigen.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Der Floh saß auf der Hand der Prinzessin und sah zu. Der Ballon wurde gefüllt,","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"er schwoll und konnte kaum gehalten werden, so wild war er.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"\"Ich muß ihn in der Luft haben, damit er abgekühlt werden kann!\" sagte der","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Professor und setzt sich in den Korb, der unter dem Ballon hing. \"Allen vermag","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"ich nicht, ihn zu lenken. Ich muß einen kundigen Kameraden mithaben, um mir zu","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"helfen. Hier ist keiner, der das kann, außer dem Floh!\"","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"\"Ich gestatte es ungern!\" sagte die Prinzessin, aber sie reichte doch den Floh","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"dem Professor, der ihn auf seine Hand setzte.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"\"Laßt Taue und Schnüre los!\" sagte er. \"Nun geht der Ballon!\"","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Sie glaubten, er sagte: \"Die Kanone!\"","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Und dann ging der Ballon höher und höher, hinauf über die Wolken, fort von dem","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Lande der Wilden.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Die kleine Prinzessin, ihr Vater und ihre Mutter, das ganze Volk standen und","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"warteten. Sie warten noch, und glaubst du das nicht, so reise nach dem Lande","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"der Wilden, dort spricht jedes Kind vom Floh und dem Professor, glaubt, daß","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"sie wiederkommen, wenn die Kanone abgekühlt ist, aber sie kommen nicht wieder,","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"sie sind daheim bei uns, sie sind in ihrem Vaterland, fahren auf der Eisenbahn","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"erster Klasse, nicht vierter, sie haben einen guten Verdienst, einen großen","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Ballon. Keiner fragt, wie sie den Ballon bekommen haben oder woher sie ihn","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"haben, sie sind angesehene Leute, geehrte Leute, der Floh und der Professor.","book":"Der Floh und der Professor"} {"text":"Die Störche erzählen ihren Jungen gar viele Märchen, und alle handeln von Sumpf","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und Moor; gewöhnlich sind sie dem Alter und Fassungsvermögen angepaßt. Die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"kleinsten sind schon entzückt, wenn man \"Kribble, krabble, plurremurre\" sagt,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"das finden sie sehr ergötzlich; aber die älteren wollen Geschichten mit tieferem","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Inhalt hören, am liebsten, wenn sie von der Familie handeln. Von den zwei","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ältesten und längsten Märchen, die sich bei den Störchen erhalten haben, kennen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wir alle das eine, das von Moses, der von seiner Mutter in den Fluten des Nils","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ausgesetzt und von der Tochter des Königs gefunden wurde, eine gute Erziehung","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"erhielt und ein großer Mann wurde, von dem man nicht einmal weiß, wo er begraben","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wurde. Aber das ist etwas ganz Alltägliches.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Das andere Märchen ist nicht so bekannt, vielleicht weil es mehr inländisch ist.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Dies Märchen hat sich wohl tausend Jahre schon von Storchmutter zu Storchmutter","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"übertragen, und jede hat es besser und besser erzählt, und wir erzählen es am","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"allerbesten.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Das erste Storchpaar, das es erzählte und erlebt hatte, hatte seinen Sommersitz","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"auf einem Wikingerblockhaus bei dem großen Wildmoor in Jütland. Noch immer ist","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"dort ein ungeheuer großes Moor, wie man aus allen Landesbeschreibungen ersehen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"kann. Hier sei einst Meeresboden gewesen, der sich gehoben habe, steht darin.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Es erstreckt sich meilenweit, und ist von allen Seiten von feuchten Wiesen und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"schwankendem Torfboden umgeben, auf dem nur unbrauchbare Beeren und kümmerliche","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Bäume gedeihen. Fast immer schwebt ein Nebel darüber, und vor siebzig Jahren","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"fanden sich hier noch Wölfe. Es trägt seinen Namen \"Wildmoor\" wirklich zu recht,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und man kann sich wohl vorstellen, wie verwildert, voller Sümpfe und Seen, es","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hier vor tausend Jahren gewesen sein mag! Im einzelnen sah man damals hier,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"was man noch jetzt sieht. Die Rohrstangen hatten die gleiche Höhe, die gleiche","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Art langer Blätter und violettbraun gefiederte Blütenbüschel, wie sie sie jetzt","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"noch tragen. Die Birke stand mit weißer Rinde und lose im Winde schaukelnden","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Blättern wie jetzt, und was die Lebewesen betrifft, die hierher kamen, ja, die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Fliege trug ihr Florwämslein im selben Schnitt wie noch heute, die Leibfarbe der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Störche war weiß und schwarz mit roten Strümpfen, die Menschen dagegen hatten","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"einen anderen Kleiderschnitt als heutigentags, doch ein jeder, Sklave oder","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Jäger, wer sich auch hinaus auf den sumpfunterwühlten Boden wagte, dem erging","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"es vor tausend Jahren wie jetzt, sie kamen her, brachen ein und sanken hinab zum","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Moorkönig, wie er genannt wurde, der drunten in dem großen Moorreiche regiert.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Sehr wenig wußte man von seiner Regierung, doch das ist vielleicht ganz gut so.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Dicht beim Moor, nahe am Limfjord, lag das Blockhaus mit steinuntermauertem","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Keller, einem Turm und drei Stockwerken. Oben auf dem Dache hatte der Storch","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sein Nest gebaut, die Storchmutter lag auf ihren Eiern und wiegte sich in","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Sicherheit, daß ihr Vorhaben glücken werde.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Eines Abends blieb Storchvater etwas lange aus, und als er dann heimkam, sah er","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ganz verstört und abgehetzt aus.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Ich muß Dir etwas ganz Furchtbares erzählen!\" sagte er zur Storchmutter.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Laß es lieber sein\" sagte sie \"denke daran, daß ich auf den Eiern liege, ich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"könnte durch den Schreck Schaden nehmen, und das wirkt auf die Eier.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Du mußt es wissen!\" sagte er. \"Sie ist hergekommen, die Tochter unseres Wirtes","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"in Ägypten. Sie hat die Reise hier herauf gewagt, und weg ist sie.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Ist es die, die aus dem Geschlecht der Feen ist? Erzähle doch nur, Du weißt,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"daß ich es gar nicht vertragen kann, in der Brutzeit zu warten!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Siehst Du, Mutter, sie hat doch dem Doktor geglaubt, daß die Moorblume von","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hier oben ihrem kranken Vater helfen könne. Da ist sie in ihrem Federkleide","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hergeflogen, zusammen mit den beiden anderen Federkleidprinzessinnen, die jedes","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Jahr hierher nach dem Norden sollen, um sich durch Baden zu verjüngen. Sie ist","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gekommen, und sie ist weg.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Du erzählst immer so weitläufig!\" sagte die Storchmutter, \"die Eier können sich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"unterdessen erkälten! Ich kann soviel Spannung nicht vertragen!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Ich habe genau aufgepaßt\" sagte der Storchvater, \"und heute abend, als ich ins","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Schilf ging, wo der Moorboden mich tragen kann, kamen drei Schwäne. Es war etwas","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"im Flügelschlage, das mir sagte: Nimm Dich in acht, das sind keine richtigen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Schwäne, das sind nur Schwanenhäute, Du weißt ja, Mutter, wie man so etwas im","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Gefühl haben kann, Du fühlst auch, was das Richtige ist.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Ja gewiß\" sagte sie, \"aber erzähle nun von der Prinzessin, ich habe es über,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"von Schwanenhäuten zu hören.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Hier, mitten im Moor, ist, wie Du weißt, eine Art See,\" sagte der Storchvater.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Du kannst ein Stückchen davon sehen, wenn Du Dich aufrichtest; dort zwischen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"dem Schilf und dem grünen Moorboden lag ein großer Erlenstamm. Auf diesem","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ließen sich die drei Schwäne nieder und blickten sich um; die eine von ihnen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"warf ihre Schwanenhaut ab, und ich erkannte in ihr die Prinzessin unseres","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Hauses in Ägypten. Sie saß da und hatte keinen anderen Mantel um sich, als ihr","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"langes, schwarzes Haar. Ich hörte, wie sie die beiden anderen bat, wohl auf ihre","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Schwanenhaut achtzugeben, wenn sie unter das Wasser tauchen würde, um die Blume","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zu pflücken, die sie zu sehen glaubte. Sie nickten und richteten sich empor;","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"dabei hoben sie das lose Federkleid auf. Sieh nur, was wollen sie wohl damit","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"tun? dachte ich, und sie fragte sicherlich ebenfalls danach. Die Antwort bekam","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sie durch den Anblick der Tat – sie flogen mit ihrem Federkleide in die Höhe und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"riefen: 'Tauch nur unter. Niemals mehr sollst Du im Schwanenkleide fliegen, nie","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"das Land Ägypten wiedersehen. Bleib Du im Wildmoore sitzen!' Und dann rissen sie","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ihr Federkleid in hundert Fetzen, daß die Federn rings umher flogen, als seien","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"es Schneeflocken, und fort flogen sie, die beiden bösen Prinzessinnen.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Das ist schrecklich!\" sagte die Storchmutter, \"ich kann das gar nicht mit","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"anhören! – Sag mir schnell, was dann weiter geschah!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Die Prinzessin jammerte und weinte, Ihre Tränen rollten auf den Erlenstamm","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"nieder. Da bewegte er sich, denn es war der Moorkönig selbst, der dort im Moore","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wohnt. Ich sah, wie der Stamm sich umdrehte, und da war er kein Stamm mehr;","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"lange schlammbedeckte Zweige reckten sich empor wie Arme. Das arme Kind erschrak","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und sprang davon auf dem schwankenden Moorboden. Aber der kann an dieser Stelle","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"mich nicht einmal tragen, geschweige denn sie. Sie versank sogleich, und der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Erlenstamm tauchte auch unter, er war es, der sie hinabzog. Es stiegen noch ein","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"paar große, schwarze Blasen auf, und dann war nichts mehr zu sehen. Nun liegt","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sie im Wildmoor begraben, niemals kommt sie mit der Blume nach Ägypten. Du","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hättest es nicht mit ansehen können, Mutter!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"So etwas hättest Du mir in dieser Zeit überhaupt nicht erzählen dürfen! Das","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"kann den Eiern schaden! – Die Prinzessin wird sich schon zu helfen wissen! Sie","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"findet schon jemanden, der ihr beisteht! Wärest Du es gewesen oder ich, einer","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"von den unsrigen, so wäre es vorbei mit uns!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Ich will doch jeden Tag nach ihr sehen!\" sagte der Storchvater, und das tat er","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"auch.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Nun verging eine lange Zeit darüber. Eines Tages jedoch sah er, daß tief aus","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"dem Grunde des Moors ein grüner Stengel emporschoß. Und als er den Wasserspiegel","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"erreicht hatte, trieb ein Blatt daraus hervor; breiter wurde es und immer","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"breiter. Dicht neben ihm sproßte auch eine Knospe empor, und als der Storch","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"eines Morgens über ihr dahinflog, öffnete sich die Blumenknospe in den heißen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Sonnenstrahlen, und mitten darin lag ein wunderhübsches Kind, ein kleines","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Mädchen, frisch, als sei es gerade aus dem Bade genommen worden. Sie glich der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Prinzessin aus Ägypten in solchem Maße, daß der Storch zuerst glaubte, sie sei","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"es selbst, nur kleiner geworden. Doch als er darüber nachdachte, fand er es","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wahrscheinlicher, daß es ihr und des Moorkönigs Kind sei. Deshalb lag es wohl","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"auch in einer Wasserrose.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Da kann sie doch nicht liegen bleiben!\" dachte der Storch. \"In meinem Nest","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sind wir schon so viele, doch halt, da fällt mir etwas ein! Die Wikingerfrau","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hat keine Kinder, und sie hat sich schon oft so ein Kleines gewünscht. Ich werde","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ja immer beschuldigt, die kleinen Kinder zu bringen, nun will ich einmal ernst","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"damit machen! Ich fliege mit dem Kind zur Wikingerfrau; das wird eine Freude","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"werden!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Der Storch nahm das kleine Mädchen, flog zum Blockhause, schlug mit dem Schnabel","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ein Loch in die Fensterscheibe aus Blasenhaut und legte das Kind an die Brust","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der Wikingerfrau. Dann flog er zur Storchmutter und erzählte ihr alles, und die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Jungen durften zuhören, sie waren nun schon groß genug dazu.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Siehst Du, die Prinzessin ist nicht tot! Sie hat das Kleine heraufgeschickt,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und nun ist es untergebracht!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Das habe ich ja von vornherein gesagt!\" meinte die Storchmutter. \"Denk aber","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"jetzt etwas an Deine eigenen Kinder. Jetzt kommt bald die Reisezeit; es kribbelt","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"mir schon ab und zu unter den Flügeln. Der Kuckuck und die Nachtigall sind","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"schon fort, und die Wachteln hörte ich eben davon sprechen, daß wir guten Wind","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"bekommen werden. Unsere Jungen werden beim Manöver schon ihren Mann stehen, wie","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ich sie kenne!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Nein, wie freute sich die Wikingerfrau, als sie am Morgen erwachte und das","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hübsche kleine Kind an ihrer Brust fand; sie küßte und streichelte es, doch es","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"schrie ganz schrecklich und strampelte mit Armen und Beinen; gute Laune schien","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"es nicht zu haben. Zuletzt weinte es sich in Schlaf, und wie es da lag, war es","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wirklich das Hübscheste, was man sehen konnte. Der Wikingerfrau war so leicht,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"so froh, so wohl zumute, sie nahm es als geheimes Zeichen, daß ihr Gemahl mit","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"allen seinen Mannen ebenso unerwartet hereinschneien würde, wie die Kleine; da","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gab es denn bei ihr und im ganzen Hause ein emsiges Rühren, damit alles instand","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"käme. Die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"langen farbigen Wandbehänge mit den hineingewirkten Bildern ihrer Götter Odin,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Thor und Freia, die sie mit ihren Mägden selbst gewebt hatte, wurden aufgehängt,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"die Sklaven mußten die alten Schilder, die als Schmuck an den Wänden hingen,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"putzen, Polster wurden auf die Bänke gelegt, und auf der Feuerstätte mitten","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"in der Halle wurde trockenes Holz aufgeschichtet, damit das Feuer sogleich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"entzündet werden könne. Die Wikingerfrau griff selbst tüchtig mit zu, so daß sie","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"am Abend herzlich müde war und gut schlief.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Als sie gegen Morgen erwachte, erschrak sie zutiefst, denn das kleine Kind","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"war spurlos verschwunden. Sie sprang auf, zündete einen Kiefernspan an und sah","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sich um, da lag am Fußende ihres Bettes nicht mehr das kleine Kind, sondern","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"eine große, häßliche Kröte. Ihr wurde ganz übel zumute bei dem Anblick, und sie","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"nahm einen großen Stock ,um das Tier totzuschlagen. Doch es blickte sie mit so","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wunderlich betrübten Augen an, daß sie nicht zuschlagen konnte. Noch einmal sah","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sie sich nach allen Seiten um, der Frosch gab ein leises, so klägliches Quaken","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"von sich, daß sie zusammenfuhr und ans Fenster sprang. Sie riß es auf und im","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gleichen Augenblick ging die Sonne auf; sie warf ihre Strahlen gerade auf das","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Bett und die große Kröte, und mit einem Male war es, als ob sich des Untiers","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"breites Maul zusammenzöge und klein und rot würde, die Glieder streckten sich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und wandelten sich zu der niedlichsten Gestalt, und da lag wieder ihr eigenes","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"kleines hübsches Kind im Bette und kein häßlicher Frosch.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Was ist das nur\" sagte sie. \"Habe ich einen bösen Traum geträumt! Das ist","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ja mein herziges kleines Elfenkind, das da vor mir liegt.\" Und sie küßte es","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und drückte es an ihr Herz, aber es kratzte und biß um sich wie eine kleine","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Wildkatze.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Nicht an diesem Tag, auch nicht am nächsten kam der Wikinger, obgleich er auf","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"dem Heimwege war; denn er hatte den Wind gegen sich, der nach Süden blies wegen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der Störche. Des einen Freude ist des andern Leid.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Nach ein paar Tagen und Nächten wurde es der Wikingerfrau klar, wie es mit ihrem","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"kleinen Kinde stand. Ein scheußlicher Zauber ruhte auf ihm. Am Tage war es schön","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wie ein Lichtelf, hatte aber eine böse, wilde Natur, das Nachts dagegen war es","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"eine häßliche Kröte, still und kläglich mit traurigen Augen. Hier waren zwei","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Naturen, die einander abwechselten, sowohl äußerlich wie innerlich; das kam","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"daher, daß das kleine Mädchen, daß der Storch hierher gebracht hatte, am Tage","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"das Äußere seiner Mutter, aber gleichzeitig die Sinnesart seines Vaters besaß,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"bei Nacht dagegen trat die körperliche Verwandtschaft mit ihm in der Gestalt","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zutage, während der Mutter Gemüt und Herz aus seinen Augen strahlte. Wer konnte","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"diesen Zauber lösen? Die Wikingerfrau war in Angst und Betrübnis, und doch hing","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ihr Herz an diesem armen Geschöpfe, dessen Zustand sie ihrem Gemahl nicht zu","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"offenbaren wagte, wenn er jetzt heimkehrte, dann würde er gewiß nach Schick und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Brauch das arme Kind an der Fahrstraße aussetzen, damit es nähme, wer wollte.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Das brachte die gute Wikingerfrau nicht übers Herz. Nur beim hellen Tageslichte","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sollte er das Kind zu sehen bekommen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Eines Morgens sauste es von Storchschwingen über dem Dache. Da hatten über Nacht","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wohl hundert Storchpaare sich für das große Manöver ausgeruht, sie flogen jetzt","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"auf, um nach Süden zu ziehen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Alle Mann fertig!\" hieß es, \"Frau und Kinder auch!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Uns ist so leicht!,\" sagten die jungen Störche, \"es kribbelt und krabbelt uns","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"in den Beinen, gerade als ob wir voll lebendiger Frösche steckten! Wie herrlich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ist es, nach dem Ausland zu reisen!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Haltet Euch im Schwarm!\" sagten Vater und Mutter, \"und klappert nicht so viel","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"mit dem Schnabel, das legt sich auf die Brust!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Und sie flogen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Zur gleichen Stunde erklangen die Luren über die Heide hin; der Wikinger mit","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"all seinen Mannen war gelandet. Sie kehrten mit reicher Beute von der gallischen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Küste heim, wo die Leute, wie in Britland, voll Schrecken sangen:","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Von den wilden Normannen befreie uns, Herr.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Welch Leben und welche Lust begann nun im Wikingerhause beim Wildmoor!","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Die Metkannen wurden in die Halle gebracht, das Feuer wurde entzündet, und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Pferde wurden geschlachtet. Hier sollte ordentlich aufgetafelt werden! Der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Opferpriester sprengte das warme Pferdeblut zur Weihe über die Sklaven, das","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Feuer knisterte, und der Rauch zog unter der Decke hin, daß der Ruß von den","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Balken tropfte, aber das war man gewöhnt. Es waren Gäste geladen, und sie wurden","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wohl aufgenommen; vergessen waren Feindschaft und Ränke. Es wurde gezecht, und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"dann warf man einander die abgenagten Knochen ins Gesicht, das war ein Zeichen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"guter Laune. Der Skalde – das war so eine Art Spielmann, der aber auch zu den","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Kriegern gehörte, die den Zug mitgemacht hatten, und die Taten mitangesehen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hatte, die er besang – gab ein Lied zum besten, in dem er ihre Kriegs- und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Heldentaten verkündete. Jeder Vers schloß mit dem Kehrreim: \"Habe vergeht,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Geschlechter vergehen, selbst gehst Du dahin, doch nie vergeht ein ruhmreicher","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Name.\" Dabei schlugen alle an ihre Schilde und hämmerten mit den Messern oder","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"einem Knochen auf die Tischplatte, daß es weithin zu hören war.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Die Wikingerfrau saß auf der Querbank in der offenen Festhalle. Sie trug","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"das Staatskleid und war mit goldenen Armringen und großen Bernsteinperlen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"geschmückt; der Skalde erwähnte auch ihrer in seinem Sange, sprach von dem","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"goldenen Schatz, den sie ihrem reichen Gemahl zugebracht hätte, und dieser war","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"von Herzen fröhlich über das schöne Kind, das er nur bei Tage in all seiner","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Wohlgestalt gesehen hatte. Die Wildheit, die sich bei ihm zeigte, gefiel ihm","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gerade. Sie könne, so meinte er, eine gewaltige Schildjungfrau werden, die einen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Kampf wohl bestünde. Sie würde nicht mit der Wimper zucken, wenn eine geübte","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Hand ihr im Scherze mit scharfem Schwerte die Augenbrauen abtrennte.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Die Metkanne wurde geleert und neue aufgefahren. Es wurde gewaltig gezecht zu","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"damaliger Zeit, es waren Leute, die wohl einen Tropfen vertragen konnten. Das","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Sprichwort lautete damals: \"Das Vieh weiß, wenn es von der Weide gehen muß,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"doch ein unkluger Mann kennt nicht das Maß seines Magens.\" Ja, das wußte man,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"aber Wissen und Handeln, jedes Ding zu seiner Zeit. Man wußte auch, daß man \"des","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Freundes satt wird, ist man zu lange in seinem Haus.\" Aber man blieb doch hier,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Fleisch und Met sind gut Ding. Es ging lustig her, und des Nachts schliefen die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Sklaven in der warmen Asche, tauchten die Finger in den fetten Ruß und leckten","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sie ab. Das waren gute Zeiten.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Noch einmal in diesem Jahre zog der Wiking aus, ungeachtet der nahen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Herbststürme. Er ging mit seinen Mannen zu Britlands Küsten, \"das sei ja nur","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"übers Wasser,\" sagte er. Sein Weib blieb mit ihrem kleinen Mädchen zurück, und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"es war gewiß, daß die Pflegemutter bald die arme Kröte mit den frommen Augen und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"den tiefen Seufzern fast mehr liebte als die Schönheit, die kratzte und um sich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"biß.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Die rauhen, nassen Herbstnebel, die \"Vögel-Mundlos,\" die die Blätter abnagen,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"legten sich über Wald und Heide, und der \"Vogel Federlos,\" der Schnee, kam","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gleich hinterher geflogen; der Winter war auf dem Wege. Die Spatzen belegten das","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Storchnest mit Beschlag und nörgelten auf ihre Art an der abwesenden Herrschaft","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"herum.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Wo war das Storchpaar mit all seinen Jungen?","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Die Störche waren nun im Lande Ägypten, wo die Sonne so warm scheint, wie bei","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"uns an warmen Sommertagen. Tamarinden und Akazien blühten ringsum, und Mohameds","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Mond strahlte blank von den Kuppeln der Moscheen. Auf den schlanken Türmen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"saß manch Storchpaar und ruhte nach der langen Reise. Ganze Scharen hatten","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"auf den mächtigen Säulen und zerbrochenen Tempelbogen vergessener Stätten","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"genistet; Dattelpalmen erhoben ihre dachartigen Wipfel wie Sonnenschirme, und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"die weißgrauen Pyramiden standen wie Schattenrisse in der klaren Luft vor der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Wüste, wo der Strauß zeigte, daß er seine Beine zu gebrauchen verstand, und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der Löwe saß und mit großen klugen Augen die Marmorsphinx betrachtete, die halb","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"vom Sande begraben liegt. Das Wasser des Nils war zurückgetreten. Das ganze","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Flußbett wimmelte von Fröschen, und für die Storchfamilie war dies der schönste","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Anblick in diesem Lande. Die Jungen glaubten, es sei eine Augentäuschung, so","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ohnegleichen fanden sie das Ganze.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"So ist es hier immer in unserem warmen Lande\" sagte die Storchmutter, und es","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"kribbelte den Kleinen im Magen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Bekommen wir noch mehr zu sehen?\" sagten sie, \"sollen wir noch viel, viel","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"weiter ins Land hinein?\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Da gibts nichts weiter zu sehen!\" sagte die Storchmutter; \"hinter dem","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"fruchtbaren Uferstrich liegt nur undurchdringlicher Wald, wo die Bäume","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ineinander wachsen und von stachligen Schlinggewächsen verfilzt sind, nur der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Elefant mit seinen plumpen Füßen kann sich dort einen Weg bahnen. Die Schlangen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"dort sind uns zu groß und die Eidechsen zu flink. Wollt Ihr aber in die Wüste,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"so bekommt ihr Sand in die Augen, das heißt, wenn es fein zugeht. Geht es aber","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"grob zu, so kommt ihr in eine Sandhose. Nein, hier ist es am besten. Hier sind","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Frösche und Heuschrecken. Hier bleibe ich und Ihr mit.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Und sie blieben; die Alten saßen in ihrem Neste auf dem schlanken Minaret,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"pflegten der Ruhe und hatten genug damit zu tun, ihre Federn zu glätten","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und mit dem Schnabel die roten Strümpfe zurechtzuzupfen. Ab und an reckten","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sie die Hälse, grüßten gravitätisch und hoben die Köpfe mit der hohen Stirn","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und den feinen, glatten Federn, und ihre braunen Augen leuchteten klug. Die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Storchfräulein gingen gravitätisch im saftigen Schilfe umher, lugten heimlich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zu den jungen Störchen hinüber, machten Bekanntschaften und verschluckten bei","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"jedem dritten Schritt einen Frosch oder schwenkten eine kleine Schlange hin und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"her; das nähme sich gut aus, fanden sie, und schmecken tat es auch. Die jungen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Männer fingen Händel an, pufften einander mit den Flügeln, schlugen mit den","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Schnäbeln um sich, ja stachen sich wohl sogar blutig, und dann verlobte sich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hier einer und da eine, das war ja schließlich auch der Sinn des Lebens. Und sie","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"bauten Nester und gerieten sich dabei aufs neue in die Haare, denn in den heißen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Ländern ist man gar hitzig, aber vergnügt ging es doch zu, besonders den Alten","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"machte es Spaß. Die eigenen Kinder kleidet eben alles. Jeden Tag schien hier","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"die Sonne, jeden Tag gab es vollauf zu essen, man konnte nur an Lust und Freude","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"denken. – Aber in dem reichen Schloß des ägyptischen Hauswirts, wie sie ihn","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"nannten, hatte die Freude keine Stätte.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Der reiche, mächtige Herr lag auf dem Ruhebett, steif in allen Gliedern und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ausgestreckt wie eine Mumie, mitten in dem große Saal mit den prächtig bemalten,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"farbigen Wänden. Verwandte und Diener standen um ihn her, tot war er nicht; daß","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"er lebte, konnte man auch füglich nicht sagen. Die rettende Moorblume aus den","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"nördlichen Ländern, die gesucht und gepflückt werden mußte von der, die ihn am","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"herzlichsten liebte, ward ihm nicht gebracht. Seine junge schöne Tochter, die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"im Schwanenkleide über Meer und Land weit zum hohen Norden hinauf geflogen war,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sollte niemals mehr zurückkehren. \"Sie ist tot und fort!\" hatten die beiden","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"heimgekehrten Schwanenjungfrauen gemeldet sie hatten sich eine ganze Geschichte","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ausgedacht, die sie nun erzählten:","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Wir flogen alle drei hoch oben in der Luft, als uns ein Jäger sah und seinen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Pfeil abschoß. Er traf unsere junge Freundin, und langsam ihr Fahrwohl singend","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"glitt sie wir ein schwebender Schwan mitten in einen Waldsee hinab. Dort am Ufer","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"unter einer duftenden Hängebirke begruben wir sie. Doch sie ist gerächt. Feuer","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"banden wir unter die Flügel der Schwalbe, die unter dem Schilfdach des Jägers","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"nistet, es zündete, das Haus loderte in Flammen auf, und er verbrannte darin.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Weit hinaus über den See bis zu der hängenden Birke leuchtete es, wo sie als","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Erde in der Erde ruht. Niemals mehr kehrt sie zurück nach Ägypten.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Dann weinten die beiden, und der Storchvater, der die Geschichte mit anhören","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"mußte, klapperte mit dem Schnabel, daß es schallte.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Lüge und Erfindung\" sagte er. \"Ich hätte die größte Lust, ihnen meinen Schnabel","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"in die Brust zu jagen.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Und ihn dabei abzubrechen!\" sagte die Storchmutter. \"Dann wirst Du ja recht","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hübsch aussehen! Erst denk an Dich selbst und dann an Deine Familie; alles","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"andere kommt erst in zweiter Reihe.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Ich will mich doch morgen an den Rand der offenen Kuppel setzen, wenn sich alle","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"die Gelehrten und Weisen versammeln, um über den Kranken zu beraten, vielleicht","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"kommen sie dann der Wahrheit etwas näher.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Und die Gelehrten und Weisen kamen zusammen und sprachen viel, sprachen lang","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und breit, und der Storch konnte nicht daraus klug werden. – Für den Kranken kam","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"auch nichts dabei heraus, auch nicht für die Tochter im Wildmoor, aber trotzdem","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"können wir ja ein wenig zuhören, man muß sich ja sonst auch so vielerlei mit","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"anhören.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Das Richtigste wird jetzt sein, auch zu hören und zu wissen, was dem","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"vorausgegangen war, dann sind wir besser im Bilde, wenigstens ebenso gut wie der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Storchvater.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Liebe gebiert das Leben. Die höchste Liebe gebiert das höchste Leben. Nur durch","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Liebe ist Rettung für sein Leben zu gewinnen!\" war gesagt worden, und das wäre","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"außerordentlich klug und gut gesagt, versicherten die Gelehrten.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Das ist ein schöner Gedanke\" sagte auch der Storchvater sofort.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Ich verstehe ihn nicht richtig!\" sagte die Storchmutter, \"und das ist nicht","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"mein Fehler, sondern der des Gedankens, doch das kann mir auch gleichgültig","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"bleiben, ich habe an mehr zu denken!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Darauf hatte sich zwischen den Gelehrten eine lange und tiefsinnige Diskussion","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"über die Liebe entsponnen, welche Unterschiede es darin gab, Liebe, die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Verliebte fühlen, Liebe zwischen Eltern und Kindern, zwischen Licht und Pflanzen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"– es war so weitläufig und gelehrt auseinandergesetzt, daß es dem Storchvater","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"unmöglich wurde, weiter zu folgen, geschweige denn, es zu wiederholen. Er wurde","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ganz gedankenvoll, schloß die Augen halb zu und stand noch einen ganzen Tag","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"danach auf einem Bein, er hatte zu schwer an seiner Gelehrsamkeit zu balzen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Doch eins verstand der Storchvater, denn er hatte die geringen wie die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"vornehmsten Leute aus Herzensgrund seufzen hören, daß es ein großes Unglück","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"für viele Tausende und gleichzeitig für das Land sei, daß dieser Mann krank","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"darnieder läge und nicht wieder genesen könne: Wohltat und Segen würde es","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"bedeuten, wenn er seine Gesundheit zurückerhielte. \"Aber wo wächst die Blume,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"die ihm die Gesundheit wiedergeben kann?\" Danach hatten alle gefragt, in","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gelehrten Schriften, blinkenden Sternbildern, in Wetter und Wind hatten sie es","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zu erforschen gesucht, alle Umwege waren sie gegangen, um es herauszufinden, und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zuletzt hatten die Gelehrten und Weisen, wie gesagt, dies eine herausbekommen:","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Die Liebe gebiert Leben, Leben für den Vater,\" und damit hatten sie mehr","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gesagt, als sie selbst verstanden. Sie wiederholten und schrieben es als Rezept","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"auf: \"Liebe gebiert Leben.\" Aber wie dies Ding zubereitet werden müsse, ja,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"da hatte die Sache ihren Haken. Zuletzt wurden sie darüber einig, daß die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Hülfe von der Prinzessin kommen müsse, von ihr, die mit ganzer Seele und von","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ganzem Herzen ihren Vater liebte. Man fand endlich auch heraus, wie es zustande","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gebracht werden müsse, aber darüber waren Jahr und Tag vergangen. Sie solle in","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der Nacht nachdem der Neumond zum ersten Male untergegangen wäre, sich hinaus","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zu der Marmorsphinx in der Wüste begeben, den Sand von einer Tür am Fußende","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"fortscharren, und dort durch den langen Gang gehen, der ins Innere einer der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"großen Pyramiden führt, wo ein mächtiger König aus alter Zeit, von Pracht und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Herrlichkeit umgeben, in seiner Mumienhülle läge. Hier sollte sie ihr Haupt zu","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"dem Toten hinabbeugen, dann würde ihr offenbart werden, wie Leben und Rettung","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"für ihren Vater zu gewinnen wären.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Alles dies hatte sie ausgeführt und im Traume erfahren, daß sie aus dem tiefen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Moor droben im dänischen Lande, die Stelle war ganz genau bezeichnet, die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Lotosblume heimbringen müsse, die in der Tiefe des Wassers ihre Brust berühre.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Dann könne er gerettet werden.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Und deshalb flog sie im Schwanenkleid vom Lande Ägypten zum Wildmoor hinauf.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Seht, alles dies wußten Storchvater und Storchmutter und wir wissen es nun","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"genauer, als wir es vorher wußten. Wir wissen, daß der Moorkönig sie zu sich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"herabzog, wissen, daß sie für die Ihren daheim tot und verschollen war; nur der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Weiseste und die Storchmutter sagten noch immer: \"Sie wird sich schon retten!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Und darauf wollte man warten, denn etwas Besseres wußte man nicht.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Ich glaube, ich mause den beiden bösen Prinzessinnen die Schwanenkleider\" sagte","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der Storchvater. \"Dann können sie doch nicht zum Wildmoor und noch mehr Übel","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"anrichten; die Schwanenkleider selbst verstecke ich dort oben, bis man einmal","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Verwendung für sie findet.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Wo oben willst Du sie denn verstecken?\" fragte die Storchmutter.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"In unserem Nest beim Wildmoor\" sagte er. \"Ich und unsere jüngsten Kinder","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"könnten uns gegenseitig helfen, sie mitzunehmen. Und werden sie uns zu","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"beschwerlich, so gibt es genug Orte unterwegs, wo sie bis zum nächsten Zuge","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"versteckt bleiben können. Ein Schwanenkleid wäre wohl genug für sie, aber zwei","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sind besser; es ist immer gut, auf Reisen in den nordischen Ländern gut versehen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zu sein.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Du wirst keinen Dank ernten!\" sagte die Storchmutter. \"Aber Du bist ja der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Herr. Außer der Brutzeit habe ich ja nichts zu sagen.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"In der Wikingerburg am Wildmoor, wohin die Störche im Frühjahr zogen, hatte","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"man dem kleinen Mädchen inzwischen einen Namen gegeben; Helga war sie genannt","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"worden, doch der Name war allzu zart für einen Sinn, wie er dieses schöne","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Mädchen hier erfüllte. Monat für Monat wuchs sie kräftiger heran. Nach einigen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Jahren, während die Störche stets die gleiche Reise im Herbst nach dem Nil","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"im Frühjahr nach dem Wildmoor machten, wurde aus dem kleinen Kinde ein großes","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Mädchen, und ehe man sich dessen versah, war es zu der schönsten Jungfrau von","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sechzehn Jahren erblüht. Doch in der schönen Schale steckte ein harter, bitterer","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Kern; sie war weit wilderen Sinnes als die anderen Menschen dieser harten,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"finsteren Zeit.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Es war ihr eine Lust, ihre weißen Hände in das dampfende Blut der zum Opfer","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"geschlachteten Pferde zu tauchen; sie zerbiß in ihrer Wildheit den Hals","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"des schwarzen Hahns, den der Opferpriester schlachten sollte, und zu ihrem","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Pflegevater sagte sie in vollem Ernste:","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Käme Dein Feind, schlänge ein Seil um die Balken unseres Daches und höbe es von","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der Kammer, in der Du schliefest, ich würde Dich nicht wecken, ob ich es auch","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"könnte. Ich würde es nicht hören, so saust mir noch immer das Blut im Ohr, auf","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"das Du mir vor Jahren eine Ohrfeige gabst, Du! Ich vergesse nicht.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Aber der Wiking achtete ihrer Worte nicht, er war, ebenso wie alle anderen,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"von ihrer Schönheit betört, wußte auch nichts davon, wie Klein-Helga Gestalt","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und Sinn bei Tag und Nacht wechselte. Ohne Sattel saß sie wie festgewachsen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"auf dem Pferde, das in wildem Lauf daherjagte, sprang auch nicht ab, wenn es","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sich mit den anderen bösartigen Pferden herumbiß. Oft warf sie sich mit allen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Kleidern vom Abhange herab in des Fjorde starken Strom und schwamm dem Wiking","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"entgegen, wenn sein Boot dem Lande zusteuerte. Von ihrem herrlichen langen Haar","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"schnitt sie die längste Locke ab und flocht daraus eine Sehne für ihren Bogen:","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Selbstgetan, wohlgetan!\" sagte sie.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Die Wikingerfrau hatte wohl für die damalige Zeit und Gewohnheit einen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"festen Willen und ein starkes Gemüt, aber gegen die Tochter gesehen, war sie","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ein sanftes, ängstliches Weib: sie wußte ja auch, daß ein Zauber über dem","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"entsetzlichen Kinde ruhte.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Nur allzu oft kam es Helga in den Sinn, sich voll böser Gelüste, gerade wenn","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"die Mutter auf dem Söller stand oder in den Hof hinaustrat, auf den Brunnenrand","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zu setzen, mit Armen und Beinen um sich zu schlagen und sich darauf in das","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"enge, dunkle Brunnenloch fallen zu lassen, wo sie nach Froschart untertauchte","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und wie der an die Oberfläche kam, um dann katzengleich wieder emporzugklettern","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wassertriefend durch den Festsaal zu laufen, so daß die grünen Blätter, mit","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"denen der Fußboden bestreut war, in dem rinnenden Wasser schwammen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Doch ein Band gab es, das Klein-Helga hielt, das war die Abenddämmerung. Da","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wurde sie still und gleichsam nachdenklich, ließ sich gebieten und leiten. Es","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"war, als ob ein inneres Gefühl sie zur Mutter zöge, und wenn die Sonne sank","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und die innere und äußere Verwandlung vor sich ging, saß sie still und traurig,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zur Froschgestalt zusammengeschrumpft da. Der Körper war nun weit größer als","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der dieses Tiers, aber gerade dadurch noch abschreckender. Sie sah wie ein","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"abscheulicher Zwerg aus mit einem Froschkopf und Schwimmhäuten zwischen den","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Fingern. Es lag etwas so Betrübtes in den Augen, mit denen sie umherblickte;","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"eine Stimme hatte sie nicht, nur ein hohles Quaken gab sie mitunter von sich,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ganz wie ein Kind, das im Schlafe schluchzt. Da konnte die Wikingerfrau sie wohl","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"auf ihren Schoß nehmen, die häßliche Gestalt vergessen und nur die traurigen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Augen sehen; mehr als einmal sagte sie dann: \"Fast möchte ich wünschen, daß Du","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"immer mein stummes Froschkind wärest; für mich bist Du häßlicher anzusehen, wenn","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Du nach außenhin schön bist.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Und sie schrieb Runen gegen Zauber und Krankheit und warf sie über das schlimme","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Geschöpf, aber die Besserung trat nicht ein.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Man sollte nicht glauben, daß sie so klein gewesen ist und in einer Seerose","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hat liegen können!\" sagte der Storchvater. \"Nun ist sie ein ganzer Mensch","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und ihrer ägyptischen Mutter leibhaftiges Ebenbild. Nie haben wir die Mutter","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"seitdem gesehen! Sie konnte sich nicht retten, wie Du und der Gelehrteste da","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"drüben glaubtet. Ich bin nun Jahr aus Jahr ein kreuz und quer über das Wildmoor","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hingeflogen, aber sie gab nie ein Lebenszeichen von sich. Ja, ich kann es Dir ja","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gestehen, ich bin in den Jahren, wo ich hier einige Tage vor Dir ankam, um das","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Nest auszubessern und ein und das andere in Stand zu setzen, jedesmal eine ganze","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Nacht lang wie eine Eule oder Fledermaus unaufhörlich über das offene Wasser","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hingeflogen, aber ohne jeden Gewinn. Die Schwanenkleider, die ich und die Jungen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"vom Nil hier herauf geschleppt haben – beschwerlich genug war es, in drei Reisen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"haben wir es einteilen müssen – liegen auch noch unbenützt da. Schon so lange","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Jahre haben sie nun auf dem Boden des Nestes herumgelegen, und geschieht hier","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"einmal ein Feuerunglück, und das Blockhaus brennt ab, so sind sie doch weg.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Und unser gutes Nest ist weg!\" sagte die Storchmutter, \"daran denkst Du weniger","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"als an das Federzeug und die Moorprinzessin! Du kannst ja zu ihr hinabtauchen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und gleich unten im Sumpfe bleiben! Du bist gegenüber Deiner eigenen Familie","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ein schlechter Vater, das habe ich gesagt, seit ich das erste Mal auf Eiern","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"lag. Wenn nur nicht wir oder unsere Jungen von der tollen Wikingerdirne einmal","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"einen Pfeil in die Flügel gejagt bekommen! Sie weiß ja nicht, was sie tut! Wir","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sind doch länger hier zuhause als sie, das sollte sie bedenken; wir vergessen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"nie unsere Pflichten, wir geben jedes Jahr unsere Abgaben: eine Feder, ein Ei","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und ein Junges, wie es billig ist. Glaubst Du, wenn sie draußen ist, daß ich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hinuntergehen mag wie in alten Tagen, und wie ich es in Ägypten tat, wo ich mit","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"den Leuten halb kameradschaftlich umgehe, und, ohne mir doch etwas zu vergeben,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"in Schüsseln und Töpfe hineingucke? Nein, ich bleibe hier oben sitzen und ärgere","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"mich über sie – so ein Balg! Und über Dich ärgere ich mich auch! Du hättest sie","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"in der Wasserrose liegen lassen sollen, dann wäre sie fort gewesen!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Du bist viel achtenswerter als Deine Rede\" sagte der Storchvater – \"ich kenne","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Dich besser, als Du Dich selbst kennst!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Und dann machte er einen Sprung, zwei schwere Flügelschläge, streckte die Beine","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"nach hinten und flog, oder besser, segelte davon, ohne die Schwingen zu bewegen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Als er ein gutes Stück fort war, machte er noch einen kräftigen Schlag, die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Sonne schimmerte auf den weißen Federn, Hals und Kopf streckten sich voran.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Kraft und Schwung kamen beim Fluge zum Ausdruck.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Er ist noch immer der Herrlichste von allem\" sagte Storchmutter, \"aber ich sage","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"es ihm nicht.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Schon zeitig während der Herbsternte kam der Wiking mit Beute und Gefangenen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"heim. Unter diesen war ein junger christlicher Priester, einer der Männer, die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"die alten nordischen Götter verfolgten. Oft in letzter Zeit war in der Halle","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und dem Frauengemach über den neuen Glauben gesprochen worden, der sich weit in","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"allen südlichen Ländern verbreitet hatte, ja sogar durch den heiligen Ansgarius","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"schon bis in den Norden vorgedrungen war. Selbst die kleine Helga hatte von","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"dem Glauben an den weißen Christus gehört, der aus Liebe zu den Menschen sich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"selbst geopfert hatte, um sie zu erlösen; das war ihr, wie man zu sagen pflegt,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus gegangen. Für das Wort","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Liebe schien sie nur Empfindung zu haben, wenn sie in elender Froschgestalt","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zusammengeschrumpft in der verschlossenen Kammer saß. Aber die Wikingerfrau","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hatte aufmerksam gelauscht und sich seltsam ergriffen bei den Geschichten und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Sagen, die über den Sohn des einzigen wahren Gottes umliefen, gefühlt.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Die vom Zuge heimgekehrten Männer hatten von den prächtigen Tempeln aus köstlich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"behauenen Steinen erzählt, die für ihn errichtet worden waren, dessen Gebot","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"die Liebe war. Ein paar schwere, goldene Gefäße, kunstvoll geformt und ganz","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und gar ans reinem Golde, denen würzige Gerüche entströmten, waren unter der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"heimgebrachten Beute. Es waren Räucherfässer, die die christlichen Priester vor","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"dem Altar schwangen, auf dem niemals Blut floß sondern Wein, und dieser und das","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"geweihte Brot verwandelten sich in seinen Leib und sein Blut, die hingegeben","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"waren für noch ungeborene Geschlechter.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"In des Blockhauses tiefem steinernen Keller war der junge Gefangene, der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"christliche Priester, untergebracht und mit Bastschnuren an Händen und Füßen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gefesselt worden. \"Herrlich wie Baldur anzusehen\" war er, wie die Wikingerfrau","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sagte, und sie wurde von seiner Not gerührt; aber Jung-Helga verlangte, daß","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"man eine Schnur durch seine Kniesehnen zöge und ihn an den Schwänzen der wilden","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Stiere festbände.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Dann würde ich die Hunde loslassen! Hui, davon über Sumpf und Moor nach der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Heide! Das wäre ein lustiger Anblick, aber noch lustiger, ihm bei dieser Fahrt","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"folgen zu können!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Doch der Wiking wollte nicht, daß er diesen Tod erleide, doch sollte er als","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Verleugner und Verfolger der hohen Götter morgigen Tages auf dem Blutsteine im","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Hain geopfert werden. Es war das erste Mal, daß hier ein Mensch geopfert wurde.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Jung-Helga bat, ob sie die Götterbilder und das Volk mit seinem Blute besprengen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"dürfe; sie wetzte ihr blankes Messer, und da gerade einer der großen bissigen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Hunde, deren es genug auf dem Hofe gab, an ihr vorbei lief, stach sie ihm das","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Messer in die Seite: \"Das geschieht, um seine Schärfe zu erproben\" sagte sie,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und die Wikingerfrau sah betrübt auf das wilde, bösartige Mädchen. Und als die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Nacht kam und die Tochter sich an Leib und Seele verwandelte, sprach sie zu ihr","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"mit des Kummers warmen Worten, die tief aus ihrer Seele drangen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Die häßliche Kröte mit dem verzauberten Leib stand vor ihr und heftete die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"braunen, traurigen Augen auf sie, hörte zu und schien mit menschlicher Vernunft","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zu verstehen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Niemals, selbst nicht zu meinem Gemahl, ist mir über die Zunge gekommen, um","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"dessen willen ich zwiefach durch Dich leide!\" sagte die Wikingerfrau. \"Es ist","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"mehr Kummer über Dich in meinem Herzen, als ich selbst je geglaubt hätte. Groß","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ist die Liebe einer Mutter, doch in Deiner Seele wohnt keine Liebe. Dein Herz","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ist ein kalter Schlammklumpen! Woher kommst Du doch in mein Haus!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Da erzitterte das häßliche Geschöpf ganz seltsam, es war, als berührten diese","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Worte ein unsichtbares Band zwischen Körper und Seele, und es erschienen große","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Tränen in seinen Augen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Deine harte Zeit wird noch einmal kommen!\" sagte die Wikingerfrau. \"Furchtbar","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wird sie werden, auch für mich! Besser wärest Du als Kind auf der Landstraße","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ausgesetzt worden, und die Nachtkälte hätte Dich in den Tod gelullt!\" Und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"die Wikingerfrau vergoß bittere Tränen und ging zornig und betrübt hinter den","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Fellvorhang, der von einem Balken lose herabhing und die Stube teilte.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Einsam saß die zusammengeschrumpfte Kröte im Winkel. Lautlose Stille war in","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der Stube, aber nach kurzer Zeit entrang sich ihr ein halberstickter Seufzer;","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"es war, als ob unter Schmerzen neues Leben in ihrem Herzen geboren werde. Sie","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"tat einen Schritt vorwärts, lauschte, tat wieder einen Schritt und ergriff nun","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"mit unbehülflichen Händen die schwere Stange, die vor die Tür geschoben war.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Leise schob sie sie zur Seite, still nahm sie das Holzstück fort, das unter","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der Klinke steckte und ergriff die brennende Lampe, die in der Vorkammer stand.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Es war, als gäbe ihr ein starker Wille ungeahnte Kräfte. Sie zog den eisernen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Bolzen aus der vergitterten Tür und schlich sich zu dem Gefangenen hinab. Er","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"schlief. Sie berührte ihn mit ihrer kalten, klammen Hand, und er erwachte. Als","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"er die häßliche Gestalt erblickte, schauderte er wie vor einer bösen Erscheinung","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zurück. Sie zog ihr Messer, durchschnitt seine Fesseln und winkte ihm, ihr zu","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"folgen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Er rief heilige Namen, schlug das Kreuzeszeichen, und als die Gestalt","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"unverändert vor ihm stand, sagte er: \"Selig ist, wer gegen die Geringen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"verständig handelt, der Herr wird ihn erretten am Tage der Trübsal. – Wer bist","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Du? Woher dies Äußere eines Tieres und doch von barmherzigem Tun?\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Die Krötengestalt winkte, führte ihn hinter schützenden Decken durch einen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"einsamen Gang zum Stalle hinaus und zeigte auf ein Pferd; er schwang sich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hinauf, doch auch sie hüpfte vor ihm aufs Pferd und hielt sich an seiner Mähne","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"fest. Der Gefangene verstand sie, in hurtigem Trab ritten sie einen Weg entlang,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"den er nie allein gefunden haben würde, und kamen in die offene Heide hinaus.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Er vergaß ihre häßliche Gestalt und fühlte nur die durch dies Ungetüm bewiesene","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Gnade des Herrn. Fromme Gebete sprach er und stimmte heilige Lieder an. Da","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zitterte sie; war es des Gebetes und des Gesanges Macht, die auf sie einwirkten,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"oder waren es die Kälteschauer des beginnenden Morgens? Was mochte sie wohl","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"empfinden. Sie hob sich hoch empor, wollte das Pferd anhalten und abspringen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Doch der christliche Priester hielt sie mit aller Kraft fest, sang laut einen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Psalm, als könne er den Zauber lösen, der sie in die häßliche Froschgestalt","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gebannt hielt, und das Pferd jagte wilder davon. Der Himmel wurde rot, der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"erste Sonnenstrahl drang durch die Wolken, und durch den klaren Lichtstrahl","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"geschah die Verwandlung, sie wurde wieder die junge Schönheit mit dem dämonisch","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"bösen Sinn; er hielt das schönste junge Weib in seinen Armen. Darüber entsetzte","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"er sich, sprang vom Pferde und hielt es an, indem er glaubte, einem neuen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"vernichtenden Blendwerk zum Opfer zu fallen. Aber Jung-Helga war ebenfalls mit","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"einem Sprunge auf dem Erdboden. Das kurze Kinderröckchen reichte ihr kaum bis","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ans Knie. Sie riß das scharfe Messer aus ihrem Gürtel und stürzte sich auf den","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Überraschten.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Wenn ich Dich fasse\" rief sie, \"wenn ich Dich fasse, renne ich Dir das Messer","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"in den Leib, Du bist ja bleich wie Stroh, Bartloser Sklave.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Sie drang auf ihn ein; sie kämpften einen schweren Kampf, aber es war, als ob","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"eine unsichtbare Kraft dem christlichen Manne Stärke gäbe. Er hielt sie fest,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und der alte Eichbaum neben ihm kam ihm zu Hülfe und band gleichsam mit seinen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"halb aus dem Erdreich gelösten Wurzeln ihre Füße, die sich darin verwickelt","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hatten. Dicht dabei sprudelte eine Quelle. Er sprengte ihr das frische Wasser","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"über Brust und Antlitz, gebot dem unreinen Geiste, von ihr zu weichen und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"segnete sie nach christlichem Brauche, aber das Wasser der Taufe hat keine","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Kraft, wo nicht des Glaubens Quelle auch von innen her strömt.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Und doch blieb er auch hier der Überlegene; ja mehr als Mannesstärke gegen die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"feindliche böse Macht lag in seiner Tat, die das Mädchen gleichsam benahm. Sie","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ließ die Arme sinken, sah mit verwunderten Augen und erbleichenden Wangen auf","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"diesen Mann, der ihr wie ein mächtiger Zauberer erschien, stark an Mächten und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"geheimer Kunst. Finstere Runen warf er über sie, schwarze Zeichen waren es, die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"er in die Luft schrieb! Nicht vor der blinkenden Axt oder dem scharfen Messer,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hätte er es vor ihren Augen gezückt, würde sie mit der Wimper gezuckt haben,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"aber sie tat es, als er des Kreuzes Zeichen auf ihre Brust und Stirne schrieb.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Wie ein zahmer Vogel saß sie, das Haupt auf die Brust gebeugt.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Sanft sprach er nun zu ihr von dem Liebeswerke, das sie gegen ihn in dieser","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Nacht geübt, als sie in der garstigen Krötenhaut zu ihm hinabgekommen war, seine","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Banden gelöst und ihn dem Licht und Leben wiedergegeben hatte. Sie wäre auch","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gebunden, mit stärkeren Banden gebunden, als er es gewesen, doch auch sie solle,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und zwar durch ihn, dem Licht und Leben wieder zugeführt werden. Zu dem heiligen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Ansgarius wolle er sie bringen, dort, in seiner christlichen Stadt, würde der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Zauber von ihr genommen werden. Doch nicht vor sich auf dem Pferde, ob sie auch","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gutwillig folgen würde, wagte er sie dorthin zu führen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Hinter mir mußt Du auf dem Pferde sitzen, nicht vor mir. Deiner zauberischen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Schönheit eignet die Macht, die das Böse ausstrahlt; ich fürchte sie – und doch","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"werde ich darüber siegen in Christo.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Er beugte seine Knie und betete fromm und innig, da war es, als würde die stille","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Waldnatur zu einer heiligen Kirche geweiht. Die Vögel begannen zu singen, als","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gehörten sie mit zu der neuen Gemeinde, die wilden Krauseminzen dufteten, als","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wollten sie Ambra und Räucherwerk ersetzen, und laut verkündete er die Worte der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Schrift: \"Das Licht von oben hat uns heimgesuchet, um zu leuchten denen, die in","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der Finsternis wandeln, und ihre Füße zu leiten auf dem Wege des Friedens.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Und er sprach von der Sehnsucht der Geschöpfe, und während er sprach, stand das","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Pferd, das sie in wildem Lauf getragen hatte, still und scharrte zwischen den","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"langen Brombeerranken, so daß die reifen, saftigen Beeren in Klein-Helgas Schoß","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"fielen, sich selbst zur Erquickung anbietend.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Geduldig ließ sie sich auf den Rücken des Pferdes heben und saß dort wie eine","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Schlafwandlerin, die nicht wacht, aber auch nicht wandelt. Der christliche","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Mann band zwei Zweige mit Bastfäden so zusammen, daß sie ein Kreuz bildeten,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"das hielt er hoch in der Hand, während sie durch den Wald ritten. Der wurde","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"dichter und dichter, der Weg schmaler, die Schlehenbüsche standen vor ihnen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wie Schlagbäume, so daß sie um sie herum reiten mußten. Die Quelle wurde nicht","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zum rinnenden Bache, sondern zu einem stehenden Sumpf, auch um ihn mußte man","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"herumreiten. Aber Stärke und Erquickung lagen in der frischen Waldluft, und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"eine nicht geringere Kraft war in den Worten der Milde, die voller Glauben","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und christlicher Liebe erklangen, von dem innigen Wunsche beseelt, die schon","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Überwundene zu Licht und himmlischem Leben emporzufahren.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Der Tropfen, heißt es ja, höhlt den harten Stein. Die Meereswogen schleifen mit","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der Zeit die kantigen Felsblöcke rund, der Tau der Gnade, der zum ersten Male","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"auf Klein-Helga niederrann, höhlte das Harte, rundete das Scharfe; wohl war","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"es noch nicht zu erkennen, sie selbst wußte es nicht; was weiß der Keim in der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Erde bei der erquickenden Feuchtigkeit und dem warmen Sonnenstrahl davon, daß er","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Pflanze und Blüte in sich trägt.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Wie der Gesang der Mutter unmerklich in der Seele des Kindes haftet, und es die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"einzelnen Worte nachlallt, ohne sie zu verstehen, bis sich diese später in den","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Gedanken sammeln und sichten, so wirkte auch hier das schöpferische Wort der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Allmacht.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Sie ritten aus dem Walde hinaus, hin über die Heide, wieder durch pfadlose","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Wälder; da trafen sie gegen Abend auf Räuber.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Wo hast Du das schöne Püppchen gestohlen?\" riefen sie, hielten das Pferd an","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und rissen die beiden Reiter herunter, denn sie waren in großer Überzahl. Der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Priester hatte keine andere Waffe als das Messer, das er Klein-Helga entwunden","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hatte, damit stieß er um sich. Einer der Räuber schwang seine Axt, doch der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"junge Christ sprang glücklich zur Seite, sonst wäre er erschlagen worden;","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"nun fuhr die Schneide der Axt tief in den Hals des Pferdes, daß das Blut","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"herausströmte und das Tier zu Boden stürzte. Da fuhr Klein-Helga, wie aus tiefen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Gedanken geweckt, empor und warf sich über das stöhnende Tier. Der christliche","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Priester stellte sich als Schutz und Schirm vor sie, aber einer der Räuber","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"schwang seinen schweren Eisenhammer gegen seine Stirn, so daß sie zerschmettert","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wurde und Blut und Hirn rings umher spritzten. Tot fiel er zur Erde nieder.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Die Räuber ergriffen Klein-Helga an ihrem weißen Arm; da, im gleichen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Augenblick, ging die Sonne unter, und als der letzte Sonnenstrahl erlosch,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"verwandelte sie sich in eine häßliche Kröte. Das weißlich-grüne Maul klaffte","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"über das halbe Gesicht, die Arme wurden dünn und schleimig, eine breite Hand","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"mit Schwimmhäuten öffnete sich fächerförmig; – da ließen sie die Räuber entsetzt","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"fahren. Sie stand als häßliches Untier mitten unter ihnen, und nach Froschart","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hüpfte sie empor, höher als sie selbst war, und verschwand im Dickicht. Da","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"merkten die Räuber, daß sie es mit Lokes böser List oder geheimen Zauberkünsten","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zu tun hatten, und voller Entsetzen eilten sie davon.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Der Vollmond war schon aufgegangen und spendete Glanz und Licht, da kroch aus","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"dem Gebüsch, in des Frosches häßlicher Haut, Klein-Helga hervor. Sie blieb bei","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"dem Leichnam des christlichen Priesters und ihrem getöteten Renner stehen und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sah sie mit Augen an, die zu weinen schienen. Der Froschkopf gab einen Laut von","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sich, der wie das Quäken eines Kindes, das in Weinen ausbricht, klang. Bald warf","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sie sich über den einen, bald über das andere, schöpfte Wasser mit ihren Händen,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"die durch die Schwimmhäute größer und hohler wurden, und goß es über sie aus.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Aber tot waren sie und tot sollten sie bleiben. Das begriff sie. Bald konnten","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wilde Tiere kommen und ihre Leiber fressen; nein, das durfte nicht geschehen!","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Deshalb grub sie die Erde auf, so tief sie es vermochte. Ein Grab wollte sie für","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sie bereiten, doch sie hatte zum Graben nur einen harten Zweig und ihre beiden","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Hände. Aber an ihnen spannten sich zwischen den Fingern die Schwimmhäute. Sie","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"rissen und das Blut floß. Sie sah, daß ihr die Arbeit nicht gelingen werde. Da","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"nahm sie Wasser und wusch damit des Toten Antlitz, bedeckte es mit frischen,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"grünen Blättern, trug große Zweige zusammen und legte sie über ihn, dann","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"schüttete sie Laub dazwischen, nahm die schwersten Steine, die sie aufheben","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"konnte, legte sie über die toten Körper und verstopfte die Öffnungen mit Moos.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Nun glaubte sie, daß der Grabhügel stark und sicher genug sei; aber während der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"schweren Arbeit war die Nacht vergangen, die Sonne brach hervor – und Klein-","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Helga stand da in all ihrer Schönheit, mit blutenden Händen und zum ersten Male","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"mit Tränen auf den errötenden jungfräulichen Wangen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Da war es ihr während der Verwandlung, als bekämpften sich in ihr zwei Naturen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Sie zitterte, schaute sich um, als erwache sie aus einem beängstigenden Traum,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"schoß dann auf eine schlanke Buche zu, hielt sich fest daran gepreßt, um doch","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"eine Stütze zu haben, und dann kletterte sie schnell, in einem Nu, wie eine","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Katze in die Spitze des Baumes hinauf und klammerte sich dort fest. Da saß","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sie nun wie ein verängstigtes Eichhörnchen, saß den ganzen Tag in der tiefen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Waldeinsamkeit, wo alles stille und tot war. Tot? Nein, da flogen ja ein paar","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Schmetterlinge umeinander im Spiel oder Streit. Dicht dabei waren auch ein paar","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Ameisenhaufen, jeder beherbergte mehrere Hundert emsiger Geschöpfchen, die hin","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und her wimmelten. In der Luft tanzten unzählige Mücken, Schwarm an Schwarm.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Scharen von summenden Fliegen, Libellen und andere geflügelte Tierchen jagten","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"vorbei, der Regenwurm kroch aus dem feuchten Boden hervor, Maulwürfe stießen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"herauf – sonst war es still und tot ringsum, tot, wie man sagt und es versteht.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Niemand außer den Hähern beachtete Klein-Helga, sie flogen schreiend um die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Spitze des Baumes, auf dem sie saß. In dreister Neugierde hüpften sie auf den","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Zweigen näher zu ihr heran. Ein Blick ihrer Augen Jagte sie wieder fort – aber","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"klüger wurden sie deshalb doch nicht aus ihr, und sie auch nicht klüger aus sich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"selbst.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Als der Abend sich näherte und die Sonne zu sinken begann, rief die Verwandlung","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sie zu neuer Bewegung. Sie ließ sich am Stamme hinabgleiten, und während","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der letzte Sonnenstrahl erlosch, stand sie wieder da in eines Frosches","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zusammengeschrumpfter Gestalt mit den zerrissenen Schwimmhäuten an den Händen,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"doch die Augen erstratalten nun in einem Schönheitsglanze, wie er kaum früher","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der schönen Gestalt eigen war. Es waren die sanftesten frommen Mädchenaugen,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"die hinter der Froschlarve hervorleuchteten, sie zeugten von einer tiefen Seele,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"einem menschlichen Herzen. Und die schönen Augen weinten viele Tränen, weinten","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"schwere Tränen eines erleichterten Herzens.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Noch immer lag bei dem Grabbügel das aus Zweigen zusammengebundene Kreuz, die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"letzte Arbeit dessen, der nun tot, dahingegangen war. – Klein-Helga nahm es auf","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und pflanzte es, der Gedanke kam ihr ganz ohne ihr Zutun, zwischen die Steine","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"über ihm und dem erschlagenen Pferde. In wehmütiger Erinnerung brachen ihre","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Tränen aufs neue hervor, und in dieser Herzensstimmung ritzte sie das gleiche","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Zeichen in die Erde rings um das Grab, wahrlich die schönste Einfassung. Während","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sie mit beiden Händen das Zeichen des Kreuzes machte, fielen die Schwimmhäute","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wie zerrissene Handschuhe ab, und als sie sich im Quellwasser wusch und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"verwundert auf ihre feinen, weißen Hände herabsah, machte sie wieder das Zeichen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"des Kreuzes zwischen sich und den Toten in die Luft. Da erbebten ihre Lippen, da","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"bewegte sich ihre Zunge, und der Name, den sie so oft während des Rittes durch","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"den Wald gesungen und gesprochen vernommen hatte, wurde aus ihrem Munde hörbar.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Sie sagte: \"Jesus Christus.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Da fiel die Krötenhaut, und die junge Schönheit stand da; – doch das Haupt","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"neigte sich müde, die Glieder bedurften der Ruhe – sie schlief.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Aber der Schlaf war nur kurz. Um Mitternacht wurde sie geweckt; vor ihr stand","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"das tote Pferd voll strahlenden Lebens, aus seinen Augen und dem verwundeten","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Halse leuchtete ein Schwacher Schein, und neben ihm zeigte sich der erschlagene","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"christliche Priester. \"Schöner als Baldur\" würde die Wikingerfrau gesagt haben,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und doch kam er wie in feurigen Flammen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Es lag ein Ernst in den großen, milden Augen, ein so gerechtes Urteil, ein so","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"durchdringender Blick, daß es gleichsam bis in den tiefsten Herzenswinkel der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"nun Erprobten drang. Klein-Helga zitterte, und ihre Erinnerung erwachte mit","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"einer Kraft wie am Tage des Jüngsten Gerichts. Alles, was ihr Gutes erwiesen,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"jedes liebevolle Wort, das ihr gesagt worden war, wurde gleichsam lebendig.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Sie erkannte, daß es die Liebe gewesen, die sie hier in den Tagen der Prüfung","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"aufrecht erhalten hatte. Sie sah klar, daß sie nur den Trieben ihrer Stimmungen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gefolgt war, selbst aber nichts dazu getan hatte. Alles war ihr gegeben,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und alles zu ihrem Besten gefügt worden. Sie beugte sich nieder, demütig und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"voller Scham vor dem, der in jeder Falte ihres Herzens lesen konnte, und im","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gleichen Augenblick fühlte sie sich wie von einem Blitzstrahl der Läuterung, dem","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"flammenden Funken des heiligen Geistes durchdrungen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Du Tochter des Sumpfes\" sagte der christliche Priester, \"aus dem Sumpfe,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"aus der Erde bist Du gekommen – aus der Erde sollst Du einst auferstehen! Der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Sonnenstrahl in Dir gebt, seines Körpers bewußt, zu seiner Quelle zurück, der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Strahl, nicht von der Sonne, sondern der Strahl von Gott. Keine Seele soll","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"verloren gehen. Doch lang ist das Zeitliche, die Flucht des Lebens in das Ewige.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"– Ich komme aus dem Lande des Todes; auch Du mußt einmal durch die tiefen Täler","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"in das leuchtende Bergland, wo Gnade und Vollendung wohnen. Ich führe Dich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"nicht zur christlichen Taufe, erst mußt Du den Wasserschild über dem tiefen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Grunde des Moors sprengen, die lebendige Wurzel Deines Lebens und Deiner Wiege","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"heraufziehen, erst die Dir zugedachten Taten verrichten, ehe die Weihe kommen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"darf.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Und er hob sie auf das Pferd und reichte ihr ein goldenes Räuchergefäß wie das,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"was sie zuvor in der Wikingerburg gesehen hatte. Ein Duft, gar süß und kräftig,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"drang daraus hervor. Die offene Wunde auf der Stirn des Erschlagenen leuchtete","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wie ein strahlendes Diadem. Er nahm das Kreuz vom Grabe, hob es hoch empor,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und nun Jagten sie von dannen durch die Lüfte, hin über den rauschenden Wald,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"über die Hügel hin, in denen einst die Hünen, auf ihren toten Pferden sitzend,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"begraben worden waren. Und die mächtigen Gestalten erhoben sich, ritten heraus","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und hielten auf den Spitzen der Hügel. Im Mondschein erstrahlte um ihre Stirnen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der breite Goldring mit dem Goldknoten, ihre Mäntel flatterten im Winde. Der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Lindwurm, der die Schätze bewachte, erhob sein Haupt und blickte ihnen nach. Das","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Zwergenvolk guckte aus Hügeln und Ackerfurchen, überall schimmerten ihre roten,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"blauen und grünen Lichtlein auf, es war ein Gewimmel wie bei den tanzenden","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Fünkchen in der Asche des verbrannten Papiers.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Hin über Wald und Heide, Bäche und Sümpfe flogen sie bis zum Wildmoor hinauf,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"das sie in großen Kreisen umschwebten. Der christliche Priester erhob das Kreuz,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"es leuchtete wie Gold, und von seinen Lippen ertönte der Meßgesang. Klein-Helga","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sang ihn mit, wie das Kind in den Gesang der Mutter einstimmt. Sie schwang das","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Räucherfaß, und ein Altarduft drang daraus hervor, so stark, so wundertätig,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"daß Schilf und Rohr im Sumpfe erblühten. Alle Keime schossen aus dem tiefen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Grunde empor, alles, was Leben hatte, erhob sich, und ein Flor von Wasserrosen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"breitete sich über das Wasser wie ein gewirkter Blumenteppich. Darauf ruhte","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ein schlafende_ Weib, jung und schön, Klein-Helga glaubte sich selbst zu sehen,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ihr Spiegelbild in dem stillen Gewässer. Es war ihre Mutter, die sie sah, des","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Moorkönigs Weib, die Prinzessin von den Wassern den Nils.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Der tote christliche Priester gebot, die Schlafende auf das Pferd zu heben, doch","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"es sank unter der Bürde zusammen, als sei sein Leib nur ein Totenlaken, da' im","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Winde flattert. Aber das Zeichen des Kreuzes machte das Luftphantom stark, und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"alle drei ritten, bis sie festen Boden unter den Füßen fohlten.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Da krähte der Hahn in der Burg des Wiking, und die Geister lösten sich in Nebel","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"auf, die vor dem Winde trieben; aber einander gegenüber standen sich Mutter und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Tochter.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Bin ich es selbst, die ich im tiefen Wasser sehe?\" sagte die Mutter.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Bin ich es selbst, die ich im blanken Schilde schaue?\" rief die Tochter aus,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und sie näherten sich einander, Brust an Brust, Arm in Arm. Am stärksten schlug","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"das Herz der Mutter, und sie verstand es.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Mein Kind! Meines eigenen Herzens Blüte! Mein Lotus aus den tiefen Gewässern.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Und sie umarmte ihr Kind und weinte; diese Tränen waren Klein- Helgas Taufe","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"durch die Liebe.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Im Schwanenkleid kam ich hierher und warf es ab\" sagte die Mutter. \"Ich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"versank durch den schwankenden Moorboden tief hinein in den schlammigen Sumpf,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der sich wie eine Mauer um mich schloß. Doch bald fühlte ich eine frischere","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Strömung; eine Kraft zog mich tiefer und immer tiefer hinab, ich fühlte die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Hand des Schlafes auf meinen Lidern, ich schlief ein, ich träumte – mir war","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"es, als läge ich wieder in Ägypten in der Pyramide, aber vor mir stand noch","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"immer der schwankende Erlenstamm, der mich schon auf der Oberfläche des Moore","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"erschreckt hatte. Ich betrachtete die Risse in der Borke, sie leuchteten","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"farbig und verwandelten sich in Hieroglyphen; es war die Mumienhülle, die ich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"betrachtete. Da barst sie, und daraus hervor trat der tausendjährige Herrscher","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"in Mumiengestalt, schwarz wie Pech und glänzend wie die Waldschnecke oder der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"fette schwarze Morast; war es der Moorkönig oder die Mumie der Pyramide, ich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wußte es nicht. Er schlang seine Arme um mich, und mir war es, als müsse ich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sterben. Daß ich lebte, spürte ich erst wieder, als ich etwas Warmes an meiner","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Brust fühlte; dort saß ein kleiner Vogel, schlug mit den Flügeln und zwitscherte","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und sang. Vor meiner Brust flog er aufwärts zu der dunklen, schweren Decke,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"doch ein langes grünes Band hielt ihn noch bei mir fest. Ich hörte und verstand","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"die Töne seiner Sehnsucht: Freiheit! Sonnenschein. Zum Vater! – Da gedachte ich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"meines Vaters im sonnigen Lande der Heimat, meines Lebens, meiner Liebe. Und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ich löste das Band und ließ ihn fortflattern – zum Vater heim. Seit jener Stunde","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"habe ich nicht mehr geträumt, ich schlief einen Schlaf gar schwer und lang, bis","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"in dieser Stunde Töne und Duft mich aufhoben und erlösten!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Das grüne Band, das des Vogels Schwinge an das Herz der Mutter knüpfte, wo","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"flatterte es jetzt? Wo hatte man es hingeworfen? Nur der Storch hatte es","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gesehen; das Band war der grüne Stengel, und die Schleife die leuchtende Blüte,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"die Wiege des Kindes, das so lieblich herangewachsen war und nun wieder am","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Herzen der Mutter ruhte.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Und während sie dort Arm in Arm standen, flog der Storchvater in großen Kreisen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"um sie herum, schlug dann die Richtung nach seinem Neste ein, holte von dort","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"die jahrelang verwahrten Schwanenkleider und warf eines für jede herab. Die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Schwanenhaut schmiegte sich um sie, und sie erhoben sich von der Erde als zwei","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"weiße Schwäne.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Nun können wir miteinander sprechen!\" sagte der Storchvater, \"jetzt sprechen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wir eine Sprache, mögen auch unsere Schnäbel verschieden zugeschnitten sein!","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Es trifft sich so glücklich wie nur irgend möglich, daß Ihr heute noch kommt,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"denn morgen wären wir fortgewesen, Mutter, ich und die Jungen. Wir fliegen nach","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Süden. Ja, schaut mich nur an, ich bin ja ein alter Freund aus dem Nillande, und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Mutter auch, es steckt ein goldenes Herz hinter ihrem rauhen Schnabel. Sie hat","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"immer geglaubt, daß die Prinzessin sich schon retten würde. Ich und die Jungen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"haben die Schwanenhäute mit heraufgenommen! Nein, wie froh bin ich! Und was für","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ein Glück, daß ich noch hier bin! Wenn der Tag graut, ziehen wir von dannen mit","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der ganzen großen Storchgesellschaft. Wir fliegen voran, fliegt nur hinterher,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"dann könnt Ihr den Weg nicht verfehlen. Ich und die Jungen werden Euch schon im","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Auge behalten!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Und die Lotosblume, die ich mitbringen sollte,\" sagte die ägyptische","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Prinzessin, \"fliegt im Schwanenkleide an meiner Seite! Meines Herzens Blume","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"bringe ich mit, das war die Lösung. Heimwärts, Heimwärts!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Doch Helga sagte, daß sie das dänische Land nicht verlassen könne, ehe sie","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"noch einmal ihre Pflegemutter, die liebreiche Wikingerfrau, gesehen habe. Vor","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Helgas Gedanken erstand jede schöne Erinnerung, jedes liebevolle Wort, jede","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Träne, die ihre Pflegemutter um sie geweint hatte, und fast war es ihr in diesem","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Augenblick, als liebte sie diese Mutter am meisten.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Ja, wir müssen zum Wikingerhofe!\" sagte der Storchvater, \"dort warten ja Mutter","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und die Jungen! Wie sie die Augen aufreißen und die Klapper in Gang bringen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"werden! Mutter sagt ja nicht viel; sie ist kurz und bündig, meint es aber um","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"so besser! Ich will gleich einmal klappern, damit sie hören können, daß wir","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"kommen.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Und dann klapperte der Storchvater mit dem Schnabel, und er und die Schwäne","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"flogen zur Wikingerburg.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Drinnen lagen noch alle in tiefem Schlafe. Erst spät in der Nacht war die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Wikingerfrau zur Ruhe gekommen. Sie litt Angst um Klein-Helga, die nun seit","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"drei vollen Tagen mit dem christlichen Priester verschwunden war. Sie mußte ihm","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"fortgeholfen haben, denn ihr Pferd war es, das im Stalle fehlte. Welche Macht","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"mochte dies alles bewirkt haben? Die Wikingerfrau dachte an die Wundertaten, die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"durch den weißen Christus und seine Anhänger und Jünger geschehen sein sollten.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Die wechselnden Gedanken nahmen im Traume Gestalt an, es war ihr, als ob sie","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"noch wach und nachdenklich auf ihrem Bette säße. Draußen brütete die Finsternis,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der Sturm kam, sie hörte das Rollen des Meeres im Westen und Osten, von der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Nordsee und vom Kattegat her. Die ungeheure Schlange, die in der Meerestiefe","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"die Erde umspannte, erzitterte in Krämpfen und Zuckungen. Die Nacht der Götter,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Ragnarok, wie die Heiden den Jüngsten Tag nannten, da alles vergehen sollte,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"selbst die hohen Götter, nahte. Die Hörner ertönten, und über den Regenbogen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hin ritten die Götter, in Stahl gekleidet, um den letzten Kampf zu kämpfen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Ihnen voran flogen mit breiten Schwingen die Schildjungfrauen, die Reihe","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"schloß mit den Gestalten der toten Hünen. Die ganze Luft leuchtete um sie mit","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Nordlichtglanz, aber die Finsternis behielt den Sieg. Es war eine entsetzliche","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Stunde.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Und dicht neben der geängstigten Wikingerfrau saß Klein-Helga in der häßlichen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Froschgestalt, auch sie zitterte und schmiegte sich an die Pflegemutter, die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sie auf ihren Schoß nahm und sie liebevoll im Arme hielt, wie häßlich ihr","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"auch die Froschhülle erschien. Die Luft hallte wider von Schwerterklirren","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und Keulenschlägen, und von sausenden Pfeilen, die wie Hagelschauer über sie","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hinstürmten. Die Stunde war gekommen, da Himmel und Erde sich auftun, die Sterne","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"herabfallen, und alles im Feuer Suturs vergehen sollte. Doch sie wußte, daß ein","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"neuer Himmel, eine neue Erde kommen und Korn wegen würde, wo jetzt das Meer über","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"den gelben Sandboden hinrollte, daß der unnennbare Gott über die Erde gebieten","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und Baldur, der milde, liebreiche, erlöst aus den Reichen des Todes, zu ihm","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"aufsteigen würde. Er kam, die Wikingerfrau sah ihn, sie erkannte sein Antlitz –","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"es war der christliche Priester.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Weißer Christus\" rief sie laut, und bei Nennung des Namens drückte sie einen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Kuß auf die Stirn ihres häßlichen Froschkindes. Da fiel die Froschhaut, und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Klein-Helga stand da in all ihrer Schönheit, sanft wie nie zuvor und mit","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"strahlenden Augen. Sie küßte die Hände der Pflegemutter, segnete sie für all","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ihre Sorgfalt und Liebe, die sie ihr in den Tagen der Not und Prüfung erwiesen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hatte und dankte ihr für die guten Gedanken, die sie in ihr gesät und erweckt","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hatte. Sie dankte ihr für die Nennung des heiligen Namens, und wiederholte","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ihn: Weißer Christus. Dann erhob sich Klein-Helga als ein mächtiger Schwan,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"die Schwingen breiteten sich groß und herrlich, und mit einem Flügelschlage,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"rauschend, wie wenn die Scharen der Zugvögel fortfliegen, schwebte sie davon.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Dabei erwachte die Wikingerfrau, und draußen war noch immer der starke","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Flügelschlag zu hören. Es war, wie sie wußte, die Zeit, wo die Störche von","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hier fortzogen; sie waren es wohl, die sie hörte. Noch einmal wollte sie sie","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"vor ihrer Abreise sehen und ihnen Lebewohl sagen. Sie stand auf und trat auf","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"die Schwelle hinaus. Da sah sie auf dem Dachfirst des Nebenhauses Storch an","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Storch, und rings um das Gehöft, über den hohen Bäumen, flogen ganze Scharen in","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"großen Schwenkungen. Aber gerade vor ihr auf dem Brunnenrande, wo Klein-Helga","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"so oft gesessen und sie mit ihrer Wildheit erschreckt hatte, saßen nun zwei","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Schwäne und blickten sie mit klugen Augen an. Da dachte sie an ihren Traum, der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sie noch lebendig wie Wirklichkeit erfüllte, und sie dachte an Klein-Helga in","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der Schwanengestalt und an den christlichen Priester, und es war ihr plötzlich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wunderlich froh ums Herz.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Die Schwäne schlugen mit den Schwingen, neigten ihre Hälse, als wollten sie ihr","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ihren Gruß darbieten; die Wikingerfrau breitete die Arme nach ihnen aus, als ob","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sie sie verstände, und lächelte unter Tränen und vielerlei Gedanken.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Da erhoben sich mit Flügelschlag und Klappern alle Störche zur Reise nach dem","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Süden.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Wir warten nicht auf die Schwäne\" sagte die Storchmutter, \"wollen sie mit, dann","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"müssen sie kommen. Wir können nicht hierbleiben, bis die Brachvögel reisen. Es","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ist doch etwas Schönes, so in Familie zu reisen, und nicht wie die Buchfinken","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und die Streithähne, wo die Hähne für sich fliegen und die Hennen für sich.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Im Grunde genommen finde ich das nicht anständig! Und was ist das für ein","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Flügelschlag, den die Schwäne an sich haben.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Jeder fliegt nach seiner Art\" sagte der Storchvater, \"die Schwäne fliegen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"schräg, die Kraniche im Dreieck und die Brackvögel in Schlangenlinie.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Sprich nicht von Schlangen, solange wir hier oben fliegen!\" sagte die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Storchmutter, \"das macht den Jungen nur Gelüste, die sich nicht befriedigen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"lassen.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Sind das die hohen Berge dort unten, von denen ich hörte?\" fragte Helga im","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Schwanenkleid.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Das sind Gewitterwolken, die unter uns ziehen!\" sagte die Mutter.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Was sind das für weiße Wolken, die sich so hoch erheben?\" fragte Helga.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Was Du dort siehst, sind die mit ewigem Schnee bedeckten Berge!\" sagte die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Mutter. Und sie flogen über die Alpen zu dem tiefblauen Mittelmeer hinab.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Afrika! Ägyptens Strand\" jubelte die Tochter des Nils im Schwanengewand, als","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sie hoch aus der Luft wie einen weißlich-gelben, wellenförmigen Streifen die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Heimat sichtete.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Auch die Vögel sahen den Streifen und beschleunigten ihren Flug.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Ich rieche Nilschlamm und nasse Frösche\" sagte die Storchmutter, \"es juckt","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"mich schon im Schnabel danach. Ja, nun werdet Ihr schlemmen! Und Ihr werdet","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"auch den Marabu, den Ibis und die Kraniche zu sehen bekommen! Sie gehören alle","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zur Familie, sind aber nicht halb so schön wie wir. Sie stellen sich vornehm,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"besonders der Ibis. Er ist eben von den Ägyptern verwöhnt worden, sie stopfen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ihn mit Kräutern aus wie die Mumien. Ich will mich lieber mit lebenden Fröschen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ausstopfen lassen. Das wollt Ihr wohl auch lieber, und das sollt Ihr auch haben!","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Besser, etwas im Bauche, während man lebt, als zu Staat und Schmuck sein, wenn","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"man tot ist! Das ist meine Meinung, und die ist immer die richtige.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Nun sind die Störche gekommen!\" sagte man in dem reichen Hause am Ufer des","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Nils, wo in der offenen Halle auf weichen, mit Leopardenfell bedeckten Polstern","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der königliche Herr aufgestreckt lag, nicht tot und auch nicht lebend, hoffend","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"auf die Lotosblume aus den tiefen Mooren des Nordens. Angehörige und Diener","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"standen um sein Lager, Und hinein in die Halle flogen zwei mächtige weiße","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Schwäne; sie waren mit den Störchen gekommen. Sie warfen das blendendweiße","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Federgewand ab, und zwei herrliche Frauen, einander so ähnlich wie zwei","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Tautropfen, standen da. Sie beugten sich zu dem bleichen, hinsiechenden alten","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Mann nieder, warfen ihre langen Haare zurück, und als Klein-Helga sich über","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"den Großvater beugte, röteten sich seine Wangen, seine Augen bekamen Glanz, und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Leben strömte wieder durch die gelähmten Glieder. Der Alte erhob sich gesundet","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und verjüngt, und Tochter und Enkeltochter hielten ihn in ihren Armen wie zum","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"freudigen Morgengruße nach einem langen, schweren Traum.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Und Freude herrschte im ganzen Hause, und im Storchenneste auch. Aber dort","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"war es doch zumeist um der guten Nahrung, der unzählig vielen Frösche willen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Und während die Gelehrten hastig in kurzen Umrissen die Geschichte der beiden","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Prinzessinnen und der Blume der Gesundheit aufzeichneten, die eine große","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Begebenheit und ein Segen für Haus und Land war, erzählten die Storcheltern","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sie auf ihre Weise und für ihre Familie zugeschnitten; aber erst, als alle","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"satt waren, denn sonst hätten sie ja anderes zu tun gehabt, als Geschichten","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"anzuhören.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Nun wirst Du sicherlich etwas werden!\" flüsterte die Storchmutter; \"und das","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wäre auch nur gerecht!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Ach, was sollte ich denn werden!\" sagte der Storchvater, \"was habe ich denn","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"getan? Nichts.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Du hast mehr getan, als alle anderen. Ohne Dich und die Jungen hätten die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"beiden Prinzessinnen Ägypten niemals wiedergesehen und den Alten gesund","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"bekommen. Du wirst etwas. Du bekommst bestimmt den Ehrendoktor, und unsere","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Jungen sind geborene Doktoren, und ihre Jungen bringen es dann noch weiter. Du","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"siehst auch schon aus wie ein ägyptischer Doktor – wenigstens in meinen Augen.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Die Gelehrten und Weisen entwickelten den Grundgedanken, wie sie es nannten, der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sich durch die ganze Begebenheit zöge: \"Liebe gebiert Leben\" und legten ihn auf","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"verschiedene Weise aus: \"Der warme Sonnenstrahl wäre die ägyptische Prinzessin,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sie wäre zu dem Moorkönig hinabgestiegen, und ihrer Umarmung entspränge die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Blüte – \"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Ich kann die Worte nicht so ganz richtig wiederholen\" sagte der Storchvater,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der vom Dache aus zugehört hatte und im Neste davon erzählen sollte. \"Es war","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"so verwickelt, was sie sagten, und so klug, daß sie sogleich zu Würden und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Geschenken kamen, selbst der Mundkoch bekam einen großen Orden – wahrscheinlich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"für die Suppe.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Und was hast Du bekommen?\" fragte die Storchmutter. \"Den Wichtigsten sollten","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sie doch nicht vergessen, denn das bist Du. Die Gelehrten haben bei der ganzen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Sache nur geklappert. Aber Du wirst auch noch daran kommen!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Spät in der Nacht, als der Frieden des Schlafes über dem von neuem glücklichen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Hause ruhte, wachte noch immer jemand, aber es war nicht der Storchvater, obwohl","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"er droben auf einem Bein aufrecht im Neste stand und Schildwache schlief, nein,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Klein-Helga wachte; sie neigte sich über den Altan und blickte in die klare Luft","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"empor zu den großen, leuchtenden Sternen, deren Glanz sich hier strahlender und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"reiner zeigte, als sie es im Norden gesehen hatte, und doch waren es dieselben","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Gestirne. Sie dachte an die Wikingerfrau am Wildmoor, an der Pflegemutter milde","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Augen, an die Tränen, die sie über das arme Froschkind geweint hatte, das nun in","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Glanz und Sternenpracht an den Wassern des Nils in der herrlichen Frühjahrsluft","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"stand. Sie dachte an die Liebe in der Brust des heidnischen Weibes, an die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Liebe, die sie einem elenden Geschöpf erwiesen hatte, das in Menschengestalt","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ein böses Tier und in Tiergestalt ekelerregend anzusehen und zu berühren war.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Sie schaute zu den leuchtenden Sternen empor und dachte an den Glanz auf der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Stirn des Toten, als sie über Wald und Moor hingeflogen waren. Töne klangen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"in ihrer Erinnerung auf, Worte vom Urquell der Liebe, der höchsten Liebe, die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"alle Geschlechter umfaßte, und auf die sie gelauscht hatte, als sie mit ihm von","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"dannen geritten war.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Ja, was war nicht gegeben, gewonnen, erreicht! Klein-Helgas Gedanken","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"umfasten bei Tage und bei Nacht die ganze Größe ihres Glückes, und bei seinem","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Anblick stand sie wie ein Kind, das sich eilig vom Geber zur Gabe wendet,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und überschaute ihre herrlichen Gaben. Sie ging gleichsam auf in der sich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"steigernden Glückseligkeit, die kommen konnte und würde. Durch Wunderwerke war","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sie ja zu immer höherer Freude, immer höherem Glück emporgetragen worden, und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hierin verlor sie sich eines Tages so völlig, daß sie des Gebers nicht mehr","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gedachte. Es war die Kühnheit ihres jugendlichen Mutes, die in raschem Schwunge","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"weitereilte. Ihre Augen leuchteten, aber aus ihrer Träumerei wurde sie in diesem","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Augenblicke durch ein starkes Geräusch im Hofe unter sich emporgerissen. Da","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sah sie zwei mächtige Strauße eilig in engen Kreisen umherlaufen; nie zuvor","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hatte sie dieses Tier, einen so großen, plumpen und schweren Vogel, gesehen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Die Schwingen sahen aus wie beschnitten, der Vogel selbst als ob man ihm Gewalt","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"angetan habe, und sie fragte, was ihm denn geschehen sei. Nun hörte sie zum","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ersten Male die Sage, die die Ägypter von dem Strauße erzählen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Schön sei einst sein Geschlecht gewesen, seine Schwingen groß und stark.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Da sagten eines Abends des Waldes mächtige Vögel zu ihm: \"Bruder, wollen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wir morgen, wenn Gott will, zum Flusse fliegen und trinken?\" Und der Strauß","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"antwortete: \"Ich will es.\" Als es tagte, flogen sie fort, zuerst der Sonne,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"dem Auge Gottes, entgegen, höher und immer höher hinauf, der Strauß allen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"anderen weit voran. Stolz flog er dem Lichte entgegen, er verließ sich auf","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"seine Kraft und nicht auf den Geber, er sagte nicht: \"Wenn Gott will.\" Da","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zog der rächende Engel den Schleier von der Flammenstrahlenden, und gleichen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Augenblicks verbrannten des Vogels Schwingen, elend sank er zur Erde nieder. Er","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und sein Geschlecht vermögen niemals mehr sich zu erheben. Sie fliehen in ewigem","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Schrecken, stürmen im Kreise herum in dem engen Raum, eine Mahnung für uns","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Menschen, bei allen unseren Gedanken, bei jeder Handlung zu sagen: \"Wenn Gott","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"will.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Zeitig im Frühjahr, als die Störche wieder gen Norden zogen, nahm Klein-Helga","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ihr goldenes Armband, ritzte ihren Namen hinein und winkte dem Storchvater zu.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Sie legte ihm den Goldreif um den Hals und bat ihn, ihn der Wikingerfrau zu","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"überbringen, die daraus erkennen könne, daß ihre Pflegetochter lebte, glücklich","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wäre und an sie dächte.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Das ist schwer zu tragen!\" dachte der Storch, als er ihn um den Hals fühlte;","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"aber Gold und Ehre soll man nicht auf die Landstraße werfen. Sie werden dort","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"oben zugeben müssen, daß der Storch Glück bringt.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Du legst Gold und ich lege Eier\" sagte die Storchmutter, \"aber Du legst nur","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"einmal, und ich mache es in jedem Jahr. Doch eine Anerkennung erhält keiner von","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"uns. Das kränkt!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Man hat das Bewußtsein der guten Tat, Mutter\" sagte der Storchvater.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Das kannst Du Dir nicht auf den Rock hängen!\" sagte die Storchmutter, \"das gibt","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"weder guten Fahrwind noch eine Mahlzeit.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Und dann flogen sie fort.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Die kleine Nachtigall, die im Tamarindenstrauche sang, wollte auch bald nach","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Norden ziehen. Droben im Wildmoor hatte klein-Helga sie oft gehört. Botschaft","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wollte sie ihr mitgeben, denn die Sprache der Vögel verstand sie, seit sie","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"im Schwanenkleide geflogen war; oft hatte sie seitdem mit Storch und Schwalbe","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gesprochen. Die Nachtigall würde sie verstehen, und sie bat sie, zum Buchenwalde","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"auf der jütischen Halbinsel zu fliegen, wo ein Grab aus Stein und Reisig","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"aufgerichtet war, sie bat sie, alle kleinen Vögel zu bitten, über dem Grabe zu","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wachen und all ihre Lieder darüber zu singen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Und die Nachtigall flog, und die Zeit flog dahin.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Auf der Pyramide stand zur Erntezeit der Adler, er sah einen stattlichen Zug","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"reichbeladener Kamele, köstlich gekleideter, bewaffneter Männer auf schnaubenden","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"arabischen Rossen, heranziehen. Silberweiß schimmerten ihre Leiber, die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"rötlichen Nüstern bebten, und lange, dichte Mähnen hingen bis zu den feinen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Fesseln hinab. Reiche Gäste, ein königlicher Prinz aus dem Lande Arabien, schön","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wie ein Prinz sein muß, hielten ihren Einzug in dem stolzen Hause, wo nun das","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Storchnest leer stand. Die, die droben zu wohnen pflegten, waren ja jetzt im","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"nördlichen Lande, aber bald würden sie wieder zurückkommen. – Und gerade an","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"dem Tage kamen sie, an dem die Freude und Lust ihren Höhepunkt erreicht hatten.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Hochzeitsjubel herrschte im Hause, und Klein-Helga, im Schmuck von Juwelen und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Seide, war die Braut. Der Bräutigam war der junge Prinz aus dem Lande Arabien,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und beide saßen am obersten Ende des Tisches zwischen Mutter und Großvater.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Aber sie schaute nicht auf des Bräutigams männlich gebräunte Wangen, auf denen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"der schwarze Bart sich kräuselte, sie blickte nicht in seine feurigen dunklen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Augen, die sich auf sie hefteten, sie schaute hinaus, zu den blinkenden,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"funkelnden Sternen empor, die vom Himmel herabstrahlten.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Da rauschten draußen starke Flügelschläge durch die Luft; die Störche kamen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zurück. Das alte Storchpaar, wie müde es auch von der Reise war, und wie sehr","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"es auch der Ruhe bedurfte, flog sogleich auf das Geländer der Veranda hinab; sie","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wußten, welches Fest heute gefeiert wurde. Schon an der Grenze des Landes hatten","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sie gehört, daß Klein-Helga sie auf einer Wand hatte abmalen lassen, da sie mit","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"zu ihrer Geschichte gehörten.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Das ist doch eine große Ehre\" sagte der Storchvater.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Das ist sehr wenig\" sagte die Storchmutter, \"weniger hätte es wohl kaum sein","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"können!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Als Helga sie erblickte, erhob sie sich und ging zu ihnen auf die Veranda","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hinaus, um ihnen den Rücken zu streicheln. Das alte Storchpaar neigte die Hälse,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"und die jüngsten Jungen sahen zu und fühlten sich geehrt.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Helga sah zu den leuchtenden Sternen empor, die klarer und klarer erstratalten.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Zwischen ihnen und ihr bewegte sich eine Gestalt, reiner noch als die Luft und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"dadurch sichtbar. Sie schwebte ihr näher und näher es war der tote christliche","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Priester, auch er kam zu ihrem Hochzeitsfeste, kam herab aus des Himmels","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Reichen.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Glanz und Herrlichkeit dort droben übertrifft alles, was die Erde kennt!!\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sagte er.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Und Klein-Helga betete so sanft, so innig, wie sie nie zuvor gebetet hatte, daß","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"sie nur einen einzigen Augenblick hineinschauen dürfe, nur einen einzigen Blick","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"in das, Himmelreich werfen dürfe zum Vater.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Und er trug sie empor zu Glanz und Herrlichkeit, überströmend von Gedanken und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Tönen; nicht nur äußerlich erklang und leuchtete es um sie, die Klänge und der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Glanz waren auch in ihr. Worte können es nicht wiedergeben.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Nun müssen wir zurück, Du wirst vermißt!\" sagte er.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Nur einen Blick noch\" bat sie; \"nur einen einzigen kurzen Augenblick.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Wir müssen zur Erde, alle Gäste gehen schon fort.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Nur einen Blick den letzten.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Klein-Helga, stand wieder auf der Veranda – aber alle Fackeln draußen waren","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gelöscht, alle Lichter im Hochzeitssaal waren fort, die Störche fort, keine","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Gäste zu sehen, kein Bräutigam, alles wie fortgeweht während der drei kurzen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Augenblicke.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Da überkam Helga eine Angst; sie ging durch die große, leere Halle in die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"nächste Kammer hinein. Dort schliefen fremde Soldaten. Sie öffnete die","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Seitentür, die in ihre eigene Stube hineinführte, und als sie darin zu stehen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"vermeinte, stand sie draußen im Garten. – So war es doch hier vorhin nicht","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"gewesen; rötlich schimmerte der Himmel, der Tag graute herauf.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Drei Augenblicke im Himmel nur, und eine ganze Erdennacht war vergangen!","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Da sah sie die Störche: sie rief zu ihnen hinauf, sprach ihre Sprache, und der","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Storchvater drehte den Kopf, lauschte und näherte sich.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Du sprichst unsere Sprache!\" sagte er, \"was willst Du? Was führt Dich hierher,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Du fremdes Weib?\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Ich bin es ja, ich – Helga! Erkennst Du mich nicht? Vor drei Minuten sprachen","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"wir noch zusammen, dort in der Veranda.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Das ist ein Irrtum!\" sagte der Storch; \"das mußt Du alles geträumt haben.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Nein, nein\" sagte sie und erinnerte ihn an die Wikingerburg und das Wildmoor,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"die Reise hierher.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Da blinzelte der Storchvater mit den Augen: \"Das ist ja eine alte Geschichte,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"die ich aus der Zeit meiner Ururgroßmutter gehört habe. Ja, gewiß war hier","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"in Ägypten einmal eine Prinzessin aus dem Lande Dänemark, aber sie verschwand","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"an ihrem Hochzeitsabend vor vielen hundert Jahren und kam niemals wieder. Das","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"kannst Du selbst auf dem Denkstein hier im Garten lesen. Darein sind Schwäne und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Störche gemeißelt, und zu oberst stehst Du selbst in weißem Marmor.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"So war es. Klein-Helga sah es, verstand es und sank auf die Knie.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Die Sonne brach strahlend hervor, und wie einst in längstvergangener Zeit bei","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"ihren Strahlen die Froschhaut fiel und die herrliche Gestalt sichtbar wurde,","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"so erhob sich nun unter der Taufe des Lichts eine Schönheitsgestalt, klarer und","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"reiner als die Luft, ein Lichtstrahl – zum Vater empor.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Der Leib verfiel in Staub, und wo er gestanden hatte, lag eine welke Lotosblume.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Das war doch ein neuer Schluß bei der Geschichte\" sagte der Storchvater; \"den","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"hätte ich nie und nimmer erwartet, aber er gefällt mir ganz gut.\"","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Was wohl die Jungen dazu sagen werden?\" fragte die Storchmutter.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"\"Ja, das ist freilich das Wichtigste\" sagte der Storchvater.","book":"Moorkönigs Tochter"} {"text":"Jetzt sind wir oben in Jütland, oberhalb des Wildmoores; wir können den","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"\"Westwauwau\" hören (wie dort die Nordsee heißt); hören wie er bellt, er ist","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"ganz nahe. Aber vor uns erhebt sich ein großer Sandhügel; lange haben wir ihn","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"schon gesehen und wir fahren noch immer auf ihn zu, langsam fahren wir in dem","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"tiefen Sande. Oben auf dem Sandhügel liegt ein großes altes Gebäude; es ist","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"das Kloster Börglum, dessen größter Flügel noch heute als Kirche dient.. Spät","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"am Abend langen wir an, aber es ist klares Wetter, es ist die Zeit der hellen","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Nächte. Weit, weit hinaus kann man von hier schauen, über Feld und Moor bis zur","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Aalborger Bucht, über Heide und Wiese, über das dunkelblaue Meer hin.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Nun sind wir oben, nun rasseln wir zwischen Ställen und Scheunen hindurch,","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"biegen um und fahren gerade durch das große Tor in den alten Burghof hinein,","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"wo die Mauer entlang eine Reihe stattlicher Lindenbäume steht. Dort stehen sie","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"geschützt vor Wind und Wetter, deshalb wachsen sie, daß ihre Zweige die Fenster","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"fast verhüllen.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Wir gehen die steinerne Treppe hinauf, wir schreiten durch die langen Gänge","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"unter der Decke von starkem Gebälk hin, der Wind saust hier so wunderlich,","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"draußen oder drinnen, man weiß wirklich nicht, wo es ist; und deshalb erzählt","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"man - ja man erzählt so viel, man sieht so viel, wenn einem bange ist oder man","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"andere bange machen will. Die alten verstorbenen Domherren gleiten, wie man sich","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"erzählt, still an uns vorüber in die Kirche hinein, wo die Messe gesungen wird,","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"die man im Sausen des Windes hören kann. Man wird dabei so sonderbar gestimmt,","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"man denkt an die alten Zeiten - denkt, bis man sich im Geiste mitten in der","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"alten Zeit befindet.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Ein Schiff ist an der Küste gescheitert, die Leute des Bischofs sind dort unten,","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"sie verschonen die Unglücklichen nicht, die das Meer verschont hatte. Die See","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"spült das rote Blut ab, das von den zerschmetterten Stirnen herabfloß. Das","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Strandgut gehört dem Bischof, und viel ist angetrieben. Die See rollt Fässer","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"und Tonnen heran, gefüllt mit köstlichem Wein für den Klosterkeller, der schon","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"voll ist mit Bier und Met. Voll ist auch die Küche mit erlegtem Wildbret, Wurst","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"und Schinken; in den Teichen draußen schwimmt der fette Brassen und die leckere","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Karausche. Der Bischof auf Börglum ist ein mächtiger Mann, viele Ländereien","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"gehören zu seinem Besitz und noch mehr will er gewinnen; alles soll sich vor","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Oluf Glob beugen. In Thy ist sein reicher Vetter gestorben. \"Gott behüte mich","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"vor meinen Freunden!\"; die Wahrheit dieses Sprichwortes soll die Witwe erfahren.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Ihr Gatte herrschte mit Ausnahme der geistlichen Güter über das ganze Land. Der","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Sohn befindet sich in der Fremde; schon als Knabe wurde er hinausgesandt, um","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"fremde Sitten zu lernen, wonach sein Verlangen stand. Seit Jahren hat man nichts","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"von ihm gehört. Vielleicht ruht er schon im Grabe und kehrt also nimmer heim, um","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"zu herrschen, wo jetzt seine Mutter herrscht.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"\"Was soll ein Weib herrschen?\" ruft der Bischof. Er sendet eine Vorladung und","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"ruft sie vor das Thinggericht. Aber was hilft ihm das? Sie war nie vom Gesetz","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"abgewichen und ihre Stärke lag in ihrer gerechten Sache.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Bischof Oluf auf Börglum, worauf sinnst Du? Was schreibst Du auf das blanke","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Pergament nieder? Was verschließt es unter Siegel und Band, während du es","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Rittern und Knechten gibst, die damit aus dem Lande reiten, weit, weit fort, bis","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"zur Stadt des Papstes?","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Es ist die Zeit des Laubfalls, die Zeit der Schiffbrüche, nun kommt der eisige","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Winter.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Zweimal kam er, nun endlich ruft er den Rittern und Knechten ein Willkommen","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"entgegen, die mit einem päpstlichen Briefe von Rom heimkehren, mit einem","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Bannbriefe über die Witwe, die den frommen Bischof zu beleidigen wagte.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"\"Verflucht sei sie und alles Ihrige! Ausgestoßen sei sie aus der Kirche und","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Gemeinde! Niemand leist ihr hilfreiche Hand, Freunde und Verwandte sollen sie","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"wie Pest und Aussatz scheuen!\"","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"\"Was sich nicht biegen läßt, muß man brechen!\" sagte der Bischof auf Börglum.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Sie verlassen sie alle; aber sie verläßt ihren Gott nicht, er ist ihr Wehr und","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Waffe.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Ein einziger Dienstbote, eine alte Magd, bleibt ihr treu; mit ihr geht sie","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"hinter dem Pfluge her, und das Korn wächst und gedeiht, trotzdem daß die Erde","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"von Papst und Bischof verflucht ist.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"\"Du Kind der Hölle! Ich will doch meinen Willen durchsetzen!\" sagt der Bischof","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"von Börglum, \"die Hand des Papstes soll sich jetzt auf dich legen und dich vor","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Gericht schleppen, damit du dein Urteil erhälst!\"","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Da spannt sie die letzten beiden Ochsen, die sie noch besitzt, vor den Wagen,","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"setzt sich mit ihrer Magd hinauf und fährt über die Heide zum dänischen Lande","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"hinaus. Als Fremde tritt sie unter ein fremdes Volk wo eine fremde Sprache","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"geredet wird, fremde Sitten die Herrschaft führen, weit fort, wo die grünen","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Hügel sich zu Bergen erheben, auf denen der Wein gedeiht. Reisende Kaufleute","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"ziehen dort die Straßen, ängstlich schauen sie von ihrem Lastwagen um sich,","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"weil sie fürchten, von Raubrittern überfallen zu werden. Die beiden armen Frauen","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"fahren auf ihrem armseligen, von zwei schwarzen Ochsen gezogenen Fuhrwerke","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"unbesorgt in den unsicheren Hohlweg und in die dichten Wälder hinein. Sie","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"befinden sich in Franken. Hier begegnet die arme Verbannte einem stattlichen","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Ritter, dem zwölf gewappnete Knappen folgen. Er macht halt, sieht sich den","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"seltsamen Zug an und fragt die beiden Frauen nach dem Ziele ihrer Reise und","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"aus welchem Lande sie kommen. Da nennt die Jüngere von beiden Thy in Dänemark,","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"erzählt ihren Kummer und ihr Elend. Und gar bald hat das Elend ein Ende","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"gefunden; Gott hat es so gefügt. Der fremde Ritter ist ihr Sohn. Er reicht ihr","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"die Hand, er schließt sie in die Arme, und die Mutter weint, was sie seit Jahren","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"nicht vermochte; vorher biß sie sich statt dessen in die Lippen, daß die warmen","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Blutstropfen hervorquollen.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Es ist die Zeit des Laubfalls, es ist die Zeit der Schiffbrüche; das Meer treibt","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Weinfässer für des Bischofs Keller und Küche an das Land. Über der lodernden","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Flamme brät das gespickte Wild. Warm und behaglich ist es jetzt, wo der Winter","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"naht, hinter den geschlossenen Türen. Da verlautet etwas Neues: Jens Glob auf","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Thy ist mit seiner Mutter heimgekehrt; Jens Glob läßt Ladung ergehen; er ladet","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"den Bischof nach Landes Gesetz und Recht vor das geistliche Gericht.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"\"Das wird ihm viel helfen!\" meinte der Bischof. \"Laß deinen vergeblichen Streit","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"nur ruhen, Ritter Jens!\"","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Es ist die Zeit des Laubfalles im nächsten Jahr, die Zeit der Schiffbrüche; nun","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"kommt der eisige Winter. Die weißen Bienen schwärmen, sie stechen ins Gesicht,","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"bis sie selbst schmelzen.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"\"Heute ist es frisches Wetter,\" sagen die Leute, wenn sie vor der Tür gewesen","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"sind. Jens Glob steht in Gedanken verloren da, so daß er sich am Kamin sein","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"weites Gewand versengt, ja ein Loch hineinbrennt.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"\"Du Börglumer Bischof! Ich besiege dich doch noch! Unter dem Mantel des Papstes","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"kann dich das Gesetz nicht erreichen, aber Jens Glob wird dich erreichen!\"","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Daruf schrieb er einen Brief an seinen Schwager, Herrn Oluf Hase in Salling,","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"und bittet ihn, sich zur Frühmesse am Weihnachtstage in der Kirche zu Hvidberg","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"einzufinden. Dort oben muß der Bischof Messe lesen, deshalb reist er von Börglum","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"nach Thyland; das kennt und weiß Jens Glob.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Wiese und Moor liegen unter einer Eis- und Schneedecke, die Pferde und Reiter,","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"den ganzen Zug, den Bischof samt pfaffen und Knechten zu tragen vermag; sie","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"reiten den kürzesten Weg durch das schwache Röhricht, durch das der Wind so","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"traurig saust.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Stoße in deine Messingtrompete, du Spielmann in deinem Fuchspelze! Es klingt","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"gut in der klaren Luft. Dann reiten sie über Heide und Moor, den Wiesengarten","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"der Fata Morgana am warmen Sommertage, immer südwärts; sie wollen nach der","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Hvidberger Kirche.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Der Wind bläst seine Trompete stärker, er bläst einen Sturm, ein Unwetter","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"zusammen, das mit furchtbarer Gewalt zunimmt. Zum Gotteshaus geht es im Unwetter","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"weiter. Gottes Haus steht fest, aber der Sturm braust über Feld und Moor, über","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Bucht und Meer. Der Börglumer Bischof erreicht die Kirche, Herr Oluf Hase wird","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"wohl schwerlich hinkommen, wie scharf er auch reitet. Er kommt mit seinen Mannen","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"jenseits der Bucht Jens Glob zu Hilfe, nun, Bischof, wirst du vor des Höchsten","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Gericht geladen werden.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Gottes Haus ist der Gerichtssaal, der Altartisch Gerichtstisch; die Lichter auf","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"den schweren Messingleuchtern sind alle angezündet. Der Sturm liest Klage und","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Urteil vor. Es braust in der Luft, über Moor und Heide, über die rollenden Wogen","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"hin. Keine Fähre setzt in solchem Unwetter über die Meeresbucht.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Oluf Hase steht am Ottesund; er verabschiedet seine Mannen, schenkt ihnen Rosse","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"und Harnische, erteilt ihnen Urlaub, heimzuziehen und trägt ihnen Grüße an seine","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Gattin auf. Allein will er sein Leben dem brausenden Wasser anvertrauen, aber","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"sie sollen ihm bezeugen, daß nicht an ihm die Schuld liegt, wenn Jens Glob in","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"der Kirche zu Hvidberg ohne Unterstützung ist. Die treuen Knappen verlassen","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"ihn nicht, sie folgen ihm in das tiefe Wasser nach. Zehn werden eine Beute der","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Wellen, Oluf Hase selbst und zwei junge Knappen erreichen das andere Ufer; noch","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"haben sie vier Meilen zu reiten.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Mitternacht ist vorüber, es ist Christnacht. Der Wind hat sich gelegt; die","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Kirche ist erleuchtet; das strahlende Licht scheint durch die Scheiben über","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Wiese und Heide hinaus. Längst ist die Christmette beendet. Im Gotteshause","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"ist es still, man kann das Wachs von den Lichtern auf den steinernen Fußboden","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"tropfen hören. Jetzt kommt Oluf Hase.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"In der Vorhalle bietet ihm Jens Glob Guten Tag. \"Jetzt,\" fährt er fort, \"habe","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"ich mich mit dem Bischofe verglichen.\"","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"\"Das hättest du getan?\" ruft Oluf, \"dann sollst weder du noch der Bischof","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"lebendig aus der Kirche kommen!\"","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Und das Schwert fährt aus der Scheide, und Oluf Hase schlägt zu, daß die","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Planke der Kirchentüre, die Jens Glob schnell zwischen sich und Oluf zuschlägt,","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"zersplittert wird.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"\"Halt ein, lieber Schwager, betrachte dir erst meinen Vergleich, ich habe den","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Bischof und seine ganze Begleitung erschlagen. Nicht eine Silbe sagen sie mehr","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"in der Sache, und auch ich will von nun an von dem Unrecht schweigen, das meiner","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Mutter zugefügt ist.\"","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Die Schuppen an den Lichtern auf dem Altar leuchten so rot, aber röter leuchtet","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"es vom Fußboden her; mit zerspaltenem Schädel liegt dort der Bischof in seinem","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Blute und getötet liegen all seine Begleiter da; lautlos und still ist es an dem","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"heiligen Weihnachtsmorgen.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Aber am Abend des dritten Feiertages läuten im Kloster zu Börglum die","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Totenglocken; der getötete Bischof und seine erschlagenen Leute werden unter","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"einem schwarzen Baldachin mit florumhüllten Kandelabern ausgestellt. In einem","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Mantel aus Silberbrokat liegt der Tote, der einst mächtige Herr, mit dem","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Krummstabe in der machtlosen Hand. Der Weihrauch duftet, die Mönche singen; es","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"klingt wie Klage, es klingt wie ein Urteil des Zornes und der Verdammung, das","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"weithin über das Land vernehmbar ist, getragen vom Winde, mitgesungen vom Winde.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Er legt sich wohl und ruht, aber er stirbt niemals; immer erhebt er sich wieder","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"und singt seine Lieder, singt sie bis in unsere Zeit hinein, singt sie hier","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"oben von dem Bischof auf Börglum und seiner harten Sippe. In der finstern Nacht","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"schallt sein Gesang; er wird von den furchtsamen Bauern vernommen, der auf dem","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"schweren Sandwege am Börglumer Kloster vorbeifährt, wird von dem lauschenden","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Schlaflosen in den Stuben des Klosters trotz ihrer dicken Wände vernommen, und","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"deshalb raschelt es in den langen widerhallenden Gängen, die nach der Kirche","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"führen, deren zugemauerter Eingang längst verschlossen ist; freilich nicht vor","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"den Augen des Aberglaubens. Noch immer erblicken sie die Tür, und sie öffnet","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"sich; die Lichter strahlen von den messingnen Kronleuchtern, der Weihrauch","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"duftet, die Kirche flimmert in altertümlicher Pracht, die Mönche singen","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"die Messe für den getöteten Bischof, der in silberbrokatenem Mantel mit dem","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Bischofsstabe in seiner machtlosen Hand daliegt, und auf seiner bleichen stolzen","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Stirn leuchtet die blutige Wunde, die wie Feuer glänzt; es ist der Weltsinn und","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"die bösen Lüste, die daraus hervorbrennen.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Versinket ins Grab, versinket in Nacht und Vergessenheit, ihr entsetzlichen","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Erinnerungen aus alten Tagen!","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Hört den Windstoß, welcher das rollende Meer übertönt! Ein Sturm hat sich","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"draußen erhoben, der viele Menschenleben kosten wird! Das Meer hat mit der","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"neuen Zeit seinen Sinn nicht geändert. Heute nacht ist es nur ein Rachen, der","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"verschlingt, morgen vielleicht ein klares Auge, daß man sich darin spiegeln","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"kann, gerade wie in der alten Zeit, die wir jetzt begraben haben. Schlaf süß,","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"wenn Du es vermagst!","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Jetzt ist es Morgen!","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Die neue Zeit scheint sonnig in das Zimmer hinein! Der Wind hält noch an. Ein","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Schiffbruch wird gemeldet, wie in alter Zeit.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Heute nacht ist dort unten bei Löcken, dem kleinen Fischerdorfe mit den roten","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Dächern, das wir von den Fenstern hier oben aus sehen können, ein Schiff","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"gestrandet. Nicht weit vom Ufer stieß es auf, aber die Rettungsrakete schlug","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"eine Brücke zwischen dem Wrack und dem festen Lande; alle, die an Bord waren,","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"wurden gerettet, sie kamen ans Land und zu Bette. Heute sind sie auf das","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Kloster Börglum eingeladen. In den freundlichen und wohnlichen Zimmern werden","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"sie Gastfreiheit finden und sanften Augen gegenübertreten, werden sie in ihrer","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"eigenen Landessprache willkommen geheißen werden. Vom Klavier herüber tönen die","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Melodien ihrer Heimat, und ehe sie noch beendet sind, braust eine andere Saite,","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"lautlos und doch so klangvoll und sicher; auf dem Gedankenträger schwingt die","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Botschaft bis zur Heimat der Schiffbrüchigen im fremden Lande fort und meldet","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"ihre Rettung. Da fühlt der Sinn sich leicht, da steigt die Lust in ihnen auf,","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"beim Feste am Abend in den alten Klosterstuben am Tanze teilzunehmen. Walzer und","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Reigen wollen wir tanzen und Lieder sollen gesungen werden von Dänemark und dem","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"\"tapfern Landsoldaten\" in dieser neuen Zeit.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Gesegnet seist du, neue Zeit! Mit gereinigter Luft zieh ein in die Stadt! Laß","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"deine Sonnenstrahlen in Herzen und Gedanken leuchten! Auf deinem strahlenden","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Grunde schweben die finstern Sagen aus den harten, den strengen Zeiten vorüber.","book":"Der Bischof von Börglum und seine Sippe"} {"text":"Es war eine schneidende Kälte, sternenheller Himmel, kein Lüftchen regte sich.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"'Bums!' Da wurde ein alter Topf an die Haustüre des Nachbars geworfen.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"'Puff, paff!' Dort knallte die Büchse; man begrüßte das neue Jahr. Es war","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Neujahrsnacht! Jetzt schlug die Turmuhr zwölf!","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"'Trateratra!' Die Post kam angefahren. Der große Postwagen hielt vor dem","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Stadttore an. Er brachte zwölf Personen mit, alle Plätze waren besetzt.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"\"Hurra! Hurra! Hoch!\" sangen die Leute in den Häusern der Stadt, wo die","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Neujahrsnacht gefeiert wurde und man sich beim zwölften Schlage mit dem","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"gefüllten Glase erhob, um das neue Jahr leben zu lassen.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"\"Prost Neujahr!\" hieß es, \"ein schönes Weib! Viel Geld! Keinen Ärger und","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Verdruß!\"","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Das wünschte man sich gegenseitig, und darauf stieß man mit den Gläsern an, daß","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"es klang und sang – und vor dem Stadttore hielt der Postwagen mit den fremden","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Gästen, den zwölf Reisenden.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Und wer waren diese Fremden? Jeder von ihnen führte seinen Reisepaß und sein","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Gepäck bei sich; ja, sie brachten sogar Geschenke für mich und dich und alle","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Menschen des Städtchens mit. Wer waren sie, was wollten sie, und was brachten","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"sie?","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"\"Guten Morgen!\" riefen sie der Schildwache am Eingange des Stadttores zu.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"\"Guten Morgen!\" antwortete diese, denn die Uhr hatte ja zwölf geschlagen.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"\"Ihr Name? Ihr Stand?\" fragte die Schildwache den von ihnen, der zuerst aus dem","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Wagen stieg.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"\"Sehen Sie selbst im Passe nach,\" antwortete der Mann. \"Ich bin ich!\" Und es","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"war auch ein ganzer Kerl, angetan mit Bärenpelz und Pelzstiefeln. \"Ich bin der","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Mann, in den sehr viele Leute ihre Hoffnung setzen. Komm morgen zu mir; ich","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"gebe dir ein Neujahrsgeschenk! Ich werfe Groschen und Taler unter die Leute, ja","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"ich gebe auch Bälle, volle einunddreißig Bälle, mehr Nächte kann ich aber nicht","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"daraufgehen lassen. Meine Schiffe sind eingefroren, aber in meinem Arbeitsraum","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"ist es warm und gemütlich. Ich bin Kaufmann, heiße Januar und führe nur","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Rechnungen bei mir.\"","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Nun stieg der zweite aus, der war ein Bruder Lustig; er war Schauspieldirektor,","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Direktor der Maskenbälle und aller Vergnügungen, die man sich nur denken kann.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Sein Gepäck bestand aus einer großen Tonne.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"\"Aus der Tonne,\" sagte er, \"wollen wir zur Fastnachtszeit die Katze herausjagen.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Ich werde euch schon Vergnügen bereiten und mir auch; alle Tage lustig! Ich habe","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"nicht gerade lange zu leben; von der ganzen Familie die kürzeste Zeit; ich werde","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"nämlich nur achtundzwanzig Tage alt. Bisweilen schalten sie mir zwar auch noch","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"einen Tag ein – aber das kümmert mich wenig, hurra!\"","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"\"Sie dürfen nicht so schreien!\" sagte die Schildwache.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"\"Ei was, freilich darf ich schreien,\" rief der Mann, \"ich bin Prinz Karneval und","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"reise unter dem Namen Februarius.\"","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Jetzt stieg der dritte aus; er sah wie das leibhaftige Fasten aus, aber er","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"trug die Nase hoch, denn er war verwandt mit den 'vierzig Rittern' und war","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Wetterprophet. Allein das ist kein fettes Amt, und deshalb pries er auch die","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Fasten. In einem Knopfloche trug er auch ein Sträußchen Veilchen, auch diese","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"waren sehr klein.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"\"März! März!\" rief der vierte ihm nach und schlug ihn auf die Schulter; \"riechst","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"du nichts? Geschwind in die Wachstube hinein, dort trinken sie Punsch, deinen","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Leib- und Labetrunk; ich rieche es schon hier außen. Marsch, Herr Martius!\"","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"– Aber es war nicht wahr, der wollte ihn nur den Einfluß seines Namens","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"fühlen lassen, ihn in den April schicken; denn damit begann der vierte seinen","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Lebenslauf in der Stadt. Er sah überhaupt sehr flott aus; arbeiten tat er nur","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"sehr wenig; desto mehr aber machte er Feiertage. \"Wenn es nur etwas beständiger","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"in der Welt wäre,\" sagte er; \"aber bald ist man gut, bald schlecht gelaunt,","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"je nach Verhältnissen; bald Regen, bald Sonnenschein; ein- und ausziehen! Ich","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"bin auch so eine Art Wohnungsvermietunternehmer, ich kann lachen und weinen,","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"je nach Umständen! Im Koffer hier habe ich Sommergarderobe, aber es würde sehr","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"töricht sein, sie anzuziehen. Hier bin ich nun! Sonntags geh' ich in Schuhen und","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"weißseidenen Strümpfen und mit Muff spazieren.\"","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Nach ihm stieg eine Dame aus dem Wagen. Fräulein Mai nannte sie sich. Sie trug","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"einen Sommermantel und Überschuhe, ein lindenblattartiges Kleid, Anemonen im","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Haare, und dazu duftete sie dermaßen nach Waldmeister, daß die Schildwache","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"niesen mußte. \"Zur Gesundheit und Gottes Segen!\" sagte sie, das war ihr","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Gruß. Wie sie niedlich war! Und Sängerin war sie, nicht Theatersängerin, auch","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"nicht Bänkelsängerin, nein, Sängerin des Waldes; – den frischen, grünen Wald","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"durchstreifte sie und sang dort zu ihrem eigenen Vergnügen.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"\"Jetzt kommt die junge Frau!\" riefen die drinnen im Wagen, und aus stieg die","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"junge Frau, fein, stolz und niedlich. Man sah es ihr an, daß sie, Frau Juni,","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"von faulen Siebenschläfern bedient zu werden gewohnt war. Am längsten Tage","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"des Jahres gab sie große Gesellschaft, damit die Gäste Zeit haben möchten, die","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"vielen Gerichte der Tafel zu verzehren. Sie hatte zwar ihren eigenen Wagen;","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"allein sie reiste dennoch mit der Post wie die andern, weil sie zeigen wollte,","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"daß sie nicht hochmütig sei. Aber ohne Begleitung war sie nicht; ihr jüngerer","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Bruder Julius war bei ihr.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Er war ein wohlgenährter Bursche, sommerlich angekleidet und mit Panamahut. Er","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"führte nur wenig Gepäck bei sich, weil dies bei großer Hitze zu beschwerlich","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"sei; deshalb hatte er sich nur mit einer Schwimmhose versehen, und dies ist","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"nicht viel.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Darauf kam die Mutter selbst, Madame August, Obsthändlerin en gros, Besitzerin","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"einer Menge Fischteiche, sie war dick und heiß, faßte selbst überall an,","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"trug eigenhändig den Arbeitern Bier auf das Feld hinaus. \"Im Schweiße deines","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Angesichtes sollst du dein Brot essen!\" sagte sie, \"das steht in der Bibel.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Hinterdrein kommen die Spazierfahrten, Tanz und Spiel und die Erntefeste!\" Sie","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"war eine tüchtige Hausfrau.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Nach ihr stieg wieder ein Mann aus der Kutsche, ein Maler, Herr Koloriermeister","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"September; der mußte den Wald bekommen; die Blätter mußten Farbe wechseln, aber","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"wie schön; wenn er es wollte, schillerte der Wald bald in Rot, Gelb oder Braun.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Der Meister pfiff wie der schwarze Star, war ein flinker Arbeiter und wand die","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"blaugrüne Hopfenranke um seinen Bierkrug. Das putzte den Krug, und für Ausputz","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"hatte er gerade Sinn. Da stand er nun mit seinem Farbentopfe, der war sein","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"ganzes Gepäck!","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Ihm folgte der Gutsbesitzer, der an den Saatmonat, an das Pflügen und Beackern","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"des Bodens, auch an die Jagdvergnügungen dachte; Herr Oktober führte Hund","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"und Büchse mit sich, hatte Nüsse in seiner Jagdtasche – 'knick, knack!' Er","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"hatte viel Reisegut bei sich, sogar einen englischen Pflug; er sprach von der","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Landwirtschaft; aber vor lauter Husten und Stöhnen seines Nachbars vernahm man","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"nicht viel davon. –","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Der November war es, der so hustete, während er ausstieg. Er war sehr mit","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Schnupfen behaftet; er putzte sich fortwährend die Nase, und doch, sagte","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"er, müsse er die Dienstmädchen begleiten und sie in ihre neuen Winterdienste","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"einführen; die Erkältung, meinte er, verliere sich schon wieder, wenn er ans","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Holzmachen ginge, und Holz müsse er sägen und spalten; denn er sei Sägemeister","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"der Holzmacherinnung.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Endlich kam der letzte Reisende zum Vorschein, das alte Mütterchen Dezember","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"mit der Feuerkiepe; die Alte fror, aber ihre Augen strahlten wie zwei helle","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Sterne. Sie trug einen Blumentopf auf dem Arme, in dem ein kleiner Tannenbaum","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"eingepflanzt war. \"Den Baum will ich hegen und pflegen, damit er gedeihe und","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"groß werde bis zum Weihnachtsabend, vom Fußboden bis an die Decke reiche und","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"emporschieße mit flammenden Lichtern, goldenen Äpfeln und ausgeschnittenen","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Figürchen. Die Feuerkiepe wärmt wie ein Ofen; ich hole das Märchenbuch aus","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"der Tasche und lese laut aus ihm vor, daß alle Kinder im Zimmer still, die","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Figürchen an dem Baume aber lebendig werden und der kleine Engel von Wachs auf","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"der äußersten Spitze die Flittergoldflügel ausbreitet, herabfliegt vom grünen","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Sitze und klein und groß im Zimmer küßt, ja, auch die armen Kinder küßt, die","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"draußen auf dem Flure und auf der Straße stehen und das Weihnachtslied von dem","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Bethlehemsgestirne singen.\"","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"\"So! Jetzt kann die Kutsche abfahren,\" sagte die Schildwache, \"wir haben sie","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"alle zwölf. Der Beiwagen mag vorfahren!\"","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"\"Laß doch erst die zwölf zu mir herein!\" sprach der Wachhabende, \"einen nach","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"dem andern! Die Pässe behalte ich hier; sie gelten jeder einen Monat; wenn","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"der verstrichen ist, werde ich das Verhalten auf dem Passe bescheinigen. Herr","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Januar, belieben Sie näher zu treten.\"","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Und Herr Januar trat näher.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Wenn ein Jahr verstrichen ist, werde ich dir sagen, was die zwölf uns allen","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"gebracht haben. Jetzt weiß ich es noch nicht, und sie wissen es wohl selbst","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"nicht – denn es ist eine seltsam unruhige Zeit, in der wir leben.","book":"Zwölf mit der Post"} {"text":"Die Muse des neuen Jahrhunderts, die die Kindeskinder unserer Kinder, vielleicht","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"ein noch späteres Geschlecht, nicht aber wir kennenlernen werden, wann wird sie","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"erscheinen? Wie wird sie aussehen? Was wird sie singen? Welche Saiten der Seele","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"wird sie anschlagen? Auf welchen Höhepunkt wird sie ihr Zeitalter erheben?","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"So viele Fragen in unserer emsigen Zeit, wo die Poesie einem fast im Wege","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"ist und man genau weiß, daß das viele \"Unsterbliche,\" welches die Poeten der","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Gegenwart schreiben, in Zukunft vielleicht nur ein Dasein führen wird wie","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Kohleinschriften auf Gefängniswänden, gesehen und gelesen nur von einzelnen","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Neugierigen.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Die Poesie muß Hand anlegen, muß wenigsten die Vorladung hergeben in den","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Parteikämpfen, in denen hier Blut, dort Tinte fließt.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Das sei ein einseitiges Gerede, sagen viele. Die Poesie sei nicht vergessen.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Nein, es gibt noch Menschen, die an ihrem \"blauen Montag\" ein Bedürfnis nach","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Poesie haben und die alsdann gewiß, wenn sie dieses geistige Knurren in ihren","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"betreffenden edleren Teilen wahrnehmen, in den Buchladen schicken und für","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"einen ganzen Groschen Poesie von der bestempfohlenen kaufen lassen; einige","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"begnügen sich mit derjenigen, die sie als Zugabe erhalten, oder sind mit den","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Stücken zufriedengestellt, das sie auf der Tüte aus dem Kaufladen bekommen;","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"die ist billiger, und in unserer emsigen Zeit muß Rücksicht genommen werden","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"auf Billigkeit. Ein Bedürfnis nach dem, was wir haben, ist vorhanden, und das","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"genügt! Zukunftspoesie gehört wie Zukunftsmusik zu den Donquichotterien; von ihr","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"zu reden, wäre wie von Reiseentdeckungen auf dem Uranus zu sprechen.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Die Zeit ist zu kurz bemessen und zu kostbar für Spiele der Phantasie, und was","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"ist - damit wir einmal recht vernünftig reden - was ist Poesie? Diese klingenden","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Ergüsse der Gefühle und der Gedanken sind nur Schwingungen und Regungen der","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Nerven. Alle Begeisterung, alle Freude, jeder Schmerz, selbst das materielle","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Streben und Ringen sind, so sagen uns die Gelehrten, Nervenschwingungen. Wir","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"sind, ein jeder von uns - ein Saitenspiel!","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Allein wer greift in diese Saiten? Wer macht sie schwingen und zittern? Der","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Geist, der unsichtbare Geist der Gottheit, der läßt durch sie eine Regung, seine","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Stimmung erklingen, und er wird verstanden von den andern Saitenspielern, so","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"daß sie dabei anklingen in zusammenschmelzenden Tönen und in des Gegensatzes","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"kräftigen Dissonanzen. So war es, so bleibt es in dem freiheitsbewußten","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Vorwärtsschreiten der großen Menschheit!","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Jedes Jahrhundert, jedes Jahrtausend, kann man auch sagen, hat den hohen","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Ausdruck seiner Größe in der Poesie; geboren in dem abgeschlossenen Zeitraum,","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"tritt sie erst hervor und waltet in dem neuen, kommenden Zeitraum.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Geboren ist sie somit schon inmitten unserer emsigen, maschinenbrausenden Zeit,","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"sie, die Muse des neuen Jahrhunderts. Unsern Gruß senden wir ihr! Sie hört ihn","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"oder liest ihn einst, vielleicht zwischen jenen Kohleinschriften, die wir soeben","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"erwähnten.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Ihre Wiege reichte von dem äußersten Punkt, den der Menschen Fuß bei den","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Nordpolforschungen betrat, bis dahin, wo das lebendige Auge die \"schwarzen","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Kohlensäcke\" des Polarhimmels hineinschaut. Vor lauter klappernden Maschinen,","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Pfeifen der Lokomotive, Zersprengung wirklicher Felsen und alter Bande des","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Geistes hörten wir aber ihren Gang nicht. Geboren ist sie in der großen Fabrik","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"der Jetztzeit, in welcher der Dampf seine Gewalt ausübt, wo Meister Blutlos und","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"seine Gesellen Tag und Nacht arbeiten.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Sie besitzt das große, liebeerfüllte Herz des Weibes, mit der Flamme der","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Vestalin und dem Feuer der Leidenschaft. Der Blitz des Verstandes ward ihr","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"gegeben in allen durch die Jahrtausende wechselnden Farben der Prismen, die","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"nach der Modefarbe geschätzt wurden. Das mächtige Schwanengefieder der Phantasie","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"ist ihre Pracht und ihre Stärke, die Wissenschaft hat es gewebt, die Urkräfte","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"verliehen ihr die Schwungkraft.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Väterlicherseits ist sie das Kind des Volkes, mit gesunden Sinnen und Gedanken,","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"mit Ernst im Blick, Humor auf der Lippe. Die Mutter ist die hochwohlgeborene,","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"akademieerzogene Tochter des Emigranten mit den goldenen Rokokoerinnerungen. Die","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Muse des neuen Jahrhunderts hat Blut und Seele von diesen beiden.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Herrliche Patengeschenke wurden ihr in die Wiege gelegt. Die verborgenen Rätsel","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"der Natur und deren Lösung wurden ihr als Bonbons in Mengen hingestreut; aus","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"der Taucherglocke sind wunderbare \"Nippes\" da, aus der Meerestiefe heraufgehört;","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"die Himmelskarte, dieser aufgehängte stille Ozean mit Myriaden von Inseln, jede","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"eine Welt, war abgedruckt auf ihrer Wiegendecke. Die Sonne malte ihr Bilder; die","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Photographie mußte ihr Spielzeug geben.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Ihre Amme hat ihr vorgesungen aus Eyvind des Skalden nordischen Liedern, aus","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"den Minnegesängen und was Heine in knabenhaftem Übermut aus seiner wirklichen","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Díchterseele sang. Viel, gar zu viel hat ihre Amme ihr erzählt, sie kennt die","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Edda, die grausenerweckenden Sagas der alten Urgroßmutter, in welchen mehr","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"denn ein Fluch mit blutigen Flügelschlägen dahinsaust. Sie hat die ganzen","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Tausendundeine-Nacht-Märchen während einer einzigen Viertelstunde erzählen","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"hören.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Die Muse des neuen Jahrhundert ist noch ein Kind; allein sie ist aus der Wiege","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"herausgesprungen, sie ist starken Willens, ohne zu wissen, was sie will.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Noch spielt sie in ihrer großen Kinderstube bei der Amme, wo es Kunstschätze aus","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"dem Rokoko in Hülle und Fülle gibt. Die griechische Tragödie und das römische","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Lustspiel stehen dort in Marmor gemeißelt, die Volkslieder der Nationen hängen","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"als getrocknete Pflanzen an den Wänden, durch einen Kuß schwellen sie wieder","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"in Frische und Duft. Sie ist umbraust von ewigen Akkorden von Beethoven, Gluck,","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Mozart und den tönenden Gedanken aller großen Meister. Auf dem Bücherregal","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"liegen gar viele, die zu ihrer Zeit unsterblich waren, und Platz ist genug für","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"viele andere, deren Namen wir durch den Telegraphendraht der Unsterblichkeit","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"klingen hören, die aber mit dem Telegramm verklingen.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Erstaunlich viel hat sie gelesen, viel zu viel, ist sie doch in unserer","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Zeit geboren, sehr viel muß wieder vergessen werden, und die Muse wird es zu","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"vergessen wissen.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Sie denkt nicht an ihren Sang, der sich in einem neuen Jahrtausend","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"emporschwingen und leben wird wie die Dichtung Moses und Bidpais goldgekrönte","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Fabel vom Glück und der Tücke des Fuchses. Sie denkt nicht an ihre Mission,","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"an die tönende Zukunft, sie spielt noch während die Nationen kämpfen, einen","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Kampf, der die Luft erzittern macht, der kreuz und quer Klangfiguren von","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Schreibfedern und Kameen schafft, Runen, die schwer zu entziffern sind. Sie","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"trägt einen Garibaldihut, liest ihren Shakespeare und denkt für einen kurzen","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Augenblick, er kann noch gespielt werden, wenn ich heranwachse! Calderon ruht","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"im Sarkophag seiner Werke mit der Inschrift des Ruhmes; Holberg, ja, die Muse","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"ist Kosmopolitin, sie hat ihn eingeheftet in ein und denselben Band mit Molière,","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Plautus und Aristophanes, aber sie liest hauptsächlich Molière.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Sie ist der Unruhe entbunden, die die Gemse der Alpen hetzt, und doch lechzt","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"ihre Seele nach dem Salz des Lebens wie die Gemse nach dem des Berges; in ihrem","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Herzen wohnt eine Ruhe wie in den alten Sagen der Hebräer, dieser Stimme des","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Nomaden auf den grünen Auen in stillen, sternenhellen Nächten, und doch schwillt","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"ihr im Herzen das Lied in volleren Tönen als das des begeisterten Kriegers des","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"thessalischen Gebirges im griechischen Altertum.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Wie steht es um ihr Christentum? Sie hat das große und kleine Einmaleins der","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Philosophie gelernt; an dem Urstoff hat sie einen ihrer Milchzähne ausgebissen,","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"aber sie hat einen neuen bekommen; in den Apfel der Erkenntnis biß sie schon","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"in der Wiege, aß davon und wurde klug, so daß \"Unsterblichkeit\" ihr als der","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"genialste Gedanke der Menschheit aufblitzte.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Wann erscheint das neue Jahrhundert der Poesie? Wann wird die Muse sich","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"offenbaren, sich zu erkennen geben? Wann wird die Menschheit sie vernehmen?","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"An einem schönen Frühlingsmorgen kommt sie auf dem Drachen der Lokomotive","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"dahergebraust durch Tunnel und über Viadukte oder über das reiche, stolze","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Meer auf dem schnaubenden Delphin oder durch die Luft auf dem Vogel Rock des","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Montgolfière und läßt sich herab in das Land, von dem aus ihre Stimme zum ersten","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Mal das Menschengeschlecht begrüßen wird. Wo? Wird es von dem Land des Columbus","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"sein, dem Freiheitsland, wo der Eingeborene ein gehetztes Wild und der Afrikaner","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"ein Lasttier wurde, dem Land, aus welchem das Lied von \"Hiawatha\" zu uns","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"herüberklang? Wird es aus dem Erdteil der Antipoden sein, dem Goldklumpen der","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Südsee, dem Land der Gegensätze, wo unsere Nacht als Tag strahlt und schwarze","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Schwäne in Mimosenwäldern singen? Oder aus dem Land, wo die Memnonsäule klang","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"und klingt, wir aber die Sphinx der Wüste nicht verstanden? Wird es von der","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Steinkohleninsel sein, wo Shakespeare der Herrscher ist seit Elisabeths Zeiten?","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Aus der Heimat Tycho Brahes. wo sie ihn nicht duldeten. oder aus dem Märchenland","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Kaliforniens, wo der Wellingtonbaum seine Krone als der Weltwälder König erhebt?","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Wann wird der Stern leuchten, der Stern auf der Stirne der Muse, die","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Blütenkrone, in deren Blättern des Jahrhunderts Ausdruck vom Schönen in Form, in","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Farbe und Duft eingeschrieben ist?","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"\"Und das Programm der neuen Muse? \" fragen kundige Reichstagsabgeordnete unserer","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Tage. \"Was will sie?\"","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Fragen wir lieber, was sie nicht will!","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Sie wird nicht als ein Gespenst der dahingeschwundenen Zeit auftreten; sie","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"wird keine Dramen aus den abgelegten Herrlichkeiten der Szene zusammenzimmern","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"oder die Mängel dramatischer Architektur mit den blendenden Draperien der","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Lyrik decken; ihr Flug wird sein wie der vom Thespiskarren bis zu dem marmornen","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Amphitheater. Sie reißt nicht die gesunde Menschenrede in Stücke und nietet sie","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"wieder zusammen zu einem künstlichen Glockenspiel mit einschmeichelndem Klang","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"aus den Troubadour-Turnieren. Sie wird nicht das Versmaß hinstellen als den","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Adeligen und die Prosa als den Bürgerlichen; ebenbürtig sind sie in Klang, Fülle","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"und Kraft. Wie wird nicht die alten Götter aus Islands Sagafelsen herausmeißeln,","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"die sind tot; die neue Zeit hat keine Sympathie für sie, keine Verwandtschaft","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"mit ihnen. Sie wird ihren Zeitgenossen nicht zumuten, daß sie ihre Gedanken in","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"französischen Romankneipen einlogieren; sie wird nicht sanft betäuben mit dem","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Chloroform der Alltagsgeschichten; sie wird ein Lebenselixier bringen; ihr Sang","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"in Vers und Prosa wird kurz, klar, reich sein! Der Herzschlag der Nationalitäten","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"- jeder ein Buchstabe in dem großen Entwicklungsalphabet, den wird sie","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"ergreifen, jeden Buchstaben mit derselben Liebe, und zu Worten zusammenstellen","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"und die Worte zu Rhythmen schlingen in der Hymne ihres Zeitalters.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Und wann sind die Zeiten reif, zu kommen?","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Uns, die wir noch hier sind, wird die Zeit lang erscheinen, kurz wird sie","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"denjenigen sein, die vorausflogen!","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Bald fällt die chinesische Mauer; die Eisenbahnen Europas erreichen das","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Kulturarchiv Asiens - die zwei Kulturströmungen begegnen sich! Dann vielleicht","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"braust die Flut mit ihrem tiefen Klang, wir Alten der Gegenwart werden zittern","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"bei den starken Tönen, und in dem allen ein Ragnarökkr, den Fall der alten","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Götter erblicken, werden vergessen, daß hienieden die Zeiten und Geschlechter","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"verschwinden und nur ein kleines Bild von jedem, umschlossen von der Kapsel des","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Wortes, auf dem Strom der Ewigkeit als Lotosblume schwimmt und uns sagt, daß","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"sie alle Fleisch von unserem Fleisch in verschiedenen Gewändern sind; das Bild","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"der Juden strahlt aus der Bibel, das der Griechen aus der Ilias und Odyssee;","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"und unser Bild? - fragte die Muse des neuen Jahrhunderts im Ragnarökkr, wenn das","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"neue Gimle sich in Verklärung und Verständnis erhebt.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Alle Macht des Dampfes, aller Druck der Gegenwart waren die Hebel! Meister","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Blutlos und seine rüstigen Gesellen, die unserer Zeit mächtige Herrscher zu sein","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"seinen, sind nur Diener, schwarze Sklaven, welche den Festsaal schmücken, die","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Schätze herbeitragen, die Tafel decken zu dem großen Fest, bei welchem die Muse","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"mit der Unschuld des Kindes, der Begeisterung der Jungfrau und dem Frieden und","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Wissen der Matrone, sie, dieses reiche, volle Menschenherz und der Gottesflamme,","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"die wunderbare Aladinslampe der Dichtung zutage fördert.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Sei gegrüßt, du Muse der Poesie des neuen Jahrhunderts! Unser Gruß erhebt sich","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"und wird vernommen werden wie die Gedankenhymne des Wurmes, der unter dem Eisen","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"des Pfluges zerschnitten wird, während ein neuer Frühling strahlt und der Pflug","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"seine Furchen schneidend zieht und Würmer zerschneidet, damit der Segen wachse","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"einem kommenden neuen Geschlecht.","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"Sei gegrüßt, du Muse des neuen Jahrhunderts!","book":"Die Muse des neuen Jahrhunderts"} {"text":"In dem deutschen Lande Württemberg, wo die Akazienbäume an den Landstraßen so","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"herrlich blühen und sich die Apfel- und Birnbäume im Herbste unter ihrem reifen","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Segen beugen, liegt ein Städtchen: Marbach. Es gehört zu den ganz kleinen","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Städten, aber schön liegt es am Neckar, der an Städten, alten Ritterburgen und","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"grünen Weinbergen vorübereilt, um seine Gewässer mit dem stolzen Rheinstrome zu","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"vermischen.","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Es war spät im Jahre, das rotgefärbte Weinlaub hing welk hinab, Regenschauer","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"fielen und der kalte Wind wurde immer heftiger; für die Armen war es nicht","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"die angenehmste Zeit. Es wurden finstere Tage, und finsterer noch war es in","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"den alten kleinen Häusern. Eines davon lag mit dem Giebel nach der Straße","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"zu, mit niedrigen Fenstern, ärmlich und gering anzusehen; und so war auch","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"die Familie, die darin wohnte, aber brav und fleißig, mit Gottesfurcht in","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"der Schatzkammer ihres Herzens. Noch ein Kind wollte der liebe Gott ihnen in","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"kurzem schenken. Die Stunde war gekommen, die Mutter lag in Angst und Wehen;","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"da tönte vom nahen Kirchturm Glockenklang zu ihr herein, so tief, so festlich.","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Es war eine Feierstunde, und der Glockenschall erfüllte die Betende mit Andacht","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"und Zuversicht. Ihre Gedanken erhoben sich mit inniger Liebe zu Gott, und in","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"demselben Augenblicke gebar sie ihren kleinen Sohn und fühlte sich so unendlich","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"froh und glücklich. Die Glocke auf dem Turme schien ihre Freude über Stadt","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"und Land hinaus zu läuten. Zwei klare Kinderaugen blickten sie an und des","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Kleinen Haar leuchtete, als ob es vergoldet wäre. Das Kind wurde an dem dunklen","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Novembertage in der Welt empfangen. Mutter und Vater küssten es, und in ihre","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Bibel schrieben sie: »Den zehnten November 1759 schenkte Gott uns einen Sohn«;","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"und später wurde hinzugefügt, dass er in der Taufe die Namen »Johann Christoph","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Friedrich« erhielt.","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Was wurde aus dem kleinen Burschen, dem armen Burschen aus dem geringen Marbach?","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Ja, das wußte niemand damals, nicht einmal die alte Kirchenglocke, obschon sie","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"so hoch hing und zuerst für den geläutet und gesungen hatte, der später das","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"herrliche Lied von der »Glocke« singen sollte.","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Und der Kleine wuchs, und auch die Welt wuchs um ihn. Wohl zogen seine Eltern","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"fort nach einer anderen Stadt; aber liebe Freunde blieben ihnen in dem kleinen","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Marbach, und deshalb kamen auch Mutter und Sohn eines Tages dorthin auf Besuch.","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Der Knabe war erst sechs Jahre alt, kannte aber gleichwohl schon einiges aus der","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Bibel und den frommen Psalmen. Er hatte bereits manchen Abend von seinem kleinen","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Rohrstuhl aus seinen Vater Gellerts Fabeln und Klopstocks Messias vorlesen","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"hören. Heiße Tränen hatte er und seine zwei Jahre ältere Schwester vergossen,","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"als sie von seinem Schicksale hörten, der den Kreuzestod zur Erlösung für uns","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"alle erlitt.","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Bei dem ersten Besuche in Marbach hatte sich die Stadt nicht sehr verändert; es","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"war ja auch noch nicht so lange her, seitdem sie fortgezogen waren. Die Häuser","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"standen nach wie vor mit spitzen Giebeln, schrägen Mauern und niedrigen Fenstern","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"da. Auf dem Kirchhofe waren neue Gräber hinzugekommen, und dort, unmittelbar","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"an der Mauer, stand jetzt unten im Grase die alte Glocke, die von ihrer Höhe","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"hinabgefallen war, einen Sprung bekommen hatte und nicht mehr läuten konnte;","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"eine neue war bereits an ihre Stelle gekommen.","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Mutter und Sohn waren in den Kirchhof eingetreten; sie standen vor der alten","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Glocke, und die Mutter erzählte ihrem kleinen Knaben, wie die Glocke mehrere","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"hundert Jahre gedient, zu Kindtaufen, zur Hochzeitsfreude und zu Begräbnissen","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"geläutet hätte. Sie hätte Festfreude und Feuersnot verkündigt; ja, eines ganzen","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Menschenlebens Lauf besungen. Und nie vergaß das Kind, was die Mutter erzählte,","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"es klang in seiner Brust wieder, bis es sich ihm als Mann zum Liede gestaltete.","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Und die Mutter erzählte ihm, wie ihr diese alte Kirchenglocke in der Stunde der","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Angst, als ihr von Gott ihr kleiner Knabe geschenkt worden, Trost und Freude","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"ins Herz geläutet und gesungen hätte. Und das Kind betrachtete fast mit Andacht","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"die große alte Glocke, es beugte sich hinab und küßte sie, obschon sie alt,","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"zersprungen und wertlos hier zwischen Gras und Brennnesseln stand.","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"In der Erinnerung des kleinen Knaben, der in Armut aufwuchs und in die Höhe","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"schoß, lebte sie fort. Lang und mager, rothaarig und voller Sommersprossen, ja,","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"so war er, aber dazu besaß er zwei Augen, klar und hell wie das tiefe Wasser.","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Wie ging es ihm? Es ging ihm gut, beneidenswert gut! Durch allerhöchste Gnade","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"war er in diejenige Abteilung der Militärschule aufgenommen worden, in der sich","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"die Kinder der vornehmeren Leute befanden, und das war eine Ehre, ein Glück. Er","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"ging in Stiefeletten, mit steifer Halsbinde und gepuderter Perücke. Kenntnisse","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"wurden ihm beigebracht, und die kamen unter »Marsch!« »Halt!« »Front!« Daraus","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"konnte schon etwas werden.","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Die alte Kirchenglocke sollte wohl einmal in den Schmelzofen kommen, aber was","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"kam dabei heraus? Ja, das war unmöglich zu sagen, und es war ebenso unmöglich","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"zu sagen, was einmal aus der Glocke in der jungen Brust herauskommen und","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"hervortönen würde. Es war ein Erz darin, das laut erschallte, das in die weite","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Welt hinausklingen mußte. Je enger es hinter den Schulmauern wurde und je","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"betäubender der Kommandoton donnerte: »Marsch!« »Halt!« »Front!«, desto stärkere","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Klänge entquollen des Jünglings Brust, und er sang, was in ihm lebte, im Kreise","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"seiner Kameraden, und die Klänge hallten über die Landesgrenzen hinüber. Aber","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"zu dem Zwecke hatte er keine freie Schule, Kleider und Nahrung erhalten. Er","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"war ja schon nummeriert als Schräubchen in dem großen Uhrwerk, zu dem wir alle","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"zu handgreiflichem Nutzen gehören sollen. – Wie wenig verstehen wir uns doch","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"selbst! Wie sollten dann die anderen, selbst die Besten, uns immer verstehen!","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Aber es ist gerade der Druck, durch den der Edelstein geschaffen wird. Der Druck","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"war da; ob wohl im Laufe der Zeit die Welt den Edelstein erkennen würde?","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Es war eine große Festlichkeit in der Hauptstadt des Landesherrn. Tausende von","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Lampen strahlten, die Raketen stiegen in die Höhe. Dieser Glanz entschwindet","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"nicht aus der Erinnerung um des einen willen, der damals unter Tränen und","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Schmerz unbemerkt fremden Boden zu erreichen suchte. Er mußte fort vom","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Vaterlande, fort von der Mutter, von all seinen Lieben, oder im Strome der","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Alltagsmenschen untergehen.","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Die alte Glocke hatte es gut, sie stand geschützt an der Marbacher Kirchenmauer!","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Der Wind fuhr über sie hin und hätte ihr von dem erzählen können, bei dessen","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Geburt sie läutete, erzählen, wie kalt er auch über ihn fortgeweht hätte, als","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"er vor kurzem ganz erschöpft im Walde des Nachbarlandes niedersank, wo sein","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"ganzer Reichtum und seine ganze Hoffnung für die Zukunft nur in dem Manuskripte","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"des »Fiesko« bestand. Der Wind hätte von seinen ersten Beschützern, lauter","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Künstlern, erzählen können, die sich, einer nach dem anderen, von der Vorlesung","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"fortschlichen und sich lieber mit Kegelschieben ergötzten. Der Wind hätte","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"von dem bleichen Flüchtling melden können, welcher wochen-, ja monatelang in","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"einer ärmlichen Schenke lebte, wo der Wirt schimpfte, tobte und trank, wo rohe","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Lustbarkeit herrschte, während er von seinem Ideale sang. Schwere Tage, dunkle","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Tage! Das Herz muß selber leiden und erfahren, was es im Gesange der Welt einst","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"verkünden wird.","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Finstere Tage, kalte Nächte gingen über die alte Glocke hin; sie empfand es","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"nicht; aber die Glocke in der Menschenbrust empfindet ihre böse Zeit. Wie ging","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"es dem jungen Manne? Wie ging es der alten Glocke? Nun, die Glocke kam weit","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"fort, weiter als ihr Klang von der Höhe ihres Turmes herab je getragen hatte.","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Und der junge Mann? Nun, die Glocke in seiner Brust schallte weiter hinaus,","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"als sein Fuß wandern und sein Auge sehen sollte, sie klang und klingt noch","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"heute über das Weltmeer, ja rings über die ganze Erde fort. Höre aber erst von","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"der Kirchenglocke! Aus Marbach wurde sie fortgeschafft, wurde als altes Kupfer","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"verkauft und sollte in Bayern in den Schmelzofen wandern. Wie und wann kam","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"sie dort hin? Ja, das mag die Glocke selbst erzählen, wenn sie kann, es ist","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"nicht von großer Wichtigkeit; aber soviel steht bestimmt fest, daß sie nach der","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Hauptstadt Bayerns kam. Viele Jahre waren dahingeflossen, seitdem sie vom Turm","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"gestürzt war; nun sollte sie eingeschmolzen werden; sollte mit dem Guße eines","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Ehrendenkmals, zur Bildsäule eines deutschen Geisteshelden verwandt werden. Höre","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"nun, wie es sich traf; wunderbar und herrlich geht es doch in dieser Welt zu.","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"In Dänemark, auf einer der grünen Inseln, wo die Buche wächst und wo die vielen","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Hünengräber sich erheben, lebte ein ganz armer Knabe. In Holzschuhen war er","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"einhergegangen und hatte seinem Vater, einem Holzschnitzer, Essen in einem alten","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Tuche hingetragen. Das arme Kind war der Stolz seines Landes geworden, herrliche","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Marmorwerke schuf er, welche die Bewunderung der Welt erregten, und er war es","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"gerade, der den Ehrenauftrag erhielt, in Ton die Gestalt einer unvergleichlichen","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Größe, einer strahlenden Schönheit zu bilden, die in Erz gegossen werden könnte,","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"das Bild jenes Knaben, dessen Namen der Vater in seine Bibel geschrieben hatte:","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Johann Christoph Friedrich.","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Und in die Form floß das glühende Erz, die alte Kirchenglocke – niemand dachte","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"an ihre Heimat, niemand an ihr verhalltes Klingen; die Glocke floß mit in","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"die Form und bildete das Haupt und die Brust der Statue, die jetzt enthüllt","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"in Stuttgart vor dem alten Schloße steht, auf jenem Platze, wo er, den sie","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"vorstellt, zu Lebzeiten einherging unter Kampf und Streben, unter dem Drucke der","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Welt, er, der Knabe von Marbach, der Zögling der Karlsschule, der Flüchtling,","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Deutschlands großer unsterblicher Dichter, der von dem Befreier der Schweiz und","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Frankreichs gottbegeisterter Jungfrau sang.","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Es war ein sonniger Tag, Fahnen wehten von den Türmen und Dächern der","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"königlichen Hauptstadt Stuttgart, die Kirchenglocken läuteten zu Fest und","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Freude, nur eine Glocke schwieg, sie leuchtete in dem klaren Sonnenschein,","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"leuchtete von Antlitz und Brust der errichteten Statue. Hundert Jahre waren","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"gerade seit jenem Tage verflossen, wo die Glocke auf Marbachs Turm Freude und","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Trost der leidenden Mutter zuläutete, die ihr Kind gebar, arm im armen Hause,","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"aber dereinst der reiche Mann, dessen Schätze die Welt segnet; hundert Jahre","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"verflossen seit der Geburt des Dichters edler Frauenherzen, des Sängers des","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Großen und Herrlichen, seit der Geburt Johann Christian Friedrich Schillers.","book":"Die alte Kirchenglocke"} {"text":"Des Trommelschlägers Frau ging zur Kirche; sie sah den neuen Altar mit den","book":"Der Goldschatz"} {"text":"gemalten Bildern und den geschnitzten Engeln; die waren ganz wunderschön,","book":"Der Goldschatz"} {"text":"sowohl die auf der Leinwand mit Farben und einen Heiligenschein als auch die","book":"Der Goldschatz"} {"text":"in Holz geschnitzten, die angemalt und vergoldet waren. Das Haar strahlte wie","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Gold und Sonnenschein, wunderschön war das; aber Gottes Sonnenschein war doch","book":"Der Goldschatz"} {"text":"noch schöner; der schien klarer, röter zwischen den dunklen Bäumen, wenn die","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Sonne unterging. Wunderschön war es, in Gottes Antlitz hineinzusehen! Und sie","book":"Der Goldschatz"} {"text":"sah in die rote Sonne hinein, und sie dachte so vieles dabei, sie dachte an den","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Kleinen, den der Storch bringen sollte, und die Frau des Trommelschlägers war so","book":"Der Goldschatz"} {"text":"glücklich in dem Gedankten, sie sah und sah, und sie wünschte, das Kind möchte","book":"Der Goldschatz"} {"text":"einen Widerschein von all diesem Glanz bekommen, möchte doch wenigsten einem von","book":"Der Goldschatz"} {"text":"den strahlenden Engeln auf dem Altarbild gleichen.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Und als sie dann ihr kleines Kind wirklich in den Armen hielt und es dem Vater","book":"Der Goldschatz"} {"text":"hinreichte, da sah es aus wie einer von den Engeln in der Kirche, das Haar war","book":"Der Goldschatz"} {"text":"wie Gold, der Schein der untergehenden Sonne lag darauf.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Mein Goldschatz, mein Reichtum, mein Sonnenschein!\" sagte die Mutter","book":"Der Goldschatz"} {"text":"und küßte die strahlenden Locken; und es klang wie Musik und Gesang in","book":"Der Goldschatz"} {"text":"des Trommelschlägers Stube; da war Freude und Leben und Bewegung. Der","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Trommelschläger schlug einen Wirbel, einen Freudenwirbel. Die Trommel ging, die","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Feuertrommel ging:","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Rotes Haar! Der Junge hat rotes Haar! Glaub dem Trommelfell und nicht den","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Worten der Mutter! Trommelom! Trommelom!\"","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Man brachte den Kleinen in die Kirche, er wurde getauft. Er wurde Peter","book":"Der Goldschatz"} {"text":"genannt; über den Namen war nichts zu sagen. Die ganze Stadt, die Trommel mit","book":"Der Goldschatz"} {"text":"inbegriffen, nannte ihn Peter, den Trommelschlägerjungen mit dem roten Haar;","book":"Der Goldschatz"} {"text":"aber seine Mutter küßte ihn auf das rote Haar und nannte ihn Goldschatz.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Im Hohlwege, an der steilen Lehmwand, hatten gar viele ihre Namen eingeritzt,","book":"Der Goldschatz"} {"text":"zur Erinnerung.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Ruhm,\" sagte der Trommelschläger, \"das ist immer etwas!\" Und dann ritzte er","book":"Der Goldschatz"} {"text":"auch seinen Namen und den seines kleinen Sohnes dort ein.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Und die Schwalben kamen; sie hatten auf ihren langen Reisen dauerhaftere Schrift","book":"Der Goldschatz"} {"text":"in den Felsabhang, in die Wand des Tempels in Hindustan eingeritzt gesehen:","book":"Der Goldschatz"} {"text":"große Taten von mächtigen Königen, unsterbliche Namen, so alt, daß jetzt niemand","book":"Der Goldschatz"} {"text":"sie mehr lesen oder aussprechen konnte.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Namenswert! Berühmtheit!","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Im Hohlweg bauten die Schwalben; sie bohrten sich Löcher in den Abhang, Wind und","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Regen bröckelten und spülten die Namen hinweg, auch den des Trommelschlägers und","book":"Der Goldschatz"} {"text":"seines kleinen Sohnes.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Peters Name blieb doch anderthalb Jahre stehen!\" sagte der Vater. \"Der Tor!\"","book":"Der Goldschatz"} {"text":"dachte die Feuertrommel, aber sie sagte nur: \"Dum, dum, dum! Dummelum!\"","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Es war ein Knabe voll Lust und Leben, dieser Trommelschlägerjunge mit dem roten","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Haar!\" Eine wunderschöne Stimme hatte er, er konnte singen, und er sang wie der","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Vogel im Walde; da war Melodie und doch keine Melodie.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Er muß Chorknabe werden,\" sagte die Mutter, \"in der Kirche singen und dort","book":"Der Goldschatz"} {"text":"unter den schönen, vergoldeten Engeln stehen, denen er gleicht!\"","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Feuerroter Kater!\" sagten die witzigen Köpfe in der Stadt. Die Trommel hörte es","book":"Der Goldschatz"} {"text":"von den Nachbarsfrauen.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Geh nicht nach Hause, Peter!\" riefen die Straßenjungen. \"wenn du im","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Dachstübchen schläfst, so brennt es im obersten Stockwerk, und die Feuertrommel","book":"Der Goldschatz"} {"text":"geht!\"","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Nehmt euch in acht vor den Trommelschlegeln!\" sagte Peter; und wie klein er","book":"Der Goldschatz"} {"text":"auch war, ging er doch dreist drauflos und hieb gleich dem nächsten die Faust","book":"Der Goldschatz"} {"text":"in den Magen, so daß ihm die Beine unterm Leib wegrutschten und die andern die","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Beine in die Hand nahmen, das heißt, die eigenen.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Der Stadtmusikant war so vornehm und fein, er war der Sohn eines königlichen","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Silberbewahrers; der fand Gefallen an Peter, nahm ihn stundenlang mit nach","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Hause, schenkte ihm eine Violine und lehrte ihn spielen; es war, als liege es","book":"Der Goldschatz"} {"text":"dem Jungen in den Fingern, er würde mehr als Trommelschläger werden, er würde","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Stadtmusikant werden.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Ich will Soldat werden!\" sagte Peter; denn er war noch ein ganz kleiner Junge","book":"Der Goldschatz"} {"text":"und fand, das Schönste in der Welt sei, ein Gewehr zu tragen und so gehen zu","book":"Der Goldschatz"} {"text":"können: eins, zwei\" eins, zwei! und Uniform und Säbel zu tragen. \"Du sollst","book":"Der Goldschatz"} {"text":"lernen, dem Trommelfell zu gehorchen! Trommelom! Komm, komm!\" sagte die Trommel.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Ja, wenn er nur bis zum General hinaufmarschieren könnte,\" sagte der Vater,","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"aber dann muß Krieg sein!\"","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Davor behüte uns Gott!\" sagte die Mutter.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Wir haben nichts zu verlieren!\" sagte der Vater.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Ohne Arme und Beine!\" sagte die Mutter. \"Nein, meinen Goldschatz will ich heil","book":"Der Goldschatz"} {"text":"und ganz behalten!\"","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Trom, trom, trom!\" Die Feuertrommel ging, alle Trommeln gingen. Es war Krieg.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Die Soldaten zogen davon, und der Trommelschlägerjunge zog mit. \"Rotkopf!","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Goldschatz!\" Die Mutter weinte; der Vater sah ihn in Gedanken schon ruhmbedeckt,","book":"Der Goldschatz"} {"text":"der Stadtmusikant meinte, er solle nicht in den Krieg gehen, sondern bei der","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Musik daheim bleiben.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Rotkopf!\" sagten die Soldaten, und Peter lachte; sagte aber einer \"Fuchspelz!\"","book":"Der Goldschatz"} {"text":"dann biß er den Mund zusammen und sah in die weite Welt hinaus, das Schimpfwort","book":"Der Goldschatz"} {"text":"ging ihn nichts an.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Tüchtig war der Junge, frisch war sein Sinn und seine Laune froh, und das sei","book":"Der Goldschatz"} {"text":"die beste Feldflasche, sagten die alten Kameraden.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"In Wind und Regen, bis auf die Haut durchnäßt, mußte er manch liebe Nacht unter","book":"Der Goldschatz"} {"text":"offnem Himmel liegen, aber die gute Laune verließ ihn nicht. Die Trommelschlegel","book":"Der Goldschatz"} {"text":"flogen: \"Trommelom! Alle Mann auf!\" Ja, wahrlich, er war ein geborener","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Trommelschläger!","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Es war am Morgen der Schlacht. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, die","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Luft war kalt, der Kampf war heiß, In der Luft hing Nebel, aber noch mehr","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Pulverdampf. Die Kugeln und Granaten flogen über die Köpfe hinweg und in die","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Köpfe hinein und in die Leiber und die Glieder; doch vorwärts ging es. Hier","book":"Der Goldschatz"} {"text":"und da sank einer in die Knie mit blutiger Schläfe, kreideweiß im Gesicht.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Der kleine Trommelschläger hatte seine gesunde Farbe noch; ihm war kein Haar","book":"Der Goldschatz"} {"text":"gekrümmt; mit strahlendem Gesicht sah er dem Regimentshund zu, der vor ihm","book":"Der Goldschatz"} {"text":"hersprang, so fröhlich, als sei das Ganze ein Scherz, als schlügen die Kugeln","book":"Der Goldschatz"} {"text":"nur nieder, um mit ihm zu spielen.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Marsch! Vorwärts, marsch,\" so lauteten die Kommandoworte für die Trommel; und","book":"Der Goldschatz"} {"text":"die Worte waren nicht zurückzunehmen; aber sie konnten dennoch zurückgenommen","book":"Der Goldschatz"} {"text":"werden, und es kann ein tiefer Sinn darin liegen. Und jetzt hieß es auf einmal:","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Rückwärts, marsch!\" aber da schlug der kleine Trommelschläger: \"Vorwärts","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Marsch!\" Er hatte das Kommando so verstanden, und die Soldaten gehorchten dem","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Trommelfell. Es waren gute Trommelschläge, sie verleihen denen, die im Begriff","book":"Der Goldschatz"} {"text":"waren zurückzuweichen, den Sieg.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Leben und Glieder wurden in dieser Schlacht eingebüßt. Die Granate zerreißt das","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Fleisch in blutige Stücke; die Granate zündet den Strohhaufen an, zu dem sich","book":"Der Goldschatz"} {"text":"der Verwundete hingeschleppt hat, um viele Stunden, vielleicht für dies ganze","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Leben verlassen dazuliegen. Es hilft nicht, darüber nachzudenken! Und doch denkt","book":"Der Goldschatz"} {"text":"man daran, selbst in weiter Ferne, in der friedlichen Stadt; dort dachten der","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Trommelschläger und seine Frau daran: Peter war ja mit im Krieg!","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Jetzt hab ich das Gejammer satt!\" sagte die Feuertrommel.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Es war am Morgen der Schlacht; die Sonne war noch nicht aufgegangen. Der","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Trommelschläger und seine Frau schliefen; sie hatten fast die ganze Nacht","book":"Der Goldschatz"} {"text":"gewacht und von dem Sohn geredet; er war ja da draußen - \"in Gottes Hand.\" Und","book":"Der Goldschatz"} {"text":"der Vater träumte, daß der Krieg beendet sei, die Soldaten kehrten heim, und","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Peter hatte das silberne Kreuz auf der Brust; aber die Mutter träumte, sie komme","book":"Der Goldschatz"} {"text":"in die Kirche und sehe die gemalten Bilder und die geschnitzten Engel mit dem","book":"Der Goldschatz"} {"text":"vergoldeten Haar an, ihr eigener lieber Junge, ihres Herzens Goldschatz aber","book":"Der Goldschatz"} {"text":"stand in weißen Kleidern mitten zwischen den Engeln und sang so herrlich, wie","book":"Der Goldschatz"} {"text":"wohl nur Engel singen können, und mit denen hob er sich in den Sonnenschein","book":"Der Goldschatz"} {"text":"empor und nickte seiner Mutter so liebevoll zu.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Mein Goldschatz!\" rief sie und erwachte im selben Augenblick.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Jetzt hat der liebe Gott ihn zu sich genommen!\" sagte sie, faltete ihre Hände,","book":"Der Goldschatz"} {"text":"lehnte den Kopf gegen den Kattun-Bettvorhang und weinte. \"Wo ruht er jetzt?","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Unter den Vielen in dem großen Grab, das sie für die Toten graben? Vielleicht","book":"Der Goldschatz"} {"text":"in dem tiefen Moor! Niemand kennt sein Grab! Kein Gotteswort wird darüber","book":"Der Goldschatz"} {"text":"gesprochen!\" Und ein Vaterunser glitt lautlos über ihre Lippen. Der Kopf sank","book":"Der Goldschatz"} {"text":"herab, sie war so müde und schlummerte ein.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Die Tage gehen dahin, im Leben und im Traum!","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Es war gegen Abend; ein Regenbogen spannte sich über der Walstatt aus, er","book":"Der Goldschatz"} {"text":"berührte den Wald und das tiefe Moor. Ein alter Aberglaube sagt: wo der","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Regenbogen die Erde berührt, liegt ein Schatz begraben, ein Goldschatz; auch","book":"Der Goldschatz"} {"text":"hier lag einer, niemand dachte an den kleinen Trommelschläger außer seiner","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Mutter, und daher träumte sie das.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Und die Tage gehen dahin, im Leben wie im Traum!","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Nicht ein Haar war auf seinem Haupte gekrümmt, nicht ein Goldhaar. \"Trammeram,","book":"Der Goldschatz"} {"text":"trammeram, da ist er!\" hätte die Trommel sagen, hätte seine Mutter singen","book":"Der Goldschatz"} {"text":"können, wenn sie es gesehen oder geträumt hätte.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Mit Gesang und Hurra, mit Siegesgrün ging es heimwärts, als der Krieg beendet,","book":"Der Goldschatz"} {"text":"als der Friede geschlossen war. Der Regimentshund sprang in großen Bogen voran,","book":"Der Goldschatz"} {"text":"als wollte er sich den Weg dreimal so lang machen, wie er war. Und Wochen","book":"Der Goldschatz"} {"text":"vergingen, und Tage vergingen, und Peter trat in die Stube der Eltern; er war so","book":"Der Goldschatz"} {"text":"braun wie ein Wilder, seine Augen waren so klar, sein Gesicht strahlte wie eitel","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Sonnenschein. Und die Mutter hielt ihn in den Armen, küßte seinen Mund, seine","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Augen, sein rotes Haar. Sie hatte ihren Jungen wieder; er hatte kein silbernes","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Kreuz auf der Brust, wie es der Vater geträumt hatte, aber er hatte seine heilen","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Glieder, was die Mutter nicht geträumt hatte. Und das war eine Freude! Sie","book":"Der Goldschatz"} {"text":"lachten, und sie weinten. Und Peter umarmte die alte Trommel.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Da steht ja das alte Gerümpel noch!\" sagte er. Und der Vater schlug einen","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Wirbel drauf.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Es ist wirklich, als wenn hier Großfeuer wäre!\" sagte die Feuertrommel.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Feuer im Dach, Feuer in den Herzen, Goldschatz! Rattatatat, Rattatatat!\"","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Und dann? Ja, was dann? Frage nur den kleinen Stadtmusikanten.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Peter wächst über die Trommel hinaus,\" sagte der, \"Peter wird größer als ich!\"","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Und er war doch der Sohn eines königlichen Silberbewahrers; aber alles, was er","book":"Der Goldschatz"} {"text":"in einem langen Leben gelernt hatte, das lernte Peter in einem halben Jahr. Es","book":"Der Goldschatz"} {"text":"lag etwas so Frisches, so Herzensgutes in seiner Natur. Die Augen strahlten, und","book":"Der Goldschatz"} {"text":"das Haar strahlte - das ließ sich nicht leugnen.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Er sollte sein Haar färben lassen!\" sagte die Nachbarin. \"Der Tochter des","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Polizeisergeanten ist es so herrlich geglückt! Und sie hat sich auch verlobt.\"","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Aber das Haar ist ja gleich nachher grün wie Entenflott geworden und muß nun","book":"Der Goldschatz"} {"text":"fortwährend aufgefärbt werden!\"","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Das erlauben ihr ihre Mittel!\" sagte die Nachbarin. \"Und Peter hat es ja auch","book":"Der Goldschatz"} {"text":"dazu. Er kommt in die vornehmsten Häuser, selbst bei Bürgermeisters, und gibt","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Fräulein Lotte Klavierstunden.\"","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Ja, spielen konnte er! Aus seinem Herzen heraus spielen, das schönste Stück das","book":"Der Goldschatz"} {"text":"noch auf keinem Notenblatt geschrieben stand. Er spielte in den hellen Nächten,","book":"Der Goldschatz"} {"text":"und er spielte in den dunklen Nächten. Es sei nicht auszuhalten, sagten die","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Nachbarn und die Feuertrommel.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Es spielte, so daß die Gedanken sich emporschwangen und große Zukunftspläne","book":"Der Goldschatz"} {"text":"aufstiegen: Ruhm!","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Und Bürgermeisters Lotte saß am Klavier ihre feinen Finger tanzten über die","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Tasten hin, so daß es in Peters Herz hineinklang; es war, als werde es ihm viel","book":"Der Goldschatz"} {"text":"zu groß. Und das geschah nicht einmal, sondern unzählige Male, und da umfaßte er","book":"Der Goldschatz"} {"text":"eines Tages die feinen Finger und die schöngeformte Hand und küßte sie und sah","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Lotte in die großen braunen Augen; der liebe Gott weiß, was er sagte, wir andern","book":"Der Goldschatz"} {"text":"dürfen es erraten. Lotte errötete über Hals und Schultern, nicht ein Wort sagte","book":"Der Goldschatz"} {"text":"sie - im selben Augenblick kam Besuch des Etatsrats Sohn, der eine hohe, blanke","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Stirn hatte, die bis ganz nach hinten, bis in den Nacken hineinreichte. Und","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Peter saß lange bei ihnen und Lotte sah ihn am freundlichsten an.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Am Abend, daheim, sprach er von der weiten Welt und von dem Geldschatz, der für","book":"Der Goldschatz"} {"text":"ihn in der Violine liege: Ruhm!","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Tummelum, tummelum, tummelumsk! sagte die Feuertrommel. \"Nein ist es ganz arg","book":"Der Goldschatz"} {"text":"mit Peter! Ich glaube, es brennt im Oberstübchen!\"","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Am nächsten Tag ging die Mutter auf den Markt.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Weißt du das Neueste, Peter?\" sagte sie, als sie zurückkam. \"Ganz was","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Wunderschönes! Bürgermeisters Lotte hat sich mit Etatrats ihrem Sohn verlobt;","book":"Der Goldschatz"} {"text":"gestern abend haben sie Verlobung gefeiert!\"","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Nein!\" sagte Peter und sprang vom Stuhl auf. Die Mutter sagte aber: ja; sie","book":"Der Goldschatz"} {"text":"hatte es von der Frau des Barbiers gehört, und der ihr Mann hatte es aus des","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Bürgermeisters eignem Munde.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Und Peter wurde bleich wie eine Leiche, und er setzte sich wieder hin.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Großer Gott, was fehlt dir nur einmal?\" sagte die Mutter.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Nichts, nichts! Laßt mich nur!\" sagte er, und die Tränen rannen ihm an den","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Wangen herab.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Mein Herzensjunge, mein Goldschatz!\" sagte die Mutter und weinte, aber die","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Feuertrommel sang inwendig, nicht auswendig: \"Lott ist tot, Lott ist tot!\" Ja,","book":"Der Goldschatz"} {"text":"nun ist das Lied aus!","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Das Lied war nicht aus, da waren noch viele Verse, lange Verse, die","book":"Der Goldschatz"} {"text":"allerschönsten, der Goldschatz eines Lebens.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Wie läuft sie wie verrückt herum und spielt stich auf!\" sagte die Nachbarin.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Alle Welt soll die Briefe lesen, die sie von ihrem Goldschatz kriegt, soll","book":"Der Goldschatz"} {"text":"hören, was die Zeitungen von ihm und seiner Violine erzählen. Und Geld schickt","book":"Der Goldschatz"} {"text":"er ihr, das hat sie ja auch nötig, jetzt, wo sie Witwe ist.\"","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Er spielt vor Kaisern und Königen!\" sagte der Stadtmusikant. \"Das war mir nicht","book":"Der Goldschatz"} {"text":"beschieden; aber er ist mein Schüler, und er vergißt seinen alten Lehrer nicht.\"","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Vater träumte einmal, Peter käme mit dem silbernen Kreuz auf der Brust aus dem","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Krieg nach Hause,\" sagte die Mutter. \"Im Krieg hat er es nicht gekriegt, da ist","book":"Der Goldschatz"} {"text":"es wohl sehr schwer zu kriegen! Aber nun hat er das Ritterkreuz! Das hätte Vater","book":"Der Goldschatz"} {"text":"doch noch erleben sollen!\"","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Berühmt!\" sagte die Feuertrommel, und die Geburtsstadt sagte es auch; der","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Trommelschlägerjunge, Peter mit dem roten Haar, Peter, den sie alle als kleinen","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Burschen mit Holzschuhen gekannt hatten, den sie als Trommelschläger gesehen und","book":"Der Goldschatz"} {"text":"der ihnen zum Tanz aufgespielt hatte, der war jetzt berühmt!","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Er hat uns was vorgespielt, ehe er vor Kaisern und Königen spielte!\" sagte des","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Bürgermeisters Frau. \"Er war damals ganz weg in Lotte! Er hat immer hoch hinaus","book":"Der Goldschatz"} {"text":"gewollt. Damals war es unverschämt und töricht! Mein eigener Mann hat gelacht,","book":"Der Goldschatz"} {"text":"als er von dem Unsinn hörte! Jetzt ist Lotte Etatsrätin!\"","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Es war ein Goldschatz in das Herz und die Seele des armen Kindes gelegt, das","book":"Der Goldschatz"} {"text":"als kleiner Trommelschläger \"Marsch, vorwärts!\" schlug. Siegestöne für die, die","book":"Der Goldschatz"} {"text":"im Begriff waren, zu fliehen. In seiner Brust lag ein Goldschatz, ein Quell von","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Tönen, sie brausten aus seiner Violine, als steckte eine ganze Orgel da drinnen,","book":"Der Goldschatz"} {"text":"als tanzten alle die Elfen einer Sommernacht über die Saiten hin; daher rief","book":"Der Goldschatz"} {"text":"er auch Entzücken in aller Herzen wach, und sein Name ward durch alle Lande","book":"Der Goldschatz"} {"text":"getragen. Es war eine große Feuersbrunst, das Feuer der Begeisterung brannte","book":"Der Goldschatz"} {"text":"lichterloh.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Und dann ist er so schön!\" sagten die jungen Damen, und die alten sagten es","book":"Der Goldschatz"} {"text":"auch; ja, die allerälteste schaffte sich ein Album für berühmte Haarlocken","book":"Der Goldschatz"} {"text":"an, nur um sich eine Locke von dem reichen, schönen Haarwuchs des jungen","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Violinspielers ausbitten zu können, einen Schatz, einen Goldschatz.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Und in das ärmliche Stübchen des Trommelschlägers trat der Sohn, fein wie","book":"Der Goldschatz"} {"text":"ein Prinz, glücklicher als ein König. Die Augen waren so klar, das Antlitz","book":"Der Goldschatz"} {"text":"war eitel Sonnenschein. Und er hielt seine Mutter in den Armen, und sie küßte","book":"Der Goldschatz"} {"text":"seinen warmen Mund und weinte so glückselig, wie man vor Freude weint; und er","book":"Der Goldschatz"} {"text":"nickte jedem alten Möbel im Zimmer zu, der Kommode mit den Teetassen und den","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Blumengläsern darauf; er nickte der Bettbank zu, auf der er als kleiner Knabe","book":"Der Goldschatz"} {"text":"geschlafen hatte; aber die alte Feuertrommel stellte er mitten in die Stube und","book":"Der Goldschatz"} {"text":"sagte zur Mutter und zur Trommel. \"Vater würde heute einen Wirbel geschlagen","book":"Der Goldschatz"} {"text":"haben! Jetzt muß ich es tun!\"","book":"Der Goldschatz"} {"text":"Und er schlug ein wahres Donnerwetter auf der Trommel, und die fühlte sich so","book":"Der Goldschatz"} {"text":"geehrt dadurch, daß ihr das Trommelfell zerplatzte.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"\"Er schlägt eine prächtige Faust!\" sagte die Trommel. \"Nun habe ich doch für","book":"Der Goldschatz"} {"text":"immer eine Erinnerung an ihn! Ich denk mir, Mutter wird auch noch platzen vor","book":"Der Goldschatz"} {"text":"lauter Freude über ihren Goldschatz.\" Das ist die Geschichte vom Goldschatz.","book":"Der Goldschatz"} {"text":"In alten Tagen, als Großvater ein ganz kleiner Knabe war und mit roten Höschen","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"umherlief, auch mit einem roten Rocke, mit einen Gurt um den Leib und einer","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Feder aus der Casquette - denn so gingen die kleinen Knaben in seiner Kindheit","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"gekleidet, wenn sie recht geputzt waren -, da war so vieles ganz anders wie","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"jetzt; da war gar oft viel Staat auf der Straße, Staat, den wir nicht mehr","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"sehen, weil er abgeschafft ist - er war zu altväterisch; aber unterhaltend ist","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"es doch, Großvater davon erzählen zu hören.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Es muß damals wirklich ein Staat gewesen sein, als der Schuhmacher beim Wechsel","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"des Gerichtshauses das Schild hinüberbrachte. Die seidene Fahne wehte; auf das","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Schild selber waren ein großer Stiefel und ein Adler mit zwei Köpfen gemalt;","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"die jüngsten Buschen trugen das \"Willkommen\" und die Lade der Handwerker-Innung","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"und hatten rote und weiße Bänder an ihren Hemdärmeln herabflattern; die älteren","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"trugen gezogene Degen mit einer Zitrone auf der Spitze. Da war tolle Musik,","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"und das prächtigste von allen Instrumenten war \"der Vogel\" wie Großvater die","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"große Stange nannte mit dem Halbmonde daran und allen möglichen Tingeltangel;","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"eine richtig türkische Musik. Die Stange wurde hoch in die Luft gehoben und","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"geschwungen, daß es klingelte und klang und es einem die Augen blendete, wenn","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"die Sonne auf das Gold, Silber und Messing schien.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Vor dem Zuge her lief der Harlekin in Kleidern von allen möglichen bunten","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Lappen zusammengenäht, mit schwarzem Gesicht und Glöckchen um den Kopf wie","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"ein Schlittenpferd; der schlug mit seiner Pritsche auf die Leute ein, daß es","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"klatschte, ohne ihnen Schaden zu tun, und die Leute drückten sich zusammen,","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"um zurückzuweichen und gleich wieder hervorzukommen; kleine Knaben und Mädchen","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"fielen über ihre eigenen Füße in den Rinnstein; alte Frauen pufften mit den","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Ellenbogen, machten saure Miene und schnupften. Der eine lachte, ein anderer","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"schwatzte; das Volk war auf den Treppen und in den Fenstern, ja auf den Dächern.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Die Sonne schien; ein wenig Regen bekamen sie auch, aber das war gut für den","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Landmann, und wenn sie so recht patschnaß wurden, so war das ein wahrer Segen","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"für das Land.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Wie Großvater erzählen konnte! Er hatte als kleiner Knabe den Staat in der","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"größten Pracht gesehen. Der älteste Gerichtsdiener hielt die Rede vom Gerüst, wo","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"das Schild aufgehängt wurde; die Rede war in Versen, als ob sie gedichtet sei,","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"und das war sie auch; es waren ihrer drei dazu gewesen; sie hatten erst eine","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"tüchtige Terrine Punsch getrunken, um es recht gut zu machen.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Und das Volk brachte für die Rede ein Hurra aus, aber rief noch öfter: \"Hurra","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"für den Harlekin,\" als er auf dem Gerüst zum Vorschein kam und den Leuten einen","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"schiefen Mund zog.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Der Narr machte einen ausgezeichneten Narren und trank Met aus Schnapsgläsern,","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"die er kann unter das Volk schleuderte, wo sie von den Leuten aufgefangen","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"wurden. Großvater war im Besitz eines solchen, das ihm ein Maurergeselle, der es","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"erwischt, verehrt hatte. Das war wirklich belustigend. Das Schild an dem neuen","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Gerichtshause war mit Blumen behangen.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"\"Solch einen Staat vergißt man niemals, wie alt man auch werden mag,\" sagte","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Großvater, und er vergaß es auch nicht, obgleich er noch viel andere Pracht und","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Herrlichkeiten gesehen hatte und auch davon erzählte; das Ergötzlichste blieb","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"aber doch immer, ihn von dem Schild erzählen zu hören, das in der großen Stadt","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"von dem alten zu dem neuen Gerichtshause gebracht wurde.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Der Großvater reiste als kleiner Knabe mit seinen Eltern zu der Feierlichkeit;","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"er hatte die größte Stadt des Landes vorher nie gesehen. Da waren so viele","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Menschen auf der Straße, daß er glaubte, man trüge schon das Schild fort; es gab","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"da viele Schilder, man hätte hundert Stuben mit Bildern anfüllen können, hätte","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"man sie inwendig und auswendig aufgehängt. Da waren bei dem Schneider alle Arten","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"von Menschenkleidern abgemalt, und er konnte die Leute vom Groben bis zum Feinen","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"benähen; da waren die Schilder von den Tabakswicklern, mit den anmutigsten","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"kleinen Knaben welche Zigarren rauchten, ebenso wie in der Wirklichkeit; da","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"waren Schilder mit Butter und Heringen, Priesterkragen und Särgen und außerdem","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Inschriften und Anschlagzettel; man konnte recht gut einen ganzen Tag in den","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Straßen auf und nieder gehen und sich an den Bildern müde sehen; dann wußte man","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"aber auch das Ganze und welche Menschen in den Häusern wohnten, denn sie hatten","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"ja ihr Schild selber herausgehängt, und das ist so gut, sagte der Großvater, und","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"auch so lehrreich, gleich in einer großen Stadt zu wissen, wer darinnen wohnt.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"So trug sich das mit den Schildern zu, als der Großvater in die Stadt kam; er","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"hat es selbst erzählt, und er hatte keinen Schelm im Nacken, wie die Mutter","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"glaubte, und hätte es mir gesagt, wenn er mir etwas weismachen wollte; er sah","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"ganz zuverlässig aus.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Die erste Nacht, als er zur Stadt gekommen, war hier das fürchterlichste","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Wetter gewesen, wovon man noch jemals in der Zeitung gelesen: ein Wetter,","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"wie sich niemals ein Mensch erinnerte erlebt zu haben. Die ganze Luft war mit","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Ziegelsteinen angefüllt; altes Holzwerk stürzte zusammen; ja ein Schubkarren","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"lief ganz von selber die Straße hinauf, nur um sich zu retten. Es brüllte in","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"der Luft, es heulte und kreischte, es war ein entsetzlicher Sturm. Das Wasser","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"im Kanal lief über das Bollwerk hinaus, denn es wußte nicht, wo es bleiben","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"sollte. Der Sturm fuhr über die Stadt hin und nahm die Schornsteine mit; mehr","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"als eine alte, stolze Kirchturmspitze mußte sich beugen und hat das seitdem nie","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"verwunden.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Da stand ein Schilderhaus, draußen, wo der alte, anständige Brand-Major","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"wohnte, der immer mit der letzten Spritze kam; der Sturm wollte ihm das kleine","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Schilderhaus nicht gönnen, es wurde aus den Fugen gerissen und rollte die Straße","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"hinab; und wunderbar genug erhob es sich wieder und blieb vor dem Hause des","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Zimmergesellen stehen, der bei dem letzten Brande drei Menschenleben gerettet","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"hatte; aber das Schilderhaus dachte sich nichts dabei.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Das Schild vom Barbier, der große Messingteller, wurde heruntergerissen und","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"gerade in die Fenstervertiefung des Justizrates geschleudert, und das sah","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"fast wie Bosheit aus, so sagte die ganze Nachbarschaft, weil diese und die","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"allerintimsten Freundinnen der Frau Justizrätin sie Rasiermesser nannten. Sie","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"war so klug, daß sie von den Menschen mehr als die Menschen über sich selber","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"wußte.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Da flog ein Schild mit einem abgerissenen, trocknen Klippfische gerade über","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"die Tür eines Hauses, wo ein Mann wohnte, der eine Zeitung schrieb. Das","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"war ein flauer Scherz von dem Sturmwinde, der nicht daran dachte, daß ein","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Zeitungsschreiber gar nicht geschaffen ist, um mit sich scherzen zu lassen,","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"denn er ist ein König in seiner eigenen Zeitung und auch in seiner eigenen","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Meinung. Der Wetterhahn flog auf das gegenüberliegende Dach und stand da wie die","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"schwärzeste Bosheit - sagten die Nachbarn.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Die Tonne des Faßbinders wurde unter \"Damenputz\" aufgehängt.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Des Gastwirts Speisezettel in einem schweren Rahmen, der an der Türe hing,","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"wurde vom Sturme über den Eingang des Theaters gestellt, wo die Leute niemals","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"hinkommen; es war ein lächerliches Plakat: \"Meerrettichsuppe und gefüllter","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Kohlkopf,\" aber jetzt kamen die Leute.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Des Kürschners Fuchspelz, der sein ehrbares Schild ist, wurde an die","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Klingelschnur des jungen Mannes geschleudert, der immer in die Frühpredigt ging,","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"wie ein heruntergeschlagener Regenschirm aussah, nach Wahrheit strebte und, wie","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"seine Tante sagte, ein \"Exempel\" war.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Die Inschrift \"Höhere Bildungsanstalt\" wurde über den Billardklub","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"hingeschleudert, und die Anstalt selber bekam das Schild \"Hier zieht man Kinder","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"mit der Flasche auf\"; das war gar nicht witzig, nur unartig, aber das hatte der","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Sturm getan, und den kann man nicht regieren.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Es war eine fürchterliche Nacht, und am Morgen - denkt nur - waren fast alle","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Schilder der Stadt verwechselt; an einigen Orten war es mit so großer Bosheit","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"geschehen, daß Großvater gar nicht davon reden wollte, aber doch, wie ich ganz","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"gut gesehen, inwendig lachte, und da ist es doch wohl möglich, daß er etwas","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"hinter den Ohren hatte.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Die armen Leute in der Stadt, und ganz besonders die Fremden, irrten sich nun","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"in den Menschen, und es konnte auch nicht gut anders sein, wenn sie sich nach","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"dem Schilde richteten. So wollten einige zu einer ernsten Versammlung älterer","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Männer, wo die wichtigsten Dinge verhandelt werden sollten, und kamen nun in","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"eine kreischende Knabenschule, wo alle über Tisch und Bänke sprangen.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Es waren auch Leute da, die die Kirche mit dem Theater verwechselten, und das","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"ist doch entsetzlich!","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Einen solchen Sturm hat es in heutiger Zeit nicht mehr gegeben, bloß Großvater","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"hat ihn erlebt, und da war er noch sehr klein; ein solcher Sturm kommt","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"vielleicht auch zu unseren Lebzeiten gar nicht vor, aber zu Lebzeiten unserer","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"Enkel - dann wollen wir aber hoffen und beten, daß sie in ihren vier Wänden","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"bleiben, wenn der Sturm mit den Schildern umzieht.","book":"Der Sturm zieht mit den Schildern um"} {"text":"An Seelands Küste, gegenüber von Holsteinborg, lagen einmal zwei waldbewachsene","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Inseln, Vänö und Glänö, auf denen waren Kirchdörfer und Höfe; sie lagen nahe am","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Strande, sie langen einander nahe, nun ist da nur die eine Insel.","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Eines Nachts war ein entsetzliches Wetter, das Meer stieg, wie es seit","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Menschengedenken nicht gestiegen war, der Sturm nahm gewaltig zu, es war ein","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Wetter wie am Jüngsten Tag, es toste, als ob die Erde risse, die Kirchenglocken","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"kamen in Schwung und läuteten ohne Menschenhilfe.","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"In dieser Nacht verschwand Vänö in der Tiefe des Meeres; es war, als ob es diese","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Insel niemals gegeben hätte. Aber später, in mancher Sommernacht bei stiller,","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"klarer Ebbe, wenn der Fischer draußen war, um Aale zu fangen mit einem Licht","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"vorne im Schiff, sah er mit ordentlich scharfem Blick tief unter sich Vänö","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"liegen mit seinem weißen Kirchturm und der hohen Kirchenmauer. \"Vänö warten","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"auf Glänö,\" sagte die Sage; er sah die Insel, er hörte die Kirchenglocken unten","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"läuten, aber darin irrte er doch, es waren gewiß Töne von den vielen wilden","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Schwänen, die hier oft auf der Wasserflut liegen; die glucksen und klagen, als","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"hörte man aus weiter Ferne Glockenklang.","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Es gab eine Zeit, da sich noch viele alte Leute auf Glänö jener Sturmnacht","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"erinnerten, und das sie selber als kleine Kinder in der Ebbe zwischen den","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"beiden Inseln gefahren waren, wie man heutzutage von Seelands Ufer nicht weit","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"von Holsteinborg hinüber nach Glänö fährt, das Wasser reicht nur bis in die","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Mitte der Räder. \"Vänö warten auf Glänö,\" wurde gesagt, und es wurde Sage und","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Gewißheit.","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Mancher kleine Junge oder manches kleine Mädchen lagen in stürmischen Nächten","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"und dachten: \"Heute nacht kommt die Stunde, da Vänö Glänö holt.\" In Angst","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"beteten sie ihr Vaterunser, schliefen dann ein, träumten süß - und am nächsten","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Morgen war Glänö noch da mit seinen Wäldern und Kornfelder, seinen freundlichen","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Bauernhäusern und Hopfengärten; der Vogel sang, der Damhirsch sprang; der","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Maulwurf roch kein Meerwasser, solange er wühlen konnte.","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Und doch sind Glänös Tage gezählt; wir können nicht sagen,wie viele es sind,","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"aber eines schönen Morgens ist die Insel verschwunden.","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Du warst vielleicht von noch gestern drunten am Ufer, sahst die wilden Schwäne","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"auf dem Wasser liegen zwischen Seeland und Glänö, sahst ein Segelboot mit","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"ausgespannten Segeln am Walddickicht vorbeigleiten, du selber fuhrst durch den","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"niederen Wasserstand, es gab keinen andern Fahrweg, die Rosse stampften in das","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Wasser, es spritzte um die Wagenräder.","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Du bis von dort weggereist, vielleicht nur ein kleines Stück, in die weite Welt","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"hinausgereist und kommst nach einigen Jahren wieder zurück; du siehst dann den","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"grünen Wald umschlossen von einer großen grünen Wiesenstrecke, wo das Heu vor","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"hübschen Bauernhäusern dufttet. Wo bist du? Holsteinborg prangt ja noch hier","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"mit seinen vergoldeten Turmspitzen, aber nicht dicht am Fjord, es liegt tiefer","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"hinein ins Land, du gehst durch den Wald, hin übers Feld, hinab zum Strand - wo","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"ist Glänö? Du siehst keine Waldinsel vor dir, du siehst das offne Wasser. Hat","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Vänö Glänö geholt, auf das es lange wartete? Wann war die Sturmnacht, in der es","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"geschah, in der die Erde zitterte, so daß das alte Holsteinborg viele tausend","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Hahnenschritte hinein ins Land versetzt wurde?","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Das war keine Sturmnacht, das war am hellen Sonntag. Die Menschenklugheit legte","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"einen Damm vor das Meer, die Menschenklugheit blies das Binnenwasser fort, band","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Glänö an das feste Land, der Fjord ist Wiese geworden mit üppigem Gras, Glänö","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"ist an Seeland festgewachsen. Der alte Hof liegt, wo er immer lag. Es war nicht","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Vänö, das Glänö holte, es war Seeland, das mit langen Deicharmen zugriff und","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"mit dem Atem der Pumpen blies und die Zauberworte sprach, das Vermählungswort,","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"und Seeland erhielt viele Morgen Land als Brautgabe. Das ist Wahrheit, das","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"ist wirklich, du kannst es sehen, statt es zu hören, die Insel Glänö ist","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"verschwunden.","book":"Vänö und Glänö"} {"text":"Wir reisen zur Pariser Ausstellung:","book":"Die Dryade"} {"text":"Jetzt sind wir da! Das war ein Flug, eine Fahrt, ganz ohne Zauberei; wir fahren","book":"Die Dryade"} {"text":"mit Dampf auf der Landstraße dahin.","book":"Die Dryade"} {"text":"Unsere Zeit ist die Zeit des Märchens.","book":"Die Dryade"} {"text":"Wir sind mitten in Paris in einem großen Hotel. Blumen schmücken die Treppen bis","book":"Die Dryade"} {"text":"oben hinaus, über die Stufen sind weiche Teppiche gebreitet.","book":"Die Dryade"} {"text":"Unser Zimmer ist gemütlich. Die Balkontür nach einem großen Platz hinaus steht","book":"Die Dryade"} {"text":"offen. Da untern wohnt der Frühling, er ist nach Paris gefahren und zur selben","book":"Die Dryade"} {"text":"Zeit eingetroffen wie wir, er kam in Gestalt eines großen jungen Kastanienbaumes","book":"Die Dryade"} {"text":"mit eben ausgeschlagenen feinen Blättern; wie ist er in Lenzschönheit gekleidet","book":"Die Dryade"} {"text":"vor allen andern Bäumen auf dem Platz! Einer von ihnen ist ganz ausgetreten","book":"Die Dryade"} {"text":"aus der Zahl der lebenden Bäume und liegt, mit den Wurzel ausgerissen, an die","book":"Die Dryade"} {"text":"Erde geworfen, da. Wo er gestanden hat, soll jetzt der frische Kastanienbaum","book":"Die Dryade"} {"text":"gepflanzt werden und wachsen.","book":"Die Dryade"} {"text":"Noch steht er, hoch aufgerichtet, auf dem schweren Wagen, der ihn heute morgen","book":"Die Dryade"} {"text":"nach Paris brachte, mehrere Meilen weit vom Lande her. Dort hatte er seit Jahren","book":"Die Dryade"} {"text":"dicht neben einer mächtigen Eiche gestanden, unter der oft der alte, prächtige","book":"Die Dryade"} {"text":"Geistliche saß, der zu den lauschenden Kindern sprach und ihnen erzählte. Der","book":"Die Dryade"} {"text":"junge Kastanienbaum hörte alles mit an; die Dryade, die in seinen Zweigen wohnte","book":"Die Dryade"} {"text":"und die ja noch ein Kind war, konnte zurückdenken bis zu der Zeit, wo der Baum","book":"Die Dryade"} {"text":"so klein war, daß er nur ein wenig über die hohen Grashalme und Farnkräuter","book":"Die Dryade"} {"text":"aufragte. Die waren schon so groß, wie sie werden konnten, aber der Baum wuchs","book":"Die Dryade"} {"text":"und nahm mit jedem Jahr zu, trank Luft und Sonnensein, bekam Tau und Regen und","book":"Die Dryade"} {"text":"wurde, was notwendig war, von den starken Winden gerüttelt und geschüttelt. Das","book":"Die Dryade"} {"text":"gehört mit zur Erziehung.","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Dryade freute sich ihres Daseins, freute sich über den Sonnenschein und den","book":"Die Dryade"} {"text":"Vogelgesang, am meisten aber über die Stimme der Menschen, sie verstand ihre","book":"Die Dryade"} {"text":"Sprache ebenso gut, wie sie die der Tiere verstand.","book":"Die Dryade"} {"text":"Schmetterlinge, Libellen und Fliegen, ja alles, was fliegen konnte, stattete","book":"Die Dryade"} {"text":"ihr einen Besuch ab; plaudern konnten sie alle; sie erzählten von dem Dorf, den","book":"Die Dryade"} {"text":"Weinbergen, dem Walde, dem alten Schloß mit seinem Park, in dem Kanäle waren","book":"Die Dryade"} {"text":"und Teiche. Dort unten im Wasser wohnten auch lebende Wesen, die auf ihre Weise,","book":"Die Dryade"} {"text":"unter dem Wasser, von Ort zu Ort fliegen konnten, Wesen mit Kenntnissen und","book":"Die Dryade"} {"text":"Nachdenken; sie sagten nichts, so klug waren sie.","book":"Die Dryade"} {"text":"Und die Schwalbe, die ins Wasser hinabgetaucht war, erzählte von den schönen","book":"Die Dryade"} {"text":"Goldfischen, von den fetten Brachsen, den dicken Schleien und den alten,","book":"Die Dryade"} {"text":"bemoosten Karauschen. \"Die Schwalbe machte eine sehr genaue Beschreibung, aber","book":"Die Dryade"} {"text":"man sieht es doch besser selber,\" meinte sie; aber wie sollte jemals die Dryade","book":"Die Dryade"} {"text":"die Wesen zu sehen bekommen! Sie mußte sich damit begnügen, über die schöne","book":"Die Dryade"} {"text":"Landschaft hinauszusehen und die geschäftige Menschwirksamkeit zu spüren.","book":"Die Dryade"} {"text":"Schön war es, am schönsten aber doch, wenn der alte Geistliche hier unter","book":"Die Dryade"} {"text":"der Eiche stand und von Frankreich erzählte, von den großen Taten von Männern","book":"Die Dryade"} {"text":"und Frauen, deren Namen voller Bewunderung durch alle Zeiten hindurch genannt","book":"Die Dryade"} {"text":"werden.","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Dryade hörte von dem Hirtenmädchen Jeanne d'Ard, von Charlotte Corday, sie","book":"Die Dryade"} {"text":"hörte von uralten Zeiten, von Heinrichs des Vierten und von Napoleons Zeit und,","book":"Die Dryade"} {"text":"bis in die Jetztzeit hinauf, von Tüchtigkeit und Größe; sie hörte Namen, und in","book":"Die Dryade"} {"text":"einem jeden war ein Klang, der in das Herz des Volkes drang: Frankreich ist das","book":"Die Dryade"} {"text":"Land der Welt, der Erdboden der Klugheit mit dem Krater der Freiheit!","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Dorfkinder lauschten andächtig, die Dryade nicht weniger; sie war ein","book":"Die Dryade"} {"text":"Schulkind mit den andern. Sie sah in der Gestalt der segelnden Wolken Bild auf","book":"Die Dryade"} {"text":"Bild von dem, was sie hatte erzählen hören. Der Wolkenhimmel war ihr Bilderbuch.","book":"Die Dryade"} {"text":"Sie fühlte sich so glücklich in dem schönen Frankreich, hatte aber doch ein","book":"Die Dryade"} {"text":"Gefühl, daß die Vögel, daß jedes Tier, das fliegen konnte, weit begünstigter sei","book":"Die Dryade"} {"text":"als sie. Selbst die Fliege konnte sich umsehen, konnte weit umherfliegen, weit","book":"Die Dryade"} {"text":"über den Gesichtskreis der Dryade hinaus.","book":"Die Dryade"} {"text":"Frankreich war so ausgedehnt und herrlich, aber sie sah nur einen kleinen Fleck","book":"Die Dryade"} {"text":"davon, weltweit erstreckte sich das Land mit Weinbergen, Wäldern und großen","book":"Die Dryade"} {"text":"Städten, und von diesen allen war Paris die herrlichste und mächtigste. Dahin","book":"Die Dryade"} {"text":"konnten die Vögel gelangen, sie aber nie.","book":"Die Dryade"} {"text":"Unter den Dorfkindern war auch ein kleines, zerlumptes, ärmliches Mädchen, das","book":"Die Dryade"} {"text":"aber wunderschön anzusehen war; immer sang und lachte die Kleine und wand rote","book":"Die Dryade"} {"text":"Blumen in ihr schwarzes Haar.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Gehe nicht nach Paris!\" sagte der alte Geistliche. \"Arme Kleine! Wenn du dahin","book":"Die Dryade"} {"text":"kommst, so wird es dein Verderben sein!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Und doch ging sie dahin.","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Dryade dachte oft an sie, sie hatten ja beide dasselbe Verlangen und","book":"Die Dryade"} {"text":"dieselbe Sehnsucht nach der großen Stadt.","book":"Die Dryade"} {"text":"Es ward Frühling, Sommer, Herbst, Winter; einige Jahre vergingen.","book":"Die Dryade"} {"text":"Der Baum der Dryade trug seine ersten Kastanienblüten, die Vogel zwitscherten in","book":"Die Dryade"} {"text":"dem herrlichen Sonnenschein umher. Da kam die Landstraße entlang eine stattliche","book":"Die Dryade"} {"text":"Kutsche mit einer vornehmen Dame, sie lenkte selber die leichtspringenden","book":"Die Dryade"} {"text":"schönen Pferde; ein geputzter kleine Jockey saß hintenauf. Die Dryade erkannte","book":"Die Dryade"} {"text":"sie wieder, der alte Geistliche erkannte sie wieder, schüttelte den Kopf und","book":"Die Dryade"} {"text":"sagte betrübt:","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Du kamst in die große Stadt! Das ward dein Verderben, arme Marie!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Die und eine Arme!\" dachte die Dryade. \"Nein, welch eine Verwandlung! Sie ist","book":"Die Dryade"} {"text":"gekleidet wie eine Herzogin! Das geschah in der Stadt der Verzauberung! Ach,","book":"Die Dryade"} {"text":"wäre ich doch da, in all dem Glanz und der Pracht! Selbst die Wolken werden in","book":"Die Dryade"} {"text":"der Nacht davon beleuchtet, das sehe ich, wenn ich den Blick dahin wende, wo,","book":"Die Dryade"} {"text":"wie ich weiß, die Stadt liegt.\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Ja, dahin, nach der Richtung, sah die Dryade jeden Abend, jede Nacht. Sie sah","book":"Die Dryade"} {"text":"den strahlenden Nebel am Horizont; sie entbehrte ihn in hellen, mondklaren","book":"Die Dryade"} {"text":"Nächten; sie entbehrte die segelnden Wolken, die ihr Bilder von der Stadt und","book":"Die Dryade"} {"text":"aus der Geschichte zeigten.","book":"Die Dryade"} {"text":"Das Kind greift nach dem Bilderbuch, die Dryade griff nach der Wolkenwelt, ihrem","book":"Die Dryade"} {"text":"Gedankenbuch.","book":"Die Dryade"} {"text":"Der sommerwarme, wolkenlose Himmel war ihr ein leeres Blatt, und jetzt hatte sie","book":"Die Dryade"} {"text":"seit mehreren Tagen nichts weiter gesehen.","book":"Die Dryade"} {"text":"Es war warme Sommerzeit mit sonnenheißen Tagen ohne einen Lufthauch; jedes","book":"Die Dryade"} {"text":"Blatt, jede Blume lag wie im Schlaf, auch die Menschen schienen zu schlafen.","book":"Die Dryade"} {"text":"Da türmten sich Wolken auf, und zwar in einer Richtung, wo in der Nacht der","book":"Die Dryade"} {"text":"strahlende Nebel verkündete: hier ist Paris.","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Wolken ballten sich zusammen, formten sich zu einer ganzen","book":"Die Dryade"} {"text":"Gebirgslandschaft, schoben sich durch die Luft über das ganze Land, so weit die","book":"Die Dryade"} {"text":"Dryade zu sehen vermochte.","book":"Die Dryade"} {"text":"Gleich mächtigen, schwarzblauen Felsblöcken lagen die Wolken in Schichten","book":"Die Dryade"} {"text":"übereinander hoch in der Luft. Die Blitzstrahlen fuhren heraus. \"Auch sie sind","book":"Die Dryade"} {"text":"Diener das Herrn,\" hatte der alte Geistliche gesagt. Und es kam ein blendender","book":"Die Dryade"} {"text":"Blitz, ein Aufzucken des Lichtes, als wolle die Sonne selber den Felsblock","book":"Die Dryade"} {"text":"sprengen, der Blitz schlug nieder und zersplitterte die alte, mächtige Eiche bis","book":"Die Dryade"} {"text":"zur Wurzel; ihre Krone teilte sich, der Stamm teilte sich, zerspalten fiel er","book":"Die Dryade"} {"text":"als breite er sich aus, um den Sendboten des Lichts zu empfangen.","book":"Die Dryade"} {"text":"Keine Erzkanonen vermögen bei der Geburt eines Königskindes so durch die Luft","book":"Die Dryade"} {"text":"und über das Land zu schallen wie das Dröhnen des Donners hier bei dem Heimgang","book":"Die Dryade"} {"text":"der alten Eiche. Der Regen strömte herab, der erfrischende Wind lüftete aus,","book":"Die Dryade"} {"text":"das Unwetter war vorüber, es war so sonntagsfestlich. Die Leute aus dem Dorf","book":"Die Dryade"} {"text":"versammelten sich um die gefällte alte Eiche; der alte Geistliche sprach ehrende","book":"Die Dryade"} {"text":"Worte, ein Maler zeichnete den Baum selbst zur bleibenden Erinnerung.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Alles fährt dahin,\" sagte die Dryade, \"Fährt dahin wie die Wolke und kehrt","book":"Die Dryade"} {"text":"nimmer wieder!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Der alte Geistliche kam nicht wieder hierher: das Schuldach war","book":"Die Dryade"} {"text":"zusammengestürzt, der Katheder war weg. Die Kinder kamen nicht mehr hierher,","book":"Die Dryade"} {"text":"aber der Herbst kam, der Winter kam, und auch der Frühling kam, und in allen den","book":"Die Dryade"} {"text":"wechselnden Zeiten sah die Dryade nach der Richtung hinüber, wo jeden Abend und","book":"Die Dryade"} {"text":"jede Nacht, fern am Horizont, Paris gleich einem schimmernden Nebel leuchtete.","book":"Die Dryade"} {"text":"Und aus dem Nebel heraus flog eine Lokomotive nach der andern, sausend,","book":"Die Dryade"} {"text":"brausend, zu allen Zeiten, des Abends, um Mitternacht und am Morgen, und während","book":"Die Dryade"} {"text":"des ganzen hellen Tages kamen die Züge, und aus einem jeden und in einen jeden","book":"Die Dryade"} {"text":"hinein strömten Menschen aus allen Ländern der Welt; ein neues Weltwunder hatte","book":"Die Dryade"} {"text":"sie nach Paris gelockt.","book":"Die Dryade"} {"text":"Wie offenbarte sich dies Wunder?","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Eine Prachtblüte der Kunst und Industrie,\" hieß es, \"ist auf dem pflanzenlosen","book":"Die Dryade"} {"text":"Sand des Marsfeldes emporgesproßt: Eine Riesensonnenblume, aus deren Blättern","book":"Die Dryade"} {"text":"man Geographie, Statistik lernen, zu Kunst und Poesie emporgehoben, des Landes","book":"Die Dryade"} {"text":"Größe und Umfang erkennen kann.\" - \"Eine Märchenblüte\" sagten andere, \"eine","book":"Die Dryade"} {"text":"bunte Lotuspflanze, die ihre grünen Blätter wie Sammetteppiche über den Sand","book":"Die Dryade"} {"text":"ausbreitet, ist im frühen Lenz emporgesproßt, die Sommerzeit wird sie in ihrer","book":"Die Dryade"} {"text":"ganzen Prachtenfaltung sehen, die Stürme des Herbstes werden sie verwehen, es","book":"Die Dryade"} {"text":"wird weder Blatt noch Wurzel davon übrigbleiben.\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Vor der Militärschule dehnt sich die Kriegsarena zur Friedenszeit, das","book":"Die Dryade"} {"text":"Feld ohne Gras, ohne Strohhalm aus, ein Stück Sandsteppe, aus der Wüste","book":"Die Dryade"} {"text":"Afrikas ausgeschnitten, in der die Fata Morgana ihre seltsamen Luftschlösser","book":"Die Dryade"} {"text":"und hängenden Gärten sehen läßt. Auf dem Marsfelde standen sie jetzt weit","book":"Die Dryade"} {"text":"prächtiger, weit wunderbarer, denn sie waren durch Menschenklugheit Wirklichkeit","book":"Die Dryade"} {"text":"geworden.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Aladins Schloß ist erbaut, hieß es. \"Tag für Tag, Stunde auf Stunde entfaltet","book":"Die Dryade"} {"text":"es seine reiche Herrlichkeit mehr und mehr. Von Marmor und Farben prangen die","book":"Die Dryade"} {"text":"unendlichen Hallen. Meister \"Blutlos\" bewegt hier seine Stahl- und Eisenglieder","book":"Die Dryade"} {"text":"in dem großen Ringsaal der Maschinen. Kunstwerke in Metall, in Stein, in Gewebe","book":"Die Dryade"} {"text":"verkünden das Leben des Geistes, das sich in allen Ländern der Welt regt.","book":"Die Dryade"} {"text":"Bildersäle, Blumenpracht, alles was Geist und Hand in den Werkstätten der","book":"Die Dryade"} {"text":"Natur schaffen kann, ist hier zur Schau gestellt; selbst die Erinnerungen des","book":"Die Dryade"} {"text":"Altertums aus alten Schlössern und Torfmooren haben sich hier eingestellt.\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Der überwältigend große, bunte Anblick muß klein gemacht, muß zu einem","book":"Die Dryade"} {"text":"Spielzeug zusammengedrängt werden, um wiedergegeben, aufgefaßt und als","book":"Die Dryade"} {"text":"Ganzes gesehen werden zu können. Gleich einem großen Weihnachtstisch trug das","book":"Die Dryade"} {"text":"Marsfeld ein Aladinschloß der Kunst und Industrie, und rund darum herum waren","book":"Die Dryade"} {"text":"Nippesgegenstände aus allen Ländern aufgestellt; jede Nation erhielt eine","book":"Die Dryade"} {"text":"Erinnerung an ihre Heimat.","book":"Die Dryade"} {"text":"Hier stand das Königsschloß Ägyptens, dort die Karawanserei des Wüstenlandes;","book":"Die Dryade"} {"text":"der Beduine, der auf dem Kamel aus seinem Sonnenlande kam, jagte vorüber;","book":"Die Dryade"} {"text":"hier breiteten sich russische Ställe mit feurigen, prächtigen Pferden aus den","book":"Die Dryade"} {"text":"Steppen aus; das kleine, strohgedeckte dänische Bauernhaus stand mit seiner","book":"Die Dryade"} {"text":"Danebrogflagge neben Gustav Wasas prächtigem holgeschnitztem Hause aus Dalarne;","book":"Die Dryade"} {"text":"amerikanische Hütten, englische Cottages, französische Pavillons, Kioske,","book":"Die Dryade"} {"text":"Kirchen und Theater lagen wunderlich zerstreut, und zwischen dem allen der","book":"Die Dryade"} {"text":"frische, grüne Rasen, das klare rinnende Wasser, blühende Sträucher, seltene","book":"Die Dryade"} {"text":"Bäume, Glashäuser, wo man sich in die tropischen Wälder versetzt glauben mußte;","book":"Die Dryade"} {"text":"ganze Rosengärten prangten unter Dach und Fach, als seien sie aus Damaskus","book":"Die Dryade"} {"text":"geholt; welche Farben, selch ein Duft! Tropfsteinhöhlen, künstlich aufgeführt,","book":"Die Dryade"} {"text":"umschlossen Süß- und Salzwasserseen, gewährten einen Blick in das Reich der","book":"Die Dryade"} {"text":"Fische; man stand unten auf dem Meeresgrund zwischen Fischen und Polypen.","book":"Die Dryade"} {"text":"Das alles, so hieß es, trägt jetzt das Marsfeld und bietet es dar, und","book":"Die Dryade"} {"text":"über diese reichgedeckte Festtafel hin bewegt sich gleich geschäftlichen","book":"Die Dryade"} {"text":"Ameisenschwärmen das ganze Menschengewimmel, zu Fuß oder in kleinen Wagen","book":"Die Dryade"} {"text":"gezogen, denn alle Beine halten eine so ermüdende Wanderung nicht aus.","book":"Die Dryade"} {"text":"Hier hinaus strömen die Menschen vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Ein","book":"Die Dryade"} {"text":"überfülltes Dampfschiff nach dem anderen gleitet die Seine hinab, die Wagenzahl","book":"Die Dryade"} {"text":"nimmt fortwährend zu, die Menschenmenge zu Fuß und zu Pferd ist in beständiger","book":"Die Dryade"} {"text":"Zunahme begriffen, Straßenbahnen und Omnibusse sind vollgestopft, gepfropft,","book":"Die Dryade"} {"text":"mit Menschen garniert; alle diese Ströme bewegen sich einem Ziel zu: der Pariser","book":"Die Dryade"} {"text":"Ausstellung! An allen Eingängen prangen die Flaggen Frankreichs, rings um","book":"Die Dryade"} {"text":"das Basargebäude wehen die Fahnen aller Nationen; es saust und summt aus der","book":"Die Dryade"} {"text":"Maschinenhalle, von den Türmen herab klingen die Melodien der Glockentürme, in","book":"Die Dryade"} {"text":"den Kirchen spielen die Orgeln, und in das alles mischen sich heisere, näselnde","book":"Die Dryade"} {"text":"Gesänge aus den morgenländischen Cafés. Es ist wie ein babylonisches Reich, ein","book":"Die Dryade"} {"text":"babylonisches Zungengewirr, ein Weltwunder.","book":"Die Dryade"} {"text":"Ja, so war es, so lauteten die Beschreibungen, die man darüber hörte. Und wer","book":"Die Dryade"} {"text":"hörte sie nicht? Die Dryade wußte alles, was hier von dem \"neuen Wunder\" in der","book":"Die Dryade"} {"text":"Stadt der Städte gesagt ist.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Fliegt, ihr Vögel! Fliegt hin, um zu sehen, kommt wieder und erzählt!\" so","book":"Die Dryade"} {"text":"lautete das Flehen der Dryade.","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Sehnsucht schwoll zum Wunsch, ward zum Lebensgedanken. Und als in der","book":"Die Dryade"} {"text":"stillen. schweigenden Nacht der Vollmond schien, da flog ein Funke aus","book":"Die Dryade"} {"text":"seiner Scheibe heraus, die Dryade sah ihn, er fiel und leuchtete wie eine","book":"Die Dryade"} {"text":"Sternschnuppe, und vor dem Baum, dessen Zweige erbebten wie in einem Sturmwind,","book":"Die Dryade"} {"text":"stand eine mächtige, strahlende Gestalt, die redete in weichen und doch so","book":"Die Dryade"} {"text":"starken Tönen wie eine Posaune des Jüngsten Tages, die zum Leben wachküßt, und","book":"Die Dryade"} {"text":"zum Gericht ruft.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Du sollst hingelangen in die Stadt der Verzauberung, du sollst dort Wurzeln","book":"Die Dryade"} {"text":"schlagen, sollst die sausenden Strömungen dort spüren und die Luft und den","book":"Die Dryade"} {"text":"Sonnenschein. Aber deine Lebenszeit wird alsdann verkürzt werden, die Reihe von","book":"Die Dryade"} {"text":"Jahren, die deiner hier draußen im Freien harrte, wird verkürzt werden, wird da","book":"Die Dryade"} {"text":"drinnen zu einer geringen Summe von Jahren einschrumpfen. Arme Dryade, es wird","book":"Die Dryade"} {"text":"dein Verderben sein! Dein Sehnen wird wachsen, dein Verlangen, dein Begehren","book":"Die Dryade"} {"text":"wird stärker werden! Der Baum selbst wird dir ein Gefängnis werden, du wirst","book":"Die Dryade"} {"text":"dein schützendes Heim verlassen, wirst deine Natur verlassen, wirst ausfliegen","book":"Die Dryade"} {"text":"und dich unter die Menschen mischen, und da sind deine Jahre eingeschrumpft zu","book":"Die Dryade"} {"text":"der halben Lebenszeit der Eintagsfliege, nur eine einzige Nacht wirst du leben;","book":"Die Dryade"} {"text":"dein Lebenslicht wird ausgeblasen werden, die Blätter des Baumes werden welken","book":"Die Dryade"} {"text":"und verwehen und nie wiederkehren.\"","book":"Die Dryade"} {"text":"So klang es, so sang es, und der Lichtschimmer schwand, nicht aber das Sehnen","book":"Die Dryade"} {"text":"und Verlangen der Dryade; sie zitterte voller Erwartung in wildem Fieber der","book":"Die Dryade"} {"text":"Vorfreude.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Ich werde in die Stadt der Städte kommen!\" jubelte sie. \"Das Leben beginnt,","book":"Die Dryade"} {"text":"schwillt zur Wolke an, niemand weiß, wohin es geht!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Bei Tagesgrauen, als der Mond bleich ward und die Wolken erröteten, schlug die","book":"Die Dryade"} {"text":"Stunde der Erfüllung, die Worte des Gelöbnisses wurden eingelöst.","book":"Die Dryade"} {"text":"Es kamen Leute mit Stangen und Spaten; sie gruben rings um die Wurzeln des","book":"Die Dryade"} {"text":"Baumes, tief hinab, tief darunter; ein von Pferden gezogener Wagen fuhr vor,","book":"Die Dryade"} {"text":"der Baum mit den Wurzeln und dem Erdklumpen, den die Wurzeln umschlangen, wurde","book":"Die Dryade"} {"text":"in die Höhe gehoben, in Binsenmatten gewickelt wie in einen warmen Fußsack, und","book":"Die Dryade"} {"text":"dann ward er auf den Wagen geladen und festgebunden, er sollte auf Reisen gehen,","book":"Die Dryade"} {"text":"nach Paris, dort sollte er wachsen und bleiben, in Frankreichs stolzer Stadt, in","book":"Die Dryade"} {"text":"der Stadt der Städte.","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Zweige und Blätter des Kastanienbaumes bebten im ersten Augenblick der","book":"Die Dryade"} {"text":"Erregung, die Dryade bebte in der Wollust der Erwartung.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Fort! Fort!\" klang es in jedem Pulsschlag. \"Fort! Fort!\" klang es in","book":"Die Dryade"} {"text":"bebenden hinschwebenden Worten. Die Dryade vergaß, ihrer Heimat Lebewohl zu","book":"Die Dryade"} {"text":"sagen, Abschied zu nehmen von den wogenden Grashalmen und den unschuldigen","book":"Die Dryade"} {"text":"Gänseblümchen, die zu ihr aufgesehen hatten wie zu einer großen Dame in des","book":"Die Dryade"} {"text":"lieben Gottes Blumengarten, wie zu einer jungen Prinzessin, die hier draußen im","book":"Die Dryade"} {"text":"Freien die Rolle einer Hirtin spiele.","book":"Die Dryade"} {"text":"Der Kastanienbaum lag auf dem Wagen, er nickte mit seinen Zweigen. \"Lebe wohl\"","book":"Die Dryade"} {"text":"oder \"Fort von hier!,\" die Dryade wußte es nicht. Sie träumte von dem wunderbar","book":"Die Dryade"} {"text":"Neuen und doch so Bekannten, das sich entrollen sollte. Kein Kinderherz in","book":"Die Dryade"} {"text":"unschuldiger Freude, kein sinnlich wallendes Blut hat gedankenerfüllter wie sie","book":"Die Dryade"} {"text":"die Reise nach Paris angetreten.","book":"Die Dryade"} {"text":"Das \"Lebewohl!\" war ja \"Fort von hier!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Wagenräder drehten sich um ihre Achse, das Ferne ward nah, lag bald","book":"Die Dryade"} {"text":"überholt; die Gegenden wechselten, wie die Wolken wechseln; neue Weinberge,","book":"Die Dryade"} {"text":"Wälder, Dörfer, Villen und Gärten tauchten auf, kamen zum Vorschein, rollten","book":"Die Dryade"} {"text":"vorüber. Der Kastanienbaum bewegte sich vorwärts und mit ihm die Dryade.","book":"Die Dryade"} {"text":"Lokomotiven entsandten Wolken, die Gestalten bildeten, und diese erzählten von","book":"Die Dryade"} {"text":"Paris, woher sie kamen, wohin die Dryade wollte.","book":"Die Dryade"} {"text":"Alles ringsumher mußte und mußte ja begreifen, wohin ihr Weg ging; es war","book":"Die Dryade"} {"text":"ihr, als strecke jeder Baum an dem sie vorüberkam, seine Zweige nach ihr aus,","book":"Die Dryade"} {"text":"als flehe er: \"Nimm mich mit - nimm mich mit!\" In jedem Baum saß ja auch eine","book":"Die Dryade"} {"text":"sehnsuchtsvolle Dryade.","book":"Die Dryade"} {"text":"Welch ein Wechsel! Welch ein Flug! Es war, als schössen die Häuser aus der","book":"Die Dryade"} {"text":"Erde auf, mehr und mehr, immer düsterer. Die Schornsteine ragten auf wie","book":"Die Dryade"} {"text":"Blumentöpfe, die aufeinander und nebeneinander auf die Dächer gestellt waren;","book":"Die Dryade"} {"text":"große Inschriften mit ellenlangen Buchstaben, gemalte Schilder, schimmerten an","book":"Die Dryade"} {"text":"den Häusern von unter bis unters Dach.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Wo fängt Paris an, und wann bin ich da?\" fragte sie die Dryade. Das","book":"Die Dryade"} {"text":"Menschengewimmel nahm beständig zu, Leben und Geschäftigkeit wurden immer reger,","book":"Die Dryade"} {"text":"ein Wagen folgte dem andern, den Fußgängern folgten Reiter, und ringsumher lag","book":"Die Dryade"} {"text":"ein Laden neben dem andern, ertönte Musik, Gesang, Geschrei und Geplauder.","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Dryade in ihrem Baum war mitten in Paris.","book":"Die Dryade"} {"text":"Der große, schwere Wagen hielt auf einem kleinen, mit Bäumen bepflanzten Platz;","book":"Die Dryade"} {"text":"ringsumher lagen hohe Häuser, in denen jedes Fenster seinen Balkon hatte, von","book":"Die Dryade"} {"text":"dort oben sahen die Laute auf den jungen, frischen Kastanienbaum herab, der","book":"Die Dryade"} {"text":"gefahren kam und nun hier an Stelle des ausgegangenen, ausgerissenen Baumes,","book":"Die Dryade"} {"text":"der an der Erde lag, eingepflanzt werden sollte. Auf dem Platz standen die","book":"Die Dryade"} {"text":"Menschen still und sahen mit Lächeln und Freude das Frühlingsgrün an; die","book":"Die Dryade"} {"text":"älteren Bäume, die erst in Knospen standen, grüßten mit rauschenden Zweigen:","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Willkommen! Willkommen!,\" und der Springbrunnen, der seine Strahlen in die Luft","book":"Die Dryade"} {"text":"emporschleuderte und sie in die breite Kumme niederplätschern ließ, entsandte","book":"Die Dryade"} {"text":"durch den Wind Tropfen zu dem neu angekommenen Baum hinüber, als wolle er ihm","book":"Die Dryade"} {"text":"einen Willkommenstrunk bieten.","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Dryade fühlte, wie ihr Baum von dem Wagen gehoben und an seinen künftigen","book":"Die Dryade"} {"text":"Platz gestellt wurde. Die Wurzeln des Baumes wurden in der Erde geborgen,","book":"Die Dryade"} {"text":"frischer Rasen ward darübergelegt; blühende Büsche und Töpfe mit blühenden","book":"Die Dryade"} {"text":"Gewächsen wurden um den Baum gepflanzt; es entstand ein ganzer Gartenfleck","book":"Die Dryade"} {"text":"mitten auf dem Platz. Der abgestorbene, ausgerissene Baum, der hier drinnen von","book":"Die Dryade"} {"text":"Gasluft, Speisenduft und der erstickenden Stadtluft getötet war, wurde auf den","book":"Die Dryade"} {"text":"Wagen gelegt und weggefahren. Die Volksmenge sah das alles mit an, Kinder und","book":"Die Dryade"} {"text":"alte Leute saßen auf der Bank im Grünen und sahen zwischen die Blätter des eben","book":"Die Dryade"} {"text":"gepflanzten Baumes hinaus. Und wir, die wir davon erzählen, standen auf dem","book":"Die Dryade"} {"text":"Balkon, sahen hinab in den jungen Lenz von da draußen aus der frischen Landluft","book":"Die Dryade"} {"text":"und sagten, was der alte Geistliche gesagt haben würde: \"Arme Dryade!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Glückselig bin ich, glückselig!\" sagte die Dryade. \"Und doch, ich kann es nicht","book":"Die Dryade"} {"text":"recht begreifen, kann nicht recht aussprechen, was ich empfinde; alles ist so,","book":"Die Dryade"} {"text":"wie ich es mir gedacht habe, und doch ist es nicht so, wie ich es dachte!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Häuser waren so hoch, standen so nahe; die Sonne beschien nur eine einzige","book":"Die Dryade"} {"text":"Wand, und die war mit Anschlägen und Plakaten bekleistert, vor denen die Leute","book":"Die Dryade"} {"text":"stehenblieben und sich drängten. Wagen jagten vorüber, leichte und schwere;","book":"Die Dryade"} {"text":"Omnibusse, diese überfüllten fahrenden Häuser, rummelten über den Platz; Reiter","book":"Die Dryade"} {"text":"sprengten vorbei, Karren und Equipagen verlangten das gleiche Recht. \"Würden","book":"Die Dryade"} {"text":"sich,\" dachte die Dryade, \"die hochgewachsenen Häuser, die so nahe standen,","book":"Die Dryade"} {"text":"nicht auch bald auf- und davonmachen, ihre Gestalt verändern, so wie die Wolken","book":"Die Dryade"} {"text":"des Himmels es können, zur Seite gleiten, damit sie in Paris hinein und darüber","book":"Die Dryade"} {"text":"hinwegsehen konnte? Notre-Dame mußte sich zeigen, die Vendomesäule und das","book":"Die Dryade"} {"text":"Wunderwerk, das alle die vielen Fremden hierhergerufen hatte und noch immer","book":"Die Dryade"} {"text":"rief.\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Häuser rührten sich nicht vom Fleck.","book":"Die Dryade"} {"text":"Es war noch Tag, als die Laternen angezündet wurden; aus den Läden leuchteten","book":"Die Dryade"} {"text":"die Gasstrahlen, verbreiteten Licht zwischen die Zweige der Bäume; es war","book":"Die Dryade"} {"text":"wie Sommersonnenschein. Die Sterne oben am Himmel kamen zum Vorschein, es","book":"Die Dryade"} {"text":"waren dieselben, die die Dryade in ihrer Heimat gesehen hatte; sie glaubte,","book":"Die Dryade"} {"text":"einen Lufthauch von da draußen zu spüren, so rein und mild. Sie fühlte sich","book":"Die Dryade"} {"text":"gehoben, gestärkt und spürte eine Sehkraft durch jedes Blatt des Baumes, eine","book":"Die Dryade"} {"text":"Empfindung in den äußersten Spitzen der Wurzeln. Sie fühlte sich in der lebenden","book":"Die Dryade"} {"text":"Menschwelt, von milden Augen gesehen; ringsumher herrschten Gewimmel und Lärm,","book":"Die Dryade"} {"text":"Farben und Licht.","book":"Die Dryade"} {"text":"Aus der Seitenstraße ertönten Blasinstrumente und zum Tanz anregende Melodien","book":"Die Dryade"} {"text":"des Leierkastens. Ja, zum Tanz! Zum Tanz! Zu Freude und Lebensgenuß riefen die","book":"Die Dryade"} {"text":"Töne.","book":"Die Dryade"} {"text":"Es war eine Musik, so daß Menschen, Pferde, Wagen, Bäume und Häuser dazu tanzen","book":"Die Dryade"} {"text":"mußten, wenn sie tanzen konnten. Ein Freudenrausch stieg in der Brust der Dryade","book":"Die Dryade"} {"text":"auf.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Wie lieblich und herrlich!\" jubelte sie. \"Ich bin in Paris!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Der Tag, der kam, und die Nacht, die auf diesen Tag folgte, und abermals der","book":"Die Dryade"} {"text":"nächste Tag und die nächste Nacht boten denselben Anblick dar, dasselbe Treiben,","book":"Die Dryade"} {"text":"dasselbe Leben, wechselvoll und doch immer dasselbe.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Jetzt kenne ich jeden Baum, jede Blume hier auf dem Platz! Ich kenne jedes","book":"Die Dryade"} {"text":"Haus, jeden Balkon und jeden Laden hier, wo man mich in diesen kleinen engen","book":"Die Dryade"} {"text":"Winkel gestellt hat, der die mächtige Stadt meinen Blicken entzieht. Wo sind die","book":"Die Dryade"} {"text":"Triumphbogen, die Boulevards, die Wunderwerke der Welt? Nichts von alledem sehe","book":"Die Dryade"} {"text":"ich. Eingeschlossen wie in einem Käfig stehe ich zwischen den hohen Häusern, die","book":"Die Dryade"} {"text":"ich nun mit ihren Inschriften, Plakaten und Schildern auswendig weiß, alles ist","book":"Die Dryade"} {"text":"nur ein Honig-um-den-Mund-Streichen, das mir nicht mehr behagt. Wo ist doch nur","book":"Die Dryade"} {"text":"alles das, wovon ich hörte, wovon ich weiß, wonach ich mich sehnte und weswegen","book":"Die Dryade"} {"text":"ich hierher wollte? Was habe ich erfaßt, gewonnen, gefunden? Ich sehne mich","book":"Die Dryade"} {"text":"ebenso wie ehedem, und doch weiß ich, es gibt ein Leben, das ich ergreifen, in","book":"Die Dryade"} {"text":"dem ich leben muß! Ich will in die Reihen der Lebenden! Will mich dort tummeln,","book":"Die Dryade"} {"text":"fliegen wie ein Vogel, sehen und fühlen, ich will ganz Mensch sein, will einen","book":"Die Dryade"} {"text":"halben Tag des Lebens wählen statt eines jahrelangen Lebens in der Müdigkeit und","book":"Die Dryade"} {"text":"Langeweile des Alltagslebens, in dem ich hinwelke, sinke, falle wie die Nebel","book":"Die Dryade"} {"text":"der Wiese und verschwinde. Strahlen will ich wie die Wolke, strahlen in der","book":"Die Dryade"} {"text":"Sonne des Lebens, auf das Ganze hinabsehen, wie die Wolke, hinfahren wie sie,","book":"Die Dryade"} {"text":"niemand weiß, wohin!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Das war der Seufzer der Dryade, der sich im Gebet emporschwang:","book":"Die Dryade"} {"text":"Nimm die Jahre meines Lebens, gib mir das Leben der Eintagsfliege! Erlöse","book":"Die Dryade"} {"text":"mich aus meinem Gefängnis, gewähre mir für eine kurze Weile Menschenleben,","book":"Die Dryade"} {"text":"Menschenglück, nur diese eine Nacht, wenn es nicht anders sein kann, und strafe","book":"Die Dryade"} {"text":"mich dann nur für meinen kühnen Lebensmut, für die Sehnsucht meines Lebens!","book":"Die Dryade"} {"text":"Lösche mich aus, laß mein Heim, den frischen, jungen Baum, hinwelken, möge er","book":"Die Dryade"} {"text":"gefällt werden, zu Asche verbrennen, in alle Winde verwehen!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Es sauste in den Zweigen des Baumes, ein kitzelndes Gefühl, ein Zittern","book":"Die Dryade"} {"text":"durchrieselte jedes Blatt, als ströme ein Feuer hindurch oder gehe davon aus,","book":"Die Dryade"} {"text":"ein Windstoß sauste durch die Krone des Baumes, und aus seiner Mitte erhob sich","book":"Die Dryade"} {"text":"eine Frauengestalt, die Dryade selber. Im selben Augenblick saß sie unter den","book":"Die Dryade"} {"text":"gasbestrahlten blätterreichen Zweigen, jung und schön wie die arme Marie, zu der","book":"Die Dryade"} {"text":"gesagt worden war: \"Die große Stadt wird dein Verderben!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Dryade saß am Fuße des Baumes, vor ihrer Haustür, die sie abgeschlossen","book":"Die Dryade"} {"text":"und deren Schlüssel sie weggeworfen hatte. So jung, so schön! Die Sterne sahen","book":"Die Dryade"} {"text":"sie, die Sterne blinkten, die Gasflammen sahen sie, strahlen, winkten! Wie","book":"Die Dryade"} {"text":"schlank und doch wie fest war sie, ein Kind und doch eine erwachsene Jungfrau,","book":"Die Dryade"} {"text":"Ihre Kleidung war seidenfein, grün wie die eben entfalteten frischen Blätter","book":"Die Dryade"} {"text":"in der Kröne des Baumes; in ihrem nußbraunen Haar hing eine halberschlossene","book":"Die Dryade"} {"text":"Kastanienblüte; sie glich der Göttin des Frühlings.","book":"Die Dryade"} {"text":"Nur eine kurze Minute saß sie regungslos still, dann sprang sie auf, und mit","book":"Die Dryade"} {"text":"einer Geschwindigkeit wie die der Gazelle stürzte sie davon, bog um die Ecke,","book":"Die Dryade"} {"text":"sie lief, sie sprang wie das Aufblitzen eines Spiegels, der in der Sonne","book":"Die Dryade"} {"text":"getragen wird, das Aufblitzen, das bald hierhin, bald dahin geworfen wird; und","book":"Die Dryade"} {"text":"hätte man genau zusehen können, hätte man sehen können, was da zu sehen war, wie","book":"Die Dryade"} {"text":"wunderbar! An jeder Stelle, wo sie einen Augenblick verweilte, verwandelte sich","book":"Die Dryade"} {"text":"ihr Gewand, ihre Gestalt, der Eigenschaft des Ortes, des Hauses entsprechend,","book":"Die Dryade"} {"text":"dessen Lampe sie beschien.","book":"Die Dryade"} {"text":"Sie erreichte den Boulevard; hier strömte ihr ein Lichtmeer von Gasflammen","book":"Die Dryade"} {"text":"aus Laternen, Läden, Cafés entgegen. Hier standen Reihen von Bäumen, junge","book":"Die Dryade"} {"text":"und schlanke, ein jeder behauste seine Dryade, schützte sie vor den Strahlen","book":"Die Dryade"} {"text":"des künstlichen Sonnenlichts. Der ganze, unendlich lange Bürgersteig war wie","book":"Die Dryade"} {"text":"ein einziger großer Gesellschaftssaal, hier standen gedeckte Tische mit allen","book":"Die Dryade"} {"text":"möglichen Erfrischungen, Champagner, Chartreuse bis hinab zu Kaffee und Bier,","book":"Die Dryade"} {"text":"hier war eine Ausstellung von Blumen, von Bildern, Statuen, Büchern und bunten","book":"Die Dryade"} {"text":"Stoffen.","book":"Die Dryade"} {"text":"Von dem Gewimmel unter den hohen Häusern sah sie hinaus über den","book":"Die Dryade"} {"text":"schreckeinjagenden Strom außerhalb der Baumreihe: da wogte eine Flut von","book":"Die Dryade"} {"text":"rollenden Wagen, Kabrioletts, Kutschen, Omnibussen, Droschken, Reitern und","book":"Die Dryade"} {"text":"aufmarschierenden Regimentern. Es kostete Leben und Glieder, wenn man nach dem","book":"Die Dryade"} {"text":"gegenüberliegenden Ufer hinüberkreuzen wollte. Jetzt leuchtete eine bewegliche","book":"Die Dryade"} {"text":"Flamme auf, jetzt hatte wieder das Gaslicht die Herrschaft gewonnen, plötzlich","book":"Die Dryade"} {"text":"stieg eine Rakete auf, woher, wohin?","book":"Die Dryade"} {"text":"Ja, das war die große Landstraße der Welt!","book":"Die Dryade"} {"text":"Hier ertönten weiche italienische Melodien, dort spanische Lieder, begleitet","book":"Die Dryade"} {"text":"von den Schlägen der Kastagnetten, am stärksten aber, das Ganze übertäubend,","book":"Die Dryade"} {"text":"schallten die Spieldosenmelodien, die kitzelnde Cancanmusik, die Orpheus nicht","book":"Die Dryade"} {"text":"kannte und die nie von der schönen Helena gehört wurde, selbst die Schubkarre","book":"Die Dryade"} {"text":"mußte auf ihrem einen Rad tanzen, wenn sie tanzen konnte. Die Dryade tanzte,","book":"Die Dryade"} {"text":"schwebte, flog, wechselte die Farben wie der Kolibri im Sonnenlicht, jedes Haus","book":"Die Dryade"} {"text":"und seine Welt da drinnen verliehen ihr den Reflex.","book":"Die Dryade"} {"text":"Gleich der strahlenden Lotusblüte, die von ihrer Wurzel losgerissen, von dem","book":"Die Dryade"} {"text":"Strome davongeführt und auf seinen Wirbeln getragen wird, so trieb sie dahin,","book":"Die Dryade"} {"text":"und wo sie stillstand, war sie immer wieder eine neue Erscheinung, daher","book":"Die Dryade"} {"text":"vermochte niemand, ihr zu folgen, sie wiederzuerkennen, zu beschauen.","book":"Die Dryade"} {"text":"Wie Wolkenbilder flog alles an ihr vorüber, Gesicht neben Gesicht, aber nicht","book":"Die Dryade"} {"text":"ein einziges kannte sie, nicht eine Gestalt aus ihrer Heimat sah sie. Da","book":"Die Dryade"} {"text":"blitzten in ihren Gedanken zwei strahlende Augen auf, sie dachte an Marie, an","book":"Die Dryade"} {"text":"die arme Marie. An das zerlumpte, fröhliche Kind mit der roten Blume in dem","book":"Die Dryade"} {"text":"schwarzen Haar. Sie war ja in der Weltstadt, reich, strahlend, so wie damals,","book":"Die Dryade"} {"text":"als sie am Hause des Pfarrers, an dem Baum der Dryade und an der alten Eiche","book":"Die Dryade"} {"text":"vorübergefahren war.","book":"Die Dryade"} {"text":"Sie war sicher hier in dem betäubenden Lärm, war vielleicht eben ausgestiegen","book":"Die Dryade"} {"text":"aus der harrenden, prächtigen Kutsche; elegante Wagen hielten hier mit","book":"Die Dryade"} {"text":"galonierten Kutschern und seidenbestrumpften Dienern. Die Herrschaften, die","book":"Die Dryade"} {"text":"ausstiegen, waren ausnahmslos Frauen, reichgekleidete Damen. Sie schritten durch","book":"Die Dryade"} {"text":"die offenen Gitterpforten, die hohe, breite Treppe hinan, die zu einem Gebäude","book":"Die Dryade"} {"text":"mit Marmorsäulen führte. War dies etwa das Weltenwunderwerk? Dort war sicher","book":"Die Dryade"} {"text":"Marie!","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Sancta Maria!\" sangen sie da drinnen, der Räucherduft wogte hervor unter","book":"Die Dryade"} {"text":"den hohen, gemalten und vergoldeten Bogen, wo Dämmerung herrschte. Es war die","book":"Die Dryade"} {"text":"Magdalenenkirche.","book":"Die Dryade"} {"text":"Schwarzgekleidet, in den köstlichsten Stoffen, nach der letzten, höchsten","book":"Die Dryade"} {"text":"Mode, schritt hier die vornehme weibliche Welt über den blanken Fußboden. Das","book":"Die Dryade"} {"text":"Wappen zierte den Silberbeschlag des in Sammet gebundenen Gebetbuches und das","book":"Die Dryade"} {"text":"stark parfümierte feine Taschentuch mit den kostbaren Brüsseler Spitzen. Einige","book":"Die Dryade"} {"text":"von den Frauen knieten im stillen Gebet vor den Altären, andere suchten die","book":"Die Dryade"} {"text":"Beichtstühle auf.","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Dryade empfand eine Unruhe, eine Angst, als sei sie an einen Ort geraten,","book":"Die Dryade"} {"text":"den sie nicht betreten dürfe. Hier war das Heim des Schweigens, die Halle der","book":"Die Dryade"} {"text":"Heimlichkeiten; alles wurde geflüstert und lautlos anvertraut.","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Dryade sah sich selber in Seide und Schleier vermummt, sie glich in der","book":"Die Dryade"} {"text":"Erscheinung den andern Frauen des Reichtums und Adels; ob wohl eine jede von","book":"Die Dryade"} {"text":"Ihnen ein Kind der Sehnsucht war, so wie sie?","book":"Die Dryade"} {"text":"Da ertönte ein Seufzer, so schmerzlich tief; kam er aus der Ecke des","book":"Die Dryade"} {"text":"Beichtstuhls oder aus der Brust der Dryade? Sie zog den Schleier fester um sich.","book":"Die Dryade"} {"text":"Sie atmete Kirchenräucherduft und nicht die frische Luft. Hier war nicht die","book":"Die Dryade"} {"text":"Stätte ihrer Sehnsucht.","book":"Die Dryade"} {"text":"Fort! Fort! In fliegender Eile, ohne Rast! Die Eintagsfliege hat keine Ruhe, ihr","book":"Die Dryade"} {"text":"Fliegen ist Leben.","book":"Die Dryade"} {"text":"Sie war wieder da draußen unter strahlenden Gaskandelabern bei prachtvollen","book":"Die Dryade"} {"text":"Springbrunnen. \"Alle Wasserströme vermögen doch nicht das unschuldige Blut","book":"Die Dryade"} {"text":"abzuspülen, das hier vergossen ist.\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Worte wurden gesagt.","book":"Die Dryade"} {"text":"Hier standen fremde Leute, die sprachen laut und lebhaft, wie niemand zu","book":"Die Dryade"} {"text":"sprechen wagte in dem großen Hochsaal der Geheimnisse, von woher die Dryade kam.","book":"Die Dryade"} {"text":"Eine große Steinplatte wurde gedreht, in die Höhe gehoben; sie verstand das","book":"Die Dryade"} {"text":"nicht; sie sah den offenen Abstieg in die Tiefe der Erde; da hinein verschwanden","book":"Die Dryade"} {"text":"sie aus der sternklaren Luft, aus den sonnenstrahlenden Gasflammen, aus all dem","book":"Die Dryade"} {"text":"lebenden Leben.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Ich ängstige mich davor!\" sagte eine von den Frauen, die hier standen. \"Ich","book":"Die Dryade"} {"text":"habe nicht den Mut, da hinabzusteigen, ich mache mir auch nichts daraus, die","book":"Die Dryade"} {"text":"Herrlichkeit da unten zu sehen! Bleib bei mir!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Sollen wir denn nach Hause reisen, Paris verlassen, ohne das Merkwürdigste","book":"Die Dryade"} {"text":"gesehen zu haben, das eigentliche Wunderwerk der Jetztzeit, das durch die","book":"Die Dryade"} {"text":"Klugheit und den Willen eines einzigen Mannes ins Leben gerufen ist?\" entgegnete","book":"Die Dryade"} {"text":"der Mann. \"Ich gehe nicht mit hinab!\" lautete die Antwort.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Das Wunderwerk der Jetztzeit!\" ward da gesagt. Die Dryade hörte es, verstand","book":"Die Dryade"} {"text":"es; das Ziel ihrer heißesten Sehnsucht war erreicht, und hier war der Eingang,","book":"Die Dryade"} {"text":"er führte in die Tiefe hinab, unter Paris. Das hatte sie nicht gedacht, aber","book":"Die Dryade"} {"text":"jetzt hörte sie es, sie sah die Fremden hinabsteigen, und sie schloß sich ihnen","book":"Die Dryade"} {"text":"an.","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Treppe war aus gegossenem Eisen, schraubenförmig, breit und bequem. Eine","book":"Die Dryade"} {"text":"Lampe leuchtete da unten und noch tiefer wieder eine.","book":"Die Dryade"} {"text":"Sie standen in einem Labyrinth von unendlich langen, sich kreuzenden Hallen und","book":"Die Dryade"} {"text":"Bogengängen; alle Straßen und Gassen von Paris waren hier zu sehen wie in einem","book":"Die Dryade"} {"text":"matten Spiegelbild, die Namen waren zu lesen, jedes Haus da oben hatte hier","book":"Die Dryade"} {"text":"seine Nummer, seine Wurzel, die sich unter die menschenleeren, asphaltierten","book":"Die Dryade"} {"text":"Bürgersteige schob, die sich um einen breiten Kanal mit einem fremden, sich","book":"Die Dryade"} {"text":"vorwärtswälzenden Schlamm klemmte. Ein wenig höher ward über Bogen das frische,","book":"Die Dryade"} {"text":"rinnende Wasser geführt, und ganz oben hingen, einem Netz gleich, Gasröhren,","book":"Die Dryade"} {"text":"Telegraphendrähte. Lampen leuchteten in Zwischenräumen wie Widerscheinbilder aus","book":"Die Dryade"} {"text":"der Weltstadt dort oben. Hin und wieder hörte man ein polterndes Rummeln, das","book":"Die Dryade"} {"text":"waren schwere Wagen, die über die Einstiegdeckel fuhren.","book":"Die Dryade"} {"text":"Wo war die Dryade?","book":"Die Dryade"} {"text":"Du hast von den Katakomben gehört; sie sind nur ein verschwindender Strich in","book":"Die Dryade"} {"text":"dieser neuen, unterirdischen Welt, dem Wunderwerk der Jetztzeit; den Kloaken","book":"Die Dryade"} {"text":"unter Paris. Hier stand die Dryade und nicht draußen in der Weltausstellung auf","book":"Die Dryade"} {"text":"dem Marsfelde.","book":"Die Dryade"} {"text":"Ausrufe der Verwunderung, Bewunderung, Anerkennung hörte sie.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Von hier unten,\" so wurde gesagt, \"wachsen jetzt Gesundheit und lange","book":"Die Dryade"} {"text":"Lebensjahre zu Tausenden und Abertausenden da oben hinauf! Unsere Zeit ist die","book":"Die Dryade"} {"text":"Zeit des Forschritts mit allen seinen Segnungen!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Das war die Ansicht der Menschen, das waren die Worte der Menschen, nicht aber","book":"Die Dryade"} {"text":"war es die Ansicht der Geschöpfe, die hier bauten, wohnten und geboren waren,","book":"Die Dryade"} {"text":"der Ratten; sie pfiffen aus dem Spalt in einem Stück alten Mauerwerkes so","book":"Die Dryade"} {"text":"deutlich, so hörbar, so verständlich für die Dryade.","book":"Die Dryade"} {"text":"Eine große männliche Ratte mit abgebissenem Schwanz pfiff durchdringlich ihr","book":"Die Dryade"} {"text":"Empfinden, ihre Beklommenheit, ihre einzig richtige Meinung, und die Familie gab","book":"Die Dryade"} {"text":"bei jedem Worte ihre Zustimmung zu erkennen.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Mir wird schlimm und übel vor dem Menschenmiauen, den Worten der Unwissenheit!","book":"Die Dryade"} {"text":"Ja, jetzt ist es hier herrlich mit Gas und Petroleum, ich fresse dergleichen","book":"Die Dryade"} {"text":"nicht. Es ist so fein hier geworden und so hell, daß man dasitzt und sich über","book":"Die Dryade"} {"text":"sich selber schämt und nicht weiß, weswegen man sich schämt. Ach, lebten wir","book":"Die Dryade"} {"text":"doch in der Zeit des Talglichts! Sie liegt ja gar nicht so weit zurück! Das war","book":"Die Dryade"} {"text":"eine romantische Zeit, wie man zu sagen pflegt!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Was erzählst du da? fragte die Dryade. \"Ich habe dich noch nie gesehen. Wovon","book":"Die Dryade"} {"text":"redest du?\"","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Von der schönen alten Zeit,\" sagte die Ratte, \"von den herrlichen Tagen der","book":"Die Dryade"} {"text":"Urgroßvater- und Urgroßmutterraten; dazumal war es eine große Begebenheit,","book":"Die Dryade"} {"text":"hier herunterzukommen. Hier war ein ganz anderes Rattennest als in ganz Paris!","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Pestmutter wohnte hier unten; sie tötete Menschen, nie aber Ratten. Räuber","book":"Die Dryade"} {"text":"und Schmuggler atmeten frei hier unten. Hier war eine Zufluchtsstätte für die","book":"Die Dryade"} {"text":"interessantesten Persönlichkeiten, die man jetzt nur auf den melodramatischen","book":"Die Dryade"} {"text":"Theatern da oben sieht. Auch in unserm Rattennest ist die Zeit der Romantik","book":"Die Dryade"} {"text":"vorüber; wir haben hier unten frische Luft bekommen und Petroleum.\"","book":"Die Dryade"} {"text":"So pfiff die Ratte! Sie pfiff auf die neue Zeit zu Ehren für die alte mit der","book":"Die Dryade"} {"text":"Pestmutter.","book":"Die Dryade"} {"text":"Da hielt ein Wagen, eine Art offener Omnibus, mit kleinen flinken Pferden","book":"Die Dryade"} {"text":"bespannt; die Gesellschaft setzte sich hinein, fuhr davon, über den Boulevard","book":"Die Dryade"} {"text":"Sébastopol, aber unter der Erde; unmittelbar darüber erstreckte sich der","book":"Die Dryade"} {"text":"bekannte menschenwimmelnde oben in Paris.","book":"Die Dryade"} {"text":"Der Wagen verschwand im Halbdunkel, die Dryade verschwand, in den Lichtkreis der","book":"Die Dryade"} {"text":"Gasflamme, in die frische, freie Luft hinaufgehoben; dort und nicht unten in den","book":"Die Dryade"} {"text":"sich kreuzenden Wölbungen mit ihrer dumpfen Atmosphäre war das Wunder zu finden,","book":"Die Dryade"} {"text":"das Weltwunder, das sie in ihrer kurzen Lebensnacht suchte; es mußte stärker","book":"Die Dryade"} {"text":"strahlen als alle Gasflammen hier oben, stärker als der Mond, der jetzt aus den","book":"Die Dryade"} {"text":"Wolken auftauchte.","book":"Die Dryade"} {"text":"Ja, sicherlich! Und sie sah es in der Ferne, es strahlte vor ihr, es blinkte,","book":"Die Dryade"} {"text":"winkte wie der Venusstern am Himmel.","book":"Die Dryade"} {"text":"Sie sah ein offenes Strahlentor, das in einen kleinen Garten voller Lust und","book":"Die Dryade"} {"text":"Tanzmelodien führte. Gasflammen schimmerten dort als Rabatten und kleine,","book":"Die Dryade"} {"text":"stille Seen und Teiche, wo künstliche Wasserpflanzen, aus Blechplatten","book":"Die Dryade"} {"text":"ausgeschnitten, gebogen und angemalt, in all dem Lichtschimmer prangten und","book":"Die Dryade"} {"text":"ellenhohe Wasserstrahlen aus ihren Kelchen emporsandten. Schöne Trauerweiden,","book":"Die Dryade"} {"text":"wirkliche, lenzfrische Trauerweiden, senkten ihre frischen Zweige gleich","book":"Die Dryade"} {"text":"einem grünen durchsichtigen und doch verhüllenden Schleier herab. Zwischen den","book":"Die Dryade"} {"text":"Büschen brannte ein Feuer, sein roter Schein beleuchtete kleine, dämmerige,","book":"Die Dryade"} {"text":"verschwiegene Lauben, die von Tönen durchbraust waren, von einer Melodie, die","book":"Die Dryade"} {"text":"das Ohr kitzelte, betörend, lockend, die das Blut durch die Pulse der Menschen","book":"Die Dryade"} {"text":"jagte.","book":"Die Dryade"} {"text":"Junge Frauen sah sie, schön, festlich gekleidet, mit dem Lächeln der Unschuld,","book":"Die Dryade"} {"text":"dem leichten, lachenden Sinn der Jugend, eine \"Marie\" mit einer Rose im Haar,","book":"Die Dryade"} {"text":"aber ohne Equipage und Jockey. Wie wogten sie umher, wie schwangen sie sich","book":"Die Dryade"} {"text":"in wilden Tänzen! Was war oben, was war unten? Wie von der Tarantel gestochen","book":"Die Dryade"} {"text":"sprangen sie, lachten sie, lächelten sie, glückselig bereit, die ganze Welt zu","book":"Die Dryade"} {"text":"umfangen.","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Dryade fühlte sich mit fortgerissen in dem Tanz. Ihren kleinen Fuß umschloß","book":"Die Dryade"} {"text":"der seidene Stiefel, kastanienbraun wie das Band, das aus ihrem Haar auf die","book":"Die Dryade"} {"text":"unbedeckte Schulter herabflatterte. Das seidengrüne Kleid wogte in großen","book":"Die Dryade"} {"text":"Falten, verbarg aber nicht das schöngeformte Bein mit dem niedlichen Fuß, der","book":"Die Dryade"} {"text":"vor dem Gesicht des tanzenden Jünglings Zauberkreise in die Luft zu schreiben","book":"Die Dryade"} {"text":"schien.","book":"Die Dryade"} {"text":"War sie in Amidas Zaubergarten? Wie hieß der Ort?","book":"Die Dryade"} {"text":"Draußen erstrahlte der Name in Gasflammen: \"Mabille.\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Töne und Händeklatschen, Raketen und rieselnde Wasser knallten um die Wette mit","book":"Die Dryade"} {"text":"dem Champagner hier drinnen, der Tanz war bacchantisch wild, und über dem Ganzen","book":"Die Dryade"} {"text":"segelte der Mond, freilich mit etwas schiefem Gesicht. Der Himmel war ohne","book":"Die Dryade"} {"text":"Wolken, klar und rein, man glaubte, von Mabille aus in den Himmel hineinsehen zu","book":"Die Dryade"} {"text":"können.","book":"Die Dryade"} {"text":"Eine verzehrende, kitzelnde Lebenslust durchbebte die Dryade, sie fühlte","book":"Die Dryade"} {"text":"sich wie in einem Opiumrausch. Ihre Augen sprachen, die Lippen sprachen, aber","book":"Die Dryade"} {"text":"man hörte die Worte nicht vor dem Klang der Flöten und Violinen. Ihr Tänzer","book":"Die Dryade"} {"text":"flüsterte ihr Worte ins Ohr, sie wogten im Takt des Cancans; sie verstand sie","book":"Die Dryade"} {"text":"nicht, wir verstehen sie nicht. Er streckte seine Arme nach ihr aus, umschlang","book":"Die Dryade"} {"text":"sie und faßte nur die durchsichtige, gaserfüllte Luft.","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Dryade wurde von dem Luftstrom getragen, wie der Wind ein Rosenblatt trägt.","book":"Die Dryade"} {"text":"Hoch oben vor sich erblickte sie eine Flamme, ein blinkendes Licht, auf der","book":"Die Dryade"} {"text":"Spitze eines Turmes. Das Feuer schien herab von dem Ziel ihres Sehens, schien","book":"Die Dryade"} {"text":"von dem roten Leuchtturm auf dem Marsfelde, der \"Fata Morgana.\" Dahin wurde sie","book":"Die Dryade"} {"text":"von dem Frühlingswind getragen. Sie umkreiste den Turm; die Arbeiter glaubten,","book":"Die Dryade"} {"text":"es sei ein Schmetterling, den sie da hinabschweben sahen, um sein zu frühes","book":"Die Dryade"} {"text":"Kommen mit dem Tode zu büßen.","book":"Die Dryade"} {"text":"Der Mond leuchtete, die Gasflammen und Laternen leuchteten in den großen Hallen","book":"Die Dryade"} {"text":"und in den zerstreut liegenden \"Gebäuden der ganzen Welt,\" warfen ihren Schein","book":"Die Dryade"} {"text":"über die Rasenhügel und die durch Menschenschlauheit hergestellten Felsblöcke,","book":"Die Dryade"} {"text":"über die der Wasserstrahl durch \"Meister Blutlos'\" Kraft herabstürzte. Die","book":"Die Dryade"} {"text":"Höhlen der Meerestiefen und die Tiefen des Süßwassersees, die Reiche der Fische","book":"Die Dryade"} {"text":"erschlossen sich hier, man war auf dem Boden des tiefen Teiches, man war unten","book":"Die Dryade"} {"text":"im Meer in der gläsernen Taucherglocke. Das Wasser preßte gegen die dicken","book":"Die Dryade"} {"text":"Glaswände, die nach außen und nach oben darüberlagen. Die Polypen, klafterlang,","book":"Die Dryade"} {"text":"geschmeidig, sich windend wie Aale, bebende Därme, Arme, griffen um sich, hoben","book":"Die Dryade"} {"text":"sich empor, wuchsen am Meeresboden fest.","book":"Die Dryade"} {"text":"Eine große Scholle lag bedenklich nahe, breitete sich übrigens bequem und","book":"Die Dryade"} {"text":"behaglich aus; der Taschenkrebs krabbelte wie eine ungeheure Spinne über","book":"Die Dryade"} {"text":"sie hin, während sich die Krabben mit einer Geschwindigkeit, einer Hast","book":"Die Dryade"} {"text":"emporschwangen, als seien sie die Motten, die Schmetterlinge des Meeres.","book":"Die Dryade"} {"text":"In dem Süßwassersee wuchsen Wasserrosen, Röhricht und Schilf. Die Goldfische","book":"Die Dryade"} {"text":"hatte sich in Reih und Glied aufgestellt wie rote Kühe auf dem Felde, alle mit","book":"Die Dryade"} {"text":"den Köpfen nach derselben Richtung, um die Strömung ins Maul hineinzubekommen.","book":"Die Dryade"} {"text":"Dicke, fette Schleie glotzten mit dummen Augen durch die Glaswände; sie wußten,","book":"Die Dryade"} {"text":"daß sie auf der Pariser Ausstellung waren; sie wußten, daß sie in mit Wasser","book":"Die Dryade"} {"text":"gefüllten Tonnen die ziemlich beschwerliche Reise hierher gemacht hatten und","book":"Die Dryade"} {"text":"auf der Eisenbahn landkrank geworden waren, so wie die Menschen auf dem Meere","book":"Die Dryade"} {"text":"seekrank werden. Sie waren gekommen, um die Ausstellung zu sehen, und sahen sie","book":"Die Dryade"} {"text":"aus ihrer eigenen Süßwasser- oder Salzwasserloge, sahen das Menschengewimmel,","book":"Die Dryade"} {"text":"das sich vom Morgen bis zum Abend vorüberbewegte. Alle Länder der Welt hatten","book":"Die Dryade"} {"text":"ihre Menschen ausgestellt, damit die alten Schleie und Brachsen, die flinken","book":"Die Dryade"} {"text":"Barsche und die bemoosten Karpfen diese Geschöpfe sehen und ihre Ansicht über","book":"Die Dryade"} {"text":"dergleichen austauschen konnten.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Es sind Schaltiere!\" sagte eine schlammige kleine Bleie. \"Sie wechseln die","book":"Die Dryade"} {"text":"Schale zwei-, dreimal im Tage und geben Mundlaute von sich, Sprache nennen sie","book":"Die Dryade"} {"text":"das. Wir wechseln nicht und machen uns auf eine leichtere Weise verständlich:","book":"Die Dryade"} {"text":"Bewegungen der Mundwinkel und Glotzen mit den Augen! Wir haben viel vor den","book":"Die Dryade"} {"text":"Menschen voraus!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Schwimmen haben sie aber doch gelernt!\" sagte ein kleiner Süßwasserfisch.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Ich komme aus dem großen See, da baden die Menschen in der heißen Zeit, zuvor","book":"Die Dryade"} {"text":"aber legen sie die Schalen ab, und dann schwimmen sie. Die Frösche haben es","book":"Die Dryade"} {"text":"sie gelehrt; stoßen mit den Hinterbeinen und Rudern mit den Vorderbeinen; lange","book":"Die Dryade"} {"text":"halten sie es aber nicht aus. Sie wollen uns gleichen, aber das gelingt ihnen","book":"Die Dryade"} {"text":"nicht! Arme Menschen!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Und die Fische glotzten; sie glaubten, daß das ganze Menschengewimmel, das sie","book":"Die Dryade"} {"text":"in dem starken Tageslicht gesehen hatten, sich hier noch bewegte; ja, sie waren","book":"Die Dryade"} {"text":"überzeugt, noch dieselben Gestalten zu sehen, die ihnen sozusagen zuerst auf die","book":"Die Dryade"} {"text":"Auffassungsnerven gefallen waren.","book":"Die Dryade"} {"text":"Ein kleiner Barsch mit hübsch getigerter Haut und beneidenswert rundem Rücken","book":"Die Dryade"} {"text":"versicherte, daß der \"Menschenmorast\" noch da sei; er sehe ihn noch. \"Ich","book":"Die Dryade"} {"text":"sehe ihn auch, ich sehe ihn so deutlich!\" sagte ein gelbsuchtgoldiger Schlei.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Ich sehe so deutlich die schöne, gutgewachsene Menschengestalt, \"hochbeinige","book":"Die Dryade"} {"text":"Frau\" oder wie sie sie nannten; sie hatte unsere Mundwinkel und Glotzaugen,","book":"Die Dryade"} {"text":"hinten zwei Ballons und vorne einen Regenschirm, großes Entenflott-Gehängsel,","book":"Die Dryade"} {"text":"Tingel-Tangel. Sie sollte das Ganze nur ablegen, so gehen wie wir, so wie sie","book":"Die Dryade"} {"text":"geschaffen ist, und sie würde aussehen wie ein redlicher Schlei, soweit die","book":"Die Dryade"} {"text":"Menschen das fertigbringen können!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Wo blieb der Mensch wohl ab, den sie an der Angel zogen?\"","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Er fuhr in einem Stuhlwagen, saß mit Papier und Tinte und Feder da, schrieb","book":"Die Dryade"} {"text":"alles auf, schrieb alles nieder. Was bedeutete er? Sie nannten ihn Rezensent.\"","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Er fährt noch da!\" sagte eine bemooste, jungfräuliche Karausche, die die","book":"Die Dryade"} {"text":"Prüfung der Welt in der Kehle hatte, so daß sie heiser davon war; sie hatte","book":"Die Dryade"} {"text":"einstmals einen Angelhaken verschluckt und schwamm nun geduldig damit im Halse","book":"Die Dryade"} {"text":"herum.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Rezensent!\" sagte sie. \"Das ist vom Fischstandpunkt aus, verständlich","book":"Die Dryade"} {"text":"ausgedrückt, eine Art Tintenfisch unter den Menschen.\"","book":"Die Dryade"} {"text":"So redeten die Fische auf ihre Weise. Aber mitten in der künstlich errichteten","book":"Die Dryade"} {"text":"wassertragenden Grotte ertönten Hammerschläge und Gesang der Arbeiter: sie","book":"Die Dryade"} {"text":"mußten die Nacht mit zu Hilfe nehmen, damit alles vollendet werde. Sie sangen in","book":"Die Dryade"} {"text":"dem Sommernachtstraum der Dryade; sie selber stand hier drinnen, um wieder von","book":"Die Dryade"} {"text":"dannen zu fliegen und zu verschwinden.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Das sind die Goldfische!\" sagte sie und nickte ihnen zu. \"So bekam ich euch","book":"Die Dryade"} {"text":"denn doch zu sehen! Ja, ich kenne euch! Ich habe euch lange gekannt! Die","book":"Die Dryade"} {"text":"Schwalbe hat mir von euch erzählt in unserer Heimat! Wie schön seid ihr, wie","book":"Die Dryade"} {"text":"schimmernd, wie liebreizend! Ich könnte euch alle nacheinander küssen! Auch die","book":"Die Dryade"} {"text":"andern kenne ich! Das da ist gewiß die fette Karausche, dies hier der leckere","book":"Die Dryade"} {"text":"Brachsen, und diese da sind die bemoosten Karpfen! Ich kenne euch, aber ihr","book":"Die Dryade"} {"text":"kennt mich nicht!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Fische glotzten, sie verstanden nicht ein einziges Wort; sie sahen in das","book":"Die Dryade"} {"text":"dämmernde Licht hinaus.","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Dryade war nicht mehr da, sie stand im Freien, wo die \"Wunderblume der Welt\"","book":"Die Dryade"} {"text":"ihren Duft aus den verschiedenen Ländern ausströmte, aus dem Schwarzbrotland,","book":"Die Dryade"} {"text":"von der Stockfischküste, dem Juchtenlederreich, dem Eaude-Cologne-Flußufer, dem","book":"Die Dryade"} {"text":"Rosenölmorgenland.","book":"Die Dryade"} {"text":"Wenn wir nach einer Ballnacht halbwach heimfahren, klingen die Melodien, die wir","book":"Die Dryade"} {"text":"gehört haben, noch deutlich in unseren Ohren; wir könnten eine jede singen. Und","book":"Die Dryade"} {"text":"wie in dem Auge des Getöteten der letzte Blick von dem, was das Auge gesehen,","book":"Die Dryade"} {"text":"nach eine Zeitlang photographisch dort verweilen soll, so weilten auch hier","book":"Die Dryade"} {"text":"in der Nacht noch das Getümmel und der Schein des Lebens am Tage, es war nicht","book":"Die Dryade"} {"text":"verbraust, nicht erloschen; die Dryade fühlte das und wußte: so braust es auch","book":"Die Dryade"} {"text":"noch morgen am Tage weiter.","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Dryade stand zwischen den duftenden Rosen, glaubte sie aus ihrer Heimat","book":"Die Dryade"} {"text":"wiederzukennen. Rosen aus dem Schloßpark und aus dem Pfarrgarten. Auch die rote","book":"Die Dryade"} {"text":"Granatblüte sah sie hier; eine solche hatte Marie in ihrem kohlschwarzen Haar","book":"Die Dryade"} {"text":"getragen.","book":"Die Dryade"} {"text":"Erinnerungen aus der Heimat ihrer Kindheit draußen auf dem Lande blitzten in","book":"Die Dryade"} {"text":"ihre Gedanken hinein. Das Schauspiel ringsumher sog sie mit der Begierde der","book":"Die Dryade"} {"text":"Augen ein, während fieberhafte Unruhe sie erfüllte, sie durch die wunderbaren","book":"Die Dryade"} {"text":"Säle trieb.","book":"Die Dryade"} {"text":"Sie fühlte sich ermüdet, und diese Müdigkeit nahm zu. Sie hatte ein Bedürfnis,","book":"Die Dryade"} {"text":"sich auszuruhen auf den weichen morgenländischen Kissen und Teppichen hier","book":"Die Dryade"} {"text":"drinnen oder sich mit der Trauerweide hinabzuneigen zu dem klaren Wasser und","book":"Die Dryade"} {"text":"darin unterzutauchen.","book":"Die Dryade"} {"text":"Aber die Eintagsfliege kennt keine Ruhe. In wenigen Minuten war ihr Tag zu Ende.","book":"Die Dryade"} {"text":"Ihre Gedanken zitterten, ihre Glieder bebten, sie sank im Gras an dem rinnenden","book":"Die Dryade"} {"text":"Wasser nieder.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Du entspringst der Erde mit ewigem Leben!\" sagte sie. \"Letze meine Zunge,","book":"Die Dryade"} {"text":"schenke mir Erquickung!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Ich bin kein lebendiges Wasser!\" entgegnete der Bach. \"Mich macht eine Maschine","book":"Die Dryade"} {"text":"springen!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Gib mir von deiner Frische, du grünes Gras!\" bat die Dryade. \"Gib mir eine von","book":"Die Dryade"} {"text":"den duftenden Blumen!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Wir sterben, wenn wir abgerissen werden!\" sagten Gras und Blumen.","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Küsse mich, du frischer Luftstrom! Nur einen einzigen Lebenskuß!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"\"Bald küßt die Sonne die Wolken rot,\" sagte der Wind, \"und da bist du unter","book":"Die Dryade"} {"text":"den Toten, bist hingefahren, wie alle Herrlichkeit hier hinfährt, ehe das Jahr","book":"Die Dryade"} {"text":"um ist; dann kann ich wieder mit dem leichten, losen Sand hier auf dem Platz","book":"Die Dryade"} {"text":"spielen, kann Staub über die Erde blasen, Staub in die Luft blasen, Staub,","book":"Die Dryade"} {"text":"nichts als Staub!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Dryade empfand eine Angst wie die Frau, die im Bade die Pulsader","book":"Die Dryade"} {"text":"durchgeschnitten hat und verblutet, aber im Verbluten noch zu leben wünscht. Sie","book":"Die Dryade"} {"text":"erhob sich, trat einige Schritte vor und sank vor einer kleinen Kirche wieder","book":"Die Dryade"} {"text":"nieder. Die Tür stand offen, auf dem Altar brannten Lichter, die Orgel ertönte.","book":"Die Dryade"} {"text":"Welch eine Musik! Solche Töne hatte die Dryade noch nie gehört, und doch war","book":"Die Dryade"} {"text":"es ihr, als höre sie bekannte Stimmen darin. Die kamen aus der Herzenstiefe","book":"Die Dryade"} {"text":"der ganzen Schöpfung. Sie glaubte das Sausen der alten Eiche zu vernehmen,","book":"Die Dryade"} {"text":"sie glaubte den alten Geistlichen zu hören, der von großen Taten erzählte,","book":"Die Dryade"} {"text":"von berühmten Namen und von dem, was Gottes Geschöpfe einer künftigen Zeit als","book":"Die Dryade"} {"text":"Geschenk geben könnten, geben müßten, um selber dadurch ein bleibendes Leben zu","book":"Die Dryade"} {"text":"erringen.","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Töne der Orgel schwollen und klangen, sprachen im Gesang: \"Dein Sehnen,","book":"Die Dryade"} {"text":"deine Lust rissen sich mit der Wurzel aus dem dir von Gott angewiesenen Platz","book":"Die Dryade"} {"text":"aus. Das ward dein Verderben, arme Dryade!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Orgeltöne, weiche und sanfte, klangen wie von Tränen erstickt, starben hin in","book":"Die Dryade"} {"text":"Tränen.","book":"Die Dryade"} {"text":"Am Himmel schimmerten die Wolken rot. Der Wind sauste und sang: \"Fahret hin, ihr","book":"Die Dryade"} {"text":"Toten, jetzt geht die Sonne auf!\"","book":"Die Dryade"} {"text":"Der erste Strahl fiel auf die Dryade. Ihre Gestalt erschien in Farben, wechselnd","book":"Die Dryade"} {"text":"wie die Seifenblase, wenn sie zerplatzt, verschwindet, ein Tropfen wird, eine","book":"Die Dryade"} {"text":"Träne, die zur Erde fällt und verschwindet.","book":"Die Dryade"} {"text":"Arme Dryade! Ein Tautropfen, nur eine Träne, gekommen, verschwunden!","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Sonne schien auf die \"Fata Morgana\" des Marsfeldes herab, schien herab","book":"Die Dryade"} {"text":"auf das große bunte Paris, auf den Platz mit den Bäumen und dem plätschernden","book":"Die Dryade"} {"text":"Springbrunnen zwischen den hohen Häusern, wo der Kastanienbaum stand, aber","book":"Die Dryade"} {"text":"mit herabhängenden Zweigen und welken Blättern, der Baum, der gestern noch so","book":"Die Dryade"} {"text":"lebensfrisch aufragte wie der Frühling selber.","book":"Die Dryade"} {"text":"Jetzt sei er eingegangen, sagte man.","book":"Die Dryade"} {"text":"Die Dryade war eingegangen, war hingefahren wie die Wolke, niemand weiß, wohin.","book":"Die Dryade"} {"text":"An der Erde lag eine welke, geknickte Kastanienblüte, das Weihwasser der Kirche","book":"Die Dryade"} {"text":"vermochte sie nicht ins Leben zurückzurufen; der Menschenfuß zertrat sie bald im","book":"Die Dryade"} {"text":"Kies.","book":"Die Dryade"} {"text":"Dies alles ist geschehen und erlebt. Wir sahen es selber, in der","book":"Die Dryade"} {"text":"Ausstellungszeit in Paris 1867, in unserer Zeit, in der großen, wunderbaren Zeit","book":"Die Dryade"} {"text":"des Märchens.","book":"Die Dryade"}